AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN
Mit Unterstützung des Wissenschaftlichen Beirats
Bernard Andreae, Ferdinand Hahn, Kar! Lehmann,
W erner Löser, Hans Maier
herausgegeben von
Barbara Nichtweiß
ERIK PETERSON
THEOLOGISCHE TRAKTATE
Mit einer Einleitung
von Barbara Nichtweiß
echter
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Peterson, Erik:
Ausgewählte Schriften I Erik Peterson. Hrsg. von Barbara Nichtweiß. -
Würzburg : Echter.
NE: Nichtweiß, Barbara [Hrsg.); Peterson, Erik: [Sammlung]
1994
ISBN 3-429-01630-4
:>
--..,.- 2--
Inhalt
Zur Einführung
Zum Autor
Erik Peterson ( 1890- 1960) ist in der Theologie nie ganz. in Verges
senheit geraten. Wer die theologische, patristische und religionsge
schichtliche Forschung der zurückliegenden Jahre genauer beob
achtet, wird finden, daß einzelne seiner Studien und Essays immer
wieder einmal unvermutet neu entdeckt und zur Grundlage weiter
führender Ergebnisse verwandt werden. Im Werk Petersons steckt
noch immer jene Kraft, die zu seinen Lebzeiten manche Wege der
Forschung, aber auch Orientierungen im christlichen Selbstver
ständnis neu ausrichtete. Diese Kraft entspringt an vielen Punkten
unmittelbar der Heiligen Schrift, die für Peterson zeitlebens der
Grund seiner Existenz und seines Denkens war, freilich gelesen im
Licht der altchristlichen Tradition und gefiltert in einem dichten
Geflecht von Beziehungen und Erfahrungen, die Peterson mit der
neuzeitlichen Geistesgeschichte, dem zeitgenössischen politischen
Umfeld und nicht zuletzt dem kirchlichen Leben beider Konfessio
nen verbanden. Als Student und Promovend der evangelischen
Theologie (1910-1920) i n Straßburg, Greifswald, Berlin, Basel und
Göttingen suchte Erik Peterson im Geist des Pietismus· und der
Schriften Sören Kierkegaards nach einer radikal christlichen Le
bensform, wissenschaftlich geriet er jedoch bald in die Strömungen
der eher liberalen religionsgeschichtlichen Schule. In den Krisen
zeiten nach dem Ersten Weltkrieg knüpfte Peterson Kontakte zu
katholischen Kreisen um Theodor Haecker und Carl Schmitt, aber
auch zu Vertretern der Phänomenologie und der liturgischen Be-
VIII THEOLOGISCHE TRAKTATE
für viele andere zu nennen, und noch bei Jüngeren, wie z.. B . Joseph
Ratzinger, Jürgen Maltmann und Hans Maier, hat sich früh man
cher zentrale Gedanke Erik Petersons fruchtbar niedergeschlagen.
Im Grunde aber gibt es kaum einen bekannteren katholischen Den
ker und nicht allzuviele evangelische Theologen der ersten Hälfte
unseres Jahrhunderts, die nicht mit Erik Peterson persönlicL, brief
lit.h oder als Leser seiner Schriften in Kontakt gekommen sind und
ihm manche Anregung verdanken. So kann man ihn mit Recht z.u
den bedeutenden Persönlichkeiten des christlichen Geisteslebens
unseres Jahrhunderts zählen.
1. Neudrucke
Nach dem Tode Erik Petersons sind seine Werke nach und nach
vom Büchermarkt verschwunden; lediglich die Sammlung seiner
wissenschaftlichen Aufsätze »Frühkirche, Judentum und Gnosis«
( 1959) wurde 1982 noch einmal nachgedruckt. So muß es die wich
tigste und erste Aufgabe einer Petcrson-Edition sein, die beiden
Sammlungen theologischer Aufsätze, die er selbst im letzten Jahr
zehnt seines Lebens herausgegeben und damit gewissermaßen als
sein theologisches Vermächtnis anerkannt hat, neu zugänglich zu
machen: Die »Theologischen Traktate« von 1951 (Bd. 1) und die
»Marginalien zur Theologie« von 1956 (Bd. 2). Hier sind die Bei
träge versammelt, in denen sich - zum Teil in einem längeren Pro
zeß der Bearbeitung und sprachlichen Präzisierung - seine wichtig
sten Einsichten knstallisiert haben. Diese Texte bilden auch den
Maßstab, an denen man sich ein Urteil über die Qualität und die
Inhalte der Theologie Erik Petersons bilden sollte.
In die Aufsatzsammlungen der späten Jahre sind freilich nicht alle
Veröffemlichungen Erik Petersons eingegangen. Einige seiner ins
gesamt weit über 400 Beiträge, die im Genus den kleineren Texten
der »Marginalien zur Theologie« verwandt sind, sollen darum mit
in die Neuauflage der »Marginalien« aufgenommen werden. Alle
anderen theologischen, kirchengeschichtlichen und exegetischen
Studien und Miszellen von bleibender Bedeutung sollen später in ei
nem eigenen Band (Bd. 3) gesammelt werden: Dazu zählen sowohl
die frühen systematischen Aufsätze Petersons aus evangelischen
Zeitschriften und Festschriften als auch größere und kleinere Ver
öffentlichungen in katholischen deutschprachigen, aber auch fran-
X THEOLOGISCHE TRAKTATE
ziert werden. Z udem sind die meisten dieser Studien und Essays
eng miteinander verbunden und erläutern sich zum Teil gegenseit ig
- ein Umstand, der leider eher verdeckt wird durch ihre Anordnung
in den »Theologischen Traktaten<<, die damals offenbar gegen den
Wil len Petersons von einem Mitarbeiter des Verlags durchgeset zt
wurde.
D er erste und zugleich früheste Traktat der Sammlung »Was ist
Theologie?« ist zugleich einer der schwierigsten und sicher in vielem
auch der anstößigste. E r wurde 1925 als kleines Heftehen im Ba n
ner Verlag Cohen publiziert und erschien 1926 in zweiter Auflage.
Ur sprünglich handelt e es sich um einen Vortrag aus dem Frühjahr
1925. Peterson schrieb dazu folgendes an Kar! Barth: »Von der
Ba nner Theologenschaft aufgefordert, habe ich kürzlich einen
Vortr ag über die Frage: Was ist Theologie? gehalten . Der Vortrag
hat Skandal und Sensation herv orgerufen. Mit Scharren und Tram
peln wurde er vor einem Publikum, das zu gleichen Hälften aus Ka
tholiken und Protestanten bestand, zu Ende geführt.« (23.4. 1925)
Innerer Anlaß zu den Ausführungen wa. r die Empörung über einen
Aufsatz des damals »dialektischen Theologen« Rudolf Bult mann
( vgl. den entsprechenden Ver weis in dieser vorliegenden Ausgabe
S. 9), die Peterson gl eichwohl in einem wahr en Husarenritt zu einer
Kr itik der dialektischen Theologie und ihrer Vorausset zungen, ja
sogar der damaligen protestantischen Theologie insgesamt führte.
Aus heutiger Perspektive kann man sagen, daß Petersons Plädoyer
für eine dem kirchlichen Dogma verpflichtete Theologie in der
evangelischen Th eologie durchaus eine partielle Neuorientierung
in Richtung auf eine kirchl ich gebundene Dogmatik einleitete, al len
voran bei Karl Barth, auf den Peterson schon in den vorausgehen
den Jahren ihrer beider Lehrtätigkeit in Göttingen einen entschei
denden Einfl uß ausgeübt hatte. Die unmittelbare Diskussion um
»Was ist Theologie?« - Kar! Bart h und Rudolf Bultmann verfaßten
ausführliche Antworten - verlief zunächst im Sande, allerdings
führte der Essay für Peterson selbst zu einer weitgehenden Isolie
rung in der protestantischen Welt. Daran waren nicht zuletzt einige
seiner überzogenen Formulierungen schuld, wie besonders die
Rechtfertigung einer leiblichen Bestrafung der Ketzer (vgl. S. 13).
Peterson hat später ( vgl. »Zeuge der Wahrheit«, hier S. 110 f) präzi
siert, was er im strengen Sinne unter einem Ket zer bzw. Häretiker
verstand. In jedem Fall sollten diese wenigen fragwürdigen Über
s pit zungen in »Was ist Theologie?« damals wie heute nicht ablen
ken von den Heraus forderungen seiner gewiß unbeq uemen, aber
prinzipiellen Fr agen und auch nicht von seinen mit phänomeno logi
schem Scharfsinn gewonnenen Unt erscheidungen z. B. im Blick auf
XIV THEOLOGISCHE TRAKTATE
die Pluralität der Redeweisen i n der Kirche und den mit ihnen ver
bundenen Ex is tenzformen.
Nach »Was ist Theologie? « veröffentlichte Peter son drei Jahre lang
aus schließlich Beiträge zu historis chen Fragen. E rs t ein Briefwechsel
mit Adolf Harnack ( 1928) bewegte ihn zu einem neuen systemati
schen Vorstoß. In seiner Studentenzeit hatte Peters on Harnack als
den Repräs entanten des theologischen Liberalis mus gemieden, sp ä
ter wußte er ihn als Kirchenhis toriker sehr zu schätzen, s ah s ich da
mals sogar selbs t als einer der wenigen, die das Forschungsinteresse
Harnacks weiterführten. Peters on hat den Briefwechsel mit Ha.r
nack samt einem ausführl ichen Nachwort 1 93 2 im »Hochland« ver
ö ffentlicht, als Kar! Barth in den abwegigen Verdacht geraten war,
mit seiner zunehmend dogmatischen Theologie die Konversion Pe
ters ons verschuldet zu haben ( vgl. S. 1 93 Anm. 1 0) . Peterson erl äu
ter te damals Karl Barth gegenüber: »Diese Anmerkung war der An
laß zu dieser Veröffentlichung, die ich lange hinausgeschoben
habe. Das Ganze ist eine indirekte Mitteilung über die Gründe mei
ner Konvers ion. Alles habe ich nicht ges agt. Ich habe den indirekten
Weg der Aufzeigung der Difficulties of Protes tantis m gewählt, um
das Peinliche von Konvertitenbekenntnissen zu vermeiden. Ich
ha be vers ucht, die Schwie rigkeiten aus den Voraussetzungen des
Protes tantismus heraus zu entwickeln und nicht fremde Maßstäbe
heranzutragen. I ch habe zu verstehen und nicht zu ver urteilen ver
sucht. Ich habe mich auch bemüht, die Äußerungen von Harnack in
das rechte Licht zu setzen, damit nicht eine billige katholische Pro
paganda mit ihm getrieben wird. Ich hoffe, daß man auf Protestan
tischer Seite erkennen wird, daß ich mich gehütet habe, irgend et
was Verletzendes gegen die evangel is che Seite z u sagen. Ich weiß
mich persönlich von allem Ress entiment frei.« ( 1 5 . 1 0. 1932) .
Peters ons Briefwechsel mit Adolf von Harnack hatte freilich noch
in seiner protes tantischen Zeit eine andere selbs tändige Veröffentli
chung zur Folge gehabt, nämlich den im Münchener Verlag Beck
ers chienenen Traktat »Die Kirche« ( Spätherbs t 1928 , vordatiert auf
1929) , der auf einen im September 1928 vermutlich auf E inl adung
des Religions phänomenlogen Gerardus van der Leeuw in Gronin
gen gehal tenen Vort rag zurückgeht. Wer diesen Text unmittelbar
nach den Briefen an Harnack lies t, wird etliche wört liche Überein
stimmungen feststellen können (vgl. auch die Rückverweise vom
Harnack-»Nachwort« auf den Sinn des Kirchentraktats S. 190 f) .
Freilich gab es mehrere direkte Adressaten des Traktats. »Ich habe
an Sie gedacht, als ich dies en Vor trag hielt«, s chrieb Peters on an
Karl Barth ( 23 . 1 0 . 1928) , >>an Sie und an Harnack«. Der Trakat
»Die Kirche« griff als o auch im Streit um »Was si t Theologie?« of-
ZUR EINFÜHRUNG XV
fengel assen e Fragen auf, vor al lem das Probl em von Begr ündung
und Umfang d er Autorität in d er Kir che. Doch noch viele and er e
Konfl ikte werd en ber ühr t: z. B. die von Rud ol f Sohm behauptet e
Entgegensetzung von Recht und Char isma und der vom d amal s als
»Mod ern isten« ver ur teil ten Al fr ed Loisy konstatier te Br uch zwi
schen d er Reich-Gottes-Ver künd igung Jesu und d er Entste hun g
d er Kir che. In den ur sprüngl ich 18 Seiten d es Kir chentr aktats ist
ein e ganze Fund amen tal ekklesiologie zusammengedr ängt, zu d e
ren Expl ikation es min destens d er ausführl ichen Ver öffentlichung
über d en alt chr istl ichen Kir chenbegriff bed ur ft hätte, al s d er en
Vor läufer d er Tr aktat » Die Kir che« von Peter son eigen tlich ge
d acht war : »Ein größer es Buch über die Kirche, d as in absehbarer
Zeit er scheinen soll , wird d ie hier vielfachn ur angedeuteten Ged an
ken begründen od er weiter führ en.« ( Sod ie bei später en Abdr ucken
gestrichene An kündigung im Anmer kungsteil) . Dem Tr aktat schl ug
j edoch in protestantischen Kr eisen ein der ar t eisiges Schweigen ent
gegen , daß Peter son d en Mut dazu verlor . Auch in katholischen
Kreisen hegte man manche Bed en ken, vor al lem im Blick auf Peter
sons Behauptun g, Jesus habed ie Kirche nicht gegr ünd et, zumal Pe
ter son eine unmittelbare Id entifizier ung von Kirche und Reich Got
tes ablehnte. Gleichwohl brach der Traktat in der katholischen E k
klesiologie d ie Bahn zur Rezeption d es bibl isch-eschatologischen
Ged ankenguts.
Peterson hat sel bst schon bald nach seiner Konver sion einige
Aspekte sein es Kir chentr aktats präzisier t und ausgeführ t. Das gilt
besonders für d as 1935 aus mehr er en Vort rägen zusammen gebaute
und im Ver lag Hegner ver öffentlichte Wer k »Das Buch von den En
geln«, in d em Peterson n ichtn ur einmal auf Formul ierungen seiner
»gewiß vielfach mißver ständl ich for mulier ten, kleinen Schr ift über·
>Die Kirche< « Bezug n immt ( S. 233, Anm. 19), son der n schon im
Ein gangsteil d ie zentr al en For mulier un gen d es Kirchen tr aktats
über die theol ogische Bedeutung d es >>ekklesia«-Begriffs wörtlich
aufgr eift (vgl . S. 198, 253). »Das Buch von d en Engeln« ist al so
n ichtn ur ein in sein er Qualitätd amal s sin gulärer und bahnbr echen
d er Tr aktat über d ie En gel, genauergesagt - mit der For mul ierun g
d es Unter titels - über >> Stellung un d Bedeutun g der heil igen Engel
im Kul tus«, und übrigens auch nicht nur eine unter der Ha nd ge
führ te kr itische Auseinand ersetzung mit d em myster ien theologi
schen Liturgiever ständnis Odo Casels. Die Schrift ist im letzten ein
Ver such, über d ie Liturgie ein en Zugang zum Wesen der Kir che
sel bst zu find en . Jean Danielou hat in ihr sogar das Hauptwer k Pe
ter sons er bl icken wol len, weil in ihm drei große Dimension en seines
Denken s zusammen liefen : die litur gische, die pol itische und die
XVI THEOLOGISCHE TRAKTATE
zugänglich und kaum erträglich sind. Ja, auch noch im 1937 er
schienenen Büchlein »Zeuge der Wahrheit« wird höchst deplaziert
von den Juden als den Feinden und Verfolgern der Kirche (!) ge
sprochen (S. 1 0 1 ) . Diese Bemerkung hat Peterson zu recht die Kri
tik jüdischer Freunde aus dem Exil wie Karl Löwith und Georg Eis
ler eingebracht. Man kann solche Sätze Petersons heute ni<..ht er
neut abdrucken, ohne seine Stellung zum Judentum näher zu erläu
tern. Was gelegentlich als »christlicher Antijudaismus« Petersons
bezeichnet wird, ist der seit 1 927/28 unternommene Versuch einer
theologischen Betrachtung des jüdischen Volkes, die der politi
schen und rassistischen Judenhetze gerade entgegenwirken wollte,
indem sie die bleibend gültige Auserwählung des jüdischen Volkes
ernst nahm. Damit entnahm Peterson bewußt das Judenproblem
aus der Sphäre gesellschaftlicher und politischer »Lösungen« und
verwies es sozusagen in den alleinigen Zuständigkeitsbereich Got
tes und seines Ratschlusses. Dies wird z. B. deutlich am 1932 gera
dezu prophetisch warnenden Wort: »Keine Macht der Welt wird
das Judentum ausrotten können.« (S. 155) Petersons Ausführungen
über die »Fleischlichkeit«, d. h. die an natürliche Lebens- und
Volksordnungen gebundene religiöse Existenz der Juden ( 150 ff),
ist indirekt auch ein Angriff auf die ideologische Aufladung des Na
tur- und Volkshaften im damaligen Deutschland bzw. auch in Tei
len der deutschen Christenheit. Peterson hat mit Paulus nicht nur
die im Vergleich mit den (christianisierten) Heidenvölkern tiefer
verwurzelte Kultur der Juden betont (S. 168) und darauf hingewie
sen, daß die Vollendung der Heilsgeschichte nicht ohne die Vollen
dung des Glaubens der Juden zu denken ist (166 f), er hat vor allem
auch die fundamentale Rolle der Juden und der jüdischen Elemente
in der »Kirche aus Juden und Heiden« betont: »Apostolische Kir
che« war für Peterson per definitionem gleichbedeutend mit »Kir
che von den Juden zu den Heiden« (vgl. S. 146 f), wobei dieses »von
den Juden« eine bis in die ionerste Verfassung der Kirche reichende
Fundamentalbestimmung ist, von der nichts weniger als ihre gött
lich-rechtliche Legitimität abhängt (so schon im Traktat »Die Kir
che«, vgl. S. 251 ff) . Petersons Äußerungen zum Judenproblem ha
ben in der damaligen Theologie ihre Wirkung nicht verfehlt: Kar!
Barths theologische Reflexionen zu diesem Thema ab 1 933 sind
nicht ohne Kenntnis von Petersons »Kirche aus Juden und Heiden<<
erfolgt, und auch einige katholische Theologen, wie z. B. Robert
Grosehe und Hugo Rahner, verwiesen Mitte der 30er Jahre in muti
gen theologischen Reflexionen zur Judenfrage auf die Vorarbeit
Petersons. Peterson hat es im übrigen nicht bei fundamentaltheolo
gischen Sätzen über die Bedeutung des Judentums für die Kirche
XVIII THEOLOGISCHE TRAKTATE
zweiten Blick enthüllt sie sich als die anhand eines sorgsam ausge
wählten historischen Stoffes geführte Kritik an einem totalitären
»Führer«-Kult (vgl. S. 89), den die Kirche als »militia Christi« im
»blutigen Krieg der Märtyrer« (S. 91) überwinden müsse. DerText
ist ein Paradebeispiel für Petersons Kunst, im Willen zur Wirksam
keit in einer konkreten, (kirchen-)politischen Situation der Gegen
wart historische Forschung und theologische Deutung zu verbin
den.
Dies gilt auch für den wohl bekanntesten Traktat Petersons: »Der
Monotheismus als politisches Problem«, 1935 bei Hegner verlegt. Er
ist gleichwohl zwei Jahre früher als die zuletzt genannten Arbeiten
entstanden und darum noch nicht mit der gleichen apokalyptischen
Glut geschmiedet. Peterson hat ihn zusammengebaut aus einer phi
lologischen Studie über die »Göttliche Monarchie« (Theologische
Quartalschrift 112, 1931, 537-564) und einem für breitere Leser
kreise konzipierten »Hochland«-Aufsatz über »Kaiser Augustus im
Urteil des antiken Christentums« (30,1932/33, 289-299). Mit sei
nem über weite Strecken rein wissenschaftlichen Charakter und den
vielen altsprachlichen Zitaten hätte der Monotheismus-Traktat
wohl auch in die Aufsatz-Sammlung »Frühkirche, Judentum und
Gnosis« gepaßt, zumal er jahrzehntelang vielen Historikern und
Philologen als Fixpunkt für Erkundungen antiker Herrschaftsideo-
. logien diente und bis in die Gegenwart - allen mißtrauischen Über
prüfungen und Hinterfragungen zum Trotz - neue Bewunderer
findet. Seiner systematischen Synthesen wegen steht die Mono
theismus-Studie freilich auch mit Recht in den Reihen der »Theolo
gischen Traktate«, ja die Synthesen und Schlußfolgerungen vor al
lem auf den letzten Seiten (S. 58 f) über die Unmöglichkeit (einer
bestimmten Art von) politischer Theologie ließen den Traktat im
Streit um die politische Theologie seit den ausgehenden 60er Jahren
zu einer oft ausgespielten Karte werden. Über seine ursprünglichen
Intentionen schrieb Peterson seinerzeit an Friedrich Dessauer
(ohne Datum): »Es war die Absicht meines Buches, der >Reichs
theologie< einen Stoß zu geben.« Diese damals vor allem in katholi
schen Kreisen getriebene »Reichstheologie« fröhnte einer im politi
schen Kontext der frühen 30er Jahre besonders gefährlichen Säku
larisierung der Reich-Gottes-Erwartung im Sinne der Erneuerung
eines »Sacrum imperium«. Der Monotheismustraktat kann zugleich
aber auch als kritische Auseinandersetzung speziell mit der »Politi
schen Theologie« des Staatsrechtiers Carl Schmitt gelesen werden,
der damals gerade dem nationalsozialistischen Regime zu Diensten
war. Peterson war seit 1925 eng mit Schmitt befreundet gewesen; er
erwähnt ihn im Traktat in der berüchtigten letzten Fußnote 168. -
XX THEOLOGISCHE TRAKTATE
Es bleibt nun noch die Aufgabe, Dank zu sagen: Zunächst der Fa
milie Erik Petersons in Rom, besonders Frau Dr. Peterson-Angio
lillo, für die bereitwillig erteilte Erlaubnis zum Projekt dieser zwölf-
ZUR EINFÜHRUNG XXIII
n einem Vortrag von K. Barth: Das Wort Gottes als Aufgabe der
ITheologie1 wird folgende These entwickelt: »Wir sollen als
Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können
als solche nicht von Gott reden. Wir sollen beides, unser Sollen und
unser Nichtkönnen, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.«
In der Ausführung dieser These wird dann gesagt, daß der Theo
loge den Menschen zu repräsentieren habe, den Menschen über
haupt, der von der Frage nach Gott gequält werde. Die Theologie
sei »das Notzeichen einer Verlegenheit«, »in der sich der Mensch
einfach als Mensch befinde«. Wenn so die Theologie auch Aus
druck einer für alle Menschen geltenden Situation sei, so sei doch
der Theologe nicht in der Lage, etwas von Gott zu sagen. Denn
»von Gott reden, würde heißen Gottes Wort reden, das Wort, das
nurvon ihm kommen kann, das Wort, daß Gott Mensch wird«. Ge
wiß, wir können sagen, daß Gott Mensch wird, aber wir können es
nicht so sagen, daß es existentielle Wahrheit ist. Aufgabe der Theo
logie ist und bleibt, nach Barth, die Forderung, diesen wider
spruchsvollen Sachverhalt, daß wir von Gott sprechen sollen und
doch nicht sprechen können, stehenzulassen und zum Ausdruck zu
bringen. Wenn wir solches tun, sind wir Theologen und geben Gott
die Ehre.
In diesen Sätzen scheint eine Antwort auf die Frage: was ist Theolo
gie? gegeben zu sein. DieAntwort nämlich, daß es Theologie nur in
dem gibt, daß es keine Theologie gibt. Aber täuschen wir uns nun
nicht; diese Antwort ist keine konkrete Antwort auf eine konkrete
Frage. Denn die Theologie, die es nur in dem gibt, daß es keine
Theologie gibt, ist I eben keine Theologie, sondern ist nur wieder
die Frage: gibt es Theologie? Nun wird uns von Barth freilich ge
sagt, das gehöre gerade zum Wesen der Theologie, daß hier die
Frage immer Frage bleibe, aber gerade in dem, daß sie immer Frage
bleibe, sei sie Antwort, und dem entspricht dann auf der andern
Seite, daß auch die Antwort keine Antwort ist, sondern Antwort
nur in dem, daß sie Frage bleibt. In dieser Dialektik von Frage und
Antwort aber sei ein Hinweis auf Gott gegeben; wer daher diese
Dialektik festhalte, der gebe Gott damit die Ehre. Die Theologie
von Barth scheint damit viel ernster zu sein als alle Theologie, die es
jemals gegeben hat, denn sie macht sich ja gar nicht erst die Mühe,
noch konkret zu fragen und konkret zu antworten, sondern sie ver
weist uns vielmehr von vornherein in jeder Frage und in jeder Ant
wort sofort dialektisch auf Gott, und indem sie solches tut, fragt
und antwortet sie dann. Welch ein Fortschritt scheint hier erreicht
zu sein, wo es keine konkrete Frage mehr gibt, sondern nur noch
»die Frage überhaupt«, und wo es keine konkrete Antwort mehr
4 THEOLOGISCHE TRAKTATE 12113114
gibt, s ond ern nur noch »die Antwort überhaupt«, und wo es weiter
auch keinen konkreten Menschen mehr gibt, d er fragt, sond ern nur
noch »den Menschen überhaupt«, d er fragt, od er - um mich d er
Terminol ogie von Barth zu bed ienen - d en Menschen, d er Frage
ist!2 Welch ein Fort schritt scheint hier aber auch in d em Red en von
Gott erzielt zu sein! Wir können nichts Bestimmtes, nichts Konkre
tes, nichts Gegenständ liches von Gott sagen -d as kann nur Gott
selber-, wir können nur »red en überhaupt«. Red en in d erd ial ekti
schen Form eines un bestimmten Hinweises auf Gott. Was sage
ich? - I auf »Gott«? Wie und ial ektisch wäre d as ged acht! Nein, »auf
Gott überhaupt« ! Auf d ie Mögl ichkeit Gottes überhaupt.
Und d och istd er Ernst,d er ind ieser Form von Dial ektik auftrit t, nur
scheinbarer Ernst. Er ist ebenso Schein, wied as d ialektische Fragen
Scheinistund d ieAntwortd es Dialektikers Scheinistund wie Gottsel
ber ind ieser Dialektik nur eined ialektische Mögl ichkeit ist. All e Dia
lektik gel angt zu keinem höheren Ernst als zud em einesd ial ektischen
Ernstes, als zud em eines mögl ichen E rnstnehmens. Es isteined ial ek
tische Möglichkeit, Gott ind erWeise ernst zu nehmen,d aß man ger ü
stet ist, wie Abraham d en Isaak zu opfern3, aber es istd och nur eine
d ialektische - eine mythische - Möglichkeit, neben d er in gleichem
E rnstjene andere Möglichkeit steht, das Tagebuch des V erführers zu
schreiben•. Das ist die Nemesis, die den Dialektiker erreicht, daß er vor
lauter Ernstnehmen nicht zum Ernst kommt. Möchten d och al le Leser
der rel igiösen Red en Kierkegaards d iesen Satz einmal überd enken!
Al le Dial ektik kann zu keinem höheren Ernst al s zud em eines mögl i
chen Ernstnehmens führen . Wie d ie Dialektik sinnvollerweise nicht
einmal zu einem realen menschlichen Ernst gelangt, so kann sie noch
viel weniger gard en Ernst Gottes in ihrer Dialektik erreichen. Wie es
aber zu Gott gehört, d aß er überal le menschliche Dialektik erhaben
ist, so gehör t es auch zud em Ernste Gottes,d aß er jenseits alles dialek
tischen E rnstnehmens steht. Denn d as gehört gerad e zu d em Ernste
Gottes, daß er konkretsichtbar und d aß er ganz und ial ektisch d a ist,
da ist etwa in d er Form d es Gerichts am Jüngsten Tage, wie es d er
christliche Glaube bekennt. Und d arin unterscheid et sich I gerad ed er
Ernstd es Dialekti kersvon dem Ernste Gottes,d aß, während d er Ernst
Gott es da ist, d er Ernstd es Dialektikersd och niemals da ist, sond ern
nur ind er Form eines Ernstnehmens aller Möglichkeiten mythischd a
ist, d as heißt in einem nüchternen Sinne verstand en niemalsd a ist5•
Als aber d ie Dialektik alles in Schein und Möglichkeit verwand el t
hatte, d a gefiel es Gott, sie durch seine Offenbarung selber zum
Schein zu machen, so daß von d a ab d as Wort d es heiligen Arnbro
sius gilt: Non in d ialectica complacuit Deo salvum facere populum
suum. Überd er Zeit von Ad am bis Christus stand als Motto d as Ur-
14115116 WAS IST THEOLOGIE? 5
ein Nichtwissen ist, ein Gott nicht die Ehre Geben. Oder anders
ausgedrückt: alles Wissen, sofern es in der Form des dialektischen
Wissens auftritt, kann wesensmäßig Gott gar nicht die Ehre geben.
Gerade weil dieses Wissen nicht konkretes Wissen um konkrete Au
torität ist, deshalb kann es auch keinen konkreten Gehorsam vor
aussetzen. Der Abraham Kierkegaards ist nicht gehorsam im Sinne
eines konkreten Gehorsams, sondern im Modus des Gehorsams
überhaupt. Oder auch so ausgedrückt: Der Dialektiker Kierke
gaard ist zwar nicht gehorsam, aber er ist dafür schwermütig. Seine
Schwermut, die nicht konkrete Schwermut ist - das wäre ja Grillen
fängerei, wie Kierkegaard sagt -, sondern Schwermut überhaupt,
diese seine Schwermut ist sein Gehorsam. Und dieses beständige
Schwimmen über einer Tiefe von 70 000 Faden, die Schwierigkeit
und das Leiden einer solchen Geistesexistenz, gerade dies und mtr
dies ist sein Gehorsam. Und doch ist ja jetzt leicht zu erkennen,
daß, wenn auch die Existenz des Dialektikers sich als Gehorsam
ausgibt, sie doch wesensmäßig eben kein Gehorsam ist, und zwar
aus dem einfachen Grunde, I weil Gehorsam eine Leistung, aber
keine Existenz ist. Darin liegt aber gerade das Irreführende in allen
Reden Kierkegaards über das Existentielle und das existentielle
Sein der Wahrheit, daß man hier nämlich vor lauter Geistesexistenz
nicht zum Gehorsam gelangt. Und darin gründet es dann, daß Kier
kegaard auch so leidenschaftlich die dogmatische Wahrheit be
kämpft, denn gerade in dem, daß er existentiell die Wahrheit sein
will, entzieht er sich dem Gehorsam gegen die Wahrheit, wie er im
Sinn des Dogmas vorausgesetzt ist.
Indem ich weiß und doch auch [dialektisch angesehen] wieder nicht
weiß, daß ich von Gott reden soll und doch auch [dialektisch ange
sehen) wieder nicht reden kann, ist Gott nicht die Ehre gegeben,
sondern damit ist nur der allgemeine metaphysische Sachverhalt,
die Aporie überhaupt zum Au�druck gebracht. Aber dieses Wissen
darum, daß der Mensch sich in Not befindet, ist gerade in dem, daß
es ein Wissen um eine allgemeine menschliche Verlegenheit ist, nun
auch nicht ein theologisches Wissen. Es ist schon darum nicht ein
theologisches Wissen, als ja nicht die Theologen - also ein ganz
konkreter Stand - darum wissen, sondern alle Menschen über
haupt. In diesem Wissen, das schließlich Baudelaire, Strindberg und
Dostojewskij immer noch viel intensiver gehabt haben als der Di
lettantismus eines aus diesen Quellen abgeleiteten theologischen
Journalismus, ist nicht gegeben, daß man in diesem Wissen Theo
loge geworden ist, sondern man ist und bleibt in diesem Wissen und
mit diesem Wissen und mit dem Ausdruck dieses Wissens doch we
sentlich das, was alle die eben Genannten und was auch Kierke-
20121122 WAS IST THEOLOGIE? 9
als die einzige religiöse und geistige Möglichkeit des Menschen von
Barth und Bultmann betrachtet wird.
Damit mag vielleicht die kirchliche und theologische Situation des
19. Jahrhunderts und der Gegenwart verabsolutiert sein, jedoch der
Sachverhalt ist ganz gewiß nicht richtig damit umschrieben, denn
wir dürfen Eines doch nie vergessen, daß es nämlich ein wirkliches
Reden »Von« Gott sinnvollerweise nur bei Christus gibt. Nur bei
ihm hat die Wendung: >>von« Gott reden jenen entscheidenden
Doppelsinn, insofern darin zum Ausdruck kommt, daß er nicht nur
etwas »über« Gott sagt, sondern so, daß, wenn er etwas »VOn« Gott
10 THEOLOGISCHE TRAKTATE 22123124
sagt, dieses >>von« Gott Gesagte nun zugleich auch von Gott gesagt
ist. Nicht einmal die Propheten aber reden »von Gott«, sondern zu
ihnen kommt das Wort Gottes, und dann sagen sie Gottes Wort.
Gottes Wort im Sinne der Propheten sagen, ist aber noch lange
nicht dasselbe wie von Gott reden. Es ist von allergrößter Wichtig
keit, daß man diese Unterschiede klar vor Augen hat13. Denn wenn
in diesen Fragen die Unterscheidung verlorengeht, dann kann so
Unmögliches gesagt werden wie in dem schon genannten Aufsatz
von Bultmann. Bultmann, der vergessen hat, daß nur Christus
»von« Gott reden kann, und der doch I die Forderung Barths ernst
nimmt, daß wir alle >>VOn« Gott reden sollen, gelangt dann zu der
Konstruktion einer Möglichkeit, daß wir >>VOn« Gott reden können,
wenn in unserer freien Tat Gottes Muß unsere Person bestimmt,
das heißt eine Möglichkeit des »aus« Gott Redens für uns gegeben
ist. Eine solche Annahme aber, daß wir »aus« Gott reden könnten
und sie ist bei Bultmann eine wirkliche Annahme, keine bloße dia
lektische Möglichkeit -, führt dahin, daß wir uns notwendig mit
Christus verwechseln. Das kommt in verschiedenen Wendungen bei
Bultmann auch erschreckend deutlich zum Ausdruck. So in diesem
Satz: »Wenn unsere Existenz in Gott gegrilndet, das heißt außer
halb Gottes nicht vorhanden ist14- wer dächte da nicht an das ewige
Sein des Sohnes beim Vater? -, dann bedeutet die Erfassung unserer
Existenz ja die Erfassung Gottes.« Und dem entspricht es dann,
wenn Bultmann ganz konsequent sagt, daß ein wirkliches Reden
von Gott zugleich auch immer ein Reden von uns sein müsse. Und
doch ist dieser Satz ja nur für Christus richtig, denn nur für ihn gilt,
daß sein Reden von Gott zugleich auch ein Reden von sich selber
ist. Bultmanns Irrtümer aber sind grundsätzlich schon bei Kierke
gaard vorgebildet, ist doch die Behauptung Kierkegaards, daß die
Subjektivität die Wahrheit sei, sinnvoll nur auf Christus anwendbar.
»Christus ist die Wahrheit, Christus ist die Aneignung [das heißt
der Weg], und Christus ist das Leben, aber dieses Johanneische
Wort auf den Einzelnen anwenden, heißt entweder zum Ausdruck
bringen, daß man kein Christ ist, oder prätendieren, daß man Chri
stus ist. Beides aber ist Ausdruck der Verzweiflung und zugleich Är
gernis am I Glauben 15 .<< Wir haben vorher gesagt, daß die Propheten
Gottes Wort gesagt haben und daß Christus - der das Wort Gottes
ist - von Gott geredet hat. Zu uns kommt das Wort Gottes nicht,
wie es zu den Propheten kam, und wir reden von Gott nicht, weil
wir nicht, wie Christus, das Wort sind. Alles, was wir sagen können,
steht doch unter der Voraussetzung, daß Gottes Wort von den Pro
pheten gesagt ist und daß das Wort Gottes von Gott geredet hat.
Das heißt dann aber: Theologie ist kein Sagen des Wortes Gottes -
24/25 WAS IST THEOLOGIE? 11
kein Reden von Gott ist, wenn sie keine Prophetie, keine Exegese,
keine Predigt, keine Verkündigung, keine Bezeugung und keine
Lehre ist, was ist sie dann? Antwort: Die Theologie ist die in For
men konkreter Argumentation sich vollziehende Fortsetzung des
sen, daß sich die Logos-Offenbarung ins Dogma hinein ausgeprägt
hat. Der eigentliche Sinn ihres Argumentierens aber ist durch das
quo jure der göttlichen Offenbarung bestimmt. Die Theologie ist
der konkrete Vollzug dessen, daß der Logos Gottes konkret von
Gott geredet hat, so daß es also konkrete Offenbarung, konkreten
Glauben und konlkreten Gehorsam gibt. Gerade weil aber die Theo
logie noch in der Elongatur der Logosoffenbarung liegt, so wie die
Predigt noch in der Elongatur des Prophetischen sich findet, gerade
darum kann sie wesenhaft nicht an einen der mannigfachen geisti
gen Akte des Menschen, wie Reden, Schreiben, Verkundigen usw.,
gebunden sein, sondern nur die Offenbarung selber kann letzthin
das eigentliche Wesen der Theologie bestimmen19. Das heißt dann
aber auch: Theologie gibt es nur in der Zeit zwischen Christi erster
und zweiter Ankunft. Das schließt weiter in sich, daß, so gewiß wie
Christus bei seiner Ankunft einen Leib angenommen hat, um kon
kret in die Menschenwelt einzugehen, so konkret nun auch die
Offenbarung Gottes den Menschen »auf den Leib gerückt ist«. Der
objektive und konkrete Ausdruck aber dafür, daß Gott in der
Menschwerdung den Menschen auf den Leib gerückt ist, ist das
Dogma. Es ist so sehr der adäquate Ausdruck für diesen Sachver
halt, daß jede Wendung gegen das Dogma, wie sie etwa der Ketzer
unternimmt, sinnvollerweise auch eine am Leibe des Ketzers vor
genommene Bestrafung im Gefolge hat. Der Irrlehrer, der sich nicht
wie der Ketzer am Dogma vergeht, sondern nur einfach Falsches
lehrt, kann sinnvollerweise nicht wie ein Verbrecher an seinem
Leibe gestraft werden; man kann ihn als einen Ruhestörer des Lan
des verweisen, aber das ist ja etwas ganz anderes als die Bestrafung
des Ketzers . Doch darin kommt nun zugleich zum Ausdruck, daß
»die Lehre« gar nicht dieses Maß konkreter Bestimmtheit erreicht
wie das Dogma. Gerade weil zum Beispiel in der Landesverweisung
des Irrlehrers nicht der ganze Leib eigentlich getroffen wird, son
dern nur die I Zunge, die nicht mehr reden, oder die Hand, die nicht
mehr schreiben soll, gerade darum ist es deutlich, daß auch nicht ei
gentlich die Lehre die konkrete Fortsetzung dessen ist, daß Christus
einen Leib angenommen hat, sondern das Dogma. Im Dogma setzt
es sich fort, daß Christus den Menschen auf den Leib gerUckt ist.
Das Evangelium ist ja keine frohe Botschaft, die sich »an alle« rich- •
aus dem Leibe Christi heraus einen jeden von uns konkret trifft20,
und zwar jure divino. Es ist ein positiver Rechtsanspruch, der in
dem faktischen Vollzugvon Christi Tod und Auferstehung gründet
und der sich in Dogma und Sakrament hinein fortsetzt. Es gibt sinn
voll keine Theologie, die nicht der Ausdruck dafür wäre, daß sich
der mit der Offenbarung verknüpfte Rechtsanspruch Gottes an alle
Menschen in der Form des Dogmas und Sakraments fortgesetzt
hätte21. Dogma und Sakrament sind ebenso Fortsetzung der Inkar
nation und des Redens des Logos von Gott, wie Exegese und Pre
digt Fortsetzung der Prophetie sind. Und zwar stehen nun an der
Stelle, wo sich die prophetische Rede in der Exegese fortgesetzt hat,
bei der Rede des fleischgewordenen Logos das Dogma und das Sa
krament, während dann andererseits der Fortsetzung der Exegese
in die Predigt hinein die Fortsetzung von Dogma und Sakrament in
die Theologie hinein entspricht. Die Prophetie konnte sich nicht in
Dogma und Sakrament fortsetzen, weil die Prophetie als Sagen des
Wortes Gottes gar nicht dieses Maß konkreter Abgeschlossenheit
und Endgültigkeit erreichen kann wie die Offenbarung I Christi.
Erst als das Wort Gottes Fleisch geworden war und damit alles frü
here prophetische Sagen des Wortes Gottes versiegelt hatte, erst als
das Wort Gottes ein Ende gefunden hatte, in dem es als Wort Got
tes von Gott redete, erst seitdem gibt es auch Dogma und Sakra
ment, und zwar sinnvollerweise beides. Denn wie Christus nicht nur
der Fleischgewordene ist, sondern auch der, der als Fleischgewor
dener von Gott geredet hat, so setzt sich die Fleischwerdung des
Logos nicht nur in den Sakramenten fort, sondern auch die Rede
des Logos im Dogma. Oder anders ausgedrückt: Weil in den Pro
pheten nicht das Wort Fleisch geworden ist, deshalb hat die prophe
tische Verkündung auch nicht das Sakrament im Gefolge. Und weil
- wie wir gezeigt haben - die Propheten zwar Gottes Wort gesagt,
aber nicht »VOn« Gott geredet haben, darum hat sich auch an ihr Sa
gen nicht das Dogma geknüpft. Das Dogma liegt also gar nicht in
der Verlängerung des menschlichen Glaubensaktes [da liegt das Be
kenntnis, aber das Bekenntnis hat wesenhaft nichts mit dem Dogma
zu tun )22; sondern das Dogma liegt in der Verlängerung des Redens
Christi von Gott. Und darum ist die Autorität des Dogmas auch
nicht die Autorität irgendeines Menschen, der bekennt, oder ir
gendeiner menschlich soziologischen Gestaltung, die bekennt, son
dern es ist die Autorität Christi, die sich hier »aus-spricht« . Und
doch ist es auch wieder nicht die Autorität, wie sie Christus hat und
wie sie Christus ist, sondern es ist die abgeleitete Autorität Christi.
Das Sakrament setzt ja nicht direkt die Inkarnation fort, sondern
so, daß es eingesetzt ist. Und das Dogma setzt ja nicht direkt das Re-
30/31132 WAS IST THEOLOGIE? 15
den Christi von Gott fort, sondern so, daß es I eine von Christus der
Kirche übertragene Lehrgewalt gibt, in der das Dogma vorkommt.
Ich sagte eben: daß in der der Kirche von Christus übertragenen
Lehrgewalt das Dogma vorkommt. Das soll aber heißen: nicht alles
kirchliche Lehren ist damit schon Dogma, sondern nur das, das auf
ein Reden Christi zurückführt. Das Dogma gehört zum Reden
Christi in genau derselben Weise hinzu, wie die Exegese zum Re
den der Propheten hinzugehört. Aber damit, daß das Dogma zum
Reden Christi hinzugehört23, ist dann auch das andere gegeben, daß
das Dogma primär nicht in der Autorität gründet, wie sie Christus
ist und hat, sondern in der, wie sie von Christus verliehen ist. Das ist
ja merkwürdig, daß es noch eine Autorität Christi gibt, die sozusa
gen »ausgeliehen<< wird. Woher kommt das? Als Christus auf Erden
wandelte und predigte, da hatte er Autorität in der Weise, daß die
Leute von ihm sagten, er rede wie einer, der Autorität habe. Als der
Auferstandene zu seinen Jüngern sprach, da sagte er von sich: mir
ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Als er aber zum
Himmel aufgefahren war, da sprachen weder die andern noch er
selber von seiner Autorität, da hat er seine Gewalt der Kirche verlie
hen, die ihn seit seiner Himmelfahrt zu repräsentieren hat24• Wir
haben früher gesagt, daß es Theologie nur für die Zeit zwischen der
ersten und zweiten Ankunft Christi gibt. Wir können es jetzt noch
präziser sagen. Denn wie es das Dogma erst seit der Himmelfahrt
gibt und die Kirche erst seitdem gibt, so gibt es auch Theologie erst
von diesem Zeitpunkt an. Man kann keine Antwort auf die Frage :
was ist Theologie' geben, wenn man vergißt, daß das Wort Gottes I
Fleisch geworden ist und von Gott geredet hat. Man kann aber auch
keine Antwort auf die Frage: was ist Theologie? geben, wenn man
das andere vergißt, daß Christus zum Himmel gefahren ist und daß
es das Dogma gibt. Das eine ist ebenso wichtig wie das andere. Es
gehört zu den Phantastereien neuzeitlichen Denkens, sich eine
Theologie ohne Dogma zu konstruieren. Diese Konstruktion ist
phantastisch. Nicht darum, weil der Mensch - wie man oft in faden
scheiniger Apologetik reden hört - sich nun einmal notwendiger
weise, zumal wenn er handeln will, »in dogmatischen Wendungen
bewegen muß«. Das christliche Dogma ist keine Konzession an die
menschliche Neigung zum Dogmatisieren. Im Gegenteil, gerade in
dem, daß es Dogma in dem vorhin erörterten Sinne ist, sagt es allem
menschlichen Dogmatisieren den Kampf an. Eine Theologie, die
nicht wesentlich vom Dogma bestimmt ist, ist vielmehr darum Phan
tasterei, weil in ihr die Offenbarung in Christus nicht konkret zum
Ausdruck kommt. Mag in ihr auch noch mit Einzelheiten dieser Of
fenbarung gerechnet sein, jede Theologie, die ernsthaft voraussetzt,
16 THEOLOGISCHE TRAKTATE 32133134
daß Christus zum Himmel gefahren ist, muß sich durch das Dogma
bestimmen lassen. Erst durch das Dogma wird die Theologie aus
ihrer Verbindung mit den zweifelhaftesten aller Wissenschaften,
den sogenannten Geisteswissenschaften, gelöst, aus dieser Umge
bung von Weltgeschichte, Literaturgeschichte, Kunstgeschichte,
Lebensphilosophie und wie das alles heißt. Erst durch das Dogma
wird sie in eine Sphäre erhoben, in der ein Mann leben kann. Erst
durch das Dogma aber wird es auch sichtbar, daß zur Offenbarung
der Gehorsam gehört. Denn in dem Gehorsam, den das I Dogma
fordert, vollendet sich der Gehorsam gegen Christus. Wenn Chri
stus uns auch vom Gesetze freigemacht hat, so doch nicht vom Ge
horsam. In dem Augenblick aber, wo das Dogma dahinfällt, in dem
selben Augenblick verfallen wir wieder dem Gesetz. Ich bekenne
aber, daß, wenn ich zu wählen hätte, ob ich dem Gesetz menschli
cher Lehrmeinungen und den Schulüberzeugungen der Professoren
gehorchen wolle oder dem Dogma der Kirche, ich mich ohne lan
ges Besinnen für das letztere entscheiden würde. Doch Gott sei
Dank, wir brauchen ja nicht zu wählen. Brauchen darum nicht zu
wählen, weil es das Dogma gibt, auch wenn die Kirchen nichts mehr
davon wissen und wenn menschlicher Unverstand gegen die Dog
men anrennt. Man klagt so oft über die Interesselosigkeit weiter
Kreise gegenüber der Theologie. Es gibt ein einfaches Mittel dage
gen. Man habe den Mut, wieder in der Sphäre zu leben, in der das
• Dogma vorkommt, und man kann gewiß sein, daß sich die Men
schen für Theologie wieder interessieren werden, so interessieren
werden, wie sich die Marktweiber in Konstantinopel für den Streit
um das Oj.LOLOUcrLO� und Oj.LOOUcrLO� interessiert haben. Die Men
schen interessieren sich nicht für unsere theologischen Schulmei
nungen und privaten Überzeugungen - und sie tun gut daran -,
aber sie interessieren sich leidenschaftlich für jedes echte Dogma,
und sei es auch nur, daß sie dagegen protestieren und sich darüber
entrüsten. Das kommt daher, daß im Dogma jeder Mensch konkret
getroffen wird. Deshalb aber, weil im Dogma jeder Mensch kon
kret getroffen wird, deshalb gibt es nun auch die Theologie, die das
Dogma in einer ganz konkreten Weise voraussetzt. In einer so leib
hafltigen Weise, daß es Theologen und Theologie in Form eines
StandesH und theologische Wissenschaft in Form eines Faches gibt.
Und nun doch nicht in Form eines Faches, wie alle andern Fächer
auch, sondern in der Form eines Faches aller Fächer. Die Theologie
ist die erste Wissenschaft. Das ist nicht in der Weise menschlichen
Hochmuts gesagt, sondern aus dem heraus, daß das Dogma alles
menschliche Wissen subalterniert hat.
Wir kennen alle die mittelalterlichen Kreuzigungsdarstellungen. Zu
34 WAS IST THEOLOGIE? 17
Füßen des Kreuzes liegen die Knochen des toten Adam. Das kann
ein Symbol für das Wesen der Theologie sein. Adam ist gest orben�
's,:f�A��"\
und mit ihm ist die Zeit alles bloß menschlichen Fragens nach Go lt
und alles bloß menschlichen Redens von Gott vergangen. Gott ha ��:ts1r�
geredet in seinem Sohn. Das ist es, was das Dogma sagt und wovon
allein die Theologie lebt.
18 35136
Anmerkungen
1 K. Barth: Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie München 1924.
.
sEs ist ein Mißverständnis dieser Art von dialektischem Ernstnehmen, wenn
man wie z. B. E. Hirsch dahinter wirklich ethischen Ernst vermutet [z. B.
Theol. Literaturzeitung 1925, Sp. 63). In der ganzen intentionalen Sphäre gibt
es Gott gegenüber keinen Ernst. Wecltr der moralische noch der dialektische
Ernst ist der Ernst, von dem die Offenbarung redet. Auch der Ernst der sittli
chen Selbstverurteilung führt doch zu nichts anderem als zu dem Pharisäerturn
der Fehlleistung.
Man könnte sagen, daß Kierkegaard in der zeitgenössischen Theologie zwei
mal mißverstanden worden ist. Das eine Mal durch Barth, der die Dialektik
K ierkegaards in die Theologie einzufUhren versucht hat, und das andere Mal
durch Geismar und Hirsch [wie früher schon Holl), die den dialektischen Ernst
Kierkegaards als realen ethischen Ernst verstanden haben. Es ist freilich wahr:
auch Barth sagt [a.a.O. S. 167] ausdrücklich, daß der dialektische Weg, den er
fur den Paulinisch-reformatorischen Weg hält, nicht zum Ziele fuhrt. Wenn
man das aber wiederum in Form der Dialektik sagt, dann ist es gar nicht gesagt.
Und in dem zur Verhandlung stehenden Vonrag von Barth ist es trotz aller s ei
ner Versicherungen gar nicht gesagt. Das beweist einfach die dialektisc he Form
der These seines Vortrags [$. 158). Übrigens hat Kierkegaard ausdrUcklieh be
mitten, daß Luther Dialektiker war [Tageb ücher, hrsg. von Haecker II. S.
125], und einen Apostel zum Dialektiker zu machen, ist einfach Verwirrung.
6 Eva konnte nur verführt werden, Adam nur fallen. Und doch gehören nun
Verführung und Fall zusammen. I Sie gehören nicht im Sinne eines zeitlichen
Nacheinander zusammen, wenngleich auch d1e Verführung dem Fall vorausge
hen mußte, sondern in dem Sin ne, daß Eva mit Adam zusammengehört.
1 Daß wir es bei Kierkegaard mit Mythen zu tun h aben hat Theodor Haecker ,
,
rung einer Theologie des Glaubens. Eine Auseinandersetzung mit P. Althaus in:
Zwischen den Zeiten. 1925. III 3.
9 Barth a.a.O. S. 165. Das christliche Dogma, daß Gott Mensch geworden ist,
ist nicht dasselbe wie das Paradox, daß das Unmögliche möglich geworden ist.
Das Paradoxon ist das Surrogat der Offinbanmg. Ein Teil der zwgenössischen
Theologie lebt von diesem Surrogat. Wenn ich das Paradoxon als eigentl ichen
Sinn der Offenbarung ausgebe, dann kann ich ebensogut den Satz, daß zweimal
zwei fünf sei, in einem religiösen Sinne •glauben«, und man sagt nicht zu viel,
daß dieser Glaube schon weitverbreitet ist. Er hat zur Folge, daß, wie der Pro
fe ssor nicht mehr vom Propheten, so der Reformator unter dieser Vorausset
zung dann auch nicht mehr vom Apostel unterschieden werden kann. Das Para
doxon tritt in der Geschichte als moralisches Paradoxon bei den Stoikern, als
mystisches Paradoxon bei Seb. Franck auf. Das ist aber einem christlichen
Theologen eine verdächtige Umgebung. Das stoische Paradoxon, zum Beispiel
daß der Weise allein König sei, ,i,st ein paradoxer Satz. Daß aber zum Beispiel
das Kreuz Christi den Juden ein Argernis und den Griechen eine Torheit ist, das
i)t gar nicht in diesem Sinne ein Satl, weil auch das Kreuz Christi selber kein
»Satz« ISt.
36/37/38 WAS IST THEOLOGIE? 19
nung der Metaphysik doch nicht so ernst gemeint ist, wie oft behauptet wird.
Nur eine bestimmte Form der Metaphysik wird abgelehnt, aber jene Fichtesche
20 ANMERKUNGEN 38139/40
Metaphysik, die zum Beispiel Ich und Gott sich in der freien Tat realisieren
läßt, wird beibehalten. Daß diese »Tat« dann mit dem Worte Glauben etiket
tiert wird, ist nicht neu.
In der Theologie der Neuzeit »glaubt<< man nur noch. Fragt man heute aber die
Kirche oder die Theologie, was sie denn eigentlich glaubt, so erhält man zur
Antwort: sie glaubt. Läßt man nicht nach zu fragen, dann hört I man so zweifel
hafte oder verschwommene Worte wie: Offenbarung, Paradox [Bultmann ist
nahe dran zu sagen: Kontingenz], das Irrationale, das Numinose, die Gnade
usw. Fragt man dann weiter Kirche und christliche Theologie, ob hier an die
Fleischwerdung des Sohnes Gottes geglaubt werde, so erfährt man, daß der Ge
genstand des Glaubens nichts Dinghaftes sei, daß man auch nicht von einem
>>Gegenstand« des Glaubens reden dürfe, daß »Glaube eine Haltung der Seele<<
sei usw. Daß man auf diese Weise eine konkrete Antwort auf eine konkrete
Frage umgeht, ist nicht sehr ehrenvoll. Der alte Liberalismus des 19. Jahrhun
derts war in dieser Beziehung doch immer noch viel positiver, denn er sagte we
nigstens, was er nicht glaubte. Die gegenwärtige Theologie, die es sich zu ihrem
Ehrentitel anrechnet, daß der Gegensatz der theologischen Richtungen in ihr
beinahe aufgehoben sei, sollte einmal bedenken, daß es keine Ehre ist, einen
Streit aus der Welt geschafft zu haben, indem man jeder konkreten Frage und
konkreten Antwort a�sgewichen ist.
H Aus dem Aufsatz: Uber die Forderung einer Theologie des Glaubens. Zwi
schen den Zeiten. 1925. Heft 3 .
16
Das Wort »inspiriert« in einem ganz weiten Sinne verstanden, ohne Rück
sicht auf eine bestimmte Theorie der Inspiration.
11 Die allegorische Schriftauslegung ist der zentrale Kern der prophetischen
Exegese. Ich hoffe, an anderer Stelle über den Sinn der allegorischen Auslegung
handeln zu können. Die allegorische Auslegung gehört darum so notwendig
zur prophetischen Offenbarung, weil sie nicht vom Interesse, den Text »verste
hen<< zu wollen, beherrscht ist, nicht von der Intentionalität geistiger Akte des
Menschen bestimmt ist, sondern in dem Aufspüren der Typen und Symbole die
Offenbarung selber sich fortsetzen läßt. Die allegorische Auslegung ist in ganz
demselben Sinne »Erkenntnis<< wie das Dogma, das heißt beidc sind Erkenntnis
nicht in dem Sinne eines an den Menschen gelbundeneo intentionalen Erkennt
nisaktes, sondern Erkenntnis, soweit sie mit und aus der Offenbarung gegeben
ist. Dabei unterscheidet sich allegorische Erkenntnis von der dogmatischen Er
kenntnis durch die Art der Offenbarung. Die Prophetie hat die Bildererkenntnis
der Allegorie, die Logosoffenbarung die begriffliche Erkenntnis im Dogma im
Gefol ge.
18 In diesem im Text vorgetragenen Sinne halte ich die von neueren Kirchenhi
die eigentliche Hauptsache sei, das Offenbarungsgeschehen selber aber nur eine
Art Illustration zu dem Wort. Eine solche Auffassung verkennt völlig das Ver
hältnis der Christusoffenbarung zum prophetischen Wort. Daß Christus geredet
hat (als der inkarnierte Logos], ist etwas ganz anderes, als daß der Prophet gere
det hat. Für das prophetische Sagen ist die Bibel ein völlig adäquates Medium.
Für das Reden Christi ist aber wesentlich, daß es nicht in die Bibel adäquat ein
geht, insofern Christus nicht nur Gottes Wort gesagt hat, sondern es auch gewesen
i;t. Darin kommt gerade die Überllegenheit Christi gegenüber den Propheten
zum Ausdruck. Und darum gibt es eben beim Reden Christi noch das Dogma.
Durch das Dogma wird die Gefahr beseitigt, die darin liegt, daß die biblische
Vermittlung des Redens Christi aus seinem Reden von Gott ein prophetisches Sa
gen macht. Man nehme das Dogma von der neutestamentlichen Offenbarung
fort, und man wird Christus zum Propheten erniedrigt haben. Ein Satz, der nicht
nur theologisch wahr, sondern auch empirisch-geschichtlich tausendfach beleg
bar ist. Nur durch das Dogma kommt - unter Durchstoßung der biblisch media
len Sphäre -der Unterschied des Alten vom Neuen Testament wirklich zum Aus
druck. Die Bibel an sich, die prophetische Rede überhaupt und die mit ihr ver
knüpfte Exegese und Predigt kann niemals allein aus sich heraus diesen Unter
schied des Alten und Neuen Bundes fixieren. Mit andern Worten: darin, daß
Christus von Gott als der Fleiscbgewordene geredet hat, darin gründet es, daß er
nicht in das Bibelwort adäquat eingehen kann, sondern daß er, das Bibelwort
durchstoßend, in einer anderen Sphäre der Realität sich verleiblicht. Die Bibel ist
der Leib des prophetischen WortS, der Leib des Logos Gottes aber ist nicht die Bi
bel, sondern die Kirche und das mit der Kirche gesetzte Dogma.
21
Nicht zufällig sind Dogma und Sakrament Termini aus der juristischen Spra
che. Man achte einmal darauf, wo im Neuen Testament Worte aus der Rechts
sprache auftreten, und man begnüge sich doch nicht damit, einfach die analo
gen Wendungen aus den Papyri anzuführen - diese subalterne Art der Frage
stellung ist zur Zeit vorherrschend -, sondern man versuche einmal zu ermit
teln, warum denn gerade diese juristischen Termini und warum sie gerade in
der sakramentalen Sprache auftreten. Das muß doch mit einem Wesenszug im
Charakter der neutestamentlichen Offenbarung zusammenhängen. Die altte
stamentliche Prophetie konnte niemals diesen Charakter juristischer Aus
schließlichkeit haben, weil I Gottes Wort eben nicht nur zu einem Propheten
kam. Es war immer im Kommen, und erst durch die Inkarnation kam es zum
Abschluß, zu einem Abschluß, der aber nun nicht ein einfacher Scblußwar, ein
einfaches Aufhören der Prophetie, sondern im Abschluß [man könnte sagen im
Schlußstricb] nun zugleich auch etwas, was alles prophetische Wort nicht war,
ein Vollzug. Die pneumatische Exegese und Predigt ist gar nicht in diesem
Sinne ein Vollzug wie das Dogma und die Theologie. Zur Exegese gehört, daß
sie das nOAI)J.UO:p<ö� KO.L nOAI)tp6nw� [Hebr. I , 1] des prophetischen Wortes
zum Ausdruck bringt. Die allegorische Auslegung hat es daher mit einer Fülle
von Typen und Hüllen zu tun. Das Dogma bringt dagegen in seiner begriffli
chen Eindeutigkeit auch den eindeutig endgültigen Charakter der Logosoffen
barung zum Ausdruck, das Reden »in diesen letzten Tagen<< (Hebr. 1, 1).
22
An diesem Punkt sitzt fast stets das Mißverständnis des Dogmas. Man kann
selbstverständlich weder eine Lehre noch ein Bekenntnis für alle Zeiten verabso
lutieren, aber das Dogma ist gar nicht in diesem Sinne Lehre und Bekenntnis
und liegt auch gar nicht in einer Sphäre, die dem Hang des Menschen nach Ver
absolutierung zugänglich ist. Der neuere Protestantismus interpretiert das
Dogma der alten Kirche vielfach von seinem Begriff des Bekenntnisses aus, das
ist aber sachlich wie historisch unrichtig.
22 ANMERKUNGEN 42/43
H Das Dogma gehört zum Reden des fleischgewordenen Logos hinzu, wie der
Leib Christi wesenhaft zum Haupt hinzugehört. Der Leib Christi ist kein ne
bensächliches Akzidens, das ebensogut auch fehlen könnte, und ebenso ist auch
das Dogma nicht etwas, das man nach Belieben ausklammern und unberück
sichtigt lassen kann. Der Leib Christi ist auch nicht- so wenig wie das Dogma
etwas, was sich erst im Akt des Glaubens konstituiert. Wenn Kirche und Dogma
sich im Glaubensakt erst konstituierten, dann gehörten sie wesentlich zum
Menschen, der da glaubt. Die Kirche i$t aber nicht der Leib de$ Glauben/den, son
dern der Leib Christi. Und das Dogma ist nicht eine Konkretion des Glaubens
aktes - und Theologie somit auch keine Glaubenslehre -, sondern eine Konkre
tion des Logos.
24 Die Kirche kann darum Christus repräsentieren, weil Christus abwesend und
die Kirche - ihrem Wesen nach - sichtbar ist, so sichtbar, wie eben ein Leib
sichtbar ist. Das heißt Christus seine Ehre lassen, wenn man in der objektiven
geistigen Welt das zu Christus hinzugehörende Dogma stehenläßt. Und das
heißt in der Theologie den Logos ehren, indem man an dem durch das Dogma
vermittelten Reden des Logosvon Gottteilnimmt. Wir selber aber können Chri
stus nicht die Ehre geben, er muß sie uns lassen, muß sie uns in einer objektiven
Weise, nämlich im Dogma, lassen.
zs
Wenn freilich alle Gläubigen Priester sind, dann sind auch alle Gläubigen
Theologen. Wenn die Theologie nicht mehr Aufgabe eines Standes ist, fällt sie
der Mannigfaltigkeit menschlicher »Berufe<< anheim. Dann gibt es eine Theolo
gie des Arbeiters, eine Theologie des Kapitalisten, eine Theologie des Journali
sten und- auch eine Theologie der Theologieprofessoren. Dann ist jeder in sei
nem »Beruf« zum Theologen geworden. Glückliches Zeitalter, in dem es
ebenso viele Theologien wie »Berufe<< gibt; nur eines fehlt - die Theologie.
Der Monotheismus
als politisches Problem
24 48
Vorbemerkung
rung gezogen, daß die Herrschaft Gottes zwar gut, aber die Regie
rung des Delmiurgen, respektive der demiurgischen »Kräfte« - die
dann gewöhnlich unter der Kategorie von Beamten gesehen werden
- schlecht ist, daß mit anderen Worten die Regierung immer un
recht hat16•
Wir haben bei Aristoteles und dem Verfasser der Schrift von der
Welt von einer Monarchie Gottes gesprochen, aber keiner dieser
Autoren verwendet das Wort Monarchie in diesem Zusammen
hang. Von den philosophisch gebildeten Theologen ist es Philo, bei
dem sich dieser Sprachgebrauch zuerst nachweisen läßt. Man
könnte den Versuch machen, sich das auf folgende Weise zu erklä
ren: In dem Isis-Hymnus von Andres wird von der Monarchie
[�wva.pxta.] dieser Göttin gesprochen17. Man hat schon für frühe
Zeiten ein »auffallendes Hervortreten« der Isis, selbst vor Serapis,
konstatiert18• Man könnte sagen, wenn Philo von der Monarchie
des von den Juden verehrten Gottes spricht, dann stellt er dessen
Monarchie der Monarchie der Isis entgegen. Es seien also die spe
ziellen Verhältnisse der religiösen Kämpfe in Ägypten, die zu dieser
sprachlichen Formulierung geführt hätten. Dem ist jedoch entge
genzuhalten, daß das Wort >>Monarchie« [J.LOVa.px.ta.] in einem
Hymnus nicht so ernst genommen werden darf19• Die Sprache des
Gebetes20 und des Hymnus21 hat ihre eigenen Gesetze. Was in die
sen literarischen Gattungen22 sich an sprachlichen Formulierungen
findet23, bietet an sich noch keinen Anlaß zu einer Gegensatzbil
dung in der Sprache der Prosa. Es wird sich daher empfehlen, von
dieser Hypothese keinen Gebrauch zu machen.
Charakteristisch ist der Phiionische Sprachgebrauch in De spec.
leg. I 12, wo er sagt, wir müssen uns jetzt den Einzelgesetzen zu
wenden, und zwar zulerst denen, »die über die Monarchie erlassen
sind<<24• Die Auslegung der »Einzelgesetze<< beginnt mit dem ersten
Gebot, das die Verehrung anderer Götter in Israel ausschließt. Aber
warum sagt Philo: »Die Gesetze, die von der Monarchie handeln<<
[ol mpi. J.LOVapxta.c; VOJ.LOLJ? Man erwartet zum mindesten, daß er
sagen würde: >>Die Gesetze, die von der göttlichen Monarchie han
deln«. Aber dieser Zusatz fehlt25. Die Monarchie in Israel ist die
göttliche, das versteht sich anscheinend von selbst. Israel ist eine
Theokratie, das eine Volk wird von dem einen göttlichen Monar
chen regiert. Ein Volk und ein Gott, das ist ja jüdische Losung26.
Weil Philo die sakrale Gesetzgebung Israels nach Art der profanen
Gesetzgebung einer idealen Polis interpretiert, darum stellt er an
den Anfang einer Interpretation aller staatlichen Einzelgesetze die
Interpretation der Verfassung, und das ist die Monarchie. Nun ist
freilich, nach Philos eigenen Ausführungen [vgl. De spec. leg. li
55156/57 DER MONOTHEISMUS 29
inv. lOf. Jakob ist das Symbol derer, »die gesagt haben, der Geist
[vooc;] sei gekommen, um alles in Ordnung zu bringen, und die Un
ordnung im Seienden, die aus der Vielherrenschaft herrührte, zur
Ordnung einer am Gesetz sich orientierenden Herrschaft, nämlich
der I Königsherrschaft, zu bringen«43• In diesem Sinne, so heißt es,
ist Jakob der »Anhänger der wahren Monarchie« [11]44• Philos Ge
danke ist: Gott stellt, nach einer Herrschaft der Ochlokratie, die
Ordnung [t�tc;] einer am Gesetz orientierten Herrschaft [apxft
v6�tJ..lOc;] wieder her, aber diese Ordnung ist nun das Königtum, die
Monarchie, und nicht etwa die Demokratie. Das überrascht eigent
lich bei Philo, der ein leidenschaftlicher Freund demokratischer
Ideale ist45, doch es ist klar, daß ihm der jüdische Gottesglaube ver
bot, in diesem Zusammenhang von einer metaphysischen, von einer
göttlichen Demokratie zu sprechen. Philo bezieht sich in der eben
zitierten Stelle auf Plato, der im Timaeus [30 A] davon spricht, daß
der Demiurg aus der Unordnung die Ordnung schafft46, aber es ist
charakteristisch, daß er aus der technischen Handlung des Platoni
schen Demiurgen einen politischen Akt macht, wie ihn etwa Augu
stus vollführt, der nach Philos Worten, wie der Platonische Demi
urg, auch die >>Unordnung in die Ordnung« überführt. [Leg. ad G.
1474'.] Diese politische Umdeutung der Handlung des Platonischen
Demiurgen konnte von einer Bedeutungsmöglichkeit des griechi
schen Wortes für Ordnung ['ta�tc;] ihren Ausgang nehmen, wonach
damit die »Verfassung« [noA.tn:ia.] des Staates bezeichnet wird48.
Es ist klar, daß Philo, wie er ja auch selber sagt [Ol ... t<pa.cra.v],
diese Bezugnahme auf den Akt der Wiederherstellung der politi
schen Ordnung im Kosmos aus der Literatur übernommen hat und
daß sie nicht auf das Homerische Königtum oder das Großkönig
tum in Persien, sondern auf die hellenistische Monarchie, respek
tive auf den Prinzipat der römischen Kaiserzeit als auf das eigent
lich genuine Bild I für die monarchische Ordnung im Kosmos führt.
Dabe1 ist ohne weiteres deutlich, daß es wohl möglich war, auf dem
Boden des Heidentums von emer göttlichen Monarchie zu spre
chen, die sich erst i m Kampf gegen die Gewalten der Unordnung im
Kosmos konstituiert, aber von den Voraussetzungen des jüd1schen
Gottes- und Schöpfungsbegriffes aus war das nicht möglich. Von
der Metaphysik des Heidentums aus konnte man die Herrschaft des
Zeus, die sich erst nach mythischen Kämpfen durchgesetzt hatte,
mit der Konstituierung einer neuen politischen Ordnung paralleli
sieren, und man hat das auch nicht selten gemacht. Besonders ein
drucksvoll ist in dieser Beziehung die Rede des Aelius Aristides auf
Rom, in der er ausführt, daß vor der Herrschaft des Zeus alle� vol
ler Aufruhr und Empörung gewesen sei, nach seiner Herrschaft
32 THEOLOGISCHE TRAKTATE 60161162
aber die Titanen in die tiefsten Winkel der Erde sich verkrochen
hätten, und also sei es auch mit der Herrschaft der Römer. Nach
dem sie die Macht übernommen hätten, sei Ordnung ['ta�t�) in al
lem und strahlendes Licht in das Leben gekommen und allgemeine
Sicherheit geschenkt worden49• Dieser Gedanke, die Herrschaft des
Zeus mit der politischen Herrschaft in Parallele zu bringen, ist auch
sonst verbreitet, man denke etwa an den Zeus-Hymnus des Kalli
machos50 oder an Lucan, Bell. civile I 33 ff.Sl, er legte sich um so
eher nahe, als ja die Beziehung des Zeus zu der politischen Welt in
allen Zeiten ein Thema des griechischen Denkens gewesen ist52.
Man darf vermuten, daß Philo sowohl das Wort wie den Begriff
»der göttlichen Monarchie« in der Schultradition des hellenisti
schen Judentums in Ägypten schon vorgefunden hatS3. Es ist beach
tenslwert, daß Josephus, also ein Vertreter des palästinensischen Ju
dentums, nirgends von einer Monarchie Gottes redet, während da
gegen das in Ägypten entstandene54 3 . Makkabäer Buch die Ge
-
macht, ist Theophilus von Antiochien. Wir finden das Wort Ad Au
tolycum II 4 in einem doxographischen Abschnitt gebraucht. Die
Platoniker behaupten, die Materie sei »ungeworden« [6.ytvr)1:or;]
wie Gott. Wenn aber beide »ungeworden« [ayevrrro;] sind, »dann
kann auch nicht die Monarchie Gottes aufgezeigt werden« [o\Jöt
J..ltlV J..I.Ova,pxta. �eoo ÖelKVO"ta.t Otto $. 54]. Hier ist der Begnff der
göttlichen Monarchie, wie bei Aristoteles, in einen Gegensatz zum
Platonischen Dualismus gestellt. Die Begründung aber verläuft
nicht in Aristotelischen Bahnen, sondern nimmt im Sinne der christ
lichen Dogmatik auf den Begriff der Allmacht Gottes Bezug64. In li
8 [Otto S. 74] wird auf die Widersprüche der griechischen Dichter
in ihren Aussagen über Gott hingewiesen. Die einen nehmen einen
einzigen Gott an6s, andere erfinden - von Dämonen inspiriert- eine
Mehrzahl von Göttern66; wenn sie jedoch nüchtern werden67, spre
chen sie wie die Propheten »von der Monarchie Gottes und vom
Gericht«68 . Das ist belachtenswert: Die Lehre von der Monarchie
Gottes ist ein Zeichen der Nüchternheit des Geistes, die polytheisti
sche Verkündigung dagegen der Ausdruck einer »Besessenheit« der
Seele des Dichters. In der dichterischen Begeisterung kommt ein
metaphysischer Pluralismus zum Ausdruck, der letzthin dämoni
schen Ursprungs ist.
In II 28 derselben Schrift des Theophilus wird ebenfalls über den
dämonischen Ursprung des Polytheismus gehandelt. Hatte nicht
die Schlange im Paradiese gesagt, ihr werdet sein wie die Götter?
Als nun Adam nach der Vertreibung aus dem Paradiese sein Weib
erkannte [Gen. 4, l], da erfuhr er »das Geheimnis der Monarchie
Gottes«, daß es nämlich keinen metaphysischen Pluralismus oder
Dualismus gäbe, etwa m dem Sinne, daß ein Gott den Adam und ein
anderer die Eva erschaffen hätte, da wurde ihm vielmehr verständ
lich, daß Eva aus seiner Seite gebildet war. Der Begriff der göttli
chen Monarchie ist bei Theophilus nicht nur eine Formel und ein
Schlagwort, sondern spekulativ begründet. Mit großer Feinheit hat
Theophilus, der uns seit der Monographie von Loofs als ein geist
reicher und tiefer Theologe faßbarer geworden ist, die konkreten
Anlässe, in denen sich im menschheben Leben die Versuchung zu
einem metaphysischen Pluralismus äußert, herausgehoben. Es ist
die dichterische Begeisterung und die Frau, die uns zu diesem Irr
tum verleiten können, aber beide Versuchungen sind überwindbar.
Der dichterische Rausch kann sich in Nüchternheit wandeln, die
Frau aber kann »erkannt« werden, so daß die Erfahrung ihrer Bil
dung aus der Seite Adams sich in die Erkenntnis, daß ein Gott beide
erschaffen hat, wandelt. Das wird freilich aus den Äußerungen bei
Theophilus klar, daß der Monarchie-Begriff bei ihm, eben weil er in
36 THEOLOGISCHE TRAKTATE 67168
dem Sohn und dem Heiligen Geist die zweite und dritte Rangstelle
anweist80, sondern wenn man eine »alia dominatio suae condicionis
et proprii status<< [S. 231, 24] einem vom Höchsten Gott unterschie
denen Schöpfergotte zuschreibt, wie das die Gnostiker, ein Valenti
nos81 und Prodikos tun.
Wenn man sich die Vorgeschichte des monarchia Begriffes in die
-
Erinnerung zurückruft, ist klar, daß das Bild von der göttlichen
Monarchie und seine Ausdeutung in der Schrift Tertullians gegen
Praxeas in den Hauptzügen traditionell ist. Das ist nicht unwichtig
für die Beurteilung des ganzen Werkes. Es handelt sich bei ihm we
niger um eine originelle theologische Spekulation82 als um eine po
lemische Gelegenheitsschrift, die mit traditionellem Material arbei
tet. Neu ist eigentlich nur die Ausdeutung des Bildes von der göttli
chen Monarchie aus den staatsrechtlichen Verhältnissen der römi
schen Kaiserzeit: Das Verhältnis Christi zu Gott wird vom römi
schen Doppelprinzipat aus verstanden. Aber im Grunde war auch
dieser Versuch, sich das Verhältnis des I Sohnes zum Vater ver
ständlich zu machen, schon früher in der apologetischen Literatur
gernacht worden, wie c. 18 der Apologie des Athenagaras [S. 20,
7 ff. Schwanz] beweist [siehe auch J. Geffcken, Zwei griechische
Apologeten, Leipzig 1907 S. 197, der freilich bei Athenagaras nur
einen »Servilen Vergleich« sieht] .
Was den sachlichen Gehalt des von Tertullian entwickelten Bildes
anbetrifft, so ist es seltsam, daß dieselbe Argumentation, die einem
Tertullian dazu diente, das Verhältnis des Sohnes und des Heiligen
Geistes zum Vater zu bestimmen, außerhalb der Kirche verwandt
wurde, um den Polytheismus zu rechtfertigen. Wir fanden das Bild,
das in peripatetisch-platonischer83 Schultradition zu Hause war, in
der Schrift von der Welt und bei Philo. Aber damit sind die Belege
längst nicht erschöpft. Man denke an den Redner Maximus von Ty
rus, der von Gott als dem >>Großkönig« spricht84, der als »Teilhaber
an der Herrschaft viele sichtbare und unsichtbare Götter hat, von
denen ein Teil Türdienst hat, um anzumelden«; andere sind Kö
nige, die als ihm »verwandt« mit ihm speisen und seine Gäste sind,
während andere deren Diener sind, und wieder andere, noch gerin
ger als diese [Or. XI 12]. Die Anschauung, daß »ein Gott der Kö
nig aller ist und daß daneben noch viele Götter sind, Götterkinder,
solche, die mit Gott herrschen«, ist nach Maximus ganz allgerneine
Anschauung bei den Hellenen wie Barbaren85. Nach Aelius Aristi
des gab Zeus die vier Regionen den Göttern als »Unterherrschern
und Satrapen« [Zeus-Rede § 1 8 Keil S. 343, 26]86• Ähnlich ver
gleicht Celsus die Dämonen mit Satrapen und Diakonen [Origenes,
Contra Celsum VIII 35], I und in den Ps. Clementinen X 14 wird als
72173 DER MONOTHEISMUS 39
Gehalt des Bildes von der göttlichen Monarchie nun zu einer politi
schen Polemik gegen die Christen umbiegt. Aber nicht immer wird
die Polemik gegen den Monotheismus der Christen politischen
Charakter angenommen haben, vielfach wird man gegenüber dem
jüdisch-christlichen Einwand, daß man die Götter nicht neben Gott
ehren dürfe, einfach behauptet haben, daß man sie doch anerkennen
und ehren müsse. Wenigstens läßt eine Stelle bei Philostrat eine sol
che Haltung vermuten. In einem Fragment I aus seiner Schrift Ȇber
die Opfer« (Porphyrius bei Eusebius, Praep. Evgl. IV 13, Zur Her
kunft aus Porphyrius s. Ed. Norden, Agnostos Theos (Leipzig
1913) S. 344] spricht Philostrat davon, daß man zwar dem Ersten
Gott, dem Einen, der von allen abgesondert sei, Verehrung schulde,
danach aber müsse man auch die übrigen unbedingt gelten lassen
[J.LG-9' öv yvropt�ecr.Sc:tt Ka.t ·wu� A.ot1tOU� ava.yKa.tov ] . Ed. Nor
den, der in seinem Agnostos Theos [ 1913] S. 39 auf diesen Text auf
merksam gemacht hat, wird zweifellos recht haben, wenn er in ihm
eine Polemik gegen den Monotheismus sieht. Er hat ferner im An
schluß an Zeller97 auf die Polemik des sogenannten Onatas hinge
wiesen, der gegenüber dem Monotheismus einwendet, die Anhän
ger dieses Glaubens könnten die eigentliche Würde der göttlichen
Herrschaft nicht sehen, die darin bestände, daß man herrsche und
Führer sei von gleichen. und über anderen stehe [-co yap �eytcr-cov
a�tro�a. -c<lc; .Sda.� umpoxa.� ou 0\)V�kc.upeüv-ct, Myro 8T} 'CO <'ipxev
Ka.i Ka.Ba.ytecrBa.t -c&v O!!Oirov Ka.i Ka.Sü1t€p-cepov ei11ev t&v
aAA.rov bei Stob. Ecl. I 48 W]. Ed. Norden hat nun gemeint [a.a.O.
S. 40 Anm.], die bekannte Stelle bei Plotin, Enn. II 9, 9, in der er ge
gen den christlichen Monotheismus protestiert, sei »nichts anderes
als eine Wiederholung jener pythagoräischen Polemik«. Ich halte
das in bezug auf Plotin nicht für richtig, denn die Argumentation
Plotins verläuft in einer anderen Richtung. Dagegen hat Norden
übersehen, daß wir in der Kritik eines Heiden am Christentum, die
sich bei dem christlichen Schriftsteller Makarius Magnes erhalten
hat, genau dieselbe Argumentation wie bei Onatas finden. Der
Heide, der bei Makarius Magnes zu Wort kommt, geht nämlich
von dem Satz aus: I »Monarch ist nicht der, der allein ist, sondern
der allein herrscht« [Makar. Magn. IV 20 ed. Blonde! S. 199]. Wie
Hadrian nur über solche herrscht, die dieselbe menschliche Natur
haben [er herrscht nicht über Tiere], so ist Gott auch nur Monarch,
insoweit er über Wesen herrscht, die dieselbe göttliche Natur ha
ben. Damit ist also aus der Prämisse, daß es monarchische Herr
schaft nur über Gleichartige geben könne, der Polytheismus als lo
gische Konsequenz entwickelt worden. Das Schlußverfahren zeigt,
daß der Erfinder dieser Argumentation ein Philosoph und nicht
75176 DER MONOTHEISMUS 41
bloß ein Rhetor gewesen ist. Schon der Eingangssatz: >>Monarch ist
nicht der, der allein ist, sondern der allein herrscht«, zeigt in seiner
polemischen Gegenüberstellung des Seins- und des Herrschaftsbe
griffes, daß hier ein Geist tätig ist, der mit dem jüdisch-christlichen
Begriff der göttlichen Monarchie in polemischer Auseinanderset
zung begriffen ist. Ich zweifle nicht, daß dieser Heide bei Makarius
Magnes der Philosoph Porphyrius gewesen ist98. Zu allem, was wir
auch sonst von ihm wissen, stimmt es, daß er in weitem Umfange
die Pythagoräische Tradition in sich aufgenommen hat. Porphyrius
ist es, wie wir gesehen haben, gewesen, der die Kritik des Philostra
ws am Monotheismus aufbewahrt hat; es ist sicher nicht zu kühn,
wenn man vermutet, daß auch der Gedanke des Pythagoräers Ona
tas, wonach es Herrschaft nur über Gleichgeartete geben könne
und daß darum Gott über andere Götter herrschen müsse99, von
Porphyrius aus Pythagoräischer Spekulation übernommen worden
istlOO.
Was hat nun der Christ auf den Einwand des Porphyrius geantwor
tet? Er hat gesagt: Herrschaft bei Gott bedeutet etwas anderes als
Herrschaft bei den I Menschen. Hadrian101 regiert auf Grund des
Gesetzes, das für die politische Herrschaft [v61!<!> öuvacr-reia<;] gilt,
aber darin ist gerade beschlossen, daß keine Gleichartigkeit zwi
auch das falsch sei. Die Engel ständen im Lichte Gottes und würden
dadurch »vergottet«, in ihrer eigenen Natur dagegen seien sie nicht
göttlich102•
Unsere Ausführungen haben gezeigt, daß die ersten Versuche, die
überkommene Lehre von der göttlichen Monarchie mit dem Trini
tätsdogma zu verknüpfen, gescheitert waren. Das gilt von dem Ver
such des Praxeas so gut wie von dem Tertullians. Es ist nun lehr
reich zu sehen, wie in den christologischen Diskussionen zwischen
den Bischöfen Dionysius von Alexandrien und Dionysius von Rom
die Schwierigkeiten, den traditionellen Begriff der göttlichen Mon-
42 THEOLOGISCHE TRAKTATE 76177178
Kulte zerstört, der zerstört damit letzthin auch die nationalen Be
sonderheiten112, und der greift zugleich das Imperium Romanum
an, in dem für die nationalen Kulte wie für die nationalen Besonder
heiten Platz ist. Denn der eine, der höchste Gott des Celsus ist ja
eine metaphysische und keine nationale Gestalt und darum gleich
gültig gegenüber allen nationalen Benennungen [I 24 und VII 1 .
Vergleiche auch Origenes Exhortatio ad martyr. 46). Er läßt die
überlieferten Religionen der verschiedenen Völker gelten, denn er
herrscht wohl, aber er regiert nicht in den Herzen seiner Vereh
rer113. Das tun allein die Götter der verschiedenen Völker, denen
die Christen jedoch keine Verehrung erweisen wollen. So sind es
denn letzthin politische Überlegungen114, die Celsus zu einer Stel
lungnahme gegen den christlichen Monotheismus veranlassen. Er
fürchtet die Zerstörung des Imperiums, und wenn die Christen sa
gen, der Eine Gott, den sie verehren, werde schon das Reich schüt
zen, dann verweist Celsus auf das Schicksal des jüdischen Mono
theismus. Anstatt daß die Juden Herren der ganzen Welt geworden
wären, ist ihnen nicht einmal die kleinste Erdscholle übriggeblieben
[VIII 69]. Gewiß, das wäre etwas, »wenn es möglich wäre, daß
Asiaten, Europäer und Libyer, Helllenen sowohl wie Barbaren, die
bis an die Grenzen der Erde verteilt sind, in einem einzigen Ge
setze115 übereinstimmen. Aber wer so etwas annimmt, der weiß im
Grund gar nichts« [VIII 72]. In diesem kurzen Fragment verrät sich
noch einmal die letzte, aller Begründung überhobene116 »heidni
sche« Überzeugung des Celsus. Der Monotheismus wäre diskuta
bel, wenn es gelingen könnte, die nationalen Besonderheiten zu
überwinden, aber niemals werden sich die verschiedenen Völker in
diesem Sinne auf ein einziges >>Gesetz« einigen, und darum kann
die Wirkung des jüdisch-christlichen Monotheismus auf das politi
sche Leben im Grunde immer nur destruktiv sein.
Die Bedeutung der Ausführungen des Celsus liegt darin, daß sie die
Verknüpfung des Problems des jüdisch-christlichen Monotheismus
mit den Fragen des politischen Lebens, das heißt konkret: mit dem
politischen Problem des Imperium Romanum erkennen lassen117•
Wie hat sich nun Origenes mit den Einwänden des Celsus abgefun
den? Gegenüber dem Zweifel des Heiden, daß es möglich sein
werde, verschiedene Völker in einem Nomos zu einen, bringt Ori
genes seinen Glauben an die Macht des göttlichen Logos zum Aus
druck, dem dieses gelingen werde. Wie nach der Meinung der Stoa
das Feuer über alle übrigen Elemente Herr werde, so werde es auch
dem Logos gelingen, die Seelen umzuwandeln [VIII 72]. Zum
Zeugnis für diesen Glauben wird dann ein langer Text aus Sopho
nias 3, 7-13 zitiert, in dem davon die Rede ist, daß Gott die Völker
81182183 DER MONOTHEISMUS 45
alle Nationen und alle Zungen hinzurief und das gläubige Volk der
Christen schuf . . . da ahmte das Reich dieser Weltzeit, das herrscht
>nach Kraftwirkung Satans<, dies genau nach und sammelte seiner
seits auch aus allen Völkern die Edelsten und rüstete zum Streit, sie
•Römer< nennend. [Hippolyt weiß, daß die Römer, im Unterschied
zu den Persern, keine eigentliche nationale Einheit sind. Siehe seine
Ausführungen zu Daniel IV 8 das. S. 204, 1 4 ff.] Und deshalb war
auch die erste Schätzung unter Augustus, als der Herr in Bethlehem
geboren wurde, damit die Menschen dieser Welt für den irdischen
König angeschrieben, >Römer< genannt würden, die an den himmli
schen König Glaubenden aber Christen hießen, das Zeichen des
Sieges über den Tod an der Stirn tragend.«
Hamack hat diese Stelle bei Hippolyt den dreistesten Ausdruck
christlichen Selbstbewußtseins genannt. [Die Mission und Ausbrei
tung des Christentums r• $. 278.] Das ist falsch. Aus Hippolyt
spricht das Mißtrauen gegen ein Imperium, das eine Ökumenizität
in Anspruch nimmt, die nur der Kirche zukommt. Es ist dasselbe
Mißtrauen, das zu anderen Zeiten gegenüber einem Weltkaiser be
steht, der alle Reiche dieser Welt vereint und der I doch nur der An
tichrist sein kann. Gregor von Elvira sagt vom Antichrist: »ipse solus
toto orbe monarchiam habiturus est« [ Tracutus (Ps.) Origenis ed.
=
werde, der die Erwartung der Hetden sei. Die Stelle hatte auch
schon früher im Weissagungsbeweis der Christen eine Rolle ge
spielt126. Eusebius bezieht diese Weissagung auf I Christus, der er
schienen sei, als das jüdische Königtum zu Ende ging. Das war, als
Augustus über die Römer Alleinherrscher war und Herodes, der ein
Ausländer127 war, als König über die Juden eingesetzt wurde. Zwi
schen dem Ende des national-jüdischen Königtums und der Monar
chie des Augustus und dem Erscheinen Christi besteht also ein inne
rer Zusammenhang: Es ist ohne weiteres deutlich, daß die Grund
linie des Origenes hier wiederkehrt, wonach das Aufhören der Na
tionalstaatlichkeit in der Monarchie des Augustus providentiell mit
dem Erscheinen Christi in einem Zusammenhang steht118• Das Auf
hören der Nationalstaatlichkeit wird bei Eusebius - und darin geht
er über Origenes hinaus - mit zahlreichen historischen Fakten be
legt. In III 7,30-35 derselben Schrift wird etwa folgendes ausge
führt: »Wer sollte nicht darüber staunen, wenn er bei sich bedenkt
und überlegt, daß es nicht Menschenwerk sein kann, wenn erst von
den Zeiten Jesu ab und vorher sonst nicht die meisten Nationen der
Oikumene unter die eine Herrschaft der Römer gelangt sind, und
daß zugleich mit seiner unerwarteten Erscheinung bei den Men
schen die römische Sache zu blühen begann? Damals nämlich, als
Augustus zuerst über die Mehrzahl der Nationen Alleinherrscher
wurde, zu einer Zeit, als nach der Gefangennahme der Kleopatra
die PtOlemäersukzession aufhörte.« Aber nicht nur, so führt dann
Eusebius weiter aus, in Ägypten ging das nationale Königtum zu
Ende, sondern auch in Judäa, Syrien usw., was dann von dem Kir
chenhistoriker mit einer Reihe von geschichtlichen Daten belegt
wird. Man erkennt hier eines der Motive für Eusebs universalge
schichtliche Interessen. Weil die Nationalstaatlichkeit provildentiel
lerweise zu Ende gegangen ist, darum wird dem chronologischen
Ablauf der Geschichte der einzelnen Nationen Aufmerksamkeit ge
schenkt129. »Daß das nicht zufällig«, so heißt es § 33, »mit der Lehre
unseres Erlösers übereinkam, wer wollte das nicht zugeben, wenn
er bedenkt, daß es für seine Jünger nicht allzu leicht gewesen wäre,
allenthalben ihren Weg hinzunehmen, wenn die Nationen vonein
ander abgesondert gewesen wären und keine Kommunikation zwi
schen ihnen bestanden hätte, da alle Völker eigene Herrschaft aus
geübt hätten. Nun, da diese ihnen aber genommen war, konnten die
Apostel ohne Furcht und voller Zutrauen ihren Auftrag erfüllen,
hatte doch der Gott, der über allen ist, ihnen den Weg vorbereitet
und die Zornesausbrüche der Polis-Abergläubigen durch die Furcht
vor einer noch größeren Herrschaft zum Schweigen gebracht [§
34]. Bedenke nämlich, wenn nichts die Anhänger des polytheisti-
88189/90 DER MONOTHEISMUS 49
Ungefähr zu der gleichen Zeit hat der heilige Ambrosius die pro
phetische Weissagung vom Völkerfrieden - nach der Art Eusebs
als im Römischen Reich in Erfüllung gegangen betrachtet und zu
gleich I die Verknüpfung mit dem Monotheismus aufgezeigt. In der
Auslegung von Psalm 45, 1 0 : »Au/erens belLa usque adfines terrae, ar
cum conteret et confringet arma: et scuta comburet igni«, führt der hei
lige Ambrosius folgendes aus: »Et vere antequam Romanum diffun
deretur imperium, non solum singularum urbium reges adversum se
praeliabantur; sed etiam ipsi Romani belfisfrequenter civilibus attere
bantur.<<. Es folgt eine Aufzählung der Bürgerkriege bis zur
Schlacht von Actium. » Unde factum est ut taedio bellorum civilium,
Julio Augusto Romanum de/erretur imperi11m; et ita praelia intestina
sedata sunt. Hoc autem eo profecit, ut recte per totum orbem apostoli
mitterentur dicente Domino fesu: >Euntes docete omnes gentes<
[Matth. 28, 19]. Illis quidem etiam interclusa barbaricis montibus
regna patuerunt, ut Thomae lndia, Matthaeo Persia. Sed tarnen quo
plura obirent spatia terrarum, in exortu ecclesiae potestatem Romani
imperii toto orbe dijfudit, et dissidentium mentes, terrarumque divortia
54 THEOLOGISCHE TRAKTATE 96/97/98
die auch bei Dio Cassius überlieferte Erzählung von der Ölquelle,
die in Trastevere entsprang, berichtet. Auch sie erhält eine christ
liche Deutung. Die Quelle weist auf den unctus, auf den mit Öl
Gesalbten, das heißt auf Christus, hin. Wenn das Öl einen ganzen
Tag floß, so bedeutet das die ewige Dauer des Imperium Ro
manum, gehören ihm doch die mit Öl Gesalbten, das heißt die Chri
:.ten, an.
In c. 22 folgen dann noch einmal politisch-theologische Ausführun
gen. Im Jahre 752 nach Gründung der Stadt hat Augustus in allen
Teilen der Welt Frieden geschaffen. Zum drittenmal werden die
Tore des Janus-Tempels geschlossen. Damals trägt man Augustus
den Titel dominus an. Augustus lehnt ihn jedoch, weil er nur ein
Mensch sei, ab1s0 . »Zu dieser Zeit aber, das heißt, als der Caesar
durch seine Anordnung den sichersten und echtesten Frieden ge
schaffen hatte, wurde Christus geboren, dessen Ankunft jener
Friede entsprach . Hatten doch bei seiner Geburt Menschen die En
gel jubeln hören: >Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Men
schen, die guten Willens sind151.< Zu eben dieser Zeit ließ sich der
Caesar nicht Herr der Menschen I nennen; er, dem alle Dinge zu
gestanden waren, wagte es nicht, weil der wahre Herr des Men
schengeschlechtes damals unter den Menschen geboren wurde. In
demselben Jahr ließ der Caesar, den Gott für so viele Mysterien vor
herbestimmt hatte, allenthalben einen Zensus der einzelnen Provin
zen abhalten und befahl, alle Menschen sollten geschätzt werden.
Damals ließ sich auch Gott als Mensch sehen, damals wollte er es
sein. Damals wird also Christus geboren, der sofort nach seiner Ge
burt dem römischen Zensus beigeschrieben wurde ... er, der alle
Menschen geschaffen hatte, ließ sich als Mensch unter Menschen
eintragen. So etwas ward seit Erschaffung der Welt nicht einmal
dem Babylonischen oder Mazedonischen Reichem, um von kleine
ren zu schweigen, gewährt. Und es ist kein Zweifel, vielmehr für die
Erkenntnis und Einsicht des Glaubens offenbar, daß unser Herr Je
sus Christus diese Stadt, die er auf seinen Willen hin gemehrt und
verteidigt hat, bis zu diesem Gipfelpunkt geführt hat. Ihr wollte er
in erster Linie angehören, als er kam, um allenthalben römischer
Bürger genannt zu werden durch das >Bekenntnis der römischen
Steuerschätzung<.« Wie für Euseb ist auch für Orosius die Einheit
des Imperium Romanum und die Einheit Gottes miteinander ver
bunden: »unus Deus, qtti temporibus qttibus innotescere vohtit, hanc
regni statuit unitatem, ab omnibus diligitHr et timetur; eaedem Leges,
quae uni Deo sub1ecto mnt, ubique dominantur« [V 2, 5). Ja, Orosius
geht noch weiter, insofern er die Gründung Roms auf den mono
theistischen Gott der Christen zurliekfuhrt und mit christlichem Pa-
56 THEOLOGISCHE TRAKTATE 991100/101
man schon längst gesehen hat, mit dem Bekenntnis, das sich in den
Apostol. Konstitutionen VII 4, 1 findet, berührt160. In Buch V c. 20
§ 1 1 derselben Schrift findet sich ein dem Arianischen Bearbeiter
dieses Werkes angehöriges Stück, in dem ausgeführt wird, wie
Christus, der Menschensohn, in Erfüllung der Weissagungvon Da
nie! 2, 34 zu einem großen Berg geworden ist, der die ganze Welt
erfüllt und die politische Vielherrschaft örtlicher Gewalthaber so
wie die Vielgötterei der Gottlosen zermalmt hat, einen einzigen
Gott predigend und die Alleinherrschaft der Römer einsetzend161.
In diesen Ausführungen, die völlig Gedankengänge I des Euseb wie
dergeben162, kommt der letzte politische Sinn des Arianismus unver
hüllt zum Ausdruck. Der Monotheismus ist eine politische Forde
rung, ein Stück der Reichspolitik. In dem Augenblick, in dem der
Begriff der göttlichen Monarchie, der nur die Widerspiegelung der
irdischen Monarchie im Imperium Romanum war, in einen Gegen
satz zum christlichen Trinitätsdogma trat, mußte der Streit um die
ses Dogma zugleich zu einem eminent politischen Kampf werden.
Denn war der Monotheismus, der Begriff der göttlichen Monarchie
in dem Sinne, wie ihn Eusebius formuliert hatte, theologisch nicht
zu halten, dann war auch die Kontinuität des römischen Kaisertums
nicht zu halten, dann konnten Konstantin oder seine Nachfolger
nicht mehr als Verwirklicher des von Augustus prinzipiell Begrün
deten angesehen werden. Dann war aber auch die Einheit des in sei
ner Mehrheit noch heidnischen Imperium Romanum bedroht. Das
Christentum mußte dann als >>Aufstand« in der metaphysischen wie
in der politischen Ordnung offenbar werden, ganz wie das Celsus
vorausgesagt hatte. Man begreift, daß es ein dringendes politisches
Interesse war, das die Kaiser zunächst auf die Seite der Arianer
trieb, und daß andrerseits die Arianer die Theologen des byzan
tinischen Hofes werden mußten. Die orthodoxe Trinitätslehre
bedrohte in der Tat die politische Theologie des Imperium Roma
num.
Man hat auch nach den Arianischen Streitigkeiten nicht aufgehört,
von der göttlichen Monarchie zu reden163, aber der Ausdruck ver
liert mit dem orthodoxen Dogma seinen politisch-theologischen
Charakter. Gregor von Nazianz hat ihm seine letzte theologische
Tiefe gegeben, wenn er in seiner driclten Theologischen Rede aus
führt164, es gäbe drei letzte Meinungen von Gott: Die Anarchie, die
Polyarchie und die Monarchie. Die beiden ersten Annahmen ver
legten Unordnung und Aufruhr in Gott und letzthin Auflösung.
Die Christen dagegen bekennten sich zur Monarchie Gottes. Frei
lich nicht zur Monarchie einer einzigen Person in der Gottheit,
denn diese trage den Keim des Zwiespaltes in sich, sondern zu einer
58 THEOLOGISCHE TRAKTATE 1031104
Anmerkungen
zur Aristotelischen Physik wiederholt [I 250, 26; 256, 21; II 1254, 14 Berliner
Ausgabe] auf den Schluß Bezug nimmt.
Alexander v. Aphrodisias umschreibt den Metaphysik-Text des Aristoteles fol
gendermaßen. Die noA.uapxla ist Ct'tCL�lo,. Da nun aber: 'tCt t<P' l'J�-ttv un'
<:XUflA.wv cruvepyOÜI-l€VCL ou KaKw; noA.neuetat <'LU' <:'Lplcrtro;, OUK iiv eiev
CtPX.Ul 1tOMai. ou yap ayaBOv 1tOAUKOtpavl", UM el; Kolpavo;, �-tla apxfl,
et:; Be6; ecru [ed. Wendland p. 721, 28 ff.]. Syrian Stellt in seinem Kommentar
die Frage, ob die Horen neben Zeus als eigene apxal zu gelten haben, er ver
neint sie unter Hinweis auf die Horner-Stelle [S. 194, 9].
4 enetcroouboT]; J\ 10, 1076 a 1 und N 1090 b 19. Vergleiche Theophrast, Meta
physica 4 a 14: J.l.1) en EtcrootU>oe; 'tO 1tdV ed. Ross-Forbes S. 2, 14.
5 Die Erneuerung der Aristotelischen Lehrschriften durch Andronikos erfolgt
im I. Jahrhundert v. Chr.
6 Arisotelis
t de mundo ed. Lorimer [Nouvelle collection de Textes et Docu
mems publiee Sous Je patronage de l'Association Bude]. Zum Verständnis der
Schrift ist wichtig: W. Capelle, Die Schrift von der Welt. Leipzig 1905.
7 Die Frage, ob die Schrift von der Welt mit Poseidonios zusammenhängt, so
z. B. P. Wendland, Philos Schrift über die Vorsehung [Berlin 1892) S. 1 0, 2; W.
Capelle, Die Schrift von der Welt passim; Ed. Norden Agnostos Theos 1 9 1 3 S.
26, siehe aber K. Reinhardt, Kosmos und Sympathie S. 151 A 3 [»Das Vorkom
men in nept K6crJ.iOU bedeutet keinerlei Gewähr, daß etwas Poseidonisch
ist.«] I und ders., Poseidonios [München 1921] S. 174f., mag hier außer Be
tracht bleiben.
8 Es wäre lehrreich, einmal ohne den Blick auf Abhängigkeitsfragen zu konzen
stoteles] wird weder dadurch hergestellt, daß er sie durchdringt, noch so, daß er
die Gesamtheit ihrer Formen als intelligible Welt in sich hegt, wie man gemeint
hat, sondern die Weit »hängt« [flp-crp:a.t] an ihm: er ist ihre Einheit, obgleich er
nicht in ihr ist.« In dem Bild vom Persischen Großkönig kommt einseitig zum
Ausdruck, daß Gott nicht in der Welt ist, darum muß das Bild vom Marionet
tenspieler noch hinzugenommen werden.
14
Hat nicht Aristoteles in der Formulierung seines monarchischen Ideales in
nerhalb der metaphysischen Ordnung die Vorentscheidung für die Prä_gung der
hellenistischen Monarchie durch Alexander den Großen getroffen? Uber den
»Symbolischen« Zusammenhang zwischenAristoteles und Alexander dem Gro
ßen vergleiche Jaeger a.a.O. S. 1 2 1 .
11
Zur Gegenoberstellung von ßa.crtA.eut; und OT]J..Ll01lpy6t; bei Numenius siehe
den ausgezeichneten Aufsatz von H. Ch. Puech in Melanges Bidez [ An =
stitut. apost. VIII 1 1 , 2 ö.vapxe, J..LOVa.pxe P. Berol. Nr. 13415 siehe C. Schmidt
in Neutestamentl. Studien für G. Heinrici [Leipzig 1914] S. 68 �t6V[CtPXE Ö.yte).
Unbekanntes altgnostisches Werk in Koptisch-Gnostische Schriften herausge
geben von C. Schmidt S. 359, 13. Über die Gebetsanrede 1-l-ÜVO.PXE hat Suitbert
Beckmann, Die Gottesanrede im Ante-Sanctus, Diss. theol. Münster 1932 nicht
gehandelt.
21 Zauber Papyrus V. VIII 17 Dieterich p. 809 KO.'tCt "EA.A.T]Vett; · 6 nuv-crov 1-lOV
a.pxoc; ßa.mA.euc;. Ägyptisch <'tKolj bedeutet: einziger Herrscher [Z. P. VII Z.
591 f.] siehe Schmidt Götting. Gel. Anz. 1934 p. 178, vgl. auch den Namen des
Gottes nVEßouät; der einzige Herr s. Preisigke, Sammetbuch I 172.
=
22 Das Wort l..LOvapxia. ist häufig bei Euripides, findet sich aber auch bei Aristo
wähnt: Gregor von Nazianz, Hymnus auf Christus Z. 1 �e 'tOV ö.q>St'tOV !.tO·
vapx.TJv [Anthologia graeca carminum christianorum ed. Christ-Paranikas,
Leipzig 1871 S. 23] und daselbst Z. 25 f. Tpuxocd,;<.Umx.v tp& cre. ·�va KUt !!6vov
j.lOV0.PXTJV.
24 'tpem:eov o' enL 'tOU� Ka'tU !!EPO� i']ÖT] VOt.LOI)� Kai np<il'tOI)�, uq>' rov ä:pxe
crSat KaMv, 'tOU� nepl. J.l.OVapxta� optcrSevta�.
2' Ähnlich die Überschriftartige Inhaltsangabe des 1 . Gebotes in De decal. 5 1 :
önep Bll€/,A,ev el; Cl.1tUV't(!)V 't&V &.A.'J...rov l.epö.crSal tur; unep 1'00 yevou� 't<'.UV av
Sp0)1t(!)\l ud 1t0lT]O'O!i€VOV eux�. J. Heinemann, Phiions griechische und jüdi
sche Bildung, Breslau 1932, spricht angesichts dieser Texte vom »jüdischen
Se!b'stgefühl«, aber damit wird das dahinter stehende Problem psychologisiert
und moralisiert. Dieses »jüdische Selbstgefühl« hat in der Umbildung des Got
tesbegriffes in eine kosmische »Monarchie« seine letzte Wurzel.
28 Dieses »Selbstgefühl<< des hellenistischen Juden, der sich zutraut, »ein Führer
der Blinden zu sein, ein Licht in der Finsternis, ein Erzieher der Unweisen, ein
Lehrer der Unmündigen« [Übersetzung von Lietzmann], scheint mir der hl.
Paulus in Röm. 2,19 zu bekämpfen. Vergleiche auch Ed. Norden, Agnostos
Theos S. 296 f., der den hellenistischen Charakter der eben zitierten pl)O'El� her
vorhebt.
29 Es scheint nicht m öglich zu sein, in der Überlieferung immer deutlich zu un
nO.vtwv &ßouAÖ't<tTO� &v Kai <'.töt.:wt<ttO<, u3w. Philo, De decal. 6 1 . Etwa3 an
ders ist das Bild in Philos Schrift von der Vorsehung gebraucht: Die Menschen
dringen meist nicht bis zum König, dem voo�vor, sondern bleiben bei den Tür
hütern, d. h. den äußeren Gütern stehen. [Siehe den Text bei Euseb Praep. ev.
VIII 14. Patrol. Gr. 2 1 Sp. 657, vgl. P. Wendland, Philos Schrift von der Vorse
hl.\ng, Berlin 1892 $. 53 und 92.]
n YnoouxKovo� bei Philo, De spec. leg. I 66. 1 1 6 . III 201 (neben \l1tl)f'E'f1l�l
spnlnglich die eioayy€4t�, die an den np6.supa des himmlischen Hofes sich
befinden und von denen Maxim. Tyr. XI 12 S. 145,5 Hobein spricht. Aus der
hohen Hofcharge am Perser- und Ptolemäer-Hof [s. Liddell-Scott s. v. eloay
yeA.eu�) sind dann einfache nuA.ropol geworden. Die Hofcharge des der-andarj
bedh (organisateur de Ia »Porte« [vielleicht - maltre des ceremonies?]) ist be
zeugt. Siehe Christensen, L'empire des Sassanides a.a.O. S. 40.
3• Unklarer 3 1 : Gott toü npEaßutO.tou Kat nO.vtrov altlou. Das Schwanken in
der sprachlichen Formulierung hängt sowohl mit der Quellenbenutzung als
auch mit Philos Unklarheiten im Schöpfungsbegriff zusammen.
31 Man hat öfter gemeint, die »Schrift von der Welt« sei von einem hellenisti
schen Juden verfaßt, resp. unter jüdischem Einfluß geschrieben worden [siehe
z. B. auch Lagrange, Revue Thomiste N. S. X S. 201 sq.]. Aber ich glaube, daß
kem hellenistischer Jude im Zusammenhang mit dem Bilde vom Götterkönig
und semen Beamten die Polem1k gegen den Kult vieler Götter unterlassen hätte,
wie wir sie z. B. bei Philo finden.
36 Die sprachliche Formulierung der Polemik macht den Eindruck, als ob sie an
kyni�chen Mustern gelernt sei, zumal, wenn umere Vermutung richtig ist [siehe
Anmerkung 33), daß aus der hohen Hofcharge der eiaayyeA.er� die niedrigen
nuA.ropol geworden sind.
37Red� 43, 15: &a-r€ Kai 3€&v öcra <pOA.t.t <inoppm)v tfi<;Ato<; tOO nO.vtwv na
tpo� ouv<lJl&ro� liKacrtallxEt (S. 343, I f. Keil). Dazu Amann, Die Zeusrede des
Ailios Aristeides [Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft H. 12], Stutt
gart 1931 S. 75. In 43, 1 7 faßt Aelius Aristides die Tätigkeit der anderen Götter
als eine von Zeus übertragene I Verwaltungstätigkeit auf. Zeus npoeöplav !lSV
Kai cipxu� Kat npoa-racrla� 5i5roat .Scot� [S. 343, 16f. Keil]. Wenn Celsus
�a!!t ""'ahneheinlieh sind d1e Teile der Erde von Anfang an die emen diesen,
·
40 De virtut. 179.
41 De decal. 155.
42 De fuga et inv. 10. De decal. 155. De opif. m. 171.
4} Olvoov �<pacrav tA.$6vta nav-ra OtUKO<JJ.l"i'jcrat TI]v e� 6:tA.0Kpa-rLw; &v "tO�
oucrtv Ut�Lav eir; apxfir; vo�l).I.OU, ßacrtA.elar;, tCx.�lV ayay6v-ra. Für Zeus =
voür; s. Maxim. Tyr. Or. IV 8 (S. 50,3 f. Hobein]. Diog. Laert. VIII 135 [Posei
donios]; Porphyrios nept ayaA.).I.ätrov fr. 3 Bidez S. 3, 8; Seneca N. Qu. II 45
Siehe auch P. Wendland, Philos Schrift
[Iovern ... animum ac spiritum mundi].
über die Vorsehung, Berlin 1892 S. 10f. Anm. 2.
44 �ovapxLar; aA.1)Soür; e1:at:por;.
45 Man denke an die Bedeutung der lcr6't1)r;-Lehre für Philo. I
46 elr; 'tcl�lV UÜ1:() ijyayev EK tfjr; ata�lar;, l)y1)crCx.).I.€VOr; ttÜtO 'tOUtOU naV'tror;
<i�etvov.
41 E. Brehier, Les idees philosophiques et religieuses de Philon, 2 ed. Paris 1925
S . 33 Anm. 7 verweist zu dieser Stelle auf Moret, Caractere religieux de la roy
aute pharaonique. Paris 1902 S. 297: »le roi egyptien est au meme titre que le dieu
un createur« aber ich glaube nicht, daß Philo etwas von diesen Zusammenhän
gen gewußt hat. W. Weber, Der Prophet und sein Gott, Leipzig 1925 S. 155 ff.,
meint, daß der Abschnitt, in dem sich diese Wendung findet, ein von Philo über
nommener Hymnus auf Augustus sei.- Nicht politisch ist die Formulierung des
Schöpfungsaktes in De spec. leg. IV 187: -ra yap J.I.TJ övta &KaA.11 cr€v eir; --co
€tvm, t�LV e� a'ta�lac; (vgl. auch De plantatione 3 und De Somn. I 241). Das
entspricht Platonischer Tradition, vgl. z. B. Albinos, Eisagoge c. 13 S.
167, 12 ff. : ilv [ ÖAfJV] ataK't().)c; K(J.l MfJJ.I.J.LilAUlr; KLVOUJ.LEVT)V npo tfjc; oüpa
=
voo yev€oeror; EK -rfJc; U't�lac; nttpaA.ußcbv npoc; TI]v aplo'tT)V ftyaye 't�lV.
Vergleichbar mit Philos politischer Interpretation der Schöpfung sind dagegen
vielleicht die Ausührungen
f des Celsus bei Origenes VI 212 [ = S . 49, 1 ff.
Glöckner S. 94 Keim].
=
magnoque aeterna parantur regna des i caelumqtte suo servire Tonanti non nisi sae
vorum potuit post bel/.a Gigantum, iam nihil, o superi, qtterimur. Siehe Sieveking
a.a.O. S. 51 A. 1 . Man kann auch an Martial VIII 49, 1 ff. erinnern, wo die Be
wirtung des Volkes durch den Kaiser nach der siegreichen Beendigung des Sar
matenkrieges mit dem Siegesmahl des Zeus nach der Besiegung der Giganten in
Parallele gesetzt wird, oder an Horatius, Carmina III 1, 5 ff. Bekannt ist end
lich, wie in der Inschrift von Rosette die Tätigkeit Ptolemaeus V. mit den Taten
der Götter parallelisiert wird, nur daß hier die Bezugnahme auf den griechi-
1 1 5 11161117 DER MONOTHEISMUS 65
sehen Mythus fehlt. [Die Rosettana steht bei Dittenberger, Orientis graeci in
scriptiones selectae I nr. 90.]
52 Vgl. Hesiod Theog. 96 {x 08 ßu)<; ßacnA.f\E<;. Die römische Kaiserzeit hat
1932 S. 55. Ders. Poseidonios I S. 126 ff. II 308ff., Wendland, Jhrb.f. klass.
Philol. Suppl. XXI 707, 1., G. Rudberg, Forschungen zu Poseidonios 1918 S.
194.
s. Nach Tracy [Yale Classical Studies I 247) im 2. Jahrhundert v. Chr. entstan
den.
ss
Dio ChrysostOm. XIJ 22: KOLVO<; avSpümoov Kat �kwv ßacn.Ael>c; 't8 Kai
ä.pxoov Kai np(n:avtc; Kai naritp, lln 5t K<:ti. etpi]Vll <; Kai 7tOASJ.LOU taJ.Üet<;.
56 Ael. Aristides Or. 43,29 [S. 346, 20 ff. Keil): OÖ'tO<; [Zeus] ä.n6.V1:oov eüep
yec11<; Keti npocrtä.-c11c; Keti. !l<popoc;, oöwc; np61:avtc; Kat f}ye!i&v Kett t<:tJ.llt�.
Amann, Die Zeusrede des Ailios Aristeides S. 163 sagt mit Recht: »Da der Kos
mos häufig mit einer Polis verglichen wird, so passen diese Namen für den ober
sten Leiter, dem alles zusteht.«
563 Man kann den Plural oUVCt!lEtc; nicht, wie Grundmann, Artikel oUVCtJ.ltc; in Kit
des Athenischen Demos vergleicht. Damit mag zum Ausdruck gelangen, daß
dem Zeus sowohl Herrschaft wie Regierung zukommen, während die Stoiker
Gottes Tätigkeit vielfach auf die Verwaltung einschränken, so daß Gott dann
mit dem v6!J.O� der Polis identifiziert werden kann. Besonders lehrreich: Epictet
Dissert. I 12, 7, vgl. auch P. Wendland, Philos Schrift von der Vorsehung S. 72.
Daß endlich der König von der Polis >>geehrt« wird und daß dementsprechend
auch die Ehrentitulatur der Polis auf den »Weltkönig« [Gott] übertragen wer
den kann, hängt mit dem, staatsrechtlich angesehen, föderativen Charakter der
hellenistischen Monarchie zusammen, wofür man das Buch von Paola Zancan,
Il monarcato Ellenistico nei suoi elementi federativi [R. Univ. di Padova. Pub
blicazioni della facoltä di lettere e filosofia vol. VII], Cedam 1934, wird verglei
chen können.
m Man darf wohl: 11epi IJ.OVapxta� . . . Kai npovoia� �T)-rl]cre�� als zusammen
nem ähnlichen Verhältnis wie der jüdische ö�öacrKaA-o� [Philo] zur cmvayroril
gestanden hat. Daß die »Schulen« dieser ÖtÖUcrKaA.oaein »privaten« Cha.rakter
gehabt hätten, wie z. B. D. van den Eynde, Les normes de l'enseignement chre
tien. Dissert. Löwen 1933 S. 61 anz.unehmen scheint, glaube ich nicht, darum
brauchen diese »Lehrer« aber andererseits noch nicht kirchliche »Beamte« ge
wesen zu sein. Vielleicht ist ihnen je nach Ort und Verhältnissen der Prosely
ten- resp. Taufunterricht ganz oder zum Teil überlassen worden. Von der hier
vertretenen Annahme aus kann die spätere Stellung des OtÖacrKaA.o�, wie sie
z. B. in Jerusalem nachweisbar ist, s. K. Jüssen, Die dogmatischen Anschauun
gen des Hesychius von Jerusalem I [Münster 1931] S. 7, begreiflich werden.
;9 nept Seoo !J.OVapxla.c;, i'Jv Ot) 1J.6VOV BK 't<l>V na.p' TJIJ.lV ypa<j><l>V, aM.n KCtl.
't<iiV 'EMTJVtKUlV crUVl<JTTJOlV ßtßA.irov.
60 Ich halte nicht alle die Einwände, mit denen man die in Ms. Parisinus 450 er
haltene Schrift dem Justin abzusprechen pflegt, für durchschlagend. Wenn z. B.
Aime Puech, Histoire de Ia Iitterature grecque chretienne Bd. lJ I [Paris 1928 S.
223], aus dem Stil der Einleitung und des Schlusses folgern möchte, daß die
Schrift dem Justin abzusprechen sei, so möchte ich einwenden, daß man bei die
ser Art von »Schulschriften«, in denen wenig Originelles sich zu finden pflegt,
mit stilistischen Kriterien zu keinen sicheren Ergebnissen kommen kann.
61 Über den Ps. Hekataios siehe Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes III 3
S. 433 und 461.
62 \>�J-e
t�, w "EtJ,..,vc� ... ri]v nof.uKotpuvi1')v �J.äA.A.ov 1"1nep ri)v !J.Ovapxla.v
i>/;1')<JKTjcru-rE Ka.Sc.mep l.crxupot� vo!J.t�ovTe� [tot�] öui!J.Ocrw KettCtKOM)I}Hetv.
Die Prädizierung der »OCtlf.LOVE�<< als lcrx,upol soll doch wohl den apxl]-Cha
rakter der heidnischen Götter zum Ausdruck bringen.
12111221123 DER MONOTHEISMUS 67
63 Dagegen wird bei Zacharias von Mytilene in der Disputatio de mundi opifi
cio, Migne, Pauol. Gr. 85 Sp. 1053 der Vers aus der Ilias gegen den Neuplato
nischen Dualismus ausgespielt. Der Vers wird in die philosophische Literatur
gelangt sein, weil er schon vorher traditionelles Zitat in der rhetorischen und
staatsrechtlichen Literatur war. Bei Johannes Stobaeus ed. W. H. IV S. 239
steht er als Beweisstelle für das Thema: ön KUML<n:ov 1') !!Ova,pxiu. - Celsus
führt den Vers an, um die Christen zum Gehorsam gegen den Kaiset aufzufor
dern [Origen. c. Celsum VIII 68]. In einer griechischen Inschrift aus .Ä.gypten
heißt es: Et<; KUtcra,p, !!EYU<; UÜtOKpatrop, d<; Külpuvo<; ecr-tro usw. Milne,
Greek inscriptions nr. 9267, vgl. Journ. Hell. Stud. 1901 S. 286 und Arch. f. Pa
pyrusforschung II S. 568 f. nr. 142. (Siehe auch G. v. Manteuffel, De opusculis
graecis usw. Warschau 1930 S. 8.) Homer wurde in den Reden auf Könige stets
angeführt. Siehe die Ttx.Vll des Dionys. Hai. II 1, VIII 4, I I Usener-Raderm.
Vergleiche auch: Mitteilungen aus der Papyrussammlung der Staatsbibliothek
in Wien Bd. I S. 119. Übrigens zielt nach Nilsson, Das Homerische Königrum
[Sitzungsber. Berliner Akad. 1927] S. 27 der Vers auf das Oberkommando in
der Heeresleitung. - Der Iliasvers spielt auch in der mittelalterlichen Auseinan
dersetlzung zwischen Kaiser und Papst eine Rolle, siehe M. Grabmann, Studien
über den Einfluß der aristotelischen Philosophie auf die mittelalterlichen Theo
rien über das Verhältnis von Kirche und Staat [Sitzungsber. Akad. München
1934 H. 2] S. 105. 114. 118. 1 2 1 . In Dantes Monarchia I 10 [ed. Bertalot, Flo
renz 1920 S. 21, 19 f.] wird er als ein Wort des Aristoteles zitiert.
64 Leid, Bibliothek der Kirchenväter S. 29 übersetzt �ovup:,r.la mit »Absolut
heit«.
6; Vergleiche III 7 m.a't(J)V öt, 6 -tOcrUÜt(l, etnrov nepl �ovupx.tu� Seoo KU(
68 Vergleiche n 35. Alle Propheten sprechen: nepl te j.lOVUPXla<; Seoü KUl tfjc;
273. - Zur Schrift des Theophilus gegen Markion siehe Harnack daselbst S.
315
10
In Theophilus ad Autolycum II 25 hat Harnack a.a.O. S. 318. A. 3 ebenfalls
eine polemische Bezugnahme auf die »Antithesen« des Markion gefunden.
11 Auch Fr. Loofs, Theophilus von Antiochien, Leipzig 1930, S. 74, nimmt an,
daß die Schrift gegen Markion vor der Apologie geschrieben ist.
72 Zu untersuchen wäre noch, wieweit die Wiedergabe Markionit ischer Lehren
in den Ps. Clementinen auf die gegen Markion gerichtete Schrift des Theophi
lus von Antiochien zurückgeht. Ich glaube, daß z. B. Ps. Clem. Hom. 16,6
[Lagarde S. 1 52], in denen die Mehrzahl der Götter auf den Sündenfall zurück
geführt wird [Z. 20 f. Adam und Eva werden »wie einer von uns«; Genes. 3, 22],
literarisch auf die verlorene Schrift des Theophilus gegen Markion zurück
weist. Erst die Stelle aus den Ps. Clementinen macht uns eigendich die kurze
Andeutung in Ad Autolyc. II 28 begreiflich. Wenn dann aber weiter in Ps.
Clem. Hom. 16, 1 2 die Schöpfung des Men sehen durch den einen Gott mit der
Sophia Gottes in Zusammenhang gebracht wird, die immer bei Gott war und
»wie eine Hand ausgestreckt wird, um das All zu schaffen«, so ist sowohl diese
Sophia-Lehre wie auch der andere Gedanke, daß die Sophia die »Hand<< Gottes
sei, als charakteristisches Eigentum des Theophilos [siehe Loofs a.a.O. S. 46
und S. 51 mit Anm. 6] zu erkennen. Unter diesen Umständen ware zu überle
gen, ob nicht auch das Schlagwort j.t.Ovupx.la in Ps. Clementinen 1 6 auf Theo-
68 ANMERKUNGEN 12111221123
sen, daß das Wort - auch bei Tertullian - nicht eigendich ein Ketzername, son
dern nur eine ironische Wendung ist.
76 Adv. Praxean c. 7 S. 236, 21 Kr.
77 Siehe auch Alex. Beck, Römisches Recht bei Tertullian und Cyprian [ =
L U<; , 'tOÜ<; Öe
crVJ::a.; <JUY'feVE<J'tClTOU<;, 0 V.O'tpa1tE�OU<; aÖ'tOÜ<; Kai <JUVe CJ'tO
-cou-crov unT]pe-,;w;, -coü<; öe e'tt -cou-crov Ka'taöescr'tepou<; (Hobein S. 155, 3 ff.].
8'Ön .Sec<; e� nuV'trov ßacri.Aeü<;, Kat na't'ijp, Kai. .Seot noUot, .Seoo natös<;,
Ursprungs ist, wie Geffcken, Zwei griechische Apologeten, Leipzig 1907 S. 186
A. 2, vermeinte. Heinemann, Poseidonios' metaphysische Schriften [Breslau
1921 J I S. 128 Anm. 1, gibt zu, daß das Bild »einem Peripatetiker zuzutrauen<<
se1.
a) Orosius, Adv. paganos VI I, 3 non se plures deos sequi, sed sub uno deo magno,
plures ministros venerari .fatentur.
b] Konstantinos Diakones, der ein interessantes Enkomi um auf die Märtyrer
verfaßt hat, läßt die Heiden sagen: Kai. nnp' fJf.LiV ... tv Ötntpl:cret npocr<lmrov
J.tlU .Se61:11<; yvropt�E'tat. Patrol. Gr. 88 Sp. 501 C.
c] Pachomii Vitae ed Haikin S. 161, !Off.
d) Arnobius, Adv. nationes I 28, III 2-3, VII 35.
e] Athanasius ? De diabolo: Die Heiden tnayyt/.A.ovtat l .Seov KO.i. .Seou<;
Uourn. Theol. Stud. XXXVI 1935 S. 9, 37), die Götter: oiKetot, q>T]crl, 'tOO
.Seoo S. 9, 20f.
8' R. Heinze, Tertullians Apologeticum [Sitzungsber. Sächs. Ges. d. Wissensch.
1910 Bd. 62), hat auf eine Parallele bei Seneca hingewiesen [S. 348 A. 1]. Ver
gleiche auch die Anmerkung in der Ausgabe des Apol ogeticum von J. Martin,
Bonn 1933 [Florilegium PatriSticum VI] S. 104.
90 Die Götter als »Satrapen<< bezeichnet: Philo, De decal. 61; Aelius Aristides,
El<; t.ta 18 S. 343, 26 (Keil]; Celsus a.a.O.; Mich. Psellus in Cat. ms. alchim. VI
S. 185, 4. 9 (s. auch S. 179].
91 0eoü no.tÖE<; Kat q>tlcOL Maxim. Tyc XI 12 a S. 144, 4 Hob.; Athanasius? De
Aty ro ol') ij unu-ccp Tl tnO:.pxcp f) xtl.t6:.PXQl i1 f:tl:pcp nvt ... OÜ't(l)<; ... 'tÖ .Seoü
ÖVOf.LU etepcp öo.Sfivat OÜK i\�ecrnv. Die Formulierung in den Ps. Clementinen
berührt sich sachlich auffallend stark. mit Tertullian. Etwas different sind: Am
brosiaster zu Röm. I , 22. Die Heiden sagen, man könne durch die Götter zu
70 ANMERKUNGEN 12411251126
C.ott kommen, SICIIt per comites pervenitur ad regem. Age, numquid tam demens I
est aliquis, aut salutis suae immemor, ut honorificentiam regis vindicet comiti [Pa
trol. Lat. 17 Sp. 60). Ferner: Ps. Augustinus, Quaestiones Vet. et N. Test. 1 14, 2
[S. 304 Souter) ad contumeliam pertinet cot1ditoris, ut contempto domino colantur
servi et spreto imperatore adorentur comites [vgl. auch 1 13, 9 S. 307, 1 7 f.; 45, 1 S.
8 1 , 2 4 ff.]. Lactantius, Div. lnstit. II 16,7.- Siehe Fr. Cumont, in Monuments
Piot XXVI 1923 S. 30 sq ; derselbe: Les religions orientales • [1929) S. 299.
Geffcken, Zwei griechische Apologeten S. 186. 1 9 1 . 241. 251. 276 293. 297. J.
Bidez, La cite du monde 1932 S. 8 und Anm. 1 .
'5 Man lese einmal in Th. Mommsens Abriß des römischen StaatSrechts' [1907)
S. 201 ff. die Darlegungen über die sekundllre Mitherrschaft, um die theologi
sche Unmöglichkeit der Konstruktion von Tertullian zu erkennen.
'6 Es ist bemerkenswert, daß der Manichäer Faustus dem hl. Augustin entge
genhält, Juden und Christen hätten ihren Monarchie-Begriff von den Heiden
übernommen. [Augustinus c. Fausr. XX 4 S 538, 4. 15.) Augustinus leugnet das,
fUgt aber hinzu, die Heiden hätten die Erkenntnis eines einzigen Gones nicht
vollständig verloren [XX 19 S . 559, 20 ff.]. Das ist eine sehr interessante Dis
kussion. Vermutlich hat Faustus den gegen die Katholiken erhobenen Vorwurf
aus älterer Tradition übernommen. In den Acta Archelai sagt Mani: »Ego duas
naturas esse dico, unam bonam et alteram malam ... Si enim dicimus mon.archiam
1mius naturae et omnia dewn replere et null14m esse extraneum locum, quis erit crea
wrae susceptor?[c. XVI S. 26]. Die Stelle beweist, daß die »monarchia« ein alter
Streitpunkt zwischen Katholiken und Manichäern gewesen ist; dabei ist andrer
seits doch sowohl bei den Manichäern [man denke an das Carmen Armawrium
bei Augustinus Comra Faustum XV 5 u. a. Stellen) wie bei den Mandäern der
Hof I des ,.Licht-Königs« in einer Weise geschildert, daß man an den Hof des
Persischen »Großkönigs« sich erinnert fuhlt. Daß übrigens die Idee eines himm
lischen Hofstaates Gottes nicht literarisch-griechischen Ursprungs ist, sondern
in Persien wirklich bekannt war, dafür ist Mazdak ein Zeuge, der nach Schah
rastani [Übersetzung Haarbrücker. I S. 292) sich Gott auf einem Thron sitzend
vorstellte, nach Art des Perserkönigs. Die vier höchsten Würdenträger, die am
Thron des Perserkönigs stehen, befinden sich auch im Himmel Vgl. A. Chri
stensen, L'empire des Sassanides (Memoires de l'academie de Copenhague 7m<
serie, Section des Ieures t I nr. 1 ]. Kopenhagen 1907 S. 3 1 . Bekannt ist ja auch,
daß die sechs Amesha-Spentas als Veziere des höchsten Königs figurieren, s . A.
V. Williams jackson, Zoroastrian Studtes. New York 1928 S. 42.
�7 Zeller, Philosophie der Griechen III 2, 3. Auflage S. 1 1 6 , 4. Auflage S. 123.
�8 Harnack hat den ?ur Verhandlung stehenden Text in setne Sammlung der
�t:'he, die K6p11 K6cr�ou des Hermes Trismegistos [bei johs. Stab. Anthol. I ed.
Wachsmuth S. 394, 1 3 . 2 1 . S. 395, 16. 397, 4. 403, 10. 407, 9]. Das Wort J.L6V
ttpxo; an diesen Stellen ist von J. Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistas S.
3 1 , nicht untersucht worden. Anders ist es dagegen wohl zu verstehen, wenn in
dem koptisch-gnosuschen Apocryphon Johannis das Unvesen als •eine J.LOV-
126'1271128 DER MONOTHEISMUS 71
man nicht mehreren Herren, sondern nur einem einzigen Hecrcn dienen durfe,
nicht nur von Bibelstellen wie Matth. 6, 24; I. Kor. 8, 6, sondern auch von dem
Ilias-Zitat: OUK aya3öv 1tOAUKOtpaViT), dc; Koipavoc; �O't(!) bedingt ist.
112 Fur den nat ionalen Charakter der jüdischen Religion I hat Celsus Worte der
Anerkennung [V 24). Indem die Juden aber an ihrem nationalen Kult festhal
ten, handeln sie nicht anders als andere Völker [mhpwv 8' ouv q>\lA.acrcrOV't€<;
Öi.J.OlCt 'tOte; ÜMOl<; uvBpwnotc; Öp(i)c:nV' Ö'tt EKCtO'tOl 'tel nchptc.t, Ö1t1J 1t0<' dv
'tUXlJ, 1tEpt&noucrw]. Der Begriff des na'tplOV in Verbindung mit der SpT)OKEla
und eucrtßEta bedürfte einer monographischen Behandlung, er spielt auch in
der Polemik des Porphyrius gegen die Christen eine gewichtige Rolle. Siehe
Fragm. nr 1 und 66 [Harnack]
m Diese besondere Wendung des Gedankens, auf den wir immer wieder gesto
ßen sind: Der höchste Gott herrscht, aber die nationalen Gottheiten regieren,
will sorgfältig überdacht werden.
11• Der politische Charakter der antichristliehen Polemiker im Altertum wird in
gt>meim, daß im Exzerpt des Ongene� 'ielleicht ein Satz des Celsus ausgefallen
sei. [Keim a.a.O. S. 139 A. 1.] Aber mir schei?,t, Celsus hat so abrupt-unwillig
formuliert, weil seine letzte »heidnische« I Uberzeugung einer Begrundung
nicht bedurfte. Miura-Stange, Celsu� und Origenes [Gießen 1926] , macht frei
lich aus Celsus einen »Monotheisten« [S. 114), während fur sie »die Gefühls
welt des Origenes polytheistisch orientiert« ist (S. 117, vgl. S. 1 1 9). Ich glaube,
daß man den Tatbestand nicht ärger mißverstehen konnte.
1 17 Es scheint, daß Celsus die sonst von Heiden gegenober den Christen erho
Gaisford) und Demonstr. evgl. II 2, 9 [S. 58, 12ff. Heickel), II 3, 38 (S. 67, 21
und 23); II 3, 157 (S. 88, 18ff.] besprochen. Er wird zu dem traditionellen
Schriftbeweis für die Berufung der Heiden und für die zweite Parusie Christi
gehören, noch Isidor von Sevilla in seiner Schrift: De fide catholica contra Ju
daeos II 1, 1 1 [Patrol. Lat. 83 Sp. 502 A] verwendetden Sophonias-Text in die
sem Sinne. Wieweit die bei Sophonias vorgetragene Lehre von der einen Spra
che, die nach dem Weltbrand alle sprechen werden [Hieronymus zu Sophon.
3, 9 kennt (ob im Anschluß an Origenes?) eine jüdische Meinung, wonach alle
hebräisch sprechen werden P. L. 25, Sp. 1444 A), mit iranischen Lehren zusam
menhängt, ist hier nicht zu erörtern. Bei F. Cumont, La fin du monde selon les
mages occidentaux. Revue de l'histoire des relig. t. CIII [1931) S. 63 wird [je
doch ohne Bezugnahme auf Sophonias] der Bericht des Theopomp [?] bei Plu
tarch, de Iside 47 über die iranische Lehre zitiert: [b. Weitende] 'tfj<; öt yfj<; tm
nßöou Kcd. Ü!laA:ijr; yevojli;VTJ<;, sva, ßlov Ka,l. !lia,v noA.rteia,v CtvSpü:mc.ov lla,Ka,
pic.ov K(l,t O!loyA.rocrcrc.ov yev ßcrSa,t Als Parallele führt Cumont aus dem Bunda
.
hish XXX 23 [$. 126] an: »All men become of one voice and administer loud
praise to Aiiharrnazd« [vgl. auch Carl Clemen, Die griechischen I und Iatein.
Nachrichten über die Persische Religion, Gießen 1920 S. 168], während H.
Windisch, Die Orakel des Hystaspes [Verhandelingen Akademie te Amster
dam . Afd.
• Letterkunde N. R. XXVIII, 3. 1929), S. 29 auf die mandäische Lite
ratur[Ginza S. 45, 30 f. Lidzbarski] verweist: »Alle werden in einer Rede und ei
ner Lobpreisung rufen, die ich in diese Welt gebracht habe, mit der sie preisen
sollen«, doch ist die Stelle im Ginza nicht klar.
119
Über die theologisch-politische Bedeutung der Sprachenverwirrung siehe
jetzt Anselm Stolz, »Theologie der Sprache« in Benediktinische Monatschrift
1935 S. l 2 1 ff.
120 Die Formulierung bei Origenes ist- wohl nicht ohne Absicht- sehr vorsich
tig gehalten (K(l,l 'tU?(.Cl, <iATJHU>t; <iöUVU'tOV �v 'tO 'tO\.OÜ'tO 'tOt<; iht €v crÜ)�(l,Ol,
oü llTJV CtouvCt'tOV 'tOt<; CtnoA.uHetmv ail't<llv, Kötschau Bd. II S. 290, 13 f.).
Wenn P. de Labriolle, La reaction pal·enne [Paris 1934] den Streitpunkt zwi
schen Celsus und Origenes folgendermaßen wiedergibt (S. 150]: »Cette unite,
Ce/se Ia considere comme une utopie: Origene croitfennement qu'elle estpossible et
qu'elle se realisera quelque jo1tr«, so ist dieses verkürzende Referat nicht nur
falsch, sondern auch geeignet, in der Gegenwart neue Mißverständnisse zu
schaffen.
121 Der griechische Text steht in Kötschaus Ausgabe S. 158, 2-20.
74 ANMERKUNGEN 13211331134
122 Siehe A. v. Ungern-Sternberg, Der Alttestamentliche Schriftbeweis »De
Christo« und »De Evangelio« in der Alten Kirche bis zur Zeit Eusebs von Cae
sarea. Halle 1913. passim.
1 23 Es ware nötig, die Stellung des Origenes zum politischen Leben darzustellen.
Das Buch von Guilelmo Massart, Societa e stato nel cristianesimo primitive. La
concecione di Origene, Padova 1932, ist ohne jeden Wert. Eine kurze Bemer
kung Uber den unpolitischen Charakter des Origenes findet sich bei P. de La
briolle, a.a.O. S. 169.
124
Zu diesem Thema vergleiche J. Geffcken, Zwei grielchische Apologeten S.
92 f. Hinzuzufügen wäre noch ein Hinweis auf Hippolyt zu Daniel IV 9 : bti
Aüyoücn:OI) Kaicrapoc; ysyEVVT)tal 6 KÜpwc;, acp' oÖnEp TtKf.l.UO'E 'tO 'tÖ)V
'Pw!laiwv ßacrlÄswv [S. 206, 1 1 f.]. Hippolyts knappe Formulierung entspricht
sachlich der Bemerkung Melitos, aber Melito ist rhetorischer. Wenn Ad. Har
nack, Reden und Aufsätze I, Gießen 1906 S. 305, meint, Melito sei von einer
Ehreninschrift für KaiserAugustus in Sardes [wie der in Priene und Halikarnaß
gefundenen] abhängig, so ist das natUrlieh unrichtig. Melito hat die rhetorische
Bildung gehabt wie die Verfasser von Kaiserinschriften. Kaisergeburtstagsre
den und Reden auf Rom waren selbstverständlich ein norwendiger Bestandteil
aller rhetorischen Bildung, speziell in K.leinasien. In den Confessiones VI 6, 9
sagt der hl. Augustin : »Quam ergo miser eram ... cum pararem recitare impera
tori Iaudes. <<
125 In seinem Mauhäus-Kommentar [zu Matth. 24, 37] hat Origenes ebenfalls
Ps. 7 1 , 7 zitiert und politisch interpretiert. Der Name des Augustus ist dort zwar
nicht direkt genannt, aber gedacht hat er an ihn [S. 69, 2 1 ff.]. Der Matthäus
Kommentar muß ungefähr in dieselbe Zeit wie die Schrift gegen Celsus fallen
[nach 244). Siehe die Notizen bei Euseb, Kirchengesch. 6, 36, 1-2.
126 Siehe v. Ungern-Sternberg a.a.O. passim. In den Eclogae propheticae I 8 S.
24,25 ff. Gaisford spricht Euseb ebenfalls über diesen Text.
12 7 Das Ausländerturn des Herodes wird ebenso Eclogae proph. S. 25, 20 und
auch sonst hervorgehoben. Derselbe Topos wird z. B. auch von Bar Hebraeus
in seiner Auslegung von Matth. 2, 1 vorausgesetzt: »wben tbe manifestation of
ou1· Lord approacbed, tbe sceptre bad departedfrom Judab, forasmucb as tbe king
dom bad passed awayfrom tbe fews, and tbe Gentiles beld sway over tbem« [Bar
Hebraeus Commentary on the gospels ed. Carr (Lond. 1925) S. 9). Der hl. Cy
rill von Alexandrien zitiert zu Luk. 2, 1 den üblichen Schrifttext Gen. l 49, 10,
hat aber keine eigentliche Augustus-Theologie (A commentary to S. Luke ed.
Payne Smith I S. 7. Vgl. auch den griech. Text Patrol. Gr. 72 Sp. 484). 1
128
In den Eclogae tritt der apologetische Gesichtspunkt mehr hervor, der »Be
weis« gegenüber den Juden, daß der Messias gekommen ist. >>oi)A.ov roc;
l;l.:ft/...l)$sv 6 ne1!pO<JHI't81)f.1.tvoc; :Ewn'tp T]l.l(i)V« [S. 25, 25 f.] Das ist natürlich die
ältere und traditionelle Betrachtungsweise.
129 Dieser Gesichtspunkt zum Verständnis des »Historikers<< Euseb wird mei
stens nicht beachtet; so hat z. B. Ad. Bauer in seiner Darstellung der jüdisch
christlichen Geschichtsschreibung [Vom Judentum zum Christentum, Leipzig
1917} kein Wort darüber gesagt.
130
In der Arbeit von P. J. Koets, L:l.8tO'lOatf.l.OVLa. A. contribution to the
knowledge of the religious terminology in Greek, Purmerend 1929, ist in der
Besprechung des Eusebianischen Sprachgebrauches [S. 91 f.] grade diese origi
nelle Formulierung nicht erwähnt, das Triviale dagegen registriert worden.
01 Ich bemerke nebenbei, daß die vorhergehenden Ausführungen VIII 3, 7 ihre
Parallele in V l 13, 18 haben, daß Euseb aber zwei verschiedene Quellen verar
beitet hat, wie die unterschiedliche Auslegung des Wortes >>KOIAaöEc;« beweist.
134/1351136 DER MONOTHEISMUS 75
330 d: evo� vnl)KOO. Myou TU tnL yfj� KO.t Jild� noA.m:(a� EVO. OijJ.l.OV av.Spro-
1!01)� äno.v-ra� ano<pfjVCtl ßouA.6J.l.€VO�. Konstantin verwirklicht also das Alex
ander dem Großen I vorschwebende Ziel. [Über das gleiche Ziel bei Caracalla s.
Stroux in Philologus 1933 S . 284 und Anm. 1 3 .)
m Ich führe folgende Stellen an:
a] Praeparatio evangelica I 4: cruv <ij nEpl. J.l.OVapxla� i::vo� -roü tnl. nO.vtrov
.Seoü npoßeßATJIJ.EVU ÖtÖO.oKaA.(q. o.inoü, OJ.l.OÜ Kai. -rfj� noA.unA.avoo� Ko.l. oat
JiOVtKf)� evepyeia�, OJ.l.OÜ Kai if)� 'TOOV e.Svoov noA.uapxl� tA.GO.Sepov K((
-racr'tijvo.t -ro 1:oov äv.Spronrov yi::vo�. P. Gr. 21 Sp. 37 A. Es folgt eine Schilde
rung der Menschheit, die unter den Kriegen leidet. Dann folgt die Weissagung
Jes. II 4 ff. Weiter heißt es: <lK6A.ou.So. 1:0.� npoppl]crecrtv E1tTJKOA.ou.Set 1:ä
epya, naoa IJ.EV ao'tiKo. nept1JpEI-ro noA.uaPXla, Aoyoucrtou Ka-ra -ro o.u1:6 't1j
-roO lro'tijpo� liJ.l.G>V trrupaveltt JiOVapxfJoav-ro� [das. C]. Seitdem, bis zum
heutigen Tage, gibt es Frieden unter den Völkern. Der Krieg hängt mit dem
Dämonenkult der Heiden zusammen [das.].
b] Hist. Eccl. I 5, 2 Christus wird unter Augustus geboren, als die nationalen
Dynastien aufgehört hatten. Herodes, der nUO<puA.o�, wird König der Juden [I
6, 1 f. s. besonders 4].
c] Syrische Theophanie II 76 S. 1 14 f. Gressmann. Allgemeiner Friede, seitdem
alle »den Einen Steuermann des Alls« bekennen [S. 144"', 34). Die Dämonen,
die Kriege lieben, verwirren nicht mehr die Städte [S. 1 1 5*, 1). Mit dem Aufhö
ren des Schicksalsglaubens hört auch der den Krieg bewirkende Zwang auf (S.
115'', 7 vgl. S. 1 14*, 9). In II 77 wird ausgeführt, wieviel Herrschaften vor dem
Erscheinen unseres Erlösers bestanden (S. l 1 5*f.]. In Buch III c. 1 heißt es:
»Der ganze Irrtum des Polytheismus wurde vernichtet, und aufgelöst wurden
auf der Stelle alle Werke der Dämonen. Fernerhin gab es nicht mehr (Stadt]vä
ter, Vielherrscher, Tyrannen und Volksregierungen.« Es gab keinen Krieg
mehr, »Sondern Ein Gott ward allen gepredigt, und Ein Königreich der Römer
erblühte allen, und zerstört wurde völlig die von Ewigkeit her friedlose und un
versöhnliche Feindschaft der Völker. Als aber die Kenntnis Eines Gottes allen I
Menschen überliefert war und Eine Sitte der Gerechtigkeit und Frömmigkeit
durch die Belehrung unseres Erlösers, existierte demgemäß auch Ein König zu ei
ner und derselben Zeit über das ganze Königreich der Römer, und tiefer Friede
umfing alles« (S. 126*]. Das Römerreich und die Kirche sind demgemäß »zwei
Blüten des Guten«, die wie auf einen Wink Gottes aufspraßten [S. 127"', 1].
d] Trizennatsrede c. 16. Die Völker waren zerteilt. Die Ursachen waren im po
lytheistischen Irrtum zu suchen [S. 249, 2]. Nach der Auferstehung Ch!isti OUK
€-r' i;crav 1:ono.pxiat Kai noA.uo.pxiat, -rupavvlOe� Te Kat OllJ.l.OKpatlat (S. 249,
7 f.]. Es gab keine Kriege mehr. $e6r; IJ.SV t� <dc;> d� nav1:a� SKT]pU't'te"tO tv ·
taurp c oe Kcd ßacrtA.ela Jila -rot� nä.mv Tj 'ProJ.l.Ctlrov tnl]v�el [Z. 9 ff.]. Zu glei
cher Zeit sproßten zwei ßA.acrTo( auf, die Herrschaft der Römerund die fromme
Lehre usw.
031 nptv ye -rTjv yf)v J.l.he.So� /,aßoOoav SK 1:G>v cruvtcr-raJ.l.evrov Kai <pepo
Ji{lvrov iopu�i'jval nro� au-rTjv KCtl -rot� äMo� tÖpUOlV tv UU'Tll KCÜ nepi o.u-ri)v
neplOXCtV. OÜ't(!) t(ÖV J.l.Cylmrov tv av.Spronmc; OUVU).U::WV Kai liYeJ.l.OVt(ÖV
76 ANMERKUNGEN 13611371138
Kenn 1:0x_a� tA.auvo).Ltvoov KCÜ crUJ.Lq>€PO I!tvoov \>no ·roo J.LT] otva Kpa-retv Se
ßoüA.ecr&n oe navt�, Ul!�xav o� ;;v T] q>op<i Kat nMVll KCd 1!€'tCXßo/,T) ndcra
nav-roov, J.L€X.PL OU 1:i)<; 'PWJ.LT]<; icrX,UV Kai aÜ�T]OW A.aßoÜcrT]<; Kai CtVaOTJOa
j.LEVT]<; 1:0Üto !!EV ESVT) Kai O�j.LOU� tv aÜ'tij, 1:0Ü't0 o' aUoq>uA.ouc; Kai otanov
-rlou� ßamA.toov f]')'Ej.LOVtac;, �opav ECfX,€ 'tCt !lEyl01:a Kai acrq>aA.etav, etc; KOO
!lOU eipT]Vll<; Kai EVa KÜKA.ov -n;c; 1lY€J.LOVlac; &n1:atcr1:ov nEptq>Epo).LtvT)c;,
nacrT]<; 11tv apE1:fj<; eyyavoJ.L€Vll<; -rote; taüta !!TJX.CXVll<JCXJ.LEVOt<;, noA/,fj<; oe
1:UX,T)<; cruvEA.SoUcrT]<;.
134 Es wäre noch zu untersuchen, ob die Zurückführung des Krieges auf die Dä
monen bei Eusebius nicht eine ganz bestimmte Dämonenlehre [etwa die des
Porphyrius] im Auge hat. - Zusammenhang zwischen Polytheismus und Krieg
auch bei Ps. Justin, Cohortatio ad Gr., P. Gr. 6, 273 C und in der Rede Konstan
tins S. 155, 15 Heickel (vgl. 157, 12}. Originell ist Lactanz, Div. instit. V 5 (siehe
auch Epirome 20, I ff.]: Polytheismus und I Krieg sind die Folgen des Aufruhrs
Jupiters gegen Saturn, das goldene Zeitalter unter Saturn, das damit ein Ende
fand, war monotheistisch und frei von Kriegen. In den Ps. Clem. Horn. IX 2 S.
198, 5 f. Dresse! heißt es: 1'l �V j.LOVapx.La Oj.LOVOtU<; ecrti nap EK1:tK� , T] o€ 1t0-
A.uapxta 1t0Ae!!OOV e�epyacrtlK�. Es wäre noch zu untersuchen, wieweit der To
pos, daß die göttliche Monarchie den Frieden garantiere, auf einen Topos der
antiken Rhetorik zurückgeht, wonach die [irdische] Monarchie Garantin des
Friedens ist.
m Der Gedanke, daß der Eine König auf Erden dem Einen König im Himmel
korrespondiert, ist eine Umbildung des alten Gedankens, wonach der König
Gott nachahmt. Siehe die Pythagoreer Diotogenes bei Stabaeus IV 7, 61 und
Sthenidas IV 7,63 [Wachsmuth S . 265 und 270]. Verglei che z;u diesem Gedan
ken Goodenough in Yale Classical Studies I 1928 [mir nicht zugänglich); Bay
nes in Melanges Bidez [Bruxelles 1934] Bd. I S. 1 3 sq.; Tarn, Alexander the
Great and the unity of mankind. London 1933 S. 8 ; Valdenberg in Byzantion t.
II (1925] S. 57. 62. 64;]. Heinemann, Phiions griechische und jüdische Bildung
S. I 87.S. 190A. l. 193ff. 195.198 undAnm.2;J. Kroli,Die Lehrendes Hermes
Trismegistos [Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters Bd. XII
2 bis 4] Münster 1928 S. 324.
u6 Wahrscheinlich ist auch die Formulierung des Gedankens bei Euseb, wonach
das Römische Reich den Aposteln den Zugang zu allen Nationen erleichtert
hätte (besonders deutlich in der Syrischen Theophanie S. 128'', 7 ff. Gress
mann], durch den rhetorischen Topos in den Enkomien auf Rom mitbestimmt,
nach welchem das Römische Reich die Freiheit des Verkehrs ermoglicht hätte.
Siehe z. B. Ael. Aristides Or. 26, 100 S. 121, 1 ff. Auch der weitere Gedanke des
Euseb, daß im Römerreich alle Eine Familie geworden sind (Syr. Theophanie S.
128*, 6], stammt aus der RhetOrik, vgl. W. Gernencz, Laudes Rolmae. Dissert.
phil. Roswck 1 9 1 8 S. 136, der auf S. 142 auch über den Topos handelt, daß das
Römerreich die Freiheit des Verkehrs [siehe auch H. Fuchs, Augustin und der
antike Friedensgedanke S. 197 Anm. 4) ermöglicht hätte. Der »Rhetoriker<< Eu
seb erforderte eine besondere Abhandlung. Die Schrift gegen Hierekles zeigt,
daß Euseb sogar die Sprache der zweiten Sophistik beherrscht.
137 Vergleiche auch H. Fuchs, August in und der antike Friedensgedanke. Berlin
1926 S. 162. 163 Anm.
llt Oü yap OtKoSev, ouot nap' ecx.utoO 1:0't€ 6 Aöyoucr-roc; 1:0 06y!let 1:0Ü't0 e�
biBj.L'lf€V, aA.A.a tOO Swo KlVOÜV1:0<; CtU'tOÜ 1:1'Jv 'lfUXflV, tva Ketl. Ö.KOOV Ü1t'tJP
etT]crC1:Ctl 'tij toü Movoyevoo; napoucri<,x.. Vergleiche auch Joh. Chrysost. in
Matthaeum Patrol. Gr. 57 Sp. 87: Kal. 6 AöyOI)<JtO� ÜnT]p€t€ltCtl tQi ev ßllS
A€€!1 tO KQ> ota tOÜ npocrtU)'j.LUtO\; 'tfi<; anoypaq>i i<;.
13811391140 DER MONOTHEISMUS 77
'19 Diodor zu Röm. 13, l bei K. Staab, Pauluskommentare aus der griechischen
Kirche (Neutestamentl. Abhandlungen Bd. XV Münster 1933) S. 107: 1'1 öt ye
tC:Ov 'ProJ.LO.lrov upxti Kat olKovoJ.Ücu; t�aLpttou napa toO Swo tetOXTJKEV.
).ltAAoVtO� yap tOO OOlTflpo� snupaivEcrSat tOt� uv3pchno�, J.llKpov npo
M:tßwv o Seo� eL� 01tTJpecrlav tautoO T'l'}v 'ProJ.l«'(Kl'Jv npocreßa.M.eto, 5t' ft�
TJJ.lEPOV Kai ElpTJVlKWtCpov tC:OV uv3pchnrov tOV ßlov Ka'ttOTTJOCV. tC:Ov j.ltv S1t'
alli]A.rov 1tOAeJ.lOlV anaAIJ.tl;a� CtOtO�, tOO<lOTT]V BE crxoA.Tjv 5o� TflC tau
mn kntyv<hof.ro�. Es folgen dann zwei Zitate aus Ps. 45,9 f. und I I . ave"-6vto�
tolvuv tOO 3eoo toö� cruv�:x�:r� noAtJlOU� Kai 56Vto� tm)ltl;lav n6A.ecrl te Kai
fSvEcrt 5u'.t to ti'i� eucreßoo� 1t0A.LTelCt� KTJPUYIJ.Ct, cruveropaKro� 0 an6crtoA.o�
T'l'}v O[KOVOJltCtV T'I'}V nept 'tCt� ߫crLAe((l�, napettVEl 01tOtUOOE03Ctt tat� SSOU
crlett�. tOO yap Seoo ta<;avto� a.üta� 'tO J.lll net3apx�:rv acrEßE� jlCta tOO Kal
tv tQ> na.p6vn ßiQ> cmKlv5uvov EXEW 'tl)v &.n6vma.v.
110 Theodoret in Daniel. c. 2 Patrol. Gr. 8 1 Sp. 1308 f. und besonders Jesaja
kommentar ed. Möhle S. 14,7 und 16 und S. 83, 32 ff.
111 Zitiert sei noch Titus von Bosua zu Lukas 2, I : cruVtptxet Tj J.lOvapxla tfi�
Yfl� TU tOO 56y)la•oc; COOEßEi�. I Ausgabe von Sickenherger in: Texte und Un
tersuchungen N. F. VI I Heft I (1901]. Gottes Vorsehung gegenüber den Rö
mern betont auch Cyrill von Alexandrien in seiner Schrift gegen Julian VII [Pa
trol. Gr. 76 Sp. 833 D]. In seinem Kommentar z.um Propheten Micha hat er die
Friedensweissagung auf den Frieden im Römerreich bezogen (Patrol. Gr. 71
Sp. 700 D bis 701 A], doch ohne vom Monotheismus zu sprechen. Derselbe Ge
sichtspunkt kehrt in seiner Auslegung von Jesaja 2, 4 wieder [Pauol. Gr. 70 Sp.
72/73]. Siehe ferner Ps. Joh. Chrysostomus (Patrol. Gr. 50 Sp. 795 und 799).
w B. Delbrück, Spätantike Kaiserporträts S. 15, meint, daß die in der bildenden
12. 15. 37. 38 noch Strack, Römische Reichspr1igung li 1 3 . 53. t04f. 106f.; Al
földi, ZeitSchrift für Numismatik 38, 1928, S. 197 ff.; ders. in 25 Jahre römisch
germanische Kommission S. 3 1 . 36; Gage in Mel. de l'ecole de Rome XLIX
1932 S. 8 1 f.; Rodenwaldt Archäol. Anz. 1931 S. 3 t 8 ff. 320f.; Hohl in Klio XI
S 22 I A. 3. Das Bild des Augustus als Vorbtld für Kaiser Heinrich II. s. Percy
Schramm in Vorträge der Bibliothek Warburg II 1 S. 148 A. 5.
,.. Siehe auch Prudentius, Peristeph. II 417 ff. [S. 3 1 1 in der Ausgabe von Berg
man].
••s Die rhet <?rische Einzehchilderung der Bürgerk(iege fehlt (vielleicht durch
Schuld der Überlieferung] in der Psalmenerkl!irung Eusebs, dagegen findet sie
sich ebenfalls in der Auslegung des hl. Hieronymus zu Micha 4, 2 [Patrol. Lat.
25 Sp. 1 1 88]. Man wird wohl kaum eine gemeinsame literarische Vorlage für
Ambrosius und Hieronymus [das wäre natürlich Origenes] anzunehmen haben,
vielmehr wird diese i:K<ppacr� der Bürgerkriege zur rhetorischen Tradiuon ge
hört haben.
Eine Beeinflussung des hl. Ambrosius von seiten des hl. Basilius kommt an die
ser Stelle sicher nicht in Frage, denn Basilius hat den Psalmvers ohne Berück
sichtigung der politischen Situation ausgelegt. Siehe Pauol. Gr. Bd. 29 Sp. 425
D-428 C. Ob eine Abhängigkeit von Origenes vorliegt, wie V. Stegemann, Au
gustins Gottesstaat, Tübingen 1928 S. 30 annimmt, wage ich nicht zu entschei
den, solange nicht feststeht, ob der in den Selecta in psalmos ed. Lommatzsch
XII S. 331 f. gedruckte Text auch wirklich dem Origenes angehört. Daß Ps.
45,9 f. auch von Diodor politisch gedeutet ist, zeigt der Text bei K. Staab, Pau-
78 ANMERKUNGEN 140/1411142
Juskommentare aus der griechischen Kirche S. 107. Eine Bezugnahme auf den
politischen Zustand im Römischen Reich hat der hl. Johannes Chrysostomus in
seiner Auslegung des Psalmverses [Patrol. Gr. 55 Sp. 207] und ebenso Theodo
ret [siehe Patrol. Gr. 80 Sp. 1205 C]. Cassiodor zu Ps 45, 9 hat gleichfalls die Be
ziehung zur politischen Situation, doch mit anderem Akzent [Patrol. Lat. 70 Sp.
331 C]. Ps. Ambrosius, Breviarium in Psalmos bemerkt zu der Stelle : »Omnia
bella in. adventu Domini quievisse, multorum narrant historiae« [Patrol. Lat. 26
Sp. 1019B].
146 So Victor Stegemann, Augustins Gottesstaat [ = Heidelberger Abhandlun
gen zur Philosophie und ihrer Geschichte Heft 15]. Tübingen 1928 S. 26 [doch
vgl. die Einschränkungen S. 30]. Im übrigen vergleiche zu Ambrosius' Ausle
gung von Psalm 45 noch Palanque, Ambroise et l'empire Romain (Paris 1934].
S. 334. 335 und A. 54, siehe auch S. 291 und 551.
147 In seinem Jesajaskommentar [Patrol. Lat. 24 Sp. 46 A] bemerkt der hl. Hie
ronymus: »usque ad vicesimum. octavum ann.um Caesaris Augusti ... in toto orbe
terrarum.fuisse discordiam ... Orto autem Domino salvatore ... et Evangelicae doc
trinae pax Romani imperii praeparata, wnc onmia bella cessaverunt.« Man kehrt
zum Ackerbau zurück, nur die Berufssoldaten werden gegen Barbaren noch
zum Kriege gebraucht. Der letztere I Gedanke findet sich auch bei Cyrill Alex.,
Patrol. Gr. 70 Sp. 73 A, er ist nicht unwichtig zur Begriffsbestimmung der Pax
Romana. Krieg gibt es nur noch gegenüber »Barbaren<<, und dieser Krieg kann
dem stehenden Heer überlassen werden [vergleiche auch H. Fuchs a.a 0. S. 197
A. 3].
148 Merkwürdigerweise ist über Orosius so gut wie gar nicht gearbeitet worden.
Einige kurze Bemerkungen über ihn stehen bei Elisabeth Pfeil, Die fränkische
und deutsche Romidee im frühen Mittelalter, München 1929 S. 36 ff. Siehe auch
Mochi Onory, Vescovi e citta [Bologna 1933] S. 92 f.
1 49 Nach der antiken Überlieferung [C. ] . L. I 2 p. 231] ist das am 1 1 . Januar ge
schehen [siehe Pauly-Wissowa R. E. X S. 338, 1 8 ff.]. Orosius macht um seiner
Geschichtstheologie willen daraus den 6. Januar, den Tag von Epiphanie. Auch
Aponius, In Cantica canticorum explanatio ed. Bottino-Martini [Rom 1843) S.
237, weiß von einer Rückkehr des Augustus an Epiphanie.
150 Die Ablehnung der Anrede dominus ist von Juden [Philo, Leg. ad Gai. 23]
und Christen [Tertullian, Apo!. 34] frühzeitig beachtet worden. Sie fand im
Jahre 3 n. Chr. statt, siehe Pauly-Wissowa X Sp. 369, 2ff.
m Die Verknüpfung des Friedensrufes der Engel mit dem Friedensreich des
Augustus findet sich auch bei dem hl. Hieronymus, Jesajaskommentar. Patrol.
Lat. 24 Sp. 46 B.
152 Der Vergleich des Römerreiches mit dem babylonischen oder persischen
Reich ist ein rhetorischer Topos, siehe W. Gernentz, Laudes Romae. Dissertat.
Rostock 1 9 1 8 S. 99 ff. Er ist hier im christlichen Sinne abgewandelt.
m Die Erwähnungdes pauperrimus status pastoris geht ebenfalls auf einen rhetO
rischenTopos der Lobreden auf Rom z.urück, siehe Gernentz a.a.O. S. 38. Man
hat den Eindruck, daß für Orosius die »armen Hirten«, die Rom I gegründet ha
ben, eine Parallele zu den »armen Hirten« in der Geburtsgeschichte Christi
sind .
.s4 Vergleiche auch Orosius III 8, 5: »sub Augusto ... universum terran1m orbem
positis armis abolitisque discordiis generali pace et nova quiete conpositum Roma
nis paruisse legibus.« Bei H. Fuchs, Augustin und der antike Friedensgedanke,
wird diese Bestimmung der pax Romana durch Orosius, wonach mit ihr der
Krieg abgeschafft worden sei, ebensowenig erkannt wie ganz allgemein die pa
tristische Anschauung, daß in ihr der nationale Pluralismus übenvunden worden
142 1431144 DER MONOTHEISMUS 79
sei. Übrigens hat Orosius nachdrücklich betont, daß der Friede des Augustus
nicht ein Werk des Kaisers, sondern des Sohnes Gottes gewesen sei (z. B. III
8, 8. Ebenso auch Cassiodor zu Psalm 45 (Patrol. Lat. 70 Sp. 331 C) und schon
Origenes in Matthaeum S. 69, 2 1 f. Klostermann-Benz) in offenkundigem Wi
derspruch zu der Wendung »Pax Augusta«, welche die Schaffung des Friedens
auf den Kaiser selbst zurückführte. Siehe F. Altheim, Römische Religionsge
schichte Berlin 1933 Bd. IIl S. 59. Über die Mythologisierung des pax-Begriffes
cles Augustus und seiner Nachfolger vergleiche A. Alföldi in: Zeitschrift für Nu
mismatik 38 (1928) S. l84f.
m Orosius wird damit letzthin die Voraussetzung für die EntStehung der Ara
161 n:A.11
procrav'ta. ndcra.v 'tt\V yflv, cruv'tplßov'ta. noA-uapxla.v 't01tClP'X,t(i)v Kai
1tOA03€ta.v 6.3erov, K'TlPUcrcrovra. OE 'tOV cva. 3eov Kai xctpO'tOVOOVta. 't'ijv
'Pro�J,a.lu>v !!Ova.px.la.v. Das Wort !!Ovapx!a. in den Const. apost. noch in III 5, 4
[Didaskalie vgl. Connolly, Didascalia apostolorum. Oxford 1929 S . 132, 15)
und V 15, 3. Daselbst VI 9, I stammt aus den Ps. Clementinen. Zu der Stelle V
20, 11 vergleiche übngens die Bemerkung von Ad. Harnack, Die Didache S .
248
161 In der Schrift Oe eccl. theol. II 7 hat Euseb eigene Spekulationen über die
Johannes Damasc, Oe fide onhodoxa I 8 [Patrol. Gr. 94 Sp. 830 B). Ed. Bratke,
Das sogen. R eligionsgespräch am Hof der Sassaniden, Leip zig 1899 [Texte und
Untersuchungen Bd. 19 H. 3] S. 2, 24; Ps. Caesarius, Dia I . I qu. 4 Patrol. Gr. 38
Sp. 864.
''" Tpet; al <ivw'tlhw M�at nepi Seoo. civapxla Kai noA.uapxla Kai !J.OV
aPXia. ai !J.EV oöv Mo natoiv 'EM.�vwv tnalx3TJoav Kai nat�to3woav. T6 -re
y&.p iivapxov li-raK-rov, -ro 5& noA<>apx.ov o-ram(i)ÖE; Kai o\hwc; livapx.ov Kai
o\hwc; a-raKwv. elc; -rci\J'tov y&.p CL!J.q>6-repa q>tpet, ri)v cnal;lav it St eic; A.u
ow. a-rai;ia ytip jW..ß'tll AUOEWc;. l'J!J..lv l)t !J.OVap;(La "CO 'tl!J..Ol!J.EVOV. !J.OVcxpxla
M, oux i'jv �v MptypO.q>n np6ownov [fott ynp Kai t6 �v <nacrux�ov npoc;
tau'to noUa Ka3icr'tetcrSat.), O.U' i'jv q>uoewc; Ö!J..On!J.la ouvlo'tllot Kai
YVOl!J.ll; OIJ!J..1tVOta KCÜ taÜ'tO'tTJ<.; Ktvijcrswc; Kat npo; 1:0 EV 't(i)\1 es (lU'tOÜ ouv
V€Ucrt<;, önep <i!l�xavov imt 't1j; YEVVTJ't1')<.; q>ucrcw; Oratio theol. III 2 Patrol.
Gr. 36 Sp. 76 A/B. In der Ausgabe von Mason [Cambridge Patristic texts] S. 74,
12-75, 7. Zur Syllogistik dieser Stelle siehe Johs . Focken, De Gregorii Nazian
zeni argumentandi ratione. Dissert. phil. Berlin 1 9 1 2 S . 8 ff.
tu
Gregor v. Nyssa, oratio catechetica c. 3 [S. 16,6 ff. Srawley]: fl 't1j; q>Üoewc;
tv6'tll; 'tOV Sta!J.EplO!J..OV oü npoolEtat, <i>c; !J..TJ'tE 'tO 't1j; !J.OVapxiac; oxt�ecr3at
Kplhoc; Eie; 3e6'tll'tac; Staq>6pou; Katate!J.VÖ!J.Evov !J.TJ'tE tQ> 'louSatK� My
!J.an crut.tßalvew Tov Myov, O.Un Sta t.ttcrou t(i)v Mo onoA.�III ewv x.wpetv n'Jv
aA.T,3etav. Vergleiche auch Ps. Athanasius, Quaesti ones ad Antioch. qu. I [Pa
trol. Gr. 2 8 Sp. 597 E): dc; t.tovapxlav moteüovte; 'louoat�o!J.Ev· ci; St nfi.A.w
'tpET; 3eoi>c;, np60TJAoV ön 'EAI..TJVL�O!J.EV; Ps. Johannes Chrysostom., C ontra
Judaeos, gentile� et haereticos: tnetöl) "EU11ve; nol..u3etav totßoV'tO, ot 'Iou
öatot St J.t.OVaPXlav, Itva Sit Kai. 'Tl'Iv nol.u3etav civtA.lJ Kai 'tTJV !J.OVaPXiav,
Ottl toÖ'tO e).syev . ·Ehe yap elot 9eoi noUoi KCll !<UptOl noU.Ot, EhE EV
oüpav(j), Ehe tni. yfJc;, &.AX i1t.ttv etc; 3c6; 6 ncx.'ti)p.« Kat eln<i>v 1:0 »Eie;« avetf...E
tl}v no/,\J3etav. önou yap etc;, ouK eicrt noA.A.oL Kai etnrov »D<tttpo « avet/...s
'Tl'Iv !J.Ovapx.lav, önou yap na't�p. 81')/cov ön Kat ui.6; [Patrol. Gr. 48, Sp.
I 080]. Zu diesem Gedanken vergleiche auch K. He ll, Amphilochius von Iko
nium. Tübingen 1904 S. 143 und ]. Leipoldt, Didymus der Blinde, Leipzig 1905
S. 129; Jak. Bilz, Die Trinitätslehre des hl. Johannes von Damascus [Forschun
gen zur christl. Literatur und Dogmengeschichte IX, 3] Paderborn 1909 S . 39.
[Siehejohannes Damasc., De fide onhodoxa I 7 Patrol. Gr. 94 Sp 805 C bis 808
A). Man kann auch auf Nieeta verweisen. •nec moregentilir1m potestatum diversi
tates opinemur ... ni'C fudaeonHn scandalum mcwmbamus« [ ed. Burn S. 37, 1 1 ff.].
W. A. Patin, Nieeta von Remesiana. Dis�ert. München 1909 S. 36, vergleicht
damit § 23 der Ent�cheidungen der 4. damasianischen Synode [Denzinger, En
chi ridion symbolerum '0, Freibg. 1928 S. 34) : »Omnes haereticide Filio Dei et Spi
ritu sancto male sentientes, in perfidia ]11daeor111n et gentililmr inveniuntur.«
166Über die kritische Beurteilung der Pax Romana durch den hl. Augustin [die
traditionelle Auffassung findet sich Civita� dei XVIII 22 und 46) s . V. Stege
mann, Augusuns Lehre vom Gottesstaat S. 40 und H. Fuchs, Augustin und der
antike Friedensgedanke S. 52 f. Es ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, daß
Augustin auch die bei den Kirchenvätern übliche Verherrlichung des Augustus
nicht mitmacht. Augustus ist für ihn der, der die »iam enervem ac languidam li
bertatem omni modo extorsisse Romanis« [Civitas Dei III 21). Siehe auch Hein
rich Scholz, Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte, Leipzig 1 9 1 1 S. 1 8 1 .
Zu der antiken Quelle dieser Anschau ung siehe K l ingner in: Hermes Bd. 63 S.
190 und Gelzer in: Philologus 1931 S. 274. In den Literaturgeschichten wird auf
den tiefgreifenden Unterschied zwischen Orosius und Augustin nicht genü
gend hingewiesen
1451146 DER MONOTHEISMUS 81
167 Eine Theologie, die sich wesentlich an das Imperium Romanum gebunden
sche Theologie, München 1922, in die Literatur eingeführt worden. Seine da
maligen kurzen Ausführungen waren nicht systematisch gehalten. Wir haben
hier den Versuch gemacht, an einem konkreten Beispiel die theologische Un
möglichkeit einer »politischen Theologie« zu erweisen.
Christus
als Imperator
{
1511152 85
Es liegt nahe, an einzelnen der genannten Stellen das Wort mit »Ge
neral«4 und nicht mit »Kaiser« zu übersetzen, aber daß diese Über
setzung an anderen Stellen, an denen imperator neben rex steht,
nicht möglich ist, mahnt zu Vorsicht. In I. Timoth. 6, 1 6 wird die
griechische Akklamation cJ:> Hilft KO.L Kprnor; airovtov im Lateini
schen mit: cui honor et imperium wiedergegeben. Ob diese Akkla-
86 THEOLOGISCHE TRAKTATE 15211531154
mation auf Gott oder auf Christus zu bez1ehen sei, ist strittig. Ähn
lich liegt der Fall in I. Petr. 4, 1 1 und 5, 1 1 , aber in Apoc. 1 , 6 muß
doch wohl das ipso gloria et imperium auf Christus bezogen werden.
Jedenfalls ist die Beziehung dieser Akklamation auf Christus in der
patristischen Literatur häufig. Das wird verständlich, wenn man
sich klarmacht, daß das regnum Christi auch als imperium bezeich
net werden kann. So heißt es in: De laude martyrii des Ps. Cyprian
c. 24; p. 47, 1 6 von den Märtyrern : patent regna, parantur imperia
[vgl. auch c. 30, Die Märltyrer: imperia perennis temporis tenent]. In
einem lateinischen Grabgedicht [bei Buecheler nr. 1359, Z. 3 f.]
wird gesagt: m�mdumque relinquens immensum Christi possidet impe
rium. Maximus Taurin bemerkt in einer Homilie [Horn. 85 P. L. 57
Sp. 447 B]: non enim ad imperium coelorum pervenitttr superbia. Es
ist also klar, daß das Himmelreich auch als Imperium bezeichnet
worden ist. Im Carmen paschale des Sedulius li 63 ff. heißt es ein
mal von Christus: cuius nomen et aeterno complectens omnia gyro im
perium sine fine manet.
Damit stellt sich aber der Glaube an das imperium sine fi.ne Christi
der bei Vergil, Aeneas I 278 f. dem irdischen Rom gegebenen Ver
heißung: imperium sine fine dedi entgegen5.
Wenn in der Civitas Dei li 22 der heilige Augustinus die Römer auf
fordert, das himmlische Vaterland zu suchen, und hinzufügt: in ea
veraciter semperque regnabis, hat er auch das Vergil-Zitat angeführt,
aber an die Stelle des imperiHm sine fine dedi hat er in futurischer
Abwandlung ein: imperi11m sinefine dabit gesetzt. An die Stelle des
heidnischen Imperiums ist also das Imperium Christi getreten6.
Wenn man diese ganzen Zusammenhänge bedenkt, wird es erlaubt
sein, auch die Stellen, an denen die altchristliche Literatur von Chri
stus als dem imperator spricht, nicht nur einseitig von dem Feld
herrntum Christi in seiner militia zu verstehen, sondern in dem
Christus-Imperator zugleich den Herrn über ein imperiJim, das alle
zmperia dieser Welt transzendiert, zu sehen.
Christus unter dem Bilde des römischen Kaisers zu sehen, ist alt. Ich
meine, daß schon die Geheime Offenbarung, in der Christus als
»princeps [im Griechischen steht ä.pxrov] regum terrae« l 1 , 5] hym
nisch gepriesen wird, diese Parallelisierung vorgenommen hat. Nur
so erklärt sich, daß »der Menschensohn-Ähnliche« im Himmel zwi
schen Kandelabern steht [I, 13]; er wird damit die Gegengestalt zu
dem kaiserlichen Bild, das zwischen Kandelabern aufgestellt wird7.
Nur so versteht man, daß von seinen Füßen gesprochen wird, die
wie Golderz blinken [ l , 1 5]. Die Füße werden hervorgehoben, weil
ihnen, wie den Füßen des Kaisers, Verehrung [Proskynese] ge
bührt. Nur so begreift man, daß der Ton seiner Stimme, die wie
1541155/156 CHRISTUS ALS IMPERATOR 87
gefüllt sind. Das sind doch wohl die turibola, die wir auch aus dem
römischen Kaiserkult kennen und die speziell beim Triumph und in
Prozessionen - aber nicht dort allein - Verwendung finden. Auf die
Öffnung der Rolle durch das Lamm folgt dann in c . 6 die Schilde
rung der vier eschatologischen Reiter. Man kann sich schwer gegen
den Eindruck wehren, daß die Öffnung der Rolle und das Auftreten
der vier Reiter noch in einer sachlichen Beziehung zueinander ste
hen. Die Kommentatoren pflegen zu bemerken, daß die Farben der
vier Pferde den Farben der Zirkusparteien entsprechen. Der Ge
danke des Wettrennens legt sich auch darin nahe, daß der Beginn
des Rennens bezeichnet wird. Eine Stimme ruft den Pferden:
Komm! zu. Wenn aber das Zirkusspiel hier im Bilde gesehen ist,
dann wird die Verknüpfung mit der O ffnung der Rolle darin zu er
blicken sein, daß der Beginn der AmtStätigkeit mit Zirkusspielen er
öffnet wird. Der Amtsantritt des kaiserlichen Konsulats zu Neujahr
wird mit Zirkusspielen begangen, dabei wird eine Beziehung auf
den Sieg hergestellt9• Man begreift die innere Gedankenverknüp
fung in der Geheimen Offenbarung . Der Antritt der Herrschaft
Christi wird mit kosmischen Zirkusspielen eingeleitet, die das Proö
mium zum Ende dieser Welt darstellen.
Es wäre leicht, den politischen Charakter der Symbolik in der Ge
heimen Offenbarung und den Gegensatz, in dem sie zum Kaiser
kult steht, noch an anderen Beispielen zu erläutern. Aber das Ge
sagte mag genügen. Es ist klar, daß in der Parallelisierung Christi
mit dem Imperator keine zeitlose Symbolik, sondern eine Kampf
symbolik vorliegt10. So tritt auch in den patristischen Zeugnissen
für das Imperatorenturn Christi der kämpferische Charakter dieses
Bildes deutlich hervor. Die militia Christi, die von dem himmlischen
Imperator zum Kampf gefordert ist, führt in den Märtyrern einen
Kampf um die Macht, der letzthin nur aus dem eschatologischen
Charakter der christlichen Verkündigung zu vemehen ist. In sei
nem bekannten Buch ober die Militia Christi, Tübingen 1905, S. 10,
hat Ad. Harnack behauptet, das militärische Element in der christli
chen Stimmung sei nicht aus der christlichen Apokalyptik, sondern
aus der �ittlichen Ermahnung abzuleiten. Ich halte das für eines je
ner Mißverständnisse Harnacks und der liberalen Theologie, das
auf einer mangelnden theologischen Einsicht beruht. Man kann den
altchristlichen Begriff des Märtyrers nicht verstehen, wenn man
nicht den Zusammenhang mit der urchristlichen Eschatologie er
kennt. Man lese nur einmal die Geheime Offenbarung, um diese
Zusammenhänge zu begreifen. Der Christus, der Imperator ist, die
Christen, die zur militia Christi gehören, sie sind Symbole eines
Kampfes um ein eschatologisches imperium, das s1ch allen imperza
1 5 7/158/159 CHRISTUS ALS IMPERATOR 89
Als Christus geboren wurde, gab es eigentlich nicht mehr ein Kö
nigtum als Institution. Das nationale Konigtu m der Juden bestand
schon seit langem nicht mehr. Herodes, als König der Juden, war
ein FremlderlS. Bei den Römern wiederum gab es nicht den rex, son
dern den Caesat� zu dessen Wesen es gehört, daß er die Institutio
nen sprengt. Ais Pilatus die Juden fragt: regem vestrum crucifigam ?,
antworten ihm die Juden: non habemus regem, nisi Caesarem [Joh.
19, 15]. In dieser Antwort ist der Tatbestand der politischen Welt, in
die Christus eintrat, ausgesprochen worden . Die Juden haben kei
nen rex, und die Römer haben den Caesar. Auf die Frage des Pila
tus: Ergo rex es tu? antwortet ihm Jesus: Tu dicis quia rex sum ego
[Joh. 18, 37]. Wie die Antwort zu verstehen ist, zeigt das WortJesu:
Regnum meum non est de mundo hoc [das. 1 8 , 36). So ist Christus
also König, und nicht Imperator des kommenden Äons. Als solcher
ist er der Rex regum und der Dominus dominorum [Apoc. 17, 14;
1.9, 16; vgl. I. Timoth. 6, 15]. Aber wie Christus zu der Antwort, die
er dem Pilatus gibt: Tu dicis, quia rex sum, noch hinzufügt: Ego in
hoc natus sum, et ad hoc veni in mundum, ut testimonium perhibeam
veritati [Joh. 18, 37] - ein Zusatz, welcher sich scheinbar kaum mit
dem Anspruch auf königliche Würde verträgt -, so kommt zu dem
Zeugnis für Christus als König der kommenden Welt noch hinzu,
daß er auch als ein Imperator in einem Kampfe sichtbar wird, den
die Engel mit den bösen Geistern und die Apostel und Märtyrer mit
den Mächten dieser Erde führen. In einer Welt, die notwendiger
weise von allem Institutionellen gelöst ist, da die Juden ohne König
sind und die Heiden nur den Cäsar haben, muß auch der König der
kommenden Welt in dem Kampf um den zukünftigen Äon etwas
von einem Imperator annehmen. Wenn das Reich Gottes freilich
16Jtl6211631164 CHRISTUS ALS IMPERATOR 91
rein supralnatural wäre, könnte das nicht eintreten; wenn aber dem
Himmelreich »Gewalt angetan wird«, wenn Apostel und Märtyrer
zugleich mit dem königlichen Hohepriester priesterlich opfern, um
königlich zu herrschen, dann kann es geschehen, daß das eschatolo
gische Präsentwerden Christi in den Gesichteq der Zeugen gleich
sam vorweggenommen wird und der himmlische Menschens0hn in
Analogie zu dem Imperator gesehen wird. Dann wird es begreiflich,
daß Christus nicht nur als König der zukünftigen Welt in Hymnen
gepriesen wird, sondern daß ihm auch in den Akklamationen der
Kirche Majestät und Macht schon jetzt übertragen wird, daß das
geschichtliche und politische Weltbild dieses Äons, das den p rinceps
zum Vollstrecker der Tyche macht16, im blutigen Krieg der Märty
rer überwunden wird, daß das eucharistische Mahl, das die Kirche
feiert, nicht nur ein Mysterium ist, sondern auch schon etwas von
dem eschatologischen Mahl an sich hat, das der Herr bei seiner
Wiederkunft mit den Seinen begehen wird (Luk. 19, 30)17•
In diesem Sinne macht sich die Kirche die Worte Tertullians [Apo
loget. 50] zu eigen: >>Wir wünschen das Leiden aber in der Weise
wie etwa der Soldat den Krieg; keiner erträgt ihn gern, da er not
wendig auch Unruhe und Gefahr im Gefolge hat. Dennoch kämpft
auch er mit allen Kräften, und wenn er in der Schlacht siegt, so freut
er sich, weil ihm Ruhm und Beute zuteil wird, während er vorher
über den Krieg sich beklagte. Eine Schlacht ist es für uns, wenn wir
vor die Schranken des Gerichtes gerufen werden, um dort unter Le
bensgefahr für die Wahrheit zu streiten. Sieg aber ist es, zu erlan
gen, um was man gestritten hat. Diesen Sieg begleitet der I Ruhm,
Gott wahlgefallen zu haben, und als Beute das ewige Leben«18 •
So wird denn die in den Märtyrern streitende Kirche Christus als
den Imperator sehen•�, um in der Überwindung einer Welt, die in
den Juden ohne König ist und in den Heiden nur den Cäsar hat, den
König der kommenden Welt zu erwarten20. 1
Anmerkungen
1 Harnack, Patristische Miszellen in: Texte und Unters. N. F., Bd 5,3, be
merkte dazu: »eine Bezeichnung, die mir sonst nicht begegnet ist« [S. 144).
2 lm Sibyllenorakel ist von Gott die Rede, der l'Jyrrn'l� heißt [Fr. I vs. 6).
lungen vgl. jetzt Andre Grabar, L'empereur dans l 'art byzantin Paris 1936 p.
88 ff. Über die Geste der 24 Altesten als Gegenstü ck zur offiziellen Untersu
chungszeremonie der Reges siehe daselbst S. 232 f.
lO
Diese Kampfsymbolik wird bei Ambrosius, Sermo contra Auxentium. P. L.
16_, 1 0 1 8 , wieder erkennbar, wo es heißt, daß Christus der Imperator der Kirche
set.
11 Es ist charakteristisch für die Geheime Offenbarung, daß in ihr 7, 1 0 der sa
lus-Ruf Gott und dem Lamme zuteil wird [ebenso 19, l : salus et gloria et virtus
Deo nostro est], obwohl der salus-Ruf doch Gott und dem Lamme gegenüber
eigentlich sinnlos ist.
12 Alföldi, Römische Mitteilungen 1935, S. 78 f.
n Die Eidesformel wird also politisiert. - Es ist bekannt, I daß die Christen die
Tyche in der hei dnischen Eidesformel fortgelassen haben, Wilcken, Würzbur
ger Papyri [S. 90), die salus dagegen beibehalten haben [S. 104]; damit wird
deutlich, daß sie das heidnisch-politische Weltbild, in dem die kaiserlich e Tych e
waltete, erkannt und verworfen haben.
14 Diese Akklamation hat man verchristlicht, indem man sie mit dem Sieg des
Kreuzes verband, siehe Peterson, Heis Theos, Gö ttingen 1926, S. !53 und
Anm. 1 . Vgl. auch J. Gage in: Revue d'histoire et de p hilosophie religieuses
1932 p. 370 ff.
1s
Die feindliche Stellung des Herodes und der Herodianer zu Jesus wäre in ei
ner umfassenden theologischen Behandlung des Königtums Christi theologisch
zu erö rtern. Wenn die Häresiologen von den Herodianern als ei ner Sekte spre
chen, so ist das nicht so sinnlos, wie es den Historikern des 19. Jahrhunderts er
schien.
16
In d er Eidesfrage wurde für die alten Christen akut, ob es möglich war, ein
geschichtliches und politisches Weltbild anzuerkennen, das nicht das christliche
war.
17 Die Bezeichnung dominica caena (östnvov Kupwx6v) in I. Kor. 1 1 , 2 0 wäre
gar nicht möglich gewesen, wenn die Eu charistie nur Mysterienfeier gewesen
wäre, dt;p.n im griechisc hen Adje ktiv liegt ein staatsrechtlicher Ausdruck vor,
der die Offentlichkeit und nicht das Mysterienhafte dieses Mahls betont.
18 Übersetzung Harnacks in Militia Christi S. 33 Anm.
19 Wenn die altchristlic he un d byzantinische Kunst Christus als Imperator dar
gestellt hat [siehe darüber die intere ssanten A usführu ngen von A. Grabar, L'em
pereur dans l'art byzantin. passim. Vgl. auch Johs. Kollwitz in Römische Quar
talschrift Bd. 44, 1936, S. 57 ff.], so spricht sich auch darin das Bewußtsein der
Reichskirche aus, die Kirche der Märtyrer zu sein.
20
Es ist hier nicht der Ort, über das Gottesgnadentum christlicher Könige in sei
nem in neren Zusammenhang mit der christlichen Eschatologie zu handeln.
Zeuge der Wahrheit
1671168 95
w.nn wir in eine Kirche eintreten und unser Blick sich zum Altar
wendet, denken wir nur selten daran, daß der Altar, an dem
das heilige Opfer dargebracht wird, Reliquien der Heiligen enthält,
daß er meistens Uber den Gebeinen eines Märtyrers errichtet ist.
Und doch ist es wen, einen Augenblick darüber nachzudenken,
scheint doch in dem Brauche der Kirche, über dem Grabe des Mär
tyrers das Opfer Christi zu begehen, sich ein ganz bestimmtes Bild
von dem Verhältnis des Märtyrers zur Kirche auszudrucken. Wenn
man den kirchlichen Brauch vor Augen hat, ist man versucht, im er
sten Augenblick zu formulieren und zu sagen: Die Kirche ist auf
dem Fundamente der Märtyrer erbaut. Aber wenn man diese For
mulierung einmal ausgesprochen hat, kommt einem sofort der Ein
wand: Wir sagen ja im Glaubensbekenntnis nicht: ich glaube an die
heilige Märtyrerkirche, sondern: ich glaube an die heilige, apostoli
sehe Kirche. Der Begriff des Apostels ist also dem des Märtyrers
übergeordnet, und darum werden im Te Deum auch zuerst die Apo
stel und Propheten genannt, und erst danach heißt es:
Te martyrum candidatus laudat exercitus.
Wenn also der Begriff des Apostels dem des Märtyrers übergeord
net ist, besagt das vielleicht, daß die Apostel keine Märtyrer gewe
sen sind? Es ist noch gar nicht lange her, daß die liberale protestan
tische Geschichtsschreibung - in striktem Gegensatz zu dem, was
die katholische Tradition erzählt hatte - die Behauptung aufstellte,
die Apostel seien erst im 3 . und 4 . Jahrhundert unter dem Einfluß
des schon vorhandenen kirchlichen Märtyrerkultus ihrerseits I zu
Märtyrern geworden. Inzwischen hat die protestantische Theologie
freilich auch in dtesem Punkte ihre Meinung revidiert. Daß der hei
lige Paulus, speziell im Philipperbrief, eine Märtyrertheologie ent
wickelt habe, ist von seiten protestantischer Exegeten behauptet
worden1, und daß auf der anderen Seite der kirchliche Begriff des
Märtyrers und das Wort dafür durch die Johanneischen Schriften
geschaffen worden sei2, ist erst neuerdings von einem protestanti
schen Theologen behauptet worden. Aber wie es nun auch im ein
zelnen mit den Aufstellungen der protestantischen Theologen be
stellt sein mag, eines scheint mir sicher, daß die Vorzugsstellung des
Märtyrers in den neutestamentlichen Schriften klar ausgesprochen
und der martyrologische Gesichtspunkt in bezug auf die Apostel in
der Heiligen Schrift deutlich zu erkennen ist3. Hier wäre also ein
Punkt, an dem die moderne protestantische Theologie, im Unter
schied zu den dogmatischen Vorurteilen des 16. JahrhundertS, wie-
96 THEOLOGISCHE TRAKTATE 16811691170
nus in einer seiner Predigten bemerkt hat, vorausgesetzt ist, daß die
Wölfe in der Mehrzahl sind; werden doch die Schafe zu den Wöl
fen geschickt und nicht umgekehrt die Wölfe zu den Schafen. Die
Wölfe haben wir zunächst unter den Juden zu suchen, führt man
doch die Apostel in Synedrien und Synagogen der Juden. Aber
dann bringt man sie auch zu den römischen Statthaltern und .w Kö
nigen, so daß das Verfahren, das dort vor Gericht gegen sie einge
leitet wird, nun auch zu einem Zeugnis über die Heiden wird. Wie
Jesus vor das Tribunal von Juden und Heiden geführt wird, so auch
die Apostel. In der Passionsgeschichte Jesu und im Prozeßverfahren
gegen Apostel und Märtyrer werden sowohl Juden wie Heiden in
ihren letzten Absichten offenbar und beide vor Gott schuldig, und
so hat es denn einen Sinn, wenn die Apostel sich vor den Menschen,
das heißt konkret: vor Juden und Heiden in acht nehmen sollen.
Daß die Lehre der Apostel auf diesen feindseligen Widerstand
stößt, ist dadurch bedingt, daß mit dem Erscheinen Christi die
letzte, die kritische Zeit angebrochen ist, in der nicht Versöhnung,
sondern Entscheidung, nicht Frieden, sondern das Schwert ge
bracht wird. In dieser kritischen Zeit, die mit dem Erscheinen Chri
sti angebrochen ist, in der alle natürlichen Ordnungen sich auflösen
und selbst das Blut die Menschen nicht I mehr zusammenzuhalten
vermag, da vielmehr nach den Worten Jesu der Bruder den Bruder
und Kinder ihre Eltern dem Tode überantworten, in dieser Zeit, in
der sich das Ende des gegenwärtigen Äons ankündigt, kann Jesus
fordern: »Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner
nicht wert.« Es ist klar, daß der, der das Schwert bringt, seinen Jün
gern auch nichts anderes voraussagen kann, als daß sie um seines
Namens willenvon allen gehaßt werden. Er weiß, daß man sie be
schimpfen, auspeitschen und töten wird, daß man ihnen Verfolgun
gen bereiten wird und daß die Jünger von einer Stadt in die andere
flüchten werden. Doch erhalten sie, wenn sie bis zum Ende, sei es
ihres Lebens, sei es dieser Weltzeit, ausharren, die Verheißung ihrer
Errettung und Seligkeit. Wer »Haus oder Brüder oder Schwestern
oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker um meinet- und
um des Evangeliums willen verlassen hat, wird es hundertfach wie
dernehmen« [Mk. 10,29f.]. Ja wer auch nur einen der verfolgten
Jünger mit einem Becher kalten Wassers tränkt, kann schon seines
Lohnes gewiß sein (Matth. 10, 42], denn wer einen Apostel auf
nimmt, nimmt den auf, der ihn gesandt hat. So besteht denn zwi
schen dem Apostel und Jesus eine ganz enge Beziehung, man
könnte sie einmal ganz allgemein die eschatologische Leidens- und
Schicksalsgemeinschaft nennen. Dem Schüler wird dasselbe Los
wie dem Lehrer zuteil. Hat man Jesus, den Herrn des Haus�s, einen
98 THEOLOGISCHE TRAKTATE 17111721173
Teufel genannt, wie sollte man für seine Jünger mildere Worte fin
den? Hat man Jesus vor das Tribunal jüdischer und heidnischer
Richter geschleppt, so wird den Aposteln dasselbe Geschick in Aus
sicht gestellt. Doch eine Situaltion wird in den Worten Jesu noch be
sonders hervorgehoben: es ist die Situation, aus der heraus es zur
Entstehung des Wortes »Märtyrer« gekommen ist. Wenn nämlich
die Jünger vor Gericht stehen, kann ihnen die Sorge kommen, was
sie sagen werden, wie sie sich zu verantworten haben. Sie sollen sich
keine Gedanken darüber machen. Der Heilige Geist, der Geist des
Vaters, wird aus ihnen sprechen und ihr Wort über eine bloße Ver
teidigungsrede hinaus zu einem Zeugnis gegen Juden und Heiden
machen, so daß sie, die vor Gericht Zeugnis ablegen, nun zu Zeu
gen, das heißt griechisch Märtyrern, werden. Das allein ist die
letzte Forderung Jesu, daß die Jünger sich öffentlich zu ihm und zu
seinem Namen bekennen. Wer sich zu Jesus öffentlich auf Erden
bekennt, zu dem wird sich auch Jesus öffentlich im Himmel vor sei
nem Vater bekennen. Denn in der Zeit der Entscheidung, in der
eschatologischen Zeit, gibt es nur zweierlei: entweder Bekenntnis
oder Verleugnung Jesu. Ein Versteckspielen mit einem allgemeinen
Frommsein, ein unklares Hin und Her ist ausgeschlossen, nicht als
menschliche Möglichkeit, wohl aber durch den, der das Schwert ge
bracht hat und dessen Name - o süßer Name Jesu! - eine Scheidung
herbeiführt, die selbst vor der privaten Sphäre des Familienlebens
keinen Halt macht, sondern den Sohn von dem Vater und die
Tochter von der Mutter trennt (Matth. 10, 35).
Es ist deutlich, wenn man diese Worte Jesu hört, daß der Begriff des
Apostels gegenüber dem des Märtyrers der übergeordnete Begriff
ist, daß aber auf der andern Seite der Begriff des Märtyrers von dem
des Apostels auch nicht einfach abzulösen ist. I Die Verfolgungs
sprüche gelten i n erster Linie den Z\\ölfen, aber dann tritt, beinahe
unmerklich, eine Verbreiterung ein. »Wer nicht sein Kreuz nimmt
und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert.« Das ist ein Wort, das
durchaus nicht auf die Apostel eingeschränkt ist. Das Apostolat ist
eine beschränkte Größe [sogar zahlenmäßig], der Märtyrerbegriff
dagegen ist nicht auf den des Apostels eingeschränkt, und die große
Zahl in weißen Gewändern mit Palmzweigen in den Händen, die
der heilige Johannes in der Apokalypse schaut, ist nicht zu zählen.
Was bedeutet das für unser Thema? Zunächst das Allgemeine, daß
die apostolische Kirche, die sich auf die Apostel, die Märtyrer wer
den, gründet, auch immer die leidende Kirche, die Kirche der Mär
tyrer ist. Eine Kirche, die nicht leidet, ist nicht die apostolische Kir
che. Sodann aber, da der Begriff des Märtyrers mcht auf den des
17311 741175 ZEUGE DER WAHRHEIT 99
kündigt wird und daß die Botschaft vom Gottesreich sich nach Jesu
eigenen Worten an ein ehebrecherisches und sündiges Geschlecht
[Mark. 8, 38] - damals wie heute - wendet. Wie kann man eigent
lich erwarten, daß die Wölfe nicht über die Schafe herfallen? Eher
wäre vielleicht noch zu erwarten, daß die Jünger I Jesu sich seiner
und seiner Worte vor diesem »ehebrecherischen und sündigen Ge
schlechte« nicht schämen würden. Indessen, auch mit dieser Mög
lichkeit rechnet der, der dem Petrus seinen Verrat vorausgesagt hat.
Gewiß, es mag Zeiten geben, in denen es weniger, und andere Zei
ten, in denen es mehr Märtyrer gibt, jedoch behaupten, daß es zu
gewissen Zeiten überhaupt keine Märtyrer gegeben habe, hieße
leugnen, daß es zu jener Zeit eine Kirche gegeben hat.
Warum aber werden die Jünger um des Namens Jesu willen »von
allen gehaßt«? [Matth. 10,22] Wer sind diese >>alle«? Es sind »die
Menschen«, vor denen sich die Zwölfe in acht nehmen sollen: Ju
den und Heiden. Es sind nicht »die Menschen überhaupt« im Sinne
eines bloßen Abstraktionsbegriffes, sondern die Menschen, die kon
kret, die in ihrer ganzen Existenz entweder als Juden oder als Hei
den in dieser Welt da sind. Und welche anderen Möglichkeiten sind
denn auch für den, der nicht die Gnade Christi empfangen hat,
noch vorhanden ? Die Juden werden als Verfolger der Kirche von
Jesus zuerst genannt, und von ihnen wird am meisten gesprochen,
denn der Jude ist in einem anderen und ursprünglicheren Sinne ein
Feind Christi als der Heide. Es ist eine Tatsache, daß an allen Ver
folgungen der Kirche von den Zeiten der Apostel bis zum heutigen
Tage die Juden Anteil gehabt haben. Aber wie an der Verurteilung
Jesu Heiden mit den Juden zusammengewirkt haben, so ist das, was
im Prozesse Jesu einmal exemplarisch geschehen ist, auch bis zum
heutigen Tage noch in der Welt wirksam. Die Heiden, auch wenn
sie noch so sehr sich von den Juden geschieden wissen - man denke
nur I an gewisse judenfeindliche Äußerungen des heidnischen Chri
stenfeindes Celsus -, arbeiten doch mit den Juden zusammen, wenn
es gilt, gegen den Gesalbten Gottes zu kämpfen. Und so sind denn
nach Gottes Willen beide, Juden wie Heiden, zu Feinden des Evan
geliums geworden, damit Gott sich beider erbarme.
Das dritte, was man den Worten Jesu entnehmen kann, bezieht sich
darauf, daß der Märtyrer den Öffentlichkeitsanspruch der Kirche
Jesu Christi kundmacht. Wie zu dem Begriff des Märtyrers gehört,
daß er von den öffentlichen staatlichen Gewalten zur Rechenschaft
gezogen wird - in Synedrien und Synagogen, vor Statthaltern und
Königen -, daß er einem öffentlichen Gerichtsverfahren und den
Strafen des öffentlichen Rechtes unterworfen wird, so gehört auch
das öffentliche Bekenntnis zum Namen Jesu wesentlich zum Begriff
102 THEOLOGISCHE TRAKTATE 17811 791180
Bundes trinkt. Weil wir in den Tod des Herrn getauft und mit dem
Blute des Herrn gespeist werden, darum ist es unvermeidlich für je
den, der zur Kirche gehört, daß er am Leiden Christi teilhat. Frei
lich, es gibt verschiedene Weisen, in denen die einzelnen Glieder
des Leibes Christi mit dem Haupte leiden. Das Leiden Christi, sagt
der heilige Thomas, S. th. III 66, 12, wirkt in der Wassertauft: durch
eme bildhafte Vergegenwärtigung [per quandam figuralem reprae
Wltationem], in der Bluttaufe hingegen durch Nachahmung im
Werk [per imitationem operis], und es ist für den heiligen Thomas
kein Zweifel, daß die Bluttaufe die vorzüglichste aller Taufen istl.
Aber das gilt es festzuhalten, daß die Möglichkeit zum Martyrium,
die für uns alle besteht, in derselben Realität der Todestaufe Jesu
wurzelt, in die wir in der Wassertaufe hineingetauft worden sind.
Wir sind alle, wie der Heilige Paulus [Röm. 6, 3] sagt: »in den Tod
Christi getauft«. Und das gilt es zu begreifen, daß die Möglichkeit,
wonach auch wir einmal Leib und Blut für Christus hinopfern müs
sen, in der Tatsache gründet, daß der Leib und das Blut des Herrn,
an denen wir Anteil haben, uns in jenem Kelche gereicht werden,
den der Herr in Gethsemane empfing. So kommen also Wasser
taufe und Bluttaufe von demselben Herrn, im Sinnbild vorgebildet,
wie der heilige Cyrill von Jerusalem gelsagt hat, in dem Blut und
Wasser, die aus der Seite Jesu geflossen sind8.
Aber, so wird man sagen, wenn es wahr ist, daß die Todesleiden
Christi über die ganze Kirche als seinen mystischen Leib kamen,
sind dann wir, die wir jetzt alles andere als Märtyrer sind, nicht viel
leicht außerhalb des Leibes Christi? Die Antwort auf diese Frage hat
schon der Herr gegeben, wenn er im Zusammenhang mit den Ver
folgungsansprüchen auch von der Nachfolge und dem Auf-sich
Nehmen des Kreuzes spricht. Nicht alle können Märtyrer werden,
denn das Martyrium setzt eine besondere Berufung voraus, es ist,
wie schon gesagt wurde, ein Charisma in der Kirche. Aber in ir
gendeinem Sinne können, nein, müssen wir alle dem Herrn in das
Leid nachfolgen, und darum ist das Kreuz. nicht nur ein Sinnbild für
die Märtyrer, sondern für alles Christenleben überhaupt. Es ist also
keine zufällige historische Entwicklung, wie die protestantische Ge
schichtsschreibung immer wieder meint, sondern vielmehr in der
Sache selber gegründet, daß die »Heiligen«, die durch alle Abtötun
gen und Leiden hindurchgegangen sind, eine Parallele zu den Mär
tyrern werden. Und wenn wir nicht Märtyrer und nicht Heilige
werden, so müssen wir doch alle durch irgendwelche Formen der
Aszese hindurch. In der christlichen Aszese aber gibt es für uns, die
w1r, mit Paulus zu sprechen [II. Kor. 4, 1 0), die mortificatio Christi
104 THEOLOGISCHE TRAKTATE 18111821183
Wer einmal die Epigramme gelesen hat, die Papst Damasus in Rom
zu Ehren der Märtyrer abgefaßt hat, dem ist vielleicht aufgefalle n,
daß es in ihnen wiederholt heißt, wenn von den Verfolgungen der
Kirche die Rede ist:
>>Als aber das Schwert durch das Herz der Mutter ging.«
Weil der Leib Christi in den Märtyrern leidet, die, um mit dem heili
gen Paulus zu reden [Kol. 1, 24], >>an ihrem Leibe den Rest der
Trübsale Christi für die Kirche erfüllen«, darum leidet auch >>die
Mutter« mit den Märtyrern, und darum wird Maria von der Kirche
mit Recht die regina martyrum genannt. I
Wir verstehen jetzt, wenn der he ilige Petrus schreibt: »Laßt euch
nicht befremden durch die Feuerprobe, die ihr erduldet, als ob euch
damit etwas Ungewöhnl iches geschähe« [I. Petr. 4, 12]. Nein, die
Leiden der Kirche verlieren alles Befremdliche, wenn sie im Lichte
der Leiden Christi gesehen werden. Sie sind kein Grund zu einer Be
unruhigung, die in die Tiefe geht, vielmehr Anlaß, Gott zu danken.
»Freuet euch vielmehr, daß ihr an Christi Leiden teilnehmen
könnt«, so heißt es im ersten Petrushrief in der Fortsetzung der zu
erst genannten Stelle, »damit ihr auch bei der Offenbarung seiner
Herrlichkeit euch freuen und frohlocken könnt.«
Über allem Leiden, das der Kirche Christi widerfährt, steht die Se
ligpreisung unseres Herrn:
»Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen, verstoße n und
schmähen und euch um euren guten Namen bringen um des Men
schensohnes willen! Freuet euch an jenem Tage und frohlocket;
denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel!«
Bibel. Als ich sie aufschlug, fiel mein Blick auf jenes Kapitel 6 der
Geheimen Offenbarung, das den Auszug der vier apokalyptischen
Reiter beschreibt. Als ich das Kapitel zu Ende gelesen hatte, floh ich
voller Schrecken aus der Dachkammer; mir war, als hätte ich einen
Blick in ein Geheimnis getan, das schreckenvoll und wirklich zu
gleich, doch schamhaft noch hätte verhüllt bleiben sollen. So mag es
einen objektiven Sinn haben, ja vielleicht sogar gut sein, wenn die
Scheu vor dem Geheimnis der letzten Dinge manchen davon abhält,
dieses Buch zu lesen. Denn, sagen wir es nur gleich, dieses Buch,
das von dem Letzten handelt, ist ein gefährliches Buch. Es läßt uns
einen Blick in einen Abgrund tun, der um uns ist und den wir uns
doch bemühen, zuzudecken, in der Hoffnung, es möge alles nicht
so schrecklich sein oder es möge doch nicht bis »zum Äußersten
kommen«. Aber auch in einem anderen Sinne ist dieses Buch ein ge
fährliches Buch, denn es zeigt uns in einer erschreckenden Weise,
wozu wir unter Umständen verpflichtet sind, was Gott und sein
Christus von uns eventuell einmal verlangen können. Wer denkt
nicht mit einem gewissen Unbehagen an jene Mahner, die uns an
eine Verpflichtung erinnern, von der wir nicht wissen, ob wir sie
einhalten werden?
So kommt also manches zusammen, von Gott Gewolltes und von
unserer Schwachheit Gewolltes, um I uns von der Geheimen Offen
barung fernzuhalten. Die Berührung der Kirche mit dieser Schrift
wie mit jeweils anderen Büchern der Bibel - hat ihre von Gott ge
wollte Zeit und Stunde. Eine dieser von Gott gewollten Stunden
war da, als der heidnische römische Staat von den Christen die Aus
übung des Kaiserkultus forderte. In der Zeit der Christenverfolgun
gen hat die Kirche der Märtyrer zu diesem Buch gegriffen12• Eine
andere von Gott gewollte Stunde war es, als das Römische Reich
unter den Angriffen der Randvölker zusammenbrach. Da hat der
heilige Augustinus dieses Buch gelesen, um in der Civitas Dei den
Sinn dieses Geschehens und der Geschichte überhaupt zu deuten13•
Eine von Gott gewollte heilige Stunde aber war es auch, da dieses
Buch geschrieben ward. Unter dem Eindruck der Lehre, daß alle
Schriften des Alten und des Neuen Bundes von dem Heiligen Geiste
inspiriert worden sind, sind wir oft geneigt, zu übersehen, daß der
Heilige Geist seine »Zeiten und Stunden« oder, wenn man so sagen
darf, seine >>Gelegenheiten« hat. Der heilige Johannes dagegen hat
nicht vergessen, daß die Geheime Offenbarung ihre »Zeit und
Stunde« gehabt hat, als sie niedergeschrieben wurde. »Ich, Johan
nes, euer Bruder und Mitteilhaftiger in der Trübsal und im König
reich und im Ausharren in Jesus, ich war auf der Insel, die Patmos
heißt, um des Logos Gottes und der Zeugnisablegung für Jesus wil-
1861187/188 ZEUGE DER WAHRHEIT 107
len. Ich ward im Geist an einem Herrentag« [1, 9 und 10]. Mit die
sen Worten wird uns die »Gelegenheit« des Heiligen Geistes kund
getan. Johannes ist nach Patmos verbannt worden, denn er hat für
Jesus öffentliches Zeugnis abgelegt. Er teilt die >>Trübsal<< mit ande
ren Christen, aber er hält I auch mit ihnen aus, ist er doch mit ihnen
schon im Königreiche Christi. In dieser konkreten Situation des
Konfessors und Märtyrers14 kommt es zu der »Offenbarung Jesu
Christi«, denn dieses ist der wahre Titel des Buches, nicht, wie wir
so oft sagen, »Offenbarung des heiligen Johannes«. Nicht der hei
lige Johannes hat irgendwelche »Privatoffenbarungen« gehabt, son
dern Jesus Christus hat sich offenbart. Nun freilich nicht offenbart,
wie er sich in seiner ersten Ankunft manifestiert hat - denn diese
geht ja wesentlich im »Geheimnis« [im Mysterium] vor sich15 -, son
dern so, wie er in seiner zweiten Ankunft »offenbar« werden wird.
Wie Johannes - in Analogie z.u Jesus, dem »treuen Zeugen« [ 1 , 5
und 3 , 14] - durch sein öffentliches Zeugnis »offenbar« geworden
ist, so korrespondiert diesem Heraustreten aus der privaten in die
öffentliche Sphäre nun auch ein Offenbarwerden Jesu Christi aus
dem Mysterium der ersten Ankunft in die Publizität seines zweiten
Kommens. Nicht zufällig hebt der heilige Johannes die >>Trübsal«
hervor, die er mit den Empfängern seines Buches teilt, denn die
»Trübsal« ist nach dem Urchristentum beides, Teilhaftigkeit am
»Leiden« Christi16, an seiner Verborgenheit, und doch zugleich
auch Wirkkraft in der Richtung auf seine »Glorie«, seine Macht,
seine Kraft, seine Herrschaft und auch seine Offenbanheit. Die
»Mitteilhaftigkeit« in der Trübsal, die der heilige Johannes mit an
dem Christen teilt - und die Trübsal, das Leid sind nach dem gan
zen Urchristentum niemals bloß individuelles Widerfahrnis, son
dern stets gemeinsam erlebte Trübsal17 -, die Mitteilhaftigkeit18 in
der Trübsal ist etwas, was durch den ganzen Kosmos geht19: die ge
samte Kreatur nimmt an dieser I Trübsal teil [Röm. 8, 19]. Wie aber
der Mensch sich in der Hoffnung20 über die Trübsal erhebt, so
streckt auch die Kreatur, um mich eines von dem heiligen Paulus in
Röm. 8, 19 gewählten Bildes zu bedienen21, den »Kopf heraus« und
wartet ihrerseits auf die »Enthüllung«, auf die »Offenbar-Wer
dung« der Söhne Gottes. Das Leiden in diesem Kosmos ist univer
sal, weil es ein Leiden mit dem Leiden Christi ist, der in diesen Kos
mos eingegangen ist und doch diesen Kosmos gesprengt hat, als er
von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist.
Wo nun aber der Sinn des Leidens mit Christus öffentlich wird,
nämlich in der staatlichen Publizität eines öffentlichen Gerichtsver
fahrens22 - und das ist eine wesentliche Voraussetzung für den Be
griff des Märtyrers -, da wird auch die Glorie Christi öffentlich und
108 THEOLOGISCHE TRAKTATE 1881189/190
erschienen ist; aber das andere wird jetzt auch deutlich, daß der An
tichrist in dem Maße offenbar wird, als Christus offenbar wird. Da
mit ist gegeben, daß es den Antichrist nur in der Endzeit geben
kann. >>Kinder, es ist die letzte Stunde und wie ihr gehört habt: es
kommt der Antichrist«, heißt es im 1 . Johannesbrief 2, 18. In 4, 1
desselben Briefes wird aber gesagt, daß viele falsche Propheten [die
in I 2, 18 Antichristen genannt werden] in die Welt ausgegangen
seien. Hier sieht man deutlich: auch der falsche Prophet, der Häre
tiker, der Theologe des Antichristen, ist etwas, was durch das Of
fenbarwerden Christi erst für den Märtyrer sichtbar geworden ist.
Streitende Philosophen hat es schon vor Christus gegeben, aber fal
sche Propheten als Theologen des Antichristen, oder mit anderen
Worten: Häretiker gibt es erst, seitdem Christus offenbar geworden
ist und damit auch den Antichristus und seinen Theologen hat sicht
bar werden lassen. Von hier aus wird das Pathos begreiflich, mit
dem die Kirche in der Gestalt ihrer Heiligen den Häretiker verfolgt.
Es handelt sich nicht darum, daß unter der Voraussetzung eines
ganz abstrakten, zeitlosen Wissenschaftsbegriffes der Vertreter ei
ner anderen Meinung, einer falschen Auffassung abgelehnt wird,
sondern darum, daß der Irrlehrer als im Dienste einer dämonischen
Macht stehend gesehen wird, wie sie durch das Offenbarwerden
Jesu Christi sichtbar geworden ist. Darum wird nach dem Urchri
stentum der Irrlehrer [Co!. 1 , 8) verflucht oder dem Satan überge
ben [I. Kor. 5, 5; I. Ti. 1, 20) - was sachlich auf dasselbe hinausläuft
-, ja nach 2, 23 der Geheimen Offenbarung sogar getötet, weil er
durch seine Lehre zeigt, daß er des Satans ist, weil sein Erkennen
nur ein Erkennen der Tiefen Satans [Apoc. 2, 24] und nicht ein Er
kennen der Tiefen Gaues ist [I. Kor. 2, 10). Wie nämlich mit dem
Offenbarwerden Christi eine Unkenntlichkeit des Menschen nicht
mehr möglich ist, sondern alle gezeichnet, alle Menschen offenbar
geworden sind, so ist auch durch das Offenbarwerden Jesu Christi
das Erkennen des Menschen nicht mehr verdeckt I möglich, es wird
immer entweder ein Erkennen aus dem Heiligen Geiste, aus dem
Pneuma realisieren, das alles, selbst die »Tiefen Gottes«, erforscht
[I. Kor. 2, 10), oder aber ein Erkennen »der Tiefen des Satans« sein.
Ein sogenanntes »reines Erkennen« würde, von hier aus gesehen,
von dem Offenbarwerden Jesu Christi abstrahieren, durch das doch
gerade alles Erkennen sich erst als christliches oder antichristliches
Erkennen konstituiert. Es ist von hier aus begreiflich, daß der Mär
tyrer, der in Analogie zu Christus offenbar geworden ist, auch für
die Erscheinung des Häretikers ein scharfes Auge hat. Man versteht
aus dieser Situation die Warnungen des heiligen Johannes oder des
heiligen Ignatius vor den Häretikern.
193/!94/195 ZEUGE DER WAHRHEIT 111
Doch jetzt noch ein Wort zu der Gestalt des Antichristen. Der Kos
mos, in den Christus, seine Heiligen und Märtyrer hineingestellt
sind, wird durch den Drachen, das Tier und das andere Tier sym
bolisiert, das heißt durch den Teufel, den Antichristus und den fal
schen Propheten. Alle drei werden angcsichts der Offenbarung Jesu
Christi für den Märtyrer sichtbar. Der Teufel in der metaphysi
schen Ordnung, der Antichrist in der politischen Ordnung und der
falsche Prophet in der intellektuellen Ordnung. Wie es in der intel-
112 THEOLOGISCHE TRAKTATE 195/196
Gott die Welt straft28, hat sie doch das Blut der Heiligen und der
Propheten vergossen. Das Offenbarwerden der »Gesiegelten« geht
also durch das Leiden hindurch. Es gibt - das ist die aktuelle Er
kenntnis des Märtyrers - keinen anderen Weg, um in seinem Glau
ben »offenbar« z.u werden, als das Leiden. Das Leiden ist Gleichge
staltung [Phil. 3 ,10] mit dem Leiden Christi, und alle Niederlage
durch die dämonischen Mächte nichts als Ähnlichkeit mit der Nie
derlage Jesu, »des treuen Zeugen«29• Wichtig ist nun, daß nach dem
heiligen Johannes in der Offenbarung Jesu Christi niemand von die
sem Leiden verschont bleibt. In 6, 9 ff. wird eine erschütternde
Szene beschrieben. Johannes sieht unter dem Altar im Himmel die
Seelen derer, die »Um des Wortes Gottes und um ihrer Zeugnisable
gung willen abgeschlachtet<< worden sind. Die Märtyrer, die unter
dem Altar liegen, rufen mit lauter Stimme: »Wie lange noch, Herr,
Du Heiliger und Wahrhaftiger, richtest Du nicht und rächst Du
nicht unser Blut an den Erdenbewohnern?« Und es ward ihnen, so
heißt es danach in vs. 1 1 , ein weißes Kleid gegeben und ward ihnen
gesagt, sie sollten I nur noch eine kleine Zeit sich ausruhen, bis auch
vollendet würden ihre Mitknechte und Brüder, die ebenfalls getötet
werden sollen.
»Wer Ohren hat, der höre! Wem Kerker beschieden ist, der geht in
den Kerker ein. Wer mit dem Schwert umkommen soll, der wird
mit dem Schwert getötet werden« [ 1 3 , 9 und 1 0]. Das hat man unter
dem Ausharren und dem Glauben der Heiligen z.u verstehen. In c. 7
sieht der heilige Johannes eine große Schar von Weißgekleideten 1m
Himmel. Einer der Ältesten sagt ihm, wer sie seien. »Diese sind ge
kommen aus der großen Trüb�al und haben in dem Blut des Lam
mes ihre Kleider weiß gewaschen« [7, 14]. Mit Blut haben sie das
Kleid, das sie tragen, weiß gewaschen, mit dem Blut, das sie vergos
sen haben, und das doch nicht ihr Blut, sondern das Blut des Lam
mes war. Der heilige Paulus sagt in Kol. l, 24: er fülle in seinen Lei
den den Rest der Trübsale Christi aus. Immer haben wir denselben
Gedanken, daß alles Leid eschatologisches Leid, in Gleichförmig
keit mit dem Leiden Christi erlittenes Leid ist und daß daher auch
die Herrlichkeit Christi dem gewiß ist, der mit Christus gelitten hat.
herrlichen?« »Denn Du allein bist heilig ... und deine gerechten Ta
ten sind offenbar geworden.« Sind offenbar geworden in dem Lei
den Christi und in dem Leiden der Kirche, die mit Christus leidet.
Haben wir den Mut, mit dem heiligen Johannes zu sagen: »Ja,
komme bald. Amen, komm, Herr Jesus«? Wir wissen jetzt, was das
heißt: Kommen Jesu, Offenbarwerden Jesu. Oh, daß Gott uns allen
den He!ligen Geist schenkte, aus dem heraus wir in Wahrhaftigkeit
und Aufrichtigkeit sagen könnten : »Ja, komm - komme, Herr Je
sus.« Komme zu uns in Deinem Leiden, auf daß Du zu uns kom
mest in Deinem Reiche!
»Als Jesus in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes,
siehe, da erschienen Weise aus dem Morgenlande in Jerusalem. Sie
fragten : Wo ist der neugeborene Judenkönig? Wir sahen seinen
Stern aufleuchten und sind jetzt da, um ihm zu huldigen. Der Kö
nig Herodes geriet in Erregung, als er dieses hörte, und mit ihm
ganz Jerusalem.<< Das sind I die Verse, in denen der heilige Mat
thäus die Geburt des priesterlichen Königs beschrieben hat [2, 1-3].
Die Fortsetzung ist auch bekannt. Während es von den Weisen
heißt: »Sie traten in das Haus und sahen das Kind mit Maria seiner
Mutter, fielen nieder und huldigten ihm. Dann öffneten sie ihre
Truhen und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und
Myrrhe« [2, 11], wird von Herodes erzählt, daß er in großen Zorn
geriet und in Bethlehem und dessen ganzer Umgebung alle Knäb
lein töten ließ, die zwei Jahre alt waren und jünger [2, 16]. Als der
als Mensch geboren wird, der in der angenommenen Natur des
Menschen Priester und König werden will, wird diese seine Würde
sofort in den Handlungen derer, die ein Typus des Glaubens und
ein Typus des Unglaubens sind, erkennbar. Die Weisen bringen
Gold, Weihrauch und Myrrhe dar. »Gold«, so heißt es im Offizium
von Epiphanie, »damit seine königliche Gewalt angezeigt werde«,
beim Weihrauch denke man an den Hohepriester und bei der
Myrrhe an das Begräbnis des Herrn. So wird denn schon in den Ga
ben der Weisen aus dem Morgenlande, die ein Typus der gläubigen
Heidenkirche sind, die vom Orient bis zum Okzident reicht, das
priesterliche Königtum Christi in seiner völkerumspannenden Uni
versalität erkennbar32. Aber auch in dem Verhalten des Herodes,
der ein Typus für den Ungläubigen ist, wird das priesterliche Kö
nigtum Jesu sichtbar. Der irdische König greift aus Furcht vor dem
ewigen König zu dem Mittel des Kindermordes, aber die gemorde-
1 18 THEOLOGISCHE TRAKTATE 20412051206
bas. Barrabas aber war ein Räuber« Uoh. 18, 36-40]. Nach der Gei
ßelung Christi versucht Pilatus ein anderes Mal Christus freizuge
ben. »Die Juden aber schrien: Wenn du diesen freigibst, bist du
nicht kaiserlicher Freund. Wer sich zum König macht, lehnt sich
gegen den Kaiser auf« [ 19, 12). Pilatus fragt ein letztes Mal: »Euren
König soll ich kreuzigen?« Die Hohenpriester aber schrien : »Wir
haben keinen König, außer dem Kaiser. Da lieferte er ihnen Jesus
aus, auf daß er gekreuzigt würde« [ 19, 1 5]. Lukas erzählt noch, daß
in den Verhandlungen gegen Jesus Pilatus den Herrn zu Herodes
geschickt habe, der sich in jenen Tagen gleichfalls in Jerusalem be
fand, und daß Herodes und Pilatus über diesen Fall zu Freunden
geworden seien. I
Nicht nur der Vertreter der Monarchie, nicht nur die Demokratie,
auch der Vertreter des Imperiums kann das Königtum Jesu nicht
verstehen. Unter einem nationalen Königtum der Juden kann er
sich noch etwas vorstellen, aber was ist ein Königreich, das nicht
aus diesem Kosmos kommt? Was ist ein König, der in die Welt ge
kommen ist, um für die Wahrheit als Zeuge, ja, konkreter über
setzt, als Märtyrer aufzutreten? Was ist Wahrheit? Die zweifelnde
Frage: Was ist Wahrheit?, die laut geworden ist auf den Anspruch
Jesu hin, in die Welt gekommen zu sein, um für die Wahrheit als
Zeuge aufzutreten, liegt allem politischen Handeln, das sich nicht
von dem Königtum Christi bestimmen läßt, als letzte bewußte oder
unbewußte metaphysische Voraussetzung zugrunde. Aber es ist tief
symbolisch, daß, als der Repräsentant des heidnischen Imperiums
gesagt hatte: Was ist Wahrheit?, er, statt zu Jesus, wieder zu den Ju
den geht, um mit ihnen über das Schicksal dessen, der sich eben vor
ihm als König bekannt hatte, zu verhandeln. Seine zweifelnde
Frage : Was ist Wahrheit? setzt sich gleichsam fort, als er die Juden
zwischen Jesus und Barrabas wählen heißt. Der Räuber Barrabas ist
der politische Aufrührer, an dem, wie er weiß, die Juden weit mehr
interessiert sind als an dem König, der in die Welt gekommen ist,
um für die Wahrheit als Zeuge aufzutreten. Die Juden entscheiden
sich für den politischen Rebellen, der aus dieser Welt kommt, und
gegen das Königtum Christi, das nicht von dieser Welt ist, aber es
ist nun charakteristisch, daß auch der Vertreter des heidnischen
Imperialismus, in dessen Geiste die letzte Frage nach dem, was
Wahrheit ist, geweckt worden war, nachdem er vor dem, der
Wahrheit ist, gestanden hatte, jetzt zuläßt, daß man sich für den po
litischen Rebellen und gegen den König, der für die Wahrheit als
Zeuge auftritt, entscheidet. Freilich, er läßt erkennen, daß er vor
der Wahrheit gestanden hat und daß er sich ihr zu entziehen �ucht,
denn indem er die theoretische Frage, was Wahrheit überhaupt sei,
120 THEOLOGISCHE TRAKTATE 2081209
Die Situation der Juden und die der Heiden vor dem Königtum
Christi, wie sie sich in der Pilatusszene enthüllt, ist eine verschie
dene. Die Juden, die in ihrem blinden Haß gegen das Königtum
Christi, das nicht aus dieser Welt ist, den Kaiser gegen den »König
der Juden« ausspielen, vergessen, daß ihr I Messias ein König in Is
rael sein soll, und verlieren mit dem Rufe: »Wir haben keinen Kö
nig, außer dem Kaiser« nicht nur jeden Anspruch auf eine Erwar
tung des königlichen Messias in ihrem Volke, sondern zugleich
auch jeden metaphysischen und moralischen Anspruch, als souve
räne Nation ein Dasein zu führen. Sie haben nur noch die Möglich
keit, entweder als unterdrückte Nation zu leben oder aber für Bar
rabas, als Typus des politischen Aufrührers, sich zu entscheiden.
Verschieden von der Situation der Juden ist die der Heiden. In der
Person des Pilatus vor den König gestellt, dessen Reich nicht von
dieser Welt ist, liefern ste Jesus den Juden zur Kreuzigung aus und
lassen den politischen Empörer frei, aber indem sie wider ihr besse
res Wissen und Gewissen gegenüber dem Könige, der in die Welt
gekommen ist, um für die Wahrheit zu zeugen, handeln, büßen sie
ihre eigene politische Autorität ein. Indem sie in der politischen
Sphäre den König, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, den Ju
den zur Kreuzigung ausliefern und den politischen Aufrührer frei
lassen, handeln sie nicht nur gegen den Sinn ihrer politischen Auf
gabe, sondern verfälschen sie auch ihr persönliches Verhalten zum
Cäsar, indem sie es privatisieren und je nach dem Nutzen, den sie
daraus ziehen - Pilatus will seine politische Stellung als »Freund des
Kaisers« nicht verlieren -, ihre Entschlüsse treffen.
20912101211 ZEUGE DER WAHRHEIT 121
Beide, Juden und Heiden, vereinen sich also, den König, dessen
Reich nicht von dieser Welt ist, zu kreuzigen36, aber indem nun Jesus
am Kreuze für Juden und Heiden als ewiger Hoherpriester sein Blut
vergießt, wird sein Königtum als ein priesterlliches Königtum in sei
ner Überlegenheit über alle »Herrschaften und Gewalten« dieser
Welt nur um so deutlicher erkennbar. Es ist bedeutsam, daß vor Pon
tius Pilatus und nicht vor einem jüdischen Tribunal die Frage nach
dem Königtum Christi zu einer Entscheidung kommt. Vor Herodes
fliehen Maria und Josef nach Ägypten, und vor der jüdischen Volks
menge, die ihn zum König machen will, zieht sich Jesus in die Ein
samkeit zurück. Die Frage nach dem Königtum Christi konnte nicht
vor den Juden verhandelt werden, erklärten sie doch, daß sie keinen
König hätten; nur vor den Römern, die den Cäsar hatten, kann von
dem Königtum Christi gesprochen werden, nur vor denen, die ein
Reich aus dieser Welt haben, kann von dem Reiche Zeugnis abgelegt
werden, das nicht von dieser Welt ist. Das Zeugnis, das der König,
der in diese Welt gekommen ist, ablegt, ist ein öffentliches Zeugnis
[I. Timoth. 6, 13]. Als solches setzt es die politische Öffentlichkeit des
Imperium Romanum voraus ; aber als ein Zeugnis für die Wahrheit,
die nur von denen gehört werden kann, die aus der Wahrheit sind,
transzendiert es zugleich die politische Öffentlichkeit und wird ange
sichts der Auslieferung des Zeugen durch die Heiden an die Juden zu
einem Zeugnis gegen alle >>Herrschaften und Gewalten<< dieser Welt.
Nicht zufällig ist also der Name des Pontius Pilatus in das Credo der
Kirche gekommen37• Es ist nicht geschehen, um eine historische Erin
nerung festzuhalten, sondern um für alle Zeit einen geschichtssym
bolischen Vorgang für die zu fixieren, die sich durch ihre Taufe öf
fentlich zu Christus bekennen, diesen Vorgang nämlich, daß das
Zeugnis von dem Königtum, das nicht aus dieser I Welt ist, von den
politischen Gewalten dieses Äons verworfen worden ist, also daß
»der Herr der Herrlichkeit« [I. Kor. 2, 8], der König, der für die
Wahrheit zeugt, unter Pontius Pilatus »gekreuzigt, gestorben und
begraben ist<<, aber unter ihm nun auch in Glorie auferstanden und
zum Himmel gefahren ist38. Wenn der heilige Paulus im ersten Ko
rintherbrief von der im Mysterium verborgenen Weisheit Gottes
spricht, die keiner der Herrscher dieses Äons erkannt habe, denn hät
ten sie sie erkannt, so hätten sie den Herrn der Glorie nicht gekreu
zigt, so spielt er auf die Situation Christi vor Pilatus an, in der Jesus
von dem Königreiche, das nicht aus dieser Welt ist, als Zeuge auftritt,
die göttliche Weisheit aber von denen, die in diesem Äon die politi
sche Gewalt innehaben, nicht erkannt wird, und so der König des
kommenden Äons, der »Kyrios der Glorie<< von ihnen dem Tode am
Kreuze ausgeliefert wird [I. Kor. 2, 8].
122 THEOLOGISCHE TRAKTATE 21112121213
Die Worte des heiligen Paulus, auf die wir uns eben bezogen haben,
geben einen Hinweis darauf, wie die Wendung Jesu, daß sein Reich
nicht aus dieser Welt, nicht aus diesem Kosmos sei, genauer zu ver
stehen ist. Jesu Reich ist nicht aus diesem Kosmos, weil es nicht an
den gegenwärtigen, sondern an den zukünftigen Äon gebunden ist.
Man kann das Königtum Christi nicht von dem eschatologischen
Charakter des Evangeliums ablösen. Was das heißt, machen wir uns
am besten klar, wenn wir einige Äußerungen des heiligen Johannes
in der Geheimen Offenbarung über das Königtum Christi anfuh
ren.
In c. 1 Wtinscht der heilige Johannes der Kirche in Asien »Friede
und Gnade von dem, der da ist und I der da war und der da kommt,
und von den sieben Geistern, die vor dem Thron Gottes stehen, und
von Jesus Christus, dem getreuen Zeugen, Erstgeborenen unter den
Gestorbenen und Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns
liebt und gelöst hat von unseren Sünden mit seinem Blut und uns ge
macht hat zu einem Königreich, zu Priestern für seinen Gott und
Vater, ihm sei Herrlichkeit und Macht in die Äonen der Äonen.
Amen« [1, 4-6]. Im Zusammenhange unserer Erörterung interessie
ren in erster Linie die über Christus gemachten Aussagen. Jesus be
findet sich im Himmel, wo der ewige Gott weilt und sieben Geister,
die vor dem Throne Gottes stehen. Dieser Jesus, der von den Toten
auferstanden ist, wird sowohl »der getreue Zeuge« als auch der
»Herrscher über die Könige der Erde« genannt. Die auffallende
Zusammenstellung dieser beiden Begriffe wird eigentlich erst vom
Johannesevangelium aus verständlich, wenn man sich erinnert, daß
Jesus im Evangelium des heiligen Johannes vor Pi Iatus erklärt, er sei
ein König, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, und er sei in die
Welt gekommen, um für die Wahrheit als Zeuge aufzutreten39• Die
Situation Jesu vor Pilatus wird also in der Geheimen Offenbarung
in die Erinnerung zurückgerufen. Zugleich wird nun aber auch
deutlich, daß die mit dem Zeugnis vor Pilatus verknüpfte Kreuzi
gung ein Opfer darstellt, dessen Blut uns von unseren Sünden gelöst
hat, oder, wie es in 5, 9 heißt: uns »für Gott aus allen Stämmen,
Sprachen, Völkern und Nationen losgekauft hat«, so daß wir nun
mehr zu Königen und Priestern gemacht worden sind [1, 6 u nd
5, 10). Was sich schon allein aus der Analyse der Pilatusszene im
Johannesevanlgelium ergeben hatte, wird durch die Geheime Offen
barung mit ausdrücklichen Worten bestätigt. In dem Zeugnis Jesu
von seinem Königtum, das nicht aus dieser Welt ist, das der Herr
vor Pilatus ablegt, und in den mit dem Zeugnis verknüpften Vor
gängen der Kreuzigung und Auferstehung setzt sich das Königtum
Christi aktuell in diesem Ko�mo� durch, so daß sein Tod ein Opfer
2131214 ZEUGE DER WAHRHEIT 123
gen, womit sie sich doch nur selbst entlarvten. Und er hat einen
Triumphzug mit ihnen aufgeführt, insofern seine Himmelfahrt, sein
Thronen zur Rechten des Vaters und seine Wiederkunft zum Ge
richt den Triumph des Reiches, das nicht aus dieser Welt ist, über
alle »Herrschaften und Gewalten« dieses Äons darstellen.
Seitdem Christus Priester und König ist, ist also die irdische Macht
ihres dämonischen Charakters entkleidet und kann nicht mehr, wie
es das Heidentum will, den Anspruch darauf erheben, Trägerin sa
kraler Funktionen zu sein. Seitdem Christus Priester und König ist,
kann es priesterliches Königtum nur noch in dem Volke Gottes ge
ben, das in der Ekklesia die Mysterien des priesterlichen Königs be
geht. In der Kirche werden - der heilige Augustinus hat diesen Ge
danken oft betont43 - alle mit dem heiligen Chrisma der Taufe Ge
salbten zu einem priesterlichen Königtum gesalbt. »Alle, die wir un
ter den Fahnen Christus des Königs als Soldaten zu dienen uns rüh
men, mögen zugleich mit ihm am himmlischen Sitze herrschen«,
bittet die Postcommunio des Christ-König-Festes. Doch anders ist
die Teilhabe am Leiden und am Priestertum Christi »in der figürli
chen Repräsentation<< des Sakramentes und anders in »der Nachah
mung im Werk<< [S. Themas, S. theol. III 66, 12], und darum ist
auch die I Teilnahme an der Glorie und am Königtum Christi in der
Kirche verschieden. Die heiligen Märtyrer, die »in der Nachah
mung im Werk<< am Opfer des ewigen Hohenpriesters teilhaben,
sind in einem besonderen Sinne an dem Königtum Christi beteiligt.
Sie, die den Kelch mit Jesus getrunken haben, sitzen schon jetzt mit
ihm auf dem Thron, um nicht nur die zwölf Stämme Israels [Matth.
19, 28], sondern auch Kosmos und Engel [I. Kor. 6, 2 f.] zu richten.
Die Märtyrer, die dem Lamme gefolgt sind, wohin es geht [Apoc.
14, 4], haben durch ihren Tod gezeigt, daß es kein Königtum Chri
sti ohne sein Priestertum gibt, sind doch Tod und Glorie der Märty
rer nichts anderes als die adäquateste Form der Realisierung des
priesterlichen Königtums Christi in den Gliedern seines mystischen
Leibes.
2201221 127
Anmerkungen
1
E. Lohmeyer in seinem Kommentar zum Philipperbrief.
2 Vgl. H. v. Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche. Göt
tingen 1936. Das sorgfältig gearbeitete Buch bringt sich aus konfessionellen
Vorurteilen heraus um ein zusammenhängendes Verständnis des altchristlichen
Märtyrerbegriffs.
l Der Begriff des Märtyrers gehört der eschatologischen Verkündigung des Ur
christentums an. Die neuere Diskussion hat die Herkunft aus diesem Gedan
kenzusammenhang nicht immer klar herausgestellt.
' Es scheint mir ein Fehler in der konfessionellen Auseinandersetzung zu sein,
daß man immer von dem Begriff des Heiligen, statt von dem des Mtirtyrers aus
geht. Der Märtyrer ist die paradigmatische Kategorie für das, was ein »Heili
ger« im katholischen Sinne ist.
s Da es Martyrium nur fur den mystischen Leib Christi gibt, können Häretiker,
die von diesem Leibe getrennt sind, nach kirchlicher Lehre keine Märtyrer wer
den, auch wenn es ihnen an Glaubenseifer nicht fehlen sollte.
' Es ist merkwürdig, daß in den in den letzten Jahren zahlreich erschienenen
Werken über den Leib Christi [Mersch, Jürgensmeier u. a.] die Stellung der
Mtinyrer nicht ausfuhrlieh behandelt worden ist.
1 Dadurch, daß die Bluttaufe den Vorrang nicht als Sakrament hat [ad 1], darf
man sich nicht zu dem Mißverständnis verleiten lassen, die Bluttaufe als ein blo
ßes » Ersatzmittele der Wassertaufe [vgl. z. B. Atzherger in Bd. IV der Dogma
tik Scheebens S. 535 und den Kommentator der deutschen Themas-Ausgabe
Bd. 29, S. 515] aufzufassen.
1 Cyrill. Hier. Catech. XIII 2 1 .
' Vgl. die diesbezügliche Lehre des heiligen Ambrosius. Siehe Niederhuber, Die
Lehre des Ambrosius vom Reiche Goues auf Erden. Mainz 1904, S. 148.
1° Contra Arianos lii 57. I
11
So drückt der heilige Damasus den Tatbestand aus.
12 Man erinnere sich nur an Hippolyts Gebrauch der Apokalypse oder an Cypri
ans paränetische Ausmünzung derselben [z. B. Ep. 12, I ; 58, 7; 65, 1 oder De
bono patientiae c. 2 1 . Besonders häufig in: Ad Fonunatum, usw.)
u Die Or ientierung an diesem Buch in der Zeit der Martyrien und in der Zeit
des politischen Zusammenbruches des Imperiums hat jedesmal eine sachliche,
im Charakter der Geheimen Offenbarung gegebene Grundlage.
'' Über die Abgrcnz.ung der Begriffe Märtyrer und Konfessor siehe Delehaye,
Sanctus [Bruxelles 1927), S. 74ff.
11
Das Neue Testament gebraucht das Wort Apokalypse = Offenbarung nicht
für die erste Ankunft Jesu.
16 Il. Kor. 1, 5-7; 4,17; Röm. 5,3-5; 8, 17f.
11
Die Leidensgemeinschaft, in der sich der Gemeinschaftsbegriff der Kirche
konstituiert, ist kein soziologischer, in der Sphäre des Historischen auftretender
Begriff, sondern ein eschatOlogisches Phänomen, das alle natürlichen Gemein
schaftsbegriffe transz.endiert.
19 Ich habe [im Gegensatz zu meiner früheren Übersetzung (im »Hochland<<)]
von »Mitteilhaftigkeit« und nicht von Kameradschaft gesprochen, da der Be
griff der »Kameradschaft« nicht den eschatologischen und transzendierenden
Sinn auszudrücken vermag, der an dieser Stelle gemeint ist.
19 Die »kosmischen" Begriffe des Urchristentums hängen eng mit der Eschato
logie zusammen.
2o
Röm. 8,24; Phtl. 1,20.
128 ANMERKUNGEN 2221223
21
Vgl. Phil. 1,20.
22
Nur unter dieser Voraussetzung begreift man, daß die Berichte über die Lei
den der Märtyrer als Gerichtsprotokolle ausgegeben worden sind.
2
3 Es ist sinnlos, wenn Protestanten die »Theologie des Kreuzes« einer »Theolo
gie der Glorie« entgegensetzen. Die »Theologie der Glorie«, die das Evange
lium des heiligen Johannes verkündet, hat ihre Wurzel in der I»Theologie des
Kreuzes«, die der heilige Johannes in der Apokalypse predigt.
2' Non ergo nobis erubescenda est ignominia crucis Christi, quam contra omnia
humana opprobria, in eminentiori corporis parte, id est in fronte gestamus.
Amulo, Liber contra Judaeos. Migne P. L. 116 Sp. 158 D.
2s
Wie das Leiden nicht nur menschliche Trübsal, sondern auch kosmisches
Leid ist, so wird nicht nur der Mensch, sondern auch der Kosmos offenbar.
26
Man braucht nur einmal an den Arianismus im Altertum oder an den mittelal
terlichen Averroismus zu denken.
21
Damit ist gegeben,. daß die »Neutralität<< des Liberalismus Christus gegen
über immer nur ein Ubergangsstadium sein kann.
28
Daß der Kosmos in allen seinen Teilen und nicht der Mensch allein »gestraft«
wird, entspricht der schon öfter erwähnten Korrespondenz von Kosmos und
Mensch.
29 Darum wird ausdrücklich hinzugefügt, daß die beiden Zeugen in der großen
Stadt leiden, »WO auch ihr Herr gekreuzigt ward«.
30 Vgl. II. Thess. 2, 7. Es ist bedeutsam, daß in II. Thess. 2, 3 ff. von der »Enthül
lung<< [Ct1tOKM(l1ttEtv) des »Sohnes des Verderbens« [ Antichrist) gespro
=
chen wird.
31 Nur der Gnostiker, der dem Martyrium sich entzieht, kann von Gottes
Nennung des Namens des Pilaws aus der Übernahme einer exorzistischen For
mel zu erklären, bedeutet im Grunde den Verzicht auf eine Erklärung. Die Aus
führungen von H. von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der alten
Kirche [Göttingen 1936, S. 50 f.], sind mir nicht verständlich. Es scheint mir si
cher, daß die f.i.Ct.p·rupla jesu in I. Timoth. 6, 13 (genauer: f.i.«ptuprov Öf.I.OÄO
yla.v) das eschatologische f.I.Ct.P'tUptov ist, das Jesus in der Aussendungsrede
[Mk 6, 11) auch den Jüngern zu üben aufträgt.
38 Ignatius, Magn. 1 1 hat betont, daß die Auferstehung zur Zeit der Statthalter
telalter. Leipz.ig 1915, S. 113. Ahnliebes kommt auch in Byz.anz. vor, vgl. z.. B.
H. Gelzer in Historische Zeitschrift 1901, S. 202 f. Vgl. auch Tellenbach, Liber
tas, S . 42, 45. [Schon im Tomus von Papst Gelasius findet sich eine verwandte
Argumentation.]
0 Vgl. Fr. Hofmann, Der Kirchenbegriff des heiligen Augustinus. München
1933, S. 158 f. und 275, ferner Damasus Zähringer, Das kirchliche Priestertum
nach dem I heiligen Augustinus (Forschungen z.ur christl. Literatur und Dog
mengeschichte XVII 1 , 2], Paderborn 1931, S. 201 ff. Die Frage, ob Taufe oder
Firmung die Anteilnahme am Priestertum Christi verleiht, braucht hier nicht
erörtert z.u werden.
Was ist der Mensch?
2271228 133
n Psalm 8, 5 ist die Frage gestellt: »Was ist der Mensch, daß du
Iseiner gedenkst? Das Menschenkind, daß sein du achtest?« Da
die Frage: »Was ist der Mensch?« sinnvoll nur von Gott aus beant
wortet werden kann, fragen wir: »Was ist der Mensch?« in der
christlichen Bedeutung der Frage, und um das zu ermitteln, müssen
wir das Evangelium lesen.
Was zunächst auffallt, wenn man das Evangelium betrachtet, ist die
Bedeutung, die der Tatsache beigemessen wird, daß der Mensch
krank ist, physisch krank. Man braucht dem nur das griechische
Menschen-Ideal gegenüberzustellen, den Menschen des Agon, der
seinen nackten Leib der Sonne preisgibt, um zu spüren, daß hier die
Krankheit als etwas zum Menschen Gehöriges kaum gesehen ist.
Im Evangelium aber tritt die Krankheit des Menschen als ein wichti
ger Faktor zu seiner Charakterisierung auffallend stark hervor.
Vom Anfang des Auftretens des Menschensohnes bis gegen Ende
seiner Wirksamkeit treten Menschen mit allen nur denkbaren
Krankheiten vor ihm auf. Vom Fieber bis zur Blindheit, von der
Lähmung bis zum Aussatz. Darin spricht sich eine ganz bestimmte
Sicht des Menschen aus. Der Mensch wird nicht gesehen, soweit er
normal und gesund ist, sondern soweit er physisch defekt ist.
Krankheit gehört mit zur Bestimmung des Menschen, der vor dem
Menschensohn da ist.
Doch nicht genug damit, daß der Mensch in erster Linie als krank er
scheint, wird er auch als von Dämonen geplagt geschildert. Schon
beim ersten Auftreten Jesu in der Synagoge macht sich der Geist ei
nes unreinen Dämons bemerkbar, der von einem Menschen Besitz
ergriffen hatte: »Laut schrie er auf: I >Wehe, was willst du von uns, Je
sus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu verderben? Ich kenne
dich, wer du bist, du Heiliger Gottes!< Doch Jesus drohte ihm und
sprach : >Schweig, fahre aus von ihm!< Alsdann warf ihn der Dämon
mitten hin, und ohne ihm zu schaden, fuhr er von ihm aus« [Lk.
4, 34 f.]. Es ist wohl zu beachten, daß die dämonische Seite des Men
schentums vor dem Menschensohne als etwas Negatives erscheint.
Die »heilige Krankheit« verliert ihre Heiligkeit vor dem Heiligen
Gottes. Der dämonische Mensch, oder genauer der Dämon im Men
schen, wird zum Schweigen gebracht, und das bedeutet, daß vor dem
Menschensohn auch der >>Genius« verstummen muß.
Die Dämonenaustreibungen gehen wie die Krankenheilungen durch
die ganze Wirksamkeit Jesu hindurch, und wenn Christus die
»Zwölfe« oder die »Siebenzig« aussendet, dann wird ausdrücklich
bemerkt: »Und er verlieh ihnen Kraft und Vollmacht über alle Dä
monen und die Gewalt, Krankheiten zu heilen.« Ein Beweis dafür,
daß die Sichtjesu vom Menschen auf seme K1rche übergegangen ist.
134 THEOLOGISCHE TRAKTATE 22812291230
Der Mensch ist also nicht nur physisch defekt, sondern zuweilen
auch von einem fremden Geist besessen, der ihm die Selbstbestim
mung raubt. »Siehe, ein Geist packt ihn, und alsdann schreit er so
gleich auf; er zerrt ihn hin und her, so daß er schäumt« [Lk. 9, 39].
Dämonie ist mehr als Krankheit; hinter aller Dämonie steckt ein ge
heimnisvolles Wissen um etwas, was doch nicht gewußt, sondern
nur geglaubt werden darf. »Gleich nach dem Sonnenuntergang
brachten alle zu ihm ihre Kranken, die an mancherlei Gebrechen lit
ten. Er legte jedem aus ihnen die Hände auf und heilte sie. Von vie
len fuhlren auch Dämonen aus. Und diese schrien laut: >Du bist der
Sohn Gottes!< Doch er bedrohte sie und ließ sie nicht weiterreden:
Sie wußten nämlich, daß er der Messias ist<< [Lk. 4, 40 f.] Es ist
.
Abend. Die Sonne ist schon untergegangen. Der Sabbat ist vorüber.
Ein ganzer Haufe von Besessenen krächzt in die Welt hinaus: »Du
bist der Sohn Gottes.<< Man hat das Gefühl, als spräche sich hier, be
wußt oder unbewußt, eine ganz bestimmte Symbolik aus. Der Sab
bat ist zu Ende. Der Weltabend ist da. Die Dämonen verlassen ihre
Wohnungen in den Leibern der Menschen. Hören wir sie nicht
noch im »Dionysos dem Gekreuzigten<< jenes Nietzsche rufen, der
beim »letzten« Menschen nach dem Untergang der Sonne ange
kommen war?
Es ist klar, der Mensch, der im Neuen Testament als Kranker oder
als Besessener gesehen wird, wird als solcher in Beziehung auf den
Menschensohn erkannt. Ihm gegenüber wird es offenbar, daß der
Leib des Menschen defekt ist; ihm gegenüber wird die Besessenheit
des Menschen deutlich. Der dämonische Geist muß den Menschen
sohn ansprechen. Er kennt den, von dem er erkannt ist und vor des
sen Wort er doch weichen muß. Dem Menschensohn gegenüber
müssen sich die Geister als Dämonen demaskieren.
Wo freilich der Mensch nicht mehr in Beziehung auf den Men
schensohn erkannt wird, da wird er auch nicht mehr als Besessener
gesehen, und als ein psychoanalytisches Problem erscheint jene
Verrückung im Menschen, die doch nur theologisch, nur vom Men
schensohn her deutbar ist.
Doch der Mensch ist nicht nur physisch krank und besessen, son
dern auch in seinem Herzen. Auch das I wird wieder in Beziehung
auf Jesus, den »Freund der Zöllner und der Sünder<<, gesehen.
Nachdrücklich wird betont, daß Jesus mit dem Zöllner an einem
Tisch sitzt und von der Hure der kleinen Stadt sich salben läßt.
>>Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.
Ich bin nicht dazu da, Gerechte zu berufen, sondern Sünder zur
Buße« [Lk. 5, 31 f.]. »Und siehe da, da war eine Frau, die in der
Stadt als Sünderin lebte. Als sie erfuhr, daß er im Hause des Phari-
2301231 WAS IST DER MENSCH? 135
säers zu Tische lag, brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl und trat
weinend hinter seine Füße und begann, mit ihren Tränen seine Füße
zu netzen, und trocknete sie mit ihrem Haupthaar und küßte seine
Füße und salbte sie mit Salböl. Als das der Pharisäer, der ihn geladen
hatte, sah, sprach er bei sich: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre,
dann wUßte er auch, wer und was das für eine Frau ist, die ihn an
tührt, daß sie nämlich eine Sünderio ist« [Lk. 7, 37-39).
Der Pharisäer will nicht, daß die Sünderio Jesus anrührt. Er kennt
die Sphäre des Moralischen und die des Unmoralischen. Er will
nicht, daß die beiden Sphären sich berühren. Er weiß, es gibt an
ständige und es gibt unanständige Menschen. Aber das ist auch al
les, was er auf die Frage: »Was ist der Mensch?« zu antworten weiß.
Im übrigen bezweifelt er, daß Jesus ein Prophet sei. Im Evangelium
aber ist nun an die Stelle des Pharisäers die Sünderio getreten. Der
Mensch als ein moralisches Wesen ist in einer ganz. anderen Tiefe,
eben als jener Sünder, der die Füße Christi berührt, vor dem Men
schensohn offenbar geworden. Der Pharisäer wundert sich, daß Je
sus sich von einer Sünderio berühren läßt. Die Pharisäer aller Zei
ten wundern sich I darüber. Denn die Pharisäer glauben, Gott
könne immer nur Gott und der Mensch immer nur Mensch bleiben.
Man läßt wohl eine Buße zu, wie sie Johannes der Täufer von den
Zöllnern gefordert hat: »Treibt nicht mehr ein, als für euch be
stimmt ist«, aber man läßt nicht zu, daß ein Sünder Jesus berührt,
daß die Fuße Jesu von der s chmutzigen Hand einer Sünderio beta
stet, von dem unreinen Mund einer Hure geküßt werden: Diese
körperliche Berührung deutet die Welt, ja gerade die fromme Welt,
die von dem sogenannten »Religiös-Sittlichen« aus urteilt, als etwas
Unreines. Und doch ist es nun nicht so gewesen, daß die Sunderio
in der Tür stehengeblieben wäre, in die Knie gesunken, und um
Barmherzigkeit und Vergebung gebeten hätte und daß Jesus von
seinem Speisesofa aus diese ihr dann gewährt hätte. Nein, diese
Frau hatte alle Scham Uberwunden. Die Scham vor der Gesell
schaft, vor der Ehrbarkeit einer ganzen Stadt hatte sie schon lange
von sich geworfen in einer Schamlosigkeit, die doch etwas anderes
suchte. Wenn s1e jetzt noch die Scheu vor dem Heiligen hinter sich
läßt, so ge schieht das, weil sie in der reuigen Liebe findet, was sie in
der Schamlosigkeit vergeblich gesucht hatte. Die Unreine tritt an
den Reinen heran und berührt ihn, und Jesus duldet, daß sie seine
Fuße kußt. Nur der »Menschensohn« kann das dulden. Kein
Mensch vermöchte das zu ertragen, er wird sich entweder in Ekel
abwenden, oder aber er wird in Rührung vergehen. Jedesmal aber
wird er seine Füße nicht hinhalten. Nur Jesus kann seine Füße zum
Kuß der Sünderin darbieten. Nur er allein kann dabei schweigen .
136 THEOLOGISCHE TRAKTATE 23112321233
Die Welt kann nicht still zusehen. Der Pharisäer ist ihr Wortführer:
>>Wenn dieser ein Prophet wäre, dann wUßte er, wer und was I das
für eine Frau ist, die ihn berührt.« Der Pharisäer hat etwas Richtiges
empfunden. Jesus ist kein Prophet; er ist mehr als ein Prophet, denn
er vergibt die Sünden wie Gott.
Eine neue Welt im Menschen hat sich in dem Augenblick kundge
tan, als eine Hure die Füße Jesu berührte. Aus der moralischen
Sphäre wurde die des Si.inders, und aus der Schamlosigkeit erwuchs
die reuige Liebe; doch diese neue Antwort auf die Frage: ,.Was ist
der Mensch?« - wie konnte sie anders als vor dem Menschensohne
gewonnen werden? Diese neue Tiefe im Mensch-Sein, wie konnte
sie anders sich enthüllen als vor dem, der Mensch geworden ist? So
lange immer wieder Menschen der Blick dafür geschenkt wird, daß
die moralische Sphäre nicht die letzte ist, solange wird auch die
Menschwerdung dessen bezeugt, der nicht dazu gekommen war,
Gerechte zu berufen, sondern Sünder zur Buße.
Wer die Geschichte von der Si.inderin liest, der bemerkt eine eigen
tümliche innere Bewegung, die davon herrührt, daß die moralische
Sphäre, die allein fur Menschen Gi.iltigkeit hat, durchlaufen wird,
zu Ende gegangen wird, und daß man sich dann plötzlich dem
»Menschensohn« gegenübersieht. Dem entspricht es, daß nicht
mehr die Gerechtigkeit des moralischen Verha!tens, sondern die
Liebe dessen, dem viel vergeben ist, als die letzte Verhaltungsmög
lichkeit des Menschen erscheint. Eine Liebe, die fur den Menschen
erst da ist, seitdem der Menschensohn m1t Zöllnern und Sundern zu
Tische gesessen hat. Diese selbe innere Bewegung zeigen nun aber
auch die Gleichnisse ]esu. Man denke vor allem an das Gleichnis
vom verlorenen Sohn, in dem ebenlfalls das Verlassen der morali
schen Sphäre geschildert wird und dann die Heimkehr erfolgt, die
durch eine Liebe möglich ist, welche das moralische Räsonnement
des älteren Bruders i.iberwindet.
Der Mensch wird also 1m Evangelium als der Kranke, als der Beses
sene und als der Verlorene gesehen. Verloren wie ein Schaf, das
sich verirrt hat, wie ein Groschen, der davongerollt ist, wie ein
Sohn, der davongelaufen ist. Und doch haben wir von einer Kate
gorie noch nicht gesprochen, die besonders im Lukas-Evangelium
eine große Rolle spielt, und das ist die des Armen. Jenes Armen, der
vor der Ti.ir des reichen Mannes liegt, mit Geschwüren bedeckt. Die
Menschen gehen achtlos an ihm vori.iber, nur die Hunde lecken
seine Geschwi.ire. Warum sieht ihn Jesus? Warum wird die Frage:
»Was ist der Mensch?« auch von ihm aus beantwortet? Die Bergpre
digt gibt uns darauf die Antwort :
»Selig die Armen, euer ist das Reich Gottes!«
233/2341235 WAS IST DER MENSCH? 137
Römerbrief Cap. IX
[Jj Wahrheit rede ich in Christo; ich lüge nicht, und mein Bewußtsein
bezeugt mir das im Heiligen Geiste: [2} meine Trauer ist groß und
mein Schmerz unaufhörlich in meinem Herzen.
Mit einem feierlichen Schwur und einem patheltischen Hinweis auf
seinen Schmerz beginnt Paulus seine Ausführungen. Er, der als
Apostel der Heiden tausendfach kompromittiert dasteht, bezeugt
mit seinem Schwur, mit seiner Versicherung, nicht zu lügen, mit sei
nem vom Heiligen Geist erleuchteten Bewußtsein die Aufrichtigkeit
seiner Trauer, ja seines Schmerzes. In der Trauer und im Schmerz
drückt sich das Bewußtsein einer faktisch vollzogenen Entschei
dung aus, deren Realität dann durch die Trauer und den Schmerz
doch noch einmal als eine ideale Möglichkeit erlebt wird.
[3} Ja, ich möchte sogar selbst von Christus fort verflucht werden, für
meine Brüder, meine Verwandten dem Fleische nach, sie, die Israeliten
sind.
Das Pathos erreicht seine höchste Steigerung, der Schmerz und die
Trauer suchen nach einem letzten Ausdruck. Paulus möchte, daß
das Anathema über ihn verhängt würde um seiner Brüder willen,
seiner Verwandten nach dem Fleische, die Israeliten sind. Er kann
sich nicht genug daran tun, sie mit Ausdrücken zu benennen. Die
ganze Zärtlichkeit seiner Verbundenheit mit ihnen wird in der
sprachlichen Ausdrucksfülle sichtbar. Ich bin ja euer Bruder, ihr
seid Fleisch von meinem Fleische, ihr seid Israel und habt damit den
Namen, den Gott Jakob gegeben hat, den Namen, an dem der Se
gen haftet. Man spürt, wie der Apostel in seiner ganzen morali
schen, physischen und religiösen Existenz sich mit seinem Volke
verbunden weiß. Als ein existentielles Problem ist dasVerhältnis der
Synagoge zur Ekklesia für Paulus gegeben. Nur so versteht man
dann auch die Möglichkeit seines Wunsches, anathematisiert zu
werden um der >>Brüder« willen. Die Bereitschaft zu diesem Opfer
stammt aus der Tiefe und Allseitiglkeit seiner Verbundenheit mit
dem j ü dischen Volke, mit dem Israel Gottes.
{4} denen der Sohnestitel, die Glorie, die Testamente, die Gesetzge
bung, der Kult und die Verheißungen zu eigen sind, [5} zu denen die
Väter gehören und von denen Christus stammt, soweit er dem Fleische
[aap�J angehört, der da ist über alle Gott, gepriesen in die Aonen.
Amen.
244/245 DIE KfRCHE AUS JUDEN UND HEIDEN 145
von Abraham macht noch nicht zum Samen Abrahams im Sinne der
göttlichen Verheißung14, sondern die sind Abrahams Kinder, denen
der Kindesname beigelegt wird. Der Vers 8 wiederholt zunächst
den Gedanken des vorhergehenden Verses, erweitert ihn dann aber
durch den Begriff der Gotteskindschaft und durch die Einführung
des Begriffes der Verheißung. Warum ist Isaak, der Spätergebo
rene, dem Ismael vorgezogen worden? Die Antwort lautet: Weil er
der Sohn der Verheißung [Gen. 1 8 , 1 0 und 14] ist. Nur wo eine
Verheißung vorliegt, ist echte Sohnschaft gegeben. Aus der natürli
chen Ordnung heraus gibt es keine Abrahamskinder, keine Gottes
kinder. Durch die Verheißung aber wird die Abrahamskindschaft,
die Gotteskindschaft der natürlichen Sphäre entnommen und zu
etwas Übernatürlichem, zu etwas Pneumatischem. Wie wunderbar
war doch die Geburt Isaaks! Sie geschah auf Grund einer Verhei
ßung. Alle natürlichen Voraussetzungen, die bei der Geburt Ismaels
gegeben waren, fehlten. Abraham war ein ganz alter Mann, und Sa
rah war unfruchtbar. Und doch wird nun Isaak geboren. Was kann
das anderes besagen, als daß hier ein Wunder, ein pneumatischer
Vorgang gegeben ist? In Gal. 4,21-31 hat Paulus ausgeführt, daß
Isaak der Prototyp der Christen ist. Sie sind der Verheißung Kin
der, nicht die Söhne der Magd, sondern der Freien. Man versteht
das alles, wenn I man sich deutlich macht, daß es dem heiligen Pau
lus darauf ankommt, den Unterschied der pneumatischen gegen
über der natürlichen Ordnung herauszustellen. Ismael gehört der
natürlichen Ordnung an, Isaak der pneumatischen. Darum kann
Isaak ein Typos der an Christus gläubig Gewordenen sein, Ismael
jedoch wird zum Typos der Juden, die auf ihre fleischliche Abkunft
von Abraham pochen. Wir sind wie Isaak Kinder der Verheißung,
sie aber sind die fleischlichen Kinder, die mit Ismael und Hagar in
die Wüste geschickt werden. Sagt man zu viel, wenn man behaup
tet, daß dieses als Schicksal des jüdischen Volkes in Erfüllung ge
gangen ist? Sind nicht die Juden in die Wüste geschickt worden? Er
füllen sie nicht die ganze Welt mit der Unruhe ihres Wüstenaufent
haltes? Aber hören wir auch die Warnung, die an uns ergeht, die wir
nicht in der Wüste, sondern in der Stadt Gottes leben, daß nämlich
nur die Kinder der Verheißung auch wirklich Kinder Gottes sind.
Es ist eine Gefahr, daß man bei leiblicher Abkunft von christlichen
Eltern diese Kinder schon für die Kinder Gottes hält. Das heilige
Sakrament der Taufe erhebt Einspruch gegen eine solche Vorstel
lung. Die heilige Taufe sagt uns, daß wir nur durch den Heiligen
Geist, nur durch das Pneuma zu Kindern der Verheißung werden.
Der Apostel geht von den Juden zu den Heiden. Er nimmt das Be
wußtsein, zu dem Volke Israel zu gehören, mit. Aber dieses Volk,
25012511252 DIE KIRCHE AUS JUDEN UND HEIDEN 149
zu dem er gehört, geht nun nicht mehr aus dem einen Mutterschoß
der Sarah, sondern aus dem einen Mutterschoß des Taufbeckens
hervor. Alle die Begriffe der Ehe, der Zeugung und der Kindschaft,
die im Judentum eine so große Rolle spielen und dort von einer
göttlichen Verheißung I begleitet erscheinen - alle diese Begriffe,
sage ich, gehen in die Kirche über und bekommen Jetzt 1hren elgen
tümhchen, neuen, transparenten und pneumatischen Sinn. Da wird
aus der jüdischen Ehe das in der Taufe gefeierte Mysterium der Ehe
Christi mit der Kirche15, da wird aus der jüdischen Zeugung die
pneumatische Zeugung aus dem Taufwasser, wie sie vielleicht am
stärksten im Ritual der Weihe des Taufwassers zum Ausdruck
kommt16, da wandelt sich der Begriff der Abrahamskindschaft in
den Begriff der Gotteskindschaft. Was hier in Dogma, Sprache und
Ritus der heiligen Kirche vorliegt, entspringt nicht irgendeiner
Willkür, sondern ist der Kirche von Israel aus vorgezeichnet. Daß
etwa das Trishagion in der heiligen Messe oder das Bild von der
zeugenden und der gebärenden Kraft des Taufwassers im Rituale
der Taufwasserweihe auftritt, das ist weder als geschmackvolle li
turgische Erfindung noch als Produkt einer sogenannten »histori
schen« Entwicklung zu begreifen, sondern nur theologisch aus dem
Mysterium der Kirche aus Juden und Heiden heraus verständlich
zu machen. Weil eben das Wort Gottes nichteinen Mißerfolg erlebt
hat, weil Israel wirklich erwählt worden ist, darum wird nun auch
dem Abraham bis heute Samen in der heiligen Taufe erweckt17.
Darum gibt es Sohnschaft in der Kirche, darum Glorie Gottes in der
Kirche, darum die Testamente Gottes, das Gesetz, den Kult, die
Väter und auch den Messias nach dem Fleische18•
I10/Aber nicht nur dies, sondern auch Rebekka, die von einem Manne
schwanger war, niimfich unserem Vater lsaak, ist ein Typ1u; I 11J denn
als die Kinder noch gar nicht geboren waren und also noch Igar nichts
Gutes oder Böses getan hatten, wurde ihr gesagt - 112] damit auf
Grund von Auswahl der Ratschluß Gottes bestehen bleibe, nicht auf
Grund von Werken, sondern aufGnmd dessen, der benift -; der Grö
ßere wird dem Kleineren dienen, f 13 J wie geschrieben steht: Jakob
habe ich geliebt, Esau aber haßte ich.
Wieder greift Paulus für seine Beweisführung auf die Geschichte
der heiligen Patriarchen zurück19• Hatte man gegenüber dem vori
gen Beispiel einwenden können, daß das Vorhandensein zweier
verschiedener MUtter, der Hagar und der Sarah, natürlich eine ver
schiedene Behandlung der Nachkommenschaft ermöglichte, so war
dieser Einwand gegenüber Jakob und Esau nicht möglich. Beide
stammten von ein und derselben Mutter ab, waren sogar Zwillinge,
und doch hat sich nun gezeigt, daß Gott den einen annimmt und
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den andern verwirft. Man kann nicht einwenden, daß der eine an
genommen worden sei, weil er Gutes getan habe, und der andere
verworfen worden sei, weil er Böses begangen habe; nein, der Ent
schluß bei Gott stand schon fest, als sie beide noch im Mutterschoße
ruhten, also noch gar nicht die Möglichkeit hatten, Gutes oder Bö
ses zu tun.
Halten wir zum Verständnis dieser Verse zunächst das eine grund
sätzlich fest, daß hier nicht das Problem der Erwählung einzelner
Personen, sondern die Erwählung eines Volkes - eben des »wah
ren« Israel - zur Erörterung steht; denn nicht alle, die aus Israel
sind, so hieß es früher, sind auch »Israel«. Warum wird die Ekklesia
der Synagoge vorgezogen? Warum muß Esau dem Jakob, warum
der Größere dem Kleineren dienen20? Die Antwort laultet: Weil
Gott stets nur auf Grund von Auswahl handelt. Aber was bedeutet
denn hier der Begriff der Auswahl? Nichts anderes, als was vorher
der Begriff der Verheißung besagt hatte, nämlich, daß Gott nicht
auf Grund der natürlichen Ordnung handelt, sondern übernatür
lich. Kinder Gottes werden nichtgeboren, sondern wiedergeboren. Sie
werden geboren auf Grund von »Verheißung« oder auf Grund von
»Auswahl«. Das ,. Volk Gottes«, das »wahre Israel«, die Ekklesia, ist
also kein aus der natürlichen Ordnung heraus sich konstituierendes
Gebilde wie die Synagoge. Die Kirchenväter haben diesen Unter
schied zwischen synagoga und ecclesia schon im Sprachlichen ge
spürt. Die synagoga ist ihnen eine congregatio, die Versammlung
einer grex, also letzthin ein natürliches Gebilde. In der ecclesia ha
ben sie dagegen das: tKKaA-Etv, die evocatio, das Herausrufen aus
der Welt mit ihren natürlichen Ordnungen und natürlichen soziolo
gischen Schöpfungen vernommen21.
Dasselbe meint nun der heilige Paulus auch, wenn er sagt, daß Gott
nur auf Grund von Auswahl sein Volk beruft. Aber hatten denn
nicht auch die Juden von einer Erwählung Israels gesprochen?
Welch ein Unterschied besteht denn zwischen dem Erwählungsbe
griff der Juden und dem Auswahlbegriff des heiligen Paulus? Als Is
rael bekannte, daß Gott sein Volk aus allen Völkern der Welt sich
erwählt hatte, da wurde scheinbar der natürliche Bestand der Welt
von dieser Erwählung sozusagen gar nicht tangiert. Der Ausdruck
dafür war, daß das einmal erwählte Volk nun auf Grund seiner
natürlichen Fortdauer glauben konnte, auch für immer das erwählte
Volk zu sein. Die einzige Gefahr, von der es, aus diesem I Gesichts
punkte heraus, bedroht war, konnte nur in der Bedrohung seiner
natürlichen Fortdauer erblickt werden. An diesem einen Punkte
hing alles. Man versteht, welche� Gewicht jetzt die ,.fleischliche«
Sphäre für die Juden bekommen mußte22. Ehelosigkeit hat keine
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fung des Pharao genannt, weil nur in den beiden Akten der Erbar
mung und der Verwerfung zusammen die volle Freiheit Gottes
letzthin ihren Ausdruck findet.
{1.9] Nun wirst du mir sagen: Was wird er denn da noch getadelt?
Denn wer kann seinem Willen widerstehen ? {20] 0 Mensch, wer bist
du denn, daß du gegen Gott Widerrede führst? Sagt etwa das Gebilde
zu seinem Bildner: Was hast du mich so geschaffen? {21] Oder hat
nicht der Töpfer Macht, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Pracht
und das andere zum Schmutz herzustellen?
Wer ist der, der Vers 19 den Einwand macht? Es ist der Jude. Der
Jude, der nicht mehr mit Paulus [Vers 19), sondern, wie Vers 20
zeigt, mit Gott disputiert. Daß der Jude unversehens aus einem Dis
put mit einem Menschen in einen Disput mit Gott hinübergleitet,
das hat für Paulus etwas Erregendes. Darin dokumentiert sich die
Grundposition des fleischlichen Juden, der Gott in die menschliche,
ja in die jüdische Sphäre hineinzieht. Aber auch inhaltlich doku
mentiert sich der Einwand als ein spezifisch jüdischer Einwand, in
sofern der Jude, als der Mann des Gesetzes, die Freiheit Gottes nur
wiederum als ein Gesetz, als einen Determinismus, verstehen kann,
anstatt in ihr die Quelle des göttlichen Erbarmens zu suchen.
[22] Und wenn nun Gott, der seinen Zorn erweisen will und kundtun,
was er an Möglichkeit hat, mit großer Langmut die für den Untergang
reifon Gefäße des Zornes ertragen hat, {23] und um kund/zutun den
Reichtum seiner Glorie an den Gefäßen seiner Erbarmung, die er zur
Glorie vorherbestimmt hat?
Die mit Vers 22 beginnende Periode ist ein Anakoluth . Die Antwort
auf die rhetorische Frage lautet: Natürlich, Gott kann machen, was
er will. Doch beachten wir den GedankenfortSchritt! Vers 22
spricht von der »Langmut<< Gottes und Vers 23 von der >>Vorherbe
stimmung zur Glorie«. Damit ist deutlich zum Ausdruck gebracht,
daß wir uns in dem eschatologischen Gedankenkreis befinden. Das
heißt nun aber, daß auch der Begriff der Auswahl, von dem vorher
die Rede war, der eschatologischen Sprache angehört29• Die Sonde
rung der beiden Völker, die Berufung des geistigen Israel in der
Kirche und die Verwerfung des fleischlichen Israel in der Syn
agoge, das ist nicht etwas, was in der Weltzeit, sondern was in der
Gotteszeit, in der eschatologischen Zeit30 vor sich geht. Der fleisch
liche Erwählungsbegriff der Juden, der an der natürlichen Sphäre
nichts ändert, vollzieht sich in der natürlichen Zeit, in der Weltzeit.
Der pneumatische Erwählungsbegriff der Ekklesia aber, der von
der Sphäre des Pneumatisch-Ubernatürlichen bestimmt ist, tangiert
auch den Begriff der natürlichen Zeit, der Weltzeit, der historischen
Zeit, und ersetzt ihn durch den Begriff der eschatologischen Zeit.
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Der Begriff der Langmut Gottes, von der Vers 22 redet, hat nur in
der eschatologischen Zeit einen echten Sinn. Gott erträgt das Gefäß
des Zornes - das fleischliche Israel -, so wie der Herr im Gleichnis
Jesu sich bestimmen läßt, den Baum, den er eigentlich umschlagen
wollte, noch »dieses« Jahr stehenzulassen31 Dieses »noch dieses
Jahr«, das ist die I eschatologische Zeit, das ist die Gotteszeit, .:las ist
die Zeit der Langmut Gottes gegenüber den Juden. Daß die Juden
noch nicht untergegangen sind, daß die Synagoge noch heute be
steht, das ist ein Zeichen der eschatologischen Langmut Gottes, die
immer noch >>dieses Jahr« auf die Bekehrung des fleischlichen Israel
wartet. Keine Macht der Welt wird das Judentum ausrotten kön
nen. Ja nicht einmal die Juden selber werden sich ausrotten können,
solange Gottes Langmut die Gefäße des Zornes noch >>dieses Jahr«
erträgt. Auf der anderen Seite zeigt Vers 23, der von dem Glorien
reichtum spricht, der an den Gefäßen des Erbarmens kund werden
soll, daß auch der Ekklesia noch eine letzte Verherrlichung durch
die göttliche Glorie bevorsteht. Wir alle warten ja der ecclesia tri
umphans. So ist also durch die Umerscheidung der Synagoge und
der Ekklesia noch keine endgültige Entscheidung gegeben. Syn
agoge und Ekklesia gehören vielmehr bis zum Jüngsten Tag zusam
men32, und darum stehen ja ihre Figuren auch an unseren mittelal
terlichen Kirchen nebeneinander. Gott wartet immer noch auf die
Bekehrung der Synagoge : Der Ekklesia aber, die zwar zur Glorie
vorherbestimmt war und Glorie hat, fehlt doch noch ihre letzte Ver
herrlichung aus dem Glorienreichtum Gottes. Damit ist dann ein
Problem angedeutet, das Paulus in Kapitel 1 1 ausführlich behan
deln wird.
[24} Die er auch gerufen hat - uns -, und zwar nicht nur aus den
Juden, sondern auch aus den Heiden.
Der Vers zeigt deutlich, daß die ganzen vorhergehenden Erörte
rungen über die Frage der Berufung, der Auswahl, der Verhärtung
und des Erbarmens für Paulus keine auf Individuen bezogeinen Pro
bleme sind, sondern daß es ihm immer nur um die Frage nach der
Kirche aus Juden und aus Heiden, nach dem Verhältnis der Ekkle
sia zur Synagoge geht. Der Vorherbestimmung der Ekklesia zur
Glorie entspricht, daß zur Ekklesia Juden und Heiden eingeladen
sind. Mit der Berufung der Heiden zum Volke Gottes ist also die jü
dische Unterscheidung von Juden und Heiden aufgehoben. Damit
ist aber auch der jüdische Erwählungsbegriff transzendiert, der das
eine Volk im Gegensatz zu den Weltvölkern erwählt weiß. Die
.Transzendierung des »fleischlichen« Erwählungsbegriffes zeigt sich
darin, daß jetzt Juden und Heiden zur Ekklesia berufen werden.
Die Berufung der Heiden zum Volke Gottes ist nun aber nicht ein-
156 THEOLOGISCHE TRAKTATE 26212631264
dem Glauben kommt. Und doch fordert ja gerade die Berufung des
wahren Israel den Glauben. Wo ein pneumatisches Israel berufen
wird, das nicht auf die fleischliche Abkommenschaft von Abraham
pocht, da kann auch nicht die natürliche Erfüllung des Gesetzes,
sondern nur der übernatürliche Glaube das Fundament des wahren
Zion sein. Das aber ist die Ekklesia, die auf den heiligen Felsen
Christi gegründet ist, die weiß, daß sie ihr Funldament nicht in sich
selber trägt, nicht in der fleischlichen Abstammung von Abraham
und nicht in der natürlichen Erfüllung irgendwelcher Gesetzesvor
schriften, die sich nicht als ein Stück der natürlichen Ordnung der
historischen Zeit, der Weltzeit, kennt, und sei es selbst als ein auser
wähltes Stück dieser natürlichen Ordnung - die sich vielmehr durch
Gottes Erbarmen berufen und durch den Mund der Propheten ver
heißen weiß für jene letzte Zeit, in der alles auf die Entscheidung
Gottes :wdrängt in Zorn und Liebe, in Verhärtung und Erbarmen.
Noch aber ist diese Entscheidung nicht gefallen. Noch trägt Gottes
Langmut »die Gefäße des Zornes« . Noch steht die klagende Syn
agoge neben der Ekklesia. Noch betet die heilige Kirche am Kar
freitag für die Bekehrung der perfidi Judaei.
Cap. X
[1/ Ihr Brüder, die NeigHng memes Herzens und mein Gebet zu Gott
bitten for sie, daß sie gerettet werden.
Das Gebet der Kirche für die Bekehrung der Juden ist also ein apo
stolisches Gebet. Der heilige Paulus hat dieses Gebet der Kirche
vorgebetet.
[2] Denn ich bezeuge ihnen, daß sie einen Eifer um Gott haben -aber
nicht mit Einsicht.
Der Eifer um Gott ist einer der Charakteristischesten Züge jüdischer
Frömmigkeit. Auch der ungläubige Jude ist ja noch immer ein Eife
rer. Vielleicht eifert er heute als Sozialist um die Gerechtigkeit, viel
leicht als Pazifist um einen Frieden, der nicht von Gott, sondern von
den Menschen kommt. Aber der Eifer des fleischlichen Israel um
Gott ist ohne Einsicht, damals wie heute. I
[3/ Denn da sie Gottes Gerechtigkeit verkannten und die eigene auftu
richten versuchten, wurden sie der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan.
Die Juden eifern um die Gerechtigkeit Gottes. Die Richtigkeit die
ser Behauptung wird durch den Gerechtigkeitseifer der ungläubi
gen Juden eigentlich noch besonders deutlich herausgestellt. Aber
diesem Eifer um die Gerechtigkeit Gottes fehlt nun die innere Ablö
sung von sich selber. Der um Gott eifernde Jude wird mit Wesens-
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zuholen. {8} Sondern was sagt sie? Nahe bei dir ist das Wort, in dei
nem Munde I und in deinem Herzen. Das aber ist das Wort for den
Glauben, das wir verkündigen.
Die letzten Verse bedienen sich der Schriftstelle Deut. 30, 11-14. In
ihnen fordert Moses zu einer tätigen Erfüllung des Gesetzes auf.
Wie um die Juden zu locken, sagt er: Das Gebot ist ja nicht im Him
mel, auch nicht jenseits des Meeres, ihr braucht es euch nicht erst zu
holen, ihr habt es schon, es ist mitten unter euch. Ja, sagt Paulus,
das ist wahr. Das Gebot, nein - so korrigiert er die Stelle aus dem
Deuteronomium -, das Wort ist mitten unter euch. Ihr braucht
nicht in den Himmel zu steigen, um das Wort, das heißt Christus,
aus dem Himmel zu holen. Ihr braucht nicht über das Meer zu fah
ren- und wieder korrigiert er-, nein, ihr braucht nicht i n die Hölle
hinabzusteigen, um Christus von den Toten heraufzuholen, denn
das Wort Gottes für die Gläubigen ist in der Predigt der Apostel ge
genwärtig. Die Juden hatten die Stelle aus dem Deuteronomium so
verstanden. Das Gebot Gottes ist nahe, nämlich da, wo der Lehrer
in den Lehrhäusern das Gebot auslegt. Wir brauchen das Gebot
nicht erst im Himmel und nicht jenseits des Meeres zu suchen. Dort
ist es nicht. Wir haben es in der Synagoge. Sagt Paulus dasselbe wie
die Juden? Ist das Wort Gottes vielleicht in einer christlichen Syn
agoge gegenwärtig? Nein, Paulus behauptet etwas ganz anderes. In
der Synagoge ist das Gebot nahe, weil es nicht im Himmel und nicht
jenseits des Meeres ist. In der Ekklesia aber ist das Wort nahe, weil
es im Himmel und weil es im Abyssos ist und als solches von den
Aposteln verkündet wird. In der Synagoge ist also das Gebot prä
sent, in der Ekklesia aber das Wort, der Logos, der im Himmel und I
in der Hölle ist und der von den Aposteln verkündet wird. Aber
warum wird das alles ausgeführt? Weil die Gottesgerechtigkeit
nicht als ein Gebot, das gewußt und gelernt werden kann, in den
Schulen zu Hause ist, sondern weil es als das Wort, als der Logos im
Kosmos für den Glauben gegenwärtig ist. Damit ist in einer neuen
Form nur wieder umschrieben, daß es Gottesgerechtigkeit nicht in
der natürlichen, sondern nur in der übernatürlichen Sphäre gibt,
nicht in der natürlichen Ordnung der Synagoge oder der Schule,
sondern in der übernatürlichen Ordnung der Ekklesia; daß Gottes
Gerechtigkeit also auch nicht vermittelt wird durch den Unterricht
von Lehrern an Wissen Erwerbende, sondern durch das Kerygma
von Aposteln an Glaubende. Das Kerygma der Apostel aber hat in
seinen Bestandteilen auch das Bekenntnis von der Höllen- und der
Himmelfahrt Christi.
{9] Denn wenn du mit deinem Munde den Herrn [den Kyrios] ]esus
bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten
270/2711272 DIE KIRCHE AUS JUDEN UND HEIDEN 161
des Zornes denkt - die Gott freilich jetzt noch mit unbegreiflicher
Langmut trägt-, dann wird es verständlich, daß beides, der Glaube
sowohl ! wie der Unglaube, als von den Propheten geweissagt er
scheint.
[17} Also: Der Glaube kommt aus dem Hören. Zum Hören kommt es
aber mittels des Wortes Christi.
Vers 17 istnur eine aufVers 18 überleitende Zwischenbemerkung.
[18] Aber, sage ich, haben sie es etwa nicht gehört? Doch, aufjeden
Fall: Über die ganze Erde ist ihr Schall ausgegangen und an die Gren
zen der Welt ihre Worte.
Der Glaube, das Bekennen, das Kerygma, ja selbst der Unglaube
war geweissagt worden. Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit,
den Unglauben Israels rational zu erklären. Vielleicht hatten sie das
Kerygma überhaupt nicht gehört? Nein, auch diese Möglichkeit ist
ausgeschlossen. Daß Israel das Kerygma gehört hat, auch das ist ge
weissagt, wie Ps. 1 8 , 5 zeigt. Die Verkündigung von dem Kyrios des
Kosmos wird in dem ganzen Kosmos vernommen: Ȇber die ganze
Erde ist ihr Schall ausgegangen und bis an die Grenzen der Welt
ihre Worte.« Aus dem kosmisch-universalen Charakter des aposto
lischen Kerygma ergibt sich also die Unmöglichkeit der Annahme,
daß Israel von dem Kerygma nichts gehört hätte. Es gibt in der Tat
keinen Juden, der nichts von Christus wüß te, der von dem Kerygma
der Kirche nichts gehört hätte.
[19/ Aber, sage ich: Hat Israel vielleicht nicht verstanden? -Moses sagt
als erster: Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nichtvolk, aufein
unverständiges Volk will ich euch zornig machen. [20] Und fesaja
wagt es und sagt: Ich ließ michfinden von denen, die mich nicht such
ten; offenbar wurde ich denen, die nicht nach mir fragten. [21J Zu
Israel Iaber sagt er: Den ganzen Tag breite ich meine Hände aus nach
einem Volk, das ungehorsam ist und widerspricht.
Die Antwort auf die Frage: Hat Israel vielleicht nicht verstanden?
muß lauten: Oh, Israel hat sehr wohl verstanden, um was es sich
handelt. Aber Israel ist ungehorsam gewesen. Doch auch dieser sein
Ungehorsam ist geweissagt.
Welcher Sinn, so fragen wir noch einmal, liegt dahinter, daß nach
der Meinung des Apostels Paulus der Glaube und der Unglaube,
das Bekennen und der Ungehorsam von den Propheten geweissagt
worden sind? Die Antwort muß lauten: Der Glaube der Ekklesia
wie der Unglaube der Synagoge sind keine Phänomene innerhalb
der historischen Zeit, sie sind keine natürlichen, keine historischen
Vorgänge, sondern Ereignisse, die in der Offenbarungszeit, in der
eschatologischen Zeit auftreten, und als solche sind sie nun von den
Propheten geweissagt.
164 THEOLOGISCHE TRAKTATE 27512761277
Cap. XI
{1] Ich frage jetzt: Hat Gott vielLeicht sein Volk verstoßen? Nimmer
mehr. Denn auch ich bin ein Israelit, aus Samen Abrahams und aus
dem Stamme Benjamin.
Wenn der Unglaube Israels geweissagt ist, kann der Eindruck ent
stehen, als ob Gott sein Volk verstoßen habe. Es gibt ja viele Chri
sten in der Ekklesia der Heiden, die bewußt oder unbewußt die
selbe Meinung haben. Und doch ist diese Meinung falsch. Gott hat
Ps. 1 1 3, 1 4 verheißen : »Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen.«
Gott steht zu seinem Wort. Er ist nicht ein Mensch, der seine Zu
sagen nicht hält. Gott hat sein Volk nicht verstoßen; das beweisen I
schon die Juden, die sich bekehren. Das beweist Paulus in seiner ei
genen Person. Er ist doch ein Israelit, aus Samen Abrahams und aus
dem Stamme Benjamin. Er verbirgt seine jüdische Abkunft keinen
Augenblick, nicht einmal vor den Heidenchristen in Rom mit all ih
ren möglichen antisemitischen Instinkten. Auch innerhalb der Kir
che ist in der natürlichen Sphäre die Unterscheidung von Juden und
Heiden, von Judenchristen und Heidenchristen durchaus möglich.
In Jerusalem sind zum Beispiel bis in die Hadrianische Zeit alle Bi
schöfe Juden gewesen35•
[2] Gott hat nicht sein Volk verstoßen, das er vorher erkannt hat. Oder
wißt ihr nicht, was aus Anlaß des Elias die Schrift sagt, als er bei Gott
gegen Israel Klage fohrt? [3] Herr, deine Propheten haben sie getötet,
deine Altäre zertrümmert, und ich bin allein übriggeblieben, und nun
trachten sie mir nach dem Leben. [4]Aber was sagt ihm da der Gottes
spruch? 7000 Männer habe ich mir übriggelassen, die ihre Knie nicht
vor Baal gebeugt haben. [5] So wie damals ist nun auch in der gegen
wärtigen Zeit ein Rest auf Grund von Gnadenauswahl vorhanden.
Daß Gott sein Volk nicht verstoßen hat, wird an dem ,,Rest« deut
lich gemacht, der auf Grund von Gnadenauswahl in der Kirche da
ist. Die bekehrten Juden innerhalb der Kirche sind der von Gott
verheißene Rest, typologisch in der Geschichte von Elias vorgebil
det. Wie Gott damals sich 7000 Männer übriggelassen hat, so hat er
auch jetz.t einen Rest sich erwählt. In dem Begriff des »ResteS<<
kommt nur wieder zum Ausdruck, daß die Auswahl Gottes immer
Gnadenauswahl ist.
[6] Wenn also durch Gnade, dann nicht von Werlken her, denn sonst
wäre ja die Gnade keine Gnade.
Wenn auch die Unterscheidung von Judenchristen und Heidenchri
sten innerhalb der Kirche in bezug auf die natürliche Ordnung sinn
voll ist, so setzt doch das Judenchristentum, das sich als den heiligen
Rest weiß, voraus, daß es der von Gott geweissagte Rest nur auf
2771278 DIE KIRCHE AUS JUDEN UND HEIDEN 165
hat sogar einen Sinn, denn es gibt die Möglichkeit, den Heiden das
Heil z.u bringen. Und es hat auch einen Sinn für Israel. Denn wenn
Israel jetzt sieht, wie die Heiden in die Kirche eingehen, dann wird
es eifersUchtig. Die Vorstellung, daß Israel eifersüchtig wird, ist ein
spezifisch jüdischer Begriff. Israel weiß sich Gott gegenlüber als ein
Weib, und zwar als das legitime Eheweib. Wenn aber Gott Israel
ein anderes Weib vorzieht, dann wird es eifersüchtig. Nun hat Gott
Israel, seinem Weibe, die Jungfrau, die Ekklesia, vorgezogen. Ist es
7U verwundern, daß seitdem eine gewisse Hysterie zum metaphysi
schen Charakter des jüdischen Volkes gehört37?
{12} Wenn aber ihr Straucheln Reichtum .for den Kosmos und ihr Un
terlegensein Reichtum für die Heiden gewesen ist, wieviel mehr wird
es dann noch ihr Vollendetsein bedeuten.
Stärker kann eigentlich die Prärogative Israels nicht ausgedrückt
werden als in diesem Verse eines - man vergesse das nicht! - an
Römer gerichteten Briefes. Noch das Straucheln des erwählten Vol
kes bedeutet Reichtum: Reichtum für den Kosmos, Reichtum für
die Heidenwelt. Wenn aber ihr Straucheln schon Reichtum bedeu
tet, wieviel mehr dann der Augenblick ihres Vollendetseins. Damit
ist die endgültige Bekehrung der Juden in Aussicht gestellt. Ihre Be
kehrung wird für den Kosmos und für die Heiden eine noch grö
ßere Bedeutung haben.
{ 13j Euch aber, ihr Heiden, sage ich: Ich preise meinen Dienst als Apo
stel der Heiden {14} in der Hoffnung, die, welche Fleisch von meinem
Fleische sind, eiforsüchtig zu machen und einige von ihnen zu retten.
Noch einmal taucht der Begriff der Eifersucht Israels auf. Paulus
verfolgt mit seinem Heidenapostolat nicht nur die Absicht, den Hei
den das Evangelium zu verkündigen, sondern er will zugleich damit
auch die Juden eifersüchtig machen. Wenn er auch in erster Linie
Heidenapostel ist, so denkt er doch I immer dabei auch an die Ju
den. Die Bekehrung von einzelnen Juden ist ihm nicht gleichgtiltig.
{15} Denn wenn ihre Verwerfimg fiir den Kosmos Aussöhntmg zur
Folge hatte, was kann da ihre Wiederannahme anderes als Totenbele
b�mg sein!
Wenn die temporäre Verwerfung Israels für den heidnischen Kos
mos Aussöhnung mit Gott zur Folge hatte - denn den Heiden wird
ja das Evangelium, das Wort von der Aussöhnung mit Gott, verkün
digt-, was kann dann ihre Wiederaufnahme anderes als Totenbele
bung bedeuten? Was meint der heilige Paulus hier mit der Totenbe
lebung? Wenn man daran denkt, daß das endgültige Gläubigwer
den Israels nach dem Apostel noch eine Steigerung der Gnadenver
anstaltung Gottes zur Folge haben wird, dann scheint es mir doch
am wahrschemlichsten, daß WJr das Wort von der Totenbelebung
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zu hoch, sondernfürchte dich. [21} Denn wenn Gott schon die natür
lichen Zweige nicht geschont hat, dann wird er dich erst recht nicht
schonen.
>>Zweige sind ausgebrochen, damit ich eingepfropft werde.« - Das
ist die typische Antwort des Heiden, der in der Kirche das Myste
rium der Kirche aus Juden und Heiden nicht kennt, für den es nur
das »historische« Nacheinander von Judentum und Christentum
gibt. Paulus sagt: Nicht um deinetwillen sind die Zweige ausgebro
chen worden, sondern weil sie nicht geglaubt haben. Du hast nichts
als den Glauben. Du gehörst nicht deiner Natur nach zu der grogen
Familie der Abrahamskinder. Vedierst du deinen Glauben, dann
bist du weniger als ein Jude. Verlierst du deinen Glauben, dann
sinkst du wieder in die Verwilderung deines Heidentums zurück.
Wenn du als Heide deinen Glauben verlierst, wird Gott dich noch
weniger schonen als Israel. Der Heide, der den Glauben verliert, ist
gar nichts mehr. Der Jude, der nicht an Christus glaubt, gehört
doch immerhin noch zu dem edlen Ölbaume Gottes. Die Worte des
heiligen Paulus erfahren eine furchtbare Bestätigung in der Gegen
wart. Die christlichen Völker, die ihren Glauben verlieren, verfallen
in der Tat in einem Maße der Verwilderung und der Substanzlosig
keit, das den Juden unmöglich ist.
[22] So sieh nun die Güte und die Strenge Gottes! An denen, die gefal
len sind, Strenge, an dir aber I Güte Gottes, wenn du bei der Güte
bleibst. Denn sonst wirst auch du ausgeschnitten werden.
Der Begriff der Güte Gottes ist dem Heidenchristentum korrelat.
Es ist der »liebe« Gott, den der Judenchrist in diesem Sinne niemals
kennen wird.
[23] Undjene, wenn sie nicht im Unglauben bleiben, werden einge
pfropft werden. Denn Gott kann sie wieder einpfropfon. [24] Denn
wenn du aus dem wilden Ölbaum abgehauen wurdest, zu dem du
eigentlich gehörtest, und wider die Natur in den edlen Ölbaum einge
pfropft wurdest, wieviel mehr werden dann die, die von Natur dazu
gehören, in ihren Ölbaum eingepfropft werden.'
Der Unglaube Israels ist temporär. Wenn die Juden ihren Unglau
ben an Christus aufgeben, werden sie in den Ölbaum wieder einge
lassen.
[25] Darum wilL ich euch, meine Brüder, dieses Mysterium auch nicht
vorenthalten, damit ihr nicht etwa aus euch selbst heraus weise seid.
Eine Teilverhärtung ist über Israel gekommen, bis daß die Vollzahl der
Heiden eingegangen ist. [26j Und so wird das ganze Israel gerettet
werden, wie geschrieben steht: Kommen wird aus Zion der Retter; der
wird die Frevel von Jakob abwenden, [2 7] und dies ist mein Testament
für sie, wenn ich ihre Sündenfortnehmen werde.
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Anmerkungen
7 Der christliche Kult kann nicht als »Spiritualisierung« des jüdischen Kultus inter
pretiert werden, denn n i ihm handelt es sich um eine »Ablösung« des Tieropfers
durch das Opfer des >>Menschensohnes<<. Die A.oytKTj Aa'tpeto. der Christen muß
also grundsätzlich von der sogenannten »Spiritualistischen<< Auflösung des jüdi
schen oder antiken Kultus durch die griechische Philosophie unterschieden wer
den.
8 Das bedingt gegenüber dem Judentum eine vollkommen veränderte Stellung zum
außer acht gelassen, als ob den Aposteln der Glaube und die Anfechtung des Glau
bens erspart worden wären.
12
Der Reichtum der Patriarchen hat einen auf den Reichtum der göttlichen
Gnade hindeutenden Sinn. Der Reichtum der Juden nach dem Kommen Christi
ist aber ohne Verheißung und wird daher wie die Silberlinge im Verrate Jesu
erachtet. Weil der Reichtum der Juden immer nur »theologisch« als Segen oder
Fluch verstanden weilden kann, darum bleibt er für die natürliche Betrachtung
immer problematisch.
u Es gehört zu den Torheiten modernen Denkens, sich vorzustellen, daß eine
Entscheidung Gottes [wie es die Erwählung Israels war] durch die sogenannte
>>Geschichte« korrigiert werden könnte.
14 Leo der Große hat in Sermo XXXII [In Epiphaniae Solemnitate III] sehr
schön darauf hingewiesen, daß dem Abraham die Nachkommenschaft in den
Sternen [Gen 15, 5] gezeigt wird: >>Ut ... non terrena, sed coelestis progenies
speraretur.« Ed. Venedig 1748, p. 3 1 . Mit dem Blick auf die Sterne wird von
dem Leibe und der leiblichen Nachkommenschaft weggeschaut.
15 Aus vielen Belegen greife ich nur Aponius in seinem Hohelied-Kommentar, a.
a. 0. p. 7, heraus : baptismatis ... ubi gloriosa copula Christi, filii Dei et eccle
siae celebratur. Der Gedanke ist in der syrischen Literatur häufig ausgespro
chen. Vgl. etwa Narses, Wechsellieder, ed. Feldmann, p. 1 8 .
16
Auch hier ließen sich sehr viele Belege anführen. Ich verweise nur auf das Sa
cramentarium Gelasianum, ed. Wilson, p. 85: ab immaculato divini fontis utero.
Daselbst p. 84. ad creandos novos populos, quos tibi fons baptismatis parturit.
Leo der Große hat in Sermo XXIV [a. a. 0. p. 22) den Mutterschoß der Gottes
mutter mit dem Taufbecken in Parallele gestellt: Originem quam sumpsit in
utero virginis, posuit in fonte baptismatis. Dedit aquae, quod dedit matri usw.
11
Darum kann im Gelasianum gebetet werden : praesta ut in Abrahae filios et in
Israeliticam dignitatem totius mundi transeat plenitudo [ed. Wilson, p. 82f.].
Damit vergleiche man Leo in Sermo XXXII, a. a. 0. p. 3 1 : Imret, intret in pa
triarcharum familiam gentium plenitudo et benedictionem in semine Abrahae,
qua se filii carnis abdicant, filii promissionis accipiant.
18 Wer das Verhältnis
der Kirche zur Synagoge nur noch als historisches und
nicht als theologisches Problem sieht, I kommt norwendigerweise zur Erneuerung
des gnostischen Standpunktes, der das Alte Testament und den Messias »nach
dem Fleische« zu eliminieren sucht. Insofern ist es kein Zufall, daß sich der »Hi
storiker« Harnack theologisch zu dem >>Gnostiker« Markion bekannt hat.
'9 Der sogenannte >>Schriftbeweis« für die Kirche aus den Geschichten der Pa
triarchen spielt in der Patristik eine große Rolle. Vgl. die Zusammenstellungen
bei N. Bonwetsch, Der Schriftbeweis für die Kirche aus den Heiden als das
wahre Israel bis auf Hippolyt [ Theol. Studien, Th. Zahn dargebracht], Leip
=
zig 1908. Für Hippolyt siehe noch Ad. Harne!, Der Kirchenbegriff Hippolyts.
Diss. evgl. theol., Bonn 1929, p. 1 3 ff. Hingewiesen sei wenigstens auf die Horn.
XXII in Evgl. bei Gregor dem Großen, die nicht von den Patriarchenerzählun
gen ausgeht.
zo Caesarius von Arles hat in seiner kleinen Schrift »De comparatione ecclesiae
vel synagogae« alle Beispiele aus dem Alten Testament gesammelt, in denen der
iunior dem senior vorgezogen wird. Herausgegeben von G. Morin in der Revue
benedictine, 23 [ 1 906], p. 31 ff. Caesarius erklärt gut die Häufung der Beispiele
in der patristischen Literatur. Er sagt: Wenn man nur ein oder zwei Beispiele
läse, könnte man meinen, sie könnten auch anders interpretiert werden: cum
vero toties iuniores senioribus legamus fuisse praepositos, muß man schon an
nehmen, haec divinitus dispensata esse. Z. 108 ff.
29012911292 DIE KIRCHE AUS JUDEN UND HEIDEN 173
H Röm. 8,2.
26 Auf Grund von II. Kor. 3, 15. - Wie wenig diese Gestalten der Synagoge und
der Ekklesia in der mittelalterlichen Kunst heute in ihrer theologischen Bedeu
tung erfaßt werden, dafür ist Künstle, Ikonographie der Christlichen Kunst, Frei
burg 1928, Bd. I, S. 8 1 f., ein groteskes Beispiel. Künstle führt aus, Ekklesia und
Synagoge seien die Verkörperungen des uralten theologischen Prinzips der Con
cordia veteris et novi testamenti. >>Die streitende Haltung beider in der miuelal
terlichen Kunst steht der Annahme, sie seien Symbole der concordia veteris et
novi testamenti, nicht entgegen, denn das Resultat des Streites ist stetS die concor
dia, das heißt, die Synagoge anerkenntstets, daß der alte Bund seine Erfüllung im
neuen gefunden habe.« Eine Kritik dieser Aufstellungen erübrigt sich.
2'
Nicht nur eng, sondern auch unfruchtbar ist die Synagoge geworden. Es ist
überaus schön, wenn die Synagoge für Aponius, a. a. 0. p. 227 f., die »Soror no
stra parva, et ubera non habet«, von Cantica VII, 8 ist.
2* Die Schicksale der Juden in der Politischen Welt sind letzthin nicht aus der
politischen, sondem aus der theologischen Sphäre zu begreifen.
29 Natürlich ist der »Auswahl«begriff zunächst durch den I jüdischen Auserwäh
lungsbegriff bedingt, aber seine spezifische Eigenart erhält er erst durch die Ein
ordnung in den Gedankenkreis der christlichen Eschatologie.
Jo »Eschatologische Zeit« nenne ich die Zeit, die mit der ersten Ankunft Christi
begonnen hat und mit seiner zweiten Ankunft abschließt. Ich nenne sie so, weil
diese Zeit in einem spezifischen Sinne auf das Ende [das Ecr)Ga"tov] ausgerichtet
ist. Zum Begriff der eschatologischen Zeit verweise ich auf Hebr. 1, I, wonach
Gott bt' ecrxcnou "tcllV TU.l.BPcllV "tOUt(l)V EMlAT)crev iJf.l.iV ev ui.(j). So sagt auch
das Gelasianum: quod in fine saeculorum pascha nestrum immolatus est Chri
stus [ed. Wilson, p. 82]. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren.
Jt Luk 13,8.
I.
Ihr v. Harnack
178 THEOLOGISCHE TRAKTATE 2961297
2.
Exzellenz! Erlauben Sie mir, daß ich auf Ihre letzten Bemerkungen
zurückgreife. Wenn ich Sie recht verstanden habe, so handelt es
sich darum, daß Sie als Dogmatiker [ formal] den katholischen
=
nen. In dieser Lösung sehe ich eine doppelte Schwierigkeit. 1.) Das
Urteil über historische Entscheidungen ist relativ, wie Ihre eigene
Abhandlung zeigt. Es kann zudem immer nur von Fall zu Fall Stel
lung nehmen. 2.) Die doppelte Betrachtungsweise [als Historiker
und Dogmatiker] setzt uns immer der Annahme einer doppelten
Wahrheit aus. Beispiele: Lietzmann behauptet, das Herrenmahl bei
Paulus sei Opfermahlzeit, also letztlich Messe2• Der Dogmatiker
lehrt heute das Gegenteil . Oder Holl behauptet: Die Urgemeinde in
Jerusalem habe Kirchenrecht gehabt3• Der evangelische Kirchen
rechtier behauptet, die Annahme eines Kirchenrechts sei unbiblisch.
Mundle stellt im letzten Heft der Zeitschrift für Neutestamentl.
Wissenschaft• fest, daß in der Apostelgeschichte überall die aposto
lische Sukzession vorausgesetzt sei. In der Kirche lehnt man dage
gen vom Pfarrer bis zum Generalsuperintendenten den Begriff der
apostolischen Sukzession ab.
Das ist doch ein auf die Dauer unerträglicher Hiatus, den man nicht
damit beseitigt, daß man das altprotestantische Schriftprinzip auf
gibt, ohne eine neue dogmatische Autorität dafür einzuführen. Ich
halte auch die Barth'sche Rückkehr zum Schriftprinzip für unmög
lich. Sie müßte konsequent in der strengen Verbalinspiration wie
der enden. Aber ohne jede dogmatische Autorität kann es keine
Kirche - und was schlimmer ist - keine Wirksamkeit der Kirche
mehr geben.
Ich bin so oft von Medizinern, Juristen, Nationalökonomen und
Politikern nach der Stellung der evangelischen Kirche zu Fragen
der betreffenden Sachgebiete angegangen worden. Ich habe immer
wieder feststellen müssen, daß die evangelische Kirche zu den be
treffenden Fragen keine Stellung nehmen konnte, weil ihr infolge
des Fehlens einer dogmatischen Grundlage ein »Standpunkt« nicht
möglich war. Übrig blieb nur die Unverbindlichkeit einer allgemei
nen moralischen Paränese [vergl. die Botschaft von Stockholm).
Das sehe ich deutlich, daß sich die evangelische Kirche damit um je
den Einfluß bringt, ja daß sie selber sich damit aufgibt. Die Kirche
hört auf eine »öffentliche« Größe :ru sein, wenn sie auf eine dogma
tische Stellungnahme verzichtet. Ich bin gewiß, daß wir nicht zur
297/2981299 BRIEFWECHSEL MIT HARNACK 179
Erik Peterson
3.
v. Harnack
4.
Bonn1 1 . 7. 28.
beralen) Kreise von der Bildung der außerkirchlichen Welt sich ab
hebt; wie, mit einem Worte, das Niveau in der Kirche sinkt. Es lag
mir, als dem Jüngeren, daran, Ihnen Exzellenz einmal meine tiefen
Besorgnisse mitzuteilen.
In aufrichtiger Verehrung
Erik Peterson
5.
Reichenhall, 7. 7. 28.
v. Harnack. l
Epilog
hen davon, daß keiner dieser drei Wege das Ganze ist20, ist jeder
dieser Wege aus seinen eigenen Voraussetzungen heraus auch wie
der dialektisch so sehr mit der katholischen Wahrheit verknüpft,
daß jede Apologetik oder Polemik auf katholischer Seite nur ver
wirrend wirken kann. So scheinen mir Geduld und Gebet allein
noch in einer Situation möglich zu sein, in der jeder direkte Ver
such einer konfessionellen Auseinandersetzung bei dem heutigen
Zustande protestantischen Kirchenturns notwendig immer wieder
gegenstandslos werden muß.
31 91320 193
Anmerkungen
1 Der Witwe Adolf v. Harnacks sei auch an dieser Stelle für die Erlaubnis, die
Briefe Harnacks veröffentlichen zu dürfen, gedankt.
2 H. L ietzmann, Messe und HerrenmahL Bonn 1926, S. 227.
l
Der Kirchenbegriff des Paulus in seinem Verhältnis zu dem der Urgemeinde
l- Gesammelte Aufsät:z.e z.ur Kirchengeschichte Bd. II, Der Osten, Tübingen
1928), s. ;4.
• Zeitschrift für Neutestamentl. Wissenschaft 1928, S. 41. »Man sieht ... wie
der Gedanke der unbedingten apostolischen Autorität, aber auch die Idee der
•apostolischen Sukzession< das Geschichtsbild der Apostelgeschichte be
herrscht.«
1 Pietistische Bewegung innerhalb und zum Teil auch außerhalb der evangeli
schen Landeskirchen.
6 Am stärksten vielleicht in der theologi schen Arbeit von Gegarten.
7 Der Kampf gegen das Bischofsamt in der evangelischen Kirche ist eine Oppo
sition gegen alle Bemühungen, zwischen Kirchenleitung und Theologie eine
Verbindung herzustellen.
8 Man kann nicht, wie Barth es versucht, zur Theologie des 16. Jahrhunderts
zurückkehren, ohne daß man auch zur Kirche des 16. Jahrhunderts und, was
noch wichtiger ist, zum konfessionellen Territorium des 16. Jahrhunderts zu
rückkehn.
9 Schon die früheren territorialen Veränderungen in Preußen haben ja mit der
Schaffung der Preußischen Union für den konfessionellen Charakter des Pro
testantismus verhängnisvolle Folgen gehabt. Was für eine Theologie wird erst
entstehen, wenn sich der »Deutsche evangelische Kirchenbund« einmal als
»Kirche« etabliert haben wird!
10 In letzter Zeit hat Wobbermin [s. Theologische Blätter 1932 S. 186] K. Barth
wiederholt der Begünstigung l des Katholizismus beschuldigt und ihn auch für
meine Konversion verantwortlich gemacht. Was den ersten Punkt angeht, so
hat Wobbermin au$ der Tatsache, daß Banh den Katholizismus theologisch
ernst genommen hat, schon ein »Katholisieren« konstruiert, was mir in der Sa
che falsch geurteilt zu sein scheint, denn dann hat derganze Altprotestantismus
•katholisien«. Was den zweiten Punkt angeht, so kann ich meinerseits nur die
Behauptung Banhs bestätigen, daß meine ei gene theologische Entwicklung von
.
der Barths vollkommen unabhängtg verlau fen 1st. Psychologtsch gesehen, ha
ben der Pietismus und Kierkegaard vielleicht den entscheidenden Anstoß zur
Rückkehr zum katholischen Glauben gegeben, aber letzthin führen alle Wege
des Prorestantismus nach Rom.
11
Man denke an die Arbeiten von Troeltsch, E. Weber, P. Petersen und
Eschweiler.
12 Erinnen sei an die wtchtigen Arbeiten des älteren Althaus wr Geschtchte der
Gebetsliteratur und an W. Koepps Buch über Johannes Arndt.
ll
fn diesen Zusammenhang sind auch die Anfänge der ProteHantischen Hei
denmission, die die altprotestantische Onhodoxie bekanntlich abgelehnt hat,
hineinzustellen.
u An diesem Punkte scheint mir der Kampf gegen Schleiermacher in der dialek
Vorbemerkung
Einleitung
deij rex est et conditor Christus.,, sagt der heilige Augustinus, Civ. dei
17, 4, 2 [vgl. auch das. 20, 4]. Durch sein »Blut« werden wir aus den
»Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen« losgekauft, das heißt
aus dem natürlichen Verhaftetsein in »Stämmen, Sprachen, Völ
kern und Nationen« befreit. So hat das Blut des Lammes ein neues
Volk geschaffen, das Volk der Christen, wie die Kirchenväter im
mer wiederholen23• Gegenüber allen nationalen Hymnen ist also
der Hymnus der Kirche »letzter«, eschatologischer Hymnus, wie
denn auch das Volk, das diesen Hymnus anstimmt, letztes, »heiliges
Volk« ist24• Und er ist eschatologischer Hymnus, weil »das ge
schlachtete Lamm« alle menschliche Geschichte transzendiert, in
dem ihm allein die Öffnung der Siegel auf dem in Gottes Hand ru
henden Buch verliehen ist. Insofern ist dann aber auch die Erkennt
nis der Kirche, die hinter ihrem Kult und Hymnus steht, »letzte«
Erkenntnis2s, da sie alle andere Erkenntnis, wie sie zum Beispiel aus
der konkreten politischen Situation eines Volkes sich herleitet, sub
ordiniert26. Daß der Hymnus der Kirche »letzter« Hymnus, daß er
eschatologischer Hymnus ist, drückt der heilige Johannes mit den
Worten aus: »Sie singen eine neue Ode« [vs. 9]. Die »neue Ode«,
das ist der Hymnus des neuen Äon27, unvergänglich wie dieser
selbst, während aller Stammessang, Volksgesang und nationaler
Hymnus immer wieder dem Schicksal des Veraltens verfällt.
Die »neue Ode« der Presbyter erschallt nicht allein, sondern eine
Unzahl von Engeln nimmt den Gesang auf, ein lauter Ruf ertönt:
340/341 VON DEN ENGELN 205
ist in sich einsichtig, daß das Lob, das bei den Thron-Engeln begon
nen und in der sichtbaren Schöpfung sein Ende gefunden hat, nur
mit dem Amen-Ruf der Thron-Engel bekräftigt werden kann. Da
mit endet die Schilderung des himmlischen Kultus in c. 4 und 5 der
Geheimen Offenbarung. Nach dem »Amen« gibt es nur noch eines:
die Proskynese der Presbyter (5, 14], die abschließende Gebärde,
die sich als wortlose Geste neben das »Amen« der Thron-Engel
stellt, um im Ausdruck des Körpers zu bezeugen, was als Ausdruck
der Zunge doch nur fragwürdig erscheinen könnte. I
Wir haben unsere Analyse der c. 4 und 5 der Geheimen Offenba
rung beendet. Was ist daraus zu entnehmen? Zunächst das eine,
daß es nach der Heiligen Schrift einen Kult gibt, der Gott im Him
mel von den Engeln und von den Seiigen dargebracht wird32• Dieser
Kult aber steht durch die Gestalt der Presbyter in Verbindung mit
der irdischen Kirche. Der Gottesdienst des himmlischen Jerusalem,
den die Geheime Offenbarung schildert, ist bestimmt durch den
Gesang des Sanktus, der Siegeshymnen, der Psalmen (19,6], der
»neuen Ode« und, wie Kapitel 1 9 zeigt, auch durch den Allelujah
Ruf. Der Kult im Himmel kennt endlich noch die Amen-Akklama
tion. Wir haben es also zweifellos mit einer Liturgie zu tun, das be
weisen die zahlreich in ihr auftretenden KultformelnH. Unsere
These, daß es einen Kult im Himmel gibt, an dem die irdische Kir
che teilhat, wird also durch die Heilige Schrift bestätigt. Charakte
ristisch für diesen Kult im Himmel ist aber, daß in ihm politische
und religiöse Symbolsprache3' durchemander gehen, was sich am
deutlichsten darin zeigt, daß sich die Doxologien den Akklamatio
nen nähern. Daß der himmlische Kult in der Geheimen Offenba
rung eine ursprüngliche Beziehung zu der politischen Sphäre hat,
erklärt sich daraus, daß die Apostel das irdische Jerusalem, das poli
tisches Zentrum und Kultzentrum war, verlassen haben, um sich
dem himmlischen Jerusalem, das Stadt und Königshof und doch
auch Tempel und Kultstätte ist, zu7uwenden. Damit hängt dann
das andere zusammen, daß der Hymnus der Kirche die nationalen
Hymnen transzendiert, wie die Sprache der Kirche alle übrigen
Sprachen transzendiertH Schließlich i�t zu bemerken, I daß diese
eschatologische Transzendierung dann noch zur letzten Folge hat,
daß auch der gesamte Kosmos in den Lobpreis mit hineingezogen
wird. Dieses eschatologische Hineinziehen des Kosmos in das Got
teslob hat mit dem, wenn man so sagen darf, »natürlichen« Gottes
lob der Schöpfung, das die Hymnenpoesie vieler Völker kennt
[Griechen, Ägypter, Hebräer usw.], gar nichtS zu tun. Es tritt hier
im Christentum auf, weil der gesamte Kosmos durch die eschatolo
gischen Vorgänge tangiert wird oder, wie es eine Variante des Drei-
3431344 VON DEN ENGELN 207
II
wenn man immer wieder hört, in der Liturgie sei das »Jesaja-Zitat«
mannigfach »erweitert<< worden; das bedeutet, die christliche Litur
gie wie ein Literaturwerk interpretieren\ was sie doch nicht ist, viel
mehr muß es heißen: Die Schau des Propheten hat eine Aufweitung
erfahren, weil die Glorie Gottes nicht mehr im Tempel von Jerusa
lem wohnt, sondern in dem Tempel des Leibes Christi10, der in den
Himmel aufgefahren ist.
Bemerkenswert ist auch, daß die christliche Liturgie sich nicht da
mit begnügt hat, die einfache Ausdrucksweise des Propheten zu
wiederholen, wonach die Seraphim »schreien und sagen«: »Heilig,
heilig, heilig ist der Herr Zebaoth«, sondern, daß es statt dessen in
auffallender sprachlicher Ausdrucksfülle heißt: »Mit unermüdetem
Munde und mit nie schweigenden Lobpreisungen ruft einer dem an
dem den dreimal heiligen Siegeshymnus zu, indem sie zu Deiner
Glorie singen, rufen, verherrlichen, schreien und sagen: Heilig, hei
lig, heilig ist der Herr der Heerscharen, Himmel und Erde sind voll
Deiner Herrlichkeit.« Gegenüber Jesaja ist damit die ewige Dauer
des Heilig-Rufens hervorgehoben11, wie uns das schon aus der Be
sprechung des Sanctus in c. 4 vs. 8 der Geheimen Offenbarung be
kannt ist. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß diese
Betonung der Unaufhörlichkeil des Lobpreilses Gottes durch die
Engel dem Judentum nicht bekannt ist.
Vielleicht gibt uns der Liturgietext in den Worten : »Allezeit heiligt
Dich alles« einen Fingerzeig für das Verständnis dieser Idee eines
unaufhörlichen Lobpreises. Wenn nämlich »alles«, das heißt die
ganze Schöpfung, den eschatologischen Lobpreis Gott darbringt,
dann wird ihm das Lob auch »allezeit« zuteil. Solange das Sanctus
der Seraphim dagegen nur im Tempel von Jerusalem laut wird, also
örtlich begrenzt ist, solange ist auch das Lob der Engel, wie aus den
Seite 385 f. angeführten Zeugnissen hervorgeht, zeitlich begrenzt.
Wir hätten demnach in der Idee der Unaufhörlichkeit des Lobprei
ses der Engel eine dem Judentum gegenüber polemische Wendung
zu sehen, in der sich die Abkehr vom Tempel in Jerusalem und die
Hinwendung zum eschatologischen Gotteslob im gesamten Kos
mos ausspricht.
Aber auch der sprachliche Ausdruck für »das Heiligen« Gottes
durch die Engel ist in der Liturgie gegenüber Jesaja viel differen
zierter geworden: Es heißt: »sie singen, rufen, verherrlichen,
schreien und sagen« [vgl. in der Mozarabischen Liturgie zum Bei
spiel: »perenni jubilatione decantant adorant magnificant.« Ferotin,
Liber Ordinum (1921) p. 339). Dieser Ausdrucksreichtum ist nicht
erst ein späteres Entwicklungsprodukt der Liturgie, nein, schon in
den Anfängen des Christentums begegnen wir diesem merkwürdi-
349/3501351 VON DEN ENGELN 211
gen Phänomen. Wie ich schon früher sagte [vgl . S. 333f.], ent
spricht der Ausdrucksreichtum der Liturgie der Ausdrucksfülle in
der Geheimen Offenbarung, wo etwa gesagt wird: »Preis, Ehre und
Danksagung« [4, 9]12 oder »Segen, Glorie, Weislheit, Danksagung,
Ehre, Stärke und Kraft« [7, 12]. Wenn auch die einzelnen Wendun
gen sich aus dem Alten Testament [respektive der Septuaginta] be
legen lassen, so geht doch die Häufung der mit dem Worte »Glorie«
synonym gebrauchten Substantiva weit über das frühere Maß hin
aus13. Man wird hierin wohl dasselbe Bestreben wiedererkennen
müssen, das sich in der Aufweitung des Tempels zum Himmel, der
Erde zum gesamten Kosmos und des einfachen Lobpreises zum un
aufhörlichen Lobpreise ausdrückt. Der Akt des Lobpreisens soll
transzendiert werden, wie die Glorie transzendiert worden ist, der
der Lobpreis gilt. Es wird also nicht genügen, die Differenzierung
der Ausdrücke damit zu erklären, daß nicht die Seraphim allein,
sondern die ganze differenzierte Engelwelt an der »Heiligung«
Gottes beteiligt ist. Das »Schreien und sagen« [so bei Jesaja] soll
kein natürliches »schreien und sagen<< sein, sondern ein >>mysti
scher« Lobpreis, ein »Singen, rufen und verherrlichen« zugleich, das
heißt aber, die Stimmen der Engel sollen mit diesen Wendungen
gleichsam transparent gemacht werden. Parallel damit läuft dann
der Versuch, die Engelstimmen zu charakterisieren. Nach der Jako
bus-Liturgie singen sie mit »heller« Stimme [Brightman a.a.O. p.
SO, 29 f. und die Liturgie der syrischen Jakobiten p. 86, 9], nach dem
heiligen Ephraem mit »Harfenstimmen« [H. Grimme, Der Stro
phenbau Ephraems S. 25], nach dem slawischen Henoch mit »Sanf
ten« Stimmen [XX, 4], nach dem heiligen Ambrosius: »cum suavi
tate canorae vocis« (zu Ps.1,2 P. L. XIV Sp. 965 A, vgl. Cassiodor
zu Ps. 32 canoris vocibus P. L. LXX Sp. 226 D]. Es wäre leicht,
diese Beispiele zu vermehren. I
Wir glauben, im vorhergehenden gezeigt zu haben, daß alle Verän
derungen des Jesajas-Textes in der Liturgie sich aus einem einheit
lichen theologischen Prinzip heraus erklären lassen. Weil die Chri
sten den Tempel von Jerusalem verlassen haben, um sich dem Tem
pel im Himmel zu nahen, weil die Glorie Gottes nicht mehr im irdi
schen Tempel weilt, sondern in dem Tempel des Leibes Jesu, der in
den Himmel aufgefahren ist, darum erschallt das Sanctus nicht
mehr auf der Erde, sondern im Himmel, darum werden die Sera
phim auf dem Hintergrunde der Engelordnungen gesehen, darum
wird aus dem Schreien der Seraphim ein ewiger Hymnus, darum
wird die Stimme der Engel transparent, und darum wird auch der
Himmel der Herrlichkeit Gottes voll. Der hier gemachte Versuch,
die Veränderungen im Sanctus-Ruf der Liturgie gegenüber dem
212 THEOLOGISCHE TRAKTATE 35113521353
Kosmos. Mag darum der Lobpreis von Sonne, Mond und Sternen
usw. in der Liturgie auch fortfallen können [so in den Präfatione.n
der Römischen Messe], niemals wird im Kult der Kirche der Hym
nus der Engel fehlen dürfen, denn er erst gibt dem Lobpreis der Kir
che jene Tiefe' und Transzendenz, wie sie durch den Charakter der
christlichen Offenbarung gefordert wird. Der Kultus der Kirche
stammt, als eschatologischer Kult, nicht aus der sich selbst genügen
den, in sich selber geschlossenen Natur, sondern aus einem mensch
lichen Sein, das durch die höhere Seinsordnung der Engel transzen
diert, durch den Lobpreis der Geisterwelt erst zum eigenen Lob
preis geweckt wird.
Der Lobpreis der Menschen kommt erst zum Lobpreis der Engel
hinzu, das besagt, daß der Mensch in der Liturgie nur in einem kos
mischen Ganzen gesehen wird und daß er nur aus diesem kosmi
schen Ganzen heraus handelt. Unsere früheren Darlegungen in der
Analyse der c. 4 und 5 der Geheimen Offenbarung haben ja zu zei
gen versucht, in welchem Sinne das Ganze des Kosmos in die Erlö
sung und damit auch in den Lobpreis der Erlösung mit hineingezo
gen wird. Wenn aber der Lobpreis des Menschen erst zum Lobpreis
der Engel hinzukommt [vgl. das »Cum quibus (Engel] et nostras vo
ces ut admitti jubeas, deprecamur« in der Praefotio de Quadragesima
in der römischen Messe; ebenso daselbst in der Prae/atio de S.
Cruce], dann ist damit I auch das andere ausgesprochen, daß die
»Heiligung« Gottes im Lobpreis der Menschen nicht so ursprüng
lich ist wie der Lobpreis des Engels.
Der Mensch muß zum Lobpreis Gottes im Kultus erst aufgefordert
werden18. Durch das »Gratias agamus Domino Deo nostro« wird er
an seine Pflicht erinnert, und durch das »dignum et justurn est« bin
det er sich feierlich für diesen Dienst19• Darum bitten wir ja auch im
Vaterunser, daß »der Name GotteS« auf Erden »geheiligt« werden
möge, wie er im Himmel - von den Engeln - schon »geheiligt«
wird20. In diesem Faktum, daß die Heiligung Gottes im Lobpreis
des Menschen nicht so ursprünglich ist wie der Heilig-Ruf des En
gels, gründet der Unterschied zwischen der himmlischen und irdi
schen Liturgie.
Daß die Kirche in den Sanctus-Ruf der Engel mit einstimmt, bedeu
tet aber auch, daß die Liturgie der Kirche sich in eine große Ord
nung eingliedert, gliedern sich doch auch die Seraphim, deren Ge
sang die Kirche aufnimmt, in eine Ordnung von andern Engeln ein.
Dieser Drang nach Eingliederung und Gliederung im Kult der Kir
che stammt also nicht aus einem menschlichen Ordnungsbedürfnis,
sondern aus jenem göttlichen Ordnungswillen, der den erlösten
Menschen als zehnten ordo den neun ordines angelorum einordnet
214 THEOLOGISCHE TRAKTATE 35413551356
worden [Byz. Z. 1906 p. 27]43. Nach dem Ordo des Jakob von
Edessa »Steht das himmlische Heer um das Baptisterium, um die
Gott ähnlichen Söhne in Empfang zu nehmen« [Assemanni, Cod.
Liturg. II 226 = Denzinger, Ritus orientalium I 287]. Das führt
dann zu der andern Vorstellung hinüber, daß der Mensch im Au
genblick der Taufe seinen Schutz-Engel empfängt. Vgl. Zl.. m Bei
spiel Ps. Macarius P. G. 34 Sp. 221 B. Le Livre des Mysteres. Patrol.
Or. VI p. 420f. usw. Andere Ideen-Zusammenhänge zwischen der
Taufe und den Engeln können hier unerörtert bleiben, jedenfalls ist
deutlich geworden, daß das Sakrament der Taufe in der alten Kir
che mit der Engelwelt in einen inneren Zusammenhang gebracht
worden ist. Dasselbe läßt sich nun aber auch von der heiligen Eu
charistie sagen. Auch hier haben wir wieder das Doppelte festzu
stellen, daß der Engel entweder in die Kulthandlung direkt eingreift
oder aber in der heiligen Messe präsent gedacht ist. Das wichtigste
Zeugnis für die erste Vorstellung ist die Bitte im Kanon der Römi
schen Messe [Supplices te] : »iube haec per/erri per manu.s sancti an
geli tui in sublime altare tuu.m, in conspectu divinae maiestatis tuae«44•
Wir haben Parallelen zu der Bitte um Annahme des Opfers durch
die Hand der Engel in der Mozarabischen Liturgie: »Ut sanctificata
sumamus per manus sancti angeli tui« [P. L. 85 Sp. 1 16 und 550) oder
»accepta discurrente sancto angelo wo nobis sanctificata distribuas«
[das. Sp. 590], auch: »huius sacrificii munera per manus angeli tui iu
beas sanctificari« [Sp. 1031 J usw.4s I
Für die Gallikanische Messe haben wir das Zeugnis des Germanus
p], der in der Epistula seamda de commtmi officio in bezug auf die
Messe der Ostervigil sagt: »Angelus enim Dei ad secreta super altare
tamquam super monurnenturn descendit et ipsam hostiam benedicit, in
star illius angeli, qui Christi resurrectionem evangelizavit« [Text nach
Johs. Quasten, Expositio antiquae Liturgiae Gallicanae Germano
Parisiensi adscripta (Münster 1934) p. 27, 19 sq.]. Schließlich haben
wir in der Ostkirche, in dem uns bekannten Text der Markus-Litur
gie, eine ähnliche Vorstellung. Der Priester betet, Gott möge die
Gaben aufnehmen »Zu seinem heiligen, himmlischen und geistigen
Altar in die Größe der Himmel durch seinen von den Erzengeln ge
leisteten Dienst« [Brightman p. 129,20 sq.J. Man hat gemeint, von
hier aus den Engel im SJtpplices-te-Gebet der Römischen Messe ver
stehen zu können. Aber das muß fraglich bleiben46. Sicher ist jedoch
das andere, daß in den Messen des Ostens und Westens von einem
Eingreifen des Engels in die eucharistische Handlung geredet
wird47• Daneben haben wir dann die andere Vorstellung, daß die
Engel während der heiligen Eucharistie am Opferaltar gegenwärtig
sind48• Wenn der Pnester zum Altar schreitet, um das unblutige
220 THEOLOGISCHE TRAKTATE 3641365/366
Deus non est sine suis nuntiis; altero modo intelligitur, quia si nos in
tendimus corde, quod ore dicimus, nostra intentio similis est intentioni
angelorum53.« Wie realistisch im Mittelalter die Anschauung war,
daß die Mönche in Gegenwart der Engel psallieren, zeigt die Re
gula Magistri 148 »Caveatur, ut qui orat, si voluerit expuere aut na
rium spurcitias jactare, non in ante, sed post se retro projiciat propter
angelos in ante stantes, demonstrante propheta ac dicente: >In con
spectu angelorum psallam tibi<« [P. L. 88 Sp. 1009]54• Und Alcuin
sagt in Epist. 2 1 9 : »Fertur dixisse Bedam: Scio angelos visitare cano
nicas horas ... quid si ibi me non inveniunt interfratres ? Nonne dicere
habent: Ubi est Beda?« [Opera ed. Fraben I 282]55. Doch nicht nur
das Psallieren, sondern auch das Beten geschieht in Gemeinschaft
mit den Engeln. >>Nicht nur der Hohepriester betet mit den wahren
Betern, sondern auch die Engel im Himmel, die sich freuen«, heißt
es bei Origenes in der Schrift über das Gebet [11], und bei Clemens
von Alexandrien liest man: Der Gnostiker >>betet mit Engeln, als ei
ner, der schon den Engeln gleichgeworden ist ... auch wenn er al
lein betet, hat er den Chor der Heiligen, der mit ihm dasteht«
[Clem. Al. Strom. VII 12, 78, 6)56. Und der armenische Schriftstel
ler Elische sagt in seiner Vaterunser-Erklärung: »Du bist den En
geln nicht fern, sondern mit ihnen trittst du zum Gebet, damit du
mit ihnen Gott preisest. Wie du dich mit ihnen vereinst, so werden
sie Teilhaber an euern Liedern I bei Gebet und Lobpreis. Zuversicht
lich öffnest du deinen Mund und sprichst: >Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, also auch auf Erden<« [Ausgew. Schriften der Ar
menischen Väter, übersetzt von S. Weber II S. 282 (Bibliothek der
Kirchenväter)]. Die Kirche ist eben, wie es in einer koptischen Ho
milie heißt: »Der Ort des Trostes und der Versammlung der Engel.
Die Kirche ist der Ort, wo sich Cherubim und Seraphim versam
meln« [Worrell, Copt. mscr. Freer Collection p. 356 sq.J57. Von da
aus ergibt sich dann von selbst, daß in der symbolischen Auslegung
des Kultus beständig auf die Engel Bezug genommen wird. Das
Weckholz [O"f]J.t.aNtpov] erinnert an die Posaunen der Engel [Ps.
Sophronios bei Mai, Spicileg. Rom. IV p. 34), und wenn die Psal
mensänger den Cherub-Hymnus singen, so bedeutet das, daß die
Engel in der Höhe mitsingen [das. p. 48) usw.58 Die ganze Vorstel
lung geht über die Idee, daß die Kirche beziehungsweise die einzel
nen Kirchen einen Schutzengel haben, weit hinaus59. Wir haben ge
sehen, daß ein viel engeres Verhältnis zwischen der Kirche und den
Engeln besteht, als es die Darstellungen gewöhnlich ahnen lassen.
Notwendig ist es aber vor allem, sich klarzumachen, welchen Sinn
die Engel in diesen Gedankengängen eigentlich erfüllen. Wenn der
heilige Johannes Chrysostomos sagt, daß die heiligen Engel den bei
36913 70/3 71 VON DEN ENGELN 223
lii
Die Gnosis des Euagrius und Diadochus endet, wie wir ausgeführt
haben, in der »Theologia«. Der Ausdruck ist zweideutig. Das Wort
Theologia bezeichnet auf der einen Seite in der antiken Philosophie
das Wissen um die höchsten Prinzipien des Seins. Auf der andern
Seite konnte mit Theologie aber nun nicht bloß die Wissenschaft,
sondern auch der Logos, speziell die gehobene poetische Rede der
Sänger der Urzeit, bezeichnet werden6. In diesem doppelten Sinne
findet auch das Wort Theologie in der christlichen Mystik Verwen
dung. Denken wir daran, daß die Mystik nach den ältesten
Mönchsschriftstellern die höchste Stufe einer Gnosis darstellt, die,
mit der niederen Form der diskursiven Gnosis beginnend, zu der in
tuitiven Gnosis der Wesenheiten und Ideen fortschreitet und sich
dann in der Gnosis der heiligen Trinität vollendet. Auf der einen
Seite stellt so die Theologia als Gnosis der heiligen Trilnität die
höchste Form der Erkenntnis dar, auf der andern Seite ist es dann
freilich so, daß diese mystische Gnosis in einem gewissen Sinn gar
keine Gnosis, sondern ein Gotteslob nach Art der reinen Geister ist.
In diesem Sinne ist dann der ältere griechische Sprachgebrauch des
Wortes »Theologia« als einer poetischen Rede von Gott dahin um
gedeutet worden, daß es zur Bezeichnung des Engellobes und der
mystischen Verherrlichung Gottes dient. Was aber im antiken
Sprachgebrauch nur zwei nebeneinander stehende Bedeutungen ei
nes und desselben Wortes waren, das ist hier in der christlichen My
stik sachlich miteinander verknüpft worden. Die Gnosis, die sich als
mystische Erkenntnis in der »Theologia« vollendet, bringt es mit
sich, daß diese >>Theologia« nicht mehr Erkenntnis Gottes bleibt,
sondern zu einem Gotteslob nach Art der Engel wird. Was damit
gemeint ist, wird klar, wenn man auf die Engel schaut, deren Sein
und Leben archetypische Bedeutung für den mystischen Gnostiker
hat. Es gibt j a zweifellos ganz verschiedene Wesenheiten, die als
Engel bezeichnet werden. Da sind zum Beispiel Engel, die mit
atmosphärischen Erscheinungen in Verbindung gebracht werden7.
226 THEOLOGISCHE TRAKTATE 3741375/376
Sie lassen den Mystiker kalt, denn �ie entfernen sich ja alle irgend
wie von Gott und schauen mit ihren Angesichtern auf die Welt und
deren verworrenes Treiben. Anders dagegen die Cherubim und Se
raphim, die, vor Gott stehend, unaufhörlich ihr »Heilig, heilig, hei
lig« singen. In ihre Reihen wünscht der »Engel-Ähnliche<< eingeglie
dert zu werden, und so beginnt er denn in der Gnosis, sich über die
Welt zu erheben, er fängt an zu fliegen und fliegt über alles Sicht
bare und Unsichtbare im Himmel und auf I Erden hinaus in eine
Welt, die nicht mehr auf diesen sinnlichen Kosmos und den in ihm
hausenden Menschen bezogen ist, sondern die allein auf Gott ge
richtet ist, so stracks auf Gott hin ausgerichtet, wie die Angesichter
der Cherubim auf Gott hin ausgerichtet sind. Aber jetzt beginnt
etwas Merkwürdiges. Die reinen Geister, auf die der Gnostiker hier
trifft, die ihrem Wesen nach seinsmäßig auf Gott hin ausgerichtet
sind, sind nun nicht Wesen, die in einer stummen Verehrung vor
Gott irgendwie versteinert wären. Ihr eigentümliches Wesen wird
nicht von daher fundiert, daß sie stehen, sondern von daher, daß sie
sich bewegen8, daß sie mit diesen Flügeln schlagen, die Jesaja zuerst
mit unerhörter Kraft der Anschauung beschrieben hat, und daß nun
diesem Flügelschlagen und Mit-den-Flügeln-dieFüße-Bedecken, so
bedeutSam in dem Ausdrucksreichtum seiner Symbolik, eine be
stimmte Form des Verströmens im Wort, im Ruf, im Gesang des
Heilig, heilig, heilig korrespondiert. Mit andem Worten: in diesem
Verströmen und Ausströmen in Wort und Gesang, in diesem Phä
nomen fundiert sich das etgentliche Wesen dieser Engel. Es geht
nicht darum, daß aus einer nach Analogie des menschlichen Seins
gedachten Engelwelt ein Teil der Engel ausgewä.hlt und mit der
Aufgabe betraut wird, dem Herrgott etwas vorzusingen. Das ist in
der Tat eine unerträgliche Vorstellung, und der Wunsch, so etwas
eine gan1.e Ewigkeit zu tun, nicht ohne weiteres begreiflich. In
Wahrheit geht es hier um etwas ganz anderes. Hier handelt es sich
nicht um Engel, die primär m t>mer ganz abstrakten Weise ,.Engel
überhaupt« wären und die dann noch singen, sondern hter handelt
es sieb um Engel, die eben darin ihr Engel-Sein haben, daß sie in
der vorher geschilderten Wei�t: tm Lobpreis des »Hetlig, heiltg, hei
lig« verströmen. Dieser Ruf konstituiert erst eigentlich ihr Wesen,
in diesem Verströmen sind sie das, was sie sind, Cherubim und Se
raphim. Aber weil sie ihr Sein nun eben in diesem Verströmen im
Lobpreis, in dieser partiellen Bewegung ihrer Flügel haben und zum
Ausdruck bringen, darum kann ihr Sein nun auch für das Sein de�
Mystikers exemplarische Bedeutung gewinnen. Bei diesen Engeln
handelt es sich darum, daß sie reine Geister sind in diesem Gesang,
in d1esem Hymnus, in diesem Lobpreis. Wie sollte nun auch nicht
37613771378 VON DEN ENGELN 227
der Mystiker, der in seinem Sein den Engeln ähnlich geworden ist,
zu jener höchsten Seinsform der reinen Geister gelangen wollen,
die sich wesenhaft im Verströmen des reinen Gotteslobes konstitu
iert? Was nützen denn alle Tugenden der Engel, wenn nicht ihr ei
gentlichstes Leben, das, wofür sie allein da sind, das, wodurch ihre
innerste Seinsform in Schwingungen gerät, wenn nicht ihr Gottes
lob dem Menschen erreichbar ist? Und darum vollendet sich die
Gnosis in der »Theologia«, darum wird aus der Theologie als Got
teserkenntnis eine Theologie als Gotteslob, weil das Höchste der
geschaffenen Kreatur, der Engel, der Cherub oder Seraph ist, auf
keine andere Art als im Lobe Gottes existiert und in seiner Verherr
lichung ausströmt.
Aber, so wird man einwenden, ist es denn möglich, daß der Mensch
sich den Engeln nähert, daß er den Engeln ähnlich wird? Ist es nicht
so, daß der Mensch immer Mensch bleiben muß? Doch nein, der
Mensch kann sich den Engeln nähern, weil auch der Engel - wie
schon sein Name andeutet - sich dem Menlschen nähern kann. Sind
nicht Engel herabgestiegen zu den Hirten auf dem Felde und haben
das »Ehre sei Gott in der Höhe« gesungen über der Geburt des Hei
landes? Wo unser Herr Christus ist, da sind auch die Engel. Bei sei
ner Geburt, bei seinerVersuchung, bei seiner Auferstehung und bei
seiner Himmelfahrt. Weil die Engel nicht von Ihm zu trennen sind,
darum sind sie auch in der heiligen Messe mit Ihm gegenwärtig.
Wie aber die Engel herabgestiegen sind und den Lobgesang vor den
Ohren der Hirten laut werden lassen, den Lobgesang über den, der,
wie er vor seinem Abstieg über alle Engel erhaben war, so auch nach
seinem Aufstieg über alle Engelmächte erhoben worden ist9, und
»ist ihm ein Name gegeben worden, der über alle Namen ist« [Phil
2, 9] - so steigt auch der Engel-Ähnliche, der bis zu den letzten
Ordnungen der Cherubim und Seraphim aufgestiegen war, von die
sen Ordnungen im Himmel auch wieder zu den Ordnungen auf der
Erde hinab, mit Priester und Volk vereinigt er sich im Lobgesang,
hört er die heiligen Lesungen und empfängt er die Sakramente als
einer, dessen unreine Lippen der Reinigung bedürfen, einer, der,
der Verwesung anheimfallend, der Speise der Unverweslichkeit
nicht entraten kann. Niemals wird jemand - solange er in diesem
Fleische lebt-durch seinen Eintritt in das himmlische Jerusalem aus
der irdischen Ekklesia entlassen, immer wird der »Engel-Ähnliche«,
und mag er bis in den dritten Himmel entrückt worden sein, zu der
irdischen Kirche, zu dem irdischen Kult und zu jenen theologischen
Tugenden des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zurückkeh
ren, die für ihn so gut wie für das ganze christliche Volk verbindlich
sind. Das aber I gilt es zu verstehen, daß die Engel nicht nur zu Chri-
228 THEOLOGISCHE TRAKTATE 378/379
stus, sondern auch zu uns gehören. Daß der Mensch nur ein Teil
der Schöpfung ist und sich daher im Zusammenhang mit anderen
Wesenheiten, darunter auch mit Engeln und Dämonen, konstitu
iert. Es ist notwendig, daß man erkennt, daß der Engel nicht bloß
etwas ist, wodurch sich unser menschliches Wesen einmal mitkon
stituiert hat, nein, wodurch es sich immer wieder von neuem mit
konstituiert. Und darum ist dann auch alle Reflexion nicht überflüs
sig, die sich mit dem Wesen der Engel beschäftigt, denn was uns der
Engel über sich lehrt, das lehrt uns auch etwas über uns selber. Die
Engel sind mehr als eine poetische Staffage aus dem Repertoire der
Volks- und Märchenpoesie. Sie gehören z u Gott und Christus und
zu dem Heiligen Geist, aber sie gehören auch zu uns. Für uns be
deuten sie eine Möglichkeit unseres Seins, eine Steigerung und In
tensivierung unseres Seins - doch niemals die Möglichkeit eines
neuen, eines anderen Glaubens10• Sie belehren uns über dunkle Tie
fen unserer Existenz, in denen es Bewegung und Bewegtheit gibt,
die von uns selber vielleicht unabhängig ist, die von uns selber viel
leicht niemals als solche erkannt oder gar als Bewegung auf das En
gelhafte hin gesehen wird. Eine Bewegung, die vielleicht eben noch
als ein Drang zur Reinheit des Herzens empfunden wird, die viel
leicht eben noch als Leidenschaft nach Geistesklarheit und einer
wahrhaftigen Existenz zum Bewußtsein kommt. Es gibt viele Wege,
auf denen der Mensch zum Engel eilt, nicht als ob er sich eigentlich
vornähme, zum Engel zu werden, sondern weil das Sein, das er lebt,
nur ein vorläufiges Sein ist und weil noch nicht erschienen ISt, was
wir sind11• I Und wenn wir nicht zum Engel eilen, der vor Gott steht,
dann eilen wir sicherlich zu jenem Engel, der sich von Gott abge
wandt hat, dann nähern wir uns dem Dämon. Denn der Mensch
existiert immer nur so, daß er über sich selber hinausgeht und sich
somit dem Engel oder dem Dämon nähert. Dieser Mensch, der über
sich hinausgeht, weil er nur in dem Übersichhinausgehen da ist, ver
mag zu steigen und zu steigen, mcht 10 einem moralischen, sondern
in einem metaphysischen Smne12, bis er zum Genossen der Engel
und Erzengel wird, bis er zu jener Grenze gelangt, an der auch
Cherubim und Seraphim stehen. Don, wo ihm Halt geboten ist von
einer Grenze, die er nicht selber gezogen und die auch kein Erzen
gel gezogen hat, dort fängt er an, mit den Sphären zu tönen und mit
dt:>n Erzengeln zu singen. Sein Gesang ist nicht einfach eine Imi
tation des Engelgesanges, nicht ein bescheidenes Miteinstimmen in
den Ruf des »Heilig, heilig, heilig«, der unaufhörlich und majestä
tisch von ihren Lippen tönt, sondern er ist zugleich auch etwas, das
aus seinem ionersten Wesen hervorbricht, wenn er an die Grenze al
ler Kreatur, die ja auch die Gren7e seiner selbst als Kreatur ist, an-
379 380'381 VOI\ DEN ENGEL!\' 229
ben der Kirche, die Gott mit den l:.ngeln und dem gesamten Kos
mos preist, kann der Lobpreis erwachsen, der im Kult wie im mysti
schen Gnadenleben Kunde davon gibt, daß Himmel und Erde der
Herrlichkeit Gottes voll sind, seitdem die Glorie Gottes aus dem
Tempel von Jerusalem entwichen ist, um im Tempel des Leibes Jesu
in jenem Jerusalem Wohnung zu nehmen, das als das »obere« unser
aller Mutter geworden ist.
Die vorstehenden Ausführungen haben vielleicht gezeigt, daß es
nicht willkürlich oder zufällig ist, wenn wir auf die Bedeutung der
Lehre von den Engeln hingewiesen haben. Die Lehre von der heili
gen Kirche läßt sich von hier aus so entwickeln, daß sofort deutlich
ist: die Kirche ist mehr als eine menschliche Religionsgesellschaft,
gehören ihr doch auch die Engel und Heiligen im Himmel anu.
Und dann, der Kultus der Kirche, unter diesem Aspekt betrachtet,
ist niemals eine bloß menschliche Angelegenheit, nein, die Engel
wie der gesamte Kosmos nehmen daran teiJ15• Den Gesängen der
Kirche korrespondieren himmlische Gesänge16, und je nach I der
Art der Teilnahme am himmlischenn Gesang gliedert sich auch das
innere Leben der Kirche. Die Engel bringen im Kultus der Kirche
zum Ausdruck, daß es ein öffentlicher Kultus ist, der Gott darge
bracht wird17, und weil die Engel eine Beziehung zu der religiös-po
litischen Welt im Himmel haben, darum bekommt auch durch sie
der Kult der Kirche eine notwendige Beziehung zu der politischen
Sphäre. Die Engel mit ihrem Gesange endlich gliedern nicht nur die
Kirche in »Engel-Ähnliche« und in »Volk«, nein, sie werden zu
gleich auch die Erwecker des mystischen Lebens in der Kirche, das
sein Genüge erst findet, wenn der Mensch, den Chören der Engel
eingegliedert, aus der Tiefe seiner Kreatürlichkeit Gott zu loben be
ginnt18. Darum singen wir also im Te Deum:
Anmerkungen
Zur Einleitung
1 Coepit enim haec Ecclesia ab Jerusalem, ista terrena, ut gaudeat inde Deo in
illa Jerusalem coelesti: Ab hac enim incipit, ad illam terminat. Augustinus. Enar
rationes in Psalm. 147. Migne, Patrol. L. [ P. L.) Bd. 37 Sp. 1929.
=
2
Das Verlassen des irdischen Jerusalem durch die Apostel ist ein dogmatisch
entscheidendes Ereignis.
J Der Ausdruck n6A.t� !-li>vouou in Hebr.13, 14 ist dahin zu verstehen, daß darin
der Anspruch der irdischen Polis auf >>Dauer« zum Ausdruck kommt. Der an
tike Mensch betet für die ÖtUJ..lOV� der Herrschaft. Siehe E. Peterson, E� Se6c;
Göttingen 1926, S. 174f. Ferner Gelzer in Philologus 1931, S. 292f. Der He
bräerbrief leugnet die Möglichkeit einer Dauer in der Herrschhaft, die Mög
lichkeit einer n6A.tc; j.LEVOOou. Nur die Königsherrschaft Gottes ist »unerschüt
terlich« [(louA.eutoc;]. Hebr.12,28.
• Das Verbum npooepxeo3<u hat hier die technische Bedeutung: »nahen der
Kultstätte, resp. den Göttern des Kultus«. Siehe Moulton-Milligan, Vocabulary
of the Greek Testament. s. v.
; So, glaube ich, ist das unoypaq>EcrScu im griechischen Text zu interpretieren.
Siehe Liddell-Scott, A Greek-English Lexicon s. v. Vergleiche Gregor, M.
Horn. in Evgl. I . XV: in illa superna angelerum curia adscribi festinate.
6 Im Griechischen steht: nuviwupt�.
Zum /. Teil
1 Der Seher hat nur die Tränen, daß niemand für wert erachtet wird, die Siegcol
der Engel auch außerhalb der Heiligen Schrift dem Judenw m nicht geläufig.
[Anders Charles in seinem Kommentar zur Apocalypse Bd. I 12Sf., der aber
zum Teil christlich überarbeitete Texte zum Zeugnis für seine Behauptung an
ruft.] Wenn es Henoch 39, 12 heißt: .. Dich preisen die, welche nicht schlafen•,
so ist das coine Umschreibung der sog. typf)yopm-Engel und hat noch nichts m1t
der Vorstellung eines unaufhörlichen Lobpreises zu tun. Jüdische Anschauung,
wie sie im Targum Ps . Jonathan zu Genf'�. 32, 26 zum I Aus druck kommt, ist
vielmehr, daß die Engel i n ihrem Lobpreis einem durch das jüdische Ritual be
stimmten Stundenplan folgen. Nach Chag. 12 b preisen die Engel firn 5. Him
mel] Gott bei �acht, während sie bei Tag schweigen wegen des Preises Israels.
Auch die geschmacklosen Erörterungen in Chullin 91 b über den Ruf des Drei
mal-Heilig lassen nichts 'on der Vorstellung einer Unaufhörlichkeit des Heilig
Rufes vermuten . Siehe Strack-Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament
aus Talmud und Mi drasch li 177, auch Bd. lV 799 zeigt nichLs Vergleichbares.
9 Vergleiche Cassiodor in Ps. 148: Nam sicut sunt immonalia [ - ista d e coelis],
ita nec eorum Iaudes aliquo fine clauduntur. P. L. 70 Sp. 1042 D .
10
Der Ausdrucksreichtum: »Preis, Ehre und Danksagung« korrespondiert der
Ausdrucksfülle: »singen, rufen, verherrlichen, schreien und �prechen« in der
Markus-Liturgie. Bei F. E. ßrightman, L1turgies eastern and western. I Eastern
Liturgies Oxford 1 896 p. 1 3 1 . Darüber wird später gehandelt werden.
11
D arum wird von der »Eucharistie« in griechischen Weihe-Inschriften gespro
ch�n, die den Dank für eine erfahrene Re uung oder Heilung aussprechen.
12 Ü
ber da� Wissen der Engel um die übernatürlichen Geheimnisse vgl. Schec
hen, Dogmatik 3. Buch § 181 nr. 4 [ 1 1 34, I 135), Bd. II S. 486.
u Zur Proskynese in der Geheimen Offenbarung vgl. Johs. l I orst, Proskynein.
Gütersloh 1932 S . 253 ff.
386138 7/388 VON DEN ENGELN 233
14
Daß der Thronsaal zum Tempel wird, erklärt sich daraus, daß das himmli
sche Jerusalem zum Tempel Gottes wird. C. 21, 22 der Geheimen Offenbarung
wird ausdrücklich gesagt, das himmlische Jerusalem habe keinen Tempel, denn
Gott der Herr, der Allmächtige und das Lamm, sei der Tempel der himmlischen
Stadt. Im übrigen sind im Orient Tempel und Palast vielfach eng verknüpft.
Vgl. z. B. Möhlenbrink, Der Tempel Salomos. I Stuttgart 1932 $. 48 ff.; H.
Thiersch in Orientalist. Literaturzeitung 1933 S. 535.
15 Die Kommentare zur Apokalypse behaupten, daß dieses eine orientalische
Huldigungssitte sei, aber die Huldigung des Tiridates vor Nero ist jedenfalls an
ders zu deuten. Siehe dazu F. Cumont, Rivista di filologia 1933 p. 148.
16
Siehe Geheime Offenbarung 1,6; 20,6; 22,5; I. Petr. 2, 9.
17 Daher wird auch die dem römischen Kaiser gegenüber gebräuchliche Wen
dung: »unser Herr und Gott« [dominus et deus noster] hier gegenüber Gott
laut.
18 Weil der Kult der Kirche diese ursprüngliche Beziehung zur politischen
Sphäre hat, darum können Zeremonien aus dem Kaiserkult in die Messe über
nommen werden. Dazu rechne ich die Prozessionen innerhalb der Messe [sei es
mit dem Evangelium, sei es mit den eucharistischen Elementen], die das
Schwenken der Weihrauchgefäße und das Kerzentragen kennen. Hier halte ich
eine Beeinflussung durch Zeremonien aus dem Kaiserkult für sehr wahrschein
lich. Interessant ist z. B. der Kommentar des Ps. Sophronios zur Messe, in dem
es heißt: cd KavofjA.o.t Ko.t oi KllPOi tunoc; eicrl. ·teü o.Lrovtoo <prot6c;. Mai, Spici
leg. Rom. IV p. 35, oder: Ta KTJplo. O\jltK€UOVtO. ev tij elcr6oq> O€lKVUOOCJl tO
�etov <pwc; p. 42. Hier fühlt man sich an die Zeremonien aus dem Kaiserkult er
mnert.
!9 Wenn ich 1929 in einer, gewiß vielfach mißverständlich formulierten, kleinen
Schrift über »Die Kirche« sagte: »in der.Kirche steckt etwas vom Reich, sowohl
vom politischen Willen der Juden zum Gottesreich als auch vom Herrschaftsan
spruch •Der Zwölfe< im Gottesreich« [S. 15], so wird das damals Ausgeführte
durch die jetzigen Darlegungen vielleicht etwas verständlicher. Die politische
Beziehung ist darin gegeben, daß das himmlische Jerusalem nicht nur Tempel,
sondern auch Polis ist. So spricht denn die Geheime Offenbarung 20,6 und
22,5 auch von l einem »Herrschen« mit Christus. Dieses »Mitherrschen« mit
Christus ist bekanntlich dann gebräuchlicher Topos in der Märtyrerliteratur ge
worden, aber auch die Kirchenväter, u. a. der hL Augustinus, ha�en diesem Be
griff Aufmerksamkeit geschenkt. Für Augustinus s. z. B. Fr. Hofmann, Der Kir
chenbegriff des hl. Augustinus, München 1933 $. 498.
20
Über die Beziehung der &.�LO<.;-Akklamation z.ur politischen Sphäre verglei
che E. Peterson, Eie; ,9e6c; S. 17 6 ff.
21
Vgl. Geheime Offenbarung 6, 15 und Ps. 2, 2 ff. Die Wendung »Könige der
Erde« gehört der eschatologischen Sprache an. Vergleiche auch Apostelge
schichte 4, 25 f.
22
Zur Wendung vergleiche auch 7, 9.
B Siehe die Zeugnisse bei Ad. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Chri
p. 105,2 oder Rev. bened. 1934 p. 182, 1 1 6 sq.], sov.·ie die entsprechende grie
chische Wendung [Manyr. Dasii 12 a. a. 0. p. 94, 39. Manyrium der Agape
das. p. 100, 2 ; Manyr. Pionii das. p. 57, 1 3 sq.; Manyr. Apollonii das. p. 35, 1 4
sq.) bringen zum Ausdruck, daß Christus sich ein neues Volk geschaffen hat,
das den Namen seines regierenden Herrschers festhält.
20 Zum
Parallelismus von »königlichem Priestertum« und »hl. Volk« siehe I.
Petr. 2, 9. Vergleiche in der Geheimt'n Offenbarung auch 7, 9.
25
Insofern ist das »eschatologische« Erkennen der Kirche I dem »geschichtli
chen« Erkennen, das sich aus der konkreten politischen Situation eines Volkes
herleitet, entgegengesetzt.
26 Daraus ergibt sich, daß nur die theologische und nicht die politische Ge
chergefäß und Zither in der Hand der Presbyter aus der politischen Welt stam
men oder in ihr doch zum mindesten eine Entsprechung haben. Über turibula
im Kaiserkult s. zuletzt A. Alföldi, Römische Mitteilungen 1934 S. 1 1 4 f. Zur
Zither ist zu bemerken, daß unter Theoderich in Rom die Akklamationen sub
quadam harmonia citharae vorgetragen wurden. Cassiod., Var. 1,31.
;s Das Corpus Christi sagt: »mea lingua est graeca, mea est syra, mea est he
braea, mea est Omnium gentium, quia in unitate sum omnium gentium Augu •<
stinus in Ps. 147. P. L. 37 Sp. 1919. Vergleiche Pacian, Ep. II 4 »Omnes linguas
spiritus sanctus intelligit«. Das Gegenteil zu dieser Transzendierung aller Spra
chen durch den Heiligen Geist ist die jüdische Auffassung, von der Hierony
mus, in Sophoniam c. 3, 9 Kunde gibt. Die Juden sagen: »sicut ante aedificatio
nem turris fuit, quando una linlgua omnes populi loquebantur, ita conversis om
nibus ad cultum veri Dei, locuturos Hebraice, et totum orbem Domino servi
turum.« P. L. 25 [Bd. 6] Sp. 1444 A. Über das Hebräische als >>heilige Sprache«
bei den Rabbinen siehe Strack-Billerbeck, Kommentar II S . 443 f.
36 Der Wortlaut den Dreimal-Heilig in der jüdischen Qeduscha ist, wie Baum
1 Der griechische Text steht bei F. E. Brightman, Liturgies eastern and western.
I Eastern Liturgies. Oxford 1896 p. 131.
2 Nach Apostelgeschichte 1, 2 hatten sich