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Prof. Dr.

Juliane Rebentisch
515 Philosophie/Ästhetik
Hauptseminar
Dienstag, 18.00-19.30 Uhr
Beginn: 15.10.2019
Raum 305

Melancholie und Kritik

Seit ihrer frühen Bestimmung als „saturnisches“ Temperament gilt die Melancholie als ein
höchst ambivalentes Phänomen: Zerrissen zwischen Wahnsinn und Erleuchtung ist sie das
Temperament der Intellektuellen und Künstler, deren Produktivität von Weltschmerz nicht zu
trennen ist. Die Melancholie erscheint in dieser Traditionslinie durch ihren Abstand zu den
Sinnangeboten und Glücksvorstellungen der Gesellschaft, durch ihren Sinn für den Verfall
aller Dinge – auch der menschengemachten Ordnungen – der Kritik verschwistert. In anderen,
jüngeren Beleuchtungen erscheint die Melancholie indes weniger heroisch: als neurotische
Auto-Aggression etwa oder als resignative Apathie. Hier verliert die Melancholie nicht nur
ihren Status als Ausnahmephänomen, überdies erscheint sie nun nicht mehr als Bestandteil,
sondern vielmehr als Blockade emanzipativer Kräfte. Vor dem Hintergrund einschlägiger
Texte zum Thema – und mit ständiger Rücksicht auf unsere sich verdunkelnde Gegenwart –
wird das Seminar das Spannungsfeld zwischen Kritik der Melancholie und Melancholie der
Kritik ausloten.

Leistungsnachweise: Neben regelmäßiger Teilnahme ist dies für einen Teilnahmeschein die
Übernahme eines Referats beziehungsweise die aktive Teilnahme an einer entsprechenden
Arbeitsgruppe; für einen benoteten Schein muss zusätzlich eine Hausarbeit geschrieben
werden (15-20 Seiten; Deadline: Beginn des nächsten Semesters).

15.10. EINFÜHRUNG/ORGANISATORISCHES

22.10. SATURN UND MELANCHOLIE (DÜRERS MELENCOLIA I)


Hartmut Böhme, „Kritik der Melancholie und Melancholie der Kritik“, in:
ders., Natur und Subjekt. Versuche zur Geschichte der Verdrängung,
Frankfurt/M. 1996, S. 256-273.

Raymond Klibansky, Erwin Panofsky, Fritz Saxl, Saturn und Melancholie.


Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und
der Kunst, Frankfurt/M. 1990, bes. S. 448-512.

Doppelsitzung (18.00-21.00 Uhr):


29.10. ALLEGORIE UND NATURGESCHICHTE
Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, in ders., Gesammelte
Schriften, Bd. I.1, Frankfurt/M. 1974, S. 203-430, hier S. 336-365, dazu
optional: S. 317-335.
KRITIK ALS SÄKULARISIERTE MELANCHOLIE
Theodor W. Adorno, „Die Idee der Naturgeschichte“, in: ders., Gesammelte
Schriften, Bd. I, Frankfurt/M. 1973, S. 345-365, bes. S. 354-365.
Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd.
VI, Frankfurt/M. 1973, S. 7-413, hier S. 347-353.
Theodor W. Adorno, Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit,
Frankfurt/M. 2001, S. 187-194.

Dazu (optional):
Juliane Rebentisch, „Über eine materialistische Seite von Camp.
Naturgeschichte bei Jack Smith“, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Nr. 1
(2013), S. 165-177.

Doppelsitzung (18.00-21.00 Uhr):


05.11. VERLUST, AMBIVALENZ, IDENTIFIZIERUNG
Sigmund Freud, „Trauer und Melancholie“ [1917 (1915)], in: ders.,
Psychologie des Unbewussten, Studienausgabe Bd. 3, Frankfurt/M. 2000, S.
194-212.
Sigmund Freud, „Das Ich und das Es“, in: ders., Psychologie des Unbewussten,
a.a.O., S. 273-330, bes. S. 296-306 („Das Ich und das Über-Ich (Ichideal)“).

EINE KULTUR DER GESCHLECHTERMELANCHOLIE: HOMOSEXUALITÄTSVERBOT


UND VERLEUGNETE TRAUER
Judith Butler, „Melancholisches Geschlecht/Verweigerte Identifizierung“, in:
dies., Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung, Frankfurt/M. 2001, S.
125-141.

12.11. TRAUER, MILITANZ, MELANCHOLIE


Douglas Crimp, „Melancholia and Moralism: An Introduction“, in: ders.,
Melancholia and Moralism. Essays on AIDS and Queer Politics,
Cambridge/Mass, London 2002, S. 1-25.
Douglas Crimp, „Mourning and Militancy“, in: ders., Melancholia and
Moralism, a.a.O., S. 129-149.

19.11. A WORLD OF WOUNDS: TOWARDS A QUEER ECOLOGY


Catriona Mortimer-Sandilands, „Melancholy Natures, Queer Ecologies“, in:
Catriona Mortimer-Sandilands, Bruce Erickson (Hg.), Queer Ecologies. Sex,
Nature, Politics, Desire, Bloomington, Indianapolis 2010, S. 331-358.

26.11. CULTURES OF MELANCHOLIA AND THE PATHOLOGY OF GREATNESS


Paul Gilroy, Postcolonial Melancholia, New York 2005, S. 87-151.

Dazu optional:
Alexander und Margarete Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern.
Grundlagen kollektiven Verhaltens, München 1977, S. 13-85.
03.12. ANTIDEPRESSIVE MELANCHOLIA: MELANCHOLIZING ONES WAY BACK TO THE
WORLD
Jonathan Flatley, Affective Mapping. Melancholia and the Politics of
Modernism, 2008, S. 105-157 („Introduction: Melancholize“), S. 105-157
(„‚What a Mourning‘. Propaganda and Loss in W.E.B. Du Bois’s Souls of
Black Folk“).

10.12. AGAINST MELANCHOLY HISTORICISM/MY BEAUTIFUL ELIMINATION


Stephen Best, None Like Us. Blackness, Belonging, Aesthetic Life, Durham,
London 2018, S. 1-26 („Introduction), dazu optional: S. 29-62 („My Beautiful
Elimination“).

17.12. OHNE KATHARSIS: DEN SCHMERZ SCHREIBEN


Julia Kristeva, Schwarze Sonne. Depression und Melancholie, Frankfurt/M.
2007, S. 105-112, S. 227-264.

14.01. HEROISCHE RESIGNATION: DIE GEBURT DER DEPRESSION AUS DER


MELANCHOLIE DER BÜRGERLICHEN GESELLSCHAFT
Friedrich Wolfram Heubach, „Die Melancholie einerseits und andererseits die
Depression. Eine Argumentation zum Verhältnis zwischen Melancholie und
Depression und ein polemisches Porträt des Depressiven als inverser
Triumphator“, in: ders., Ein Bild und sein Schatten. Zwei randständige
Bemerkungen zum Bild der Melancholie und zur Erscheinung der Depression,
Bonn 1997, S. 129-168.

Dazu optional:
Wolf Lepenies, „Handlungshemmung und Reflexion“, in: ders., Melancholie
und Gesellschaft. Mit einer neuen Einleitung: Das Ende der Utopie und die
Wiederkehr der Melancholie, Frankfurt/M. 1998, S. 185-213.

21.01. ZYNISMUS UND KYNISMUS


Klaus Heinrich, „Antike Kyniker und Zynismus in der Gegenwart“ (1964), in:
ders., Vernunft und Mythos. Ausgewählte Texte, Frankfurt/M. 1983, S. 27-49.

Peter Osborne, „Disguised as a Dog: Cynical Occupy?“, in: ders., The


Postconceptual Condition, London, New York 2018, S. 73-89.

28.01. VON DER MELANCHOLIE DER KÜNSTLER ZUR DEPRESSION DER MASSEN
Alain Ehrenberg, „Depression: Unbehagen in der Kultur oder neue Formen der
Sozialität, in: Christoph Menke, Juliane Rebentisch (Hg.), Kreation und
Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, Berlin 2010, S. 52-62.

Greta Wagner, „Arbeit, Burnout und der Buddhistische Geist des


Kapitalismus“, in: Ethik und Gesellschaft 2/2015: Depression und
subjektivierte Arbeit, Link: https://dx.doi.org/10.18156/eug-2-2015-art-2
(Stand: 08.10.2019)
Dazu optional:
Juliane Rebentisch, „Dark Play. Anne Imhofs Abstraktionen“, in: Susanne
Pfeffer (Hg.), Anne Imhof. Faust, Ausst.kat. des deutschen Pavillons der 57.
Biennale di Venezia, Köln 2017, S. 25-33.

Alle Texte finden Sie/findet Ihr unter: http://bit.ly/WiSe-melancholie


und im Handapparat in der Bibliothek.

Sprechstunde: zumeist Donnerstag, 10.00-12.00 Uhr, Raum 302 a


Anmeldung unter: assistenz.rebentisch@hfg-offenbach.de (Eva Novak)

Leistungsnachweise: Neben regelmäßiger Teilnahme ist dies für einen Teilnahmeschein die
Übernahme eines Referats beziehungsweise die aktive Teilnahme an einer entsprechenden
Arbeitsgruppe; für einen benoteten Schein muss zusätzlich eine Hausarbeit geschrieben
werden (15-20 Seiten; Deadline: Beginn des nächsten Semesters).

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