Sie sind auf Seite 1von 27

Universität Wien

Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte

Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke, LL.M.


Univ.-Prof. Dr. Constanze Fischer-Czermak
Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel

Römische habitatio und modernes


Wohnungseigentum im Typenkatalog
dinglicher Rechte
von
Johannes Schmiedecker
Matrikelnummer 01304141

DiplomandInnenseminar SS 2017:
„Römisches Privatrecht und ABGB“
Römisches Recht und Zivilrechtsdogmatik in der österreichischen Pandektistik
Römische habitatio und modernes Wohnungseigentum im
Typenkatalog dinglicher Rechte

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .......................................................................................................................... 3

2. Römisches Recht .............................................................................................................. 4

2.1 Allgemeines zum Servitutenbegriff ............................................................................... 4

2.2. Einteilung im klassischen Recht .................................................................................. 6

2.2.1. D. 7, 8, 10 pr. (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum) ................................. 6

2.2.2. D. 7, 1, 32 (Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum) .................................. 7

2.2.3. D. 7, 8, 10 (2) (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum) ................................. 9

2.3. Einteilung im nachklassischen Recht .........................................................................10

2.3.1. C. 3, 33, 13 pr. .....................................................................................................11

2.3.2. Inst. 2, 5 De usu et habitatione ............................................................................14

3. Geltendes Recht...............................................................................................................15

3.1. Gesetzliche Regelungen ............................................................................................15

3.2. Abgrenzungen ...........................................................................................................18

3.2.2. Erlöschen des Wohnrechts ..................................................................................19

3.3. Spezialfragen – Miteigentum/WEG ............................................................................20

3.3.1. Wohnrechtseinräumung zwischen Miteigentümern ..............................................21

4. Conclusio .........................................................................................................................23

5. Literaturverzeichnis ..........................................................................................................25

6. Rechtsprechungsverzeichnis ............................................................................................26

7. Römische Quellen ............................................................................................................27

2
1. Einleitung

Das Ziel der folgenden Seminararbeit ist eine vergleichende Darstellung zu der habitatio im
klassischen und nachklassischen Römischen Recht sowie im geltenden Recht.
Innerhalb des Römischen Rechts muss zwischen Klassik und Nachklassik differenziert
werden, da sich die Rechtsnatur der habitatio im Laufe der Zeit stark geändert hat. In der
klassischen Zeit sahen die römischen Juristen die habitatio als bloßen Unterfall des usus an.1
Demgegenüber wurde in der Nachklassik die Meinung vertreten, dass die habitatio ein
eigenständiges Rechtsinstitut sei, und somit getrennt von usus und ususfructus zu behandeln
sei.2 Mithilfe der Quellen D. 7, 8, 10 pr. (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum), D. 7,
1, 32 (Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum), C. 3, 33, 13 pr und Inst 2, 5 (De usu et
habitatione) möchte ich die Rechtsnatur der habitatio besprechen und mögliche Unterschiede
im Laufe der Zeit herausarbeiten. Zum besseren Verständnis wird jedoch zuvor eine kurze
Darstellung der persönlichen Dienstbarkeiten ususfructus und usus gegeben.

Auch im geltenden Recht findet sich die habitatio bzw das Wohnrecht wieder.3 Hinsichtlich der
Rechtsnatur wurde aber nicht die Regelung aus dem Römischen Recht übernommen. Der
Gesetzgeber des ABGB schlug einen eigenen Weg ein und durch den § 521 ABGB wurde das
Wohnrecht neu ausgestaltet. Die Dienstbarkeit der Wohnung wird entweder als
Gebrauchsrecht oder als Fruchtziehungsrecht qualifiziert. Hierbei wird auf den Zweck der
Vereinbarung abgestellt.4 Somit wird den Parteien ein großer Spielraum bei der jeweiligen
Ausgestaltung gewährt.
Des Weiteren wird auch die Rechtsnatur des Wohnungseigentums behandelt, da es
Ähnlichkeiten mit der habitatio aufweist.

Der Fokus der folgenden Seminararbeit liegt auf dem Wohnrecht in seinen verschiedenen
„Entwicklungsstadien“, das Wohnungseigentum wird ansatzweise behandelt, da eine
vertiefende Darstellung über den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würde.
Im folgenden Text wurde versucht, eine möglichst geschlechtsneutrale Sprache zu
verwenden. Wo dies nicht möglich war, wurden, aus Gründen der besseren Lesbarkeit und
Verständlichkeit, maskuline Formen verwendet.

1 Vgl Bund, Begriff und Einteilung der Servituten im römischen Recht, ZSS 73 (1956), 166 mwN.
2 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 216.
3 Siehe §§ 478, 521 ABGB.
4 Memmer, in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 1 ff.

3
2. Römisches Recht

2.1 Allgemeines zum Servitutenbegriff


Bevor in dieser Seminararbeit die habitatio, also das Gebrauchsrecht an einem Haus,
behandelt wird, soll zunächst ein grober Überblick über die Servituten und ihre Entwicklung im
Allgemeinen gegeben werden. Da die habitatio im Vergleich mit anderen Rechtsinstituten
einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich hatte, hilft es, zunächst die Überbegriffe
servitus, ususfructus und usus zu kennen, um danach ein besseres Verständnis für die
habitatio zu haben.

Zuerst möchte ich auf die Frage eingehen, welche Dienstbarkeiten bzw Unterscheidungen von
Dienstbarkeiten die römischen Juristen gekannt haben. Im klassischen Recht wurden die
Dienstbarkeiten unter dem Oberbegriff servitus zusammengefasst. 5 Das Wort servitus hat
jedoch eine doppelte Bedeutung. Es bezeichnet nämlich nicht nur die Dienstbarkeit, sondern
es steht auch für die Sklaverei. 6In der folgenden Arbeit ist mit servitus aber Dienstbarkeit
gemeint.
Servitutes waren zunächst ausschließlich die servitutes praediorum, also die
7
Grunddienstbarkeiten. Die von dem spätklassischen Juristen Marcian überlieferte
Unterscheidung nach servitutes rerum und servitutes personarum dehnt den Servitutenbegriff
jedoch auf alle Nutzungsrechte aus.8
Während sich schon in republikanischer Zeit zahlreiche Autoren mit den Grunddienstbarkeiten
befasst haben, finden sich hinsichtlich der persönlichen Dienstbarkeiten nur wenige
Materialien.9 Die vergleichsweise spärliche Quellenliteratur lässt sich damit begründen, dass
es nicht wie bei den Grunddienstbarkeiten mehrere verschiedene Typen gab, sondern man
sich im Wesentlichen nur auf den ususfructus konzentrierte.10
Andere persönliche Dienstbarkeiten wie der usus, die habitatio und die operae servorum
spielten nur eine geringe Rolle, somit kam es in der klassischen Zeit nicht zu einer technischen
Bezeichnung der Personalservituten.11 Diese Periode war durch eine klare Trennung zwischen
der Rechtsfigur servitus und der dieser Rechtsfigur zugrundeliegenden faktischen Nutzung,

5 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 158.


6 Möller, Die Servituten. Entwicklungsgeschichte, Funktion und Struktur der grundstücksvermittelten
Privatrechtsverhältnisse im römischen Recht (2010), 21.
7 Möller, Die Servituten (2010), 34.
8
D. 8, 1, 1.
9 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 163.
10 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 163.
11 Bund, ZSS 73 (1956), 169.

4
usus, gekennzeichnet.12
Was aber hat den ususfructus, den usus und die habitatio voneinander abgegrenzt? Der
Unterschied zwischen usus und ususfructus lag darin, dass ersterer zwar zum Gebrauch der
Sache berechtigte, nicht jedoch zur Fruchtziehung.13 Somit war der Anwendungsbereich des
usus deutlich enger als der des ususfructus.14 Auch im geltenden Recht erfolgt die Abgrenzung
der beiden Rechtsinstitute mit der gerade genannten Unterscheidung.15
Der Usuar durfte die Sache, an der der usus bestand, nur zum persönlichen Gebrauch
verwenden. Nicht erlaubt war die Veräußerung der Sache oder die entgeltliche oder
unentgeltliche Gebrauchsüberlassung an Dritte. 16 Hinsichtlich dieser strikten Vorstellung
wurden aber auch teilweise Ausnahmen zugelassen. Da der usus typischerweise eingeräumt
wurde, um die Versorgung Hinterbliebener zu gewährleisten, ergaben sich Fälle, in denen es
nicht sinnvoll war, eine Fruchtziehung völlig auszuschließen.17 Die römischen Juristen passten
sich zumeist an die Anforderungen des Einzelfalls an, woraus sich eine reichhaltige Kasuistik
entwickelte.18 Dies möchte ich auch an den folgenden Quellenbesprechungen darstellen.

Nach Gaius wurde der usus auf die gleiche Art wie der ususfructus begründet.19 Dies geschah
unter Lebenden durch eine in iure cessio. 20 Ob das auch für die habitatio gegolten hat,
bestätigen die Quellen zwar nicht eindeutig, lässt sich aber vermuten.21 Wie sich in weiterer
Folge zeigen wird, wurde die habitatio aber fast ausschließlich durch eine letztwillige
Verfügung eingeräumt.
Mit Ableben des Berechtigten aber auch durch Sachuntergang erlosch die Servitut.22 Anders
als der ususfructus endete die habitatio jedoch nicht durch non usus oder capitis deminutio
(Änderung des Familienstandes).23
Die habitatio, worunter man das Gebrauchsrecht an einem Haus verstand, wurde zunächst als
bloßer Unterfall des usus verstanden. Den usus sah man wiederum als Subkategorie des
ususfructus an. 24 Dies belegen auch die Quellen zum ususfructus, dessen Bestimmungen
größtenteils auf die anderen persönlichen Dienstbarkeiten angewandt wurden.25

12 Möller, Die Servituten (2010), 314.


13 Siehe Honsell, Römisches Recht (2015)75).
14 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 164.
15 § 478 ABGB; RS0011588.
16 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 165.
17 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 164.
18 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 164; D. 7, 8, 12.
19 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 167.
20 D. 7, 8, 1, 1; Bund, ZSS 73 (1956), 167.
21 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 167.
22 Siehe Kreller, Römisches Recht (1950) 223.
23 Knütel, Zwei Klauseln aus dem Nießbrauchsrecht, ZSS 119 (2002), 357.
24 Kaser, Das Römische Privatrecht – Das Altrömische, das Vorklassische und Klassische Recht (1971)

454.
25 Bund, ZSS 73 (1956), 165.

5
2.2. Einteilung im klassischen Recht
Unter den klassischen Juristen war die Ansicht, die habitatio als Unterfall des usus und nicht
als eigenes Rechtsinstitut zu definieren, vorherrschend, aber möglicherweise nicht
unumstritten.26 Aus den wenigen vorhanden Quellen lässt sich schließen, dass die Bedeutung
der habitatio in der Praxis eine geringe war.27 Wenn sich Juristen mit diesem Thema befassten,
dann oft nur stiefmütterlich. Im Folgenden möchte ich nun näher auf die vorhandenen
Textstellen eingehen.

2.2.1. D. 7, 8, 10 pr. (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum)


Ulp. D. 7, 8, 10 pr. (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum)
Si habitatio legetur, an perinde sit atque si usus, quaeritur. Et effectu quidem idem paene esse
legatum usus et habitationis et Papinianus consensit libro octavo decimo quaestionum.
Denique donare non poterit, sed eas personas recipient, quas usuarius: ad heredem tamen
nec ipsa transit nec non utendo amittitur nec capitis deminutione.

Ulpian im 17. Buch zu Sabinus


Wenn ein Wohnrecht vermacht ist, stellt sich die Frage, ob es sich damit ebenso verhält wie
mit dem Gebrauchsrecht. Und Papinian stimmt im 18. Buch der Rechtsfragen der Ansicht zu,
dass immerhin im Ergebnis das Vermächtnis des Gebrauchsrechts und des Wohnrechts fast
dasselbe seien. Zum Beispiel kann der Berechtigte [das Wohnrecht] nicht verschenken,
sondern er kann nur jene Personen aufnehmen, die auch ein Gebrauchsberechtigter
aufnehmen kann. Auch das Wohnrecht geht nicht auf den Erben über; jedoch erlischt es weder
durch Nichtgebrauch noch durch Statusänderung.28

Nach Ulpian, der hier der Meinung des Papinian folgt, stellt sich die habitatio als Unterfall des
usus dar. Dies lässt sich deshalb folgern, da Ulpian das Wohnrecht dem Gebrauchsrecht
gegenüberstellt und fragt, ob es hinsichtlich dieser beider Rechtsinstitute Ähnlichkeiten gibt.
Er erläutert, dass sich die habitatio in den usus eingliedern lässt, da „immerhin im Ergebnis
das Vermächtnis des Gebrauchsrechts und des Wohnrechts fast dasselbe seien“. Durch das
Einfügen des Wortes „fast“ wird aber auch deutlich, dass Ulpian die beiden Termini nicht auf
eine Ebene gestellt hat.

26Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 166; Watson, The Law of Property in the later Roman Republic (1968) 220.
27Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 166.
28 Übersetzung angelehnt an Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis – Text und

Übersetzung II (1995).
6
Dem Berechtigten wurde also gestattet, in dem Haus, auf das sich das Wohnrecht bezog, zu
leben. Ob dies nur für eine bestimmte Zeit erlaubt war, oder bis ans Lebensende des
Berechtigten, also unbegrenzt, lässt sich aus dieser Quelle nicht herauslesen. Auffallend ist,
dass in der Quellenstelle von Ulpian die habitatio nicht unter Lebenden eingeräumt wird,
sondern dies durch Vermächtnis geschieht, was in der Praxis der häufigste Fall der habitatio
gewesen sein dürfte.
Im vorletzten Satz der Quelle wird die Unveräußerlichkeit der habitatio deutlich. Dem
Berechtigten ist es nicht erlaubt, die Sache zu verschenken. Von einer entgeltlichen
Veräußerung wird nicht gesprochen, aber durch einen Größenschluss lässt sich leicht
erkennen, dass dies ebenso nicht erlaubt sein konnte. Wenn schon die unentgeltliche
Veräußerung nicht gestattet war, dann erst recht nicht eine entgeltliche Veräußerung, bei der
der Berechtigte sogar noch bessergestellt werden würde.
Auch die Unvererblichkeit der habitatio wird im letzten Satz dieser Textstelle besprochen. Wie
schon oben erwähnt, wendete man die Regelungen zum ususfructus in der Regel ebenso auf
die habitatio an. Zwei Ausnahmen dazu finden wir im letzten Satz dieser Quelle. Ulpian
schreibt, dass die habitatio weder durch Nichtgebrauch (non usus) noch durch Statusänderung
(capitis deminutio) erlischt. Hier wurde vermutlich ein besonderes Schutzbedürfnis des
Berechtigten erkannt. Man sollte nicht bloß durch längere Abwesenheit oder Änderung des
Familienstandes (beispielsweise durch Heirat) sein Recht verlieren, in dem Haus zu wohnen.

2.2.2. D. 7, 1, 32 (Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum)


Eine weitere Quelle gibt uns Aufschluss zu den Motiven, also warum eine habitatio
zugestanden wurde. Pomponius schreibt auch, für welche Zeitspanne dieses Rechtsinstitut
eingeräumt werden konnte.

D. 7, 1, 32 (Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum)


Si quis unas aedes, quas solas habet, vel fundum tradit, excipere potest id, quod personae,
non praedii est, veluti usum et usum fructum. sed et si excipiat, ut pascere sibi vel inhabitare
liceat, valet exceptio, cum ex multis seltibus passione fructus perciperetur. et habitationis
exceptione, sive temporali sive usque ad mortem eius qui except, usus videtur exceptus.

Pomponius im 33. Buch zu Sabinus


Wenn jemand das einzige ihm gehörende Wohnhaus oder ein Landgut übereignet, kann er
sich das vorbehalten, was einer Person zustehen kann, wie zum Beispiel ein Gebrauchsrecht
oder ein Nießbrauch, nicht aber, was zum Grundstück [als Vorteil] gehört. Aber auch wenn er
sich vorbehält, auf dem Grundstück weiden zu lassen oder zu wohnen, ist dieser Vorbehalt
gültig, da von vielen Weidegebieten durch das Weidenlassen Nutzungen gezogen werden.

7
Und der Vorbehalt eines Wohnrechts, sei es auf Zeit, sei es bis zum Tode des Berechtigten,
ist als Vorbehalt nur eines Gebrauchsrechts anzusehen.29

Pomponius schreibt als einziger von einem Einräumen des Wohnrechts unter Lebenden. Der
hier behandelte Sachverhalt lässt sich auch aufs geltende Recht übertragen: Person A
veräußert ihr Wohnhaus, sei es aus finanziellen Gründen, sei es, um im Falle des Erbfalls eine
Regelung hinsichtlich der Verlassenschaft getroffen zu haben. Da Person A aber keine andere
Wohnmöglichkeit hat, wird bei der Veräußerung an Person B ein Wohnrecht vereinbart, dies
wird auch im Preis des Grundstückes berücksichtigt.
Es geschieht heutzutage noch oft, vor allem im ländlichen Bereich im Rahmen der Übergabe
einer Landwirtschaft, dass Eltern ihren Kindern das Grundstück veräußern und sich am darauf
befindlichen Haus ein Wohnrecht auf Lebenszeit einräumen lassen.30 Insofern erscheint es
möglich, dass diese Möglichkeit der problemlosen Übergabe der Landwirtschaft, von einer
Generation an die nächste, schon von den Römern genutzt wurde und dies ein
Anwendungsfall der habitatio war.

Auffallend ist, dass in der Quellenstelle davon gesprochen wird, dass man sich zwar bei der
Übereignung etwas vorbehalten kann, was einer Person zustehen soll, nicht jedoch etwas,
was zum Grundstück gehört. Hier lässt sich nur spekulieren, warum Pomponius diese Aussage
trifft. Es könnte gemeint sein, dass alles, was stärker an eine Person gebunden ist, auch
Gegenstand eines Vorbehalts sein soll. Andererseits sollen jene Dinge, mit denen auf dem
Grundstück wirtschaftliche Vorteile gezogen werden können, dem wirklichen Eigentümer
gehören und somit bei der Übereignung ohne Vorbehalt übergehen. Doch gleich der nächste
Satz der Quellenstelle widerlegt diese These, da es laut Pomponius auch gestattet sein soll,
einen Vorbehalt an Weidegebieten zu vereinbaren.

Im letzten Satz der Digestenstelle spricht Pomponius davon, dass die habitatio sowohl auf
bloß eine bestimmte Zeit, als auch auf Lebenszeit eingeräumt werden konnte. Buckland
schreibt, dass die habitatio zunächst wohl nur auf bestimmte Zeit, dann aber auf Lebenszeit
eingeräumt wurde.31 Dies deshalb, da meiner Vermutung nach das Wohnrecht hauptsächlich
in dem oben beschriebenen Fall seine Anwendung fand. Ein temporäres Wohnrecht, bei dem
man von einer Zeitspanne von circa einem Jahr ausgehen konnte32, wurde womöglich von
Personen genutzt, die sich nur für kürzere Zeit an einem Ort aufhielten. Für diesen Fall gab es
aber auch das Rechtsinstitut der locatio conductio rei, welche man in heutiger Zeit als Miete
bezeichnen würde. Insofern wurde die bloß nur für eine bestimmte Zeit eingeräumte habitatio

29 Übersetzung angelehnt an Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis – Text und


Übersetzung II (1995).
30 Memmer, in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 3.
31 Buckland, A Text-Book of Roman Law from Augustus to Justinian (1963) 274.
32 Watson, Roman Private Law around 200 BC (1971) 92.

8
vermutlich im Anwendungsbereich der locatio conductio rei von dieser verdrängt. Abgesehen
von der zeitlichen Komponente legt sich Pomponius im letzten Satz der Quellenstelle fest,
dass der Vorbehalt eines Wohnrechts des Veräußerers als Vorbehalt eines Gebrauchsrechts
zu qualifizieren ist. Somit wird auch in dieser Quellenstelle die Meinung vertreten, dass die
habitatio ohne Zweifel als Unterfall des usus zu qualifizieren ist.

2.2.3. D. 7, 8, 10 (2) (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum)


In der folgenden Quellenstelle lässt sich erahnen, dass womöglich nicht alle römischen
Juristen einer Meinung waren, wie die habitatio in den Typenkatalog dinglicher Rechte
einzuordnen sei:

Ulp D. 7, 8, 10 (2)
Sed si sic relictus sit: “illi domus usus fructus habitandi causa”, utrum habitationem solam an
vero et usum fructum habeat, videndum. et Proculus et Neratius putant solam habitationem
legatam, quod est verum. plane si dixisset testator “usum habitandi causa”, non dubitaremus,
quin valeret.

Wenn aber die Verfügung so lautet: “Ich vermache jenem den Nießbrauch zu Wohnzwecken”,
muss man überlegen, ob er nur ein Wohnrecht oder auch einen Nießbrauch haben soll.
Proculus und Neraz meinen, es sei nur ein Wohnrecht vermacht; das ist richtig. Wenn sich
freilich der Erblasser so ausgedrückt hätte: “ein Gebrauchsrecht zu Wohnzwecken”, so gebe
es keinen Zweifel, dass dies gültig sei.33

Ulpian schließt sich also in der Quelle der Meinung des Proculus und des Neraz an, dass trotz
der Bezeichnung als ususfructus zu Wohnzwecken, nur das bloße Wohnen und nicht die
Fruchtziehung gestattet ist. Es wurde zwar keine gegenteilige Ansicht in dieser Textstelle
angeführt, aber durch den Verweis auf die Meinungen der beiden Juristen lässt sich erahnen,
dass es diesbezüglich andere Rechtsansichten gegeben haben könnte.
Die Ansicht, dass trotz der ausdrücklichen Bezeichnung “Nießbrauch” bloß ein Wohnrecht
eingeräumt werden soll, erscheint bemerkenswert, da so dem Willen des Erblassers keine
Bedeutung geschenkt wird. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass nicht absichtlich der Wille
des Erblassers ignoriert, sondern das Testament schlichtweg anders interpretiert wurde. Die
Quellenstelle verweist auf die Meinungen von Proculus und Neraz, welche beide in der

33Übersetzung angelehnt an Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis – Text und


Übersetzung II (1995).
9
34
hochklassischen Zeit tätig waren. In dieser Epoche folgten die Juristen bei der
Testamentsauslegung keinem festen Dogma, das uns helfen könnte, die Meinung von
Proculus und Neraz zu erklären.35
In der spätklassischen Zeit, in der auch Ulpian lebte, gab es ebenfalls keine eindeutigen
Regeln, denen bei der Interpretation und Auslegung von Testamenten gefolgt wurde. 36
Einerseits wurde nach dem Wortlaut des Gesetztes entschieden, andererseits gab es die
Möglichkeit, dem erkennenden Willen des Testators zu folgen, oder aber auch nach sozialen
Gesichtspunkten zu entscheiden. 37 In dieser Quellenstelle wurde vermutlich versucht, den
wahren Willen des Testators zu erforschen. Es wurde also gefolgert, dass der Erblasser gar
kein Fruchtziehungsrecht vermachen wollte, sondern nur das bloße Wohnrecht. Dieser
Begründung folgend, könnte man davon ausgehen, dass die Frage der Einteilung des
Wohnrechts womöglich nur eine Auslegungsfrage des Testaments war und gar keine Frage
der systematischen Einteilung.38

In den Digestenstellen findet man keine konträre Meinung zu dem oben Angeführten. Aus den
Institutionen ergibt sich aber auch noch eine andere Ansicht – die des Marcellus, welche später
von Justinian aufgegriffen wurde. 39 Diese wurde jedoch nicht überliefert. Möglich erscheint
jedoch, dass Marcellus nicht grundsätzlich eine andere Meinung vertrat, sondern nur im
40
oberen Fall das Testament anders interpretierte. Dieser Logik folgend, war die
grundsätzliche Einordnung der habitatio als usus möglicherweise unstrittig. Fraglich und
Gegenstand von Diskussion war einzig und allein, ob aus einer Verfügung des Erblassers
zuweilen etwas anderes geschlossen werden konnte.41 Damit war höchstwahrscheinlich für
die Juristen der Klassik der Problemfall der habitatio bloß eine Auslegungsfrage und nicht eine
Kontroverse bezüglich der systematischen Einteilung.42

2.3. Einteilung im nachklassischen Recht


In der nachklassischen Zeit verwilderten die Rechtsinstitute der Grunddienstbarkeiten und des
Nießbrauchs zusehends. 43 Der ususfructus spielte jedoch wegen seiner Bedeutung im

34 Vgl Behrends/Knütel/KupischSeiler, Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen – Text und Übersetzung
(2013) 280.
35 Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972), 148.
36 Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972), 204.
37 Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972), 204.
38 Schindler, Justinians Haltung zur Klassik (1966) 292.
39 Siehe Inst. 2, 5 De usu et habitatione.
40 Schindler, Justinians Haltung zur Klassik (1966) 291.
41 Schindler, Justinians Haltung zur Klassik (1966) 292.
42 Schindler, Justinians Haltung zur Klassik (1966) 292.
43 Bund, ZSS 73 (1956), 210.

10
Familienrecht und Erbrecht44 noch eine praktische Rolle. Die Grunddienstbarkeiten dürften
aber einen starken Rückgang in ihrer Bedeutung erlangt haben, da sich kaum Quellen zu den
Prädialservituten in dieser Zeit finden lassen. 45 Auch die Zurückführung der Prädial- und
Personalservituten auf einen Oberbegriff war nur für die Theoretiker relevant, da die Einteilung
für das tägliche Rechtsleben in der Praxis unwichtig war. 46 Das Gebrauchsrecht wird dem
ususfructus angenähert, indem man dem Berechtigten eine mäßige Fruchtziehung für den
eigenen Bedarf gestattet.47

Erst durch Justinian änderte sich der rechtliche Charakter der habitatio. Er erkannte es als ein
Institut an, dass „ein eigenes Recht und eine besondere Natur erhalten habe“.48 Somit spaltete
sie sich von dem usus ab und war fortan ein selbstständiges dingliches Recht. Die habitatio
wurde zunehmend dem ususfructus angepasst, da dem Berechtigten nun auch die Vermietung
der Wohnung erlaubt war.49 Aus den Quellen geht durch diese Verselbständigung jedoch nicht
hervor, ob die habitatio in der Praxis eine größere Bedeutung erlangt hat, was eine
systematische Verselbstständigung veranlassen würde.50
Ein Erklärungsversuch ist, dass in justinianischer Zeit der Vermächtniskult und die römische
Vorliebe für das Erbrecht eher abgenommen haben. Nur im Zusammenhang mit Legaten wird
die habitatio in den Digesten erörtert, die praktische Bedeutung schien also eher
zurückgegangen zu sein und das Anliegen der systematischen Einordnung dürfte daher eine
überwiegend theoretisches gewesen sein.51
Da aber, wie schon oben erläutert, einige Juristen für eine weite Auslegung des usus eintraten
und somit eine abgeschwächte Fruchtziehung gestattet wurde, könnte dies auch bloß eine
„Positivierung von Tatsachen“ gewesen sein.

2.3.1. C. 3, 33, 13 pr.


Die folgende Quelle zeigt die Rechtsansicht zur habitatio in der Nachklassik:

C. 3, 33, 13 pr.
Cum antiquitas dubitabat usus fructu habitationis legato, et primo quidem cui similis est,
utrumne usuui vel usui fructui an neutri eorum, sed ius proprium et specialem naturam sortita
est habitatio, postea autem si possit is cui habitatio legata est eandem locare vel dominium

44 Honsell, Römisches Recht (2015) 74 f.


45 Siehe Bund, ZSS 73 (1956), 210.
46 Vgl Bund, ZSS 73 (1956), 211.
47 Kaser, Das Römische Privatrecht – die Nachklassischen Entwicklungen (1975) 306.
48 Kreller, Römisches Recht (1950) 220 f.
49 Kaser, Das Römische Privatrecht – Die Nachklassischen Entwicklungen (1975) 306.
50 Bund, ZSS 73 (1956), 217.
51 Bund, ZSS 73 (1956), 217.

11
sibi vindicare, auctorum iurgium decidentes compendioso responso omnem huiusmodi
dubitationem resecamus.
1. Et si quidem habitationem reliquerit, ad humaniorem declinare sententiam nobis visum est
et dare legatario etiam locationis licentiam. Quid enim distat, sive ipse legatarius maneat sive
alii cedat, ut mercedem accipiat
2. Et multo magis, si habitationis usum fructum reliquerit, cum et nimiae subtilitati satisfactum
videatur etiam nomine usus fructus addito.
3. In tantum etenim valere habitationem volumus, ut non antecellat usum fructum nec
dominium habitationis speret legatarius, nisi specialiter evidentissimis probationibus ipse
legatarius possit ostendere et dominium ei domus esse relictum: tunc enim voluntati testatoris
per omnia oboediendum est.
4. Quam decisionem locum habere censemus in omnibus modis, quibus habitatio constitui
potest.

Da die alten Rechtsgelehrten in dem Falle, wenn der Nießbrauch an einer Wohnung vermacht
worden war, zweifelten, und zwar zuerst darüber, welchem Rechtsverhältnis derselbe gleich
stände, ob dem Gebrauch, oder dem Nießbrauch, oder keinem von beiden, oder ob er vielmehr
ein eigentümliches Rechtsverhältnis wäre, und eine besondere Natur erhalten hätte, sodann
aber darüber, ob derjenige, welchem das Wohnungsrecht vermacht worden wäre, die
Wohnung vermieten, oder das Eigentum an derselben in Anspruch nehmen könnte, so heben
Wir, indem Wir den Streit zwischen den alten Rechtsgelehrten entscheiden, diesen ganzen
Zweifel durch einen bündigen Bescheid auf. Wir haben nämlich für gut befunden, in dem Falle,
wenn jemand ein Wohnungsrecht hinterlassen hat, die billigere Meinung anzunehmen, und
dem Vermächtnisnehmer auch die Befugnis zur Vermietung zu erteilen.
1. Denn welcher Unterschied ist es, ob der Vermächtnisnehmer selbst das Recht ausübt, oder
es einem Anderen abtritt, so dass er den Mietzins erhält?
2. Und dies findet umso mehr statt, wenn [der Testator] dem Nießbraucher eine Wohnung
hinterlassen hat, da dann auch einer allzu großen Spitzfindigkeit Genüge geschehen zu sein
scheint, da ja auch der Name: Nießbrauch hinzugefügt ist.
3. Denn Wir wollen, dass das Wohnungsrecht so gelten soll, dass es keinen Vorzug vor dem
Nießbrauch habe; auch soll der Vermächtnisnehmer nicht auf das Eigentum an der Wohnung
hoffen, wenn er selbst nicht durch die augenscheinlichsten Beweise dartun kann, dass ihm
auch das Eigentum an jenem Hause hinterlassen worden sei; denn dann muss dem Willen
des Testators durchgängig gehorcht werden.

12
4. Wir verordnen aber, dass diese Entscheidung an allen Orten gelten solle, an welchen ein
Wohnungsrecht begründet werden kann.52

Die vorliegende Entscheidung Justinians gliedert die habitatio nun endgültig aus dem usus
aus und verleiht diesem Institut einen eigenen Status. Zu Beginn thematisiert Justinian die
Digestenstelle Ulp D. 7, 8, 10 (2), die der Frage nachgeht, was passieren soll, wenn der
Erblasser einen Nießbrauch an einer Wohnung vermacht.
Für Justinian ergeben sich hier zwei Probleme. Erstens, ob man die habitatio eher dem
ususfructus oder dem usus zuordnen solle bzw ob sie eventuell ein eigenes Rechtsverhältnis
sei. Zweitens wird gefragt, ob der Berechtigte dann die Wohnung vermieten oder sogar
Eigentum daran erwerben könne. Justinian meint, es solle bloß die Vermietung erlaubt sein
und begründet dies in vier Punkten, auf die ich nun näher eingehen möchte.

Ad 1.: Begründet wird diese Entscheidung damit, dass es keinen Unterschied machen darf, ob
der Berechtigte selbst in dem Haus wohnt, oder andere gegen Zahlung eines Mietzinses darin
leben lässt. Möglicherweise hat sich der wirtschaftliche Gedanke schlussendlich durchgesetzt.
Das zeigt sich auch in Justinians Formulierung „Wir haben nämlich für gut befunden, […] die
billigere Meinung anzunehmen“. Es sieht es als die billigere, also logischere und sinnvollere
Lösung an, vom bloßen Gebrauchsrecht abzugehen und eine eingeschränkte Fruchtziehung
zu gestatten.
Ad 2.: In der zweiten Aufzählung wird thematisiert, wie ein Testament auszulegen sei. Von
Justinian ist bekannt, dass er generell den Willen des Testators als Mittelpunkt der
Testamentsauslegung sieht.53 Das zeigt sich auch in dieser Stelle. Wenn der Testator schon
explizit den Terminus „Nießbrauch“ in sein Testament einfügt, dann muss dies auch
berücksichtigt werden und so dem Berechtigten die Vermietung erlaubt sein. Man könnte sich
nun aber fragen, worin noch der Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnungsrecht liege:
Einerseits erlosch die habitatio, wie schon erwähnt, nicht durch non usus oder capitis
deminutio.54 Auf der anderen Seite war der Anwendungsbereich des ususfructus viel weiter.
Es gab keine Einschränkung der Fruchtziehung auf bloß die Wohnung, sondern es konnten
auch andere zivile Früchte, aber natürlich auch Naturalfrüchte gezogen werden.55
Ad 3.: In der dritten Aufzählung der Kodexstelle grenzt Justinian die habitatio eindeutig vom
Eigentum ab. Ein Wohnungsrechtinhaber solle nicht den Status eines Eigentümers erhalten.
Hier wird also auch ganz klar eine Grenze gezogen: Der Berechtigte darf die Sache zwar

52 Übersetzung angelehnt an Otto/Schilling/Sinteni, das Corpus Iuris Civilis ins Deutsche übersetzt von
einem Vereine Rechtgelehrter, Band V.
53 Vgl Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972) 219.
54 Vgl Knütel, Zwei Klauseln aus dem Nießbrauchsrecht, ZSS 119 (2002).
55 Vgl Buckland, A Text-Book of Roman Law from Augustus to Justinian (1963) 269.

13
vermieten und sich somit einen Lebensunterhalt verdienen – eine Veräußerung bleibt ihm aber
definitiv verwehrt. Das erscheint auch nachvollziehbar, da die habitatio als persönliches Recht
an den Berechtigten gebunden war. 56 Dass Justinian ausschließlich auf den Willen des
Testators abstellte, wird im letzten Halbsatz des dritten Aufzählungspunktes deutlich. Der
Legatar konnte sogar Beweise vorlegen, die augenscheinlich machten, dass der Testator dem
Legatar wirklich Eigentum verschaffen wollte.57 Der Wille des Testators konnte also, entgegen
der Bezeichnung im letzten Willen, durch einen Gegenbeweis nachgewiesen werden.58 Der
Maßstab wurde aber eng ausgelegt und der Beweis musste sehr überzeugend sein, da eine
andere Deutung, dem Wortlaut nach, viel wahrscheinlicher war.59
Ad 4.: Zum Abschluss betont Justinian, dass seine Entscheidung im ganzen Römischen Reich
gelten solle. Es blieb also für die „alte Auffassung“ zur habitatio kein Raum mehr.

2.3.2. Inst. 2, 5 De usu et habitatione


Inst 2, 5 De usu et habitatione
Sed si cui habitatio legata sive aliquo modo constituta sit, neque usus videtur neque usus
fructus, sed quasi proprium aliquod ius. quam habitationem habentibus propter rerum utilitatem
secundum Marcelli sententiam nostra decisione promulgata permisimus non solum in ea
degree, sed etiam aliis locare.

Ist jemandem aber ein Wohnrecht vermacht oder in anderer Weise bestellt worden, so wird
das weder als ein Gebrauchsrecht noch als ein Nießbrauch angesehen, sondern
gewissermaßen als ein eigenständiges Recht. Den Inhabern eines solchen Wohnrechts haben
Wir, der Meinung des Marcellus folgend, in einer von uns verkündeten Entscheidung60 aus
Zweckmäßigkeitsgründen gestattet, nicht nur selbst in der Wohnung zu leben, sondern sie
auch anderen zu vermieten.61

In dieser Quellenstelle aus Justinians Institutionen des corpus iuris civilis finden wir kurz und
prägnant erklärt, was sich im Vergleich zur klassischen Zeit geändert hat. Er qualifiziert die
habitatio nun nicht mehr als Unterfall des usus. Das Wohnrecht wurde insofern vom usus
verselbstständigt, als auch eine Fruchtziehung gestattet wurde. Es fand aber auch keine
Eingliederung in den ususfructus statt, sondern die habitatio wurde als eigenständiges

56 Vgl Honsell, Römisches Recht (2015) 75; siehe dazu die Ausführungen zur Verfügungsbefugnis
zum ususfructus.
57 Vgl Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972) 225.
58 Vgl Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972) 239.
59 Vgl Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972) 239.
60 Gemeint ist C. 3, 33, 13 (530).
61 Übersetzung nach Behrends/Knütel/KupischSeiler, Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen – Text und

Übersetzung (2013).
14
Rechtsinstitut anerkannt. Gleich blieb jedoch, dass die habitatio sowohl unter Lebenden, als
auch als Vermächtnis eingeräumt werden konnte. In der Quellenstelle selbst verweist Justinian
62
auf eine seiner früheren Entscheidungen. Ebenso wird Marcellus erwähnt, dessen
Ausführungen zu diesem Thema leider nicht überliefert wurden bzw diese für den Autor nicht
auffindbar waren. Jedoch lässt sich erahnen, dass Justinian in seiner Entscheidung63 bloß
Marcellus‘ Meinung wiedergegeben hat: „Wir, der Meinung des Marcellus folgend [...]“.

Die Quellenstelle gibt auch selbst einen Hinweis darauf, warum eine Fruchtziehung für den
Berechtigten des Wohnrechts sinnvoll ist. Es wird den Inhabern aus
„Zweckmäßigkeitsgründen“ gestattet, die Wohnung selbst zu vermieten. Diese Argumentation
lässt Interpretationsspielraum für mögliche wirtschaftliche Hintergründe. Hat sich im Laufe der
Zeit möglicherweise ein Interesse entwickelt, sich Wohnrechte einräumen zu lassen, diese
dann zu vermieten und sich so seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Aus den spärlichen
Quellen lässt sich dies nicht herauslesen, ist mE aber durchaus denkbar.
Aus Justinians Entscheidung, die habitatio als selbständige persönliche Dienstbarkeit
auszugestalten und dem Wohnungsberechtigten die Vermietung zu erlauben, lässt sich
schließen, dass sich die Rechtsnatur der habitatio mit Beginn der Nachklassik ganz veränderte
und keine Gegenmeinung mehr vertreten wurde.64

3. Geltendes Recht

3.1. Gesetzliche Regelungen


Auch im geltenden Recht hat der Gesetzgeber Regelungen zum Wohnrecht geschaffen.
§ 478 ABGB, der noch der Urfassung des ABGB entstammt, nennt als persönliche
Dienstbarkeiten das Gebrauchsrecht (usus), die Fruchtnießung (ususfructus) und das Wohn-
bzw Wohnungsrecht (habitatio). Diese Aufzählung der Personalservituten ist taxativ zu
verstehen.65

Dem Wortlaut des § 478 folgend, könnte man davon ausgehen, dass im geltenden Recht das
Wohnrecht als eigene Personalservitut neben Gebrauchs- und Fruchtgenussrecht geregelt ist.

62 C. 3, 33, 13 (530); siehe dazu die Ausführungen unter 2.3.1.


63 C. 3, 33, 13 (530).
64 Kaser, Das Römische Privatrecht – Die Nachklassischen Entwicklungen (1975) 306.
65 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 478 Rz 1.

15
Man könnte also meinen, dass wie in der nachklassischen römischen Zeit die habitatio als
eigenständiges Rechtsinstitut geregelt wurde. Ungeachtet dieser Nennung stellt es aber nur
einen Unterfall des Gebrauchs- oder des Fruchtgenussrechts dar, was sich aus § 521 ABGB
ergibt.66

§ 521 ABGB. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Teile eines
Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also eine Servitut des Gebrauches
von dem Wohngebäude. Werden aber jemandem alle bewohnbaren Teile des Hauses,
mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es
eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen
Vorschriften auf das rechtliche Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem
Eigentümer anzuwenden.

Im geltenden Recht wurde also nicht der römisch-rechtlichen Regelung gefolgt, sondern die
Bestimmungen zur habitatio wurden modifiziert und entsprechend der Parteienautonomie
flexibler ausgestaltet. 67 Je nachdem, ob die Wohnung für den persönlichen Bedarf des
Berechtigten verwendet wird oder ob sie ohne diese Einschränkung genutzt und damit
(insbesondere durch entgeltliche Inbestandgabe) Dritten überlassen werden darf, liegt ein
68
Wohnungsgebrauchsrecht oder ein Fruchtgenussrecht vor. Das wesentliche
Abgrenzungskriterium ist demnach die Art der Nutzung. 69 Ob ein Gebrauchsrecht oder
Fruchtgenuss gewollt ist, ergibt sich aus dem Titel.70

Diese Bestimmung lässt natürlich einen großen Spielraum für die Rechtsanwender. Im Zweifel
ist bei Überlassung einer einzelnen Wohnung Gebrauch, bei Überlassung eines ganzen
selbständigen Gebäudes (bzw Gebäudeteils) oder mehrerer Wohnungen Fruchtgenuss
anzunehmen.71 Die Größe der Wohnung oder des Hauses kann im Einzelfall entscheidend
sein. So hat der OGH bei einem Wohnrecht an einer fast 160 m2 großen Wohnung für eine
72
allein stehende Person ein Fruchtgenussrecht angenommen. In einer anderen
Entscheidung hat er ein Wohnungsrecht an einem selbständigen Gebäude mit einer bebauten
Fläche von 72,60 m2 als Wohnungsgebrauchsrecht eingestuft, weil die Verhältnisse jenen bei
einem Wohnungsrecht an einer Wohnung entsprechen.73

66 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 1.


67 Vgl Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 1.
68 Siehe Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 14.
69 Hofmeister, Anmerkung zu 5 Ob 34/92, NZ 1993, 22.
70 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 14.
71 StRsp, zB 1 Ob 8/72 = Miet 24.035; 6 Ob 139/72 = MietSlg 24.036; zuletzt 3 Ob 88/04 v = immolex

2005/60.
72 1 Ob 585/87 = SZ 60/86.
73 2 Ob 212/98 k = NZ 2000, 138; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 14.

16
Beim Wohnungsgebrauchsrecht wird, entsprechend der Regelung beim Gebrauchsrecht,74
das Wohnungsobjekt bloß zum Bedürfnis des Berechtigten überlassen. Dieses Recht ist
grundsätzlich auch der Ausübung nach nicht übertragbar.75 Insbesondere ist die Vermietung
76
nicht erlaubt. Eine mehr als bloß vorübergehende Aufnahme Dritter ist nach den
Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Zulässig sind beispielsweise die Aufnahme einer
notwendigen Pflege- oder Dienstperson77 oder die Aufnahme der Ehefrau78. Ebenso wird die
Aufnahme von kranken, hilfsbedürftigen, volljährigen Kindern zugelassen.79

Bei unzulässiger Aufnahme Dritter hat der Eigentümer entgegen der älteren Rechtsprechung80
keinen unmittelbaren Räumungs- oder Unterlassungsanspruch gegen den Dritten, sondern er
muss den Wohnungsberechtigten auf Unterlassung klagen. 81 Eine schlüssige Zustimmung
zur Erweiterung des Gebrauchsrechtes ist nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn diese vom
Eigentümer jahrelang widerspruchslos hingenommen wurde und er nach dem Verhalten des
Gebrauchsberechtigten annehmen musste, dass dieser ein Recht in Anspruch nimmt.82

Zwischen Gebrauchsrecht und Fruchtgenussrecht besteht ein Umfangverhältnis, da der


Fruchtgenuss – wie auch schon aus dem Römischen Recht bekannt – umfänglich über das
Gebrauchsrecht hinausgeht.83 Beim Wohnungsfruchtgenuss kann der Berechtigte folglich alle
bewohnbaren Teile des Hauses einschließlich der Nebenräume ohne Einschränkung auf
seine Bedürfnisse benützen,84 daher darf er sie auch Dritten überlassen.85

Jedenfalls gilt für die Einräumung der Servitut als dingliches Recht, dass es eines Titels, der
sich beispielsweise auf einen Vertrag oder eine letztwillige Verfügung stützen kann, und eines
Modus bedarf.86 Der Modus muss durch eine Grundbuchseintragung erfolgen.87 Ohne diese
bindet der Titel nur inter partes.88
Der Versorgungszweck ist für das Wohnrecht typisch. 89 Oft erfolgt eine Einräumung zur
Versorgung von Angehörigen, Erhaltung der Wohnung oder als Teil des Ausgedinges. 90

74 §§ 505 ff ABGB.
75 Miet 25.039.
76 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 18.
77 JBl 1957, 187.
78 Miet 21.047.
79 Miet 33.045.
80 Miet 7796; JBl 1969, 276.
81 Hofmann in Rummel, ABGB3 § 521 ABGB Rz 4.
82 Hofmann in Rummel, ABGB3 § 521 ABGB Rz 4.
83 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 22.
84 § 509 ABGB.
85 StRsp, zB 6 Ob 707/83 = MietSlg 36.037.
86 Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 3.
87 Vgl Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 3
88 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 5.
89 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 3.
90 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 3.

17
Wegen des besonderen Versorgungscharakters ist die Dienstbarkeit im Zweifel
höchstpersönlich und nach § 529 ABGB auf die Lebenszeit des Berechtigten begrenzt.91 Soll
eine für die Lebensdauer des Verpflichteten wirksame Dienstbarkeit eingeräumt werden, muss
dies ausdrücklich vereinbart sein.92

Der Wortlaut des § 521 ABGB legt nahe, dass sich das Wohnungsrecht auf ein ganzes
Gebäude bezieht („die bewohnbaren Teile eines Hauses“ bzw „alle bewohnbaren Teile eines
Hauses“). Es wurde aber nie bezweifelt, dass das Wohnungsrecht auch auf einen räumlich
begrenzten bewohnbaren Gebäudeteil oder auf eine von mehreren Wohnungen eingeschränkt
sein kann.93
Ebenso kann ein Wohnrecht auch an einem erst zu errichtenden Haus eingeräumt werden.94

Gegenüber einem möglichen Erwerber wirkt eine vereinbarte, nicht verbücherte Dienstbarkeit
laut Rechtsprechung nur, wenn er diese Dienstbarkeit kannte oder wenn sie offenkundig ist.95
Für den Begriff der Offenkundigkeit hat der OGH bestimmte Kriterien herausgearbeitet. Es ist
demnach wesentlich, ob man bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge
wahrnehmen kann, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen. 96 Dass das
Höchstgericht in diesen Fällen ein dingliches Recht ohne Grundbuchseintragung entstehen
lässt, erscheint problematisch, da dies ganz offensichtlich dem Grundbuchseintragungsprinzip
widerspricht.97 Es kommt also zu einem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des
Erwerbers der Dienstbarkeit und einem Dritten. Dieses Problem wird man kaum lösen können,
ohne eine der Parteien zu benachteiligen. Eine Interessenabwägung kann aber als
Hilfestellung im Einzelfall dienen, um für alle Beteiligten die bestmögliche Lösung zu finden.

3.2. Abgrenzungen
Das Recht, eine fremde Liegenschaft oder einen Teil derselben zu gebrauchen, kann sich aber
auch auf ein schuldrechtliches Verhältnis oder eine familienrechtliche Beziehung stützen.98
Die strukturellen Unterschiede der Rechtsverhältnisse – mögen sie alle die Nutzung von
Wohnraum zum Gegenstand haben – beruhen auf den unterschiedlichen Interessenlagen der

91 StRsp, zB 6 Ob 231/73 = MietSlg 25.038; 5 Ob 569/80 = EvBl 1980/198; Spath in Schwimann/Kodek,


ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 1.
92 Vgl 6 Ob 231/73 = MietSlg 25.038 = Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 3.
93 Vgl zB 5 Ob 50/70 = SZ 43/83; vgl zB Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht § 3 GBG Rz 30 und § 12

GBG Rz 28.
94 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 10.
95 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 5.
96 1 Ob 112/97 w = MietSlG 49.031.
97 Kritisch dazu auch Rubin, ecolex 1998, 545 ff.
98 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 2.

18
Beteiligten, die in unterschiedlichen Wertungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung
zum Ausdruck kommen.99

Das Recht zur Benutzung einer Wohnung kann sich auch aus einer Miete, einer Leihe oder
einem Prekarium ergeben. 100 Wie schon dem § 521 ABGB zu entnehmen ist, ist für die
Abgrenzung zwischen den verschiedenen Rechtsinstituten die Absicht der Parteien
entscheidend. Diese lässt sich in der Regel aus einer schriftlichen Vereinbarung erkennen.101

Vom Benutzungsrecht des Bestandnehmers grenzt sich die Dienstbarkeit der Wohnung durch
seine Dinglichkeit ab. 102 Die Verbücherung wird bei der Miete nur in Ausnahmefällen
103
vorgenommen, für die Entstehung des Wohnrechts ist sie hingegen notwendige
Voraussetzung. Ein weiteres Abgrenzungskriterium ist die zeitliche Begrenzung des
Wohnrechts auf die Lebenszeit des Berechtigten. Die Dienstbarkeit der Wohnung erlischt in
der Regel mit dem Tod des Berechtigten, während Bestandrechte vererblich sind (vgl § 116 a
ABGB, § 14 MRG).104 Die Dienstbarkeit wird aber durch die Verpflichtung des Berechtigten zur
fortlaufenden Zinszahlung nicht automatisch zum Mietverhältnis. Ebenso wird die Miete durch
eine Verdinglichung nicht zur Servitut.105 Jedoch können hinsichtlich derselben Wohnung ein
Wohnungsrecht und ein Bestandrecht nicht zugunsten der gleichen Person nebeneinander
bestehen. 106 Deshalb stellt die Annahme eines Wohnrechts an bisher gemieteten Flächen
einen Verzicht auf das Mietrecht dar.107

Von der Leihe und Bittleihe unterscheidet sich die Dienstbarkeit der Wohnung dadurch, dass
sie nicht notwendigerweise unentgeltlich sein muss.108

3.2.2. Erlöschen des Wohnrechts


Das dingliche Wohnrecht erlischt aus denselben Gründen wie alle anderen persönlichen
Dienstbarkeiten.109 Zu beachten ist, dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt. Das
bedeutet, dass es vorzeitig nur aus einem wichtigen Grund einseitig aufgelöst werden kann.

99 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 2.


100 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 7.
101 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 7.
102 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 7.
103 Zum verbücherten Bestandvertrag zB 1 Ob 47/55 = EvBl 1955/271.
104 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 7.
105 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 27.
106 7 Ob 617/90 = MietSlg 56.048.
107 5 Ob 202/04 y = MietSlg 56.048; vgl Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 7.
108 ZB 5 Ob 110/73 = MietSlg 25.033.
109 Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 12; vgl § 524 ff ABGB.

19
Für die außerordentliche Kündigung eines dinglichen Wohnrechts bedarf es nach hA110 noch
schwerwiegenderer Gründe als für eine Auflösung von obligatorischen
Dauerschuldverhältnissen. Dies wird damit begründet, dass die Beendigung bei
Dienstbarkeiten wegen ihrer stärkeren dinglichen Bindung nur das „äußerste Notventil“ sein
kann.111

3.3. Spezialfragen – Miteigentum/WEG

Im Folgenden wird kurz das Miteigentum erläutert, da es für das Verständnis vom
Wohnungseigentum von Bedeutung ist.

Von Miteigentum wird gesprochen, wenn mehrere Personen Eigentümer derselben Sache
sind.112 Miteigentum entsteht entweder kraft Gesetzes (zB zwischen mehreren gesetzlichen
Erben), durch eine letztwillige Verfügung oder durch einen Vertrag.113 Das Eigentumsrecht ist
zwischen den Miteigentümern nach Quoten aufgeteilt.114 In allen Fällen des Miteigentums ist
das Recht und nicht die Sache selbst geteilt. Dem Einzelnen gehört kein realer Gegenstand,
er hat ein bloßes Anteilsrecht auf einen bestimmten Teil der Sache, über den er alleine
verfügen kann.115

Ein real geteiltes Eigentum, bei dem jedem Miteigentümer nicht bloß die Quote, sondern
tatsächlich ein ganz bestimmter Teil der Sache gehört, kann nicht mehr neu begründet
werden.116 Vereinzelt finden sich noch solche real geteilten Eigentumsverhältnisse, und zwar
in der Form des Stockwerkseigentums.117

Nun möchte ich auf den Spezialfall des Wohnungseigentums eingehen. Das
Wohnungseigentum ist eine besondere Form des Miteigentums und wird in einem eigenen
Gesetz, dem Wohnungseigentumsgesetz, WEG 2002, behandelt (wobei die Bestimmungen
des ABGB subsidiär gelten):

§ 2 WEG: Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder


einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein
Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen.

110 Mayrhofer, JBl 1974, 598 ff.


111 Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 12.
112 § 825 ABGB.
113 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 917.
114 Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 361 ABGB Rz 1.
115 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 918.
116 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 918.
117 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 918.

20
Vorläufiges Wohnungseigentum ist das nach den Regelungen im 10. Abschnitt
beschränkte Wohnungseigentum, das unter den dort umschriebenen
Voraussetzungen vom Alleineigentümer einer Liegenschaft begründet werden kann.

Der Wohnungseigentümer ist also Miteigentümer der ganzen Liegenschaft und erhält ein
dingliches Nutzungs- und Verfügungsrecht an bestimmten Räumlichkeiten.118
Wohnungseigentum kann nur an wohnungseigentumstauglichen Objekten gemäß
§ 2 Abs 2 WEG begründet werden. Diese sind Wohnungen, sonstige selbständige
Räumlichkeiten wie bspw Geschäftsräume oder Garagen und KFZ-Abstellplätze. 119 Zur
120
Begründung bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung der Miteigentümer. Das
ausschließliche Recht des Miteigentümers entsteht jedoch erst mit Eintrag im Grundbuch.121

Im Zuge der Wohnungseigentumsbegründung ist für jedes wohnungseigentumstaugliche


Objekt ein Nutzwert festzusetzen.122 Der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjektes ergibt
sich gemäß § 2 Abs 8 WEG aus dessen Nutzfläche und aus Zu- und Abschlägen für
werterhöhende oder wertvermindernde Faktoren.123 Das Wohnungseigentum an einem Objekt
kann nur von Miteigentümern erworben werden, denen ein diesem Objekt entsprechender
„Mindestanteil“ an der Liegenschaft zusteht.124 Die Größe dieses Mindestanteils ergibt sich
aus dem Verhältnis des Nutzwertes des Objekts zur Summe der Nutzwerte aller
125
Wohnungseigentumsobjekte. Wohnungseigentum und Mindestanteil sind untrennbar
miteinander verbunden, über sie kann somit nur gemeinsam verfügt werden.126

3.3.1. Wohnrechtseinräumung zwischen Miteigentümern


Grundsätzlich kann das Wohnrecht nur an Sachen begründet werden, die einem nicht selbst
gehören (ausgehend vom römisch-rechtlichen Grundsatz, dass niemand an der eigenen
Sache ein beschränktes dingliches Recht haben kann - nulli enim res sua servit 127 ). Die
Dienstbarkeit endet folglich auch von selbst, wenn sich das Eigentum am dienstbaren und am
herrschenden Gut in einer Person vereinigen (§ 526 ABGB). 128 Die Einräumung einer

118 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 938.


119 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 940.
120 § Abs 1 Z 1 WEG.
121 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 939; § 5 Abs 3 WEG.
122 Vgl OGH Immolex 2001/104 (Pfiel) = wobl 2001/54 (Call).
123 W.Böhm, Empfehlungen für die Ermittlung der Nutzwerte nach dem Wohnungseigentumsgesetz

2002, Sach 2010, 148.


124 § 2 Abs 9 WEG.
125 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 941.
126 Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 941; § 11 Abs 1 WEG.
127 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 472 Rz.
128 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 526.

21
Wohnungsservitut an einer im bloßen Miteigentum stehenden Liegenschaft kommt nur mit
Zustimmung aller Miteigentümer in Betracht.129 Verweigert ein Miteigentümer die Zustimmung,
so ist die Einräumung der Dienstbarkeit den restlichen Miteigentümern der Liegenschaft
gegenüber unwirksam.130 Auch hier zeigt sich, dass im geltenden Recht sehr stark auf den
Willen der Parteien abgestellt wird.
Eine Vereinbarung über die Benützung des gemeinschaftlichen Gutes ist nur dann als
Dienstbarkeitsbestellungsvertrag zu klassifizieren, wenn der Parteiwillen eindeutig darauf
131
schließen lässt. Allenfalls liegt eine bloße Gebrauchsregelung zwischen den
Miteigentümern vor, die nur obligatorische Wirkung entfaltet.132 Insofern ist das Miteigentum
eine beschränkte Form des Eigentums, da sie ganz wesentlich von der Zustimmung der
anderen Miteigentümer abhängig ist.

Der Grundsatz nulli enim res sua servit schließt nach hL und Rechtsprechung aber nicht die
Möglichkeit aus, dass ein Miteigentümer eine Dienstbarkeit an der im gemeinschaftlichen
Eigentum stehenden Sache erwirbt.133 Das führt im Ergebnis dazu, dass der Berechtigte eine
partielle Eigentümerdienstbarkeit begründet. 134 Dies wird nicht beanstandet, weil hier das
Recht zumindest teilweise an einer fremden Sache ausgeübt wird.135

Eine Wohnungsservitut kann aber nicht an ideellen Teilen einer Liegenschaft begründet
werden, weil die Dienstbarkeit nur am ganzen Grundbuchskörper eingetragen werden darf,
schlichtes Miteigentum aber kein Recht auf eine bestimmte Wohnung gibt.136 Dies gilt heute
sowohl für das Wohnungsgebrauchsrecht als auch für den Wohnungsfruchtgenuss.137

Ausgenommen hiervon ist das Wohnungseigentum, weil mit dem ideellen Miteigentumsanteil
untrennbar ein ausschließliches Nutzungsrecht an einem bestimmten
Wohnungseigentumsobjekt verbunden ist. 138 Da der Wohnungseigentümer grundsätzlich
berechtigt ist, an seinem Anteil dingliche Rechte zu begründen, kann er an seiner
139
Eigentumswohnung auch ein Wohnungsrecht einräumen. Dabei muss er aber
schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer beachten. Der OGH hat auch in einigen
Fällen Grenzen für die Wohnungseigentümer aufgestellt, was eine Wohnrechtseinräumung

129 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 12.


130 Vgl zB 3 Ob 101/60 = JBl 1960, 441; Spath in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 480
Rz 4.
131 Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 6.
132 Spath in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 § 521 Rz 6; SZ 54/163.
133 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 472 Rz 9.
134 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 472 Rz 9.
135 1 Ob 406/54 = SZ 27/172; Spath in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 473 Rz 4 und §

474 Rz 1.
136 7 Ob 53/68 = SZ 41/30; 2 Ob 520/95 = EvBl 1995/186.
137 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 12.
138 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 521 Rz 13.
139 ZB 1 Ob 521/96 = SZ 69/169; Koch in KBB4 § 521 Rz 2.

22
betrifft.140 Somit zeigt sich, dass, obwohl dem Wohnungseigentümer eine sehr starke Stellung
zukommt, noch immer die oberste Priorität des Gesetzgebers das Wohl der Allgemeinheit ist,
dem sich auch der Wohnungseigentümer beugen muss.

4. Conclusio

Die habitatio und generell die Personalservituten wurden im Römischen Recht von Anbeginn
spärlich thematisiert. In der klassischen Zeit finden sich kaum Quellen zur habitatio. Viele
Regelungen, die für den ususfructus galten, wurden übernommen. Die im Vergleich mit den
Grunddienstbarkeiten geringe Quellenliteratur lässt sich schlicht damit begründen, dass die
Bedeutung in der Praxis sehr gering war.
Ulpian geht davon aus, dass die habitatio als Unterfall des usus anzusehen ist. Deshalb
qualifizierten sie die römischen Juristen auch als unvererblich und höchstpersönlich. In einer
Quellenstelle lässt Ulpian erkennen, dass es womöglich auch andere Juristenmeinungen zur
systematischen Einteilung dieses Rechtsinstituts gegeben haben dürfte. Wie ich in meinen
obigen Ausführungen jedoch bereits erläutert habe, dürfte diese angebliche Kontroverse
jedoch bloß eine Auslegungsfrage, und nicht eine Frage der systematischen Einteilung
gewesen sein.

Mit Beginn der Nachklassik trat auch die praktische Bedeutung der Grunddienstbarkeiten in
den Hintergrund, somit war die Frage einer systematischen Einteilung der Servituten bloß eine
theoretische.
Eine Wende trat jedoch mit der Zeit Justinians ein. An zwei Quellenstellen lässt sich erkennen,
dass die habitatio aus dem usus und ususfructus ausgegliedert wurde und fortan als ein
eigenständiges Rechtsinstitut fortbestand. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies geschah,
weil die praktische Bedeutung eine größere wurde. Nichtsdestotrotz war von nun an die
Vermietung und somit die Fruchtziehung gestattet. Insofern näherte sich die habitatio dem
Nießbrauch an. Es wurde jedoch schon zuvor für eine weitere Auslegung des usus und somit
der habitatio – beispielsweise um auch nahe Angehörige im Haus wohnen zu lassen –
eingestanden.

Im geltenden Recht wurde eine neue Lösung für das Problem der systematischen Einordnung
des Wohnrechts geschaffen. § 521 ABGB sagt uns, dass ein Wohnrecht entweder als
Gebrauchsrecht oder als Fruchtziehungsrecht ausgestaltet sein kann. Bedeutend hierbei ist

140 ZB 5 Ob 157/08m.
23
immer die Art der Nutzung. Der OGH hat in einigen Entscheidungen Richtwerte, die jedoch
genügend Platz für die individuelle Ausgestaltung lassen, judiziert. Großer Wert wird im ABGB
auf die Parteienautonomie gelegt. Insofern ist die Lösung im ABGB mE sehr gelungen und
lässt sich in gewisser Weise als eine Weiterentwicklung in der langen Geschichte der habitatio
ansehen.

Verwandt mit dem Wohnrecht ist auch das Miteigentum. Als Spezialfall des Miteigentums hat
sich das Wohnungseigentum herausgebildet, wodurch dem Berechtigten einige Privilegien
verglichen mit dem „normalen“ Miteigentümer zustehen. Speziell betont sei in diesem
Zusammenhang, dass der Wohnungseigentümer an seinem Wohnungseigentumsanteil
berechtigt ist, dingliche Rechte zu begründen. Deshalb ist es ihm auch gestattet, selbst
Wohnrechte einzuräumen.

24
5. Literaturverzeichnis

Behrends/Knütel/KupischSeiler, Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen – Text und


Übersetzung (2013).

Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis – Text und Übersetzung II (1995).

Buckland, A Text-Book of Roman Law from Augustus to Justinian (1963).

Bund, Begriff und Einteilung der Servituten im Römischen Recht, ZSS 73 (1956).

Hofmann in Rummel, ABGB3 § 521 ABGB (Stand 1.1.2000, rdb.at).

Hofmeister, Anmerkung zu 5 Ob 34/92, NZ 1993.

Honsell, Römisches Recht (2015).

Kaser, Das Römische Privatrecht – Das Altrömische, das Vorklassische und Klassische
Recht (1971).

Kaser, Das Römische Privatrecht – Die Nachklassischen Entwicklungen (1975).

Knütel, Zwei Klauseln aus dem Nießbrauchsrecht, ZSS 119 (2002).

Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB4 (2014) § 521.

Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014).

Kreller, Römisches Recht II. Grundlehren des Gemeinen Rechts (1950).

Mayrhofer, JBl 1974, 598 ff.

Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 (Stand 1.7.2016, rdb.at).

Möller, Die Servituten. Entwicklungsgeschichte, Funktion und Struktur der


grundstücksvermittelten Privatrechtsverhältnisse im römischen Recht (2010).

Otto/Schilling/Sinteni, das Corpus Iuris Civilis ins Deutsche übersetzt von einem Vereine
Rechtgelehrter, Band V.

Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht § 3 GBG.

Rubin, ecolex 1998, 545 ff.

Schindler, Justinians Haltung zur Klassik (1966).

Spath in Schwimann/Kodek4 ABGB Praxiskommentar4 (2012) § 521.

25
Watson, Roman Private Law around 200 BC (1971).

Watson, The Law of Property in the later Roman Republic (1968).

W.Böhm, Empfehlungen für die Ermittlung der Nutzwerte nach dem


Wohnungseigentumsgesetz 2002, Sach 2010.

Wieling, Testamentsauslegung im Römischen Recht (1972).

Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 361 ABGB Rz 1.

6. Rechtsprechungsverzeichnis

OGH 16.06.1954, 1 Ob 406/54.

OGH 04.03.1955, 1 Ob 47/55.

OGH 22.03.1960, 3 Ob 101/60.

OGH 13.03.1968 ,7 Ob 53/68.

OGH 29.04.1970 5 Ob 50/70.

OGH 16.02.1972, 1 Ob 8/72.

OGH 07.09.1972, 6 Ob 139/72.

OGH 12.12.1973, 5 Ob 110/73.

OGH 13.12.1973, 6 Ob 231/73.

OGH 22.04.1980, 5 Ob 569/80.

OGH 30.08.1984, 6 Ob 707/83.

OGH 13.05.1987, 1 Ob 585/87.

OGH 28.06.1990, 7 Ob 617/90.

OGH 24.03.1992, 5 Ob 34/92.

OGH 06.04.1995, 2 Ob 520/95.

OGH 26.07.1996, 1 Ob 521/96.

OGH 24.06.1997, 1 Ob 112/97 w.

OGH 15.10.1998, 2 Ob 212/98 k.

OGH 21.07.2004, 3 Ob 88/04 v.

OGH 29.10.2004, 5 Ob 202/04 y.

OGH 25.11.2008, 5 Ob 157/08.


26
7. Römische Quellen

D. 7, 8, 10 pr (Ulpianus libro septimo decimo ad Sabinum)

D. 7, 1, 32 (Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum)

C. 3, 33, 13 pr

Inst. 2, 5 De usu et habitatione

27

Das könnte Ihnen auch gefallen