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CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Heinz-Mohr, Gerd:
Lexikon der Symbole : Bilder u. Zeichen d.
christl. Kunst I Gerd Heinz-Mohr. - 5. Aufl. -
Düsseldorf, Kóln : Diederichs, 1979.
ISBN 3-424-00408-1

5. Auflage 1979
Alie Rechte vorbehalten
© 1971 by Eugen Diederichs Verlag, Dusseldorf •
Kóln
Einbandgestaltung: Eberhart May Gesamtherstellung:
Passavia Passau ISBN 3-424-00408-1
EINFÜHRUNG

»Was sollen im Klosterhofe vor den Augen der lesenden und be-
trachtenden Brüder jene lächerlichen Ungeheuerlichkeiten, jene er-
staunlich mifigestalteten Schönheiten und verwunderlich schönen
Mißgestalten? Zu was die unflatigen Affen, zu was die wütigen Löwen,
zu was die greulichen Zentauren, zu was die wilden Manner, zu was die
fleckigen Tiger, zu was die fechtenden Streiter, zu was die blasenden
Jäger? Du siehst an einem Kopfe viele Leiber und wiederum an einem
Leibe viele Kopfe. Hier wird an einem Vierfüßler ein
Schlangenschwanz, dort an einem Fische der Kopf eines Vierfüßler
Tieres sichtbar. Da trägt ein Vieh das Voderteil eines Pferdes und die
hintere Hälfte einer Ziege, hier präsentiert ein gehörntes Tier das
Hinterteil eines Pferdes. Kurz, überall zeigt sich eine ebenso vielfältige
wie wundersame Mannigfaltigkeit verschiedenartiger Bildungen, so dafi
man mit mehr Vergniigen in den Steinen als in den Biichern liest und den
ganzen Tag lieber jene Sonderbarkeiten anstaunt als Gottes Gebote
beherzigt. Grofier Gott, wenn man sich der Possen nicht schamt, warum
scheut man nicht wenigstens die Kosten?«
So scharf urteilte einer der prágenden Manner des abendlandischen
Mittelalters, Bernhard von Clairvaux (f 1153), in einem Brief an den Abt
Wilhelm von St. Thierry aus Anlafi der Ausschmiickung der - nunmehr
schon lange zerstdrten - Abteikirche von Cluny fiber die wuchernde
Fiille der symbolischen und allegorischen Gestalten in der Bauplastik
seiner Zeit. Er wendete sich deshalb gegen sie, weil sie seiner Meinung
nach, im Unterschied zu den alten, wesent- lich schlichteren
Symbolbildern, die Fantasie zu leicht auf Abwege liihren konnten; denn
ihm ging es vor allem darum, seine Monche zu Lesung und Betrachtung
anzuhalten und vor Ablenkungen zu bewahren. Deswegen schrieb er in
seinem Orden besondere Zuriick- haltung in bezug auf figiirliche
Ausschmiickung der Kirchen und Krcuzgange vor.
■Zu was . . .?« fragt auch der heutige Betrachter mittelalterlicher Bau-
und Bildwerke. Er steht, sei es verbliiffi, sei es verlegen, vor dem Ulmer
Münster oder der Kathedrale von Chartres, einem ita- licnischen Dom
oder einem spanischen Rathaus, er betrachtet Stamen und
Figurengruppen an Kirchenportalen und Klosterkreuz- i;.ingen,
Tafelbilder auf Altaren oder in Museen und entdeckt über-

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