Berichte
Rekordspannweiten norwegischer
Spannbetonbalkenbrücken
Berichte
Mit der Stolmasundbrücke und der
Raftsundbrücke wurden im Novem-
ber 1998 in Norwegen zwei Brücken
dem Verkehr übergeben, die mit
ihren Spannweiten von 301 m und
298 m die größten ihrer Art sind. Sie
stoßen in Bereiche vor, die bisher
seilverspannten Konstruktionen vor-
behalten blieben (Bild 1).
Beide Brücken verbinden karge
Felseninseln. Die extrem dünne Be-
siedlung Nordnorwegens erfordert
meist nur zwei schmale Fahrspuren –
die Tragwerke wirken dadurch noch
schlanker. Vor der zerklüfteten Berg-
welt strahlen sie Eleganz und Kühn-
heit aus.
Raftsundbrücke
Die Raftsundbrücke verbindet die
Lofoteninseln Austvaagoey und Hin-
noey. Der Sund ist ein Hauptver-
kehrsweg für die Postschiffe der Hur-
tigroute, für die Ausflugsboote zum
nahegelegenen Trollfjord und für die
Flotte der Lachsfischer.
Das komplett monolithische
Tragwerk hat nur an den Enden ver-
Selbjörn
94
86 202
Bild 1. Ansicht der Stolmasundbrücke (oben) und der Raftsundbrücke (unten)
72 Bild 2. Raftsundbrücke im Bauzustand
Bautechnik 77 (2000), Heft 1
schiebliche Lager, die Stützen sind
in Tragwerkslängsrichtung so weich
ausgebildet, daß sie Verformungen
keinen nennenswerten Widerstand
entgegensetzen. Der Fahrbahnträger
ist in beiden Richtungen gekrümmt.
Vertikal beträgt der Radius 5 000 m,
was zu maximal 5 % Steigung führt.
Horizontal folgt die Brücke einer
Kurve von 3 000 m, das ergibt im
Hauptfeld eine Ausmitte von 3,75 m
für die Torsion. Die Brücke hat eine
Querneigung von 2,5 %, das Regen-
wasser kann frei über den tieferlie-
genden Rand abfließen.
Um die Balance der unter-
schiedlich weit gespannten Felder
während der Montage zu erreichen,
wurde auf einem 224 m langen Ab-
schnitt der Hauptöffnung ein Leicht-
beton LC 60 verwendet, der Rest des
Tragwerks wurde in C 65 ausgeführt.
Trotzdem mußten in den „Randfel-
dern“, 35 m neben den Stützen,
Montagehilfsstützen angeordnet wer-
den (Bilder 1 und 2). Das Betonieren
erfolgte im Wochentakt, jeweils 4 m
C 65 in die eine Richtung und 5 m
LC 60 in die andere Richtung. Die
301
35
298
711
Bild 3. Raftsundbrücke
Schalung wurde bereits für die Gate-
way-Brücke in Australien und für die
norwegische Varrod-Brücke verwen-
det. Die insgesamt 711 m lange
Brücke wurde in 29 Monaten errich-
tet (Bild 3).
Alle drei Pfeiler sind auf Fels
gegründet. Im September 1996 zer-
störte der Hurrikan Frode die Scha-
lung des mittleren Fundamentes. Die
Natur bäumte sich ein letztes Mal
gegen die Inbesitznahme auf.
Stolmasundbrücke
Die Stolmasundbrücke verbindet im
Austevoll-Distrikt die Inseln Selb-
jörn und Stolma miteinander. Die
Brücke schließt ein weiteres Glied
durchgehender Küstenstraßen und
stellt für die Fischindustrie wichtige
Infrastruktur dar. Bereits 1979 wurde
zwischen den Hauptinseln Huftaroy
und Selbjörn eine Spannbetonbrük-
ke mit 212 m Spannweite gebaut.
An der Stolmasundbrücke fal-
len die sehr kurzen Seitenfelder auf.
Sie wurden mit Gegengewichten aus
Kies gefüllt. Der Platz für das Seiten-
Stolmen
72
35
125

250
3 500
270
450
1070
7 000
9 000
Bild 4. Querschnitt der Stolmasund-
brücke. Der Querschnitt der Raftsund-
brücke ist ähnlich
feld auf Stolmen mußte in den Fels
gesprengt werden. Das Ufer auf der
Selbjörner Seite war steiler und
höher, so daß das Gesamttragwerk
schräg ausgebildet wurde. Die kür-
zere Stütze auf Stolmen wurde durch
dünnere Wandquerschnitte in ihrer
Steifigkeit der gegenüberliegenden
längeren Stütze angeglichen.
Auf einer Länge von 182 m
wurde in der Mittelöffnung Leichtbe-
ton LC 60 eingesetzt, für den Rest des
Tragwerks kam ein C 60 zur Anwen-
dung.
Die Fahrbahn wurde anfangs
mit lediglich 6,5 m Breite geplant, auf-
Projekt der Peloponnes-Brücke Rion–Antirion
Ein hundert Jahre alter Traum der
Griechen, den Peloponnes mit dem
griechischen Festland durch ein gro-
Insel
Ithaka
Golf von Patras
Ionisches
Meer
10 20 30 40 50 km
Bild 1. Lageplan der geplanten Peloponnes-Brücke Rion–Antirion
15 000
Bild 5. Stolmasundbrücke im Bauzustand
grund der starken horizontalen Wind-
last aber auf 9 m verbreitert (Bild 4).
Die unteren Kastenkanten wurden
mit einem Radius von 500 mm abge-
rundet, um ein weicheres visuelles
Bild zu erhalten und um Effekte aus
böiger Windbelastung zu verringern.
Ein großes Problem bestand dar-
in, die 100 über dem Pfeiler benötig-
ten Spannkabel für nachträglichen
Verbund in der kurzen Seitenöffnung
zu verankern. Um Überlastungen zu
verhindern, wurden mehrere Quer-
wände angeordnet.
Die Stolmen-Stütze konnte auf
trockenem Fels gegründet werden,
für die Selbjörn-Stütze wurde ein
vorgefertigter Caisson eingeschwom-
men, auf –15,2 m versenkt und
mit Kies verfüllt. Die Seitenöffnun-
gen wurden auf Hilfsabstützungen
betoniert, das Mittelfeld wurde in
5-Meter-Schritten im Freivorbau er-
richtet (Bild 5).
ßes Bauwerk zu verbinden, könnte
bald in Erfüllung gehen: Eine Brücke
soll den Golf von Korinth an seiner
5 geplante
Peloponnes-Brücke
Antirion
Rion Gol
f vo
Patras nK
orin
th
8 8
n
vo
Peloponnes us
hm th
t
Is orin
K Saronischer Golf
100
Berichte
Nach Abschluß der Betonier-
arbeiten wurde die Stolmen-Stütze
horizontal um 75 mm nachjustiert,
um Effekte aus Schwinden, Kriechen
und Temperaturdehnung auszuglei-
chen. Die Gesamtbauzeit der ins-
gesamt 467 m langen Brücke betrug
24 Monate.
Literatur
Fergestad, S., Rambjor, S. K.: Raftsundet
Bridge in Lofoten, Norway; Structural
Engineering International, May 1999,
S. 96–99.
Ingebrigtsen, T.: Stolma Bridge, Norway;
Structural Engineering International,
May 1999, S. 100–102.
Verschiedene Internetseiten ausführender
Firmen
Autor dieses Beitrages:
Dr.-Ing. Sven Ewert, Am Buchenhain 19,
51643 Gummersbach
westlichsten und gleichzeitig schmal-
sten Stelle überqueren (Bild 1). Ein
Bedarf für eine Brücke an dieser
Euböa
N
Athen
Insel
Salamis
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Bautechnik 77 (2000), Heft 1