QIN
Ingo Stoevesandt
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
(Aus dem “Qin cao”, dem ersten großen Katalog der Qin-Stücke, 3.Jhdt n.u.Z.)
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
von
Ingo Stoevesandt
Inhalt:
2) Handpositionen - Seite 13
3) Notation - Seite 20
Impressum:
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Vorwort
Die vorliegende Übersetzung ist nur ein Teilausschnitt des hervorragenden Buches
„Yu ku chai ch’in pu“ aus dem Jahr 1855. Im Fokus meiner Übersetzung stehen die
praktisch relevanten Bezüge für den Anfänger auf diesem Instrument.
Meine Übersetzung basiert auf der Grundlage der bereits erhältlichen englischen
Übersetzung von James Binkley, die man unter dem Titel „Abiding with antiquity“
(eigentlich: „abiding with antiquity studio“ = „Beständigkeit durch das Studium der
Antike“, eine direkte Übersetzung des vom Originalautor Chu Feng Chie gewählten Titels)
im Internet oder in Bibliotheksausgaben findet.
Eine zusätzliche Quelle und Anregung war für mich das unersetzliche Buch
„The lore of the Chinese lute“ von Robert van Gulik, in dem es, anders als der Titel
vermuten läßt, nicht um eine Laute sondern das Spiel der Wölbbrettzither Qin geht.
Meine grundlegende Motivation für die erneute Übersetzung war eine Verschiebung des
Fokus auf den aktuellen Qin-Spieler. Das Instrument hat längst seine isolierte Position als
Disziplinarinstrument der chinesischen Elite verlassen und die Bühnen der Welt betreten.
Inzwischen dürfte man sogar davon ausgehen, daß durch diverse Filmauftritte und
international anerkannte Künstler wie Wu Fei (www.wufeimusic.com) die Qin ausserhalb
Chinas immer bekannter wird und sowohl Musiker als auch Laien fasziniert.
In dem Originalwerk aus dem Jahr 1855 sind Spielweise und Notation der Qin nur ein
Teilabschnitt des Gesamtwerkes. Einen ebenso großen Teil nehmen Planung, Konstruktion
und Entwurf einer Qin in Anspruch, ebenso die Beschreibung der nötigen Werkzeuge,
Holzquellen und Methoden zur Behandlung der einzelnen Teile bis zur Herstellung der
Saite. Da die entsprechenden Hölzer in Europa nicht vorhanden sind, habe ich diesen und
andere Abschnitte vernachlässigt. Bei Interesse an dem Herstellungsverfahren empfehle
ich daher die bereits genannte englische Übersetzung von James Binkley.
Auch eine historische Aufarbeitung der Herkunft, Entwicklung und Literatur für die Qin
muß ich leider aus Platzgründen vermeiden. Ein Notenbeispiel in westlicher Notation ist
zwar beigefügt, es gibt inzwischen jedoch ganze Sammlungen traditioneller und moderner
Stücke in westlicher Notation, und viele klassischen Stücke sind auch ausserhalb Chinas in
der ursprünglichen Notation als Facsimilae erhältlich.
Ebenso wichtig wie das Spiel der alten Stücke erweist sich aber auch der (in der
chinesischen Klassik nicht vorgeschriebene) improvisatorische Umgang mit diesem
einzigartigen Instrument.
Ich hoffe, ich kann mit der vorliegenden Übersetzung die ersten musikalischen Schritte auf
der Qin erleichtern, grundlegende Fragen beantworten und so zur traditionellen Vorsehung
einer jeden Qin beitragen:
Ingo Stoevesandt
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Die Qin ist eine Wölbbrettzither mit sieben Saiten. Da es sich um eine Basszither mit
dicken Metallseiten handelt, ist die Stimmung des Instruments ein nicht zu
unterschätzender Aspekt vor dem Spiel.
C D F G A c d
Ein Vorteil dieser halbtonlosen Stimmung ist die Möglichkeit, jeden Ton als Grundton
einer Skala aus diesen Teiltönen zu nutzen, so daß die sich daraus ergebenden Skalen
durchaus als „modal“ betrachten lassen.
Bereits mehrere Stücke der klassischen Qin-Notation verlangen auch nach einer eigenen
Stimmung auf einen anderen Grundton, dies ist jeweils der Notation anzusehen.
Oft ist es nicht ungewöhnlich daß professionelle Spieler mehrere Qin besitzen, jeweils auf
unterschiedliche Skalen gestimmt, damit sie je nach Vorgabe der gespielten Stücke einfach
das Instrument wechseln können. Eine Umstimmung der Qin ist nämlich ein aufwendiger
und Zeit kostender Prozess, wie wir im weiteren Verlauf noch sehen werden.
Die Platzierung:
Bevor man das Instrument zum ersten Mal stimmt, sollte man sich einen geeigneten Tisch
bereitstellen, der lang genug ist, das Instrument darauf zu platzieren.
Dieser Tisch sollte nicht zu hoch sein, die Tischplatte sollte sich etwa auf Höhe der
Oberschenkel in Sitzposition befinden.
Man sollte sich möglichst immer den gleichen Stuhl und Tisch zum Spielen bereit stellen,
damit man immer aus gleicher Sitzhöhe und Position spielt – eine grobe Verschiebung der
Sitzposition kann auch einen geübten Spieler vor Probleme stellen, wenn es um die präzise
Ausführung der geforderten Bewegungen geht. Im Idealfall hängen die Arme des Spielers
entspannt herab, die Handgelenke befinden sich etwas oberhalb des Beckens.
(In der Antike wurde das Instrument im Schneidersitz auf dem Schoß gespielt –
heutzutage dient der Tisch jedoch nicht nur der Bequemlichkeit des Spielers, sondern auch
als Resonanzkörper für die leisen Töne der Basszither.)
Zwar gibt es in China natürlich speziell für die Qin gefertigte Tische und Sitzkissen/Stühle,
jedoch ist ein teurer Import dieser Spezialmöbel nicht erforderlich, ein passendes
Möbelstück läßt sich in Deutschland günstiger finden (Möbelhäuser) und für die ersten
„Gehversuche“ auf dem Instrument mag sogar der traditionelle Sitz auf dem Fussboden
ausreichend sein – jedoch nur für kurze Zeit.
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L (Spieler) R
1) Wie man auf dem Bild erkennt, sollte das Instrument so vor einem liegen, daß der
schmalere Teil des Instruments mit seiner mundförmigen Öffnung, über welche die
Saiten verlaufen, nach links zeigt, und die Brücke mit den „Schmetterlingsbindungen“
(s.u., Stichwort Stimmung) der Saiten unter der rechten Hand des Spielers liegt.
Die tiefste Saite und die Griffmarken liegen also außen, die höchste Saite innen
(von der Position des Spielers aus betrachtet).
2) Der Spieler sitzt weit rechts, direkt vor der letzten Ausbuchtung des Instruments auf
der rechten Seite, so daß die rechte Hand ohne Anstrengung die Saiten hinter der
letzten Griffmarke (oder falls erforderlich direkt an der Brücke) anzupfen kann.
3) Unter der Brücke befinden sich auf der Unterseite die Stimmwirbel der Saiten:
Eine Qin sollte immer so auf dem Tisch platziert werden, daß die Stimmwirbel über die
Tischkante heraus ragen. Eine Qin steht also rechts immer ein wenig „über“.
Eine Qin sollte nie auf die Stimmwirbel gestellt werden! – damit wird die
Feinstimmung des Instruments gefährdet und die Wirbel werden unnötig belastet.
4) Es empfiehlt sich ebenfalls, die Auflagepunkte des Korpus der Qin auf eine
Antirutsch-Matte (gibt es im Spielwarenhandel) zu stellen.
Alternativ kann man auch die antike Methode nutzen, und 2 bis 3 Socken mit feinem
Sand befüllen, worauf man die Qin platziert.
Beide Methoden sollen verhindern, daß die Qin beim Spiel verrutscht!
Alternativ zu einem Tisch und Sitz kann man die Qin auch auf dem Boden sitzend spielen,
in dem man das Instrument auf zwei gleich große hölzerne Fußbänke platziert (diese
sollten massiv sein, es sind also keine Fußbänke für Gitarristen gemeint!).
In diesem Fall muß man bei eventuellen Reisen mit der Qin nur das Instrument und die
Fußbänke transportieren, und nicht die gewohnten Konzertmöbel. So hat man auch
unterwegs immer die gewohnte Spielposition.
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Die Stimmung:
Die Feinstimmung des Instruments erfolgt durch Drehung der Stimmwirbel auf der
Unterseite der Qin. Diese muß man immer erst leicht „anheben“ (also nach hinten ziehen)
bevor sie sich drehen lassen. Das kann je nach der Spannung der Saite auch etwas
Muskelkraft erfordern.
Normalerweise dreht man den Wirbel im Uhrzeigersinn, um den Ton zu erhöhen, und in
die Gegenrichtung, um die Saite zu entspannen – manchmal ist jedoch ein Wirbel auch
falsch eingesetzt und man muß die Richtungen vertauschen.
Die jeweilige Saite ist auf der Oberseite der Qin an der Brücke zu einer Schlaufe gebunden
(„Schmetterling“), an die eine Kordel ansetzt. Diese Kordel wird je nach Richtung der
Wirbel eingedreht und somit verkürzt oder in Gegenrichtung entspannt.
Man sollte darauf achten, daß sich diese „Schmetterlinge“ parallel zur Brücke oder
dahinter befinden (s.u. rechts), nicht davor (links)!
(falsch) (richtig)
Grundsätzlich eignen sich die Stimmwirbel nur zur Feinstimmung der Saite.
Ist die entsprechende Saite mehr als eine kleine Terz zu tief gestimmt, kann die Kordel
vom Wirbel unter zu hohen Zug gesetzt werden und der Faden reißen.
Dann empfiehlt es sich, den „Schmetterling“ zu lösen und neu zu binden oder die Saiten
komplett neu aufzuziehen (siehe Kap. 1.2).
Zur Überprüfung der Stimmung kann man natürlich auch ein digitales Stimmgerät zu Hilfe
nehmen, doch dieses war in den letzten 3000 Jahren in China nicht vorhanden, daher gibt
es mehrere Methoden, auch ohne Stimmgerät die Stimmung zu überprüfen:
Dafür nutzt man die 13 Griffmarken („hui“) und die Obertöne der Qin.
13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Die Griffmarken werden von rechts nach links numeriert, die erste hui befindet sich also
direkt an der Brücke unter der rechten Hand, die 13. links außen.
Die Griffmarken sollten nicht mit einem Steg einer Gitarre verwechselt werden, es handelt
sich vordergründig um die Position der Obertöne. Diese harmonischen Obertöne helfen
beim Stimmen mehr als die abgegriffenen Töne, da sie die „reale“ Stimmung der Saite in
Schwingung wiedergeben, und nicht eine versehentlich verrutschte Fingerposition.
Ein Finger der nur einen Millimeter „falsch“ auf der Saite sitzt, verändert die Stimmung
bereits gewaltig, wie man es beispielsweise auch von den hohen Lagen eines Cellos kennt.
Unter den drei bekanntesten Methoden zur Stimmung der Qin möchte ich die Methode der
Stimmung mit Hilfe der Obertöne zuerst vorstellen:
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Da die Obertöne zentral für das Spiel und die Stimmung der Qin sind, sollte man diese
ausgiebig für jede Saite üben:
Um reine, lang klingende Obertöne zu erzeugen, nutzt man für den Anschlag am besten
den Daumen der rechten Hand, während die linke Hand den Oberton mit dem Zeigefinger
an der entsprechenden hui abdämpft.
Wer mit der Erzeugung eines Obertons auf einer Saite nicht vertraut ist, muß vor allem die
Platzierung des Fingers der linken Hand auf der Saite üben:
Der Finger liegt beim Anzupfen leicht auf der Saite auf und gibt sie recht kurz nach dem
Anschlag frei, damit sie schwingen kann.
Bleibt der Finger zu lange liegen, wird die Saite abgedämpft und es erklingt nur ein kurzes,
dumpfes Anschlagsgeräusch. Liegt der Finger mit zuviel Druck auf, erklingt ein
abgegriffener Ton der verkürzten Saite.
Liegt der Finger nicht wirklich auf, erklingt die leere Saite.
Man fängt am besten bei dem tiefsten Oberton c an, der sich auf der tiefsten Saite unter der
siebten hui befindet (Je dicker die Saite ist, die den Oberton erzeugt, um so leichter läßt
sich der Oberton spielen und um so länger und lauter klingt er aus).
Nun wechselt man auf der gleichen Saite zu einer anderen hui und versucht sich an dem
dortigen Oberton – generell lassen sich die Oktav- und Quint-Obertöne leichter erzeugen
als die Obertonterz, und je stärker die rechte Hand (gerne mit Hilfe des Fingernagels)
anschlägt, um so lauter und länger erklingt der entsprechende Oberton.
Da die Qin eine Basszither mit dicken (heute: Metall-)Saiten ist, eignet sie sich
hervorragend für das Spiel der Obertöne, und diese „Töne des Himmels“ dürfen in keinem
Stück fehlen, bilden sie doch das Ziel der „Töne der Erde“ (gemeint ist die freie Saite), die
sich mit Hilfe der „Töne des Menschen“ (abgegriffene Töne) in den Himmel erheben.
Diese Namensgebung führt uns nebenbei auch das chinesische Verständnis des Menschen
als Bindeglied zwischen Himmel und Erde bildhaft vor Augen.
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Die Stimm-Tabelle:
Die höchste Saite (Nummer 7) ist der Referenzton, und über den Vergleich der Obertöne
lassen sich nun die anderen Saiten stimmen, und zwar am besten in folgender Reihenfolge:
Hier sollte immer eine perfekte Oktave erklingen (10-9-Methode), mit dem tieferen Ton
auf der tieferen Saite. Sind alle Saiten dermaßen aufeinander gestimmt, müssen nun auch
die Quinten leicht temperiert schwingen:
Es gibt auch Wege, über abgegriffene Töne die Stimmung zu prüfen, doch dies setzt eine
perfekte Kenntnis der Lage der Töne voraus, die bei einem Anfänger nicht gegeben sein
kann und daher hier als Methode ausscheidet.
Wer über ein entsprechend trainiertes (oder absolutes) Gehör verfügt, kann auch versuchen
die freien Saiten nach Gehör zu stimmen – das ist jedoch der schwierigste Weg!
Grundsätzlich verstimmt sich eine Qin nicht sehr leicht, sondern behält ihre Stimmung
recht ausdauernd und lange bei – vorausgesetzt das Instrument wird auf richtige Weise
gepflegt und behandelt (siehe Kap. 1.3).
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Ist eine Saite mehr als eine kleine Terz zu tief gestimmt, läßt sich über die Drehung der
Stimmwirbel kein Ausgleich mehr erreichen, da die Gefahr besteht daß der
Befestigungsfaden zwischen Saitenende („Schmetterling“) und Wirbel reißt.
In diesem Fall muß der Zug auf die Saite erhöht werden.
Dies erreicht man durch zwei Methoden:
Ist nur eine einzelne Saite verstimmt, lohnt sich kaum die nicht zu unterschätzende Mühe,
alle Saiten neu aufzuziehen (s.u.). Um die einzelne Saite mit mehr Zug zu versorgen, kann
man die Schmetterlingsbindung lösen und etwa 1 cm weiter nach vorne versetzen, um so
die Saite künstlich zu verkürzen.
- Dazu dreht man den entsprechenden Wirbel der Saite so lange lose, bis es möglich
wird, den Befestigungsfaden über den „Kopf“ des Schmetterlings zu ziehen und so
Schmetterling und Faden voneinander zu lösen.
- Den freien Faden des Wirbels befestigt man am besten mit etwas Tesafilm an der
Brücke, damit er nicht durch das Loch verschwindet und man ihn mühsam wieder
hindurch manövrieren muß.
- Bevor man den Schmetterling auflöst und neu bindet, sollte man sich die Stelle, an der
die neue Schmetterlingsbindung auf der Saite ansetzen soll, mit einem Stift markieren.
- Nun formt man den neuen Schmetterling exakt an der markierten Stelle auf die in den
unten stehenden Bildern beschriebene Weise (Reihenfolge beachten!):
Da die Saite an ihrem Ende durch Aufbrechen und Neubinden des Schmetterlings schneller
brüchig wird, sollte man diese Methode höchstens einmal anwenden, um ein frühes Reißen
der Saite zu vermeiden!
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Auch die benötigte Muskelkraft ist nicht zu unterschätzen, vor allem bei den tiefen Saiten
empfiehlt sich daher die Hilfe eines Freundes, der die Saite anzupft um die grobe
Stimmung zu überprüfen.
Man beginnt mit den hohen Saiten, die man an dem rechten Fuß befestigt:
Danach folgen die tiefen Saiten, die an dem linken Fuß befestigt werden:
Die Annäherung an den gewünschten Ton sollte möglichst nicht weiter als einen Ganzton
unter dem gewünschten Ton liegen. Allerdings erfordert es vor allem bei den dickeren
Saiten erhebliche Muskelkraft, um selbst den unter dem gewünschten Ton liegenden
Ganzton zu erreichen!
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Wird die Qin nicht gespielt, hängt man sie am besten an die Wand.
Auf keinen Fall sollte man die Qin horizontal lagern, da die Stimmwirbel nicht belastet
werden sollten und auch ein „Verzug“ des Instruments befürchtet wird. Schließlich ist der
Holzkörper der klanglich wichtigste Teil der Qin, und Holz wie das der Qin ist bereits sehr
alt und „arbeitet“, auch wenn das Instrument nicht gespielt wird.
Im besten Fall dreht man sich einen gepolsterten Haken in die Wand, der weit genug
ausgreift, um die Qin an ihrer Resonanzöffnung auf der Unterseite des Instruments
aufzuhängen. Dabei sollte der „Mund“ des Instruments nach oben, die Verlängerungen der
Stimmwirbel (Zierbänder) nach unten zeigen.
Der entsprechende Platz an der Wand sollte frei von starker Sonnenstrahlung sein.
Ebenso sollte man in dem Raum auf möglichst gleich bleibende klimatische Bedingungen
achten, hohe Luftfeuchtigkeit und starke Temperaturänderungen sind zu vermeiden.
Staub entfernt man am besten mit einem sehr weichen Tuch, um die empfindliche
Lackierung der Spielfläche nicht zu verkratzen. Generell sind größere Kratzer und Löcher
zu vermeiden, nicht nur auf der Spielfläche sondern am gesamten Instrument.
Die spezielle Lackierung der Qin beginnt mit fortschreitendem Alter zu brechen.
Die dabei entstehenden Haarrisse und Muster im Lack sind normal, es handelt sich um
natürliche Alterserscheinungen die das Instrument nicht schädigen und ausserhalb der
Spielfläche den Klang in keiner Weise beeinflussen.
Oft wird das Alter eines Instruments anhand der Formen der Risse in der Lackierung
bestimmt – hierfür gibt es dann sogar Namen wie z.B. die „Pflaumenblüte“ (ebenfalls der
Titel eines in China bekannten Liedes, siehe Notenbeispiel).
Beginnt der Lack jedoch auf der Spielfläche abzublättern, so daß Löcher das freie Gleiten
eines Fingers verhindern, muß die Lackierung erneuert werden. Leider ist letzteres bisher
nur in China und den USA möglich, entsprechende Adressen im Internet findet man auf
meinen Seiten www.musikausasien.de .
Beim Transport sollte ebenfalls auf eine horizontale Lage verzichtet werden.
Das Instrument ist am sichersten in einem Transportkoffer oder einer gut gepolsterten
Tasche verpackt und sollte nicht unverpackt transportiert werden.
Bezugsadressen für passende Koffer im Taschen findet man ebenfalls im Internet.
Man sollte es vermeiden, mit chemischen Mitteln oder Holzschutz, Bienenwachs und
ähnlichen Methoden das Holz der Qin zu behandeln. Die Lackierung erfüllt diese
Schutzfunktionen meist ausgezeichnet.
Auch der gefürchtete Holzwurm ist bei der Qin eher zu vernachlässigen. Bisher ist mir
keine Qin bekannt, die auf dem Speisezettel dieses sonst so gefrässigen Tierchens einen
Platz und Geschmack gefunden hätte.
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2) Die Handpositionen
Bevor die Anschlagstechniken der rechten Hand und die Modulationstechniken der linken
Hand im Einzelnen erläutert werden, sollte man bereits als Anfänger darauf achten,
bestimmte Fehler ganz bewußt zu vermeiden, da diese sich schnell als Gewohnheit
einschleichen und später mühsam wieder „verlernt“ werden müssen:
Da in beiden Händen die Fingernägel beansprucht werden können, vor allem der Daumen
der linken Hand, kann man sich bei intensivem Spiel und Üben aus Bienenwachs eine
Protektion für den Finger anfertigen, die wie ein Fingerhut über den Finger gestülpt wird.
Dadurch wird ein vorzeitiges Aufbrechen des Fingernagels hinausgezögert.
Außerdem lassen sich Haare und Fingernägel durch eine Nahrungsergänzung mit Biotin
(Vitamin B) stärken und festigen.
Im Chinesischen, vor allem in den alten Qinbüchern, werden oft Stellen der Finger
bezeichnet, für die wir keine entsprechenden Namen haben (z.B. „hu kou“ = „Tigermaul“,
gemeint ist die Öffnung zwischen Zeigefinger und Daumen).
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Ergänzende Angaben zur Technik der rechten Hand findet man in Kapitel 3.
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Die wirkliche Vielfalt der Spieltechniken der Qin zeigen sich vor allem in der linken Hand,
ist sie es doch, die auf dem bundlosen Griffbrett der Qin die Töne abgreift und nachträglich
verändert. Es gibt heutzutage eine Vielzahl neuer Spieltechniken, die vor allem dem
Gedanken Rechnung tragen, modernere Kompositionen auf der Qin zu spielen.
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Anmerkung: Gestreckte Finger sind keine Seltenheit wenn es darum geht, an einer
Position mehrere Saiten gleichzeitig abzudecken. Wie beim „Barree“-Griff der Gitarre
empfiehlt es sich, die gestreckten Finger täglich zu üben, um genug Kraft zu entwickeln.
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Es sei hier noch angemerkt, daß die vorliegenden Bilder nur grob zur Orientierung dienen
können. Grundsätzlich ist jede menschliche Hand verschieden, und was für den einen
Spieler eine bequeme Situation darstellt kann für einen anderen Spieler bereits äußerst
unangenehm sein.
Daher sollte man vor allem bei der linken Hand folgendes beachten:
- Niemals aufgeben...
(Die Qin ist tatsächlich ein Instrument für das ganze Leben! Es gibt viele Techniken,
die man sich nicht „mal eben“ aneignen kann, sondern für die eine gehörige Portion
Geduld nötig ist. Darum sollte man sich selbst immer wieder Mut machen und die
Bewegungen sehr konzentriert und vor allem sehr langsam ausführen)
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3) Die Notation
Auch wenn keine chinesischen Originalnoten oder facsimilae der antiken Notationen
vorliegen und man nur nach „westlicher“ Notation oder Gehör spielt, sollte man das
folgende Kapitel gründlich studieren, nicht nur, um einen Überblick über die Vielfalt der
Spieltechniken der Qin zu erhalten, sondern auch, um diese Techniken in das eigene Spiel
oder die Improvisation einfließen zu lassen.
Außerdem stellen diese Bezeichnungen Techniken vor, die im Laufe der Zeit auf viele
andere Saiteninstrumente Asiens und Chinas übertragen wurden.
Bewegungsprinzipien wie z.B. „tan“ und „tiao“ findet man so beispielsweise auch im Spiel
der chinesischen Laute Pipa und der großen Kastenzither Guzheng.
Man kann sogar davon ausgehen, daß fast alle „klassischen“ (=antiken) Stücke für die
beiden oben genannten Instrumente ursprünglich für die Qin komponiert wurden!
Um zu wissen, auf welcher Saite ein Ton angespielt wird, muß man nur wissen, daß die
tiefste Saite (und damit vom Spieler am entferntesten) als erste Saite, die höchste Saite als
siebte Saite verstanden wird. Nach den chinesischen Zahlen ergibt sich also:
yi – 1.Saite (C)
er – 2.Saite (D)
si – 4. Saite (G)
wu – 5.Saite (A)
qi – 7. Saite (d)
Auch in westlicher Notation ist oft über die entsprechende Stelle die chinesische Zahl
notiert um anzuzeigen, auf welcher Saite der Ton gespielt werden soll. Andere Angaben
wie z.B. römische Ziffern oder eingekreiste Zahlen (wie man sie in der europäischen
Gitarrentabulatur findet) konnten sich bisher nicht durchsetzen.
Die nun folgenden Symbole geben viele der bereits in Kapitel 2 beschriebenen
Handpositionen wieder und werden ergänzt durch weitere Spielanleitungen.
Dennoch ist hiermit der „Katalog“ der Symbole und Spielmöglichkeiten bei weitem nicht
vollständig wiedergegeben, es dient viel mehr einer groben Übersicht, so wie sie uns das
Originalwerk von Chu Feng Chieh aufzeigt.
Je mehr dieser Techniken vom Spieler beherrscht werden, um so vielfältiger sind die
musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten auf der Qin!
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(Anmerkung: Es werden immer zwei Symbole gezeigt, links das vereinfachte Symbol der
Qin-Notation, rechts daneben die aktuelle chinesische Druckversion)
san („offen“)
Gemeint ist jede offene (=leere) Saite, gespielt von der rechten Hand allein
tuo („ziehen“)
Spiel des Daumens nach außen (in Richtung der hui). Im Original beklagt sich der Autor
an dieser Stelle über die Gewohnheit einiger Spieler, den Daumen auf die Qin prallen zu
lassen, was ein unschönes Geräusch erzeugt.
Spielt der Daumen nach innen, nennt man diese Technik übrigens „pi“ (s.K.2)
mo
Das Anzupfen einer Saite mit dem Zeigefinger nach innen
tiao
Das Anzupfen einer Saite mit dem Zeigefinger nach außen
mo tiao
Die Kombination der oben gezeigten Techniken mo und tiao
gou
Das Anzupfen einer Saite mit dem Mittelfinger nach innen
ti
Das Anzupfen einer Saite mit dem Mittelfinger nach außen
gou ti
Die Kombination der oben gezeigten Techniken gou und ti
da („schlagen“)
Das Anzupfen einer Saite mit dem Ringfinger nach innen, oft für die ersten beiden Saiten
genutzt da der Finger vom Spieler gesehen außen liegt. Durch die Wortbedeutung oft
falsch verstanden und zu laut gespielt.
zhai
Das Anzupfen einer Saite mit dem Ringfinger nach außen, oft Bestandteil der Techniken
lun und gun (siehe dort), selten allein genutzt.
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Die bisher aufgezeigten Techniken bilden die Basis für das Spiel der rechten Hand.
Es folgen nun Kombinationen dieser Techniken zum Anschlag mehrerer Saiten:
li
Der Zeigefinger spielt kontinuierlich tiao (s.o.) auf zwei oder mehr Saiten
ru yi
Der Mittelfinger spielt ti (s.o.) auf zwei Saiten, die auf gleicher Tonhöhe sind
die juan
Zeigefinger und Mittelfinger spielen die gleiche Saite in schnellem Wechsel, der
Zeigefinger mo und der Mittelfinger gou (s.o.), daher nennt man diese Technik auch
mo-gou:
lou yuan
Zeigefinger und Mittelfinger spielen zwei Saiten mit mo und gou (s.o.), so daß beide
Saiten gleichzeitig in einem (dem gleichen!) Ton erklingen, erscheint in Notationen auch
als ban fu:
quan fu
Ähnlich wie bei lou yuan werden hier drei Saiten gleichzeitig angeschlagen und ergeben
einen Ton, gespielt werden da, gou und mo (s.o.)
gu
Eine nicht simultane Kombination aus ti und tiao (s.o.) auf zwei unterschiedlichen Saiten
lun
Die als „Fingerrad“ berüchtigte Technik, bei der die Finger der rechten Hand in schneller
Folge die gleiche Saite nach außen anschlagen und so eine schnelle Tonwiederholung
erzeugen. Eine verkürzte Technik nutzt nur Mittel- und Ringfinger, diese nennt man auch
ban lun:
bei xiao
Eine als rhythmische Triole ausgeführte Tonwiederholung durch das Spiel von ti, mo und
tiao auf der gleichen Saite, auch shao xiao genannt: und manchmal durch
Hinzufügen von mo und gou zu einer Quintole erweitert, die man
duan xiao nennt:
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gun („rollen“)
Ein durch den Ringfinger mit zhai ausgeführtes Arpeggio, kann in beide Richtungen
erfolgen, schließt jedoch die tiefste Saite aus. Ein gun erfolgt also immer nur über die
letzten sechs Saiten.
Greift die linke Hand Obertöne, nennt man dieses Arpeggio auch lin:
fu („blubbern“)
Ein Arpeggio des Zeigefingers mit mo (s.o.) in beide Richtungen. An dieser Stelle sei
angemerkt, daß alle Arpeggii nicht zu heftig ausgeführt werden sollten, damit kein
Rhythmus erkennbar wird oder der Finger hängen bleibt. Der Finger ist im letzten Glied
gebeugt aber fest und sollte nicht zu locker hängen. Der Richtungswechsel erfordert eine
Drehung des Handgelenks und Unterarmes.
gun fu
Eine Kombination aus beiden o.g. Techniken. Am besten lassen sich beide Bewegungen in
einer kreisförmigen Bewegung kombinieren – hier sei auch angemerkt, daß es sich immer
wieder empfiehlt, die Position der rechten Hand von der Brücke weg zu führen, damit die
Töne voll und nicht zu scharf klingen.
po ci („platschen“)
Eine Kombination der Bewegungen po und ci (siehe Kapitel 2.1), bei der Zeigefinger,
Mittelfinger und Ringfinger gleichzeitig die Saite anschlagen (dabei wird po nach links
ausgeführt, ci nach rechts). Im Originaltext wird ausgeführt: Die Finger bewegen sich wie
die Schwanzflosse eines Fisches über die Seiten und erzeugen ein Geräusch, das nicht zu
stark aber auch nicht zu schwach sein sollte („wie Wind zwischen den Bäumen“).
Kombiniert mit einem zweifachen Anschlag des Ringfingers mit zhai nennt man diese
Formelwendung auch zhai po si.
cuo („kneifen“)
Eine Technik zum gleichzeitigen Spiel von zwei Saiten. Je nach Abstand der zu spielenden
Töne kann gou und tiao oder gou und tuo genutzt werden.
Beide Kombinationen werden cuo genannt.
Die Gegenbewegung (entweder mo und ti oder pi und ti) nennt man fan cuo:
fu („sich niederwerfen“)
Nur zwischen der vierten und fünften hui spielbar, legt sich das Handgelenk dämpfend auf
alle Saiten, während ähnlich wie bei ci Mittelfinger, Ringfinger und Zeigefinger die zwei
gewünschten Saiten bis auf das Griffbrett herunter drücken, ohne jedoch einen Melodieton
zu erzeugen, es geht hier nur um das Geräusch der Saiten.
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Die Vielzahl der Zupftechniken der rechten Hand kombiniert mit den Tonmanipulationen
der linken Hand heben die Spieltechnik der Qin hervor und charakterisieren sie gleichzeitig
als Instrument der geistigen Elite. Auch die vorliegende Symbolik für die linke Hand soll
hauptsächlich als Lesehilfe dienen und Anreiz für das eigene Spiel geben, sie erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit.
da der Daumen
Auch in der linken Hand wird der kleine Finger nicht genutzt und ist demnach auch nicht
bezeichnet. Der Ringfinger kennt als einziger Finger die Technik des „knienden“ Fingers:
gui („knien“)
Der Ringfinger beugt sein letztes Fingerglied, so daß der Fingernagel rückwärtig auf der
Saite zu liegen kommt (siehe Kap. 2.2). Diese Technik ist anfangs etwas schmerzhaft und
muß geduldig geübt werden. Außerdem wird diese Spieltechnik nur von der Brücke bis
maximal zur siebten hui ausgeführt.
Die 13 Griffmarken der Qin namens hui werden vom Spieler aus gezählt:
Die erste Griffmarke hui (1) liegt direkt an der Brücke,
die letzte Griffmarke hui (13) ganz außen links vom Spieler.
Demnach werden die hui in der Notation einfach durch ihre Ziffer notiert:
Wie bereits erwähnt, markieren die hui hauptsächlich die Position zum Spiel der Obertöne,
die real abgegriffenen Töne werden anders bezeichnet und liegen oft in der Nähe einer hui
oder zwischen zwei hui.
Daher wird der Abstand zwischen zwei hui in jeweils zehn fen aufgeteilt, diese fen
wiederum in zehn li. So werden seit dem 3. Jahrhundert die Positionen der Töne als
Kombination aus hui, fen und li in einem Schriftzeichen zusammen gefaßt:
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Die Zahl für die hui steht dabei oben, die Zahl für fen links und für li rechts darunter.
In der ersten Zeile sieht man jedoch, daß diese Regel nicht immer eingehalten wird und
manchmal hui und fen gemeinsam über li positioniert werden oder sogar Zeichen der
Zahlen „in einander wachsen“.
Da es also eine sehr exakte Kenntnis der Lage in hui, fen und li erfordert, einen Ton sauber
zu spielen, entstand schnell die für die Qin so charakteristische Spielweise der
glissandierenden Töne:
shang
Gemeint ist ein Glissando aufwärts (zur Brücke) nachdem der Ton angeschlagen wurde
xia
Gemeint ist ein Glissando abwärts (zum Ende) nachdem der Ton angeschlagen wurde
chuo
Gemeint ist ein Glissando aufwärts (zur Brücke) während (!) der Ton angeschlagen wird
chu
Gemeint ist ein Glissando abwärts (zum Ende) während der Ton angeschlagen wird
Das normale Aufsetzen des Fingers auf die Qin nennt man übrigens „an“:
Alle bisher gezeigten und noch folgenden Techniken gelten übrigens, falls nicht anders
angegeben, für jeden Finger der linken Hand (außer dem kleinen Finger, der wie immer
nicht beteiligt ist).
Spieltechniken und Bewegungen lassen sich auch kombinieren, vor allem in Abfolge und
Richtung der Ausführung:
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jin fu
Nach dem Anschlagen eines gedrückten (an) Tones, glissandiert dieser eine Position (also
einen Tonschritt der entsprechenden Skala) nach oben (jin) und wieder zu seiner
Ausgangsposition zurück (fu).
tui fu
Nach dem Anschlagen eines gedrückten (an) Tones, glissandiert dieser eine Position (also
einen Tonschritt der entsprechenden Skala) nach unten (tui) und wieder zu seiner
Ausgangsposition zurück (fu).
fen kai
Nach dem Anschlagen eines gedrückten (an) Tones, glissandiert dieser eine Position (also
einen Tonschritt der entsprechenden Skala) nach oben und gleitet tonlos wieder zu seiner
Ausgangsposition zurück, an der er erneut angeschlagen wird. Es entsehen also insgesamt
drei hörbare Töne.
ying
Eine sehr harte, geräuschhafte und schnelle Ausführung von shang (s.o.)
yin
Nach dem Anschlagen eines gedrückten (an) Tones wird ein mäßiges bis schnelles Vibrato
durch eine Hin- und Herbewegung ausgeführt.
chang yin
Ein über einen langen Zeitraum ausgeführtes yin – weitere Ausführung von yin sind
ji yin (schnelles, hastiges yin), xi yin (sanftes yin) und das
und chuo:
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ding yin
Ein mit kleiner Bewegung ausgeführtes yin, mit Hilfe des Fingernagels ausgeführt.
you yin
Eine Kombination aus chuo (s.o.) und einem Abwärtsgleiten, wird exakt zweimal
ausgeführt, nicht weniger und öfter, ergibt also zwei schwebende Töne.
fei yin
Je nach Kontext können hier zwei Bewegungen gemeint sein: Entweder man versteht es als
Kombination aus einem shang mit zwei xia – oder zwei shang gefolgt von zwei xia (s.o.)
Man sollte das Vibrato namens yin übrigens nicht mit der Ausführung des in der
Bewegung gleich erscheinenden nao verwechseln:
nao
Nach dem Anschlagen eines gedrückten (an) Tones wird ein mäßiges bis langsames
Vibrato durch eine Hin- und Herbewegung ausgeführt. Breiter als yin (s.o.)
Auch hier gibt es die bereits bei yin (s.o.) aufgeführten Variationen:
zhuang
Ein geräuschhafter Effekt, einem Klopfen nicht unähnlich, das durch ein äußerst schnelles
nao nach oben ausgeführt wird. Wird nur nach oben ausgeführt, nicht nach unten.
zhuang nao
Eine Kombination aus zhuang und nao (s.o.)
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xu zhuang
Ein zhuang das eine Tonstufe höher oder tiefer als der angeschlagene Ton ausgeführt wird
dou
Nach Ausführung von chou (s.o.) kehrt man kurz und schnell zur Ausgangsposition
zurück, wobei man erneut mit der rechten Hand anschlägt.
Eigentlich handelt es sich hier um ein schnelles, ungestopptes zhuang.
shi
Ein „stilles“ dou (s.o.), also ohne erneutes Anschlagen der rechten Hand
huan
Ein umgekehrtes, schnelles zhuang das nach unten ausgeführt wird
hu
Ein nach einer Pause ausgeführtes Glissando aufwärts, es wird schnell ausgeführt bevor
eine andere Saite angeschlagen wird.
yan
Die aus der Spielweise der Gitarre als „hammer on“ bekannte Technik, die durch gezieltes
Aufsetzen der Finger wie ein Hammer auf die Saite nach Anschlag der rechten Hand einen
Ton erzeugt. Diese Bewegung sollte rapide und mit Schwung erfolgen.
xu yan
Vor allem von Ring- und Mittelfinger ausgeführt, bezeichnet xu yan das schnelle
Aufsetzen des Fingers ohne einen vorherigen Anschlag der Saite durch die rechte Hand.
tao qi
Der Ringfinger liegt auf einer Saite auf, während beim Anschlag der rechten Hand der
Daumen mit dem Fingernagel eine (oder zwei) Positionen höher aufliegt, um nach dem
Anschlag die Saite loszulassen und so den Ton des Ringfingers erzeugt.
dui qi
Hierbei handelt es sich um die gleiche Technik wie bei tao qi, jedoch setzt der Daumen
erst nach Anschlag der Saite auf und erzeugt so eine Wechselnote.
Bei beiden Techniken ist eine feste Position des Ringfingers Voraussetzung für einen
klaren Ton. Bewegt sich der Ringfinger nach Ausführung dieser Technik glissandierend
nach oben, nennt man diese Bewegung auch tuo:
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zhua qi
Der Daumen läßt die Saite nach Anschlag durch die rechte Hand an seiner Position los,
so daß die entsprechende leere Saite erklingt.
dai qi
Die gleiche Technik wird dai qi genannt, wenn sie vom Ringfinger ausgeführt wird.
fang he
Eine Kombination von dai qi mit einem schnell erfolgenden Anschlag des exakt gleichen
Tones mit dem gleichen Finger auf einer höheren oder tieferen Saite.
tong sheng
Gemeint ist, daß zwei Saiten zugleich angeschlagen werden, wobei eine Saite leer erklingt.
Beide erklingenden Töne müssen sich (unisono) entsprechen. Diese Technik wird auch mit
tong qi bezeichnet:
tui chu
Eine Technik des Mittelfingers, die nur auf der ersten Saite genutzt wird, um durch ein
schnelles Strecken der letzten Fingerglieder die erste Saite loszulassen oder anzuschlagen
und zum Erklingen zu bringen.
ying he
Nach dem Anschlag einer leeren Saite wird auf einer benachbarten Saite der gleiche Ton
durch shang oder xia gespielt. Diese Technik ist weit verbreitet und findet vor allem bei
Schlußformeln Anwendung.
xu an
Nach Anschlag einer leeren Saite wird durch schnelles, leichtes Auflegen eines Fingers an
einer hui der klingende Ton in einen Oberton verwandelt.
Diese Technik ist eine der schwierigsten, da man oft ungewollt die Saite durch den Finger
abstoppt und so den Ton abbricht. Wichtig ist, daß der entsprechende Finger nur kurz, sehr
leicht, dafür aber präzise an der Position des Obertons aufgelegt wird.
fan qi
Die linke Hand taucht „wie eine Libelle über das Wasser“, gemeint ist generell die Technik
für das leichte Anspiel der Obertöne. Es soll verdeutlicht werden, daß die linke Hand die
Saite nur kurz und leicht berühren darf und dies am besten in einer leicht kreisförmigen
Bewegung über der Saite ausführt, gleich dem Flug der Libelle über das Wasser.
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Generelle Spielanweisungen:
cong zai zuo Wiederhole den vorigen Abschnitt von einer markierten Stelle
ji Spiele schnell
lian Spiele legato (gebunden), oft wird durch eine Linie angezeigt wie weit
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Grundsätzlich gibt es selten rhythmische Notationen, was natürlich nicht bedeutet, daß der
Rhythmus der komponierten Melodien ganz dem Spieler überlassen ist.
Im Qin Pu (Qin Buch) des Mei An Stils (1930) finden wir erstmals eine rhythmische
Notation des Metrums als Punkt neben den Symbolen, wobei sogar empfohlen wird, dieses
Metrum „lautlos mit dem Fuß mit zu klopfen“.
Diese Kennzeichnung mit einem Punkt kennt sogar einige Regeln, um rhythmische
Gruppen und Tonlängen zusammen zu fassen:
- ein Dreieck signalisiert eine Diminution oder auch zeitliche Halbierung, so daß zum
Beispiel aus Vierteln Achtel werden
- steht der Punkt am rechten oberen Ende des Symbols, so ist eine Punktierung
angezeigt (der Ton erklingt um die Hälfte länger)
- Eine dreifache Punktierung zeigt eine Wiederholung der vorigen Phrase an,
wobei die Anzahl der Punkte der gesamten Phrase Geschwindigkeit
und Anzahl der Grundschläge anzeigt
Grundsätzlich ist diese Art einer rhythmischen Notation jedoch recht grob, und führt
schnell zu einem „automatisierten“ Spiel, das all zu sehr dem Metronom folgt.
Vielleicht war die Idee, das Spiel mehrerer Qin im Ensemble zu ermöglichen, auch
ebenfalls ein Urheber dieser Notation.
Wer sich jedoch alte Aufnahmen längst verstorbener Qin-Meister anhört, wird schnell
merken, das auch eine gewisse rhythmische Flexibilität zum individuellen Ausdruck eines
jeden Spielers gehört, und somit die Wirkung der „Lebendigkeit“ und Sprachlichkeit der
Musik beim Zuhörer unterstützt.
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Gib uns die Partitur über den Rhythmus keinen Aufschluß, so lassen sich doch dank der
heutigen Vernetzung durch das Internet lassen für fast alle notierten Qinstücke auch
Ton- oder Videoaufnahmen aktueller Künstler finden.
(Mehr Informationen dazu auf meiner Internetseite, s.u.)
Ob jedoch die dort genutzten Rhythmen und Interpretationen als „authentisch“ gelten oder
vielmehr eine „Eingewöhnung“ bei Spielern und Zuhörern über die Generationen und
Zeiten hinweg darstellen, bleibt mehr als fraglich.
Auch das Original von Chu Feng Chie gibt hierüber nur wenig Auskunft.
Allerdings darf man nicht vergessen, daß gerade die in der Qinmusik genutzten Töne und
Spieltechniken weitaus mehr im Mittelpunkt stehen, als eine präzises „Einzwängen“ dieser
Töne in ein rhythmisches Korsett.
Die Töne und Skalen folgen einem anderen Grundverständnis der Tonleiter, als die in
Europa grundlegende „temperierte“ Stimmung. Dabei sind nicht nur die einzelnen Töne
mit einer Vielzahl von Assoziationen verbunden (Farbe, Geschmack, Tageszeit,
Stimmung, etc), die chinesische Einteilung der Saiten der Qin in hui, fen und li (s.o.)
resultiert auch aus einer stetigen Halbierung der erklingenden Saite, die sich in der oben
erwähnten metrischenen Notation durch Punkte wieder finden läßt.
Doch neben dieser Theorie der Töne ist auch das deskriptive Selbstverständnis der
Qinmusik wichtig für ein Verständnis der erklingenden Melodien:
Wind und Wasser, Rufen und Klagen – all dieses hört der Musikfreund aus den
melodischen Phrasen gleichsam eines barocken Affektes heraus, und all diese Phrasen, in
der Notation höchstens durch eine Pause getrennt, ergeben in ihren Verbindungen die
rhythmische Grundstruktur des Stückes. Eine Notation erschließt sich in ihrem Rhythmus
also aus den melodischen Phrasen, welche sich durch Schlußformeln und Wiederholungen
im Notentext „verraten“.
Dem antiken Musikgeschmack Chinas folgend, ist die Musik der Qin ein kontinuierlich
fließender Fluß aus Tönen. Ein abruptes Abreißen der Musik ist nicht vorgesehen (außer
als Effekt), und im Mittelpunkt (auch im rhythmisch-metrischen) steht die bildhafte
Verständlichkeit der melodischen Phrasen.
Da bestimmte Fingertechniken jedoch Zeit zur Übung und Ausführung brauchen, ist es
kein Wunder, daß viele alte Qin-Stücke in einem sehr langsamen Tempo notiert und
ausgeführt werden. Mehr noch, das langsame Tempo unterstützt den kontemplativen
Charakter der Qin und ermöglicht es, den geformten Klängen mit Hingabe zu lauschen.
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Diese Art der Annäherung der westlichen Notation an die Qinpartituren der Antike fügen
nicht nur einen Rhythmus hinzu, der mehr als fraglich ist, die westliche Notation kann
auch bestimmte Techniken der Qin nicht darstellen, weshalb das entscheidende Moment
die Hinzufügung der jeweiligen („alten“) Schriftzeichen ist.
Wer sich heute Noten aus dem Internet (also aus USA oder China) für die Qin bestellt,
wird oft diese Mischform aus westlicher und alter Notation antreffen. Im ungünstigsten
Fall wird auf die Zugabe der antiken Schriftzeichen verzichtet – in diesem Fall sind die
Noten meist nutzlos, da die reinen Tonhöhen nicht die (technische) Ausführung
wiedergeben.
Wer Interesse an Noten für die Qin hat und diese kaufen möchte, besucht bitte meine
Internetseiten über die Qin und stöbert dort in den Links:
www.musikausasien.de
Unabhängig von vorhandenen Noten mag auch der Wunsch im Vordergrund stehen, auf
der Qin zu improvisieren.
Auch wenn das Instrument nie direkt für einen improvisatorischen Zugang vorgesehen
war liegt hier der zweite große Reiz des Instrumentes. Wohl kaum ein anderes Instrument
bietet so gute Grundlagen für die Entwicklung eigener Spieltechniken, vor allem wenn
man bedenkt, daß es bereits eine Vielzahl dieser Techniken gibt und nur die wichtigsten
hier vorgestellt werden konnten.
Ein Netzwerk aktueller Musiker und Künstler in und ausserhalb Chinas findet man in
meinem Netzwerk asiatischer Künstler auf „Myspace“
www.myspace.com/ingostoevesandt
und natürlich auf der weiter oben genannten Internetseite, auf der man noch weitere, gute
deutsche und englische Literatur zur Qin findet.
Ich hoffe, ich konnte die Tiefe, Vielfalt und auch Einzigartigkeit der Qin in Ansätzen dem
geneigten Anfänger deutlich machen, und hoffe, den Mut erweckt zu haben, sich auch bei
schwierigen technischen Anforderungen mit Geduld und Konzentration einem Instrument
zu widmen, daß den Spieler auch nach Jahren der konzentrierten Hingabe zu fordern weiß
und alle investierten Mühen mit der Schönheit seiner Klänge zurück zahlt.
So ist die Qin mehr als ein guter Freund, sie ist ein wirklicher Partner.
Und zwar für das ganze Leben.
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QIN: Spiel und Notation Eine Übersetzung aus dem „Yu-ku-chai-ch’in-pu“
Literatur:
Deutsche Bücher:
Englische Bücher:
„The Lore of the Chinese Lute: An Essay on the Ideology of the Ch'in“
von Robert van Gulik, Orchid Press 2008
Mehr Informationen im Internet unter:
www.musikausasien.de
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