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Isabella Farkasch
GOLDEGG
VERLAG
Die
Weisheit der
13
Symbolik und
Mystik der Zahlen
GOLDEGG
VERLAG GOLDEGG
V ERLAG GOLDEGG
AG
Wie alles aus dem Ruder geriet
und dennoch zur Mitte führte
aus, feierte auch bis zum Umfallen. Dann wiederum war sie
die Pflichtbewusstheit in Person, erledigte akribisch einen
Auftrag nach dem anderen. Begegnete sie aber einem Kind,
so ließ sie sich gern ablenken und spielte hingebungsvoll mit
diesem, ihre kindliche Natur wollte das so. Inzwischen hatte
sie schon wieder vergessen, warum sie so gezürnt hatte: »Ich
weiß es nicht mehr so genau, ich denke, ich war noch nachträglich
wütend über die Erdigen, die sich erdreistet hatten,
meine Schwester zu entführen – wie gesagt, allzu sehr mögen
wir einander nicht, aber sie gehört zur Familie – und so lange
gefangen zu halten. Sie ist ja keine Aufbegehrerin wie ich, sie
leidet still vor sich hin und wird beständig schwächer. Und
dass es zuvor niemandem aus unseren Reihen gelungen war,
sie zu befreien, hat mich zusätzlich verärgert, darüber stritt
ich dann auch noch mit der Nummer dreizehn, die ist auch
so eine strenge und kritische, ein Wort ergab das andere und
schon hatten wir den ärgsten Streit. Die Wolken ballten sich
zusammen, sie färbte sie schwarz, na und den Rest hast du
ja erlebt. Aber so ist das mit denen, die schnell in Wallung
geraten, wenn der Zorn mal entladen ist, kann auch gleich
wieder die Sonne scheinen.« Das gefiel dem Reitersmann,
auch er war gelegentlich zornig, doch nur im Kampf war
das erwünscht, im Alltag aber sollte man immer zurückhaltend
und besonnen sein. Den letzten Satz der Weisen Frau
wollte er sich daher gut merken. Regeln waren also nützlich,
aber sie zu hinterfragen und es auch mal anders zu erproben
konnte ebenfalls sinnvoll sein.
Blieb also das fünfte Rätsel – diesmal war es wenigstens
wirklich eines und nicht bloß eine als Rätsel getarnte
Aufgabe.
Er erbat sich ein wenig Nachdenkzeit, dazu stieg er vom
Pferd und setzte sich an eine ruhige Stelle am Ufer und blickte
den Wellen und Stromschnellen nach, die beständig weiterzogen,
eine der anderen folgend. Es schien ihm, als zögen
sie durch seine Gedanken und nähmen so manchen trüb
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sinnigen mit sich fort. Immer freier und klarer wurde seine
Wahrnehmung, und immer mehr nahm er sich mit all seinen
Körperteilen wahr, wobei das Gefühl des Reinwerdens
sich in jede Zelle einnistete. Er fühlte diese Ausdehnung und
dass die ganze Welt hineinpasste. Und dann wusste er die
Antwort, kehrte zurück zur Weisen Frau und sprach: »Dein
Rätsel ist einfach, wenn das Sein in seiner Gesamtheit sich
ausgebreitet und das innerste Wesen erfasst hat. Es ist das
Herz, das mit seinem Fühlen sich ausdehnen kann um den
ganzen Erdball. Doch ist es klein genug, dass eine Hand es
umfassen kann.« – »Wohlgesprochen«, war der kurze, aber
zufriedene Kommentar der Fünften. Du hast die Quintessenz
erfasst und damit die Weisheit der Fünf verstanden. Ziehe
weiter, um die übrigen Flüsse zu überschreiten, ich erwarte
dich in unserer Heimstatt, wenn du alle Rätsel zu lösen imstande
warst.«
Da spürte er dieses wunderbare Organ, das so klein und
doch so mächtig war, heftig schlagen, eine weitere Prüfung
war gelungen, eine neue Erfahrung gemacht, ein wenig mehr
Erkenntnis gewonnen. Und er fühlte sich ein weiteres Stück
mehr Ich und gleichzeitig Teil von allem.
Sein Pferd wartete bereits auf ihn – kaum saß er wieder
im Sattel, stieg es auf, wieherte voll Tatendrang und sprang
mit einem einzigen großen Satz über das mittlerweile wieder
ganz sanft dahinfließende Gewässer hinweg.