4. November 2019
Zusammenfassung
Der folgende Text gibt einen kurzen Überblick über die Grundgedanken im
Eisenbahnkreuzungsrecht. Dabei geht es um die wichtigsten Grundfälle des EKrG
und deren Kostenaufteilungen, eine Erklärung des Verlangenmüssens, die Wir-
kungen des Bestandsschutzes und die Ablösung von Erhaltungs- und Betriebs-
kosten. Am Ende findet sich ein Exkurs zum Thema Leitungskreuzungen.
Grundsatz
Da an einer Kreuzung zwei Parteien, also zwei Baulastträger, dasselbe Grundstück
benutzen müssen, kommt es fast zwangsläufig zu unterschiedlichen Interessenlagen.
Die möglichst effektive und reibungslose Durchführung des Verkehrs über öffentliche
Straßen und Schienenwege liegt im Interesse der Allgemeinheit, deshalb wurde das
Eisenbahnkreuzungsgesetz erlassen, um allgemeingültige Kompromissregelungen be-
reitzustellen, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen und auf die sich alle
berufen können, an die sich aber auch alle halten müssen.
Das EKrG sagt nichts darüber, woher das Geld dafür kommt, es bestimmt nicht
die Finanzierung des Baus. Für die Finanzierung können die Baulastträger staat-
liche Hilfen bekommen, können sich der Zahlungspflicht aber nie durch den Hinweis
entziehen, man habe kein Geld.
Duldungspflicht = Hindernisbeseitigung
Um im Sinne der Allgemeinheit möglichst viele Einzelfragen einem möglichen Kon-
flikt zwischen den Kreuzungsbeteiligten zu entziehen, hat der Gesetzgeber ihnen in
§ 4 EKrG die Duldungspflicht auferlegt: Die Kreuzungsanlage und Änderungen
daran sind von allen Beteiligten zu dulden. Es wird beispielsweise keine Pacht für
das Grundstück gezahlt, und die Nutzung darf auch nicht verboten werden. Positiv
gewendet bedeutet dies die Beseitigung möglichst vieler Hindernisse zwischen
den Partnern.
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Kreuzungsvereinbarung
Das EKrG steht unter dem Leitgedanken, dass sich die Zwangspartner“ einer Kreu-
”
zung über alles einigen und eine Kreuzungsvereinbarung abschließen sollen. Grund-
sätzlich können die Kreuzungspartner alles miteinander vereinbaren; dieser Grundsatz
stößt nur dort an seine Grenzen, wo die Interessen Dritter berührt werden oder zwin-
gende gesetzliche Regelungen entgegenstehen. Kreuzungsbeteiligter auf Seiten der DB
ist immer die DB Netz AG, nie die DB Station & Service, auch wenn z. B. eine Straße
unter einem Haltepunkt oder Bahnhof kreuzt.
Beispielsweise lässt § 5 Absatz 1 EKrG zu, dass die Kostenverteilung zwischen den
Kreuzungsbeteiligten frei vereinbart werden kann. Da die Kreuzungsbeteiligten aber
nicht nach eigenem Gutdünken über die Verwendung öffentlicher Mittel entscheiden
können, hätte also eine andere Kostenteilung, als sie im EKrG vorgegeben wird, vor
dem Rechnungshof keinen Bestand. Eine Gemeinde kann nur die sich aus dem Gesetz
ergebenden Kostenanteile aus dem Haushalt finanzieren, die Bahn erhält Fördergelder
auch nur unter diesen Voraussetzungen.
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wenn und soweit es die Sicherheit oder die Abwicklung des Verkehrs
”
unter Berücksichtigung der übersehbaren Verkehrsentwicklung erfordert“.
Nur, wenn eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, ist die Baumaßnahme
eine solche nach EKrG und die gesetzlichen Folgen des EKrG treten ein: eine Kreu-
zungsvereinbarung ist zu schließen und die Kosten werden nach dem gesetzlichen
Schlüssel aufgeteilt.
Nur Maßnahmen, die der Sicherheit oder der Verkehrsabwicklung (an der Kreu-
zung!) dienen, sind kreuzungsbedingt. Dies schließt z. B. reine Rationalisierungs-
maßnahmen der Bahn oder städtebauliche Verschönerungen des Straßenbaulastträgers
aus, sie müssen vom Veranlasser allein bezahlt werden, sie sind nicht kreuzungsbe-
dingt. Aus der Bedingung soweit“ ergibt sich das Gebot der Wirtschaftlich-
”
keit: nur die wirtschaftlichste Lösung entspricht dem Gesetz.
Veranlassungsprinzip
Auf die Reihenfolge des Baus kommt es bei einem vorhandenen Brückenbau-
werk gemäß EKrG nicht an. Im EKrG gilt nicht das Prioritätsprinzip, sondern
das Veranlassungsprinzip mit Vorteilsausgleich. Es besteht jetzt ein Kreu-
zungsverhältnis und vom beiderseitigen Interesse an einer flüssigen Verkehrsabwick-
lung über die Kreuzung wird ausgegangen.
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Kostenteilung
Das Verhältnis, in dem sich die Kreuzungsbeteiligten an den Kosten des Gesamtbau-
werkes beteiligen, ergibt sich im Fall beiderseitigen Verlangens aus den Kosten des
nach ihrem jeweiligen Verlangen gebauten Bauwerksanteils.
Um das im Gesetz angesprochene Verhältnis der Kostenteilung zu ermit-
teln, sind sogenannte Fiktiventwürfe zu erstellen. Ein Fiktiventwurf ist ein Als-
ob-Entwurf : Es wird so getan, als ob nur bestimmte Teile eines Bauprojekts gebaut
würden. Einer der Fiktiventwürfe ermittelt die Kosten des Bauwerks, das nur das
Verlangen der Bahn realisieren würde. Der andere Fiktiventwurf ermittelt die Kosten
für das Bauwerk, das gebaut werden müsste, wenn nur das Verlangen des Straßen-
baulastträgers gebaut werden sollte – dies ist die Bedeutung der EKrG-Formulierung
bei getrennter Durchführung“. Fiktiventwürfe sind meist echte Pläne (die nicht
”
die Detailtiefe eines Ausführungsplans haben) und eine dazugehörende Kostenauf-
stellung. In einfachen Fällen darf aber auch der umbaute Verkehrsraum für beide
Verlangen ermittelt und das Verhältnis beider Werte für die Kostenteilung verwendet
werden.
Beidseitiges Verlangen
Verlangen beide Baulastträger diese Veränderungen zur gleichen Zeit am selben Brü-
ckenbauwerk, kommen Fiktiventwürfe zur Ermittlung des Kostentragungsverhältnisses
ins Spiel. Die real geplante Brücke soll einen breiteren Oberbau für die Gleise und eine
größere lichte Höhe für die darunter liegende Straße bekommen. Für dieses tatsächlich
zu bauende Brückenbauwerk werden die Baukosten ermittelt, die dann von den Kreu-
zungsbeteiligten anteilig zu bezahlen sind, sie sollen hier 2,5 Mio. EUR betragen.
In einem Fiktiventwurf wird nun so getan, als sei nur eine Brücke mit breiterem
Überbau zu bauen. Ein solches Bauwerk, das nur das Bahn-Verlangen erfüllt, würde
nach diesem Entwurf KDB = 1, 8 Mio. EUR kosten. Dieses Bauwerk wird nicht
gebaut, es muss auch nicht bezahlt werden. Die ermittelten Kosten dienen nur der
Errechnung des Teilungsverhältnisses.
Dieser weitere Fiktiventwurf tut so, als solle nur eine Brücke mit größerer Durch-
fahrtshöhe gebaut werden, sie wäre aber genauso breit wie das alte Bauwerk. Eine
solche Brücke soll im Beispiel KSBL = 2, 1 Mio. EUR kosten. Das Teilungsverhältnis
für die realen Kosten ergibt sich nun aus dem Verhältnis der für die beiden Fikti-
ventwürfe ermittelten fiktiven Kosten.
Für die Bahn ergibt sich der Anteil:
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KDB
KostenanteilDB =
KDB + KSBL
1, 8
KostenanteilDB = = 46,15%
1, 8 + 2, 1
und für den Straßenbaulastträger ergibt sich der Anteil:
KSBL
KostenanteilSBL =
KDB + KSBL
2, 1
KostenanteilSBL = = 53,85%
1, 8 + 2, 1
Von den real anfallenden Kosten für das tatsächlich erstellte Brückenbauwerk
trägt die Bahn daher 46,15% von 2,5 Mio. EUR, das sind
KostenDB = 1, 15 M io.EU R
Der Straßenbaulastträger trägt 53,85% von 2,5 Mio. EUR, das sind
KostenSBL = 1, 34 M io.EU R
Jeder der beiden Kreuzungsbeteiligten bekommt also ein Bauwerk, das seinem
Verlangen entspricht, für einen deutlich geringeren Kostenbeitrag, als wenn er es
jeweils allein gebaut hätte, auch wenn das reale Gesamtbauwerk teurer ist, als die
fiktiv geplanten Einzelentwürfe. Die Bahn spart in diesem Beispiel 0,65 Mio. EUR,
der Straßenbaulastträger spart 0,76 Mio. EUR gegenüber dem allein durchgeführten
Bau.
Verlangenmüssen
Bei Änderungen von Überführungen spricht das EKrG in § 12 von verlangen
”
müssen“: Die Kreuzungsbeteiligten sind zur Änderung der Überführung dann ver-
pflichtet, müssen also die Änderung auch verlangen, wenn und soweit es die Sicher-
heit oder Abwicklung des Verkehrs erfordert. Ausgestaltend wird hier auf gesetzliche
Bestimmungen und anerkannte Regeln der Technik Bezug genommen, die zwingend
beim Bau zu berücksichtigen sind. Man kann sich nicht darauf berufen, dass das histo-
rische Bauwerk ”bis zuletzt funktioniert”habe, obwohl es nach inzwischen veralteten
Regeln gebaut worden war.
Bestandsschutz
Im Zusammenhang mit dem Verlangenmüssen spielt der Bestandsschutz eine wich-
tige Rolle. Gäbe es ihn nicht, müsste jeder Baulastträger in dem Moment seine Anlage
ändern, wenn eine neue gesetzliche Regelung in Kraft tritt, die höhere technische An-
forderungen verpflichtend einführt. Mit der Veröffentlichung eines solchen Gesetzes
würde das Bauwerk gewissermaßen illegal und müsste stillgelegt werden, wenn es nicht
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sofort angepasst wird. Man hat sich hier aber im Sinne einer langfristigen wirtschaftli-
chen Planung dafür entschieden, die Umsetzung neuer technischer Erfordernisse erst
dann zur Verpflichtung werden zu lassen, wenn das Bauwerk aus anderem Grunde
sowieso verändert werden muss. Ist also z. B. ein Brückenbauwerk aus Altersgründen
nicht mehr verkehrssicher und muss erneuert werden, darf es nicht nach den alten
Plänen einfach wieder aufgebaut werden, sondern alle Beteiligte müssen dann nach
den aktuellen Vorschriften bauen, weil der Bestandsschutz aufgehoben ist.
Sobald ein Beteiligter am Bauwerk eine Gesamterneuerung vornehmen muss, wird
er in diesem Moment zum Auslöser für den anderen Beteiligten, auch seinerseits alle
Bauvorschriften zu beachten, sie verlangen zu müssen. Die Bauwerkserneuerung
ist aber eben nur der zeitliche Auslöser und nicht die Ursache für das Verlan-
genmüssen beim anderen Beteiligten. Er konnte bis zu diesem Zeitpunkt den Vorteil
des Bestandsschutzes genießen, der ihm ermöglichte, manchmal lange über das Datum
des Erlasses neuer Vorschriften hinaus nicht bauen zu müssen.
Vorteilsausgleich
Das EKrG regelt zusätzlich, dass im Falle einer Änderung an einer Überführung
im Sinne des § 12 EKrG ein Vorteilsausgleich zwischen den Beteiligten stattfindet,
wenn das alte Bauwerk durch eine wertvollere“ Überführung ersetzt wurde.
”
Beispiel: Ein Straßenbaulastträger will seine Straße unter einer Eisenbahnüber-
führung verbreitern und die Durchfahrtshöhe vergrößern. Dafür wird auf sein allei-
niges Verlangen die alte Brücke, die sich in der Erhaltungslast der Bahn befindet,
abgerissen und durch ein größeres, neues Bauwerk ersetzt, das nun erst in 100 Jahren
erneuert werden muss und nicht wie die alte Brücke bereits in zehn Jahren. Den Vor-
teil, eine neue Brücke mit niedrigeren Erhaltungskosten statt einer alten zu haben,
muss der Erhaltungspflichtige der Brücke (hier die Bahn) dem Straßenbaulastträger
ausgleichen.
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Zweck erfüllen müsste. In anderen Worten: Wie würden heutige Bauingenieure die
vorhandene Brücke heute bauen?
In einem weiteren Fiktiventwurf wird ermittelt, wie dasjenige Bauwerk nach Ab-
lauf seiner Lebensdauer zu erneuern wäre, das real gebaut werden soll. Dieser Fikti-
ventwurf muss gesondert erstellt werden, da er vom realen, jetzigen Entwurf insofern
abweichen kann, als die Ausgangslage für den Bau jetzt das vorhandene alte Bauwerk
ist, in Zukunft aber z. B. das viel größere Brückenbauwerk zurückgebaut werden muss,
bevor die Erneuerung stattfinden kann.
Das Modell der Ablöseberechnung geht davon aus, dass die so ermittelten kapi-
talisierten Unterhaltungs- und Erneuerungskosten für das alte Bauwerk beim Erhal-
tungspflichtigen als Kapitalstock vorhanden sind, auch wenn das in der Realität kaum
der Fall sein dürfte. Dieses vorhandene Kapital muss der Erhaltungspflichtige in die
Ablöseberechnung mit einbringen, es wird von den kapitalisierten Unterhaltungs- und
Erneuerungskosten für das neue Bauwerk abgezogen. Nur die Differenz wird ausge-
zahlt.
Kostenmasse
Die zwischen den Kreuzungsbeteiligten aufzuteilende Kostenmasse (kreuzungsbeding-
te Kosten) wird nach den Regelungen der Verordnung über die Kosten von Maßnah-
men nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz (1. EKrV) bestimmt. Sie setzt sich zusam-
men aus den Grunderwerbskosten, den Baukosten und einer 10%-Verwaltungskosten-
pauschale auf die Summe aus diesen beiden Beträgen (§§ 2 und 5 der 1. EKrV).