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Gray Cook

Der perfekte Athlet


Leseprobe
Der perfekte Athlet
von Gray Cook
Herausgeber: Riva Verlag

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

1 Körper, Geist und Seele


Es existiert eine Anekdote aus dem antiken Höhepunkt zu erreichen. Vielleicht suchte er so-
Griechenland, mit der sich die modernen Prin- gar ein Kalb aus, das just zu diesem Zeitpunkt
zipien des Konditionstrainings und der Wett- voll ausgewachsen sein würde. Damit bewies er
kampfvorbereitung gut veranschaulichen lassen. Voraussicht und Zielstrebigkeit. Denn selbst das
Sie handelt von einem Olympioniken namens beste Trainingsprogramm hat wenig Wert, wenn
Milo. Anders als heutige Sportler verwendete der Leistungshöhepunkt nicht zum Zeitpunkt
Milo im Training weder Metallgewichte, noch des Wettkampfs erreicht wird. Deshalb greifen
hatte er spezielle Geräte zur Verfügung. Statt- Trainer üblicherweise auf das Instrument Perio-
dessen legte Milo mit einem kleinen Kalb in sei- disierung zurück, um ihre Trainingsprogramme
nen Armen jeden Tag eine bestimmte Strecke auf einen Zeitpunkt oder einen bestimmten
zurück. Das Kalb wuchs zu einem Bullen heran, Wettkampf in der Zukunft auszurichten. Das
und Milo trainierte weiter. Am ersten Tag der Training wird gewöhnlich in Zyklen eingeteilt,
Olympischen Spiele ging Milo dann die Lauf- die der Saisonplanung des jeweiligen Sports fol-
bahn mit einem mittlerweile ausgewachsenen gen. Normalerweise gibt es eine Saisonpause =
Bullen auf den Armen ab. Diese Anekdote kann Übergangsperiode, eine Vorbereitungsperiode
uns auch heute noch einiges lehren. und die Wettkampfperiode selbst. Durch perio-
Erstens: Jedes Training sollte progressiv aufge- disiertes Training erreichen körperliche Leis-
baut sein. Milo begann sein Training ja auch tungsfähigkeit und sportliche Fertigkeiten dann
nicht gleich mit einem ausgewachsenen Bullen. ihr Maximum, wenn sie am meisten benötigt
Seine Trainingsintensität nahm in dem Maße zu, werden, nämlich zu den Saisonhöhepunkten,
wie das Kalb heranwuchs. Ich bin mir sicher, den Wettkämpfen. Man kann zwar sein ganzes
dass auch Milo an manchem Tag müde war oder Leben lang eine gute Kondition aufrechterhal-
das Gefühl hatte, er hätte härter trainieren kön- ten, niemand kann jedoch pausenlos in körper-
nen. Trotzdem wuchs mit jedem Trainingstag licher oder geistiger Höchstform bleiben. Be-
auch die Belastbarkeit seines Körpers. Er durch- trachten Sie das Training also als einen Kreislauf
lief die notwendige körperliche Anpassung, um aus Aufbau, Wettkampf und Neuaufbau.
am Ende seines Trainingszyklus, bei seinem Drittens: Ein gutes Training erfordert Weitsicht.
olympischen Debüt, eine großartige Leistung zu Milo besaß diese Weitsicht und war zudem rea-
vollbringen. listisch in seiner Trainingsplanung. Deshalb be-
Zweitens: Training muss zielorientiert, das heißt gann er mit einem Kalb, nicht mit einem Bullen.
entweder auf ein Datum oder eine Veranstal- Einen Bullen hochzuheben ist ja fast unvorstell-
tung ausgerichtet sein. Milo plante sein Trai- bar, mit ihm eine Strecke abzulaufen noch mehr.
ning, um bei den Olympischen Spielen seinen Andererseits ist es durchaus vorstellbar, ein Kalb

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zu tragen. Am ersten Trainingstag war Milo we-


Erkenne dich selbst!
der körperlich noch geistig in der Lage, einen
Inschrift am Apollo-Tempel in Delphi
Bullen zu stemmen, aber er war zuversichtlich aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.
und extrem zielorientiert. Beim täglichen Trai-
ning dachte er auch nicht an das Gewicht des
Bullen oder die Länge der zurückzulegenden bei ist die Psychologie ebenso wichtig wie die
Strecke. Er konzentrierte sich einfach auf das Physiologie: Welchen Stellenwert nimmt das
Kalb, das eigentlich genauso aussah wie am Tag Training in Ihrem Leben ein? Was sind Sie be-
zuvor und das auch am nächsten Tag wieder ge- reit, im Rahmen Ihres Programms zu leisten
nauso aussehen würde. Das Training machte (Vision und Weitsicht)? Diese Punkte sind ge-
ihm keine Angst, es wurde vielmehr einfach ein nauso wichtig wie die Übungen selbst. Sie müs-
Teil seiner täglichen Routine. sen Vertrauen in Ihr Trainingsprogramm haben.
Damit wird klar: Training beinhaltet eine kör- Man glaubt nur, was man sieht; das Ergebnis des
perliche Belastung, die über einen bestimmten Trainings können Sie jedoch erst erkennen,
Zeitraum geleistet werden muss, um Wachstum, wenn Sie zuvor Vorbereitung, Zeit und Aufwand
Entwicklung und Leistungsverbesserung in Hin- effektiv eingesetzt haben. Es stellt sich also die
blick auf die Erfüllung einer Aufgabe zu ermög- Frage: Muss man sehen, um zu glauben, oder
lichen (progressives Training). Dazu ist Planung muss man erst glauben, um zu sehen? Nehmen
erforderlich: Sie müssen wissen, wann Ihre Sie sich ein Beispiel an Milo. An erster Stelle stand
Höchstleistung erforderlich sein wird und wie sein Glaube an das Ziel, und dann vollbrachte er
Sie sie erreichen können (Periodisierung). Da- etwas, das niemand zuvor gesehen hatte.

Der menschliche Körper


Im Sport dreht sich alles um die Bewegungen Der häufigste Trainingsfehler, der mir im Profi-
unseres Körpers. Um den größten Nutzen für wie aber auch im Amateursport aufgefallen ist,
Ihr Training aus den folgenden Kapiteln heraus- hat mit der Schwerpunktsetzung zu tun. Meist
zuholen, ist ein generelles Verständnis der Funk- wissen die Sportler mehr über ihre Trainings-
tionsweise des menschlichen Körpers und sei- programme als über ihren eigenen Körper
ner Systeme erforderlich. Grundlage aller Tests und ihre Bewegungsabläufe. Im medizinischen
und Übungen in diesem Buch ist die Art und Bereich würde das einem Patienten entspre-
Weise, wie der Körper Bewegungen auslöst, chen, der mehr über Medikamente weiß als über
wahrnimmt und optimiert. Das Verständnis der die Krankheit, die sie heilen oder behandeln
Funktionsweise des eigenen Körpers erklärt sollen.
dem Sportler Sinn und Zweck dieser Tests und Viele der im Sport gebräuchlichen Bewertungs-
Übungen. tools und -tests haben keine direkte Auswir-

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

kung auf die Trainingsprogramme. Mit den ge- Informationen aus den Tests optimal für Ihr
wonnenen Daten werden zwar Profile für jeden Konditionstraining verwenden können. Die Un-
Athleten erstellt, sie werden aber nicht dazu tersuchungsergebnisse sind so zusammenge-
herangezogen, das Programm leistungsfördernd stellt, dass der betreffende Sportler auch ver-
und individuell an den jeweiligen Athleten an- steht, was die Ergebnisse bedeuten und welche
zupassen. Ein Sportler, der seine individuellen Schwächen sie offenbaren. In den einzelnen Blö-
Testergebnisse weder kennt noch versteht, hat cken (Teil II bis IV) werden dann Trainingspro-
keine Möglichkeit, seine Fortschritte zu über- gramme vorgestellt, die sich auf die Tests in
prüfen und sein Trainingsprogramm dement- demselben Block beziehen. Kurz – die Lösung
sprechend zu überarbeiten. wird direkt nach der Diagnose des Problems ge-
In den nun folgenden Kapiteln werde ich Ihnen liefert.
eine neue Methode erklären, mit der Sie die

Motorik – die Lehre von der Bewegung


In der Computerfachsprache wird ein großer zum Beispiel Rad fahren, einen Golfschläger
Unterschied zwischen Hardware und Software schwingen oder einen Freiwurf beim Basketball
gemacht. Anhand dieser Unterteilung kann man ausführen, dann entwickeln Sie hierfür ein Mo-
ebenfalls verdeutlichen, wie der Körper Bewe- torisches Programm, mit dem Sie diese Tätigkeit
gungen auslöst, wahrnimmt und perfektioniert. beliebig oft reproduzieren können, ohne jedes
Der Begriff Hardware bezieht sich auf die Kom- Mal die Bewegung an sich erneut erlernen zu
ponenten der realen Maschine; Software hin- müssen.
gegen bezeichnet die Programme (Befehle oder Das Motorische Programm ist für den Köper
Anweisungen), die es der Maschine ermögli- eine Möglichkeit, Energie und Speicherplatz zu
chen, die von ihr geforderte Aufgabe zu erfüllen. sparen. Das Gehirn entwickelt dazu eine spezi-
Wenn wir über den menschlichen Körper spre- fisch programmierte Abfolge von Bewegungen,
chen, einschließlich seiner Muskeln, Gelenke, speziell ausgerichtet auf den jeweiligen Körper
Bänder und aller anderen Körperteile, so spre- und die bezweckte Tätigkeit. Damit wird er-
chen wir quasi von der Hardware des Körpers. reicht, dass nicht jedes Mal, sobald eine Bewe-
Diskutieren wir die Motorik oder Motorische gung ausgeführt werden soll, alle Einzelkompo-
Programme, so befinden wir uns auf dem Gebiet nenten dieser Bewegung neu kombiniert werden
der Software des Körpers. müssen. Beispiel: Immer wenn Sie auf die Dri-
Mit dem Begriff Motorische Programme be- ving Range gehen, können Sie im Gehirn die
schreibt man »Methoden«, die das Gehirn ein- »Datei« über den Golfschlag öffnen, ohne die
setzt, um Bewegungsinformationen möglichst komplexe Schlagbewegung aus ihren Einzelbe-
sparsam und flexibel zu speichern. Wenn Sie wegungen zusammensetzen zu müssen. Je öfter

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diese schlechte Ausführungsform mit dem Mo-


torischen Programm abgespeichert. Übung allein
führt nicht zur Perfektion; nur perfekte Übung
macht uns zum perfekten Sportler.
Motorische Programme können allgemein oder
spezifisch angelegt sein. Allgemeine oder grund-
legende Motorische Programme ähneln sehr
dem Standard-Betriebssystem eines Computers.
Spezifische Motorische Programme beziehen
sich auf spezielle sportliche Abläufe. Kinder be-
dienen sich aus einem Pool allgemeiner Bewe-
gungen, die ihrer geistigen und körperlichen
Entwicklung dienen. Fast alle Kinder folgen da-
bei demselben Entwicklungsweg bzw. derselben
Abfolge von Bewegungen vom Krabbeln bis
zum Gehen. Das allgemeine Motorikprogramm
ist allen Menschen gemeinsam; spezifische Mo-
torische Programme sind jedoch für jeden Men-
schen einzigartig und basieren auf Alter und
Erfahrung. Das grundlegende Motorische Pro-
gramm (das allgemeine Programm mensch-
Das Gehirn setzt ein Motorisches Programm, zum Beispiel licher Bewegung) stellt die Plattform dar, auf
für einen Golfschlag, aus einer Abfolge von Einzelbewegun- der die spezifischen Motorischen Programme
gen zusammen, wodurch der Sportler effizienter auf diese (sportartspezifische menschliche Bewegungen)
Bewegungsabfolge zugreifen kann.
ablaufen können. Das allgemeine Programm
oder Bewegungskonzept ist also der Bezugsrah-
ein Motorisches Programm angewendet wird, men für grundlegende Bewegungen und enthält
desto effizienter wird es und umso besser ist das Informationen wie:
Feintuning der Bewegung. Profisportler entwer-
fen Motorische Programme, die so hoch entwi- maximale Reichweite,
ckelt sind, dass sie sie auch unter wechselnden Körperschwerpunkt,
Bedingungen und hochgradigem physischen Grenzen der Links- bzw. Rechtsdrehung,
wie auch mentalen Stress noch effektiv abrufen Schrittlänge beim Gehen,
können. Schrittlänge beim Laufen,
Also alles eine Frage der Übung? Nicht notwen- Koordination bei Kniebeugen,
digerweise. Wird ein Bewegungsablauf in Koordination bei Ausfallschritten und
schlechter formaler Technik trainiert, so wird Gleichgewicht.

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

Motorische Programme können zum ersten Mal deutet durch Fühlen und Tasten definiert. Dieses
beobachtet werden, wenn ein Kind beginnt, sich Erfühlen wird als körperliche Eigenwahrneh-
zu bewegen, ganz gleich, ob es sich um die Längs- mung oder Propriozeption bezeichnet. Es ent-
achse rollt, krabbelt oder geht. Die meisten Kin- spricht der Art und Weise, wie der Körper Berüh-
der lernen zu gehen, lange bevor sie verständlich rungen und Bewegungen spürt oder wahrnimmt.
verbal kommunizieren können und bevor sie Das soll nicht heißen, dass Sprache nicht hilf-
eine ausreichende Beobachtungsgabe entwi- reich für das Feintuning oder die Weiterentwick-
ckeln, um solch eine komplexe Bewegung ein- lung von Bewegungen im Sport wäre. Es ist
fach nachzuahmen. Folglich wird das Gehen jedoch wichtig, Bewegungen – wann immer mög-
durch (Er-)Fühlen und Ausprobieren erlernt lich – durch das Bewegen an sich zu erlernen.
und nicht durch verbale Kommunikation oder Wenn ein bewegungsbezogenes Problem be-
Beobachtung anderer. Diesen Zusammenhang steht, sind Hardware und Software gleicherma-
zu verstehen ist sehr wichtig. Denn wenn ein ßen zu berücksichtigen. Man geht allgemein da-
Sportler versucht, neue Bewegungsmuster zu er- von aus, dass mit genügend Übung die Software
lernen, erhält er von einem Trainer oder Trai- bzw. das Motorische Programm weiterentwi-
ningspartner meist eine Anleitung in Sprach- ckelt und verbessert werden kann. Das mag
form oder bekommt die Bewegung vorgeführt, stimmen, falls die Hardware optimal funktio-
anstatt sie selbst »erfühlen« zu können. Die Spra- niert. Man kann jedoch nicht davon ausgehen,
che der Bewegung ist jedoch haptisch, das be- dass ein Athlet sich in optimaler Form befindet,

SPORTARTSPEZIFISCHES KONDITIONSTRAINING

John Wooden, der berühmte Basketball- John Woodens Ansatz stellt ein grundlegen-
trainer an der UCLA, der University of Cali- des Element des Sports dar, das heutzutage
fornia in Los Angeles, hatte kein formal fest- oft vergessen wird. Wir spalten das Training
gelegtes Konditionstrainingsprogramm. In zu sehr in Einheiten auf: Es gibt eine Kraft-
seinen Trainingseinheiten baute er zahlreiche trainingseinheit, eine Sprinteinheit, eine
Stationen auf, an denen jeweils Teilbereiche Schnelligkeitseinheit. Dazu noch Sportmas-
basketballerischer Fertigkeiten trainiert sage, und dann und wann denken wir auch
wurden. Jede Station forderte ausnahmslos ans Stretching. Zu noch anderer Zeit arbeiten
kurze schnelle Übungsabfolgen, um die Spieler wir an der Technik oder simulieren Wett-
zu zwingen, bei der Ausführung auf eine sau- kampfsituationen. Dadurch verwirren wir
bere Technik und trotzdem auf eine gleich- unser Gehirn. Im Wettkampf braucht der
bleibende Leistung zu achten. Auf sein Kom- Sportler alles gleichzeitig und in perfekter
mando per Trillerpfeife sprinteten die Spieler Kombination. Man kann nicht im Training
zur nächsten Station. Wenn sie außer Atem alles in Einheiten unterteilen und erwarten,
und ermattet dort ankamen, mussten sie wie- dass das Gehirn im Wettkampf alles richtig
derum eine Übung auf hohem Niveau absol- zusammensetzt.
vieren – und so weiter von Station zu Station.

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nur weil er hart trainiert. Der Sportler bildet lautet: »Wenn wir auf ein technisch ebenbürti-
vielleicht Muskeln aus und verbessert seine Aus- ges Team treffen, werden wir immer siegen, weil
dauer, aber wie sehen seine Bewegungsmuster wir die bessere Kondition haben.« Seine Spieler
aus? Ein Athlet definiert sich nicht über sein hatten keine bessere Kondition, weil sie mehr
Aussehen, sondern über seine Art, sich zu bewe- Zeit mit »fliegenden« Steigerungsläufen (kur-
gen. Modernes Krafttraining mit Gewichten hat zen, intensiven Steigerungsläufen aus dem Trab-
zum Beispiel häufig mehr mit Bodybuilding zu lauf), also mit kurzen anaeroben Einlagen, oder
tun als mit sportlicher Leistung und verbesser- mehr Zeit im Kraftraum verbrachten. Sie hatten
ten Bewegungsabläufen. Ein Sportler muss ver- eine bessere Fitness (Kondition), weil sie es ge-
nünftige Bewegungsmuster entwickeln, lange wöhnt waren, zu rennen, zu sprinten und rasch
bevor er sich Sorgen um Leistungsverbesserun- zwischen den verschiedenen technischen Fer-
gen machen sollte. Diese Bewegungsmuster sind tigkeiten zu wechseln und diese dabei trotzdem
allerdings nicht ausführbar, wenn der Sportler in korrekt auszuführen. Dadurch verschwindet die
seiner Beweglichkeit oder Körperbeherrschung Trennlinie zwischen Konditions- und Technik-
eingeschränkt ist, wenn er also schlechte Werte training. Woodens Methodik integrierte sogar
hinsichtlich Mobilität und Stabilität erzielt. die vielen kurzen Pausen, die Teile jedes norma-
John Wooden baute sein Konditionstraining in len Spiels sind – Pausen, die man zur aktiven
seine Technikeinheiten ein. Ihm ging es darum, Erholung und erneuten Konzentration nutzen
das Konditionstraining im Techniktraining zu kann. Das lehrt den Sportler vernünftiges Zeit-
»verstecken« und die Trainingsintensität an- management: Komme zu Atem, wenn du die
hand von wettkampfähnlichen Situationen zu Gelegenheit hast. Entspanne dich, wann immer
erhöhen. Wooden war hochgradig intuitiv und möglich. Mit den Worten von John Wooden:
effizient in dem, was er tat. Eines seiner Zitate »Sei schnell, aber überstürze nichts.«

Körpereigene Systeme
Menschliche Gelenke bewegen sich zwar ähn- sen und geschützt. Die Gelenkschmiere (Syno-
lich wie mechanische, kommen jedoch ohne via) innerhalb der Gelenkkapsel dient sowohl der
starre Achsen oder Bolzen aus, sie drehen sich um Schmierung als auch der Nährstoffversorgung
einen Mittelpunkt. Ein Gelenk wird auf zweier- des Knorpels, des weicheren Materials an den
lei Art zusammengehalten: durch den Bandap- Enden der in das Gelenk mündenden Knochen.
parat und die Muskeln, die es umgeben. Ge- Der zweite und aktive Stützapparat ist das kom-
wöhnlich gibt es je ein Band, um das betreffende plexe Netz aus Muskeln, die das Gelenk umge-
Gelenk in jeder Richtung zu unterstützen, in die ben. Sie lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:
es sich natürlicherweise bewegen kann. Das Ge- Muskeln, die hauptsächlich das Gelenk stabili-
lenk ist komplett von der Gelenkkapsel umschlos- sieren, und solche, die das Gelenk bewegen. Die

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

stabilisierenden Muskeln bilden gewöhnlich die die eigentlichen Bewegungen entstehen können.
erste Muskelschicht um das Gelenk (die Tiefen- All dies geschieht automatisch in Form von Re-
muskulatur). Vereinfacht, pressen diese Muskeln flexen, es sind also keine bewussten Denkpro-
das Gelenk zusammen und stützen es, sobald es zesse dazu erforderlich. Gelenke und Muskeln
bewegt oder belastet wird. Man spricht häufig arbeiten folglich in einer Art Autopilot, um den
auch von Haltemuskulatur, weil diese Muskeln Körper zu schützen und effiziente Bewegungs-
für die Körperhaltung und die Stabilisierung der abläufe zu ermöglichen. Die von ihnen geliefer-
Gelenkstellung bei Bewegungen verantwortlich ten Informationen spielen eine wesentliche
sind. Nachdem die Haltemuskeln ihre Rolle er- Rolle für die Propriozeption.
füllt haben, ziehen die größeren Muskeln, auch Diese Eigenwahrnehmung erfolgt über das sen-
Primärmuskulatur genannt, das Gelenk in eine sorische System, das für Sinneswahrnehmungen
bestimmte Richtung. Dies geschieht durch Kon- zuständig ist. Letzteres liefert Ihnen nicht nur
traktion (Zusammenziehen) der Muskeln. Informationen dazu, was vorgeht, sondern ermög-
Zwischen Gelenk, Bänderapparat und Muskeln licht auch den »Automatikbetrieb« des Körpers.
existiert ein extrem komplexes Kommunikations- Ein großer Teil der Muskeln im Körper reagiert
system, damit sie zum Schutz des Gelenks zu- automatisch. Sie sind vollständig von den Funk-
sammenarbeiten können. Die Bänder verlaufen tionen des sensorischen Systems abhängig.
aus zwei Gründen in der Belastungsrichtung: Lange Zeit sah man den Körper als bloßes Vehi-
Erstens schützen die Bänder das Gelenk, indem kel oder Behelfsmittel für Bewegungen an. Heute
sie Zugfestigkeit bieten, damit das Gelenk nicht wissen wir, dass der Körper auch äußerst sensi-
auseinandergezogen werden kann. Zweitens ver- bel auf Input von außen reagiert. Der ganze Kör-
fügen die Bänder über kleine Sensoren, welche per ist ein einziger großer sensorischer Organis-
die Zugbelastung respektive den Spannungszu- mus, der Feineinstellungen aufgrund erhaltener
stand überwachen. Wird ein bestimmter Grenz- Informationen vornimmt. Wenn die Muskula-
wert erreicht, werden die Muskeln aktiviert, um tur verspannt oder schwach ist oder wenn Ge-
das Gelenk zu schützen. lenke steif oder instabil sind, werden diese Infor-
Diese Sensoren in der Gelenkkapsel und im mationen verzerrt. So kommt es auch zu einer
Knorpel liefern Informationen über den Zustand »Verzerrung« der automatischen Reaktionen. Das
und die Stellung des Gelenks sowie Geschwin- kann Leistungsbeeinträchtigungen sowie Ermü-
digkeit und Richtung der Bewegung an unser dungserscheinungen nach sich ziehen und den
Gehirn. Auch die Muskeln verfügen über solche Körper unnötigem Stress aussetzen.
Sensorzellen, die Muskelspindeln. Sie halten den Die Tests und Übungen im vorliegenden Buch
Muskel in einem Stand-by-Zustand (eine Art re- werden Ihnen helfen, besser zu verstehen und zu
aktionsbereite Wachsamkeit), indem sie perma- erfühlen, wie Ihr Körper funktioniert. Schließ-
nent die anliegende Spannung überwachen. So lich lernen Sie dadurch, wie Sie Ihren Körper am
kann der Muskel entspannt (relaxiert) oder zu- besten trainieren. Wer »mitspielen« will, muss
sammengezogen (kontrahiert) werden, wodurch erst die Spielregeln kennen.

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2 Schwachstellen erkennen
Beim Sport geht es häufig um das Überwinden ler werden jeden Tag mit ihrer »Schwache« kon-
von widrigen Umständen. Durch Niederlagen frontiert, was ziemlich entmutigend sein kann.
und Verletzungen, die keinem Sportler erspart Ein Sportler, der sich in solchen Situationen ob-
bleiben, werden Athleten geformt oder aber zer- jektiv verhält und überlegt handelt, kann sich
stört. Doch durch objektive Betrachtung, ratio- hingegen selbst gegen scheinbar übermächtige
nale Beurteilung und entsprechende Maßnah- Gegner durchsetzen.
men lassen sich Niederlagen und Verletzungen Ein Beispiel: Ein Basketballspieler tritt gegen
in Vorteile umwandeln. Den Vorteil, Schwächen einen Gegner gleicher Größe und Stärke an, der
zu entdecken und mehr über sich selbst zu ler- ihm jedoch in puncto Technik und Leistung
nen. Es gibt sie in jedem Sport – die jungen, überlegen ist. Wie zu erwarten, verliert der tech-
schmächtigen oder durchschnittlichen Athleten, nisch schlechtere Spieler alle Spiele. Anfangs
die mit älteren, größeren oder besseren trainie- lässt er sich entmutigen, dann erkennt er aber,
ren bzw. gegen sie antreten müssen. Diese Sport- wie unproduktiv seine Mutlosigkeit ist, besinnt

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

sich auf seine Cleverness und betrachtet die Si-


»It’s the way that creates the warrior.«
tuation objektiv.
[in etwa: Nur im Kampf wird man zum Helden.]
Sein Gegner besitzt eine höhere Sprungkraft, Dan Millman1
ihre Werte bei Beschleunigung (Antritt) und
Schnelligkeit sind jedoch gleich. Der unterle-
gene Spieler verzeichnet im ersten und zweiten Zuerst baut er ein Intervalltraining mit Spring-
Viertel des Spiels einen 10%igen Unterschied in seil und kurzen Steigerungsläufen ein. Hinzu
ihren jeweiligen Offensivfähigkeiten und eine kommen technische Übungen zwischen den
20%ige Diskrepanz in der Verteidigung. Im Sprint- und Springseileinheiten. Dadurch ver-
dritten und im letzten Viertel steigen die Werte bessert sich nicht nur seine Ausdauer, sondern
sogar auf 40 % im Angriff und 50 % in der Ver- auch sein technisches Geschick in Angriff und
teidigung. Also scheint fortschreitende Ermü- Verteidigung. Er wird schließlich zu einem
dung ein signifikantes Problem zu sein. Mit »kompletten«, mental und physisch starken
dieser Erkenntnis plant der schwächere Basket- Athleten. Indem er seine Schwächen in Angriff
ballspieler ein aggressives Konditionsprogramm. nahm, konnte er sie überwinden.

Eine Kette ist so stabil wie ihr schwächstes Glied


Wahrscheinlich fehlinterpretieren Trainer und wobei beide jedoch auch separat als Ursache für
Athleten Schwachstellen und Punkte, bei denen ein Mikrotrauma infrage kommen. Mit man-
Energie verschwendet wird, mehr als alle ande- gelhaften biomechanischen Abläufen sind hier
ren Themen im Sport. Jeder kann eine Verlet- Bewegungsfehler gemeint, die der Körper zu
zung nachvollziehen, wenn ein Athlet ausrutscht kompensieren versucht. Dabei kommt es zu
oder zwei Sportler zusammenprallen. Aber einer suboptimalen, also unzureichenden Ge-
Sportler und Trainer sind immer wieder per- lenkausrichtung, Muskelkoordination und Kör-
plex, wenn ein Sportler wachsende Schmerzen perhaltung. Diese kleinen Fehler sind für das
in der Schulter beklagt oder wenn ihn bei jedem ungeschulte Auge oft nicht zu erkennen und
Training, also täglich, Rückenschmerzen plagen. führen selten direkt zu Leistungseinbußen, wo-
Falls Krankheiten oder angeborene Beschwer- durch sie der Sportler auch zunächst meist nicht
den nicht die Ursache sind, gehen solche beachtet. Sie äußern sich eher in Form von Er-
Schmerzen gewöhnlich auf Mikrotraumata, das müdung und treten auf, wenn die Grundlagen
sind winzige Gewebsverletzungen, zurück. des Konditionstrainings und der sportartspezifi-
Mikrotraumata sind das Ergebnis eigentlich ge- schen Technik nicht beachtet werden. Überlas-
ringer Belastungen des Körpers über einen län-
geren Zeitraum, verursacht durch mangelhafte 1
Ehemaliger Trampolin-Weltmeister, Sportlehrer
biomechanische Abläufe und/oder Überlastung, und Autor aus den USA

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tung hingegen hat nichts mit Bewegungsfehlern Viele Sportler glauben, sie wüssten bereits, wo
zu tun. Überlastung kann dadurch verursacht ihre Schwachstellen liegen. Ohne ein objektives
werden, dass zwar richtig, aber zu viel trainiert Messinstrument (Testreihe) oder ohne bestimmte
wird. Jede Art exzessiven Trainings bedeutet Standards ist es jedoch nicht nur für den Athle-
Verlust der richtigen Perspektive. ten äußerst schwierig, sich einzuschätzen. Mei-
Um zum Kern des Problems vorzudringen, nungen, Gefühle, Vorlieben und Abneigungen
muss untersucht werden, ob die aufgetretenen bezüglich der Trainingsinhalte, aber auch die
Mikrotraumata das Ergebnis von zu viel richti- jeweilige Sportart oder die gewählte Regenera-
gem Training oder zu viel falschem Training tionsmethode – all dies sind wichtige Faktoren.
sind. Die meisten schieben solche Kleinstverlet- Meist kann man beobachten, dass Trainingspro-
zungen auf eine Überlastung sowie auf unzurei- gramme für Maximalkraft, Beweglichkeit, Aus-
chende Pausen und Regeneration, was allerdings dauer, Kraftausdauer und Schnelligkeit so dis-
oft nicht die wirklichen Gründe sind. Stellen Sie kutiert und praktiziert werden, als ob es sich um
sich zum Beispiel einmal eine Athletin vor, die separate, voneinander unabhängige Komponen-
ihre Laufdistanz gesteigert und plyometrische ten handeln würde. Tatsächlich sind sie jedoch
Übungen zur Erhöhung der Schnellkraft in ihr miteinander verbunden. Eine separate Betrach-
Training eingebaut hat sowie zusätzlich Schnel- tungsweise ist daher in etwa so sinnvoll, wie
ligkeit und Koordination trainiert. Plötzlich jeden Finger und den Daumen einzeln zu trai-
beginnt ihr rechtes Knie zu schmerzen. Über- nieren und zu hoffen, dass sie, wenn es darauf
training lässt sich leicht als Sündenbock benut- ankommt, gut zusammenarbeiten, um beispiels-
zen, aber warum ist das linke Knie schmerzfrei, weise einen Ball zu werfen oder zu fangen.
obwohl es genauso hart trainiert wurde? Die Ermittlung der Schwachstellen erfolgt in
Unter Schwachstelle oder »schwächstem Glied« verschiedenen Phasen. Dabei wird die Bewe-
in der Bewegungskette versteht man nicht nur gungsausführung als Ausgangspunkt betrachtet.
einfach eine Muskelschwäche – der Begriff Auf die Bewegung wird das Konditionstraining
Schwachstelle kann jede Grenze, die dem Kör- aufgebaut; auf das Konditionstraining wiede-
per gesetzt ist, bedeuten. Mit Schwachstelle rum das Einüben sportartspezifischer Fertigkei-
kann auch ein mangelhaftes Bewegungsmuster ten. Zuerst testen Sie also die Bewegung an sich.
gemeint sein oder schlechte Ausdauer, fehler- Dann testen Sie Ihre Kondition. Und schließlich
hafte Koordination, eingeschränkte sportspezifi- müssen Sie mithilfe eines Trainers oder mittels
sche Fähigkeiten oder mangelnde Beweglich- Videoanalyse und Aufzeichnungen vergangener
keit. Zu Beginn eines Konditionsprogramms und aktueller Leistungen Ihre spezifischen Fer-
haben Anfänger wie auch erfahrene Athleten tigkeiten beurteilen. Zuerst liegt der Fokus jedoch
viele Ziele und gute Vorsätze, vieles wollen sie auf der Bewegung und dem Konditionstraining,
ändern, korrigieren oder verbessern. Am besten weil sie das Fundament für die spezifischen Fer-
konzentriert man sich jedoch auf eine einzelne tigkeiten bilden. Wichtig ist, diese Grundlagen
Komponente, die es zu verbessern gilt. zu stärken oder zumindest in ein Gleichgewicht

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

zu bekommen, bevor man zur Beurteilung der bessern, das Testergebnis ergibt jedoch, dass
sportartspezifischen Fertigkeiten übergeht. Das diese ausreichend ist (wenn auch verbesserungs-
scheint dem gesunden Menschenverstand zu würdig), seine mangelnde Beweglichkeit aber
entsprechen. Trotzdem wird dieses grundle- das größte Manko darstellt. Folglich muss er zu-
gende Prinzip von Athleten aller Leistungsklas- erst intensiv an seiner Beweglichkeit arbeiten
sen häufig missachtet. und sollte sich erst danach dem Schnelligkeits-
Das richtige Verhältnis zwischen den einzelnen training widmen, wenn die Schnelligkeit zum
Komponenten Kraft, Beweglichkeit, Schnellig- schwächsten Glied in der Kette seiner Fähigkei-
keit und Ausdauer ist der Schlüssel eines jeden ten wird. Dies erfordert Disziplin. Falls Beweg-
professionellen Trainings. Fehlende Ausgewo- lichkeit das schwächste Glied darstellt, kann ein
genheit geht zu Lasten der Effizienz. Und wenn zu früh aufgenommenes Schnelligkeitstraining
die Effizienz leidet, gehen auch Kraft und Ener- im Laufe der Zeit möglicherweise zu Verlet-
gie verloren. zungen oder biomechanischen Überlastungser-
Um optimale Ergebnisse zu erreichen, muss der scheinungen führen. Schnelligkeitstraining auf
Athlet wirklich bereit sein, die Tests objektiv an- hohem Niveau erfordert ein maximales Bewe-
zugehen und auch entsprechend zu trainieren. gungsspektrum und eine fehlerfreie Eigenwahr-
Dafür muss er den Tests wie in diesem Buch be- nehmung des Körpers. Diese beiden Eigenschaf-
schrieben folgen und sich an die aus ihnen resul- ten sind bei mangelnder Beweglichkeit jedoch
tierenden Empfehlungen halten. Ein Sportler signifikant eingeschränkt.
will vielleicht unbedingt seine Schnelligkeit ver-

Leistungseinbußen
Leistungseinbußen mit Energieverlust können des Körpers. Diese Aktion kann sich ganz unter-
das Ergebnis von Schwachstellen sein. Der Be- schiedlich äußern: Sie kann beispielsweise zu
griff Energieverlust deutet sowohl auf Ineffizienz unnötiger Muskelaktivität in einem anderen Teil
als auch auf Belastung (oder gar Überbelastung) des Körpers führen, die wiederum für betroffene
hin. Energieverluste treten auf, wenn die Gesamt- Muskeln und Sehnen einen erhöhten Stress be-
energie, die für die Ausführung einer bestimm- deutet (im schlimmsten Fall führt dies zu Zer-
ten Aktion bzw. Bewegung aufgebracht wird, rungen). Es können aber auch unfunktionelle
nicht zu 100 % in deren Bewältigung mündet. Bewegungen der Wirbelsäule oder der Extremi-
Aus den Naturwissenschaften wissen wir, dass täten ausgelöst werden, wodurch die Belastung
Energie nicht einfach »verpufft«, sondern immer auf Gelenke und Bänder steigt. Diese Bewegun-
in andere Energieformen umgewandelt wird. gen, ausgelöst durch falsche Bewegungsmuster,
Normalerweise verursacht fehlgeleitete Energie können zu Überlastungsschäden und Kleinst-
eine Aktion an einer anderen Stelle innerhalb verletzungen führen, die wochen- oder gar mona-

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telang unbemerkt bleiben. Am Ende zahlt der kann mehr trainieren und mit weniger Belas-
Sportler den Preis dieser fortgesetzten (Fehl-) tung Wettkämpfe bestreiten.
Belastung. Stellen Sie sich einen Athleten vor, Das Problem an der ganzen Sache: Die schlechte
der an einer allgemeinen Hüftsteife leidet. Die Ausführungsform bzw. Technik ist eventuell
Tests ergeben, dass mangelnde Beweglichkeit sein einfacher und bequemer, weil man sich an sie
größter Schwachpunkt ist. Doch der Athlet hält gewöhnt hat. Es scheint sogar, als ob sie weniger
daran fest, Kraft und Ausdauer wären die Berei- Energieaufwand als die richtige erfordern würde.
che, an denen er arbeiten müsse. In seinem Trai- Langfristig ist jedoch die korrekte Technik deut-
ning könnten dadurch zahlreiche Energiever- lich energieeffizienter. Eine schlechte Technik
luste auftreten. Angenommen, er liefe Sprints am wird dem Athleten, selbst bei anfänglichen Er-
Berg, anstatt sich zunächst auf die Verbesserung folgen, letztlich Energie rauben und weit mehr
seiner Beweglichkeit zu konzentrieren. Berg- Zeit und Aufwand kosten als die Beseitigung der
sprints fördern die Antrittsschnelligkeit, die betreffenden Schwachstellen. In manchen Fällen
Beinkraft sowie die Sprintfähigkeit. Um die für kommt es bei schlechter Ausführung zu einer
diese Trainingsform notwendige Schrittlänge zu geringeren Beteiligung der Gesamtmuskulatur
erreichen, ist ein maximaler Kniehub unabding- (wodurch die Bewegung leichter erscheint).
bar. Doch ein Athlet, der sich mit einer nicht Dieser Eindruck darf aber niemals mit Effizienz
optimalen Hüftbeweglichkeit an diese Trainings- verwechselt werden. Muskeln sind es gewöhnt,
form macht, wird versuchen, die mangelnde Be- die gewünschte Bewegung auszuführen und da-
weglichkeit zu kompensieren und auf alternative bei die optimale Körperhaltung beizubehalten.
Bewegungsmuster auszuweichen, um die notwen- Um effizient zu sein, muss der Athlet beide Kri-
dige Schrittlänge zu erreichen. Unser Athlet kämpft terien erfüllen und dann seine Fähigkeit unter
sich also nicht durch seine Schwäche hindurch; Beweis stellen, den betreffenden Bewegungsab-
er arbeitet sich darum herum und verursacht lauf ohne Qualitätsverlust beliebig oft wieder-
dadurch einen Energieverlust. Eine mangelhafte holen zu können. Hat er dies begriffen, kann er
Ausführungsform bzw. Technik führt in fast al- seine Effizienz steigern und Muskeln speziell für
len Fällen zu einem solchen Energieverlust. diesen Bewegungsablauf ausbilden.
Dabei wird ein Athlet selbst mit einer schlechten Mikroverletzungen können von Übertraining
Technik eine gute Leistung erbringen können. herrühren, sind jedoch mit vielen Ursachen ver-
Schlussendlich wird er jedoch immer die Quit- bunden – unzureichendem Aufwärmen (Warm-
tung erhalten: Leistungsschwankungen, Erschöp- up) und Abwärmen (Cool-down), mangelnder
fungszustände, Muskelkater oder sogar Verlet- Eigenwahrnehmung des Körpers, schlechter Er-
zung. Ziel des Trainingsprogramms sollte es nährung und zu geringer Flüssigkeitszufuhr sowie
daher sein, eine effiziente Bewegungsform für suboptimaler Biomechanik. Auch einseitiges
die jeweilige sportliche Tätigkeit zu entwickeln Training, bei dem der Sportler sich auf nur eine
und einzustudieren. Dadurch werden Energie- Trainingsform konzentriert und andere vernach-
verluste vermieden, der Athlet bleibt locker und lässigt, kann eine Rolle spielen. Sie müssen

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Grundlagen der Bewegungen im Sport

schon das machen, was notwendig ist – daran Minimierung der Risiken. Heutzutage wollen
führt kein Weg vorbei! Falls die Tests eine wir mehr als je zuvor an Sofortlösungen (Quick-
Schwachstelle in einem bestimmten Bereich er- fix) glauben, die uns harte Arbeit, Disziplin, Ein-
geben, dann muss exakt dieser Bereich auch spe- satz und Hingabe ersparen. Es muss doch eine
zifisch trainiert werden. Zeigen die Tests eine innovative Methode geben, die uns schnell in
Verbesserung in diesem Bereich, können Sie den Kreis der Sieger führt, und das immer und
sich einem anderen zuwenden. Bis Sie diesen immer wieder. Aber das ist einfach nicht der
Punkt erreichen, müssen Sie jedoch weiter an Fall! Ganz gleich, wie gut Sie sind, Sie werden
der dringlichsten Schwachstelle arbeiten. mindestens einen Schwachpunkt haben, dem
Das in diesem Buch beschriebene Testreihen- Sie sich systematisch widmen müssen, den Sie
modul hat das Ziel, die individuellen Schwach- trainieren, »ausbügeln« und immer wieder er-
stellen zu ermitteln. Auf die Feststellung einer neut bewerten müssen. Wahre Champions ver-
Schwäche folgt ein systematischer Ansatz, um bringen mehr Zeit damit, an ihren Schwächen
gezielt an dieser Schwäche zu arbeiten. An- zu arbeiten, als ihre Stärken zu präsentieren. Sie
schließend wird dieser Bereich erneut getestet, müssen mehr über Ihre Schwäche(n) wissen, als
um Verbesserungen erkennen zu können. Bei jeder Gegner jemals herausfinden könnte oder
den erneuten Tests sollte die nächste Schwäche bestimmte Bedingungen respektive Situationen
erkannt werden und so weiter. Das kann durch- aufdecken könnten. Es gibt die Behauptung, der
aus kompliziert werden. Werden Sie sich darü- einzig wirklich objektive Mensch sei derjenige,
ber klar, dass die vollständige Beseitigung einer der weiß, dass er es nicht ist. Es ist so schwierig,
Schwäche zwar das Ziel ist, aber einen langen objektiv zu sein, wenn es um die eigene Person
Weg bedeuten kann. geht. Mein Buch wird Ihnen helfen, die jeweils
Viele Athleten haben das Gefühl, ihr Trainer größte Schwäche zu erkennen und entsprechend
würde sie bremsen oder ihre Aufmerksamkeit zu trainieren. Das gesamte Konzept basiert auf
auf unnötige körperliche und technische Grund- einer objektiven Betrachtungsweise.
lagen sowie Übungen richten, die keinen Bezug
zur ausgeübten Sportart zu haben scheinen. Das
ist jedoch die wahre Kunst des »Coachings« – zu
wissen, wann man das Training in Art, Umfang
und Intensität verändern muss und wann man
einen Schritt weitergehen kann. Dieses Wissen
sollte idealerweise auf mehreren Faktoren basie-
ren und nicht nur auf dem Drang des Athleten,
Fortschritte zu machen.
Die Kunst des Coachings oder Self-Coachings
(also des Trainierens ohne Trainer) liegt in der
Maximierung der Chancen bei gleichzeitiger

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Gray Cook
Der perfekte Athlet
Spitzenleistungen durch Functional Training

320 Seiten, kart.


erschienen 2010

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