FLUGZEUGCLASSICEXTRA
Messerschmitt
ISBN 978-3-86245-974-2
Schweiz sFr. 19,00
Österreich EUR 11,60
€ 9,95 BeNeLux EUR 11,80
Me 262
Teil 1: Geburt der Jet-Legende Mehr als 30 Farbprofile
und 3D-Zeichnungen
Pioniere des
Jet-Zeitalters
Gegner und Förderer der Me 262 Revolutionäres Strahltriebwerk Das Fliegen neu erfunden
Wurde der Jet sabotiert? Seiner Zeit Jahre voraus Die Väter der »262«
ME262 - Sturmvogel am Handgelenk
PILOTENUHR
Messerschmitt® ist eine Lizenzmarke der Messerschmitt Stiftung mit Sitz in München.
262-42B*
€ 149,--
Fliegeruhren sind
unsere Leidenschaft
ME-42ALTI-L* ME-47XL*
ALTITUDE € 262,--
€ 198,--
262-M*
Titan
€ 189,--
ME262-42V* ME -5030-44VS*
€ 262,-- VINTAGE
€ 245,--
Gesamtanzeigenleitung
Thomas Perskowitz
Inhalt
thomas.perskowitz@verlagshaus.de
Mediaberatung Flugzeug Classic
Licht und Schatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Armin Reindl
armin.reindl@verlagshaus.de
Stufen zum deutschen Strahljäger
Anzeigendisposition
Flugzeug Classic Das erste Düsenflugzeug der Welt . . . . . . . . . . . . . . . 8
Rudolf Schuster
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.140 Heinkel He 178 – der einstrahlige Pionier
rudolf.schuster@verlagshaus.de
Es gilt die Anzeigenpreisliste
Nr. 29 vom 1.1.2019
Weltpremiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Litho Heinkel He 280 – Alternative zur Me 262
ludwigmedia, Österreich
Druck
IPRESS CENTER, Ungarn Geburt einer Legende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Verlag Die große Entstehungsgeschichte
3D-Ansicht: Me 262 V1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
GeraMond Verlag GmbH
Start in eine neue Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Infanteriestraße 11a, 80797 München,
www.geramond.de
Me 262 fliegt erstmals mit Düsenantrieb
Geschäftsführung Kräftig auf die Bremsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Clemens Schüssler, Roland Grimmelsmann,
Henry Allgaier Kaum Triebwerke und Versuchsflugzeuge
Vertriebsleitung
Dr. Regine Hahn 3D-Ansicht: Me 262 V4, V5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Vertrieb/Auslieferung
Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel:
Spärlich eingerichtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
MZV, Unterschleißheim Das Cockpit der V-Muster
Leserservice, Kundenservice,
GeraMond-Programm Die Me 262 A-1a im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)
Fax 0180 – 505 16 20 (14 Cent/Min.)
leserservice@flugzeugclassic.de
Anatomie der Me 262 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Originale Truppenersatzteilliste
Im selben Verlag erscheinen außerdem:
4
enngleich der Messerschmitt-Kon- bewusst. Allerdings beginnt sich mit dem TL der seit 1934 an einem TL-Aggregat für Flug-
flugzeugclassic.de 5
ME 262 Anfänge
6
mangelt unter anderem an Facharbeitern,
modernen Fertigungsmethoden oder den Be-
triebsgrößen. Die Industrie hier rechtzeitig
auf Vordermann zu bringen, ist schlicht ver-
säumt worden.
flugzeugclassic.de 7
ME 262 Vorreiter
Mit der He 178 glückt Heinkel und von Ohain ein flughistorischer Meilenstein
– im Bild das nicht mehr geflogene Düsen-Versuchsflugzeug He 178 V2
er junge Wissenschaftler Hans Joa- Im November 1935 reicht Hans von Ohain Ernst Heinkel. Der weltberühmte Flugzeug-
8
Wegen ihrer langen Fahrwerkbeine und der
großen Bodenfreiheit eignet sich die He 118
gut zur Erprobung des Strahltriebwerkes
viel zu groß. So sollten von Ohain und Hahn 1939 mit dem He S 3 B endlich einen funktio- Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) weiß
die Erfordernisse der praktischen Verwend- nierenden Strahlapparat präsentieren. Das mit – offiziell – nichts von der Angelegenheit, die
barkeit in einem Flugzeug folglich stärker mit flüssigem Kraftstoff arbeitende Turbotrieb- man selbst innerhalb der EHF so weit wie
einbeziehen. Trotz ihrer Unerfahrenheit kön- werk scheint dazu geeignet, ein Flugzeug mit möglich geheim hält.
nen von Ohain, Hahn und Gundermann be- ausreichend Leistung und Zuverlässigkeit in Gundermann schlägt ein Flugzeug mit
reits Anfang März 1937 ein funktionierendes die Luft zu bringen. Die Erprobung des He S zwei Triebwerken vor, doch fällt die Wahl
Triebwerk, das He S 1, vorführen. Angetrie- 3 B im Flugbetrieb findet unter anderem un- letztlich auf nur eine Turbine, auch wenn de-
ben wird es mit gasförmigem Wasserstoff, der terhalb des Rumpfes einer He 118 statt. ren mittiger Einbau im Rumpf und das damit
zündfähiger ist als flüssiger Kraftstoff. notwendige lange Rohr bis zum Heck Schub-
1937 erhält von Ohain das Patent für sei- Flugzeug gesucht einbußen mit sich bringt. Einfach und schnell
nen Strahlantrieb zugesprochen, das er aller- Bei Heinkel beschäftigt man sich schon seit zu verwirklichen soll das Düsenflugzeug
dings an Heinkel abtritt. Dafür arbeitet er nun 1936 mit einem Flugzeug für das neue Strahl- sein. Für den Entwurf des ersten Turbinen-
in Festanstellung bei den EHF. triebwerk, der He 178. Zwar entsteht die Ma- Luftstrahlflugzeugs zeichnet Walter Günter
Nach weiteren Rückschlägen und starker schine zunächst nur auf privater Basis, doch verantwortlich, unterstützt wird er von H. B.
Geduldsbeanspruchung seitens des Geldge- kommt sie Ernst Heinkels Leidenschaft für Helmbold. Die konstruktive Ausarbeitung
bers Heinkel kann von Ohain im Juli (Mai?) Hochgeschwindigkeitsflugzeuge entgegen. übernimmt Karl Schwärzler. Allerdings ver-
flugzeugclassic.de 9
ME 262 Vorreiter
10
Heinkel He 176 V2
He 176 V2 mit unterschiedlich getönten
Blechen, deren mögliche Farbe spekulativ
bleibt – siehe Foto des Nachbaus auf Seite 13
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 11
ME 262 Vorreiter
Das Hauptfahrwerk
misst eine Spurweite
von nur 1,58 Metern
12
Ein überaus freudiges
Ereignis: der geglückte erste
Turbinenstrahlflug gibt
Anlass, um anzustoßen
Gigantisches Potenzial!
Die He 280 steht bei Heinkel schon in den
Startlöchern. Mit ihr soll ein für die Luftwaf-
fe nützlicher Jäger mit Strahlantrieb zur Seri-
enreife gelangen. Für deren Antrieb ist von
Ohain zuständig, der an der Weiterentwick-
lung des Düsentriebwerks arbeitet.
Von Ohains TL-Triebwerk hatte zweifellos
das Tor in eine neue Epoche aufgestoßen. Das
gigantische Potenzial, das in dieser neuen An-
triebsart steckte, konnte zu diesem Zeitpunkt
allenfalls erahnt werden. ■
flugzeugclassic.de 13
ME 262 Konkurrenz
Weltpremiere
Bereits 1941 bringt Heinkel mit der He 280 das weltweit erste
zweistrahlige Flugzeug in die Luft. Schwierigkeiten mit dem
Triebwerk und das Konkurrenzmuster Me 262 erschweren den
Werdegang des Düsenjägers jedoch massiv
Von Herbert Ringlstetter
14
die He 178 in der Entwicklung, was der Hein-
kel-Mannschaft selbstredend zugute kommt
und gegenüber Konkurrenzfirmen einen er-
heblichen Vorsprung verschafft.
Hinsichtlich des Jagdflugzeug-Projektes
entwirft Siegfried Günter bei Heinkel einen
zweistrahligen Jäger. Zwei Motoren erachtet
man in Anbetracht der erwarteten Schubleis-
tung von Ohains sowie der zweifelhaften Zu-
verlässigkeit der neuen Triebwerke als die
beste Antriebsoption. Neben der modernen
Motorisierung spendiert man dem Entwurf
mit der Einplanung eines Bugrades eine wei-
tere luftfahrttechnische Neuerung, die zu die-
ser Zeit noch überaus selten zu finden ist. Als
Forschungsarbeiten im Windkanal am Modell der He 280 Antrieb sieht man das unter von Ohain in der
Entwicklung befindliche Triebwerk He S 9
m 4. Januar 1939 gibt das Reichsluft- Kenntnis von der revolutionären Antriebs- vor. Alternativ plant die Heinkel-Mannschaft
flugzeugclassic.de 15
ME 262 Konkurrenz
Gleitflugerprobung net das RLM an, die Flugerprobung des ers- ermöglichen, erhält das V-Muster Triebwerk-
Da die Düsentriebwerke immer noch nicht ten Versuchsflugzeugs, der He 280 V1, im attrappen.
mit der geforderten Laufzeit von mindes- Schlepp- und Gleitflug zu beginnen. Um Nach zufriedenstellenden ersten Rollver-
tens zehn Stunden zur Verfügung stehen, ord- möglichst realistische Flugbedingungen zu suchen am 28. August 1940 steht einem bal-
16
bungsflüge steuert die Heinkel He 111 Höhen
zwischen 2000 und 4000 Metern an, bevor die
He 280 ausklinkt. Anschließend kann der
Gleiter bis auf etwa 1000 Meter hinunter er-
probt werden.
Anfang Oktober 1940 kehrt die He 280 V1
wieder zu Heinkel nach Rostock-Marienehe
zurück, wo es zu weiteren Testflügen kommt,
darunter auch Kunstflug und Hochge-
schwindigkeitsflüge mit mehr als 700 km/h.
Bis Jahresende 1940 steigt die V1 jedoch ins-
gesamt lediglich zu 16 Versuchsflügen im
Schlepp auf, denn nach wie vor fehlen die
Turbinen.
Zweistrahlige Weltpremiere
Erst im Februar 1941 steht das unter von
Ohaims Leitung entwickelte Triebwerk
He S 8 zur Verfügung und die Warterei hat
für die Heinkel-Mannschaft endlich ein En-
de. Vorgesehen sind die beiden hauseigenen
TL-Versuchsaggregate für das inzwischen
fertiggestellte zweite V-Flugzeug, dessen
Jungfernflug am 30. März 1941 ansteht. In
der Kabine der He 280 V2 sitzt Flugzeugbau-
meister Fritz Schäfer, der den Düsenvogel
mit ausgefahrenen Klappen und wegen der
Brandgefahr unverkleideten Triebwerken
langsam um den Platz fliegt. Damit gelingt
Schäfer sowie der kompletten Heinkel-
Mannschaft eine Weltpremiere: der erste
zweistrahlige Flug der Welt.
Zwar gilt der Flug zweifellos als großer
Erfolg, doch von der Serienreife ist das
He S 8 noch weit entfernt. Insbesondere die
Regelbarkeit des Schubes und die Zuverläs-
sigkeit bereiten von Ohaim und seiner Ent-
Erprobung des Waffeneinbaus mit drei MG 151/20. Für das Jahr 1943 hat man eine erhebliche wicklungsmannschaft große Probleme. Auch
Verstärkung der Bewaffnung geplant die vorgesehene Schubleistung von jeweils
750 Kilopond wird noch nicht erreicht. Ma-
ximal produziert das He S 8 lediglich mage-
re 550 Kilopond.
Als Behelfslösung sollen zwei bis drei Ar-
gus-Pulso-Schubrohre As 014 (Schmidt-Roh-
re) mit einer Leistung von je 150 Kilopond un-
ter jeder Fläche Verwendung finden. Dabei
muss das Flugzeug wieder per Schleppflug
in die Luft. Um die He 280 eigenständig mit
Argus-Rohren abheben zu lassen, sind acht
dieser einfachen Aggregate erforderlich. So
laufen Planungen, die He 280 V1 bis Oktober
1942 mit Schubrohren auszurüsten.
Als weitere Möglichkeit wird der Einbau
von Strahltriebwerken der Firmen Junkers
(Jumo) und BMW in Betracht gezogen. Doch
sind auch diese TL-Triebwerke noch weit da-
von entfernt, zuverlässig zu arbeiten.
… mit einem neuartigen Schleudersitz ausgerüstet
Gut zu fliegen
digen Erstflug nichts mehr im Wege, wozu Paul Bader schließlich am Steuer der He 280 Die Flugeigenschaften der He 280 gelten als
die künftige Düsenmaschine zur E-Stelle V1. Eine zweimotorige He 111 B schleppt die insgesamt gut, wenngleich die Stabilität um
Rechlin transportiert wird. Am 22. September antriebslose Versuchsmaschine erfolgreich die Hochachse Anlass zur Kritik gibt. Außer-
1940 sitzt E-Stellenpilot Flugzeugbaumeister auf Höhe. Während der folgenden Erpro- dem treten ab einer Geschwindigkeit von et-
flugzeugclassic.de 17
ME 262 Konkurrenz
Einblick in das Innenleben einer He 280, wie sie für die Serie vorgesehen war
He 280 V3 mit He S 8 A, deren Lufteinlässe mit Holzscheiben geschützt sind Anders als die Me 262 wird die He 280 von Beginn an mit Bugrad gebaut
wa 600 km/h Flattererscheinungen am Leit- He 280 aufgrund ihrer zu schwachen Trieb- Von Ohaims unentwegte Tüftelei trägt ein
werk auf. Für Abhilfe soll ein zentrales Sei- werke leistungsmäßig unter ihren Möglich- rundes Jahr später weitere Früchte, als er mit
tenleitwerk sorgen. keiten fliegt, zeigt sich Udet von dem Hein- dem He S 8 A ein verbessertes Triebwerk mit
Am 5. April 1941 fliegt Schäfer die He 280 kel-Düsenjäger sichtlich beeindruckt und will mehr Schub präsentiert. Am 5. Juli 1942 ver-
V2 vor Luftwaffengrößen, darunter General- sich bei Luftwaffenchef Hermann Göring da- helfen zwei dieser neuen Düsenaggregate der
luftzeugmeister Ernst Udet und General- für einsetzen, dass die He 280 so rasch wie He 280 V3 zum reibungslosen Erstflug.
stabs-Ingenieur Roluf Lucht. Obwohl die möglich in Produktion gehen kann. Viel Zeit ist inzwischen vergangen und der
riesige Vorsprung, den Heinkel einst gegen-
über der Konkurrenz hatte, scheint dahin.
Denn auch Messerschmitt in Haunstetten bei
Begeistert von Heinkels Strahler: Der Augsburg meldet dem RLM Fortschritte: Mit
leidenschaftliche Pilot und Generalluft- der ebenfalls zweistrahligen Me 262 hat Mes-
zeugmeister Ernst Udet in der He 280 V2 serschmitt einen schnittigen Entwurf ins Ren-
im Rahmen einer Vorführung nen um den Strahljäger-Auftrag am Start.
Und am 18. Juli 1942 kann auch die »262«, an-
getrieben von zwei Jumo 004, ihren turbinen-
getriebenen Jungfernflug absolvieren. Schon
beim Jagdeinsitzer hatte Heinkel mit der
He 112/100 gegenüber der Bf 109 das Nach-
sehen. Und auch in Sachen Geschwindig-
keitsweltrekord musste Ernst Heinkel, ob-
wohl mit guten Erfolgsaussichten, auf Geheiß
des RLM 1939 klein beigeben. Nun steht der
Augsburger Rivale mit Blick auf den Jagd-
flugzeug-Auftrag womöglich wieder im Weg.
Am 13. Januar 1943 befindet sich die mit
Argus-Schmidt-Rohren ausgerüstete V1 im
Schleppflug. Als Versuchspilot Schenk das
18
Heinkel He 280 V3
Der Strahler flog erstmals am 5. Juli 1942
Lackierung: RLM 02 über alles
Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 19
ME 262 Konkurrenz
20
Das Flugbild
Technische Daten – Heinkel He 280 der He 280 mit
Heinkel He 280 V5 gerader Flügel-
Einsatzzweck Versuchsflugzeug vorderkante, im
Flugklartermin 26.07.1943 Unterschied zur
Besatzung 1 Mann Me 262 mit ihren
Antrieb Strahltriebwerk – umständehalber
Heinkel HeS 8 A (V14 u. V15)
entstandenen –
Standschub 2 x 750 kp
gepfeilten Flächen
Spannweite 12,20 m
Länge 10,40 m
Höhe 3,06 m
Flügelfläche 21,50 m²
Flächenbelastung 200 kg/m²
Leergewicht 3055 kg
Rüstgewicht 3215 kg
Startgewicht 4300 kg
Höchstgeschwindigkeit 780 km/h in Meereshöhe
820 km/h in 6000 m
760 km/h in 10 000 m
Startrollstrecke 850 m
1100 m über 15 m Höhe
Landestrecke 970 m aus 15 m Höhe
Anfangssteigleistung 19 m/s
Steigleistung 9,6 m/s in 6000 m
1,6 m/s in 10 000 m
Landegeschwindigkeit 140 km/h
Reichweite 400 – 1000 km
Gipfelhöhe 11 500 m Für Abkippmessungen und Untersuchungen des Flatterverhaltens des
Bewaffnung 3 x MG 151/20 – 20 mm
Leitwerks ist die antriebslose V7 mit speziellen Gerätschaften ausgestat-
Es existieren teils stark voneinander abweichende Leistungsdaten
tet, wozu auch Kameras gehören
hin die Arbeiten an der Serienreife der He 280, fertigten He 280 dienen von nun an der 26. Juni 1943 nach Triebwerkbrand die Maschi-
um die freien Kräfte dem schweren Bomber Strahltriebwerk-Erprobung. ne notlandet, wodurch diese schwer beschädigt
He 177 zugute kommen zu lassen. Neben der He 280 V2 erhält 1943 auch die wird. Wie sich herausstellt, beläuft sich der Scha-
Von den ursprünglich neun vom RLM ge- V8 Jumo-004-Turbinen und fliegt Mitte 1943. den auf etwa 80 Prozent, womit ein Wiederauf-
planten Versuchsmustern und 13 He-280-A- Strittig ist, ob, wie beabsichtigt, die V4, V5, V6 bau nicht infrage kommt. Die He 280 V8 will
Serienflugzeugen bestehen lediglich Bau- und V9 Triebwerke des Typs BMW 003 man später zur Erprobung eines V-Leitwerks für
gruppen für weitere Exemplare der neun (P 3302) erhielten. Flüge mit BMW-Aggrega- die He 162 nutzen, doch kommt es dazu nicht
He-280-V-Maschinen. In welchem Ferti- ten sind jedoch eher unwahrscheinlich. mehr. Bei der Deutschen Forschungsanstalt für
gungsstadium sich die Maschinen zu diesem Eindeutig ist hingegen der weitere Werde- Segelflug (DFS) dient die antriebslose He 280 V7
Zeitpunkt befanden, ist unklar. Die bereits ge- gang der V2 dokumentiert, deren Pilot am dazu, den Schnellflug zu untersuchen. ■
flugzeugclassic.de 21
ME 262 Genese
22
Legende
flugzeugclassic.de 23
ME 262 Genese
Die Originalskizze von Willy Messerschmitt zur Me 262 Foto Airbus Heritage
bertraubling, 14. Januar 1945. Heinz vom Erdboden ab, schwebte ruhig und ge- hinweg (…), zog wieder steil nach oben und
Einsatzflugzeug der Welt entgegen: dem Tur- zu vernehmen. Nur ein Säuseln, wie wenn Blutige Kehrseite
binenjäger Me 262. »Sagenhaftes ging diesem Engel einen schieben, umgab mich. Mit einem Ohne jeden Zweifel verkörpert der »Turbo«,
Jäger in der Beschreibung voraus. Die enorme Glücksgefühl stieg ich der Sonne entgegen.« wie die Me 262 bei der Truppe heißt, zu-
Geschwindigkeit, der Antrieb durch Schub- Ein nur kurzer Luxus, denn »leider ließ kunftsweisende Hochtechnologie: zum einen
düsen, ein Dreipunktfahrwerk – dies alles wa- mir die nüchterne Wirklichkeit nicht viel Zeit, ihre Konzeption an sich, zum anderen der
ren umwerfende Neuerungen«, erinnert sich dieses unbekannte, neue Gefühl zu genießen. neuartige Strahlantrieb, der parallel zum
Lohmann Jahrzehnte später. »Für mich ist es
bis heute ein unvergessliches Erlebnis, als ich
das erste Mal einen Düsenjäger fliegen durf-
Es war ein majestätisches Gefühl, wie
te.« Chefpilot Wendelin Trenkle gibt ihm letz- sich die Me 262 in die Kurve legte.
te Anweisungen. »Komm wieder gut herun-
ter«, sagt er noch, bevor er die Kanzel schließt. Flugeigenschaft, Wendigkeit, Steigfähigkeit Flugzeug gleichermaßen mit entwickelt und
»Unbeschreibliches Herzklopfen erfasste und Geschwindigkeit, all diese neuen fliege- zur Serienreife gebracht wird. Leistung wie
mich. Ich winkte meinen Kameraden noch- rischen Eindrücke musste ich in mir aufneh- Kampfkraft der »262« flößen bis zuletzt Res-
mals zu und auf ging’s zur Rollbahn.« Dann men. (…) Ehe ich mich mit allem vertraut ma- pekt ein. Verständlich, dass sie zu den be-
ist der schnittige Jäger auf Startposition. chen konnte, hatte ich schon eine große gehrtesten Trophäen der Sieger zählt. Noch
Strecke zurückgelegt und machte eine Kehrt- intensiver sind diese freilich hinter all den ele-
»Mit 900 km/h über die Dörfer« wendung.« Erneut gerät er ins Schwärmen: mentaren oder weiterführenden Forschungs-
»Wie empfohlen, schob ich die Schubhebel »Es war ein majestätisches Gefühl, wie die und Erprobungsresultaten her, die ihre Ge-
langsam nach vorn. Als die Maschine anroll- Me 262 sich in die Kurve legte. Dann sauste samtentwicklung in Gang gesetzt hat. Beim
te, gab ich volle Leistung und die Me 262 hob ich mit 900 km/h über Dörfer und Wälder Einkassieren technisch-wissenschaftlicher
24
Faszinierende Technik: In Fassberg untersuchen britische Spezialisten im Mai 1945 eine intakt erbeutete Me 262 A-2a der 2./KG 51. Heute ist die
Maschine im Australian War Memorial in Canberra zu bewundern – bis dahin galt es jedoch, viel Entwicklungsarbeit zu meistern Foto DEHLA via Stapfer
flugzeugclassic.de 25
ME 262 Versuchsmuster
MESSERSCHMITT ME 262 V1
26
Für Messerschmitt hat es Vorrang,
möglichst schnell die grundlegenden
Flugeigenschaften zu testen. Zu
diesem Zweck genügt anfangs ein
Propellerantrieb
flugzeugclassic.de 27
ME 262 Genese
Im Windkanal testet
man immer wieder
die Unterbringung der
TL-Aggregate in
Gondeln wie hier mit
einem frühen Modell
der P 1065 mit
trapezförmigen
Tragflächen
Ein dreieckiger Rumpfquerschnitt – unbeabsichtigt fast eine Blaupause Die gepfeilten Außenflügel der P 1065 sind an sich eine Notlösung,
für die heutzutage gefragte bionische Formgebung – erhält schließlich um den wachsenden Problemen mit der Schwerpunktlage aus dem Weg
den Vorzug gegenüber der ursprünglich geplanten ovalen Gestaltung zu gehen Fotos (5) Airbus Group Corporate Heritage
28
Messerschmitt Me 262 V1
Me 262 V1 mit Kolbenmotor Jumo 210 G. Sie
ist der erste Prototyp des Flugzeugs – der zen-
tral im Bug eingebaute Jumo-Motor ist jedoch
ein Kompromiss Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 29
ME 262 Genese
Empfehlung, sich beim Triebwerk an BMW ckung, mittelstarke NACA-Profile, die Trieb-
zu halten und einen »Süddeutschen Entwick- werke in den Flächen eingebaut, wobei der Resultat jahrelanger Entwicklung: die
lungsschwerpunkt« zu bilden. Am 4. Januar Holm oben und unten um das Antriebsag- Serienmaschine Me 262 A-1a, die Mitte
1939 gibt das Technische Amt die sehr allge- gregat herumgezogen sowie das Fahrwerk 1944 im Erprobungskommando 262 fliegt
mein gehaltenen Vorläufigen technischen im Außenflügel gelagert ist. Vorschläge aus Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus
Richtlinien für schnelle Jagdflugzeuge mit der Entwurfsgruppe, die Tragfläche dünner,
Strahltriebwerk heraus. Zu den zentralen For- mit Pfeilung und Laminarprofil zu gestalten,
derungen gehören 900 km/h Höchstge- lehnt Lusser – wie angeblich auch Willy Mes- tigkeit sowie die rechtzeitige Durchführung
schwindigkeit. Außerdem soll die Maschine serschmitt – ab. Lussers weiterer Einfluss auf der gefassten Beschlüsse und Entscheidun-
von »einfachster und billigster Konstruktion« die spätere Me 262 währt indessen nicht gen«, erinnert er sich mehr als 35 Jahre
sein. Einige Wochen danach erhöht das RLM mehr lange: Im Februar 1939 kehrt er dem danach. Und er weiß nur zu gut, »dass die
seine Forderung für die Schubleistung des Konzern den Rücken. Versuche mit diesem grundlegend neuen
TL-Aggregats auf 600 Kilopond. Flugzeug eigentlich erst dann stattfinden,
Lusser will ein »solides« Experimental- Gut geschätzt wenn es mit einem Piloten an Bord abhebt«.
flugzeug, wie er sich ausdrückt – möglichst ri- Seinen Platz, und die Verantwortung für alle Obwohl das RLM den Triebwerkschub jetzt
sikolos und sicher beherrschbar mit gutarti- weiteren Entwurfsarbeiten, nimmt sein Stell- höher angesetzt hat, bleibt es beim zwei-
gen Flugeigenschaften. Entsprechend sieht vertreter Woldemar Voigt ein. »Der Leiter des strahligen Konzept. Wenngleich, so Vogt,
seine Formgebung aus: geringe Flügelstre- Projekts (…) haftete persönlich für die Rich- »wir am Ende mit einer Konstruktion rechnen
30
Ludwig Bölkow Riclef Schomerus
Bölkow (1912–2003) tritt 1939 als Aerody- Schomerus (1909–1945)
namiker ins Projektbüro der Messerschmitt kommt 1933 ins Projektbüro zu
AG ein. Hier fungiert er als Hauptgruppenlei- Messerschmitt, um dort die Ab-
ter für Hochgeschwindigkeits-Aerodynamik; teilung Aerodynamik zu leiten. Er
seine Beiträge zur Me 262 umfassen nach genießt einen ausgezeichneten
eigenen Worten »Flügel- und Rumpfprofile Ruf auf seinem Spezialgebiet
sowie Leitwerklagen und Ähnliches«. Da- und nimmt maßgeblichen Ein-
nach bringt er unter anderem die Bf 109K fluss auf den Entwurf des »Tur-
auf den Weg. Nach dem Krieg mit großem bo«. Anfang 1945 wird er zu-
Geschick als Unternehmer tätig, gehört er ständig für die Lizenzbetreuung
1969 schließlich zu den Gründern der Mes- von Me 163 und Me 262. In
serschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB). ■ diesem Zusammenhang kommt Riclef Schomerus
er auf der Fahrt nach Japan bei Anfang 1945
Ludwig Bölkow im Jahr 1943 der Versenkung des U-Bootes U Foto Airbus Group
Foto Airbus Group Corporate Heritage 864 im Februar ums Leben. ■ Corporate Heritage
mussten, die in hohem Maße überdimensio- Entwicklung des Strahljägers P 1065. Zu den Größtes Problem dabei: die Räder der
niert war und übermäßig viel Leistung ent- maßgeblichen Köpfen in Voigts Entwurfs- Hauptfahrwerke sind breiter als die Flügel;
wickelte. Obwohl wir später herausfinden gruppe zählen unter anderem Hans Hor- eingefahren ragen sie darum über den oberen
sollten, dass sich dieser Leistungsüberschuss nung, der Leiter der Abteilung Vorentwurf. Tragflächenrand hinaus und müssen
nutzbringend in größere Einsatzfähigkeit um- Ihm zur Seite stehen Wolfgang Degel und zwangsweise im schmalen ovalen Rumpfbe-
setzen ließ« – nicht unwesentlich für das Ent- dessen rechte Hand Karl Althoff sowie Ru- reich untergebracht werden. Das geht nur,
wicklungspotenzial der späteren Me 262. dolf Seitz, der später die Hochgeschwindig- wenn die Hauptfahrwerkbeine beim Ein-
Mit dem Strahljäger begibt man sich in keitsentwicklung übernehmen wird. Für Ae- und Ausfahren um 50 Grad nach vorne be-
Augsburg technisch wie aerodynamisch auf rodynamik und Flugmechanik zeichnet ziehungsweise nach hinten schwenken. De-
Neuland. BMW kann für den vorgesehenen Riclef Schomerus verantwortlich, ausschlag- gel, Seitz und besonders Althoff plädieren
Antrieb vorerst nur sehr grobe Angaben lie- gebende Mitarbeiter seiner Abteilung sind dagegen für einen dreieckigen Rumpfquer-
fern: 600 Kilopond geplanter Standschub und Walter Eisenmann (Flugstabilität), Hans-Jo- schnitt. Er ist aerodynamisch wie statisch
maximal 60 Zentimeter Durchmesser. Voigt achim Puffert (Windkanalversuche) sowie günstiger und vereinfacht Einbau und Betä-
und seine Mannen müssen folglich bloß mit Ludwig Bölkow (Hochgeschwindigkeits-Flü- tigung der Fahrwerke erheblich.
Schätzwerten hantieren, die sich zum Beispiel gelprofile). Kurt Frey (Leistungsrechnung) Messerschmitt gibt schließlich nach. Da-
für Abmessungen oder Gewichte rechnerisch, und Wilhelm Geduldig kümmern sich dage- durch, dass die Hauptfahrwerkräder fortan
also rein theoretisch, in Abhängigkeit vom gen um Antriebsfragen. Bewaffnungsangele- im relativ ausladenden Dreiecksrumpf liegen,
Schub ermitteln lassen.
Noch spärlicher sind die vorhandenen Da-
ten zur Hochgeschwindigkeits-Aerodynamik.
Mit dem Strahljäger begibt man sich in
Damals existiert in Deutschland nur ein spe- Augsburg technisch auf Neuland.
zieller Windkanal, und zwar bei der AVA (Ae-
rodynamische Versuchsanstalt) in Göttingen, genheiten stehen unter der Leitung von lässt sich die Tragfläche verhältnismäßig
der schallnahe Geschwindigkeiten zulässt. Friedrich Schwarz. Willy Messerschmitt, der dünn, leicht und somit schnell halten. Um de-
Sein Durchmesser ist jedoch gering; lediglich viel eher im Vorstand zu tun hat, mischt na- ren Profil endgültig festzulegen, laufen bis ins
Tragflächen von etwa einem Zoll Spannwei- türlich auch rege mit. Jahr 1941 hinein aerodynamische Messungen
te und einem Drittel Zoll Flügelsehne können bei der AVA. Bölkow ermittelt und entwirft in
dort vermessen werden. Auffälliges Spornrad diesem Zusammenhang ein später gängiges
Am 7. Juni 1939 liegt dem Reichsluftfahrtmi- Hochgeschwindigkeitsprofil, 009-E4 genannt.
Oval oder dreieckig? nisterium das erste Projektangebot für die P Zudem ersinnt er statt üblicher Vorflügel eine
Entsprechend skeptisch sieht man die Er- 1065 vor. Der zweistrahlige Entwurf hat einen sogenannte »Kippnase« oder Nasenklappe,
gebnisse. Erfreulicherweise kommt unab- ovalen Rumpfquerschnitt, ein Spornradfahr- was den Flügel nochmals dünner macht.
sichtliche Schützenhilfe aus den USA: im werk und einen Trapezflügel. Rechnerisch Zwar kommt nichts von beidem bei der Me
NACA (National Advisory Committee for liegt die höchste Geschwindigkeit bei 950 262 zum Tragen, wohl aber nach dem Krieg
Aeronautics) Report Nr. 492 finden sich um- km/h. Als Maximalschub der Triebwerke, die bei zahlreichen anderen Flugzeugen.
fangreiche Vermessungsergebnisse für be- in die Tragflächen integriert sind, werden 600
stimmte Tragflügelprofile im Hochge- Kilopond angenommen. Probleme mit dem Schwerpunkt
schwindigkeitsbereich. Amerikanische wie Besonders das Spornrad fällt auf, ist man Am 9. November 1939 erhält das RLM das
deutsche Daten zeigen hohe Übereinstim- sich der Vorteile eines Bugfahrwerks doch überarbeitete Projektangebot I; zehn Tage spä-
mung. So kann die Projektmannschaft an- rundum bewusst – bloß verlangt dessen Ein- ter findet in Augsburg die allererste offizielle
hand jener Grundlagen eine Reihe von Mo- bau zu viel Platz im schmalen Rumpf. Die Besichtigung der Sicht- und Führerraumat-
menten-, Auftriebs- und Widerstandskurven Suche nach dem besten Rumpfquerschnitt trappe statt. Der Auftrag zum Bau dreier Ver-
mithilfe purer Schätzwerte ermitteln. Ein hat deshalb Vorrang. Messerschmitt selbst fa- suchsmuster und einer Bruchzelle folgt am
spärliches, grundsätzlich aber richtiges theo- vorisiert dafür nach wie vor die möglichst 1. März 1940. Am selben Tag wird die Aus-
retisches Fundament für die nachfolgende widerstandsarme ovale Form. rüstung für die P 1065 V1 festgelegt. Vorge-
flugzeugclassic.de 31
ME 262 Genese
32
Technische Daten – Messerschmitt P 1065 (Juni 1939)
Länge 8,30 m
Höhe 2,80 m
Spannweite 9,40 m
Tragflügelfläche 18,00 m²
Antrieb zwei BMW-Turbinen-Luftstrahl-Aggregate mit je 600 kp Nennschub
Max. Fluggewicht 4321 kg
Höchstgeschwindigkeit 840 km/h in 3000 m (100 Prozent Leistung)
950 km/h in 3000 m (130 Prozent Luftkampfleistung) 38,50 €
Bewaffnung zwei 15-mm-MG 151
Besatzung ein Mann Schuck, Walter
Abschuss! - Von der Me 109
zur Me 262
Team letztendlich folgendermaßen fest: »Un- P 1065 dann das amtliche Baumuster 8-262. Erinnerungen an die Luftkämpfe beim
ten angesetzte Tragflügel mit Pfeilung und Dessen erstes Exemplar, die Me 262 V1, Jagdgeschwader 5 und 7
hängende Triebwerkgondeln. Bei dieser nimmt bis März zügig Gestalt an. Dafür hinkt 248 Seiten, Hardcover, 284 Abb.,
Konfiguration blieb die Oberseite der Trag- die parallel laufende Entwicklung der BMW- Großformat; ISBN 978-3-938208-44-1
flächen völlig ungestört durch die Antriebs- Strahltriebwerke stark hinterher. Der anvi-
Eisenbach, Hans-Pe-
gondeln, während die Tragflächenunterseite sierte Standschub von 600 Kilopond ist noch
ter / Dauselt, Carolus
aerodynamisch völlig klar unter dem Rumpf in weiter Ferne. Junkers, wo ebenso an einem Der Einsatz deut-
verlief.« Obendrein sitzt so der Rumpf auf TL-Aggregat gearbeitet wird, welches mitt- scher Sturzkampf-
dem Tragflächenmittelstück, ist damit ange- lerweile als Alternative für die »262« infrage flugzeuge gegen
hoben und sorgt dafür, dass der Abstand kommt, kämpft gleichfalls mit erheblichen Polen, Frankreich
zwischen beiden Gondeln groß genug aus- Schwierigkeiten. und England
fällt, um störende Wechselwirkungen signi- Mit flugklaren Strahltriebwerken ist auf Eine Studie zur
fikant zu mindern. absehbare Zeit also nicht zu rechnen – ein Grazer Sturzkampf-
gruppe I./76 und I./3
Graus für die Augsburger, die ihren ersten
Kolbenmotor statt »TL« Prototypen möglichst bald in der Luft sehen 368 Seiten, Hardco-
Das RLM erhält die adäquat ergänzte Pro- wollen. Die Idee, ihm zwei Walter-Flüssig- ver, 308 Abb., Karten/
Tabellen, Großformat;
jektübergabe III am 1. November 1940, zu- keitsraketen mit je 750 Kilopond Schub un-
ISBN 978-3-86933-
gleich Grundlage für den Bau der ersten Ver- ter die Flächen zu hängen, verwirft man indes neu 39,80 € 232-1
suchsflugzeuge. Im Februar 1941 wird aus wieder. Theoretisch scheint damit eine
Langener, Rainer
Höchstgeschwindigkeit von 690 km/h mög-
Mein Leben nach
lich, doch ist die Brenndauer mit sieben Mi- dem Schleudersitz
nuten einfach zu kurz.
Ex-NVA-Militärflieger
Fortschritt mit Rückschritt: Um wenigstens Um wenigstens Vorversuche durchführen auf Kollisionskurs mit
grundlegende Flugversuche mit der Zelle zu können, schlägt Messerschmitt selbst ei- der Marktwirtschaft
durchzuführen, erhält die Me 262 V1 zunächst nen anderen Kompromiss vor: den Einbau 244 Seiten, Hardco-
einen Jumo-210-G-Kolbenmotor. So kann sie eines 730-PS-Jumo-210-G-Kolbenmotors im ver, 59 Abb., 17x24
am 18. April 1941 zum Erstflug starten Bug der Maschine. So ließen sich die Flug- cm; ISBN: 978-3-
Foto DEHLA eigenschaften vorab eingeschränkt testen. 86933-236-9
Die Düsentriebwerke sind später leicht zu- 23,80 €
sätzlich einzurüsten. Außerdem kann mit- neu
hilfe des Kolbenmotors der Totalverlust der
Maschine verhindert werden, falls die TL-
Hagena, Hermann
Aggregate ausfallen – gar nicht abwegig
Jagdflieger
beim damaligen Stand der Technik. Die Pro- Werner Mölders
jektübergabe III wird folglich schrittweise Rote Linie zwischen
passend erweitert. Wehrmacht und
So hebt die Me 262 V1 am Abend des Bundeswehr
18. April 1941 um 19:35 Uhr lediglich an ihrem 281 Seiten, Hard-
Propeller hängend in Augsburg-Haunstetten cover, 12 Abb., 17x24
erstmals ab. Im Führersitz: Flugkapitän Fritz cm; ISBN: 978-3-
Wendel, einer der erfahrensten Werkpiloten 86933-225-3
bei Messerschmitt. Der Flug verläuft stö- 22,00 €
rungsfrei. ■
neu
Quellen (Auswahl)
• Lohmann, H.: Mein letzter Start mit dem
Strahljäger Me 262. Selbstverlag, o. Jg.
Helios-Verlag.de
• Voigt, W.: Gestation of the Swallow. Brückstr. 48, 52080 Aachen
In: Air International, März 1976 Tel.: 0241-555426 Fax: 0241-558493
eMail: Helios-Verlag@t-online.de
flugzeugclassic.de versandkostenfreie Auslieferung
33
innerhalb Deutschlands
ME 262 BMW P.3302
Start in eine
Für den ersten Düsenjäger in Serienfertigung muss beim Erstflug ein
Kolbenmotor herhalten. Monate später geht dann der »heiße« Erstflug
mit Strahltriebwerk fast in der Hektik der anlaufenden Serienproduktion
unter – und stellt doch einen unvergleichlichen Meilenstein dar
Von Wolfgang Mühlbauer
34
neue Ära
flugzeugclassic.de 35
ME 262 BMW P.3302
ugsburg-Haunstetten, am 18. April erinnert sich der Flugkapitän: »Der Meister sehen erschien es bei flüchtiger Betrachtung
36
Nach ihrem schlecht wird, baut man im Anschluss eine
missglückten Lüftungsklappe ins Cockpit ein – und wech-
Testflug mit selt endlich das Vorderteil der Kabinenhau-
den P.3302- be aus. Davon abgesehen ist die Kabine der
Strahlaggre- V1 wie festgelegt zwar als Druckkessel aus-
gaten am geführt, jedoch ohne druckdichten Aufsatz,
25. März 1942 der erst später nachgerüstet werden soll.
verbleibt die Ebenso wie der ursprünglich vorgesehene
V1 erneut für Katapultsitz – ein echtes Novum, das sich an-
längere Zeit in sonsten nur bei wenigen weiteren Versuchs-
der Halle mustern der Me 262 finden wird.
Foto DEHLA
Harmlos und wenig wendig
Die ur- Alles in allem gewinnt Wendel während den
sprüngliche V1-Tests einen positiven Gesamteindruck
Kabinenhaube vom künftigen, wenn auch noch flügellah-
der Me 262 V1 men Düsenjäger: »Die Maschine hat uns von
mit dem all unseren Baumustern (…) am wenigsten
ausgeschnit- Schwierigkeiten verursacht.« Obwohl BMW
tenen Loch genauso wie die Junkers Motorenwerke (Ju-
links unten im mo) in Dessau bislang kein einziges flugkla-
Vorderteil res Turbinen-Luftstrahl-Triebwerk (TL) be-
Foto Airbus reitstellen kann, gibt das Technische Amt im
Corporate Heritage Reichsluftfahrtministerium (RLM) am 25. Ju-
li 1941 den Bau von fünf Versuchsmustern so-
Nach den ersten Rollversuchen wird da- dass dann Motorabgase, vom Schrauben- wie 20 Vorserienexemplaren der Me 262 offi-
rum dort ein Loch mit 15 Zentimeter Durch- strahl verwirbelt, ihren Weg in den Führer- ziell in Auftrag.
messer herausgeschnitten, um die Sichtver- raum finden können. Als Wendel am 7. Juli Wenig später, am 4. August, sitzen mit
hältnisse erträglicher zu machen. Dumm, 1941 einen Versuchsflug abbricht, da ihm Heinrich Beauvais und Paul Bader erstmals
Fritz Wendel, Hermann Wurster und Sepp Sinz Wendel an der Me 262 V3, Juli 1942 Fotos (2) DEHLA
flugzeugclassic.de 37
ME 262 BMW P.3302
Bei ihrem Erstflug zeigen die Strahltriebwerke der Me 262 V3 keinerlei Mehrere Rollversuche sind nötig, ehe die richtige Starttechnik gefunden
Störungen Fotos (2) Airbus Corporate Heritage ist, um die mit Spornrad ausgerüstete V3 vom Boden abzuheben
38
Zwar hat es kurz zuvor noch geregnet, doch das hindert nicht an den Vorbereitungen zum strahlgestützten ersten Start der Me 262 V3 in Leipheim
flugzeugclassic.de 39
ME 262 BMW P.3302
Zwölf Minuten dauert der erste reine Strahlfug mit der Me 262 V3. Er wird ein voller Erfolg
40
Technische Daten – Me 262 V1
Länge 10,46 m**
Höhe 2,80 m (ohne Fahrwerk)**
Spannweite 12,35 m**
Tragflügelfläche 20,00 m²*
Antrieb 1 flüssigkeitsgekühlter
Jumo-210-G-Zwölfzylinder-
Reihenmotor mit
730 PS Startleistung
Startgewicht 3155 kg*
Bewaffnung keine
3 Danach hebt die Me 262 V3 nach etwa 650 Meter Rollstrecke ab Besatzung 1 Mann
*Projektübergabe III; **Typenblatt Me 262 V1
bleiben daraufhin stehen. »Es war nun rausgegangenen Versuchen in Berlin-Schöne- Dafür ist das Jumo T1 unter einer Bf 110,
schwierig, mit dem Mittelmotor allein die feld. Die BMW-Versuchsingenieure zogen die als fliegender Prüfstand fungiert, am 15.
Maschine auf Höhe zu halten. Es gelang mir wieder nach Schönefeld zurück und Monate März 1942 erstmals einwandfrei in der Luft
aber trotzdem, die Platzrunde zu beenden lang hörten wir nichts mehr von ihnen.« gelaufen. Es dauert trotzdem bis zum 1. Juni,
und unversehrt wieder (…) aufzusetzen.« Drei Tage nach dem unerfreulichen Test- bevor die ersten zwei Entwicklungsgeräte in
Dass beim Ausrollen beide Lenker an den Fe- flug wird die Aufklärerattrappe mittlerweile Augsburg eintreffen. Beide liefern sie mit je
derbeinen brechen, ist unerklärliches Pech. zum dritten Mal begutachtet; erneut sollen 840 Kilopond erheblich mehr Schub als zuvor
Im Anschluss bleibt die V1 vorerst wieder sich Dinge ändern. Zuvor ist man mit dem die BMW-TL. Nachdem beide so rasch wie
in der Halle. Wenngleich kaum Gelegenheit RLM übereingekommen, ein »V-Flugzeug« möglich in die V3 eingebaut sind, bringt man
war, ihre jetzigen Flugeigenschaften zu beur- passend zu modifizieren. Der Misserfolg vom die fertig ausgerüstete Maschine nach Lei-
teilen, stuft Wendel die Querruderkräfte als 25. März sorgt nun jedoch dafür, dass man pheim – damals Geheimplatz und mit seiner
1100 Meter langen Startbahn viel besser für
die Testflüge mit dem Strahlflugzeug geeignet
Erst durch einen Bremstrick beim Anrollen als das kleinere Flugfeld in Haunstetten.
bekommt der Pilot die Maschine in die Luft.
Erstflug mit reinem Strahlantrieb
hoch, die Sinkgeschwindigkeit beim Lande- damit erst einmal warten möchte, bis die Son- Am 18. Juli 1942 steht endlich der ungeduldig
anschweben sogar als unangenehm hoch ein. dertriebwerke zuverlässig sind. Tags darauf erwartete erste Flug der Me 262 mit reinem
Sein Bericht schließt mit den Worten: »Der reduziert das RLM sogar den Bauauftrag auf Strahlantrieb bevor. Zunächst unternimmt
Gesamteindruck war nicht zufriedenstellend. vorerst fünf Versuchsflugzeuge – alles Weite- Wendel mehrere schnelle Rollversuche. Theo-
Es kann jetzt schon gesagt werden, dass mit- re soll sich nach deren erfolgreicher Erpro- retisch sollte die Maschine bei 180 km/h ab-
telmäßige Flugzeugführer dieses Flugzeug bung entscheiden. Für Messerschmitt im Ge- heben, tut sie aber nicht: »Bei meinen ersten
mit einer derart hohen Flächenbelastung genzug Anlass, die V3, V4 und V5 ab sofort Rollversuchen erreichte ich diese 180 km/h
nicht beherrschen können.« Die technische In- mit den technisch weniger ambitionierten, bei 800 Meter Rollstrecke. Dabei hatte ich auf
spektion zeigt außerdem, dass in beiden dafür vielversprechenderen Jumo-Aggrega- keinem Ruder Wirkung oder wenigstens
Triebwerken Verdichterschaufeln gebrochen ten auszurüsten. Nur die V2 bleibt zunächst Druck. Es war einfach nicht möglich, den
sind. Dazu wiederum Wendel: »Eine uner- weiterhin für BMW-Triebwerke vorgesehen, Sporn vom Boden wegzubekommen«, be-
klärliche Tatsache, denn bei meinem Flug war an deren faktischer Neukonstruktion aller- richtet er. Über 800 Meter hinauszurollen ver-
die Drehzahl nicht höher als bei meinen vo- dings kein Weg vorbeiführt. bietet sich, da die restliche Bahnlänge zum
flugzeugclassic.de 41
ME 262 BMW P.3302
Messerschmitt Me 262 V3
Me 262 V3 im Juli 1942. Sie trug den für Jagd-
flugzeuge üblichen Tarnanstrich in RLM-Farben
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
42
Nach der Landung entflammt ausgelaufener
Treibstoff in der rechten Triebwerkverkleidung.
Der Brand ist schnell gelöscht, der Schaden an
der V3 unerheblich Foto DEHLA
flugzeugclassic.de 43
ME 262 Jumo 004A
44
Mit dem raschen Serienbau der Me 262 sieht es zunächst
schlecht aus. Zahlreich sind die Hindernisse, die sich
auftürmen. Nicht nur bahnbrechende Technik, auch persön-
liche Eitelkeit und gegenseitiges Misstrauen sorgen für
Stolperfallen. Trotzdem ist der Jet nicht mehr aufzuhalten
Von Wolfgang Mühlbauer
flugzeugclassic.de 45
ME 262 Jumo 004A
ach dem »heißen« Erstflug der Me 262 mäßig früh ab. Was einiges zu den kniffligen »Vor dem Start erklärte ich ihm die Schwie-
46
Starteigenschaften wie Sichtverhältnisse blei-
ben bei den V-Mustern mit Spornrad, welches
zusammen mit den Fahrwerksklappen von der
Me 210/410 stammt, stets knifflig
Engpässe bei Messerschmitt Gut möglich, dass sie mit seinem Ausschluss stillgelegt, um ihr Fahrwerk für die V3 zu nut-
Was den Produktionsablauf der V-Muster aus der Geschäftsleitung durch Generalluft- zen. Man hat nämlich kurzerhand beschlossen,
und Vorserienexemplare betrifft, kristallisie- zeugmeister Erhard Milch Ende April 1942 zu diese wieder instand zu setzen. Davon abgese-
ren sich bereits ernsthafte Kapazitätsengpäs- tun haben. Beide Männer trennt eine tiefe hen gibt es flugklare Strahltriebwerke nach wie
se bei der Messerschmitt AG heraus. Ohne Feindschaft, die ihren Anfang lange vor dem vor nur in homöopathischen Dosen. Als Jumo
näher auf die Hintergründe einzugehen, Krieg hat und weite Kreise zieht. Doch so we- im September 1942 endlich zwei weitere 004-A-
spielt die kolbenmotorgetriebene Me 209 da- nig sich Konzernleitung und Milch über den Geräte liefern kann, werden diese umgehend in
bei eine zentrale Rolle. Ihren Serienbau ver- Weg trauen, darf mit Fug und Recht behaup- die V2 eingebaut und das Flugzeug dann nach
sucht Willy Messerschmitt »nicht in seiner Ei- tet werden, dass Messerschmitts persönliches Lechfeld gebracht, wo am 1. Oktober der Erst-
genschaft als Schöpfer« derselben, sondern Ränkespiel die Einführungszeit der Me 262 un- flug stattfindet. Er verläuft problemlos, nicht
als »objektiver Ingenieur« trotzig bis weit ins nötig hinauszögert. Fairerweise sei gesagt: Das zuletzt dank aerodynamischer Verfeinerungen
Jahr 1943 hinein durchzudrücken. Entwicklungstempo der Strahltriebwerke kann wie der inneren Vorflügel.
Seine wahren Motive, den zügigen Reihen- mit dem der Zelle nie Schritt halten, sodass hier Dafür beschwert sich Wendel über die zum
bau der Me 262 – seines »wichtigsten Flugzeu- lange Zeit entscheidende Fragen offen bleiben. Teil »unerträgliche Abgasbelästigung« im
ges«, wie er nach dem Krieg gerne betont – Ähnlich prekär sieht es bei den aktuellen V-
wiederholt auszubremsen, bleiben spekulativ. Mustern der Me 262 aus. So wird die V1 zeitnah Weiter auf Seite 50
Ursprünglich soll die Me 262 V2 Pulso-Strahlrohre erhalten. Nach dem Unfall der V3 im August 1942 beschließt man jedoch, das Flugzeug stattdes-
sen auf Jumo-004A-Aggregate umzurüsten Fotos (3) DEHLA
flugzeugclassic.de 47
ME 262 Versuchsmuster
48
Me 262 V4 mit zwei Jumo-004A-
Versuchstriebwerken und Katapultsitz
flugzeugclassic.de 49
ME 262T Jumo 004A
Dringlichkeit steigt
Anschließend geht es um die ab 1944 gefor-
derten 20 bis 30 Serienmaschinen pro Monat,
die sich nach derzeitiger Lage vom Messer-
schmitt-Konzern alleine unmöglich heraus-
bringen lassen. Bestenfalls drei Stück monat-
lich seien hier machbar; der Rest müsse
anderswo gebaut werden. »Das RLM schlägt
vor, sofort das in Toulouse frei gewordene Jä-
ger-Werk (früher Dewoitine) zuzuschalten«,
was indessen nie passiert. Einerseits Parade-
beispiele für die Zwangslage, in der die gan-
ze deutsche Luftrüstung allmählich steckt.
Und zum anderen der endgültige Auftakt zu
den vielen gegenseitigen Schuldvorwürfen
im Rahmen des Me-262-Programms.In den
folgenden Tagen drängt das Technische Amt
neben der »schnellstmöglichen Vorab-Fer-
tigstellung« des ersten Bugradflugzeuges
auf eine Verstärkung der Bewaffnung. Der
beständig misslichere Kriegsverlauf mag mit
Schubsystem des Jumo 004B-1. Frühere Versuchsaggregate wie in der Me 262 V2 und V3 arbei- dazu beitragen, dass Milch am 10. Dezember
ten zum Teil noch mit vorbestimmten Nadelstellungen 1942 die »Zusammenfassung eines vor-
dringlichen Entwicklungs- und Beschaf-
Führerraum, die wahrscheinlich von schlecht Messerschmitt selbst hält den verlangten fungsprogramms« unter dem Kennwort
abgedichteten Leitwerkdurchbrüchen herrührt. Gesamtliefertermin bis Ende 1943 für un- »Vulkan« befiehlt.
Ferner blähen sich die stoffbespannten Querru- haltbar; allenfalls die zehn V-Flugzeuge kön-
der wegen hoher Bauabweichungen auf, und ab ne man bis dahin fertigstellen. Er und die Kolbenmotor- oder Strahljäger?
680 km/h setzt Schütteln ein. Im Anschluss star- Geschäftsleitung haben es wohl immer noch Einige Wochen später, genauer ab 23. Janu-
tet Beauvais, der sich diesmal, wie ausdrücklich nicht allzu eilig mit der Me 262. Wie als Be- ar 1943, genießt die Me 262 »absolut erste
vermerkt wird, exakt an die Vorschriften zur Be- weis ruht deren Flugerprobung, die sich Dringlichkeit«. Egal, was Willy Messer-
dienung der Triebwerke hält. Dass er gleich mal mittlerweile nach Lechfeld verlagert hat, da- schmitt oder manch anderer im Nachhinein
eine Rolle im schnellen Vorbeiflug dreht, kommt nach vier Wochen lang völlig – die Geheim- dagegenhält: Milch hat, sofern er es von sei-
hingegen nicht so gut an. Fast zeitgleich verän- haltung dort scheint wegen »der Anwesen- ner Seite aus kann, die Weichen rechtzeitig
dert sich die Fertigungsplanung erneut kom- heit von Ausländern« (italienische Piloten in gestellt.
plett: Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) Nachtjagdausbildung) zu stark beeinträch- Dass eine solche DE-Stufe weder fehlen-
will fünf weitere V-Flugzeuge sowie 30 Vorse- tigt. Als die V2 am 29. Oktober 1942 erneut de Produktionskapazität noch zögerliche
rienmaschinen, alle mit Bugrad. zum Start rollt, streift Wendel mit dem rech- Vorausplanung über Nacht ausgleichen
50
Messerschmitt Me 262 V4
Me 262 V4, die erstmals am 15. Mai 1943 ab-
hob. Der Anstrich ist spekulativ
Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 51
ME 262 Jumo 004A
52
Werkpilot Oberfeldwebel Willi Ostertag (Mitte) unterhält sich mit Fachleuten der Flugerprobung und von Junkers nach einem Höhenversuchsflug. Im
Hintergrund die Me 262 V2, mit der er am 18. April 1943 ums Leben kommt Foto DEHLA
Als man in einer erneuten Sitzung am 4. sich in der ergänzten Projektbaubeschreibung einem solchen Flugzeug gezeigt. Die Firmen-
März 1943 Bau- und Ausrüstungszustand der vom 25. März des Jahres wider: Die Me 262 wird leitung bittet Hauptmann Wolfgang Späte, da-
ersten Serienmaschinen festlegt, gehören neben hier erstmals nicht mehr nur als Jäger angeprie- mals Leiter des Erprobungskommandos 16,
einer verstärkten Bewaffnung folglich 500 Kilo- sen, zudem ist das Dokument nun durch erste die V2 einmal selbst zu fliegen. Das macht er
gramm Bombenlast dazu; Katapultsitz und Daten aus der Flugerprobung untermauert. am 17. April 1943. Kurz danach berichtet er be-
Kopfpanzer entfallen dagegen. Nach dem Ab- Zwei Tage später verschwindet mit der geistert an den General der Jagdflieger, Adolf
wurf sollen »keine störenden Teile im freien Heinkel He 280 der einzige direkte Konkurrent Galland. Späte schwärmt vor allem von den
Luftstrom stehenbleiben«, zum Zielen will man vom RLM-Entwicklungsplan. Worüber sich die Fluggeschwindigkeiten, dank derer sich auch
gängige Reflexvisiere nutzen. All das spiegelt Augsburger sicher ähnlich freuen wie darüber, zahlenmäßig überlegene Gegner mit Erfolg be-
dass seit dem 20. März die wiederaufgebaute kämpfen ließen. Zwar seien Flugzeug wie An-
V3 nunmehr einsatzbereit ist. Nebenbei rüstet trieb lediglich im fortgeschrittenen Versuchs-
man die V1 auf Jumo-Triebwerke um. Weniger stadium, überzeugen aber voll. Seiner Ansicht
erfreulich sind indes die Querruderschwingun- nach sei Me 262 im Prinzip schon frontreif.
gen, die jetzt auch die V3 betreffen. Ein Problem, Kaum ist der Ball im Rollen, folgt tags da-
Über mehrere das Anfang April jedoch beseitigt ist. rauf der nächste Tiefschlag: Willi Ostertag, seit
Monate hinweg bleibt Herbst 1942 Testpilot auf der Me 262, zerschellt
die Me 262 V2 das Luftwaffenführung wird aufmerksam mit der V2. Es scheint, als habe das Höhenflos-
einzige startklare Im selben Monat rückt die Messerschmitt AG senverstellgerät, von Messerschmitt zusammen
Testflugzeug ihren Turbinenjäger erstmals ins Rampenlicht mit Uher entwickelt, versagt. Die V3 erhält da-
der Luftwaffenführung. Dort hat man, für vie- raufhin Startverbot. Sie hebt erst wieder ab,
le unverständlich, bislang wenig Interesse an nachdem ihre Höhenflossenverstellung unter
flugzeugclassic.de 53
ME 262 Jumo 004A
54
Leg e n d e n
de r L ü f te
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Jeden Monat
neu am Kiosk!
www.flugzeugclassic.de/abo
ME 262 Cockpit
56
MESSERSCHMITT ME 262 V-MUSTER
Spärlich eingerichtet
Mit der düsengetriebenen Messerschmitt Me 262 begann ein neues Zeitalter in der
Luftfahrt. Nicht nur die Piloten mussten sich umstellen, auch auf die Ingenieure
und Techniker, welche die Instrumentierung entwarfen, kamen ganz neue Herausfor-
derungen zu. Die Cockpits füllten sich Von Peter W. Cohausz
Hohe Anzeigenbereiche
Der Ladedruckmesser zeigte bei Vergaser-
antrieben den Druck des Gemisches und bei
Einspritzmotoren den Druck der Ladeluft
vor dem Eintritt in die Zylinder an. Weitere
Anzeigegeräte gaben Informationen über
Kraftstoff- und Schmierstoffdruck. Zwecks
Platzersparnis war dies üblicherweise ein
Doppeldruckmesser. Die Temperaturen von
Schmier- und – falls vorhanden – Kühlstoff er-
mittelten mechanische oder elektrische Ther-
mometer. Ebenfalls wichtig waren üblicher- Drehzahlmesser bis 15 000 U/min in einer Me 262 A-1 (Fl 20266)
Den Drehzahlmesser Fl 20266 gab es, wie hier zu sehen, auch in einer Beim Gasdruckanzeiger handelte es sich um einen Differenzdruck-
Version bis 12 000 U/min messer bis 1 kg/cm² (Fl 20515)
flugzeugclassic.de 57
ME 262 Cockpit
Seltene Aufnahme:
Das Versuchs-Cockpit
der Me 262 V1
weise der elektrische Kraftstoffvorratsanzei- Die innere Skala von 500 bis 3000 U/min Die Bedienungsvorschrift zeigt beim Ab-
ger und bei Maschinen mit Verstellluft- nutzte man beim Start mit dem Riedel-Anlas- bremsen mit Vollschub die folgenden Werte an:
schrauben ein Stellungsanzeiger. ser, den der Flugzeugführer elektrisch oder • Gasdruck (Differenzdruck): mindestens
Auch bei den neuen Düsentriebwerken von Hand aktivieren konnte. Sobald dieser 0,55 ata, höchstens 0,65 ata; das Gerät zeigt
fungierte der Drehzahlmesser wieder als zen- zwischen 500 und 1000 U/min lief, zündete von 0 bis 1 an
trales Instrument – allerdings waren die An- das Triebwerk. Ab 2000 U/min setzte der Pi- • Einspritzdruck: mindestens 45 kg/cm²,
zeigebereiche wesentlich höher. Anstatt bis lot den Anlasser still und schaltete den Dreh- höchstens 60 kg/cm²
3600 U/min reichten die Zifferblätter jetzt bis zahlmesser auf Flugbetrieb um. • Schmierstoffdruck: mindestens 1 kg/cm²,
höchstens 4 kg/cm²
Das Cockpit ist rein funktionell Der Abgastemperaturanzeiger, ein elektri-
und sparsam ausgestattet. sches Gerät, zeigte Temperaturen von 300 bis
1000 Grad Celsius an. Sein Fühler war ein Wi-
15 000 U/min. Der Drehzahlmesser funktio- Weitere Triebwerkgeräte, die sich in den derstandsmesser, da sich bei steigender Tem-
nierte elektrisch, wobei ein von einer Welle Düsenflugzeugen fanden, waren der Gas- peratur der ohmsche Widerstand des Metalls
angetriebener Wechselstromgenerator als Ge- druck-, der Einspritz- und Schmierstoff- erhöhte. Beim Anzeigeinstrument selbst han-
ber am Triebwerk saß, während es sich beim druckanzeiger sowie der Gastemperatur- und delte es sich um ein Kreuzspulinstrument,
Anzeigegerät um ein in U/min geeichtes der Kraftstoffvorratsanzeiger. das in Celcius geeicht war. Beim Abbremsen
Voltmeter handelte. Die Druckmesser waren mechanische Ge- mit Vollschub sollten gemäß Bedienungsvor-
Bei der Me 262 und anderen damaligen räte, die den Druck über ein Bourdon-Rohr schrift mindestens 640 Grad Celsius vorhan-
deutschen Düsenflugzeugen war der Dreh- maßen. Dabei handelte es sich um ein gebo- den sein, auch bei einer Außentemperatur
zahlmesser umschaltbar für zwei Anzeigebe- genes Rohr, das aus einem federnden Metall von minus zehn Grad Celsius.
reiche, die der Pilot auf dem Zifferblatt auf bestand, in dem die zu messende Flüssigkeit Auch die Kraftstoffvorräte in den beiden
zwei Skalen ablesen konnte. Die äußere Skala floss. Mit steigendem Druck streckte sich das Behältern wurden elektrisch gemessen (via
von 2000 bis 15 000 U/min kam für den Roll- Rohr und der daran angeschlossene Zeiger Fernübertragung): Im Tank bewegte sich der
und Flugbetrieb zum Einsatz, sobald im gab schließlich auf dem Zifferblatt den jewei- Schwimmer beim Absinken des Flüssigkeits-
Triebwerk die Verbrennung eingesetzt hatte. ligen Druck an. spiegels in einem spiralgenuteten Rohr bis zu
58
Einspritzdruckmesser bis 63 kg/cm² (Fl 20516-1) Schmierstoffdruckmesser bis 10 kg/cm² (Fl 20504-10)
Der Abgastemperaturanzeiger bis 1000 Grad Celsius (Fl 20338) Die Me 262 hatte zwei Kraftstoffvorratsanzeiger bis 940 Liter (Fl 20723)
360 Grad um sich selbst. Diese Drehbewe- tetafel mit Führerkompass, elektrischem Dreh- und eventuell ein Variometer saßen vermut-
gung erzeugte in einem am Behälter befes- zahlmesser, Ladedruckmesser, Kraftstoff- lich auf der linken Seite.
tigten Ringwiderstand eine Widerstands- Schmierstoffdruckmesser und Borduhr. Wie Dieses Versuchslabor ist noch weit ent-
änderung. Und die als Kreuzspulmessgerät häufig bei Versuchsmustern üblich, wurden fernt von den späteren Standardcockpits der
ausgelegte Anzeige wiederum setzte die ent- zum Teil ältere Gerätemuster verwendet. Me 262 mit sauber auf den Instrumenten-
sprechenden Angaben in Literwerte um. An der rechten Rumpfwand befand sich brettern und den Seitenkonsolen angeord-
eine elektrische Anlage mit fünf Selbstschal- neten Instrumenten, Anzeigen, Schaltern
Sparsames Cockpit tern und einem Strom- und Spannungsmes- und Bedienelementen. Diese werden in den
Das Aussehen der Cockpits der Me-262-Ver- ser. Rechts davon saß ein Druckmesser für die folgenden Heftausgaben dieser Reihe be-
suchsmuster ist leider mangels Bildmaterial Sauerstoffanlage. Fahrtmesser, Höhenmesser schrieben. ■
nicht überliefert. Ledig-
lich von der Me 262 V1 Heute eine Drehzahlwerte der Me 262
mit dem Jumo 210 G sehr selte-
Die Bedienungsvorschrift für die Me 262 A-1 hebt folgende Drehzahlwerte hervor:
liegt eine Detailaufnah- ne Rarität:
me der rechten Kabi- eine origi- 3000 U/min: Nach Ausschalten von Zündung und Anlasskraftstoffpumpe
nenseite vor. Sie zeigt nale Be- 4500 U/min: Ab dieser Drehzahl liefert der Generator Strom
5000 U/min: Drehzahl im Sturzflug bei Leistungshebel in Leerlaufstellung
ein rein funktionell und dienungs-
8700 U/min: Mindestdrehzahl bei Abbremsen mit Vollschub
sparsam ausgestattetes vorschrift
8900 U/min: Höchstdrehzahl bei Abbremsen mit Vollschub
Cockpit mit unverklei- für die 2500 U/min: Abstellen der Triebwerke bei Gashebel in Stoppstellung
deten Rumpfwänden. Me 262!
Die sonst übliche An-
ordnung nach Instru-
mentengruppen wie Flug- Quellen
überwachung, Navigati- • Luftfahrt-Lehrbücherei, Band 16: Abriss der Instrumentenkunde.
on und Triebwerk findet Berlin 1940
sich hier nicht. Man er- • Messerschmitt A.G.: Me 262 A-1 Bedienungsvorschrift-FL.
kennt eine schmale Gerä- Augsburg 1944
flugzeugclassic.de 59
ME 262 A-1a
Reflexvisier
PR-16 Peilrahmen
Revi 16B
Beschusssichere Frontscheibe
(90-mm-Panzerglas)
Auffüllanschluss
hinterer Kraftstoffbehälter
(900-Liter-Tank)
Auffüllanschluss vorderer
Kraftstoffbehälter
(900-Liter-Tank)
Ballistische
Schusskamera
BSK-16
60
PR-16 FuG-16ZY
Antennenbefestigung
Auffüllanschluss
250-Liter-Schmierstoffbehälter
Landeklappen
Querruder
Tritte
Bewegliche Vorflügel
lllustration Asen Atanasow
flugzeugclassic.de 61
ME 262 Archiv
Farbig gestaltete Übersicht der einzelnen Baugruppen der Me 262, wie sie sich zu Anfang der Ersatzteilliste findet Fotos (15) Airbus Corporate Heritage
TRUPPENERSATZTEILLISTE
62
Führerraum, Steuerung in der Wanne (rechts) samt der Darstellung des
vollständigen Steuerknüppels mit Knüppelgriff (25) und Lagerung (1)
Führerraum, Steuerung in der Wanne (rechts) sowie das vollständige Verstellscheit für das
Seitenruder (1) mit Bodenplatte (2) und Pumpe (3), beides Zulieferteile von Electron in Cannstatt
flugzeugclassic.de 63
ME 262 Archiv
Rumpfmittelteil, Kraftstoffanlage. Neben Kraftstoffbehälter (1) und Gerüstträger (2) ist unter anderem der vollständige
Behälterkopf mit Füllanschluss (5) von Aerobau, Berlin, zu sehen
Rumpfhinterteil, Kraftstoffanlage. Neben Kraftstoffbehälter (1) und Gerüstträger (2) sind Lage wie Einbau des
Aerobau-Behälterkopfs mit Füllanschluss (5), Pumpe (19) und Rückschlagventil (22) ersichtlich
64
Rumpfspitze, starre Bewaffnung mit vier MK 108. Zusammen mit der vollständigen Gurtzuführung links oben (1) ist die
gleichfalls vollständige Leergutableitung rechts oben (15) dargestellt
Rumpfspitze, starre Bewaffnung mit vier MK 108. Zu sehen ist neben den elektropneumatischen Durchladeventilen
EPD 101 (1) unter anderem die Anordnung der DHAG 4 Druckminderer mit den Zwei-Liter-Pressluftflaschen (12)
flugzeugclassic.de 65
ME 262 Archiv
Leitwerkträger mit Schrägspant (1), der vollständigen Lagerung für das Höhenflossenverstellgerät (2) sowie dem
vollständig dargestellten Seitenruderlager (14) und dem Seitenruderhebel (24)
Untergruppen-Übersicht der elektrischen Steueranlage im Leitwerk. Unter anderem sind das Spindelgetriebe (1)
der Firma Geßner in Rädnitz sowie die Heckleuchte (3) nebst Leitungsgeräten und Leitungen (5) dargestellt
66
Tragflügel links mit Hauptholm (1). Ferner ist der vollständige linke Fahrwerkzylinderbeschlag (2) zusammen mit
dem gleichfalls vollständig dargestellten hinteren Triebwerkbeschlag (15) zu erkennen
Tragflügel links, unter anderem mit Nasenkasten Rippe 1 bis 7 (1) in Verbindung mit den zugehörigen vollständigen
Nasenrippen (2, 3, 8, 9, 14, 15). Außerdem abgebildet: der vollständige Triebwerkbeschlag vorne links (16)
flugzeugclassic.de 67
ME 262 Archiv
Lose Teile im Flügel links mit Überblick der Deckel, Düsenbleche und Handlochdeckel. Explizit sind hier aber die
vollständige Randkappe (1) sowie die zugehörige elektrische Anlage mit Glühlampe (22) dargestellt
Steuerung im Tragflügel links. Die vollständige Darstellung der Vorflügelgetriebe bei Rippe 2 (1) und Rippe 4 (8)
zeigt im Vergleich zu der des Vorflügelgetriebes bei Rippe 9 (15) unterschiedliche Feinheiten
68
Tragwerk Restabdeckung und Zusammenbauteile. Die
Baugruppenübersicht zeigt unter anderem die vollständige Restabdeckung
(1) mit Antrieb (9), Hebel (15) und Lagerung (25)
Triebwerkverkleidung am Flügel links mit vollständigem vorderem oberem Haubenteil (1), Wanne (9) und dem
Flügelübergang (15). Die Detailskizze zeigt den Haubenträger vorne links (4)
flugzeugclassic.de 69
ME 262 Bugfahrwerk
70
ßer Wurf
Erstmals mit einziehbarem Bugfahrwerk und Jumo-004B-Trieb-
werken: Mit der Me 262 V6 kommt der Düsenjäger seiner späte-
ren Serien-ausführung allmählich näher. Derweil entbrennt um
Produktion und Entwicklung des Strahljägers ein regelrechter
Zweikampf zwischen Generalluftzeugmeister Erhard Milch und
Willy Messerschmitt
flugzeugclassic.de 71
ME 262 Bugfahrwerk
Bei Belastungsversuchen mit der gleichen, noch nicht verstärkten Rumpfspitze, wie sie anfänglich auch die Me 262 V5 hat,
bilden sich deutliche Falten Foto Airbus Corporate Heritage
72
schiebt«, so sein x-fach zitiertes Resümee. Da-
nach heben Behrens und Beauvais mit den
Me 262 ab. »Während sich die Herren Offizie-
re ganz begeistert aussprachen, hatte Herr
Beauvais eine Reihe Beanstandungen (…): zu
hohe Querruderkräfte, geringe Richtungssta-
bilität, schlechtes Abkippverhalten beim
Schieben«, steht später im Erprobungsbericht.
Gewaltig überschätzt
Zurück zu Galland. Er bittet Erhard Milch
am 25. Mai 1943, Göring »Folgendes vortra-
gen zu dürfen: 1.) Das Flugzeug stellt einen
ganz großen Wurf dar, der uns im Einsatz ei-
nen unvorstellbaren Vorsprung sichert, falls
der Gegner noch länger beim Kolbentrieb-
werk bleibt. 2.) Fliegerisch macht die Zelle
einen guten Eindruck. 3.) Die Triebwerke
überzeugen restlos, außer bei Start und Lan-
dung. 4.) Das Flugzeug eröffnet völlig neue
taktische Möglichkeiten.« Ergo sei es am bes-
ten, die Me 209 einzustellen, die »ganze
Jägerserie auf Fw 190 mit BMW 801 und Fw »Als ob ein Engel schiebt« – so äußerte sich Generalmajor Adolf Galland kurz nach seinem ersten
190 mit DB 603 beziehungsweise Jumo 213 Flug mit einer Me 262 am 22. Mai 1943
umzustellen« sowie »frei werdende Kon-
struktions- und Fabrikationskapazität ab so- sonsten aber ganz im Sinne Milchs, der die serie von 100 Me 262 bis zum 31. Dezember
fort auf die Me 262 umzulagern«. Me 209 loswerden will. Kurz zuvor hat er des Jahres angeordnet. Und im Gegenzug
Zwar überschätzt Galland den Entwick- nämlich schon ohne Zustimmung Görings festgelegt, die Entwicklung der Me 209 ein-
lungsstand des »Turbo« gewaltig, handelt an- die bevorzugte Fertigstellung einer Anfangs- zustellen. Zudem wird Oberst Petersen zum
Ein wichtiger Schritt nach vorne: Me 262 V5 mit provisorischem Bugfahrwerk, durch
dessen Hilfe sich Start- und Landeeigenschaften deutlich verbessern
flugzeugclassic.de 73
ME 262 Bugfahrwerk
Bugrad und Bugradanordnung der Me 262 V5 sind von der Me 309 übernommen; sie verlangen allerdings viel Verbesserungsarbeit
»Kommissar für die Me 262« ernannt, um den do 262 leiten wird, die wenigen V-Muster er- fel, dass für den Serienanlauf der Me 262
Anlauf zu beschleunigen. Dass es gerade ein- neut nach. Nicht ohne Beanstandungen. »nicht nur keinerlei Zeit verloren werden dür-
mal drei V-Muster vom »Turbo« gibt, scheint »Herr Beauvais brach einen Flug vorzeitig ab, fe, sondern (..) mit äußerster Konzentration
ähnlich beiläufig wie die Frage nach verfüg- da er sich mit der Tankschaltung nicht aus- an die Herausbringung (…) herangegangen
baren Triebwerken. gekannt hatte und die Beschriftung schlecht werden müsse. Die entscheidende Frage sei,
lesbar ist.« Oder: »Über das Anlassen der ob zu Gunsten der Schnelleinführung der
Tauziehen um die Me 209 Triebwerke vor dem Start ist eine Betriebsan- Me 262 die Me 209 vollständig abgesetzt wer-
Am 28. und 29. Mai 1943 bestimmt man im weisung auszuarbeiten und möglichst im den könne«. Hier hält Willy Messerschmitt
Reichsluftfahrtministerium (RLM), angelehnt Flugzeug gut lesbar unterzubringen.« Als »le- wie erwartet »mit aller Entschiedenheit« da-
an frühere Besprechungen, den Bauzustand benswichtige Änderungen« gelten indes un- gegen. Er will keinesfalls völlig auf die kol-
der Flugzeuge. Geplant sind sie ausschließ-
lich als Jäger, bewaffnet zunächst mit drei MG
151/20. Den Antrieb liefern Jumo-004-B-1-
Der Messerschmitt AG bleiben zwei Wochen,
oder -B-2-Aggregate; Startraketen kommen um die Fertigungsplanung abzuliefern.
hinzu. Das Bugrad muss bremsbar sein; ein
voll austauschbares verstärktes Hauptfahr- ter anderem die Herabsetzung der Höhenru- benmotorgetriebene Me 209 verzichten.
werk mit größeren Rädern ist vorgesehen. der- und Querruderkräfte sowie die bessere Strahltriebwerke sind ihm zu unausgegoren,
Auf eine Druckkabine wird verzichtet, der Bedienbarkeit der Gashebel. Ferner heißt es: ihr Verhalten in großen Flughöhen ungewiss.
rumpffeste Druckteil jedoch beibehalten. Da »In Zusammenarbeit mit der Firma Junkers Da Jäger aber in Zukunft die Hauptwaffe sein
niemand genau weiß, wie sich die Me 262 bei ist das Verhalten der Triebwerke bei den werden, muss die Me 209 unbedingt als leis-
hohen Machzahlen verhält, muss der Her- verschiedenen Beschleunigungszuständen, tungsstarker Höhenjäger erhalten bleiben.
steller vorerst eine zulässige Geschwindigkeit Ziehen, Drücken, Bahnneigungsflug, Gas- Zum einen, glaubt er, kann die schwerere Fw
von 900 km/h in Bodennähe garantieren; ein wegnehmen, Gasgeben, Schiebewinkel, Lang- 190 hier nie völlig gleichziehen. Zum anderen
Warngerät für den Flugzeugführer (Mach- samflug zu klären.« ist bei der »Me 262 nicht mit der normalen
fühler) ist vorgesehen. Der Messerschmitt AG bleiben zwei Wo- Gipfelhöhe des Höhenjägers zu rechnen«. Die
Ergänzend dazu fliegen Beauvais, Beh- chen, um die Fertigungsplanung abzuliefern. Gesamtplanung könne nicht nur »auf eine
rens, Späte und erstmals Oberleutnant Thier- Bei der Aufsichtsratssitzung am 31. Mai 1943 Maschine ausgerichtet werden, deren Eigen-
felder, der später das Erprobungskomman- lässt die kaufmännische Leitung keinen Zwei- schaften noch gar nicht klar liegen«.
74
Messerschmitt Me 262 V6
Me 262 V6, ausgerüstet mit vier MK 108. Das
Versuchsflugzeug war komplett in RLM 76
lackiert Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 75
ME 262 Bugfahrwerk
»Völlig unbrauchbar«
Beim ersten Abheben zeigen sich indes noch
ganz andere Schwächen: »Das Bugrad der V5,
insbesondere die Verriegelung und Flatter-
bremse, waren nach einem Start in völlig un-
brauchbarem Zustand.« Eine »konstruktive
Überarbeitung und Angleichung an die Bau-
ausführung wie bei Me 309 ist dringend erfor-
derlich«, lautet das Urteil der Abteilung Flug-
erprobung. Im Anschluss werden etwa das
Bugradfederbein, das bisher senkrecht zur
Rumpfachse steht, um zehn Grad in Flugrich-
Oberstleutnant Edgar Petersen im Gespräch Adolf Hitler und Willy Messerschmitt im Augs- tung vorgestellt, die Lagerung des Fahrwerks
mit General Adolf Galland burger Werk, November 1937 in der Bugspitze verstärkt und es wird weiter
an der Flatterbremse gefeilt. Als Beauvais die
V5 am 18. Juni erstmals nachfliegt, hält er ihre
Einig ist man sich dagegen, dass die Ter- ohne Berücksichtigung des Weiterbaus der Start- und Landeeigenschaften dennoch für
minvorgaben nicht einzuhalten sind. Ent- Me 209 einzureichen.« »sehr schön«, hat aber »das Gefühl des
scheidende Engstellen sind Arbeitskräfte und Am 6. Juni 1943 erhält die kleine Familie Schwimmens auf zu weichen Reifen«.
der Vorrichtungsbau. Danach wird hin- und an Versuchsflugzeugen Zuwachs; mit der Mittlerweile hat die Zentralplanung der
her jongliert, wo und wie sich Me 262 und Me Me 262 V5 kommt die erste Bugradmaschine Messerschmitt AG das »Programm Me 262«
209 trotzdem parallel bauen lassen. »Die an- in die Luft. Genau genommen ist sie bloß ein ausgearbeitet. Und zwar ohne Rücksicht auf
schließende Aussprache ergibt, dass im Inte- Provisorium, denn ihr Bugfahrwerk ist fest die Me 209, deren Ende Göring in der Zwi-
resse der Erhaltung der Me 209 vermieden angelenkt und kann nicht eingezogen wer- schenzeit bestätigt hat. Dass genug Strahl-
werden muss, die Planung für die Me 262 den. Das Bugrad selbst stammt von der triebwerke bereitstehen müssen – bisher ist
76
Von Adolf Hitler herbeigesehnt: Einer der
späteren Schnellbomber Me 262 A-2a. Die
Maschine gehörte 1944 zur 5./KG(J)51
nicht einmal die Hälfte der 80 vom RLM be- (auch Betriebsmittel und indirekter Bedarf)«, Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus
stellten Jumo-004A-Turbinen ausgeliefert – ferner »Totalschutz der Belegschaft ein-
versteht sich von selbst. Ansonsten versucht schließlich ihrer Führungskräfte.« Und: »In-
die Firma, möglichst viel relevante Verant- kaufnahme sämtlicher Risiken, die in einem Aus seiner Warte hat sich der Messerschmitt-
wortung auf das RLM abzuwälzen. derart kurzen Anlauf liegen, durch das RLM.« Konzern damit offiziell in ausreichendem
Einleitend heißt es: »Am 25.5.1943 wurde Maße vorbereitet. Milch hingegen bleibt zu-
von H. Generalfeldmarschall Milch entschie- Hinterlistiges Spiel tiefst skeptisch. Er hält die vorgelegte Pla-
den, dass die Me 209 zugunsten der Me 262 Geplant ist, neben den Werken Regensburg nung wortwörtlich für Unsinn, stimmt ihr am
zurückgestellt wird und die Me 262 mit Son- und Augsburg die Fliegerhorste Gablingen 22. Juni aber notgedrungen zu.
dermaßnahmen zu bauen ist mit dem Ziel, 100 und Lechfeld umfangreich in die Fertigung Wie recht er mit seinem Argwohn hat, be-
Maschinen bis Ende 1943 zu bringen. Die (…) beziehungsweise Erprobung einzubeziehen. weist Willy Messerschmitt erneut höchstper-
Untersuchungen haben ergeben, dass dieses Detaillierte Aufstellungen zeigen unter ande- sönlich. Hitler hat ihn mit weiteren führenden
Ziel nicht zu erreichen ist, sondern dass 100 rem den Programmablauf sowie Material-, Konstrukteuren am 27. Juni 1943 zu sich bestellt
Maschinen unter Gewährung bestimmter Vo- Maschinen- und Personalbedarf. Letzterer – ohne dass Göring oder die restliche Luftwaf-
raussetzungen bis Mitte Mai 1944 gebracht bleibt das größte Problemfeld. Sollte das RLM fenführung Bescheid wissen. Der »Führer«, seit
werden können.« Jene bestimmten Vorausset- nämlich die zusätzlich verlangten Fach- und der Niederlage von Stalingrad zunehmend von
zungen lauten: »Einstufung der Me 262 über Arbeitskräfte nicht bis 15. Juli 1943 vollzäh- Misstrauen getrieben, hofft so auf ein unge-
alle bisher laufenden Programme hinaus lig zuweisen, ist für nichts zu garantieren. schminktes Urteil zum technischen Entwick-
flugzeugclassic.de 77
ME 262 Bugfahrwerk
78
»Oberbayerische Forschungsanstalt« zusam-
menzuziehen. Bloß ein erster Schritt, denn all- Technische Daten – Messerschmitt Me 262 Jäger (Juni 1943*)
gemein setzt sich der Gedanke bald fest, die Länge 10,60 m
ganze Luftrüstungsindustrie aufzulockern. Höhe 3,80 m
Spannweite 12,56 m
Der »Strahljäger mit Bomben« Tragflügelfläche 21,7 m²
Am 7. September 1943 setzt Willy Messer- Antrieb zwei Jumo-004B-2-Turbinen-Luftstrahl-Triebwerke mit je 900 kp Schubleistung
schmitt zum nächsten Winkelzug an. Aber- Gesamtmasse 5683 kg
mals hat Hitler ihn zu sich geladen. Nun, da Höchstgeschwindigk. 870 km/h in 6000 m
Messerschmitt die Me 209 im Trockenen Reichweite 710 km
wähnt, streicht er den gewaltigen Leistungs- Dienstgipfelhöhe 11 800 m
vorsprung der Me 262 heraus, der sie kaum Bewaffnung keine Angaben
Besatzung ein Mann
minder verzichtbar macht. Und schlägt dem
* Flugzeugtypenblatt vom 21. Juni 1943
»Führer«, den er offenbar richtig anzupacken
weiß, deren möglichen Einsatz als Schnell-
bomber gegen England vor. Gut anzuneh- gung kaum möglich; viele Werkstoffe, vor al- Heißteile gut bewährt, sorgen besonders die
men, dass Messerschmitt so versucht, sich lem für die warmfesten Bauteile, sind ent- Turbinenschaufeln für Kopfzerbrechen. Die
Entwicklung und Bau beider Flugzeugmuster sprechend umgestellt. Warmfestigkeit der hier verwendeten Heim-
uneingeschränkt zu sichern. Hitler jedenfalls Im selben Maße ist die Konstruktion des stoffe Tinidur oder später des nickelfreien Cro-
lässt der Gedanke an den »Strahljäger mit Triebwerks ständig anzupassen – nicht zuletzt, madur reicht nie ganz aus und macht intensi-
Bomben« fortan nicht wieder los. da es keineswegs in jedem Fall gleichermaßen ve zusätzliche Luftkühlung notwendig. Dafür
Mit der Me 262 V6 startet am 17. Oktober hitzebeständige Heimstoffe gibt. Während sich ist das Jumo 004B im Vergleich zum Vorläufer
der erste »Turbo« mit einziehbarem Bugfahr- Tiefziehblech für weniger stark beanspruchte gut 100 Kilogramm leichter. ■
werk sowie Jumo-004B-Aggregaten. Das
Triebwerk war im Mai zum ersten Mal auf Quellen (Auswahl)
dem Prüfstand gelaufen. Danach hat es noch • ObdL, General der Jagdflieger: Schreiben Galland an Milch vom 25.05.1943
viel Entwicklungsarbeit gebraucht, ehe die • Messerschmitt AG, Abt. Flugerprobung: Erprobungsbericht Nr. 24 vom 31.05.1943 bis
ersten flugklaren B-0-Exemplare in aller Eile 06.06.1943 sowie Nr. 35 vom 04.10.1943 bis 14.11.1943
nach Augsburg gekommen sind, wo man sie • Messerschmitt AG: Niederschrift über die Verwaltungssitzung des Mtt-Konzerns vom
sofort in die V6 eingebaut hat. Was sie von 31.05.1943
den 004A-Geräten wesentlich unterscheidet, • Messerschmitt AG, ZA-Zentralplanung: Programm Me 262 vom 15.06.1943
ist der deutlich geringere Anteil an raren
ANZEIGE
Sparstoffen, in erster Linie Nickel und Mo-
lybdän. Anders bleibt die Großserienferti-
Lesen
Sie noch
oder
Das Bugfahrwerk
der Me 262 V6 fährt
samm eln
?
mithilfe von Press-
luft aus. Letztere öff-
Sie schon
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
flugzeugclassic.de 79
ME 262 Alliierte Jets
80
m 30. Juni 1939 schreibt RAF-Offizier Bug und Strahlrohr im Heck. Die zugehörige
flugzeugclassic.de 81
ME 262 Alliierte Jets
Großbritanniens ers-
ter Jet E.28/39, hier
unmittelbar vor Be-
ginn seiner anfäng-
lichen Rollversuche
in Brockworth, ist wie
die He 178 ein reines
Experimentalflugzeug
Foto DEHLA
W.1-Aggregat. Zuletzt erhält W4041 Tarnbe- gesamt 17 störungsfreie Flüge hinter sich, strahligen Frontjäger F.9/40, der späteren Me-
malung. Da die weitere Werkerprobung wie ehe sie wieder ins Werk zurückkommt. Da- teor. Im Januar 1942 erhält W4041 Hochge-
gehabt im Geheimen laufen soll, wählt man nach baut man ihren Antrieb erneut aus. Jeg- schwindigkeitsflügel sowie das verbesserte
die Cranwell Air Force Base im ländlich ge- licher Zeitdruck scheint moderat, offenbar W.1A-Aggregat. Bei den folgenden Testflügen
prägten Lincolnshire dafür aus. hat man das tatsächliche Ausmaß der deut- gibt es aber beständig technische Probleme
schen Fortschritte noch immer nicht erkannt. mit oder im Umfeld des Triebwerks. Darum
Von der Pioneer zur Meteor Davon abgesehen laufen Triebwerkbau und zieht man das W.1A nach einigen Monaten
Der offizielle Erstflug der Pioneer geht dort -entwicklung zäher als erhofft. aus dem Verkehr. Der erste Flug mit dem ver-
am 15. Mai 1941 über die Bühne. Innerhalb Ungeachtet dessen arbeitet Gloster schon feinerten W.1A/3 endet jedoch nach Öldruck-
der nächsten zwei Wochen bringt W4041 ins- seit April des Vorjahres parallel am zwei- abfall mit einer Notlandung. Danach bald
82
Whittle und Power Jets Ltd.
Sir Frank Whittle (1.6.1907–9.8.1996) bringt Frank Whittle
als Erster ein Turbinen-Luftstrahltriebwerk zum neben dem
Laufen. Die Idee dafür reift ab 1929. Obwohl WU-Aggregat,
der junge RAF-Offizier damit auf Ablehnung im dem ersten
Luftfahrtministerium stößt, meldet er Anfang Turbinenluft-
1930 das Grundpatent an. Doch verfällt sein strahltriebwerk
Anspruch fünf Jahre später wieder. Erst Ende der Welt
1935 sind genug private Gelder zur Entwick- Fotos (3) SSPL
lung eines Versuchsgerätes in Sicht. Mit drei
Partnern gründet er die Firma Power Jets Ltd.;
Werkstätten steuert die British Thompson-
Houston Company (BTH) bei. Die RAF stellt
ihn zunächst sechs Stunden pro Woche für
die Arbeit bei Power Jets frei.
Das W.1-Triebwerk mit einer Schubleistung Liefert 771 Kilopond Schub: das wuchtige Rolls- Das W.2/700-Triebwerk mit etwa 800 Kilo-
von lediglich 390 Kilopond Royce-Welland-Aggregat Foto RR Heritage Trus pond Schubleistung
wieder instand gesetzt und mit kleinen Hilfs- W4046, die zweite Pioneer, hat lange auf ersten Jet nicht vor dem 11. Dezember 1944 of-
finnen am Höhenleitwerk versehen, überstellt ihr W.2B/110-Triebwerk warten müssen; erst fiziell zu Gesicht. Wenige Monate danach, am
man W4041 am 1. Dezember zum Royal Air- am 1. März 1943 feiert sie Erstflug. Einige Wo- 20. Februar 1945, fliegt er dann zum letzten
craft Establishment (RAE) in Farnborough. Bis chen später führt man sie Winston Churchill Male. Im Anschluss wird das Flugzeug still-
Februar 1943 finden hier 17 Flüge statt, dann vor, ehe das Flugzeug ab Anfang Mai zum gelegt, umlackiert und zuletzt am 27. April
rüstet Gloster die Maschine auf das stärkere RAE gehört. Dort wird es, nach 111 Flügen, 1946 dem Science Museum in South Kensing-
W.2/500/3-Aggregat um. Vom 23. Mai an am 30. Juli 1943 durch einen Unfall zerstört. ton übergeben. Dort hängt es noch heute.
läuft damit der Flugbetrieb gut einen Monat Nach dem Ende der W4046 dauert es bis Die Geburtsstunde der Gloster Meteor, die
lang, um weitere Werkpiloten mit dem Jet ver- 9. März 1944, bevor die verbliebene Pioneer als zweiter Düsenjäger nach der Me 262 zum
traut zu machen. erneut startet. Die Presse bekommt Englands Einsatz heranreift, schlägt am 10. April 1940.
flugzeugclassic.de 83
ME 262 Alliierte Jets
Der Tag, an dem sich George Carter mit dem Schon deshalb muss die Zelle genug Ent- ren Produktion Zeit und Geld zu sparen.
Leiter des technischen Amtes beim Ministry wicklungspotenzial haben, um später mehr Zum Beispiel sitzt der Tragflächenhauptholm
of Aircraft Production (MAP) zu einem ers- Gewicht und stärkere Antriebe zu verkraften. vor dem Triebwerk, während der Hilfsholm
ten Gespräch trifft. Beide kennen die Vortei- Anfang Mai 1940 liegen erste Leistungs- ringförmig um das Schubrohr verläuft. Eine
le des Düsenantriebs, beide wollen rasch die rechnungen vor; sie gehen von Höchstge- Anordnung, die einfach, wartungsfreundlich
passende Einsatzmaschine. Nämlich einen schwindigkeiten bis 756 km/h aus. Gloster und vor allem prädestiniert für den Einbau
Abfangjäger, der als beste Möglichkeit für wird daraufhin mit detaillierten Entwurfs- unterschiedlicher Schubaggregate ist. Der
ein militärisches Strahlflugzeug gilt. Nur arbeiten, dem Attrappenbau und Windka- künftige Jetfighter wird flexibles Einsatz- und
sein typisches Einsatzprofil mit eher gerin- nalversuchen beauftragt. Bald schon reift Experimentalflugzeug zugleich.
ger Reichweitenforderung lässt sich in naher ein konventionell ausgelegter Tiefdecker auf
Zukunft mit dem Spritdurst der Düsenag- den Reißbrettern heran: mit ungepfeilten Mehrere Triebwerke zur Auswahl
gregate vereinbaren. Flächen, in denen zwei Antriebsgondeln in- Am 14. November 1940 erlässt das AM die
tegriert sind, Dreibeinfahrwerk und hoch Ausschreibung F.9/40 für einen strahlgetrie-
Flexibles Strahlflugzeug angeordnetem Höhenleitwerk. Gewicht spa- benen Abfangjäger mit Druckkabine. Letzteres
Carter als Schöpfer der E.28/39 glaubt, dass ren hat absoluten Vorrang; geschickt ver- führt zu einer ausgedehnten Zusammenarbeit
der Interzeptor in absehbarer Zeit bloß mit bindet Carter Altbewährtes mit Fortschritt- mit Westland, wo man über einzigartiges
zwei Triebwerken machbar ist – denn ein Ag- lichem, ohne zu viel Neuland zu betreten. Know-how zum Thema Höhenkabine verfügt.
gregat mit mehr als 1000 Kilopond Schub ist Schließlich muss die Maschine schnell ein- Das MAP genehmigt am 11. Februar 1941
Zukunftsmusik. Weitere Anhaltspunkte sind satzbereit werden. zwölf Prototypen (DG202 bis DG213), die man
680 Kilogramm militärische Nutzlast und Auch das erklärt, warum sie, besonders letztlich aber auf acht reduziert. Platzprobleme
3,85 Tonnen Startgewicht. Den nötigen Vor- aerodynamisch betrachtet, weniger ausgefeilt und der unsichere Stand der Triebwerkent-
trieb soll das Whittle W.2 liefern. Es nimmt daherkommt als der große deutsche Gegen- wicklung lassen Carter kurz darauf die Be-
mittlerweile Gestalt an, wenngleich sein spieler Me 262. Gleichzeitig hält Carter den waffnung des Jägers von sechs auf vier Kano-
Schub noch nicht verlässlich abzuschätzen ist. Aufbau möglichst simpel, um bei der späte- nen verringern.
Erster US-Jet: Bell XP-59A Ab 1943 in Serie: GE I-16 mit 748 Kilopond Schub Fotos (2) USAF
84
Der erfolgreiche Erstflug der E.28/39 am
15. Mai 1941 beschleunigt die Dinge noch-
mals spürbar. Anfang August steht der Ver-
trag zum Bau von 300 Serienmaschinen mit
W.2-Triebwerken. Gloster kann jedoch alleine
die Massenproduktion im vorgesehenen Tem-
po nicht bewältigen und nimmt Boulton-Paul
(Flügel), Parnall Aircraft (Leitwerke) sowie
Pressed Steel (Rumpfheck) mit ins Boot. Mit
dem Erstflug der F.9/40 rechnet man bis Mai
1942 – zu optimistisch, denn das W.2 steckt
noch voller Tücken. Da indessen bereits zwei
weitere TL-Aggregate heranreifen, nämlich
das Halford H-1 von de Havilland sowie das
Metropolitan-Vickers-F.2 mit axialem Ver-
dichter, schlägt Carter vor, beide ebenfalls für
die F.9/40 einzuplanen.
Insgesamt geht der Bau der Prototypen
schleppend voran, was nicht zuletzt Schuld
der Antriebshersteller ist. Erst Mitte Juni 1942
liefert Rover die ersten W.2B zum Einrüsten
in den ersten Prototyp DG202. Ihre geringe
Schubleistung lässt jedoch keinen Flug zu. Es Nur ein Einzelstück: die zweistrahlige DG204 mit Metro-Vick-F.2-Aggregaten. Die Maschine stürzt
bleibt bei Rollversuchen, die ab 10. Juli unter nach nur drei Flugstunden ab
großer Geheimhaltung stattfinden. Noch wei-
tere acht Monate werden vergehen, ehe flug- länger und die Verkleidungen breiter werden lig in den Himmel. Freilich bloß dreieinhalb
taugliche Rover-Aggregate verfügbar sind. müssen. Metro-Vicks F.2 lässt sich dagegen Minuten, da die Gierstabilität nicht ausreicht.
Dagegen kommt das H-1 zügig voran. Da nur unter die Fläche hängen, erspart aber de- Trotzdem: Die Meteor, Englands erster Jet-
obendrein die vorhergesagten Leistungen ren Umkonstruktion. Als Versuchsträger fun- fighter, ist endlich mit Erfolg geflogen –
besser sind, hat dessen Fertigstellung bald giert DG204. knapp siebeneinhalb Monate nach den ersten
ebenso Priorität wie der Einbau in einen Pro- strahlgestützten Starts der Me 262. ■
totyp des seit Längerem Meteor getauften Jä- Knapper deutscher Vorsprung
gers. Zugehöriges Flugzeug wird DG206. Die Ab 26. Januar 1943 können die ersten Boden- DG202 ist der erste Prototyp der
passende Baubeschreibung vom November tests mit den H-1-Aggregaten in der DG206 Gloster Meteor. Das »/G« in der
1942 spricht von bis zu 805 km/h Höchstge- anlaufen; gut zwei Wochen später schafft man Kennung besagt, dass die Maschine
schwindigkeit. Das H-1 besitzt etwas mehr sie zum anstehenden Erstflug nach Cranwell. stets bewacht werden muss
Durchmesser, weshalb der Flügelhauptholm Dort erhebt sie sich am 5. März 1943 erstma- Fotos (2) Air Ministry
flugzeugclassic.de 85
ME 262 Waffeneinbau
Jäger, Jabo,
Blitzbomber?
Hitler und seine Illusion vom unangreifbaren »Blitzbomber«
werden seit Jahrzehnten hartnäckig bemüht, wenn es um
die Ursachen für die vielen Verzögerungen bei Bau und
Indienststellung der Me 262 geht. Doch was stimmt wirklich?
Von Wolfgang Mühlbauer
86
Bei der Vorführung der Me 262 V6
in Lechfeld: Göring (links),
Willy Messerschmitt (Mitte) und
Werkpilot Gerd Lindner (rechts)
Foto Airbus Corporate Heritage
flugzeugclassic.de 87
ME 262 Waffeneinbau
Fotorarität: Me 323 Gigant mit untergehängtem Me-262-Rumpf unter der rechten Tragfläche Foto Airbus Corporate Heritage
lugplatz Lechfeld, 2. November 1943 aber felsenfest, diese erfolgreich abzuschmettern. er den Besuch bei den Regensburger Messer-
Diese Originalzeichnung vom 11. September 1943 zeigt, wie sich Messerschmitt seinen Me-262-
Schnellbomber I mit 1000 Kilogramm Abwurflast vorstellte Foto Airbus Corporate Heritage
88
Messerschmitt Me 262 V7
Me 262 V7 im April 1944 nach dem Umbau
auf die neue Kanzelhaube, die so auch in Serie
geht Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus
flugzeugclassic.de 89
ME 262 Waffeneinbau
gesetzt ist. Hermann Göring will darum wis- Danach geht es neben vielen weiteren Fra- an Milch vorbei versucht, mit »Durchreißer«
sen: »Wie lange rechnen Sie für die Konstruk- gen um die allgemeine wie spezielle Ferti- Karl Saur den Leiter des Technischen Amtes
tion der Schlösser, wenn es jetzt wirklich auf gungsorganisation.Entscheidender Punkt: die in Speers Ministerium zu gewinnen, damit
Biegen und Brechen gehen muss?« Daraufhin schleppende Zuweisung der dringend nöti- die Me 262 rücksichtslos bevorzugt wird. Der
Messerschmitt: »Das ist verhältnismäßig gen Facharbeitskräfte für die Me 262. Soweit aber hatte die kalte Schulter gezeigt. Und Wil-
schnell gemacht, in 14 Tagen. (…) Es handelt es das Reichsluftfahrtministerium (RLM) be- ly Messerschmitts ganz persönliche Rolle im
sich lediglich um die Verkleidung des Bom- trifft, übt Milch deshalb unter anderem seit Spiel um die Me 262 bringt Milch mehr als
benschlosses.« Monaten den Schulterschluss mit Rüstungs- einmal in »intimerer« Runde drastisch auf
den Punkt: »Und dann läuft er damit zum
Reichsmarschall oder Führer und lügt so lan-
Wichtig ist, dass sich die Industrie der ge, bis er wieder sauber erscheint.«
Jabo-Frage schnell und gründlich annimmt.
Vorführung vor dem Reichsmarschall
Die Frage nach dem Produktionsanlauf minister Speer, um sich angesichts der pre- Göring jedenfalls verspricht an jenem 2. No-
des »Turbo« beantwortet Messerschmitt so, kären Arbeitskräftelage gegenüber dem Heer vember 1943 Besserung. Im Anschluss geht es
wie im »Programm Me 262« festgelegt: 100 und vor allem dessen A4-Fernraketenpro- weiter Richtung Lechfeld, wo man ihm die
Maschinen bis Mai 1944. Dass bis dato keine gramm, das radikalen Vorrang genießt, frei zu Me 262 V6 ausführlich demonstriert. Wie ge-
einzige davon in Serienausführung fertig ist, strampeln. Bislang ohne merkliches Ergebnis. sagt: Sie ist der erste »Turbo« mit serienähn-
rückt an jenem Tag in den Hintergrund. Für Der Messerschmitt-Konzern streckt wie- licher Ausprägung. Freilich noch voll mit
Göring ist nur wichtig, dass die Sache läuft derum längst erfolgreich die Fühler nach KZ- technischen Unzulänglichkeiten, von denen
und sich die Industrie der Jabo-Frage schnell Häftlingen, Fremdarbeitern und Kriegsgefan- nur einige exemplarisch genannt seien. Unter
und gründlich annimmt. genen aus. Obendrein hat man im Vorstand anderem heißt es: »Bereits beim zweiten Flu-
90
ge mit der V6 wurden die oberen Beinver- Die Aufhängung der
kleidungen des Hauptfahrwerkes infolge zu Rheinmetall-Borsig- Technische Daten – Me-262-Schnellbomber*
geringer Stabilität der Gleitführungen und zu Startraketen, die Länge 10,60 m
geringer Überdeckung der Führungsrollen man erstmals an der Höhe 2,80 m
abgerissen« – ein Problem, das noch etwas Me 262 V5 verwen- Spannweite 12,56 m
länger für Kopfzerbrechen sorgt. »Des Wei- det, erfordert anfangs Tragflügelfläche 21,7 m²
teren wurde bereits nach dem fünften Fluge etwas Nachjustierung Antrieb 2 Jumo-004C-Turbinen-Luftstrahltriebwerke
eine Ausbeulung des hinteren Strebenkanal- Foto Airbus Corporate Heritage mit je 1000 kp Schubleistung
bleches im rechten Tragwerk und Einleitung Max. Fluggewicht 8330 kg
einer Faltenbildung der unteren Beplankung Höchstgeschw. 932 km/h in 9000 m
sowie arbeitende Nieten am Holm und zwi- Reichweite 835 km
schen den Endrippen 1 und 2 festgestellt.« Dienstgipfelhöhe 12 100 m
Bewaffnung keine Abwehrwaffen
bis zu 1000 kg Abwurflast
Startraketen kaum verwendet
Besatzung ein Mann
Wahrscheinlich durchaus normale Kinder-
* Projektbaubeschreibung, Blatt Nr. 5 vom 29. Juli 1943
krankheiten in diesem Prototypenstadium,
doch »die Zellenbeanstandungen von der V6
sind mit besonderer Dringlichkeit zu behan- Abseits dessen geht es beim allerersten blieb nichts übrig, als den Knüppel bis zum
deln, da die V6 bereits weitgehend dem Seri- Abheben der Me 262 V6 dank der Rheinme- Anschlag nach vorne zu drücken, um das
enzustand entspricht und die bisherige Be- tall-Borsig-Starthilferaketen spannend zu. Flugzeug am Boden zu halten und den
merkung, die Serie sei ganz anders, nicht Zwar sind sie zuvor an der V5 getestet wor- Brennschluss beider Feststofftreibsätze ab-
mehr zutrifft.« Was nicht bloß für die Zelle den, doch jetzt, »beim 1. Start, rissen beide zuwar- ten, ehe er die V5 kurz vor Ende der
gilt, wie Folgendes zeigt: »Aus Fertigungs- Schubraketen aus der Schellenhalterung aus. Startbahn unbeschadet in die Luft bringen
gründen wurde für die Serie eine andere Vor- Eine Rakete stieg dabei in die Luft, während konnte. Das Problem war indessen schnell
flügelkinematik verwendet als bei den Ma- die andere auf dem Boden aufschlug und lie- beseitigt, nachdem man die Raketen passend
schinen V1 bis V5.« Allerdings »war diese gen blieb«, so der Flugbericht. Schäden am ausgerichtet hatte. Spätere Messungen
neue Kreisbogen-Koppelbahn in keiner Wei- Flugzeug gibt es keine, die Landung in Lech- zeigen, dass sich mit ihrer Hilfe die Start-
se brauchbar. Der Öffnungsbeginn lag viel zu feld geht glatt. strecke von durchschnittlich 850 auf 510
spät (…), das Öffnen erfolgte ziemlich schlag- Auch die Me 262 V5 hatte zu kämpfen, als Meter verkürzt. Trotzdem finden die 500-
artig.« Zum Glück kommt man recht zügig sie am 16. Juli 1943 erstmalig mit Unterstüt- Kilopond-Starthilferaketen später kaum
aus dem Schneider, denn »schmale Kreisbo- zung der Borsig-Raketen gestartet war. Verwendung.
gen und Koppelbahnen mit Nadellagern« Kaum hatte Ingenieurpilot Karl Baur sie Unabhängig davon zeigen die Junkers-
bringen bald die erhofften Verbesserungen. gezündet, riss es das Bugrad hoch. Ihm 004-B-(Vor-)Serienaggregate bedenkliche Ei-
flugzeugclassic.de 91
ME 262 Waffeneinbau
genheiten. So steht zusammenfassend in ei- betragen. Dies war bei den A-Triebwerken schine in diesem Fall die Tendenz hat, im
nem der Flugberichte: »Die B-1-Triebwerke nicht notwendig.« Langsamflug über die Fläche zu gehen.«
sind mit Riedel-Anlassern versehen. Das An- Das sind nur ein paar der Unzulänglich-
laufen der Triebwerke wird auf Grund der Triebwerk weiter störanfällig keiten, welche die B-Aggregate plagen. Nach-
schneller erreichten Soll-Drehzahl, die für Es kommt noch ärger: »Nach Rücksprache vollziehbar, dass Anselm Franz, maßgeblich
das Anlassen (…) erforderlich ist, wesentlich mit der Fa. Junkers ist bei den B-1-Triebwer- für die Entwicklung des Jumo 004 verant-
verkürzt, während das Beschleunigen erheb- ken die Möglichkeit des schnelleren Be- wortlich, für dessen Betriebsreife vorerst nicht
lich langsamer vor sich geht als bei den A- schleunigens kaum gegeben. Dieser Zustand geradestehen kann, als Göring und Gefolge
Triebwerken, was sich besonders beim Star- der Triebwerke kann sich auf Truppenflug- die Dessauer Junkers-Werke am 4. November
ten und Anschweben auswirkt.« Und weiter: zeugführer unangenehm auswirken, da bei 1943 besuchen. Sowohl wegen technischer
»Es ist erforderlich, vor dem Starten so lan- Nichtbeachten der Drehzahl evtl. Differenz- Ursachen, etwa vermehrter Schwingungs-
ge auf die Bremsen zu treten, bis die Dreh- beträge zwischen rechts und links von über brüche der Turbinenschaufeln, wie aufgrund
zahlen auf beiden Seiten etwa 8000 U/min 1000 Touren auftreten können und die Ma- der anfälligen Regelung, Stichwort Gasgeben
und Gaswegnehmen. Der akute Mangel an
Arbeitskräften kommt der angedachten Seri-
enfertigung ebenso wenig entgegen.
Milch hält sich im Anschluss lieber weiter-
hin die Hintertür in der ständig stärker auf
Jagdflugzeuge fixierten Luftrüstungsplanung
offen – und bezieht die Me 262 lediglich zu-
sätzlich mit ein, statt, wie von manch ande-
rer Seite gefordert, bevorzugt auf dieses Pferd
zu setzen. Für Milch hängt das vermutlich
weniger mit der Frage nach Jäger, Jabo oder
»Bomber« als schlicht mit technischen Män-
geln sowie dem notwendigen Menschenbe-
darf« zusammen. KZ-Häftlinge und Zwangs-
arbeiter rücken endgültig auch in seinen
persönlichen Fokus; wenige Wochen später
wird er jedoch ebenso damit scheitern, Saur
auf seine Seite zu ziehen.
92
Obwohl Hilfsraketen die Startstrecke merklich verkürzen, werden sie kaum verwendet Foto DEHLA
befehle, dass dieses Flugzeug als Bomber ge- für den Einsatz als Jagdbomber gelenkt. Es ist bei dem des klassischen Jagdflugzeuges folgt.
baut wird.« Einen Eindruck davon, wie und unabdingbar, dass die Luftwaffe eine Anzahl Allenfalls könnte vielleicht die Erprobung als
was er sich hier ausmalen mag, spiegelt ein von Strahl-Jagdbombern im Frühjahr fertig Jagdbomber früher als mit der V10 beginnen.
Fernschreiben wider, das sein persönlicher zur Frontübergabe hat.« Dreh- und Angelpunkte für die Verzögerun-
Luftwaffenadjudant Nikolaus von Below Technisch betrachtet haftet jener Forderung gen bei Bau, Ausbringung und allgemeiner In-
knapp zwei Wochen später Göring übermit- so, wie sie wörtlich in besagtem Fernschreiben dienststellung des »Turbo« sind mangelnde
teln lässt: »Der Führer hat unsere Aufmerk- steht, nichts wirklich Ungewöhnliches an, Zuverlässigkeit der Technik – und hier beson-
samkeit erneut auf die gewaltige Bedeutung noch stört sie ernsthaft den Entwicklungsab- ders des Antriebs – sowie die allgegenwärtige
der Produktion strahlgetriebener Flugzeuge lauf der Me 262, egal, wie geradlinig man da- Frage nach dem vollen Anlauf der Großserie.
Sie beflügelt die zivile
und militärische Luftfahrt-
geschichte? In dieser Welt
sind Sie Zuhause?
Dann suchen wir Sie
als Autor!
Weitere Informationen auf
www.suttonverlag.de/autorensuche
Beides aber hat, wenn überhaupt, sehr wenig Die Me 262 V7 macht knapp zwei Monate
mit der Frage nach Jäger, Jabo oder Blitzbom- nach dem Erstflug am 21. Februar 1944
ber zu tun. Die spätere Überführung der Bruch: Danach baut man sie um. Unter
Me 262 in den Einsatz beziehungsweise des- anderem erhält sie eine Serien-Kabinenhaube,
sen taktische Gestalt schon eher … wie auf dem Foto zu sehen
Fotos (3) DEHLA
Erster Höhentest
Am 20. Dezember 1943 kommt endlich die 3 MG 151/20 eingebaut, um grundsätzlich
Me 262 V7 in die Luft. Wie ihre unmittelbare das Verhalten der Maschine und der Rumpf-
Vorgängerin wird sie von frühen Exemplaren anschlüsse beim Schießen im Stand und im
des Jumo 004 B-1 angetrieben. Ferner trägt die Fluge kennenzulernen. Außerdem war es not-
Maschine Waffen im Bug und besitzt zusätz- wendig, zu Vorführungen eine Maschine mit
lich einen druckdicht versiegelten Führer- Bewaffnung zur Verfügung zu haben.« Weiter
raum – Vorreiter für beides ist übrigens die heißt es: »Die Trefferbilder der Waffen einzeln
V1. Mit mehreren Nachbesserungen sowie Ju- und zusammen waren gut. (…) Nach Ergeb-
mo-004-A-Triebwerken versehen, steht diese nis des Beschusses kann der Einbau als
seit Mitte Juli wieder im Versuchsbetrieb. Ih- brauchbar angesehen werden.«
re Kabine ist behelfsmäßig druckdicht, damit
sich die Jumo-Aggregate in großen Höhen Waffeneinbau funktioniert
erproben lassen. Denn der Stratosphären- Für die künftige Serie hat sich mittlerweile ei-
Druckanzug, den die Erprobungsstelle (E’Stel- ne Waffenkanzel mit vier 30-Millimeter-Ka-
le) Rechlin dafür vorschlägt, ist viel zu klo- nonen MK 108 als vorläufiger Standard he-
big und unflexibel. Dessen ungeachtet bleibt rauskristallisiert. Versuche mit der V7, noch
es trotzdem bei nur einem solchen Höhen- vor ihrem Erstflug, zeigen indes, dass hier-
testflug mit der V1, der eher unbefriedigen- für Waffenspant wie Kanzelverkleidung
de Resultate liefert. verstärkt werden müssen. Als eigentliches
Anders hingegen der Waffeneinbau, ob- Musterflugzeug der Waffenerprobung bezie-
schon er nicht dem entspricht, was einst in hungsweise für deren Gesamteinbau fungiert
den Projektübergaben angedacht war. Statt ei- die Me 262 V8. Wobei die Maschine nicht zu-
ner nach unten wegklappbaren Waffenkanzel letzt wegen der zahlreich notwendigen Fein-
hat man nämlich Folgendes ausprobiert: »In arbeit, die damit einhergeht, erst am 18. März
die Me 262 V1 wurden als einmaliger Einbau 1944 zum Erstflug gelangt. ■
94
Die Me 262 V6 hinterlässt nach ihrer Vorführung einen tiefen
Quellen (Auswahl) Eindruck bei Hitler. Sein Fazit: »In diesem Flugzeug, das Sie mir
• Messerschmitt AG/Abt. Flugerprobung: Erprobungsberichte Me 262 als Jäger präsentieren, erblicke ich den Blitzbomber.«
Nr. 35 vom 04.10.–14.11.1943 und Nr. 36 vom 15.11.–12.12.1943
• Messerschmitt AG/Abt. Flugerprobung: Flugbericht Nr. 984/54 vom
18.10.1943
• Niederschrift über die Besprechung beim Reichsmarschall am Diens- Mit ihr erprobt Messerschmitt hauptsächlich die
tag, den 2. November 1943, in den Messerschmitt-Werken Regens- Waffenkanzel mit vier MK 108: Me 262 V8, hier bei Rollver-
burg, S. 2ff suchen im Schnee einige Wochen vor ihrem Erstflug
flugzeugclassic.de 95
ME 262 Versuchsmuster
96
Me 262 V6. Das Flugzeug verfügt über
ein voll einziehbares Fahrwerk
flugzeugclassic.de 97
ME 262 Epilog
Schwachbrüstige
Triebwerke, kaum
belastbare Turbi-
nenschaufeln und
viele weitere Pro-
bleme – nur wenig
deutete anfangs
darauf hin, dass die
Me 262 einst zu
einem begehrten
Oldtimer werden
würde …
98
Die faszinierende Geschichte
der Luftfahrt in Deutschland
�
Die Autoren dokumentieren die wechsel-
volle Geschichte der legendären Interflug
GmbH mit ca. 200 seltenen Bildern und
spannenden Zeitzeugenberichten. Sie por-
trätieren das bedeutende Luftfahrtunter- Ihre Leidenschaft ist die
nehmen der DDR und dessen Betriebsteile, Luftfahrt und Sie sind Kenner
»Ihres« regionalen Flugbetriebs?
die sie aus eigener Anschauung kennen.
Dann suchen wir Sie als Autor!
Aufnahmen von Solidaritätsflügen nach
Kabul faszinieren ebenso wie Agrarflieger Weitere Informationen auf
www.suttonverlag.de/autorensuche
im Einsatz und nie gezeigte Ansichten aus
der turbulenten Nachwendezeit bis 2007.
SEIT FAST
100 JAHREN
werden beim Traditionsunternehmen
Laco, mit Sitz im badischen Pforzheim,
Zeitmesser mit herausragender Qualität
und höchster Präzision „Made in
Germany“ gefertigt.
WESTERLAND Die aktuelle Kollektion vereint Tradition
und Zeitgeist. Von klassischen und
neu interpretierten Fliegeruhren über
puristische Designs im Bauhaus-Stil,
sportliche und elegante Chronographen
DORTMUND bis hin zu Uhren für Abenteurer und
ERBSTÜCK Sportfans.
WWW.LACO.DE