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Haplochromis thereuterion

Ein Kärpflingscichlide aus dem Victoriasee

Erwin Schraml und ich habe viele Fotos meiner Tiere von
Kommentkämpfen, Maulzerren und Beißereien
gemacht, die diese Aggressivität unterstreichen.
Es ist ruhig geworden um die Cichliden aus dem Allerdings passiert bei diesen Kämpfen relativ
Victoriasee, insbesondere wenn es um neue Arten wenig. Leicht eingerissene Flossen sind nichts
für die Aquaristik geht. Umso erfreulicher ist es, Ungewöhnliches, aber ein bis zum Tode getriebe-
dass es einigen Aquarianern gelungen ist, von der nes unterlegenes Tier ist bei mir noch nicht vorge-
Universität Leiden, eine Art zu erhalten, die vorher kommen. Deshalb würde ich die Aggressivität im
nicht im Hobby vorhanden war. Es handelt sich Vergleich zu anderen Haplochrominen als relativ
dabei um Haplochromis thereuterion, einem nur gemäßigt bezeichnen.
etwa acht Zentimeter (ohne Schwanzflosse) lang Durch einen Artentausch habe ich von Axel Böhner
werdenden und vergleichsweise wenig aggressiven im Jahr 2005 zehn Jungfische erhalten, die sich zu
Insektenfresser. Da sich die Fische gut vermehren fünf Männchen und fünf Weibchen entwickelt
lassen, sind sie inzwischen sogar schon ordentlich haben. Die Fütterung erfolgte überwiegend mit
weit verbreitet, unter anderem konnte ich eine gefrosteten Roten Mückenlarven. Trockenfutter-
schöne Gruppe im Zooaquarium von Berlin sehen. flocken wurden weniger gerne genommen und
Aber auch bei verschiedenen Händlern tauchen die häufig wieder ausgespuckt.
Tiere auf. Im Internet findet man ebenfalls bereits Bis zum Heranwachsen wurden die Tiere zunächst
Angaben zu dieser Art, allerdings würde ich die in einem 60-Liter-Aquarium untergebracht und
dort gemachten Aussagen nicht vorbehaltlos über- anschließend in ein würfelähnliches 440-Liter-
nehmen. So ist die Rede davon, dass die Tiere eine Becken umgesetzt. Hier mussten sie sich erstmals
hohe innerartige Aggressivität besitzen. Wie ist das mit einer anderen Cichlidenart arrangieren. Wenn
zu verstehen? Es wird kaum einen gesunden ich nun schreibe, dass sich hierbei keine Konflikte
Haplochrominen geben, der sich nicht mit einem ergaben, dann mag es zum Gutteil daran liegen,
Kontrahenten um Revier oder Weibchen streitet dass die vergesellschaftete Art von ihrem Habitus

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Oben: Die Farbintensität hängt neben der Beleuchtung auch vom Grad der Erregung ab, die wiederum in
Korrelation zu Kondition, Tageszeit, Laichbereitschaft der Weibchen und Ähnlichem steht.
Unten: Weibchen von Haplochromis thereuterion tragen ein Streifenkleid. Bei sehr jungen Tieren können gele-
gentlich auch Querstreifen auftreten.

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Junges Männchen, das sich
bereits umgefärbt hat.

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Männchen von
Haplochromis thereuterion
in Balzfärbung.

gänzlich verschieden war. Allerdings führte einige ten Haplochromis-Arten (bzw. Ctenochromis so-
Zeit später, ein weiteres Umsetzen in ein Drei- fern man der Revision folgt) sind keine Arten aus
meterbecken, auch zu keinen nennenswerten dem Victoriaseebecken sondern aus dem Tanga-
Reibereien mit anderen Fischarten. njikasee bzw. Kongo-Becken und deshalb auch
Der übrige Fischbesatz in diesem Becken bestand keine sehr nahen Verwandten zu H. thereuterion.
und besteht immer noch, aus Pelmatochromis cf. Trotzdem waren sie an den wenigen Auseinander-
nigrofasciatus, Haplochromis horei, H. polli und setzungen als einzige beteiligt. Dabei allerdings
vorübergehend H. desfontainii sowie aus verschie- nicht so sehr die Männchen dieser Arten, die beide
denen Arten, die ich als völlig unproblematische etwas bis deutlich größer als die Thereuterion-
Gesellschaft ansprechen würde und die deshalb Männchen sind, sondern die Weibchen. Offenbar
nicht zur Debatte stehen, wenn es um die Beschrei- konnten die Tiere sich hier aufgrund der Körper-
bung zwischenartlicher Auseinandersetzungen größe und Aggressionsbereitschaft eine Chance
geht (zu diesen Arten zähle ich die verschiedenen ausrechnen, einen Disput auch zu ihren Gunsten zu
afrikanischen Barben, diversen Synodontis und entscheiden. Drohgebärden der Männchen von H.
kontinentfremden „Gastarbeiter“, wie Saugwelse horei und H. polli wurden dagegen in der Regel mit
und Schmerlen). Die beiden anderen hier genann- sofortiger Flucht beantwortet.
Nur gegenüber den
Weibchen (hier Haplo-
chromis horei) größerer
Arten wagen sich die
Männchen von Haplo-
chromis thereuterion
Drohgebärden auszu-
stoßen.

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Ganz anders das Verhalten der H. thereuterion- Störungen durch Kontrahenten und andere Becken-
Männchen untereinander. Besonders in den Vor- bewohner, geringer ausfallen. Nichts desto trotz
mittagsstunden sind Droh- und Imponiergehabe an müssen sich die Männchen ständig gegen Laich-
der Tagesordnung und das bereits bei halb- räuber (vor allem die Synodontis-Welse, aber auch
wüchsigen Tieren sobald sie die dunkle Männchen- gegen die Garras) schützen, diese vertreiben, dann
färbung annehmen. Obwohl das Dreimeterbecken mal wieder den Reviernachbarn Bescheid stoßen,
genügend Platz im Randbereich bietet, halten sich wer hier das Sagen hat, usw. Ablaichvorgänge
alle Männchen in der Regel im mittleren Meter auf. haben auf diese Weise nur für einen Bruchteil der
Dort, besonders direkt unter der Wasseroberfläche, Zeit mit dem direkten Ablaichen zu tun. Obwohl
finden auch die Maulkämpfe statt. Kommt eines die Weibchen meist nur knapp über 20 Eier legen,
der Weibchen in Laichstimmung herrscht sofort kann das Laichen sich deshalb über mehr als eine
unter den Männchen eine größere Unruhe. Bei mir Stunde hinziehen.
versuchen in der Regel allerdings nur drei der
männlichen Tiere ein Revier abzustecken. Die Neben der Leibesfülle und dem Hervortreten der
anderen beiden, obwohl kein Größenunterschied Genitalpapille ist bei den Weibchen auch ein Farb-
besteht und im Randbereich des Aquariums noch wechsel vor dem Laichakt zu beobachten. Dabei
Platz wäre, werden dann meist zur Wasserober- verschwindet die Streifenzeichnung und das ge-
fläche gedrängt und ständig eingeschüchtert. Eines samte Körperkleid wird einheitlich bräunlich grau,
der dominanten Männchen buddelt dann regel- leicht rußig. Eine solche Färbung legen die Weib-
mäßig im Zentrum des Beckens unter einem Stein chen auch an, wenn sie sich untereinander zanken.
eine Grube, ein anderes, leicht versetzt von der Das kommt viel weniger vor als bei Männchen und
Mitte an der Rückscheibe und ein Drittes versucht diese Auseinandersetzungen dauern auch nicht so
das laichbereite Weibchen in immer die selbe Ecke lange. Überhaupt ist der Grund für solche Streitig-
des Beckens zu locken. Damit ist dieses meist
erfolgreicher als die anderen beiden Revierbesitzer, Haplochromis-thereuterion-Männchen weichen ande-
was wahrscheinlich daran liegt, dass hier die ren Haplochromis-Männchen meist sofort aus, wenn
diese sich nicht einschüchtern lassen.

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Maulkämpfe finden meist
direkt unter der Wasser-
oberfläche statt, dabei
kann es durchaus vorkom-
men, dass einer der
Kontrahenten mit Stirn und
vorderem Teil der Rücken-
flosse auch über die
Wasseroberfläche aus dem
Wasser hinausragt.

Unten:
Parallelschwimmen zweier
Männchen.

keiten meist nicht einsichtig. Als Pfleger der Tiere die häufigen Unterbrechungen, in denen die Männ-
drängt sich nämlich auch nicht das Gefühl auf, chen Eierdiebe verjagen oder mit dem Reviernach-
dass die Weibchen in einem Verband leben in dem barn im Clinch liegen, haben die Weibchen auch
es um Rangordnung oder ähnliches geht. Gelegenheit, den Ablaichplatz zu verlassen. Dann
Trotzdem scheint es für die Fische wichtig zu sein, kann es passieren, dass ein anderes Männchen ihre
eine Hierarchie auszufechten, so nichtig die Aufmerksamkeit gewinnt. Auf diese Weise tragen
Anlässe auch sein mögen. sie die Brut mehrerer Männchen im Maul. Einige
Die Weibchen laichen während eines Ablaich- Zeit nachdem die Weibchen abgelaicht haben, tritt
zyklus nicht nur mit einem Männchen ab. Durch ihr Streifenkleid wieder zum Vorschein. Es kommt

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Ablaichszenerie:
Ein gewohntes Bild. Das
Männchen präsentiert
Eiflecke, das Weibchen
schnappt danach.

Unten:
Dabei drehen sich die
Fische langsam im Kreis.

oft vor, dass sie sich mit anderen brütenden Weib- Da die Weibchen aber auch gerne Eier oder Brut
chen zusammen tun und dann in nicht zu weitem ausspucken, wenn sie gefangen werden, ist es nicht
Abstand voneinander an einer möglichst wenig immer einfach den richtigen Zeitpunkt für das
exponierten Stelle im Aquarium stehen. Die Brut- separat Setzen zu wählen. Man kann diesen
zeit scheint nur etwa zwei Wochen zu betragen. Im Moment auch dadurch feststellen, dass die Weib-
Gesellschaftsaquarium neigen die Tiere dazu, die chen nun wieder das Streifenkleid verlieren, sich
Brut zu lange im Maul zu behalten, die Jungen gegenüber anderen Fischen aggressiv verhalten und
kommen dann mit restlos aufgezehrten Dotter- auch nach Plätzen im Aquarium Ausschau halten,
säcken und eingefallenen Bäuchen aus dem Maul. die für ein Entlassen der Jungen geeignet wären.

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Mitunter kommt es vor,
dass während der Paarung
die Prachtfärbung des
Männchens verschwindet,
hier das Tier, das als
Laichplatz immer die Ecke
des Beckens wählt.

Unten:
Im Gesellschaftsbecken
kommt es häufig zu
Störungen des Ablaichge-
schehens. Hier müssen
gerade zwei Garra verjagt
werden.

Das ist nach etwa zwei Wochen der Fall. Fängt man Da meine Weibchen bisher beim Herausfangen
sie nun und es kommt zum Spucken der Larven, immer die Brut gespuckt haben und die Jungen
sind die Jungen groß genug, dass sie bereits frei danach nicht mehr ins Maul aufgenommen wur-
schwimmen und sofort ans Futter gehen. Artemia- den, kann ich nur die Information anderer aus dem
Nauplien sind ein ideales Anfangsfutter, zerriebene Internet wiedergeben, die beobachtet haben, dass
Futterflocken oder entsprechendes Jungfischfutter sie normalerweise noch zwei bis drei Tage nach
tun es aber auch. dem regulären Entlassen die Jungen wieder auf-
nehmen.

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Weibchen ohne Streifen-
kleid sind aggressiv ge-
stimmt, wenn sie nicht
laichbereit sind.

Unten:
Haplochromis thereuterion
bevorzugt den ober-
flächennahen Teil in der
Natur und im Aquarium als
Lebensraum.

Da es sich bei H. thereuterion um relativ grazile Wie man sieht, ist die Art wissenschaftlich noch
Fische handelt, ist es nicht ratsam sie in zu kleinen nicht sehr lange bekannt. Bei ihrer Beschreibung
Becken mit aggressiven Arten zusammen zu hal- mussten die Autoren auch sogleich konstatieren,
ten. In größeren Becken mit genügend Platz für die dass sie, bedingt durch die massenhafte Verme-
Reviere ist dies aber kein Problem, da H. thereute- hrung des Nilbarsches, nicht mehr in den Fängen
rion Streitigkeiten mit Anderen aus dem Weg geht. vorhanden war. Zuvor war die Art im Randbereich
Sie bevorzugen das obere Drittel der Wassersäule von Felszonen, niemals aber direkt über Fels-
im Aquarium und leben auch in der Natur ober- spalten gefangen worden. Die Tiere wurden von
flächennah, wie van Oijen & Witte (1996) bei der den Wissenschaftlern vornehmlich geangelt und
Beschreibung der Art erwähnen. das in Tiefen von 50 Zentimeter bis zu einem

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Haplochromis thereuterion
sind relativ grazile Fische.

Unten:
Haplochromis diplotaenia
(konserviereter Holotypus),
ist wahrscheinlich ein
naher Verwandter von
Haplochromis thereuterion.

Meter in Seebereichen mit einer Tiefe von zwei bis seiner Doktoranden zu verdanken, der sie 2003 an
vier Metern. Bereits vor dem Nilbarschboom ge- der Makobe Insel1 entdeckt hat und einige davon
hörte Haplochromis thereuterion unter den in Fels- lebend nach Leiden für Untersuchungen bringen
gebieten lebenden Arten zu den seltenen. Als Fund- konnte. Die Mitarbeiter der dortigen Universität
stellen im Victoriasee werden südlich von Mwanza haben sich sehr kooperativ gegenüber Aquarianern
die Buchten von Butimba und Nyegezi genannt, verhalten und einige Nachzuchten weitergegeben.
sowie Felsinseln im nördlichen Teil des Golfes von So schwimmt nun eine Art aus dem Victoriasee in
Mwanza. unseren Becken, die definitiv richtig bestimmt ist,
Dass die Art wieder entdeckt wurde ist, wie mir was von den früher über den gewerblichen Import
Frans Witte mitteilte, Ole Seehausen oder einem erhältlichen Arten leider selten der Fall war.

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Dabei ist H. thereuterion gar nicht so einfach zu bis ausschließlich von Insekten lebt, vor allem auch
bestimmen. Die Art gehört zum sogenannten solchen, wie etwa Ameisen und Zweiflüglern
Haplochromis-„Double-Stripe“-Komplex, zu der (Diptera), die sie offensichtlich von der Wasser-
noch Haplochromis tanaos VAN OIJEN & WITTE, oberfläche sammeln.
1996 gezählt wird. H. diplotaenia REGAN & TRE-
WAVAS, 1928 aus der Sango Bay 2 in Uganda, könn- Im Internet steht zu lesen, dass H. thereuterion kein
te ebenfalls in diesen Komplex gehören, wird aber Anfängerfisch ist. Dem kann ich nicht beipflichten.
nicht dazu gerechnet, weil die Männchenfärbung Aufgrund der geringeren Aggressivität gegenüber
unbekannt ist. Überhaupt ist diese Art nur von anderen Arten sollte sie allerdings nicht mit ruppi-
einem einzigen Exemplar bekannt und beschrieben gen Arten vergesellschaftet werden. Sie ist aber
worden, dem Holotypus. Wie man dem beigefüg- geradezu ideal, will man sie mit unterschiedlichen
ten Foto entnehmen kann, hat diese Art eine extrem Fischen, wie z.B. Synodontis, kleinen Barben, und
ähnliche Körperform und auch Zeichnung im auch gerne kleineren Cichliden, z.B. Pseudocreni-
weiblichen Geschlecht. Genauso ähnlich ist sie zu labrus zusammen pflegen.
H. tanaos. Die geringen morphometrischen Unter-
schiede sind bei Van Oijen & Witte (1996) näher 1 Die Makobe Insel liegt nördlich des Mwanza Golfes im Speke
aufgeführt. Immerhin unterscheiden sich diese bei- Golf
2 Die Sango Bay liegt nördlich der Einmündung des Kagera
den in der Balzfärbung der Männchen, die bei H.
Rivers zwischen Dumu Point und Kyabasima Point.
tanaos dunkelblau ist. Auch die Lippen sind bei H.
tanaos dünner als bei H. thereuterion. Zumindest Literatur
in der Natur ist H. tanaos auch mehr auf Zoo- Kislyuk, S. (2005): www.victoriancichlids.de/hapthereu.htm
plankton, vor allem Wasserflohverwandte (47,3 bis Van Oijen, M. J. P. & F. Witte (1996): Taxonomical and ecologi-
66,6 Prozent Nahrungsanteil der untersuchten cal description of a species complex of zooplanktivorous cichlids
from Lake Victoria. Zoolog. Verhandelingen Leiden, 302: 1–56.
Tiere, gegenüber 12,7 bis 23,4 Prozent Anteil von
Insekten; Unterschiede saisonal) spezialisiert, Haplochromis thereuterion lebt in der Natur, dem
während H. thereuterion anscheinend überwiegend Victoriasee, über felsigen Habitaten.

Fotos: Erwin Schraml

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