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Schlussbericht
Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen
01 RW 0421, 01 RW 0422 und 01 RW 0423 gefördert.
Inhaltsverzeichnis
1 Aufgabenstellung 1
2 Voraussetzungen 2
6 Ergebnisse 9
6.1 Thermische Modelle an den Aggregaten der Stahlerzeugungsroute 9
6.1.1 Prozessrouten und Datenerfassung bei HKM 9
6.1.2 Prozessrouten und Datenerfassung bei PTG 12
6.1.3 Entwicklung von thermischen Modellen für die einzelnen Aggregate 14
6.1.4 Validierung von thermischen Modellen für die Prozessroute von HKM 15
6.1.5 Validierung von thermischen Modellen für die Prozessroute von PTG 23
6.2 Modell zur Ermittlung des thermischen Pfannenzustands 29
6.2.1 Erfassung der Pfannenhistorie im Stahlwerk von HKM 30
6.2.2 Thermographische Verifikation des thermischen Pfannenzustands 33
6.2.3 Erfassung der Pfannenhistorie im Stahlwerk von PTG 36
6.3 Prozessstufen-übergreifende Beobachtung der Schmelzentemperatur 42
6.4 Dynamische Prognose des Temperaturverlaufs 45
6.4.1 Prognose des Temperaturverlaufs im Stahlwerk der HKM 45
6.4.2 Prognose des Temperaturverlaufs im Stahlwerk der PTG 50
6.5 Optimierte Steuerung des Energieeintrags 52
6.5.1 Vorgabe der optimalen Abstichtemperatur am Konverter von HKM 52
6.5.2 Vorgabe des elektrischen Energieeintrags im Pfannenofen von PTG 53
6.6 Test und Inbetriebnahme der optimierten Temperaturführung 55
6.6.1 Simulationsmodell zum Test der optimierten Temperaturführung 55
6.6.2 Inbetriebnahme der optimierten Temperaturführung bei HKM 56
6.6.3 Inbetriebnahme der optimierten Temperaturführung bei PTG 59
7. Voraussichtlicher Nutzen und Ergebnisverwertung 61
7.1 Wirtschaftlichkeit und umweltentlastende Effekte 61
7.2 Angestrebte Ergebnisverwertung 63
8. Fortschritt auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen 64
9. Veröffentlichung der Ergebnisse 64
10. Literatur 65
-1-
1 Aufgabenstellung
Der Prozess der Stahlerzeugung auf dem Behandlungsweg von der Rohstahlerzeugung
im Sauerstoff-Blaskonverter oder im Lichtbogenofen über die sekundärmetallurgische
Pfannenbehandlung bis zum Vergießen des Stahls in einer Stranggießanlage ist mit ei-
nem hohen Durchsatz an Energie verbunden. Dieser ist zum Teil bedingt durch die pro-
zesstechnischen Gegebenheiten der metallurgischen Umwandlungsprozesse.
Eine nicht unbedeutende Komponente des Energieeinsatzes dient jedoch zur Einstel-
lung der für den Gießprozess erforderlichen Schmelzentemperatur. In der Regel wird
bereits am Aggregat zur Rohstahlerzeugung oder an einem nachgeschalteten Pfannen-
ofen ein Energiepuffer angelegt, um die Energieverluste während der weiteren Pfannen-
behandlung abzudecken. Ziel ist es dabei, die Stahlschmelze zu einem vorgegebenen
Zeitpunkt mit der für den Gießvorgang optimalen Temperatur an die Stranggießanlage
abzuliefern.
Aus Unsicherheit über den zu erwartenden Temperaturverlauf der Schmelze wird der
Energiepuffer meist überdimensioniert und muss dann durch geeignete Maßnahmen
während der Pfannenbehandlung wieder abgebaut werden, um die erforderliche Gieß-
temperatur einzustellen. Wenn jedoch aufgrund einer unzureichenden Energiereserve
die Schmelze während der Pfannenbehandlung zu kalt wird, muss sie als sogenannte
Rückläuferschmelze zurück zum Primärstahlaggregat oder zum Pfannenofen gebracht
und rechargiert bzw. wieder aufgeheizt werden. In beiden Fällen ist ein erheblicher,
vermeidbarer Energieaufwand erforderlich, der mit einer unnötigen CO2-Emission ver-
bunden ist.
Das Ziel der Forschungsarbeiten ist die Optimierung der Temperaturführung bei den
Prozessen der Stahlherstellung, um den dazu erforderlichen Energieaufwand zu mini-
mieren und damit einen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-
Emissionen sowie zur Steigerung der Ressourceneffizienz zu liefern.
Das System soll für die Stahlerzeugung im Blasstahlwerk und im Elektrostahlwerk unter
den für die jeweilige Erzeugungsroute charakteristischen Randbedingungen entwickelt
und in jeweils einem Werk zur on-line Prozessführung implementiert werden. Damit wird
das Zusammenwirken der wichtigsten Aggregate der Stahlerzeugung (Blasstahlkonver-
ter, Lichtbogenofen, Pfannenofen, Vakuumanlage, Stranggießanlage) in einem ganz-
heitlichen Ansatz untersucht.
2 Voraussetzungen
Voraussetzung für die Entwicklung einer prozessstufen-übergreifenden Temperaturfüh-
rung im Stahlwerk ist eine kontinuierliche und zeitgerechte on-line Erfassung von allen
relevanten zyklischen und azyklischen, d.h. ereignisgesteuerten Prozessmesswerten, an
den einzelnen Aggregaten der Stahlerzeugungsroute. Die Daten sollten in einer Daten-
bank hinterlegt sein und somit nicht nur für die on-line Prozessführung, sondern auch für
nachträgliche Auswertungen und Simulationsrechnungen zur Verfügung stehen.
Ein Teil dieser Voraussetzungen war zu Beginn des Vorhabens in den Stahlwerken der
Hüttenwerke Krupp Mannesmann und der Peiner Träger bereits erfüllt. Insbesondere die
Erfassung der Daten zur Ermittlung des thermischen Zustands der Pfannen wurde erst
innerhalb des Vorhabens realisiert.
-3-
3 Planung und Ablauf des Vorhabens
Das Verbundvorhaben wurde vom VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH (BFI), den
Hüttenwerken Krupp Mannesmann GmbH (HKM) und der Peiner Träger GmbH (PTG) in
den Stahlwerken von HKM und PTG in enger Zusammenarbeit durchgeführt. Der Ar-
beitsplan des Vorhabens gliederte sich in 8 Arbeitsschritte, die im Folgenden kurz be-
schrieben werden.
Basierend auf einer logistischen Verfolgung der Stahlwerkspfannen ist ein dynamisches
Modell zur präzisen Ermittlung des thermischen Zustands jeder Abstichpfanne zu entwi-
ckeln. Dazu wird der Wärmezustand der Pfanne aus ihrer Vorgeschichte (Leerzeit, Be-
handlungszeit, Pfannenalter, Dauer unter Pfannenfeuer etc.) ermittelt.
Basierend auf den dynamischen Energiebilanz-Modellen für die Behandlung in den ein-
zelnen Aggregaten zur Stahlerzeugung wird ein prozessstufenübergreifendes System
zur on-line Beobachtung des Temperaturverlaufs erstellt. Bestandteile dieses Systems
sind zum einen thermische Prozessmodelle für die Behandlung in den einzelnen Aggre-
gaten. Zum anderen werden Modelle für den Abstichvorgang und Transportvorgänge
integriert. Dabei wird die Information über den thermischen Zustand der Pfanne genutzt,
um den zeitlichen Verlauf der daraus resultierenden Temperatur-Verlustrate während
der gesamten Verweilzeit der Schmelze in der Pfanne dynamisch zu ermitteln.
Das dynamische Modell zur Bestimmung des thermischen Pfannenzustands soll mit Hil-
fe eines berührungslos arbeitenden Messsystems für die Temperatur der Pfannenaus-
mauerung verifiziert werden. Weiterhin soll eine dynamische Adaption der Modellpara-
meter entwickelt werden, um Abweichungen zwischen der berechneten und der anhand
von Temperaturmessungen der Stahlschmelze beobachteten Temperatur-Verlustrate
bereits während der Behandlung einer Schmelze zu korrigieren.
-4-
3.5 Entwicklung einer dynamischen Prognose des Temperaturverlaufs
Basierend auf der Prognose des Temperaturverlaufs werden Sollwerte zur Steuerung
des erforderlichen Energieeintrags an den einzelnen Aggregaten ermittelt. Im Blasstahl-
werk von HKM muss der für die Behandlung erforderliche Energiepuffer durch eine ent-
sprechende Anpassung der Abstichtemperatur des Konverters realisiert werden. Im
Elektrostahlwerk der Peiner Träger besteht neben der Wahl der Abstichtemperatur des
Lichtbogenofens die Möglichkeit, die Schmelze im Pfannenofen durch elektrische Ener-
giezufuhr aufzuheizen. Dabei ist ein Optimum in Bezug auf Energieverbrauch, Kosten
und Produktivität zu wählen. Ziel ist es, den Energiepuffer so zu dimensionieren, dass
Anzahl und Umfang der Korrekturmassnahmen zur Einstellung der Soll-Gießtemperatur
während der Pfannenbehandlung minimiert werden.
Die Systeme zur Beobachtung und Prognose des Temperaturverlaufs sowie zur opti-
mierten Steuerung des Energieeintrags werden in dem Blasstahlwerk von HKM und
dem Elektrostahlwerk der Peiner Träger in Betrieb genommen und erprobt. Die erreich-
ten Verbesserungen in Bezug auf die Treffsicherheit der Temperaturführung, die erziel-
ten Einsparungen im Energieverbrauch und die Erhöhung der Produktivität sind in um-
fangreichen Betriebsversuchen zu analysieren.
-5-
4 Wissenschaftlicher und technischer Stand
zu Beginn des Vorhabens
Der thermische Zustand der Stahl-Gießpfanne und der Einfluss auf die Schmelzentem-
peratur abhängig von der Vorgeschichte der Pfanne ist Gegenstand zahlreicher Unter-
suchungen. Sehr detaillierte Energiebilanzen mit einer Berechnung von Temperaturpro-
filen über die Pfannenausmauerung wurden mit Hilfe von in dem Feuerfestmaterial ein-
gebauten Thermoelementen verifiziert [14, 15]. Der Einfluss der Vorgeschichte der
Pfanne bezüglich des Vorheizens der leeren Pfanne unter einem Pfannenfeuer, der
Dauer der Stahlbehandlung und des Gießprozesses, sowie der Leerdauer der Pfanne
-6-
vom Ende des Gießprozesses bis zum nächsten Abstich wurden in diesen Studien un-
tersucht.
Das thermische Verhalten der Schmelze in der Pfanne und im Verteiler der Stranggieß-
anlage während des Gießprozesses ist ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen ge-
wesen. Die Schmelzentemperatur im Verteiler steigt während des Gießvorgangs an und
erreicht ein Maximum im Bereich von 30 bis 70 % der gesamten Gießzeit. Wichtig ist,
das die Schmelzentemperatur während des gesamten Gießprozesses oberhalb der Li-
quidustemperatur gehalten werden muss, um eine Unterbrechung des Gießprozesses
durch ein Einfrieren der Schmelze zu vermeiden [16, 17]. Mit einer zu hohen Gießtem-
peratur steigt jedoch das Risiko des Entstehens von Innenrissen im vergossenen Stahl,
und eines Strangguss-Durchbruchs.
Basierend auf dem aktuellen Status des Gießprozesses in Bezug auf Gießgeschwindig-
keit und Verteilertemperatur können Zielwerte für die Temperatur und den Übergabe-
zeitpunkt der nächsten Schmelze in einer Sequenz berechnet und als Vorgabe für die
Einstellung des Energiepuffers für die Pfannenbehandlung genutzt werden.
Bei einer Anwendung wurde ein prozessstufenübergreifendes Modell auch für die Vor-
hersage des Temperaturverhaltens einer Schmelze genutzt [20]. Die Ergebnisse dieser
Vorausberechnung wurden dem Bediener als zusätzliche Information zur Verfügung ge-
stellt, jedoch wurden daraus keine automatischen Eingriffe zur Steuerung des Ener-
gieeintrags mit dem Ziel einer optimierten Temperaturführung abgeleitet
-7-
4.2 Stand der betrieblichen Praxis in den Stahlwerken von HKM und PTG
Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) ist ein integriertes Hüttenwerk für die Erzeu-
gung von Brammen und Rundmaterial mit einer jährlichen Produktion von 5.8 Mio t. Das
Produktspektrum reicht von niedriglegierten IF-Stählen bis zu hochlegierten Rohrgüten.
Das Stahlwerk ist mit 2 Blasstahlkonvertern (Abstichgewicht 270 t), 3 Spülständen und 2
Pfannenstand-Vakuumentgasungsanlagen ausgestattet. Der Stahl wird auf insgesamt 5
Stranggießanlagen vergossen.
Die Peiner Träger GmbH betreibt ein Elektrostahlwerk zur Erzeugung von Vorblöcken
und Beam Blanks für die Herstellung von Profilstahl mit einer jährlichen Produktion von
1.0 Mio t. Das Stahlwerk ist mit einem DC-Lichtbogenofen (Abstichgewicht 100 t), einem
Pfannenofen und einem Spülstand zur Feinlegierung ausgestattet. Die Schmelzen wer-
den auf zwei Stranggießanlagen vergossen.
Bei der Profilstahlherstellung haben die Kosten und somit die Produktivität eine heraus-
ragende Bedeutung. Der Gleichstrom-Lichtbogenofen wurde im Jahre 2001 als erster
Ofen weltweit mit einer 800 mm Graphitelektrode ausgestattet [25]. Damit konnte die
Produktivität bereits um 10 % gesteigert werden. Die daraus resultierenden kurzen
Chargenfolgezeit von unter 40 Minuten, zusammen mit der technischen Randbedingung
von nur einem Pfannentransportkran, erfordern eine erhöhte Energiezufuhr am Pfan-
nenofen, um die Temperaturreserve für den Gießvorgang in jedem Fall sicher zu stel-
len. Dieser Energiepuffer wird dann kurz vor Gießbeginn am Spülstand durch Zugabe
von Kühlschrott abgebaut, um die Schmelze auf die erforderliche Gießtemperatur abzu-
kühlen. Somit besteht ein signifikantes Potential zur Energieeinsparung, das sich durch
eine genauere Temperaturführung realisieren ließe.
-8-
5 Zusammenarbeit mit anderen Stellen
Die Arbeiten wurden von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) und Peiner Trä-
ger GmbH (PTG) in enger Zusammenarbeit mit dem VDEh-Betriebsforschungsinstitut
(BFI) durchgeführt, wobei sich folgende Arbeitsschwerpunkte ergaben:
• HKM und PTG erfassten Prozessdaten zur Entwicklung und Verifikation der Pro-
zessmodelle an den Aggregaten ihrer Stahlerzeugungsroute. Weiterhin wurden die
Anlagen im Stahlwerk mit den notwendigen rechner-, mess- und steuerungstechni-
schen Einrichtungen ausgerüstet, um das dynamische Temperatur-Führungs-
system zu implementieren und zu erproben. Durch einen Vergleich mit entspre-
chenden Daten vor Einführung des Systems wurden die erzielten Verbesserungen
hinsichtlich reduziertem Energie- und Ressourcenverbrauch sowie erhöhter Pro-
duktivität dokumentiert.
Kapitel 6.2 beschreibt die Erfassung der Daten zur Pfannenhistorie und die modellmäßi-
ge Beschreibung des Einflusses auf den thermischen Pfannenzustand. Weiterhin wird
der Einsatz einer Thermokamera bei HKM zur Validierung des modellmäßig berechne-
ten thermischen Pfannenzustands erläutert.
In Kapitel 6.3 wird erläutert, wie die thermischen Modelle für die einzelnen Aggregate
der Stahlerzeugungsroute zusammen mit dem Modell für den thermischen Pfannenzu-
stand zu einer prozessstufen-übergreifenden Beobachtung der Schmelzentemperatur
zusammengeführt wurden.
Kapitel 6.4 beschreibt die Nutzung der Modelle für eine dynamische Prognose des Tem-
peraturverlaufs, die in der in Kapitel 6.5 erläuterten Steuerung des Energieeintrags ge-
nutzt wird.
In Kapitel 6.6 wird schließlich die on-line Implementierung der optimierten Temperatur-
führung in den Stahlwerken von HKM und PTG beschrieben. Abschließend werden
Auswertungsergebnisse zur erzielten Verbesserung der Temperaturführung hinsichtlich
der Energieeinsparung vorgestellt.
Das mittlere Schmelzengewicht beträgt 275 Tonnen. In Bild 1 ist die Prozessroute zusam-
men mit den wesentlichen, an den einzelnen Aggregaten erfassten Prozessdaten
dargestellt.
- 10 -
1. Prozessabschnitt 2. Prozessabschnitt 3. Prozessabschnitt
Konverterabstich Pfannen- / Vakuumbehandlung Ende Pfannenbehandlung
Start Ende Hängezeit
Vakuum Vakuum
61er 71er
Probe Probe
Für die Untersuchungen zum Verlauf der Schmelzentemperatur wurde der gesamte
Behandlungsablauf in 3 Prozessabschnitte unterteilt:
1. Abstich des Konverters von der letzten Temperaturmessung im Konverter bis zur
ersten Temperaturmessung in der Pfanne am Spülstand
2. Pfannen- und Vakuumbehandlung von der 1. bis zur 3. Temperaturmessung in der
Pfanne
3. Ende der Pfannenbehandlung bis zur Übergabe der Schmelze an den Pfannen-
drehturm (Hängezeit)
An den einzelnen Aggregaten der Stahlerzeugungsroute wurden für die Entwicklung und
Validierung von thermischen Prozessmodellen folgende Daten erfasst:
• Schmelzennummer
• Güte (Qualität)
• Format (Strangguss)
• Pfannennummer
• Pfannenalter
• Leerzeit der Pfanne seit Gießende der Vorcharge
• Dauer des Aufheizvorgangs am Pfannenfeuer
Die Prozessdaten werden in einer zentralen Datenbank erfasst und können über geeignete
Datenbankabfragen zusammengestellt und für eine off-line Auswertung bereitgestellt
werden. Anhand dieser Prozessdaten lässt sich das thermische Verhalten einer Schmelze
während der Behandlung in den Aggregaten der Stahlerzeugungsroute vom Abstich am
Primärstahlaggregat Konverter bis zur Übergabe an die Stranggießanlage nachvollziehen.
Im Laufe des Vorhabens wurden die Prozessdaten aus 3 verschiedenen Zeiträumen für
die Auswertung zur Modellentwicklung und –validierung im BFI bereitgestellt:
• Rund 3000 Schmelzen aus dem Jahr 2004 bis Ende Januar 2005
• 2740 Schmelzen aus dem Jahr 2005
• 200 Schmelzen aus dem Jahr 2007
61er Probe
41er Probe
Abstichbeginn
Abstichende
1.15 min
Moseszeit :1040107397
1. Pfannentemperatur
Abstichtemperatur
Pfannenaußenhauttemperatur
TAbst = 1758 °C
0.6 min
T1Pf = 1670°C
Taußenh2 = 282 °C
596 kg Alu-Drops
Bodenspülen
259 kg FeSi 75%
686 kg CaOMgO
Lanzenspülen
1947 kg CaO
118 kg Sand
t1 = Liegezeit
t2 = Abstichlaufzeit
t3 = Zeitraum Abstichende bis Lanzenspülbeginn
t4 = Zeitraum Lanzenspülbeginn bis 1. Pfannentemperatur
Bild 2: Zeitlicher Ablauf der Behandlung einer Beispielschmelze im Stahlwerk der HKM
- 12 -
Das mittlere Schmelzengewicht beträgt 100 Tonnen. In Bild 3 ist die Prozessroute zusam-
men mit den wesentlichen, an den einzelnen Aggregaten erfassten Prozessdaten
dargestellt.
1. Prozessabschnitt 2. Prozessabschnitt 3. Prozessabschnitt
Elektrische
Energie
Für die Untersuchungen zum Verlauf der Schmelzentemperatur wurde der gesamte
Behandlungsablauf in 3 Prozessabschnitte unterteilt:
1. Abstich des Lichtbogenofens von der letzten Temperaturmessung im LBO bis zur
ersten Temperaturmessung in der Pfanne am Pfannenofen
2. Behandlung im Pfannenofen von der ersten bis zur 2. Temperaturmessung in der
Pfanne
3. Behandlung am Spülstand von der ersten bis zur letzten Temperaturmessung
- 13 -
An den einzelnen Aggregaten der Stahlerzeugungsroute wurden für die Entwicklung und
Validierung von thermischen Prozessmodellen folgende Daten erfasst:
Stammdaten der Schmelze
• Schmelzennummer
• Güte (Qualität)
• Format (Strangguss)
Lichtbogenofenbehandlung und Abstich
• Letzte Temperaturmessung vor Abstich Lichtbogenofen
• Sauerstoffmessung vor Abstich Lichtbogenofen
• Abstichgewicht
• Abstichdauer und Abstichalter
• Materialzugaben bei Abstich (Desoxidationsmittel, Legierungsmittel, Schlackenbildner)
Daten zur Pfannenhistorie
• Pfannennummer
• Pfannenalter
• Leerzeit der Pfanne seit Gießende der Vorcharge
Daten der Behandlung im Pfannenofen
• Temperaturmesswerte mit Zeitpunkt der Messung
• Laboranalyse von Stahlproben mit Zeitpunkt der Probenahme
• Mengen, Sorten und Zeitpunkte der Materialzugaben
• Elektrischer Energieeintrag
Daten der Behandlung im Spülstand
• Temperaturmesswerte mit Zeitpunkt der Messung
• Laboranalyse von Stahlproben mit Zeitpunkt der Probenahme
• Mengen, Sorten und Zeitpunkte der Materialzugaben
• Dauer der Spülbehandlung über Lanze und Bodenspüler
Die Prozessdaten werden in einer zentralen Datenbank erfasst und können über geeignete
Datenbankabfragen zusammengestellt und für eine off-line Auswertung bereitgestellt
werden. Anhand dieser Prozessdaten lässt sich das thermische Verhalten einer Schmelze
während der Behandlung in den Aggregaten der Stahlerzeugungsroute vom Abstich am
Primärstahlaggregat Lichtbogenofen bis zur Übergabe an die Stranggießanlage
nachvollziehen.
Im Laufe des Vorhabens wurden die Prozessdaten aus 3 verschiedenen Zeiträumen für
die Auswertung zur Modellentwicklung und –validierung im BFI bereitgestellt:
• Rund 2800 Schmelzen aus dem Zeitraum Januar bis April 2005
• 2160 Schmelzen aus dem Zeitraum Anfang Februar bis Ende April 2006
• 900 Schmelzen aus dem Zeitraum Dezember 2007 bis Januar 2008
• 750 Schmelzen aus dem Zeitraum August 2008
Die Prozessdaten wurden im BFI in eine dem Behandlungsablauf entsprechende
Datenstruktur gebracht. Bild 4 zeigt ausschnittweise den zeitlichen Ablauf einer
Beispielschmelze vom Abstich des Lichtbogenofens bis zur ersten Temperaturmessung im
Pfannenofen.
- 14 -
1. Analyse im LF
11:53 Uhr Eingang im Labor !?
Materialzugaben während
Schlackenbildnerzugabe
11:51:16 Uhr / 1629 °C
Abstichbeginn 11:44:31 Uhr
. Temperaturmessung im LF
LF 11:46:17 Uhr
11:41:56 Uhr / 1698 °C
messung im DC-EAF
des EAF-Abstichs :
letzte Temperatur-
Legierungsmittel :
Al-Deo 88 kg
FeSi 162 kg
SiMn 751 kg
Schlackenbildner :
Dolosp 300 kg
SpKalk 499 kg
Bild 4: Zeitlicher Ablauf der Behandlung einer Beispielschmelze im Stahlwerk der PTG
Die Entwicklung von thermischen Modellen zur Beschreibung des Verlaufs der Schmel-
zentemperatur während der Behandlung in den Aggregaten der jeweiligen Stahlerzeu-
gungsroute umfasst prinzipiell folgende Einflussgrößen:
• Energieeintrag im Primärstahlaggregat (Konverter bzw. Lichtbogenofen) im Zeitraum
zwischen letzter Temperaturmessung und Abstichbeginn
• Identifizierung der Temperaturverluste, die durch den Abstichvorgang sowie durch
Abstrahlung und Spülvorgänge in der Pfanne verursacht werden
• Ermittlung des Energiebedarfs und der damit verbundenen Temperaturverluste für
das Aufschmelzen von Legierungsmitteln und Schlackenbildnern
• Ermittlung des Energieeintrags und der damit verbundenen Temperaturerhöhung
durch Desoxidationsreaktionen aus den beobachteten Abbränden der relevanten
Elemente (Aluminium, Silizium, Mangan, Kohle, Chrom)
• Ermittlung des elektrischen Energieeintrags und der damit verbundenen Tempera-
turerhöhung im Pfannenofen (nur im Elektrostahlwerk von PTG)
Zu Beginn des Vorhabens wurden die in den Werken von HKM und PTG bereits existie-
renden thermischen Modelle auf ihre Eignung für die Verwendung in dem Projekt ge-
prüft. Bei HKM existierte ein weitgehend empirisches Modell zur Vorhersage der Ab-
stichtemperatur für den Blasstahlkonverter, jedoch bisher nur für unberuhigt, d.h. ohne
Zugabe von Desoxidationsmitteln abgestochene Schmelzen. Darin eingebundene An-
sätze zur Bestimmung des thermischen Verhaltens konnten als Ausgangspunkt für eine
detaillierte Modellentwicklung genutzt werden. Bei PTG existierten zu Beginn des Vor-
habens keine thermischen Prozessmodelle. Die Aufstellung von Modellansätzen und
deren Validierung mit den in den Stahlwerken von HKM und PTG erfassten Prozessda-
ten wird in den nächsten beiden Kapiteln im Detail beschrieben.
- 15 -
6.1.4 Validierung von thermischen Modellen für die Prozessroute von HKM
Die Arbeiten zur Entwicklung und Validierung von thermischen Modellen für die Aggregate
der Stahlerzeugungsroute von HKM wurde mit dem ersten Prozessabschnitt, d.h. dem
Abschnitt von der letzten Temperaturmessung im LD-Konverter bis zur ersten Temperatur-
messung in der Pfanne im Spülstand begonnen (siehe Bild 1).
(
ΔT = FRT1 ⋅ TAbstich
4
) (
⋅ t 1 + FRT2 ⋅ TAbstich
4
⋅ t2 )
( ) (
+ RT3 + t PfLeer ⋅ FRT3 ⋅ t 3 + RT4 + t PfLeer ⋅ FRT4 ⋅ t 4) (1)
+ ∑ RTZ ⋅ m Z + ∑ RTA ⋅ m A − ∑ RTY ⋅ M Y
Z A Y
Mit dem Ansatz wurde vorausgesetzt, dass die Temperaturverluste der Schmelze im
Konverter und insbesondere während des Abstichs aufgrund der freien Abstrahlung pro-
portional zu T4 sind. Nach dem Abstichvorgang ist die Stahlschmelze durch eine Schla-
ckenschicht isoliert, so dass lediglich zeitproportionale Temperaturverluste angesetzt
werden müssen. Die materialspezifischen Abkühlfaktoren sind durch die Energie gege-
ben, die für das Aufschmelzen und Lösen der einzelnen Materialien in der Schmelze
erforderlich ist. Der Temperaturgewinn durch den Elementabbrand ist durch die Reak-
tionsenthalpie der entsprechenden Reaktionen mit dem im Stahl gelösten Sauerstoff
gegeben.
Der Modellansatz wurde mit Hilfe der Prozessdaten, die bei HKM im Jahr 2004 für rund
3000 Schmelzen erfasst wurden, verifiziert. Aus dem Vergleich zwischen berechnetem
und gemessenem Temperaturverlust wurden Werte für die Modellparameter FRT1-4, die
Temperaturverlustraten RT3,4 sowie die effektiven Reaktionsenthalpien RTY ermittelt.
Für die Abkühlfaktoren der Schlackenbildner und Legierungsmittel wurden die bei HKM
verwendeten Werte angesetzt.
- 16 -
Für die Validierung des Modellansatzes wurden die Schmelzen in zwei Gruppen aufge-
teilt, die sich durch ihren Behandlungsablauf grundsätzlich unterscheiden. Die größere
der beiden Gruppen umfasst die sogenannten „beruhigten“ Schmelzen. Diese werden
während des Konverterabstichs durch Zugabe von Aluminium-, Silizium- und Mangan-
haltigen Materialien desoxidiert. Die Schmelzen der anderen Gruppe werden als „unbe-
ruhigt“ bezeichnet, da sie bei Abstich nicht desoxidiert werden und somit die Pfannen-
behandlung mit einer relativ hohen Sauerstoffkonzentration beginnen.
In Bild 5 ist der nach (Gl. 1) modellmäßig berechnete gegen den gemessenen Tempe-
raturverlust, der sich aus der Differenz zwischen letzter Konverter-Temperatur und er-
ster Pfannentemperatur ergibt, für die beiden Gruppen aufgetragen.
150 150
X
X
125 125
berechnete Temperaturverluste in K
berechnete Temperaturverluste in K
100 100
75 75
50 50
25 25
0
0
0 25 50 75 100 125 150
0 25 50 75 100 125 150
gemessene Temperaturverluste in K X
gemessene Temperaturverluste in K X
Für die beruhigten Schmelzen (2149 Schmelzen) von HKM ergab sich bzgl. der Tempe-
raturverluste in dem ersten Prozessabschnitt eine Standardabweichung des Modellfeh-
lers von 9.5 K. Für die unberuhigten Schmelzen (141 Schmelzen) beträgt die Standard-
abweichung 7.3 K. Die höhere Standardabweichung des Modellfehlers für beruhigte
Schmelzen lässt sich dadurch erklären, dass die Abschätzung des Energieeintrags
durch Elementabbrände der Desoxidationsreaktionen zusätzliche Unsicherheiten in die
Modellrechnung hineinbringt.
Der Modellansatz aus (Gl. 1) wurde in einem zweiten Schritt in Bezug auf den Einfluss
des thermischen Pfannenzustands präzisiert, siehe (Gl. 2). Dieser verbesserte Modell-
ansatz berücksichtigt die Differenz zwischen der Abstichtemperatur der Schmelze und
der Temperatur der Innenwand der Abstichpfanne TPfinw, die sich in erster Näherung als
Funktion der Leerzeit der Pfanne berechnen lässt:
ΔT = FRT1 ⋅ TAbstich
4
(
⋅ t 1 + FRT2 ⋅ TAbstich
4
⋅ t2 ) ( )
+ RT3 ⋅ (TAbstich − TPfinw ) ⋅ t 3 + t 4 + RT4 ⋅ t 4 (2)
+ ∑ RTZ ⋅ m Z + ∑ RTA ⋅ m A − ∑ RTY ⋅ M Y
Z A Y
- 17 -
Mit dem verbesserten Modellansatz konnte die Genauigkeit bei der Berechnung der
Temperaturverluste, die zwischen der letzten Temperaturmessung im Konverter und der
ersten Messung in der Abstichpfanne auftreten, erhöht werden. Gleichzeitig wurde die
Anzahl der zu ermittelnden Modellparameter vermindert. Weiterhin lässt sich der neue
Modellansatz durch die modifizierte Berücksichtigung des thermischen Pfannenzustands
leichter auf die weiteren Prozessstufen der sekundärmetallurgischen Pfannenbehand-
lung übertragen.
Die Validierung des neuen Modellansatzes erfolgte zunächst mit den bereits zuvor ver-
wendeten Prozessdaten, die im Laufe des Jahres 2004 bei HKM erfasst worden waren.
Für die beruhigten Schmelzen (2121 Schmelzen) konnte die Standardabweichung des
Modellfehlers von 9.5 auf 8.8 K vermindert werden. Für die unberuhigten Schmelzen
(139 Schmelzen) ergab sich nur eine leichte Verbesserung von 7.3 auf 7.1 K.
Im weiteren Verlauf des Vorhabens wurden im Stahlwerk von HKM die Prozessdaten
von 2740 Schmelzen aus dem Jahr 2005 erfasst. Dabei handelte es sich überwiegend
um bereits bei Abstich des Konverters desoxidierte Schmelzen. Aufgrund einer Umstel-
lung in den produzierten Güten wird seit 2005 nur noch ein sehr geringer Prozentsatz
der Schmelzen unberuhigt abgestochen.
Die Validierung des bisherigen Modellansatzes für den 1. Prozessabschnitt wurde mit
Hilfe der neu erfassten Daten weitergeführt. In Bild 6 ist der modellmäßig berechnete
gegen den gemessenen Temperaturverlust aufgetragen. Die Genauigkeit entspricht mit
einer Standardabweichung des Modellfehlers von 9.3 K in etwa dem zuvor auf der Basis
von Prozessdaten aus 2004 erreichten Wert von 8.8 K.
15 0
10 0
75
50
25
0
0 25 50 75 1 00 12 5 150
g emesse ne Tempera tu rve rluste ( TA bstic h-T 1P fann e) in K
Der Modellansatz aus (Gl. 2) für den ersten Prozessabschnitt wurde auf den zweiten
Prozessabschnitt der Stahlerzeugungsroute von HKM übertragen. Dieser umfasst den
Zeitraum von der 1. Pfannentemperaturmessung im Spülstand bis zur 3. Pfannentempe-
raturmessung, die im Vakuumbehandlungsstand erfolgt. Der resultierende Modellansatz
zur Berechnung der Temperaturverluste sieht wie folgt aus:
- 18 -
In Bild 7 ist der für den zweiten Prozessabschnitt berechnete dem gemessenen Tempe-
raturverlust gegenübergestellt. Dabei wurde zwischen Schmelzen ohne und mit Vaku-
umbehandlung unterschieden.
120 120
100 100
berechnete Temperaturverluste in K
berechnete Temperaturverluste in K
80 80
60 60
40 40
0 0
0 20 40 60 80 100 120 0 20 40 60 80 100 120
gemessene Temperaturverluste in K gemessene Temperaturverluste in K
Deutlich ist zu erkennen, dass die Temperaturverluste für Schmelzen mit Vakuumbe-
handlung im Mittel um etwa 20 K höher sind als für die ohne Vakuumbehandlung. Dies
liegt zum einen an der erhöhten Behandlungsdauer, zum anderen aber auch an einer
erhöhten Temperatur-Verlustrate während der Vakuumbehandlung.
- 19 -
Um für die gesamte Prozesskette einen allgemeingültigen Ansatz für die Temperatur-
Verlustrate vorzugeben, wurde der Modellansatz auf einen durchgängigen exponentiel-
len Ansatz erweitert. Dieser ergibt sich, wenn man den Verlauf der Schmelzentempera-
tur alleine in Abhängigkeit der Verweilzeit der Schmelze in der Pfanne seit Abstichende
des Konverters untersucht, siehe Bild 8. Bei der Berechnung dieser Verlustrate wurden
alle Temperatureffekte von Materialzugaben und chemischen Reaktionen eliminiert. Die
Schwankungen in der Verlustrate lassen sich zum Teil durch den variierenden thermi-
schen Zustand der Gießpfanne erklären, der in den Modellrechnungen über einen
Startwert für die Temperatur-Verlustrate in Abhängigkeit von der Pfannenhistorie be-
rücksichtigt wird (siehe Abschnitt 6.2).
Damit lässt sich für die gesamte pfannenmetallurgische Behandlung der folgende Mo-
dellansatz zur Berechnung der Temperaturverluste aufstellen:
(
ΔT = FRT1 ⋅ TAbstich
4
) (
⋅ t BOF + FRT2 ⋅ TAbstich
4
)
⋅ t Abstich
+ RTEnd ⋅ (t Pfanne ) + RTNull ⋅ t RT ⋅ [1 − exp( −t Pfanne / t RT )]
+ RTBS ⋅ t Boden + RTLS ⋅ t Lanze + RTV ⋅ t Vakuum (4)
60
Berechneter Temperaturverlust in K .
50
40
30
20
10
0
0 10 20 30 40 50 60 70
Gemessener Temperaturverlust in K
Im Jahr 2007 wurden im Stahlwerk von HKM die Prozessdaten von weiteren 200
Schmelzen erfasst. Die Auswertung der Prozessdaten wurde für alle dem BFI vorliegen-
den Schmelzen (insgesamt rund 1600) auf die gesamte Pfannenbehandlung von der
ersten bis zur letzten Temperaturmessung in der Pfanne ausgedehnt, um auch den
thermischen Gleichgewichtszustand zwischen Schmelze und Gießpfanne, der am Ende
der Pfannenbehandlung erreicht wird, erfassen zu können. Bei einigen Schmelzen wur-
den bis zu 8 Temperaturmessungen in der Pfanne durchgeführt.
Der Modellansatz zur Berechnung des Verlaufs der Schmelzentemperatur blieb gegen-
über dem von Gl. (4) nahezu unverändert. Die Modellparameter wurden mit Hilfe der
erweiterten Prozessdatenbasis angepasst, um über die gesamte Pfannenbehandlung
hinweg eine möglichst hohe Modellgenauigkeit zu erzielen. Der Parameter RTNull, über
den der Einfluss des thermischen Pfannenzustands auf die Temperaturverlustrate be-
- 21 -
rücksichtigt wird, wurde so wie in Abschnitt 6.2.2 beschrieben aus den Daten der Pfan-
nenhistorie berechnet.
In den Bildern 10, 11 und 12 ist die abschließend erreichte Genauigkeit des Modells für
die einzelnen Prozessabschnitte über den Vergleich zwischen berechnetem und ge-
messenem Temperaturverlust dargestellt.
200
175
berechnete Temperaturverluste in K .
Mittelwert: 0.8 K
150 Standardabw : 9.7 K
125
100
75
50
25
Anzahl Schmelzen: 1596
0
0 25 50 75 100 125 150 175 200
gemessene Temperaturverluste in K
berechnete Temperaturverluste in K
80 80
60 60
40 40
0 0
0 20 40 60 80 100 120 0 20 40 60 80 100 120
gemessene Temperaturverluste in K gemessene Temperaturverluste in K
.
Mittelwert: -0.5 K
80 80
Standardabw : 5.6 K
berechnete Temperaturverluste in K
berechnete Temperaturverluste in K
60 60
40 40
20 20
0 0
Anzahl Schmelzen: 666
Für den Prozessabschnitt vom Abstich des Konverters bis zur ersten Pfannentempera-
turmessung liegt die Standardabweichung des Modellfehlers unter 10 K, für die weiteren
beiden Abschnitte liegt sie zwischen 5 und 8 K. Damit sind die Modelle für die einzelnen
Prozessabschnitte ausreichend genau für eine Beobachtung der Schmelzentemperatur
entlang der Stahlerzeugungsroute.
- 23 -
6.1.5 Validierung von thermischen Modellen für die Prozessroute von PTG
Die Entwicklung von thermischen Modellen für die Stahlerzeugungsroute von PTG kon-
zentrierte sich zunächst auf den Abstichvorgang des Primärstahlaggregats, dem Licht-
bogenofen, und den ersten Schritt der Pfannenbehandlung bis zur ersten Temperatur-
messung im Pfannenofen.
(
ΔT = FRT1 ⋅ TAbstich
4
) (
⋅ t 1 + FRT2 ⋅ TAbstich
4
)
⋅ t2
(
+ RT3 + t PfLeer ⋅ FRT3 ⋅ t 3 )
(5)
+ ∑ RTZ ⋅ m Z + ∑ RTA ⋅ m A − ∑ RTY ⋅ M Y
Z A Y
Der Modellansatz wurde zunächst mit Hilfe der Prozessdaten, die bei PTG für rund 3000
Schmelzen im Jahr 2005 erfasst wurden, verifiziert. Aus dem Vergleich zwischen be-
rechnetem und gemessenem Temperaturverlust wurden Werte für die Modellparameter
FRT1-3, die Temperaturverlustrate RT3 sowie die Reaktionsenthalpien RTY ermittelt. Für
die Abkühlfaktoren der Schlackenbildner und Legierungsmittel wurden zunächst die bei
PTG verwendeten Werte angesetzt. Anders als bei HKM war für die Schmelzen von
PTG keine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich, da in dem Elektrostahlwerk alle
- 24 -
im Lichtbogenofen erzeugten Schmelzen durch die Zugabe von Aluminium „beruhigt“
abgestochen werden.
Für die Schmelzen von PTG ergab sich für den ersten Prozessabschnitt eine Standard-
abweichung des Modellfehlers von 28.3 °C (1810 Schmelzen). In Bild 13 ist das Ergeb-
nis über den Vergleich zwischen berechneten und gemessenen Temperaturverlusten
graphisch dargestellt.
200
150
berechnete Temperaturverluste in K
100
50
-50
-100
-150
-150 -100 -50 0 50 100 150 200
gemessene Temperaturverluste in K
Der erste Modellansatz aus (Gl. 5) zur Berechnung der Temperaturverluste im ersten
Prozessabschnitt der Stahlerzeugungsroute von PTG wurde ähnlich wie für HKM (siehe
Gl. 2) modifiziert. Mit diesem verbesserten Modellansatz konnte die Genauigkeit bei der
Berechnung der Temperaturverluste, die zwischen der letzten Temperaturmessung im
Lichtbogenofen und der ersten Messung im Pfannenofen auftreten, leicht erhöht wer-
den. Die Standardabweichung des Modellfehlers wurde von 28.3 auf 26.8 K verringert.
In Bild 14 ist auf der linken Seite der für den 1. Prozessabschnitt modellmäßig berech-
nete gegen den gemessenen Temperaturverlust aufgetragen. Die Genauigkeit ist mit
einer Standardabweichung des Modellfehlers von 23.8 K besser als der zuvor auf der
Basis von Prozessdaten aus 2004 erreichte Wert von 26.8 K. Im Vergleich zum Blas-
stahlkonverter muss jedoch festgestellt werden, dass die Temperaturmessung im Licht-
bogenofen vor Abstich eine höhere Messunsicherheit aufweist, die sich dann in der Ge-
nauigkeit der Vorhersage der Temperaturverluste bei Abstich auswirkt.
- 25 -
Die rechte Seite des Bildes zeigt den Vergleich für den zweiten Prozessabschnitt, also
die Behandlung im Pfannenofen (LF). Die Temperaturverluste sind überwiegend nega-
tiv, da die Schmelze im LF durch die Zufuhr elektrischer Energie aufgeheizt wird. Für
diesen Prozessabschnitt der Pfannenbehandlung ist die Modellgenauigkeit mit 8.6 K mit
der für das Blasstahlwerk von HKM erreichten (siehe Bild 8) vergleichbar.
150 50
berechnete Temperaturverluste bei Abstich LBO in K
berechnete Temperaturverluste im LF in K
100
0
50
-50
-100
-50
Standardabw: 8.6 K
Standardabw: 23.8 K Anzahl Schmelzen:821
Anzahl Schmelzen 1557
-100 -150
-100 -50 0 50 100 150 -150 -100 -50 0 50
gemessene Temperaturverluste bei Abstich LBO in K gemessene Temperaturverluste im LF in K
Schließlich wurde die Modellierung des Temperaturverhaltens auf den 3. und letzten
Prozessabschnitt der Pfannenbehandlung (siehe Bild 2), die Behandlung im Spülstand,
ausgedehnt und mit den bereits zur Verfügung stehenden Prozessdaten validiert. In Bild
15 ist der für den 3. Prozessabschnitt modellmäßig berechnete gegen den gemessenen
Temperaturverlust aufgetragen. Neben einer recht hohen Standardabweichung von über
10 K zeigte der Modellfehler einen deutlich von Null abweichenden Mittelwert. Dies lässt
sich dadurch erklären, dass bei PTG zunächst die getrennte Erfassung des Transport-
zeitraums zwischen Pfannenofen und Spülstand, in dem die Schmelze nicht mit Spülgas
beaufschlagt wird, und des eigentlichen Spülzeitraums nicht möglich war. Weiterhin
konnte in der Prozessdatenerfassung noch nicht zwischen Boden- und Lanzenspülen
unterschieden werden. Dies hatte zur Folge, dass in den Modellrechnungen für die drei
verschiedenen Prozesssituationen mit einer einheitlichen Temperaturverlustrate gear-
beitet werden muss, was der Realität wegen der stark unterschiedlichen Spülintensität
nicht entspricht. Daher wurde die Prozessdatenerfassung bei PTG entsprechend modifi-
ziert und erweitert, um die drei genannten Prozessphasen der Pfannenbehandlung klar
unterscheiden zu können.
- 26 -
100
Standardabw: 10.1 K
Anzahl Schmelzen: 802
berechnete Temperaturverluste im AS in K
80
60
40
20
0
0 20 40 60 80 100
gemessene Temperaturverluste im AS in K
Standardabw: 7.7 K
Anzahl Schmelzen: 636
berechnete Temperaturverluste im LF in K .
berechnete Temperaturverluste im AS in K .
50 80
0 60
-50 40
-100 20
Standardabw: 10.1 K
Anzahl Schmelzen 1438
-150 0
-150 -100 -50 0 50 100 0 20 40 60 80 100
gemessene Temperaturverluste im LF in K gemessene Temperaturverluste im AS in K
berechnete Temperaturverluste im LF in K .
100 100
50 50
.
0 0
Mittelwert: -0.4 K
-50 -50
Mittelwert: -1.3 K Standardabw: 5.4 K
Standardabw: 19.6 K Anzahl Schmelzen 282
Anzahl Schmelzen 282
-100 -100
-100 -50 0 50 100 150 -100 -50 0 50 100 150
gemessene Temperaturverluste bei Abstich LBO in K gemessene Temperaturverluste im LF in K
Bild 18 zeigt schließlich das Ergebnis der Modellrechnungen für den Übergang der
Schmelze vom Pfannenofen zum Spülstand (linkes Teilbild) bzw. für den Spülstand sel-
ber. Hier ist die Modellgenauigkeit auf einem ähnlich guten Niveau wie im Pfannenofen.
100 100
Mittelwert: -0.7 K
Mittelwert: -0.1 K
Standardabw: 6.3 K
berechnete Temperaturverluste zw. LF u. AS in K ..
Standardabw: 5.1 K
75 Anzahl Schmelzen: 282
berechnete Temperaturverluste im AS in K .
50 50
25 25
0 0
-25 -25
-50 -50
-50 -25 0 25 50 75 100 -50 -25 0 25 50 75 100
gemessene Temperaturverluste zw. LF u. AS in K gemessene Temperaturverluste im AS in K
Die Entwicklung des Modells für den thermischen Zustand der Pfanne wurde im Zu-
sammenhang mit der Entwicklung der thermischen Modelle für die einzelnen Schritte
der Pfannenbehandlung (siehe Abschnitt 6.1) durchgeführt. Dabei spielt das thermische
Verhalten der Schmelze während des Abstichvorgangs die entscheidende Rolle, da da-
bei der größte Anteil des Temperaturausgleichs zwischen der Pfanne und der Schmelze
stattfindet. Dennoch wurde auch die weitere Pfannenbehandlung in die Auswertungen
mit einbezogen, da sich auch noch hier der thermische Zustand der Pfanne auf die
Temperaturverlustrate der Schmelze auswirkt.
Zur Entwicklung eines Modells für den thermischen Pfannenzustand wurden zunächst
die in den Werken von HKM und PTG existierenden Daten über die Pfannenhistorie ge-
sichtet. Die Gießpfanne durchläuft im Stahlwerk in der Regel folgenden Weg:
• Leere Pfanne wird in Abstichposition des Primärstahlaggregats gesetzt
• Abstich des flüssigen Stahls in die Pfanne
• Pfannenmetallurgische Behandlung in den verschiedenen Aggregaten
• Transport der Pfanne zur Stranggießanlage, dort Gießvorgang
• Transport der leeren Pfanne in die Pfannenwirtschaft, dort Kontrolle
• Ggf. Aufheizen der Pfanne unter einem Pfannenfeuer
• Transport der leeren Pfanne zur Abstichposition des Primärstahlaggregats
Dieser Ablauf ist in Bild 19 noch einmal beispielhaft für die Elektrostahlroute im Stahl-
werk von PTG dargestellt.
Abstich LBO LF - Behandlung Spülstand Stranggieß-
LBO-Behandlung
anlage
2. Leerstehzeit 1. Leerstehzeit
Feuerzeit
Pfanne aus dem Umlauf
Im Stahlwerk der HKM existierte zu Beginn des Vorhabens bereits eine detaillierte und
automatisierte Erfassung von Daten zur Pfannenhistorie. Sie umfasst folgende Informa-
tionen:
• Pfannennummer
• Pfannenalter (Anzahl Schmelzen in der Pfanne)
• Gesamte Leerzeit der Pfanne vom Zeitpunkt Gießende der Vorcharge bis Abstichbe-
ginn der Folgecharge, bestehend aus den Zeiten:
- Gießende bis Beginn Aufheizen unter Pfannenfeuer
- Dauer Aufheizen unter Pfannenfeuer
- Ende Aufheizen unter Pfannenfeuer bis Einsetzen der Pfanne in Abstichposition
- Einsetzen der Pfanne in Abstichposition bis Beginn Abstich
Die bisherigen, bei HKM durchgeführten statistischen Auswertungen bzgl. des Wärme-
haushalts der Pfanne hatten gezeigt, dass die wichtigste Einflussgröße die gesamte
Leerzeit der Pfanne ist. Die Verweildauer der leeren Pfanne unter dem Pfannenfeuer
spielt nach diesen Auswertungen bei typischen Leerzeiten (≈110 min) und unter norma-
len Produktionsbedingungen (2-Konverter-Betrieb, Vollauslastung) nur eine untergeord-
nete Rolle.
Die Entwicklung eines Modells für den thermischen Pfannenzustand wurde auf der Ba-
sis von Daten über die Pfannenhistorie durchgeführt, die im Stahlwerk von HKM stan-
dardmäßig zusammen mit den anderen Prozessdaten erfasst werden.
Wie im Abschnitt 6.1 zu Gl. 5 erläutert, geht in dem neuen Modellansatz die Pfannenhis-
torie über den Startwert RTNull der Temperatur-Verlustrate in die Berechnung der Tem-
peraturverluste während der Pfannenbehandlung ein. Eine Regressionsanalyse für
RTNull (siehe Bild 20) ergab, dass die wesentlichen Einflussfaktoren die Leerzeit der
Pfanne, das Pfannenalter sowie die letzte Verteilertemperatur der Vorschmelze in der
Pfanne sind. Die Aufheizdauer unter dem Pfannenfeuer zeigt nahezu keine Korrelation
mit der Temperatur-Verlustrate. Weiterhin spielt natürlich die Abstichtemperatur, mit der
die Schmelze in die Pfanne kommt, eine entscheidende Rolle.
- 30 -
Regressions-Statistik
Multipler Korrelationskoe 0.344242061
Bestimmtheitsmaß 0.118502596
Adjustiertes Bestimmthei 0.113392467
Standardfehler 1.459524418
Beobachtungen 1389
ANOVA
Freiheitsgrade (df) adratsummen ( QuadratsummPrüfgröße (F)
Regression 8 395.192456 49.399057 23.1897426
Residue 1380 2939.69191 2.13021153
Gesamt 1388 3334.88436
Dieser lineare Ansatz zur Berechnung des Startwerts der Temperaturverlustrate wurde
noch dahingehend abgewandelt, dass bezüglich der Abhängigkeit von der Leerzeit eine
exponentielle Sättigungsfunktion gewählt wurde, so dass bei sehr langen Leerzeiten die
Temperaturverlustrate auf einen Maximalwert begrenzt wird.
1400
65
Pfannen-Innenwandtemperatur in °C .
1300
60
Energieinhalt in GJ
1200
55
1100
50
1000
Direktstart Aufheizen
Direktstart Aufheizen
45 Aufheizen nach 50 min
900 Aufheizen nach 50 min
Aufheizen nach 100 min Aufheizen nach 100 min
Aufheizen nach 200 min Aufheizen nach 200 min
800 40 Kein Aufheizen
Kein Aufheizen
Ungedeckelte Pfanne Ungedeckelte Pfanne
700 35
-60 0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 -60 0 60 120 180 240 300 360 420 480 540
Zeit in min (Gießende = - 50 min) Zeit in min (Gießende = - 50 min)
350
300
250
200
150
-60 0 60 120 180 240 300 360 420 480 540
Zeit in min (Gießende = - 50 min)
Zur Verifikation des Modells für den thermischen Pfannenzustand wurde im November
2005 eine thermographische Pfannenaußenhaut-Temperaturmessung der leeren Pfan-
ne in der Abstichgrube unter dem Konverter in Betrieb genommen. In Bild 23 ist die
Thermo-Kamera mit ihrem Einbauort an der Abstichposition des Konverters dargestellt.
Bild 24 zeigt ein thermographisches Bild der Pfanne mit der Position der Temperatur-
messwert-Erfassung. Die Außenhaut-Temperatur an diesem Messort wurde in der Da-
tenbank zusammen mit den anderen Prozessdaten abgespeichert.
- 33 -
Erstmalig standen die Messwerte der Thermokamera für 510 Schmelzen aus der 2. Da-
tenerfassungskampagne aus dem Jahr 2005 zur Verfügung und wurden genutzt, um
das zu diesem Zeitpunkt bestehende Modell für den thermischen Pfannenzustand zu
validieren. Im linken Teil von Bild 25 sind die Messwerte der Thermokamera, die vor
und nach Abstich des Konverters erfasst wurden, gegeneinander aufgetragen. Im rech-
ten Teilbild ist gezeigt, wie die modellmäßig aus der Leerzeit berechnete Pfanneninnen-
wand-Temperatur mit dem vor Abstich erfassten Messwert der Pfannenaußenhaut-
Temperatur korreliert.
400 1350
gemessene Pfannenaußenhaut-Temperatur nach Abstich in °C
R2 = 0.0203
350 1300
300 1250
250 1200
200 1150
150 1100
150 200 250 300 350 400 150 200 250 300 350 400
gemessene Pfannenaußenhaut-Temperatur vor Abstich in °C vor Abstich gemessene Pfannenaußenhaut-Temperatur in °C
Für den Fall, dass die mit der Thermokamera gemessene Pfanneaußenhauttemperatur
deutlich niedriger als der aus der Pfannenhistorie ermittelte Wert ist, wird ein zusätzli-
cher Temperaturpuffer zur Bestimmung der Konverterabstichtemperatur angesetzt. Mit
diesem Ansatz kann eine falsche Anpassung der Abstichtemperatur und somit eine Un-
terschreitung der Soll-Gießtemperatur vermieden werden.
- 35 -
6.2.3 Erfassung der Pfannenhistorie im Stahlwerk von PTG
Im Stahlwerk der PTG existierte zu Beginn des Vorhabens keine Erfassung von Daten
zur Pfannenhistorie. Lediglich die Leerzeit der Pfanne konnte aus der Zeitdifferenz zwi-
schen dem Gießende der Vorcharge und dem Beginn des Abstichs der Folgecharge in
die gleiche Pfanne ermittelt werden.
Zu Beginn des Jahres 2006 wurde im Stahlwerk der PTG zur Erfassung von Daten zur
Pfannenhistorie ein entsprechendes Rechnersystem an der Bedienstation der Pfannen-
feuer implementiert. Dieses System umfasst eine Software, um dem Bediener Einga-
bemöglichkeiten für die Daten des Aufheizvorgangs der leeren Pfanne zu schaffen und
diese Daten zeitgerecht und der jeweiligen Pfanne zuzuordnen. Die erfassten Daten
werden dann in der Prozessdatenbank abgelegt, so dass sie sich im Zusammenhang
mit den anderen Prozessdaten auswerten lassen.
Bild 27 zeigt die Erfassung der Daten an den einzelnen Aufheizstationen der leeren
Pfannen. Diese umfasst die Zeiten und Aufheiztemperaturen unter dem Pfannenfeuer,
sowie die Verfolgung der im Umlauf befindlichen Pfannen an den Aggregaten des
Stahlwerks.
Bild 27: Bedienmaske zur Erfassung der Daten am Pfannenfeuer sowie zur Pfannen-
verfolgung im Stahlwerk der PTG
In den in Bild 28 gezeigten Bedienmasken werden die Daten einer einzelnen Pfanne im
Überblick dargestellt. Bild 29 zeigt eine Maske für die wesentlichen Daten aller im Ein-
satz befindlichen Pfannen.
- 36 -
Bild 28: Masken zur Darstellung aller erfassten Daten einer Pfanne
- 37 -
Bild 29: Maske zur Darstellung der wesentlichen Daten aller im Einsatz befindlichen
Pfannen
Für einen Großteil der ausgewerteten 900 Schmelzen aus dem Zeitraum Dezember
2007 bis Januar 2008 war das Datenmaterial jedoch noch nicht vollständig und plausi-
bel, so dass eine detaillierte Auswertung und eine Einbindung der Ergebnisse in das
Temperaturmodell zunächst noch nicht möglich war. Daher wurden im August 2008 die
Daten von weiteren ca. 750 Schmelzen erfasst und ausgewertet.
Im Stahlwerk der PTG wird zwischen zwei Wegen der Gießpfanne unterschieden (siehe
Bild 19):
• Sogenannte Umlaufpfannen, die direkt aus dem Umlauf kommen, d.h. die nach En-
de des Gießvorgangs ohne Aufheizen am Pfannenfeuer direkt zur Abstichposition
des Lichtbogenofens kommen
• Sogenannte Feuerpfannen, die aus dem Umlauf genommen und am Pfannenfeuer
aufgeheizt werden
- 38 -
Die Analyse der Daten der Pfannenhistorie bzgl. ihres Einflusses auf den thermischen
Pfannenzustand wurde für diese beiden Pfannentypen getrennt durchgeführt. In dem
betrachteten Zeitraum waren etwa 20 % der Pfannen Feuerpfannen, etwa 80 % der
Pfannen liefen als Umlaufpfannen nicht über das Pfannenfeuer.
Für die Umlaufpfanne sind als Einflussgrößen die gesamte Leerzeit, das Pfannenalter
und die Abstichtemperatur zu berücksichtigen. Ähnlich wie für HKM wurde zunächst für
jede Schmelze ein Wert für RTNull ermittelt, mit dem die berechneten zeitabhängigen
Temperaturverluste am Pfannenofen mit den gemessenen Verlusten, vermindert um die
als bekannt vorausgesetzten Einflüsse über Materialzugaben und elektrisches Heizen,
exakt übereinstimmen. Für dieses RTNull wurde dann eine lineare Regression mit den
oben genannten Daten der Pfannenhistorie durchgeführt, deren Ergebnis in Bild 30 dar-
gestellt ist.
Regressions-Statistik
Multipler Korrelationskoeff 0.264348201
Bestimmtheitsmaß 0.069879971
Adjustiertes Bestimmtheits 0.057747971
Standardfehler 3.450507427
Beobachtungen 234
ANOVA
Freiheitsgrade (df) adratsummen (S
e Quadratsumm Prüfgröße (F)
Regression 3 205.7346732 68.5782244 5.759971084
Residue 230 2738.380346 11.9060015
Gesamt 233 2944.115019
Als entscheidender Einflussfaktor der Pfannenhistorie wurde die Leerzeit der Pfanne
ermittelt. In Bild 31 ist die Verlustrate RTNull gegen die Leerzeit aufgetragen. Deutlich ist
erkennbar, dass die Leerzeit in der Regel nur in sehr engen Grenzen schwankt, da eine
Umlaufpfanne immer möglichst schnell von der Gießanlage zur Abstichposition des
Lichtbogenofens transportiert wird. Längere Leerzeiten haben demnach eine deutlich
höhere Verlustrate zur Folge.
Das Pfannenalter spielt eine nur untergeordnete Rolle, neu zugestellte Pfannen werden
immer am Pfannenfeuer aufgeheizt, bevor sie in den Umlauf kommen. Weiterhin wird
der dynamische Anteil der Temperaturverlustrate im Wesentlichen von der Schmelzen-
temperatur bei Abstich des Lichtbogenofens beeinflusst.
- 39 -
7
5
RTNull in K / min .
0
0 200 400 600 800 1000 1200 1400
Leerzeit in min
Bild 31: Startwert der Temperatur-Verlustrate in Abhängigkeit von der Leerzeit für
Umlaufpfannen
Für eine Feuerpfanne muss die Leerzeit in drei Abschnitte unterteilt werden (siehe Bild
19). Neben der eigentlichen Aufheizdauer werden die Zeitabschnitte vor und nach dem
Aufheizen separat betrachtet. Das Ergebnis einer linearen Regression zur Ermittlung
des Startwerts RTNull der dynamischen Temperaturverlustrate ist in Bild 32 zusammen-
gestellt.
Regressions-Statistik
Multipler Korrelationskoeff 0.547642506
Bestimmtheitsmaß 0.299912315
Adjustiertes Bestimmtheits 0.216568543
Standardfehler 2.253325528
Beobachtungen 48
ANOVA
Freiheitsgrade (df) adratsummen (e Quadratsumm Prüfgröße (F)
Regression 5 91.35640991 18.27128198 3.598497014
Residue 42 213.2539892 5.077475933
Gesamt 47 304.6103991
Für die Feuerpfannen spielt die eigentliche Aufheizzeit am Pfannenfeuer die entschei-
dende Rolle. Weiterhin ist auch hier der Einfluss der Abstichtemperatur am Lichtbogen-
ofen zu berücksichtigen. In Bild 33 ist die Verlustrate RTNull gegen die Heizdauer aufge-
tragen. Für die meisten Schmelzen schwankt die Verweilzeit der Pfanne am Pfannen-
feuer nur wenig. Pfannen mit einer längeren Heizdauer führen wegen der ebenfalls län-
geren Leerzeit zu einer höheren Temperatur-Verlustrate.
- 40 -
14
12
10
RTNull in K / min .
0
0 500 1000 1500 2000 2500
Heizdauer in min
Bild 33: Startwert der Temperatur-Verlustrate in Abhängigkeit von der Leerzeit für
Umlaufpfannen
Die Ergebnisse der linearen Regression wurden in dem Modellansatz für die prozesstu-
fen-übergreifende Berechnung des Temperaturverlaufs genutzt, um den Startwert der
dynamischen Temperaturverlustrate aus den Daten der Pfannenhistorie und der Ab-
stichtemperatur zu ermitteln. Die Zeitkonstante für das Abklingen der Verlustrate wurde
anhand der Validierung des Modellansatzes zu 8 Minuten ermittelt. In Bild 34 ist der
zeitliche Verlauf der dynamischen Temperaturverlustrate für Umlaufpfannen und Feuer-
pfannen dargestellt. Gekennzeichnet ist jeweils der für alle Schmelzen berechnete Mit-
telwert, sowie ein durch die Standardabweichung definierter Streubereich. Weiterhin ist
die mittlere Verweilzeit der Pfanne an den einzelnen Aggregaten gekennzeichnet. Man
kann erkennen, dass Feuerpfannen eine etwas höhere dynamische Verlustrate aufwei-
sen als Umlaufpfannen.
6
Heizpfannen
5
Umlaufpfannen
4
RTNull in K / min
0
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Abstich Start LF Start AS
Zeit in min
Bereits bei der Entwicklung der Modellansätze für die einzelnen Abschnitte der Verfah-
renskette vom Abstich des Primärstahlaggregates bis hin zum Gießprozess (siehe Ab-
schnitt 6.1) wurde auf eine prozessstufen-übergreifende Betrachtungsweise Wert gelegt.
So wurden beispielsweise bei der Modellierung für die zweite Prozessstufe (Vakuumbe-
handlungsstand bei HKM, Pfannenofen bei PTG) die relevanten Einflussgrößen der 1.
Prozessstufe, z.B. die Verweilzeit der Schmelze in der Pfanne seit Abstich des Primär-
stahlaggregats, berücksichtigt.
1750 217829
LBO Pfannenofen Argon-Spülstand
Abstichbeginn
Temperatur-Messungen
1700
Abstich - Ende / berechneter Temperaturverlauf
Beginn LF
Temperatur in °C
1650 LF - Ende /
Beginn AS AS - Ende
1600
1550
1500
-5 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75
Zeit in min
In einem ersten Ansatz wurde für HKM zunächst anhand der Daten von unberuhigten
Schmelzen ein prognostizierendes Temperaturmodell für den ersten Prozessabschnitt
aufgestellt. Mit diesem Modell konnte auf der Basis der bekannten Abstichtemperatur
mit statistisch ermittelten Parametern und mittleren Zugabemengen an Schlackenbild-
nern die Temperatur vorhergesagt werden, die sich nach Abstich in der Pfanne einstellt.
In Gl. 6, die der Gl. 2 zur Berechnung der Temperaturverluste in dem ersten Prozessab-
schnitt entspricht, ist markiert, für welche der Einflussgrößen in einer Prognoserechnung
Schätzwerte (rot markiert) bzw. Mittelwerte (blau markiert) angenommen werden müs-
sen.
ΔT = FRT 1 ⋅ T Abstich
4
(
⋅ t 1 + FRT 2 ⋅ TAbstich
4
)
⋅ t2 ( )
+ RT 3 ⋅ (T Abstich − TPfinw ) ⋅ t 3 + t 4 + RT 4 ⋅ t 4 (6)
+ ∑ RTZ
Z
⋅mZ + ∑ RT
A
A
⋅mA + ∑ RT
Y
Y
⋅M Y
11
.
10
Abstichdauer in min
3
0 20 40 60 80 100 120
Abstichalter .
Bild 38: Zusammenhang zwischen Abstichdauer und Abstichalter für den Blasstahlkon-
verter von HKM
- 45 -
Für die Zugabemengen an Schlackenbildnern mZ sowie die Zeiträume t1, t3 und t4 wur-
den Mittelwerte gewählt, die sich aus den Daten der auswerteten Kampagne ergeben.
Da es sich um unberuhigt abgestochene Schmelzen handelt, wurden keine Legie-
rungsmittel (mA) zugegeben, und somit waren auch keine Energieeinträge durch Ele-
ment-abbrände (MY) zu berücksichtigen. Die Daten der Pfannenhistorie (Leerzeit, Pfan-
nenalter etc.) sind zum Zeitpunkt der Messung der Abstichtemperatur bekannt.
125
vorausberechnete Temperaturverluste in K .
100 80
75 60
50 40
0 0
0 25 50 75 100 125 150 0 20 40 60 80 100 120
gemessene Temperaturverluste (TAbstich-T1Pfanne) in K gemessene Temperaturverluste in K
In einem nächsten Schritt wurde für den letzten Abschnitt der Pfannenbehandlung ein
empirischer Modellansatz zur Vorausberechnung der Temperaturverluste während der
sogenannten Hängezeit der Schmelze entwickelt. Die Hängezeit ist die Zeit zwischen
dem Ende der sekundärmetallurgischen Behandlung und dem Beginn des Gießens, in
der die Schmelze, mit einer thermisch isolierenden Abdeckmasse versehen, ruht, um
nichtmetallische Einschlüsse abzuscheiden. Die Temperaturverluste während dieser
Zeit wurden in Abhängigkeit von der geplanten Verweildauer der Schmelze in der Pfan-
ne und der Leerzeit der Pfanne vorausberechnet. Zusammen mit der angestrebten
Gießleistung ergibt sich damit eine Vorgabe für die optimale Abgabetemperatur der
Schmelze nach Abschluss der Pfannenbehandlung.
Das Modell zur Prognose des Temperaturverlustes während der Hängezeit und wäh-
rend des Giessens wurde vollständig in den operativen Betrieb übernommen, d.h. die
Behandler wurden angewiesen, die Vorgaben aus dem Modell zu 100% umzusetzen.
Das Modell gibt das Temperaturverhalten der Schmelzen im betrieblichen Einsatz mit
einer befriedigenden Genauigkeit wieder. Obwohl die Güte des Modells ständig kontrol-
liert wurde, um gegebenenfalls steuernd einzugreifen, wurde die Berechnungsgrundlage
nach kurzer Zeit als ausgereift, stabil und praxistauglich angesehen, d.h. an den Pro-
zessparametern wurden so gut wie keine Veränderungen mehr vorgenommen. Im
nächsten Schritt wurde die Visualisierung der Ergebnisse der Modellrechnungen trans-
parenter gestaltet, und dem Behandler als Hilfsmittel zur optimalen Einstellung der
Schmelzentemperatur zur Verfügung gestellt.
Die verbesserte Vorhersagegenauigkeit wurde dazu genutzt, die Gießreserve, also den
Sicherheitszuschlag über der Liquidustemperatur des zu vergießenden Stahls, bei eini-
gen Güten vorsichtig herabzusetzen. Eine geringere Gießreserve hat sowohl produkti-
ons-spezifische Vorteile, - es kann schneller gegossen und somit mehr produziert wer-
den -, als auch qualitätsspezifische Vorteile, da das Vormaterial weniger innenrissge-
fährdet ist. Weiterhin entsteht ein Potential zur Energieeinsparung mit den damit ver-
bundenen Kostenvorteilen durch die entsprechende Absenkung der Abstichtemperatur
bei diesen Güten. Bereits mit diesem einfachen Ansatz ließ sich die Überhitzung im Ver-
teiler um 3 Grad absenken.
Das bei HKM entwickelte Modell zur prozessstufenübergreifenden Prognose des Tem-
peraturverlustes wurde schließlich vollständig in den operativen Betrieb des Stahlwerks
übernommen, um die während der Pfannenbehandlung zu erwartenden Temperaturver-
luste bereits vor Abstich des Konverters zu prognostizieren. Dabei wurde eine Vorge-
hensweise gewählt, die ausgehend von der Temperatur im Verteiler der Stranggießan-
lage den Temperaturverlauf in die Vergangenheit bis zur Abstichtemperatur des Konver-
ters berechnet. Anders als bei der on-line Beobachtung oder der Nachbetrachtung einer
Schmelze, bei denen Informationen über tatsächlich getätigte Stoffzugaben bzw. Be-
handlungszeiten in den verschiedenen Aggregaten vorliegen (siehe Bild 35), muss für
eine Prognose das Temperaturmodell mit möglichst präzisen Annahmen dieser Ein-
gangsdaten versorgt werden.
In der nachfolgenden Tabelle ist zusammengestellt, aus welchen Quellen die Eingangs-
daten für die Prognoserechnung bereitgestellt werden.
- 47 -
Eingangsdaten Quelle
Abstichdauer Abgeschätzt aus Abstichalter
Transportzeiten der Pfanne Aus Dispo-System
Dauer Boden- und Lanzenspülen Aus Dispo-System
Dauer Vakuumbehandlung Aus Dispo-System (qualitätsabhängig)
Legierungsmittel- und
Aus Legierungsrechnung
Schlackenbildner-Zugaben
Abgeschätzt aus Ausbringen von Desoxidations-
Temperatureintrag durch Ab-
und Legierungsmitteln in Abhängigkeit vom Sau-
brandreaktionen
erstoffpotential bei Konverterabstich
Ermittelt aus Pfannenhistorie (im Wesentlichen
Thermischer Pfannenzustand
Leerzeit und Pfannenalter)
Die Behandlungszeiten in den einzelnen Aggregaten der Prozessroute inklusive der be-
nötigten Transport- und Wartezeiten ergeben sich aus qualitätsspezifischen Behand-
lungsvorschriften, die mit Hilfe eines logistischen Produktionsplanungs-Systems (Dispo-
System) für die individuelle Schmelze präzisiert werden [24].
In Bild 40 ist die Prognose des Temperaturverlaufs für die gleiche Beispielschmelze wie
in Bild 35, für die die Beobachtung des Temperaturverlaufs verdeutlicht wurde, darge-
stellt.
In enger Absprache mit dem BFI wurden die Abkühlfaktoren der Legierungsmittel bei
HKM überarbeitet. Insbesondere der Abkühlfaktor der zugegebenen Kohlematerialien
wurde von 7,5 K//(kg*t) auf 5 K/(kg*t) reduziert. Außerdem wurden erstmalig Abkühl-
faktoren für Schlackenbildnerzugaben in das Legierungsmodell bei HKM eingearbeitet,
die bisher noch nicht bzw. nur indirekt Eingang in die Temperaturführung bei HKM ge-
funden hatten.
Weiterhin wurde der Energieeintrag durch Abbrandreaktionen bei Abstich des Konver-
ters noch einmal genauer untersucht. Dabei steht der Abbrand von Aluminium und Sili-
zium, die als Desoxidationsmittel zum Abbau des im Stahl gelösten Sauerstoffs zugege-
ben werden, im Vordergrund.
Der aus diesen Einflussgrößen berechnete Abbrand von Aluminium und Silizium (bezo-
gen auf das Abstichgewicht) wurde dem nachträglich aus der Analyse einer Stahlprobe
nach Abstich bestimmten Abbrand gegenübergestellt. Das Ergebnis dieses Vergleichs
ist in Bild 41 dargestellt.
- 49 -
3 2
2.5
1.5
geschätzter Al-Abbrand in kg/t
0.5
1
0
0.5
0 -0.5
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 -0.5 0 0.5 1 1.5 2
beobachteter Al-Abbrand in kg/t beobachteter Si-Abbrand in kg/t
Für beide Elemente ist die Übereinstimmung recht gut, wobei der Modellfehler für Silizi-
um etwas größer als für Aluminium ist. Somit lässt sich der Abbrand der Desoxidations-
mittel und der daraus resultierenden Temperaturanstieg bereits vor Abstich des Konver-
ters berechnen. Für die daraus erforderliche Anpassung der Soll-Abstichtemperatur ist
allerdings eine iterative Berechnung erforderlich, da die Abstichtemperatur das Ab-
brandverhalten beeinflusst.
In einem ersten Schritt werden daraus die bis zur Übergabe der Schmelze resultieren-
den Temperaturverluste berechnet. Aus dem Vergleich der so erhaltenen Schmelzen-
temperatur bei Behandlungsende mit der vorgegebenen Solltemperatur für diesen Zeit-
punkt wird der noch benötigte Energieeintrag am Pfannenofen als Sollwert bestimmt,
siehe Abschnitt 6.5. Damit ist dann auch die noch ausstehende Behandlungsdauer im
Pfannenofen festgelegt, und die Prognose berechnet den Temperaturverlauf vom aktu-
ellen Zeitpunkt aus in definierten Zeitschritten bis zum Behandlungsende voraus.
- 50 -
Die Prognoserechnung wird nach der ersten Temperaturmessung in der Pfanne mit
jeder Aktualisierung des beobachteten Zustands neu angestoßen, so dass sie dyna-
misch die jeweils noch erforderliche elektrische Energie im Pfannenofen und den sich
damit einstellenden weiteren Temperaturverlauf bis zur Übergabe an die Stranggießan-
lage ermittelt. Dabei wird der vorgegebene geplante Übergabezeitpunkt ebenfalls zyk-
lisch aktualisiert. Die noch ausstehenden Materialzugaben und Spüldauern führt das
Modell auf Basis der aktuell jeweils bereits chargierten Mengen bzw. geleisteten Spül-
zeiten mit.
Bild 42 zeigt die Bedieneroberfläche zur Darstellung der gemäß Prognoserechung vom
aktuellen Zeitpunkt aus fortgeführten Temperaturkurve und der dazu noch benötigten
elektrischen Energiezufuhr im Pfannenofen. Bis zum durch die vertikale rote Linie mar-
kierten aktuellen Zeitpunkt werden die Ergebnisse des Beobachtermodells angezeigt,
danach der vom Prognosemodell vorausberechnete Temperaturverlauf.
Die unter Abschnitt 6.4 skizzierten Ansätze zur modellbasierten Vorausberechnung der
Temperaturverluste während des Abstichs des Primärstahlaggregats und der anschlie-
ßenden Pfannenbehandlung waren die Basis für die Entwicklung einer optimierten
Steuerung des Energieeintrags.
Für das Blasstahlwerk von HKM ist für eine optimierte Steuerung des Energieeintrags
die on-line Vorgabe einer schmelzenindividuellen Abstichtemperatur am Konverter auf
der Basis der für den Zeitraum von Abstichbeginn bis zum Beginn des Vergießens prog-
nostizierten Temperaturverluste erforderlich. Die Struktur dieser optimierten Steuerung
mit dem Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist in Bild 43 dargestellt.
Vorgabe So ll- Übergabetemperatur und Übergabe zeitpunkt
Optimierun g
des Dynamische Vorausberechnung der Tempe ratur-Verluste und -Gewinne
Energieei ntrags
Feuerzeit
Bild 43: Struktur der optimierten Steuerung des Energieeintrags im Stahlwerk der HKM
Somit lässt sich der chemische Energieeintrag im Konverter in der Endphase des Sau-
erstoffblasens zum Aufbau des Energiepuffers für die anschließende Pfannenbehand-
lung optimieren. Ziel war es dabei, zum einen die Abstichtemperatur des Konverters
selbst im Mittel zu verringern und somit den chemischen Energieeintrag über die Zufuhr
von Sauerstoff zu vermindern. Als Konsequenz daraus sollte damit auch die Zugabe von
Kühlschrott, die während der Pfannenbehandlung zum Abbau eines überdimensionier-
ten Energiepuffers erforderlich ist, minimiert werden.
Im Blasstahlwerk von HKM wird, wie bereits in Bild 40 gezeigt, basierend auf der Prog-
nose der Temperaturverluste während der Pfannenbehandlung eine Vorgabe für die
- 52 -
Abstichtemperatur des Konverters ermittelt und dem Bedienpersonal angezeigt. Sie
können erkennen, wie sich die Ist-Temperaturen im Vergleich zu dem Modellvorschlag
verhalten. Weiterhin wurde die Möglichkeit geschaffen, durch eine komfortable Navigati-
onshilfe von der aktuellen Schmelze aus zu ähnlich gelagerten Schmelzen zu gelangen,
um beispielsweise Rechnungen zur gleichen Stahlgüte oder Rechnungen mit einer ähn-
lichen Leerzeit der Pfanne zu betrachten. Der Behandler konnte sich so schnell mit den
Grundlagen der Temperaturführung vertraut machen. Dies förderte das Vertrauen des
Bedienpersonals in die neuen Sollvorgaben und gab ihnen Sicherheit im Umgang mit
diesen. Auch die gesamte sekundärmetallurgische Behandlung wurde vom Abstich an
bereits visuell durch eine angezeigte ideale Temperaturkurve begleitet, siehe Bild 35.
Für das Elektrostahlwerk der Peiner Träger hatte sich gezeigt, dass die Prognose der
Temperaturverluste in der Endphase der Lichtbogenofen-Behandlung und während des
nachfolgenden Abstichvorgangs nicht mit der für eine Optimierung des elektrischen
Energieeintrags im LBO erforderlichen Präzision möglich ist. Somit konzentrierten sich
die Entwicklungsarbeiten auf eine Energieoptimierung bezüglich des elektrischen Ener-
gieeintrags im Pfannenofen, basierend auf der ersten gemessenen Pfannentemperatur.
Dazu wurde, wie unter Abschnitt 6.4 beschrieben, eine Vorausberechnung der Tempe-
raturverluste während der gesamten Pfannenbehandlung genutzt. Weiterhin wurde der
thermische Pfannenzustand, der nun über das neu installierte Rechnersystem am Pfan-
nenfeuer erfasst werden kann, als Einflussgröße berücksichtigt. Der Abstichvorgang am
Lichtbogenofen musste dennoch in die Prognoserechnung für die LF-Behandlung ein-
bezogen werden, damit der Einfluss des thermischen Pfannenzustands ausreichend
berücksichtigt werden kann. Die Struktur dieser optimierten Steuerung mit dem Zusam-
menspiel der einzelnen Komponenten ist in Bild 44 dargestellt.
- 53 -
Vorgabe Soll- Übergabetemperatur und Übergabezeitpunkt
Optimierung
des Dynamische Vorausberechnung der Temperatur-Verluste und -Gewinne
Energieeintrags
Elektrische
Elektrische Temperaturmessung ( T ) Energie Kühlschrott
Energie Probenahme ( P )
T; P T; P T; P T; P T; P
T T T
2. Leerstehzeit 1. Leerstehzeit
Feuerzeit
Bild 44: Struktur der optimierten Steuerung des Energieeintrags im Stahlwerk der PTG
Basierend auf der Prognose der Temperaturverluste wurde ein Konzept für die Berech-
nung eines optimalen Sollwerts für den elektrischen Energieeintrag im Pfannenofen
entwickelt. Basierend auf der ersten gemessenen Pfannentemperatur wird eine Voraus-
berechnung der Temperaturverluste während der gesamten Pfannenbehandlung in
Pfannenofen und Argon-Spülstand durchgeführt. Dabei gehen der thermische Pfanne-
zustand (siehe Abschnitt 6.2), alle noch geplanten Materialzugaben (Legierungsmittel,
Schlackenbildner), geplante Spülzeiten und die noch verbleibende Behandlungsdauer in
die Vorausberechnung ein. Die Restbehandlungsdauer ergibt sich aus dem Übergabe-
zeitpunkt der Schmelze an die Stranggießanlage, die wiederum aus der Restgießzeit
der Vorgängerschmelze an der Gießanlage ermittelt wird.
prognostizierter
Temperaturverlauf
1700 Abstichende
Temperatur in °C
1650
1600
Tmax
1550 Tmin
1500
-5 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 105 115
Zeit in min
Ein vergleichbares Simulationsmodell wurde auch für die Pfannenbehandlung bei PTG
erstellt. In Bild 46 ist für eine Bespielschmelze dargestellt, wie ausgehend von der ers-
ten Temperaturmessung im Pfannenofen (LF) zunächst der Temperaturverlauf (blaue
Kurve) während der weiteren ohne Berücksichtigung des Aufheizens im LF Pfannenbe-
handlung prognostiziert wird. Über den Vergleich mit dem Zielfenster für die Übergabe-
temperatur, mit der die Schmelze an die Stranggießanlage abgegeben werden muss,
ergibt sich der Bedarf der Temperaturerhöhung durch elektrischen Energieeintrag im
Pfannenofen. Die rote und die grüne Kurve zeigen den beobachteten Temperaturverlauf
ausgehend von der letzten Temperaturmessung im LBO bzw. der ersten Messung im
LF. Der Vergleich mit den Temperaturmesswerten zeigt die hohe Treffsicherheit des
Temperaturmodells.
- 55 -
1750
LBO Pfannenofen 231306 Argon-Spülstand
Abstichbeginn
LF - Ende / Beginn AS
Temperatur in °C
1650
Heizen LF AS - Ende
1600
Tmax
1550 Temperatur-Messungen
Tmin
beobachteter Temperaturverlauf
beobachteter Temperaturverlauf ( adaptiert auf LF-T1 )
prognostizierter Temperaturverlauf ohne Heizen
1500
-5 5 15 25 35 45 55 65 75 85
Zeit in min
Im Wesentlichen besteht das für das Blasstahlwerk der HKM realisierte Modell zur Tem-
peraturführung aus einer Addition von Temperaturdifferenzen von der für den Gießvor-
gang erforderlichen Liquidustemperatur rückwärts gerichtet bis zur Abstichtemperatur
des Konverters. Für deren Berechnung werden die geplanten Dispositionszeiten, Be-
handlungsschritte sowie Informationen über den Pfannenzustand hinzugezogen. Opera-
tiv gut eingeführt war das Modell bereits seit eineinhalb Jahren ab der so genannten Ab-
gabetemperatur in der Sekundärmetallurgie bis zum Gießende. Im Jahr 2007 wurde die
Temperaturführung für die gesamte sekundärmetallurgische Behandlung beschrieben
und betrieblich eingeführt. Im Mittelpunkt der Arbeiten von HKM während des letzten
Projektsemesters stand die Komplettierung der Temperaturmodellierung bis zur Abstich-
temperatur des Konverters, und seiner operativen Inbetriebnahme.
Vor der Inbetriebnahme wurde eine komplette Rekalibrierung der Modellparameter vor-
genommen. Mit Hilfe einer Residualanalyse (der Untersuchung der Abhängigkeit der
Vorhersagegenauigkeit des Modells von allen relevanten Einflussgrößen) wurden im
Wesentlichen drei Abhängigkeiten herausgearbeitet, die ein Optimierungspotential für
die Genauigkeit der Temperaturführung beinhalten:
1. Eine signifikante Abhängigkeit der Voraussagegenauigkeit von der erfolgten Kühl-
schrottzugabe
2. Eine etwas schwächere Abhängigkeit der Voraussagegenauigkeit vom abgeschätz-
ten Sauerstoffgehalt von Schmelze und Stahlbad bei Abstich des Konverters
- 56 -
3. Für den Wärmezustand einer leeren Pfanne, die während der Leerzeit unter Feuer
gestellt wird, müssen ähnliche Überlegungen für das Einstellen des quasistationären
Zustandes berücksichtigt werden wie für die Zeit, in der sich Stahl in der Pfanne be-
findet (Behandlungszeit).
Der Grund für die zweite Abhängigkeit (Punkt 2) ist die große Streuung der Sauerstoff-
gehalte nach Abschluss des Sauerstoff-Blasvorgangs im Konverter, bedingt durch die
Streuung des Einsatzstoffmodells bei HKM und die unterschiedlich großen Mengen an
aufgeblasenen Sauerstoff zur Einstellung der Endtemperatur im Konverter. Es wurde
entschieden, einen Teil der Wärmebilanz / Temperaturbilanz des Konverters, der für das
Verbrennen von Eisen zur Temperatureinstellung zuständig ist, neu zu formulieren. Die-
ses Teilprojekt, die Modifikation des sogenannten Endpunktblasmodells, befindet sich
zurzeit in der Programmierung und wird hoffentlich zur weiteren Verbesserung der Vor-
hersagegenauigkeit des Temperaturmodells beitragen.
Die Berücksichtigung von Punkt 3 führte zu einer erheblichen Änderung der Modellpa-
rameter bei der Einschätzung des Einflusses der Leerzeit (Zeit zwischen zwei Stahlbe-
handlungen, in der eine Pfanne keinen Stahl enthält). Die Parameter wurden so verän-
dert, dass bereits ab einer Leerzeit von 500 Minuten von einer maximal kalten Pfanne
ausgegangen wird (vorher lag der Wert bei 10000 min). Weiterhin wurden entsprechen-
de Zeitkonstanten definiert, die eine Abbildung der zeitlichen Annäherung an den quasi-
stationären Zustand (Pfanne lange unter Feuer) gewährleisten.
Nach der Optimierung des Modells durch die oben beschriebenen Punkte wurde mit der
Inbetriebnahme des Modells im Leitstand begonnen. Dazu mussten Leitstandsdialoge
angepasst und neu geschaffen werden, um die neuen Sollvorgaben zu berücksichtigen
und zur Anzeige zu bringen. Auch eine Schnittstelle zum alten Einsatzstoffmodell muss-
te geschaffen werden, denn die neuen Vorgaben für die Abstichtemperatur des Konver-
ters beeinflussen entscheidend die erforderliche Mischung der Einsatzstoffe Schrott und
Roheisen im Konverter.
In Bild 47 ist der Dialog zur alphanumerischen Darstellung der Ergebnisse des
Temperaturführungsmodells dargestellt. Hier werden dem Bediener für eine Schmelze
alle Ergebnisse der Modellrechnungen bzgl. der Temperaturverluste (positive Zahlen-
werte) und der Gewinne durch Desoxidationsreaktionen (negative Zahlenwerte) in den
einzelnen Prozessphasen und die daraus resultierende Soll-Abstichtemperatur für den
Konverter angezeigt.
In dem in Bild 48 dargestellten Dialog wird in einer Rückschau ein Überblick über die
Ergebnisse der Modellrechnungen für eine größere Anzahl von Schmelzen gegeben.
Hieraus lässt sich entnehmen, inwieweit sich die Bediener an die Vorgaben des Modells
gehalten haben. Im Zuge der Inbetriebnahme wurde das Modell mit dem Erfahrungswis-
sen der Bediener abgeglichen, und Fehler in der zeitlichen Abfolge bei Änderungen der
Prozessparameter behoben (z.B. Pfannentausch in zeitlicher Nähe des Blasvorganges).
- 57 -
Bild 47: Detaildarstellung der Ergebnisse des Temperaturmodells für eine Schmelze
Bild 48: Übersicht der Ergebnisse des Temperaturmodells für mehrere Schmelzen
- 58 -
Während der gesamten Erprobungsphase der modellbasierten Temperaturführung wur-
den Daten zur Verfolgung der Modellgenauigkeit und zur Ermittlung der erzielten Ein-
sparungen hinsichtlich einer Verringerung der Konverter-Abstichtemperatur und einer
Verminderung des Kühlschrottverbrauchs erfasst. Für ein Controlling der Temperatur-
führung wurden entsprechende Kennzahlen festgelegt. Als Beispiel ist in Bild 49 die
Entwicklung der Konverterabstich-Temperatur in den letzten Jahren dargestellt. Die er-
zielte Verringerung der mittleren Abstichtemperatur beträgt seit der Einführung der mo-
dellbasierten Temperaturführung mit Beginn des Jahres 2007 im Vergleich zu dem Vor-
jahreswert etwa 10 K. Der Trend von in den Vorjahren kontinuierlich steigenden Abstich-
temperaturen konnte damit umgedreht werden. Damit verbunden ist eine entsprechende
Verminderung der mittleren Kühlschrottzugabe, die während der Pfannenbehandlung
zum Abbau eines überdimensionierten Energiepuffers erforderlich ist.
Für das Elektrostahlwerk der Peiner Träger wurde die Modell-Software für die on-line
Implementierung der Temperaturführung und der optimierten Steuerung des Energieein-
trags im Pfannenofen (siehe Abschnitt 6.5) erstellt und zusammen mit einem Software-
lieferanten in die Prozessrechner-Umgebung im Stahlwerk der PTG integriert.
Dabei stand zunächst eine vollständige und fehlerfreie Versorgung des Modells mit Ein-
gangsdaten der einzelnen Prozesse der Behandlungskette im Vordergrund. Eine ent-
sprechende Plausibilisierung der Eingangsdaten wurde implementiert.
Erste Ergebnisse zeigen, dass das Beobachtermodell bei korrekter Versorgung mit Ein-
gangsdaten die in den off-line Rechnungen erzielte Genauigkeit erreicht. Bild 50 ver-
gleicht für Zeitabschnitte nach einer Adaption auf die erste Temperaturmessung im
Pfannenofen die berechneten Temperaturen mit den jeweils gemessenen. Deren Diffe-
renz weist hier einen Mittelwert von 0.4 K und eine Standardabweichung von 5.9 K auf.
1720
1700
1680
MW 0.4 K
berechnete Tempderatur in °C
1660 StdAbw
5.9 K
Anzahl 771
1640
1620
1600
1580
1560
1540
1520
1520 1540 1560 1580 1600 1620 1640 1660 1680 1700 1720
gemessene Temperatur in °C
Für die Güte des Modells zur Prognose des Temperaturverlaufs sind die Vorgaben über
die geplanten Materialzugaben und die Spüldauer in Pfannenofen und Spülstand von
entscheidender Bedeutung. Hier wird zurzeit noch auf von der Stahlqualität und dem
Prozessschritt abhängige Mittelwerte zurückgegriffen. Für die Zukunft ist geplant, zur
Berechnung der geplanten Materialzugaben eine Legierungsrechnung einzusetzen, wel-
ches diese dann schmelzenindividuell vorgeben kann.
Bezüglich der Präzision der für den Pfannenofen vorgegebenen elektrischen Soll-
Energiezufuhr spielen zusätzlich die Vorgaben für Übergabezeitpunkt und Übergabe-
temperatur an die Stranggießanlage eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der Inbe-
triebnahme des Temperaturführungsmodells werden diese Vorgaben weitergehend prä-
- 60 -
zisiert, so dass bei der Berechnung des Energieeintrags eine möglichst genaue Angabe
der noch verbleibenden Behandlungsdauer und der Übergabetemperatur in Abhängig-
keit vom Gießfortschritt und der Verteilertemperatur der Vorgängerschmelze möglich ist.
Bei den vor Beginn der Inbetriebnahme ausgewerteten Schmelzen (282 Schmelzen aus
dem Zeitraum August 2008) wurde bei etwa 35 % der Schmelzen am Spülstand Kühl-
schrott eingesetzt. Dies war erforderlich, da die Schmelzentemperatur am Pfannenofen
durch elektrischen Energieeintrag zu stark erhöht wurde und somit die von der Gießan-
lage vorgegebene Übergabetemperatur überschritten wurde. Die mittlere Zugabemenge
an Kühlschrott betrug bei diesen Schmelzen 600 kg. Dies ist mit einem Abkühleffekt von
10,3 K verbunden.
Es kann erwartet werden, dass über die optimierte Temperaturführung und die Progno-
se des Temperaturverlaufs der Energieeintrag im Pfannenofen so dimensioniert werden
kann, dass die erforderliche Kühlschrottzugabe sich auf etwa ein Drittel reduzieren lässt.
Damit wird entsprechend die Überhöhung der Schmelzentemperatur im Pfannenofen um
etwa 7 K vermindert. Mit der Effizienz des elektrischen Energieeintrags von etwa 70 %
bedeutet dies eine Einsparung von elektrischer Energie von 2,4 kWh/t.
- 61 -
7. Voraussichtlicher Nutzen und Ergebnisverwertung
Das Ziel des Vorhabens, die Entwicklung einer dynamischen, prozesstufen-über-
greifenden Temperaturführung und deren Anwendung im Blasstahlwerk von HKM und
im Elektrostahlwerk von PTG zur Optimierung des Energieeintrags ist erreicht worden.
Verminderter Energieverbrauch
Durch eine auf der Basis der modellbasierten Temperaturführung optimierte Anpassung
des Energiepuffers für die folgenden Behandlungsschritte konnte der chemische Ener-
gieeintrag im Sauerstoffblaskonverter und der elektrische Energieeintrag im Pfannen-
ofen vermindert werden.
Im Blasstahlwerk von HKM konnte durch die präzisere Temperaturführung die Ab-
stichtemperatur des Konverters um im Mittel etwa 10 K gesenkt werden. Unter Annahme
eines Wirkungsgrads von 50 % bezogen auf den chemischen Energieeintrag in der Er-
zeugungsroute Hochofen - Konverter lässt sich dies in eine Energieeinsparung von etwa
4.6 kWh/t umrechnen. Bei der Jahresproduktion von 5.8 Mio. t im Stahlwerk von HKM
bedeutet dies einen Minderverbrauch von rund 26 GWh pro Jahr. Im Wesentlichen wirkt
sich die Energieeinsparung in einer Verminderung des Bedarfs an Roheisen und einer
Erhöhung des Schrotteinsatzes bei der Konverterstahlerzeugung aus. Allein durch den
Minderbedarf an Roheisen, der zu etwa 7 kg / t Stahl abgeschätzt wird, können so jähr-
lich etwa 75 000 t CO2 eingespart werden.
Für das Elektrostahlwerk der Peiner Träger GmbH wurde eine mögliche Einsparung an
elektrischer Energie am Pfannenofen von ca. 2.4 kWh/t abgeschätzt. Bezogen auf die
aktuelle Jahresproduktion von 1 Mio. t bedeutet dies einen Minderverbrauch von 2.4
GWh pro Jahr. Umgerechnet mit dem für die Bundesrepublik Deutschland gültigen Fak-
tor für die elektrische Energieerzeugung von 0.6 kg CO2 / kWh entspricht dies einer
Verminderung der CO2-Emissionen von etwa 1440 t pro Jahr.
- 62 -
Das Auftreten von Rückläuferschmelzen, die die für den Gießprozess erforderliche
Temperatur wegen einer zu niedrigen Temperaturreserve unterschreiten, konnte im
Blasstahlwerk von HKM durch die optimierte Temperaturführung nahezu vollständig
vermieden werden. Zu Beginn des Vorhabens waren etwa 0.5 % der Produktion Rück-
führmengen wegen Problemen bei der Temperaturführung. Diese Schmelzen mussten
den Behandlungsweg ein zweites Mal durchlaufen, was zu einer drastischen Erhöhung
des Energieverbrauchs und aller weiteren Produktionskosten führte.
Die wegen einer Rückläuferschmelze erforderliche Unterbrechung der Gießsequenz
verursacht weiterhin einen erheblichen Produktionsausfall. Die nachfolgenden Se-
quenzen können zum Teil nicht wie geplant durchgeführt werden, da die Rückläufer-
schmelze von ihren Legierungsgehalten her nicht zu der vorgesehenen Qualität
passt. Daher ist eine Umstellung des Produktionsplans erforderlich.
Durch eine präzisere Temperaturführung kann das Vergießen einer zu heißen Schmelze
weitestgehend vermieden werden. Damit lassen sich folgende negative Auswirkungen
vermeiden:
- Verringerung der Gießgeschwindigkeit, verbunden mit geringerer Produktivität
- Verringerung der Ausbildung von Innenrissen in dem vergossenen Stahl. Da-
mit wird der Anteil der Brammen bzw. Knüppeln, die wegen Innenrissen
verschrottet werden müssen, verringert.
- verringerte Gefahr eines Durchbruches an der Stranggussanlage
Während sich die im ersten Punkt genannte direkte Energieeinsparung und die damit
verbundene Verminderung der CO2-Emission relativ eindeutig beziffern lässt, ist dies bei
den weiteren oben aufgeführten Punkten aufgrund der zahlreichen betroffenen Einfluss-
größen und deren gegenseitigen Abhängigkeiten nicht ohne weiteres möglich.
Die indirekten Vorteile einer optimierten Temperaturführung, die sich durch eine erhöhte
Produktivität und eine verbesserte Ressourceneffizienz ergeben, beinhalten zweifels-
ohne ein erhebliches zusätzliches Potential zur Energieeinsparung und Umweltentlas-
tung.
- 63 -
7.2 Angestrebte Ergebnisverwertung
Das System zur Optimierung der Temperaturführung und des Energieeintrags wurde im
Blasstahlwerk der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH bereits im Laufe des Vorha-
bens in die betriebliche Praxis eingeführt. Die damit erzielte Energieeinsparung und der
wirtschaftliche Nutzen wurden in dem vorangegangenen Abschnitt dokumentiert.
Die betriebliche Erprobung im Elektrostahlwerk der Peiner Träger GmbH konnte erst
zum Ende des Vorhabens begonnen werden, so dass hier Erfahrungswerte bzgl. der
erzielten Energieeinsparung aus einem permanenten Betrieb noch nicht vorliegen. Den-
noch deuten die Abschätzungen aus den Auswertungen der bereits vorliegenden Er-
gebnisse darauf hin, dass die Energieeinsparung bezogen auf eine Tonne Stahl in ähn-
licher Größenordnung wie bei HKM liegt.
Die Kapazität des Stahlwerks der Peiner Träger GmbH wird im Jahr 2010 durch die In-
stallation eines weiteren Lichtbogenofens und zwei weiterer Pfannenöfen verdoppelt.
Zur Erzeugung hochwertigerer Stahlqualitäten wird weiterhin eine Pfannenstand-
Entgasungsanlage installiert. Das System zur optimierten Temperaturführung wird dann
auf die neuen Prozessrouten angepasst, so dass die wirtschaftlichen Vorteile auch für
die neue Anlagenkonfiguration im Stahlwerk realisiert werden können.
Die Entwicklung des Systems zur Temperaturführung für ein Blasstahl- und ein Elektro-
stahlwerk ermöglichte die Untersuchung des Zusammenwirkens der wichtigsten Aggre-
gate der Stahlerzeugung (Blasstahlkonverter, Lichtbogenofen, Pfannenofen, Vakuuman-
lage, Stranggussanlage) in einem ganzheitlichen Ansatz. Durch die modulare Struktur
des Systems wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Stahlwerke ermöglicht.
Die mittelfristige Verbreitung der Entwicklungsergebnisse ist zum einen durch den Fir-
menverbund von HKM mit ThyssenKrupp Stahl und von PTG in der Salzgitter AG, zum
anderen durch die enge Zusammenarbeit des Betriebsforschungsinstituts als Tochterun-
ternehmen des Stahlinstituts VDEh mit zahlreichen Stahlherstellern in Deutschland und
in Europa gewährleistet.
Mittelfristig erschließt sich dadurch zunächst die Anwendung des Systems bei den Wer-
ken im Firmenverbund und Mitgliedswerken des Stahlinstituts VDEh in Deutschland und
im benachbarten europäischen Ausland. Dabei sind in erster Linie die folgenden Unter-
nehmen zu nennen, für die eine Anwendung des Systems aufgrund einer ähnlichen
Struktur des Produktionsablaufs interessant ist:
“Through process dynamic prediction of melt temperature evolution for optimised energy
input and temperature control in oxygen steelmaking”
Die Abschlussergebnisse des Vorhabens bzgl. der Arbeiten beider Industriepartner HKM
und PTG sollten weiterhin im Rahmen eines Vortrags anlässlich der Konferenz
„Energy efficiency and CO2 reduction in the steel industry“, EECRsteel 2009
in Budapest (25.-27.03.2009)
“Through process dynamic prediction of melt temperature evolution for optimised energy
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