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MENSCH & MASCHINE

Meisterstück: Wie ein Jet wirkt der Tandem-


sitzer von Claude Chudzik. Die Maschine ist für
eine Speed bis 350 Knoten berechnet

SELBSTBAU-PUSHER RAFALE

Der Einzelkämpfer
Alle Piloten träumen von einem bestimmten Flugzeug, das sie gern einmal
selbst steuern oder gar besitzen würden. Für viele bleibt es bei der Träumerei –
der Franzose Claude Chudzik dagegen hat seinen Traum wahr gemacht

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1 | Schub genug: Der Lyco-


ming bringt die Rafale auf
maximal 210 Knoten. Mit
Jet-Antrieb wären aber auch
650 km/h machbar

2 | Eingefädelt: Sitzt man erst


einmal drin, ist die Ergono-
mie im Cockpit ausgezeichnet

3 | Aufgeräumt: Im hinteren
Teil der Kabine verlaufen
die Seilzüge fürs Seitenru-
der, erkennbar ist auch der
Umlenkhebel fürs Höhenru-
1 3 dergestänge

ser Maschine mit ihrer erhabenen Ästhetik, war der französische Triebwerkshersteller
TEXT & FOTOS Jean-Marie Urlacher
ihrer erstaunlichen Performance und ihren Snecma, wo er mit der Endabnahme und
herausragenden Flugeigenschaften. Dass Qualitätskontrolle beschäftigt war. Seit

E
legant wie eine feingeschliffene dieser Mix so ausgezeichnet gelungen ist, 2008 ist er beim Motorenhersteller SMA
Klinge und schnell wie der Wind: spricht in jedem Fall für den Franzosen Spezialist für Dieselmotoren.
Die Rafale (Französisch für Wind- und seine Fertigkeiten als Konstrukteur. Und wann hat so einer noch die Muße,
bö) von Claude Chudzik teilt Doch wer glaubt, Claude Chudzik wäre mit ein Flugzeug zu entwerfen? Kaum zu glau-
nicht nur ihren Namen mit dem Vollendung seines Projekts ebenfalls kom- ben, aber in der knappen Freizeit natürlich.
französischen Kampfflugzeug von Dassault plett abgehoben, den verblüfft der findige Geschätzt tausende von Stunden widmete
Aviation, sie hat durchaus eine gewisse Autodidakt mit seiner Bescheidenheit und Claude seinem Projekt Rafale, seine Aben-
Ähnlichkeit mit dem zweistrahligen Jet. Höflichkeit. Sein Wissen hat er sich aus Bü- de und manchmal seine Nächte, und dabei
Canard-Konfiguration, ein aggressives chern und durch Experimente angeeignet, nutzte er einfachste Mittel wie Zeichen-
Aussehen und die geschwungene Silhou- von Haus aus ist er gelernter Automecha- block, Bleistift und Radiergummi – keine
ette sind dabei nicht einmal die einzigen niker. In seiner weiteren Laufbahn mach- Computerprogramme, keine spezielle De-
Gemeinsamkeiten. Beide Flugzeuge haben te er Station beim Autohersteller Citroën; sign-Software. Das sagt einiges aus über
Grüße vom Roten Baron: fast dasselbe Entstehungsjahr. Während dort war er Testfahrer für Prototypen und den Menschen. Eines seiner Bonmots, das
Aus dieser Perspektive der Militärjet am 4. Juli 1986 seinen Erstflug beschäftigte sich mit Kreiskolbenmotoren. ihn vielleicht am besten charakterisiert,
geht die Rafale glatt als
hatte, brachte Claude seine ersten Skizzen Claude unterrichtete eine Zeit lang Au- lautet: »Wenn man will, kann man – und
Dreidecker durch. Tat-
sächlich unterstützt nur
knapp sechs Monate später zu Papier. 15 Jah- tomobiltechnik an einer Fachoberschule wenn man kann, muss man auch.«
der Canard den Flügel re brauchte er für Entwurf und Konstrukti- und baute zwischendurch eine Fabrik für Dass er einen eisernen Arbeitswillen
mit Auftrieb on, weitere vier Jahre für den Feinschliff die- Verpackungstechnik auf. Nächste Station hat und ein Multitalent ist, würde er im Ge-

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1 | Verwirrend: Die Rafale ist ein sehr


komplexes Design

2 | Ente mit Flaps: elektrisch betätigte


Landeklappen an den Canards

3 | Ausgefeilter Mix: Der Hauptflügel »Ich bin kein Überflieger oder Alleswisser,
ich hab einfach nur viele Bücher gelesen«
beginnt als Delta mit großer Profiltiefe,
Cuffs vor dem letzten Drittel lassen die
Strömung außen länger anliegen
Claude Chudzik
Pilot und Erbauer der CC02 Rafale
4 | Amateurbau? Ja, aber was für einer!
Die Rafale ist bislang ein Einzelstück 3 4

spräch stets weit von sich weisen. Rühmt Hinsicht ein wahres Juwel. Allein schon die das nicht einmal im Regen an Tragfähigkeit seflug bei 2450 Umdrehungen pro Minu- Top-Speed von 650 km/h, Belastungen von und Landung sowie bei Lastwechseln sehr
man seine exzellenten Resultate beim Ar- Aerodynamik: Hier gibt es keinen einzigen verliert. Das Finish der Oberflächen ist ma- te, bei einem Verbrauch von 40 Litern pro +9/–9 g und getestet auf eine Bruchlast von komfortabel ist. Am Boden mag die Rafa-
beiten mit Faserverbundwerkstoffen, so Quadratzentimeter, der nicht bis ins kleins- kellos – besser hätten es auch Profis nicht Stunde. Der Lycoming IO-360 mit Einsprit- 16 g. Die spitze Nase enthält das Pitotrohr, le auf ihren staksigen hohen Beinen noch
wird er lapidar antworten, dass er halt mal te Detail ausgetüftelt worden ist. Von vorn machen können. zung leistet 200 PS; er läuft mit etwas hö- die seitlichen Lufteingänge sind nicht nur wie ein unbeholfener Storch wirken – in der
mit seinem Bruder ein Kajak gebaut oder und aus einer etwas tieferen Position be- herer Drehzahl als ein Exemplar von der Deko, sondern sorgen für eine effiziente Luft verwandelt sie sich in eine Art Raubvo-

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ein paar Segelflieger gebastelt hätte. In al- trachtet erkennt man am besten, dass die u Beginn des Projekts hatte Clau- Stange und bringt die Rafale damit auf eine Kühlung des Motors. gel. Auch mit dem 200 PS starken Lycoming
lem, was er anpackt, wird Claude schnell Rafale im Grunde so etwas wie ein Dreide- de die Möglichkeit genutzt, ein Höchstgeschwindigkeit von 210 Knoten: ei- sind ab 150 Knoten atemberaubende Manö-

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zum Meister, alles scheint ihm leicht zu fal- cker ist: Den Anfang bildet der Entenflügel, Modell im Maßstab 1:13 in einem ne Rakete! ie Auslegung als Pusher ist nur ver möglich.
len. Er aber wiegelt ab und relativiert: »Na dahinter folgt der Hauptflügel mit leicht Windkanal zu testen. So fand er Tatsächlich ist die Jet-Optik nicht ein- konsequent: Ein Zugpropeller Hat dieses Flugzeug denn gar keine
ja, ich lese einfach nur viele Bücher.« negativer V-Stellung und Deltaform an der die ideale Position des Canards in Relation fach nur Show – Claude hat die Rafale würde die kühnen Linien zunich- Schattenseiten, fragt man sich. Doch: Der
Ein Composite-Zweisitzer in Canard- Wurzel, bevor er auf den letzten zwei Drit- zum Hauptflügel sowie die perfekte Positi- schon so konstruiert, dass später auch mal te machen. Der Ausblick nach Motor ist nicht gerade servicefreundlich
Konfiguration als Pusher und mit Einzieh- teln in eher konventioneller Weise ausläuft, on für den Motor. Das Ergebnis der aerody- eine Turbine eingebaut werden könnte. Die vorn ist außergewöhnlich gut, die um zwölf untergebracht. Über Wartungsklappen
fahrwerk – ja, man könnte das Flugzeug und schließlich die große gepfeilte Flosse namischen Feinarbeit lässt sich nun beim Rafale erfüllt nicht nur die strengen Kri- Grad abfallende Oberseite der Nase ermög- kann man zwar den Ölstand prüfen, und
auch schlicht als ambitionierten Ama- des T-Leitwerks. Alle drei Flächen haben fertigen Flugzeug direkt an den Leistungen terien der Bauvorschrift FAR 23, sie ist au- licht eine großartige Sicht. Die Propeller- man kommt an die Zündkerzen, die Ein-
teurbau bezeichnen, doch es ist in vielerlei ein laminares Profil vom Typ NACA 65512, messen: 175 Knoten im ökonomischen Rei- ßerdem berechnet und ausgelegt für eine effekte sind gering, was vor allem bei Start spritzung und die Magnete für die Zün-

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MENSCH & MASCHINE Traumflieger: Interessenten können mit
Claude Chudzik gern Kontakt aufneh-
men und mehr über den Bau erfahren

TECHNISCHE DATEN
Chudzik CC02 Rafale
Spannweite* 1,90 m/5,50 m/2,68 m
Flügelfläche* 0,511 m2/5 m2/1,05 m2
Länge 6m
Höhe k. A.
Leermasse 560 kg
MTOM 824 kg
Tankinhalt 2 x 75 l
Reichweite 3 h 15 min
(+ 30 Minuten Reserve)
Motor/Leistung Lycoming IO-360/200 PS
Propeller MT, 3-Blatt,
Constant Speed
Vmin k. A.
VReise 175 kts (bei 2450 rpm)
Vmax. horizontal 210 kts
Vref 110 kts
bestes Steigen 1200 –1500 ft/min
Hersteller Claude Chudzik
Telefon 0341/44 23 05-0
E-Mail claude.chudzik@gmail.com
Internet www.cco2.aircraft.free.fr

*(Canard/Hauptflügel/Leitwerk)

dung. Um weitere Arbeiten am Triebwerk Düse am Reißbrett entworfen. Doch um so ziehen – man kann aber auch gleich eine ter für die beiden 75-Liter-Flügeltanks, die hebt die Maschine ab, mit einer Steigrate wobei der Entenflügel die Sicht nach vorn
durchführen zu können, muss man den ein Triebwerk auch zu bauen, braucht man Leiter nehmen (die dann aber jemand weg- nicht miteinander verbunden sind, sitzt an von 1200 bis 1500 Fuß pro Minute geht’s nicht sonderlich beeinträchtigt. Seine Steu-
Lycoming aber ausbauen. Dazu braucht es schon viel Geld«, erklärt Claude mit einem nehmen muss, wenn man Platz genommen der rechten Bordwand – die Bedienung der aufwärts. Neun Sekunden braucht die Me- erflächen, die das Pitch mitkontrollieren,
eine Hebebühne. Beim Einbau ist vor allem kleinen Anflug von Bedauern. hat). Immerhin: Im Gegensatz zur VariEze Rafale kommt ohne besondere Gimmicks chanik des Einziehfahrwerks, um die Räder fahren elektrisch und simultan mit den
die Antriebswelle heikel: Die kleinste Unge- oder LongEze hat die Rafale keinerlei Prob- aus. Die Sicht rundum ist perfekt, tatsäch- in den Rumpf zu holen. Bei 75 Prozent Leis- Landeklappen des Hauptflügels, allerdings

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nauigkeit kann zu einer Unwucht und zum it einem solchen »Gebläse« wä- leme mit der statischen Balance, ihre Nase lich wie in einem Jagdflugzeug. tung, im ökonomischen Reiseflug, fliegt mit nur etwa halb so viel Ausschlag. Das
Bruch und weiteren Schäden führen. Clau- re die Rafale dann wohl wirklich kann beim Abstellen am Boden horizontal »Eine gewisse Erfahrung muss sein, um die Rafale tatsächlich 175 Knoten, was einer ermöglicht einen vergleichsweise flachen
de hat das Risiko versucht zu minimieren, das ultimative Spielzeug für bleiben, das Bugrad bleibt draußen. die Maschine zu meistern«, gibt Claude zu, Flugdauer von drei Stunden und 45 Minu- Anflugwinkel.
in dem er die Länge der Antriebswelle vom große Jungs, sie könnte nach Das Cockpit mutet spartanisch an – Car- nicht ohne zu versichern, dass sie mit etwas ten entspricht, hinzu kommt eine Reserve Fast 20 Jahre hat Claude Chudzik ge-
Triebwerk zum Prop mit 0,452 Meter recht dem Start vermutlich gleich vertikal in die bon und Leder? Fehlanzeige. Beim Einstei- Training aber rasch gezähmt sei. Bisher darf von 30 Minuten. Theoretisch kann man so braucht, um seinen Traum zu verwirkli-
kurz gehalten hat. Höhe steigen und auch sonst Manöver zei- gen stellt man sich auf den Sitz, hält sich am nur der Erbauer selbst die Maschine steu- 540 Nautische Meilen weit fliegen. Zur Lan- chen. Im Vergleich zu ähnlichen Mustern
Früher oder später möchte man wis- gen, die für ein Kleinflugzeug üblicherwei- Rumpf fest und steckt dann die Beine unter ern, denn formell ist sie immer noch in der dung fliegt man mit 110 Knoten an, man wie LongEze oder VariEze scheint die Rafale
sen: Warum nicht doch eine Turbine oder se jenseits aller Möglichkeiten sind. Muster den beiden Aussparungen des Armaturen- Flugerprobung, die aber bald abgeschlossen braucht eine Pistenlänge von mindestens neue Maßstäbe zu setzen, doch es gibt da-
ein »richtiges« Jet-Triebwerk einbauen? Na- wie BD-5, die LongEze der Rocket Racing bretts durch. Sitzt man erst einmal, spürt sein soll. Den Jungfernflug hatte das Einzel- 900 Metern und mit festem Untergrund. bei eine letzte Herausforderung, die nicht
türlich hat auch Claude daran gedacht und League oder die Sub-Sonex wären sicher- man die gute Abstützung der Hüften und stück bereits am 28. Juni 2007, seitdem war Auch bei Seitenwind bleibt die Maschine of- zu unterschätzen ist: die erfolgreiche kom-
die Rafale entsprechend konstruiert. Alles lich erfreut, einen neuen Spielgefährten zu des Rückens. Selbst für etwas stärker gebau- die Rafale 100 Stunden in der Luft. Zugelas- fenbar gut kontrollierbar: Bei unserem Fo- merzielle Vermarktung als Kit. Interessen-
ist bereits darauf ausgelegt, eines Tages ein haben. te Piloten ist die Schulterbreite mit 67 Zen- sen ist sie für eine maximale Abflugmasse, toflug gab es Böen von bis zu 25 Knoten, die ten können Claude per E-Mail kontaktieren
Jet-Triebwerk oder eine Turbine einbauen Von rund 1200 Flugstunden hat Claude timetern ausreichend. die zwei Personen à 80 Kilo und volle Tanks Claude aber problemlos aussteuern konnte. – oder einen Ausflug nach Nangis machen,
zu können, etwa die GE-T58 von General die Hälfte mit Segelfliegen verbracht – da- Der zentrale Stick liegt gut in der Hand, erlaubt, das sind 824 Kilogramm. Alternativ 70 Kilometer östlich von Paris.

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Electrics: »Wenn man das Getriebe weglässt ran erinnert der rote Wollfaden vorn auf die Steuerwege sind kurz. Die linke Hand kann der zweite Sitz ausgebaut werden. Der as Fahrwerk wirkt ausgefahren ex- Genießen Sie das Essen im Restaurant
und eine ausreichend große Düse verbaut, der großen Plexi-Haube, der die Strömung ruht auf der Innenseite des Rumpfs und entstehende Platz lässt sich dann zum Bei- trem langbeinig und staksig, doch »Le Pelican« am örtlichen Flugplatz, und
erhält man einen Schub von ungefähr 700 anzeigt. Die einteilige Kanzel klappt zur kommt mühelos an den kleinen Gashebel spiel mit einem zusätzlichen Tank oder für die große Bodenfreiheit hält den mit etwas Glück entdecken Sie vielleicht ein
Kilogramm. Darüber habe ich mit einigen rechten Seite weg und gibt den Weg frei ins heran. Das Bugrad ist mit den Pedalen fürs Gepäck nutzen. Prop beim Aufsetzen auf siche- merkwürdig aussehendes kleines Flugzeug.
Experten wie Jean-Marie Klinka einmal Cockpit. Man braucht etwas Beweglichkeit Seitenruder gekoppelt und über Kabelzüge Die Startstrecke mit erster Klappenstu- ren Abstand zur Piste. Beim Landen hält Dessen Besitzer dürfte dann nicht weit weg
ernsthaft nachgedacht, und einer meiner und Übung, um sich über das zunächst auf steuerbar, Quer- und Höhenruder werden fe (sieben Grad) beträgt 500 Meter (vor- Claude wie bei einem Kampfjet die Nase sein – der Hangar der Rafale steht in unmit-
Kollegen bei Snecma hat sogar eine solche der Flügelnase aufgesetzte Knie hochzu- über Stangen betätigt. Der Tankwahlschal- zugsweise Hartbelag), bei rund 90 Knoten der Maschine bis ganz zum Schluss oben, telbarer Nähe der Tankstelle.

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