Kapitel 8
Entwicklungspsychologie
Befasst sich mit der Entwicklung der Persönlichkeit, ein lebenslanger Entwicklungsprozess.
Die Entw. Verläuft nicht linear, sondern in Phasen, wobei die Phasenübergänge psychosoziale
Krisenzeiten sind, die Anpassungsleistungen verlangen.
Vererbung, Reifung und Lernprozesse, aber auch soziale Normen, familiäre und soziale
Bezugssysteme sowie der historische Kontext beeinflussen unsere Entwicklung.
Entwicklungspsychologische Theorien
Vier theoretische Grundmodelle der Entwicklung:
• Endogenistische Theorien: Entwicklung wird vorwiegend als Reifungsgeschehen
betrachtet. In der Genstruktur, Umwelt passiv, Individuum passiv
• Exogenistische Theorien: Kind Ist Spielball und Rezeptionsorgan einer aktiven
Umwelt. Umwelt aktiv, Individuum passiv
• Früh-konstruktivistische Theorien: Selbstkonstruktion. Impulse gehen vom
Menschen selbst aus. Umwelt passiv, Individuum aktiv.
• Interaktionistische Theorien: Entwicklung wird sow. Durch ein aktives,
selbstmotiviertes Individuum als auch von einer aktiven, fordernden und erfüllenden
Umwelt bestimmt. Umwelt und Individuum aktiv.
Psychologische Aspekte: Der Wunsch einer Frau, sich mit der eigene Mutter zu identifizieren
und von Seiten des Paares die Vorstellung, versch. Narzisstische Bedürfnisse durch ein Kind
zu befriedigen.
Viele Frauen haben plötzlich Angst, die Chance für eigene Kinder zu verpassen
Unbewusste Erwartungen nach einem perfekten Kind.
Arzte habe hier die Aufgabe, das Paar in der Kinderwunschphase zu beraten, damit nicht
schon in dieser Phase unrealistische Erwartungen oder Ängste entstehen. Vereinbarkeit von
Beruf und Familie.
1.Phase
Die Gewissheit einer Schwangerschaft löst bei einem Paar sowohl euphorische als auch
angstvolle Gefühle aus. Die Phantasien kreisen um die Erinnerungen an eigene
Kindheitserlebnisse und die Wunschvorstellungen, für das Kind ideale Eltern sein zu wollen.
Die werdende Mutter muss lernen, das Kind als einen guten Teil ihrer selbst anzunehmen.
2.Phase
Die Eltern beginnen, den Fötus als ein Wesen wahrzunehmen, das letztlich von der Mutter
getrennt existieren wird. (16.-20. Wo).
3.Phase
Kind mit zunehmendem Masse als eigenes Wese anerkannt. Nestbautrieb. Werdende Eltern
müssen sich über ihre zukünftige Rollenverteilung verständigen. Zyklen und Muster der
fötalen Bewegungen und Aktivitätsgrade: frühe Form v. Interaktion.
Sexualverhalten: Abnahmen der sex. Zufriedenheit hängt von der Qualität der Paarbeziehung
vor Eintreten der Schwangerschaft ab. Nicht selten nehmen spätere Paarkonflikte ihren
Anfang in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes.
Die Integration des ganzen Gebärteams, d.h. die Zusammenarbeit v. werdenden Eltern,
Hebammen und Ärztinnen, bezeichnet man als beziehungsorientierte Geburt.
Ärztinnen haben in der Beratung werdender Eltern und der Geburtsleitung sowohl eine
supportive als auch eine präventive Aufgabe.
Verhaltenszustände
Es werden fünf Verhaltenszustände unterschieden:
• Tiefschlaf: keine Augenbewegung, regelmässige Atmung, spärliche Bewegungen,
hoher Muskeltonus
• REM-Schlaf: REM und Gesichtsbewegungen, unregelmässige Atmung, häufigere
Bewegung, tiefer Muskeltonus
• Wachzustand A: geöffnete Augen, regelm. Atmung, fehlende Bewegung, hohe
Aufmerksamkeit
• Wachzustand B: geöffnete Augen, regelm. Atmung, häufigere Bewegungen der
Extremitäten, deutlicher Muskeltonus
• Weinen und Schreien: Augen offen oder Geschlossen, unregelmässige Atmung,
unregelmässige Bewegungen, hoher Muskeltonus, Aufmerksamkeit herabgesetzt bis
fehlend.
Motorische Entwicklung
Die mot. Entwicklung ist im Wesentlichen ein Reifungsprozess, der nicht gross beschleunigt
werden kann. Ist eine mot. Funktion herangereift, ist ihre weitere Differenzierung jedoch
abhängig von den Möglichkeiten, sie anzuwenden.
Sprachentwicklung
Das Kind eignet sich die Sprache durch Regelbildung und nicht durch Nachahmung an.
Mädchen und Jungen unterscheiden sich in ihrem Spielverhalten in den ersten Lebensjahren
kaum. Erst im Kindergartenalter bilden sich zunehmend, wahrscheinlich
sozialisationsbedingt, Unterschiede heraus.
Erfassen dieser Dimensionen in einer 3-Punkte-Skala (auch nach Thomas & Chess):
• Einfache, flexible, ausgeglichene Kinder („easy going“, ca. 40%): hohes Mass an
Anpassungsfähigkeit, man sollte sich Zeit für sie nehmen und auf sie zugehen
• Ängstliche, scheue, vorsichtige Kinder („slow to warm up“, ca. 15%): langsame
Adaptionsfähigkeit, brauen viel Zeit, brauchen Ermutigung und Unterstützung von der
Erziehungsperson.
• Komplizierte Kinder („difficult“, ca. 10%): sind eher aktiv, sensorisch empfindlich,
Reaktionsweise sehr intensiv, stimmungslabil. Flexibler Erziehungsstil ist hier sehr
hilfreich,
• Die restlichen 35% sind Mischtypen, nicht eindeutig einteilbar.
Die Ich-Entwicklung
• Autistische Phase (0-2 mnt): das Kind kann noch nicht zwischen sich selbst und der
Umwelt unterscheiden, alle Wahrnehmungen sind Teil seiner selbst.
• Symbiotische Phase (ab dem 2. mnt): Unterscheidung zwischen innen und aussen
ist noch wenig ausgebildet. Entwicklung des Urvertrauens: Gewissheit, dass das
elementare Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit befriedigt wird.
• Phase der Differenzierung (ab 6. mnt): Kind erlebt den eigenen Körper als getrennt
von seiner Mutter. Die Beziehung zur Hauptbezugsperson weist schon gegen Ende des
1.LJ erste Anzeichen jeder libidinösen Beziehung auf:
• Eifersucht
• Wunsch nach Alleinbesitz, Zärtlichkeit und körperlicher Nähe
• Wunsch nach Beachtung und Anerkennung
• Trennungsschmerz und Trennungsangst: Übergangsobjekte
Trotzreaktionen, ca. im 2LJ: Das Trotzen ist in der Ich-E. ein wichtiger Meilenstein. Das
Kind erfährt seine Ich-Grenzen vorwiegend in der Auseinandersetzung mit den von den Eltern
aufgestellten Grenzen. Nebenbei kommt es parallel zum Erlernen des Laufens zu einem
Autonomieschub, eine neue Art von Omnipotenz-Gefühl. Autonomiebestrebungen und
aufkommende Trennungs- und Verlassenheitsängste gehören zum kindlichen Alltag.
Zeit der Wiederannäherung.
Bindungsverhalten: Kinder, die ihre Umwelt als Geborgenheit und Sicherheit gebend
erfahren, zeigen ein aktives Explorationsverhalten. Kinder, die ihre Umwelt als unsicher und
wenig Halt gebend erlebten, verhielten sich eher ängstlich, abwartend und passiv.
Bindungs- und Explorationsverhalten stehen im Zusammenhang mit der Art, wie die Umwelt
erfahren wird, sie beeinflussen längerfristig die Entwicklung des Selbstwertgefühls und der
Identität.
Phasen der ersten Verständigung (mit ca. 3J): Die Verlässlichkeit des Kommens und
Gehens von Bezugspersonen ist eine wichtige Voraussetzung für die weitere Stabilisierung
des Urvertrauens. Ende des 3.Lj ist ein guter Zeitpunkt für Spielgruppe.
Sexualentwicklung
Kindliche Sexualität oder sexuelle Empfindungen manifestieren sich nicht nur im
Genitalbereich, sondern auch in der Oralzone und im Afterbereich. Man unterscheidet
folgende Phasen:
• Orale Phase: Mundzone ist Quelle primär lustvoller Befriedigung, v. a. 1LJ.
Verknüpfung von oraler Befriedigung mit der Sicherung des Bedürfnisses nach Liebe
und Geborgenheit bildet den Grundstein für die Entwicklung des Urvertrauens.
• Anale Phase: Kind interessiert sich für seine Ausscheidungsorgane und Exkremente,
2.-3. LJ. Reinlichkeitserziehung der Eltern. Kind lernt den Eltern zuliebe den
Triebverzicht.
• Phallische Phase: Kind nimmt sein Geschlecht zur Kenntnis, 3.-6. LJ. Das
Masturbieren und das Zur-Schau-Stellen der Geschlechtsorgane sind natürliche
Vorgänge im Explorationsprozess des eigenen Körpers. Gewissheit über die eigene
Ganzheit und die Merkmale des anderen Geschlechts verschaffen.
Ödipuskonflikt: erotisch geprägte Bindung and den gegengeschlechtlichen Elternteil
und Rivalität gegenüber dem gleichgeschlechtlichen.
Während dieser Entwicklungsphase finden auch die ersten Identifikationsprozesse statt
• Latenzphase: Stadium der Beruhigung, eine günstige Zeit für die Fortsetzung der
Sexualaufklärung.
Schlafverhalten
Schlaf-Wach-Zyklen, zirkadiane Rhythmen und Schlafdauer verändern sich kontinuierlich
von der Geburt bis ins hohe Alter. Der Schlafbedarf eines jeden Kindes ist konstitutionell
vorgegeben und kann bei gleichaltrigen Kindern sehr unterschiedlich sein.
Pavor nocturnus: Episoden von nächtlichem Angstschrecken. Tritt 1-3 Stunden nach dem
Einschlafen auf. Wenn angesprochen, keine oder wirre Antworten, stösst Eltern eher weg. Es
ist normal und keine Verhaltensauffälligkeit.
Angstträume: vorwiegend in der zweiten Hälfte der Nacht. Eltern können mit dem Kind
sprechen, evtl. auch über den Inhalt des Traumes. Keine Verhaltensauffälligkeit.
Jugendalter
Bei der Selbstbewertung spielt der soziale Vergleich eine wichtige Rolle
Identität
Identität entsteht aus zwei Komponenten: Die Person, für die man sich selbst hält, und die
Person, für die andere einen halten.
Risikofaktoren in der Kindheit für ein späteres antisoziales Verhalten können sein:
• Schwieriges Temperament
• Impulsivität
• Aufmerksamkeitsdefizite
• Hyperaktivität
• Aggressives Verhalten in der Schule
• Lernstörungen
• Soziale Isolation
Aggression und suizidale Handlungen, welche eine Art der Autoaggression darstellen, sind
beides Manifestationen einer geringen Impulskontrolle
Biologische Geschlechtsterminanten
Kinefelter-Syndrom: 3Geschlechtschromosomen (XXY), phänotypisch männlich
Turner-Syndrom: XO-Konstellation, phänotypisch weiblich
Entspricht die anatomische Gestalt der Geschlechtsorgane nicht den Wünschen und
Vorstellungen, so kann dies zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls
führen.
Paarbeziehungen
Die Art der Verbindlichkeit (verheiratet – unverheiratet) und die räumliche Nähe und die
zeitliche Konstanz des gemeinsamen Lebens sind wichtige Rahmenbedingungen für die
Gestaltung, Entwicklung und Störanfälligkeit von Paarbeziehungen.
Paarkonflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Beziehung nicht mehr flexibel und
adaptionsfähig ist.
Familienbeziehungen
Konsensualfamilie: Neue Familienformen: unverheiratet mit Kindern etc.
Die Familie ist das dramatische Zusammentreffen von Natur und Kultur.
Die Gründung einer Familie bedeutet heute das In-Kauf-Nehmen von Benachteiligungen im
beruflichen, finanziellen und Freizeitbereich.
Faktoren die auf die Auswirkung einer Scheidung auf die weitere Entwicklung des Kindes
eine Rolle spielen:
• Alter des Kindes
• Geschlecht des Kindes: höhere Symptombildung beim männl. Geschl. vor der Pubertät
• Temperament und Art des Copings
• Art der Elternorganisation, wichtig als Eltern noch gut zu kooperieren
• Geschwisterbeziehungen, emotionale Stabilität
• Dauer und Intensität der Krise vor und nach der Scheidung.
Eine Scheidung wirkt sich nicht per se ungünstig auf die Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen aus, sondern die Bedingungen, die zu einer Scheidung führen, und die Art, wie
eine Scheidung vollzogen wird, sind entscheidend.
Beide Partner tragen die Verantwortung für das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung.
Altern
Biologische Veränderungen, die dem Altern zugeschrieben werden, sind nicht krankhaft,
sondern natürlich. Diese Veränderungen erhöhen nicht die Mortalität.
Mit dem Alter nimmt die Krankheitsanfälligkeit zu.
Bis zum 40. Altersjahr, in welchem bei den meisten Menschen die Reproduktion
abgeschlossen ist, wird der Organismus wesentlich mehr durch genetische Steuerung
beeinflusst als in der zweiten Lebenshälfte.
Zu oft wird das Alter nur als Defizit-Phase dargestellt. Es bietet jedoch auch Möglichkeiten,
die in früheren Jahren nicht bestanden.
Protahierte Trauer / pathologische Trauer: unverarbeitete Trauer, auch noch Jahre nach
dem Tod.