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Der Preußische Zivilprozeß
Der Preußische Zivilprozeß
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Wer preußische Zivilprozeß.
«ine
systematische Darstellung
de«
Msprozeßversaßrens
Von
A. Alker,
Land ? und StadtsGerichts-Rath.
5 8 4«.
^ LS. I).
Ginleitnng.
Allgemeiner Theil.
Erster Titel.
Über den Gegenstand de« Prozesses.
Begriffsbestimmungen.
§. I. Prozeß wird in der A. G. O. diejenige gerichtliche Verhandlung ge
nannt, durch welche der Richter in den Stand gesetzt werden soll, eine über Ge
genstände des Privateigenthums entstandene Streitigkeit nach den Gesetzen zu ent
scheiden. — Die Praris begreift aber unter Prozeß sowohl diese zur Entscheidung
vorbereitende Verhandlung, als die richterliche Entscheidung nebst deren Publikation.
Derjenige Theil des Prozesses, welcher die Aufnahme und Untersuchung der
in diesem vorkommenden, und zu dessen Entscheidung gehörigen Thatsachen in sich
faßt, heißt die Instruktion. Gegenstand der Letztern ist also hauptsächlich die Er
mittelung derjenigen Thatsachen, aus welchen die streitige Befugniß oder Obliegen
heit entspringen, oder worauf sie sich gründen soll. — §. 1, 2, 3, 5 und 3 der
Sinleit. zur A. G. O.
Gegenstand des Rechtsstreits.
Z. 2. Alle Streitigkeiten über Sachen und Rechte, welche einen Gegenstand
des Privateigenthums ausmachen, müssen, wenn kein gütliches Übereinkommen statt
findet, durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. — §.1 das.
Von der Selbsthilfe.
§. 3. Dagegen ist Niemand sich durch eigene Gewalt Recht zu verschaffen
befugt. Die Selbsthilfe kann nur in dem Falle entschuldigt werden, wenn die
Hilfe des Staats zur Abwendung eines unwiderbringlichen Schadens zu spat kom
men würde. Als Fälle der erlaubten Selbsthilfe bezeichnet das Gesetz: 1) wenn
der Besitzer einer Sache gewaltsamen Eingriffen in seinen Besitz da, wo das Ein
schreiten des Staats zu spät kommen würde, ebenfalls Gewalt entgegensetzt;
2) wenn unter gleichen Umständen derjenige, welcher seiner Gewahrsam oder seines
Besitzes mit Gewalt entsetzt worden, diesen Besitz wieder ergreift; 3) wenn der
bloße Inhaber einer Sache von dem, in dessen Ramcn er besitzt, der Gewahrsam
au« eigener Macht entsetzt wird; 4) wenn Jemand bloßes Hausrecht, oder 5) ge
rechte Nothwehr gegen eigenmächtige Gewalt ausübt; und 6) wenn Jemand Pfän
dungen da vornimmt, wo ohne dieselben der Zweck der Sicherstellung wegen eines
schon erlittenen Schadens ( namentlich wenn die Pfändung das einzige Mittel ist,
sich des Beweises der geschehenen Beeinträchtigung oder des erlittenen Schadens zu
versichern, oder der Beschädige! oder Störer unbekannt, unsicher oder cm Fremder
ist), ober de« Abwendung noch bestehender Beeinträchtigungen durch richterliche
Hilft nicht erlangt werden kann.')
§. 77 fg. Einl. zum A. L. R. §. 157 fg. §. 517 — 527, Th. II. Tit. 20.
Z. 143 - 145. Z. 148, Tit. 7, und z. 414 fg. Tit. 14, Th. I. A. L. R.
Fälle, in denen kein Rechtsweg zulässig.
§. 4. In nachstehenden Fällen ist der Rechtsweg ausgeschlossen:
1) in allen Landeshoheitssachen. 2) Es kann deshalb aus den landeshoheit
lichen Anordnungen weder ein privatrechtlicher Anspruch an sich, noch ein Ent
schädigungsanspruch hergeleitet und im Wege des Prozesses geltend gemacht
werden. Nur s) wenn der Staat aus überwiegenden Gründen des gemeinen
Wohls ein Privilegium aufhebt, oder b) wenn er von feinem Rechte, Jeman
den des gemeinen Bestens wegen, zum Verkaufe seines Eigenthums anzuhalten,
Gebrauch macht; so kann der Privilegiirte oder resp. zum Verkauf Genöthigte
die Feststellung des dafür zu gewährenden Entschädigungsanspruches durch rich
terliche Entscheidung verlangen. K. 7«, 71 Einl. z. A. L. R. Cab.-Ordre vom
4. December 1831. GS. S. 255. Verordn. vom 26. December 1305, Z. 35
bis 41. N. C. C. I'om. XII. S. 679. Rabe, Bd. 9, S. 467. GS. für
1817, S. 283. — Z. 4—1«, Tit. 11, Th. I. Z. 11, Tit. 7 und Z. 109 fg.
Tit. 16, Th. II. A. L. R. — Z. 6 des Gesetzes vom 9. Nov. 1843. GS. S. 342.
2) Über die Verbindlichkeit zur Entrichtung allgemeiner Anlagen und Abgaben,
denen sämmtliche Einwohner des Staats oder alle Mitglieder einer gewissen Klasse
desselben nach der bestehenden Landesverfassung unterworfen sind, findet kein Prozeß
statt. Ausnahmsweise ist der Rechtsweg hier nur zulässig, wenn Jemand aus
1) Zur erlaubten Selbsthilfe sind auch diejenigen Fälle zu zählen, in welchen ein
zelnen Behörden ohne vorhergegangene richterliche Entscheidung das Ereku-
tionsrecht zusteht. Diese Fälle werden theils im Z. 6 d. T., theils im Titel:
„die Vollstreckung der Erkenntnisse durch Erckution," aufgezählt werden.
2) Dahin gehören: s) alle Handlungen des Landesherrn, welche den Schutz des
Staates gegen auswärtige Feinde, oder welche Bündnisse und Verträge mit
fremden Staaten zum Gegenstande haben, 81 der Einl. und §. 5. 13. II.
A. L. R.; — b) das Recht des Staatsoberhaupts, Gesetze zu geben, dieselben
wieder aufzuheben und sie zu deklariren; e) das Recht des Staatsoberhaupts,
Privilegien, Standeserhöhungen, Ämter und Würden zu verleihen; ck) das
landesherrliche Auffichtsrecht über öffentliche Anstalten und Korporationenz
«) das landesherrliche Besteuerungsrecht, und t) das Recht des Staatsober
haupts, da, wo es das gemeine Wohl erfordert, Privilegien aufzuheben und
Andere zum Verkauf ihres Eigenthums anzuhalten, wie z. B. zur Anlegung
und Verbreitung öffentlicher Landstraßen, eines schiffbaren Kanals oder Fluß
betts, zur Anlegung von Festungswerken, ferner von Gruben, Stollen, Halden
und Wegen, auch Gebäuden über der Erde Behufs des Bergbaues, oder bei
entstehendem Getreidemangel zc. — All. Cab.-Ordre vom 4. December 1831
und Ber. des Staatsm. vom 16. Nov. 1831. GS. S. 255. — §. 6, 7, IS,
15, 7«, 74 Einl. 8. 11, Tit. 11, I. g. 44, Tit. 14, II. A. L. R. — Wenn
jedoch der Landesherr selbst dem Unterthan in Betreff einer von ihm erlassenen
Verfügung rechtliches Gehör eröffnet, so ist die richterliche Entscheidung zulässig.
Rescr. vom 18. Juli 1799. Stengel, Bd. 15, S. 307. Rabe, Bd. 5,
S. 500. — Entstehen in den zum teutschen Bunde gehörigen Theilen der
Monarchie zwischen der Regierung und den Ständen über die Auslegung der
Verfassung oder über die Grenzen der bei Ausübung bestimmter Rechte des
Regenten den Ständen eingeräumten Mitwirkung, namentlich durch Verwei
gerung der, zur Führung einer, den Bundespflichten und der Landesverfassung
entsprechenden Regierung, erforderlichen Mittel Irrungen; so gehört die Ent
scheidung darüber zunächst vor das vom teutschen Bunde eingesetzte Schieds
gericht, und erst, wenn dies die Irrungen nicht zu beseitigen vermag, kann
die Dazwischenkunft des Bundes nachgesucht werden. Bundesbeschl. vom 30.
Lttoher 1SS4 im Publ.-Pat. vom 7. Juni 1343. GS. 1S43, S. 270.
besondern Grünben, namentlich auf Grund von Vertragen, ausdrücklichen Privilegien
«der Verjährung, Befreiung von einer bestimmten Abgabe behauptet. Doch ist hin
sichtlich der Zoll- und Verbrauchssteuer für ausländische Waaren der Einwand
der Befreiung niemals zulässig. Beschwerden über die Höhe der von den Be
hörden repartirten Staats- oder Eommunalobgaben können nur im Wege des
Rekurses an die vorgesetzte Staatsbehörde beseitigt werden. Dies gilt auch in
Betreff der bei Chausseebauten oder Reparaturen unter die verpflichteten Ge
meinden repartirten Fuhren. Unter den Mitkontribuenten einer allgemeinen
Abgabe oder Anlage sind Prozesse über die Vertheilung derselben, namentlich
über die Frage: ob Jeder nach Verhältniß seiner Theilnahmepflicht besteuert
sei? jederzeit zulässig. ') — K. 4 — 9. Z. 79, Tit. 14, II. A. L. R. —
Cab.-Ordre vom 19. Juni 1836. GS. S. 193. Cab.-Ordre vom 13. Nov.
1328. GS. für 1829, S. 16. — 8- 27 des Ges. vom 26. Mai 1813. GS.
S. 69. z. 24, Ed. vom 2. Nov. 181«. GS. S. 85. — Ges. vom 3«. Mai
. 1820, Z. 6. GS. S. 142. — Rescr. vom 8. April 1836, Jahrb. Bd. 47, S.
S31. — Rescr. vom 16. Octb. 1817, Jahrb. Bd. 1«, S. 231. Gröff,
Bd. 2, S. 4.
3) Gegen die das Kreditsystem betreffenden Verfügungen oder Handlungen der
landschaftlichen Provinzialdirektionen findet nur der Weg der Beschwerde
an die Generaldirektion, und gegen die von dieser erlassenen Verfügungen der
Rekurs an den engern Ausschuß statt. — g. 61 und 62 der Kreditordn. für
das Großherz. Posen vom 15. December 1821. GS. S. 226;
4) Die Rechtsstreitigkeiten zwischen der hinterpommerschcn Land , Feuerfc-
zietät und deren Assoziirten sind ausschließend der Kognition der Landstände
unterworfen. Rescr. vom 3. Juni 1835. Jahrb. Bd. 45, S. 427. Gräff,
Bd. 8, S. 136. — Streitigkeiten zwischen der Feuersozietät des platten
Landes der Grasschaft Hohnstcin und den Assoziirten, so wie zwischen der
schlesischen Land-Feuersozietät und den Assoziirten und der Magdebur
ger Feuersozietät und den Assoziirten wegen Aufnahme der Taxen oder
Brandschäden, über den Betrag der Bergütigungsgelder, über die Zahlungs
modalitäten, über zu zahlende Kosten und dergl. sind vom ordentlichen Rechts
wege ausgeschlossen. Sie werden durch die Direktion entschieden. — Reglem.
vom 27. März 1843. GS. S. 161. — Reglem. vom 28. April 1843, Z. 123.
GS. S. 212. — Reglem. vom 6. Mai 1842, §. III. GS. S. 141.
ö) Streitigkeiten der Armenanstalten unter einander wegen Wiedererstattung
der den Armen fremder Gemeinden gegebenen Unterstützungen, werden nicht durch
Prozeß, sondern durch Ministerialverfügung geschlichtet. Cirk.-Rescr. vom 17.
November 1803. N. C. C. lom. XI. S. 1931. Rabe, Bd. 7, S. 522.—
Über Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenverbändcn entscheidet die
Landespolizeibehörde. Betrifft der Streit die Frage: welcher von diesen Ver
bänden die Verpflegung des Armen zu übernehmen habe, so findet gegen jene
Entscheidung der Rechtsweg statt; doch muß letztere bis zur rechtskräftigen
Beendigung des Prozesses befolgt werden. Über den Betrag der Verpflegungs-
koften ist der Rechtsweg nicht zulässig. — Der Arme selbst kann den Anspruch
auf Verpflegung gegen einen Armenverband niemals im Rechtswege, sondern
nur bei der Verwaltungsbehörde geltend machen, in deren Pflicht es liegt, keine
Ansprache zuzulassen, welche über das Nothdürftige hinausgehen.
Weigert der zur Verpflegung eines Armen aus privatrechtlichem Verhalt-
nisse Verpflichtete die Erfüllung dieser Pflicht, so muß bis zu dessen rechtskräf-
') Dies ist z. B. der Fall, wenn Mehre sich in ein Grundstück getheilt haben
und über die Beitragspflicht zu den öffentlichen Abgaben uneinig sind.
10
tiger Verurteilung die Fürsorge für den Armen von dem Armenverbanbe über
nommen werden, welchem dieselbe in Ermangelung eines solchen Verpflichteten
obliegen würde. Entsteht unter zwei Verbänden darüber Streit, so wird er
nach vorstehenden Bestimmungen entschieden. 8> 23 bis 35 des Ges. vom 31.
December 1S42. GS. für 1843, S. 13. Der Rechtsweg ist ferner ausge
schlossen :
6) über die Frage : ob eine Gemeinheitstheilung nach Beschaffenheit der Ortlichkeit
an sich zulässig sei oder nicht. — z. 6, Tit. 43, I. V. G. O. Z. 23 der Gem.-
Ordn. vom 7. Juni 1821. GS. S. 56 z
7) über die Verbindlichkeit der Freiholzdeputanten, die Hälfte ihres Bedarfs in
Torf oder in Gelde anzunehmen. — Anh. S. 61 zum A. L. R. §. 36 der
Verordn. vom 26. December 1808 (GS. für 1817, S. 283);
8) in Betreff der Fragen :
ob der Fall der Entschädigung für den durch das Edikt vom 28. Oct.
1810 aufgehobenen Mühlen- und Getränkezwang durch besondere örtliche
Verhältnisse als Ausnahme von der Regel begründet?
auf wie hoch dann diese Entschädigungssumme festzustellen sei?
und wie viel der für ein im Großhcrzogthum Pofen aufgehobenes Zwangs-
und Bannrecht vom Staate zu vergütende Schaden betrage?
Über diese Fragen hat nur die betreffende königl. Regierung die nöthigen Er
mittelungen vorzunehmen und zu entscheiden. Gegen die Entscheidung der Re
gierung steht der Weg des Rekurses an die Ministerien des Innern und für
Handel und Gewerbe offen. — Z. 6 und 10 der Verordn. vom 15. Sept. 1818.
GS. S. 178. Gef. vom 13. Mai 1833. GS. S. 6«. Rescr. vom 3«. Aug.
1817. Jahrb. Bd. 10, S. 5. Gr« ff, Bd. 2, S. 4. Z. 3 des Ges. vom
28. October 181«. GS. S. 95;
9) hinsichtlich der von den Magisträten aufgenommenen, von der Regierung bestä
tigten Taxen der abzulösenden Real- Gewerbeberechtigungen; ferner hinsichtlich .
der Frage: ob die Ablösung der Berechtigung erfolgen muß, wenn die volle
Taxe geboten wird, fo wie: ob eine Corporation zur Berichtigung der Ablö
sungssumme einer ablösbaren Gewerbegerechtigkeit verpflichtet sei? und Hin-
fichtlich der Entschädigungssumme der nicht mit einem Grundstücke verbundenen
im Hyxothckenbuche eingetragenen Gewerbeberechtigung. In allen diesen Fällen
gehört die Sache vor die königl. Regierung. Nur über die Entschädigungs
summe der schon im Jahre 1810 in Berlin, Königsberg und Breslau etablirten
Apotheker entscheidet das Ministerium. — Ed. vom 2. November 1810 Z. 17.
GS. S. 83. — Ges. vom 7. Sept. 1811, Z. 34, 43, 44. GS. S. 266 fg.—
Verordn. vom 24. Oct. 1811, z. 8. GS. S. 36«. — Rescr. vom 6. Juni 1834.
Dagegen gehört zur richterlichen Kognition die Entscheidung der Fragen:
ob eine Gewerbeberechtigung in die Kategorie der gesetzlich abzulösenden
gehöre? so wie: ob der Inhaber einer bestehenden Apotheke eine Ent
schädigung durch Ablösung der Apothekergerechtigkeit um deshalb, weil er
ein Privilegium exclusivum hat, zu fordern befugt sei?
Eine Klage auf Schließung einer neu errichteten Apotheke ist aber niemals zu
lässig. — Rescr. vom 27. Oct. 1834. Gr äff, Koch zc. Ergänzungen I.
Abth. 1, S. 975. — Refcr. vom 4. Nov. 1817. Jahrb. Bd. 1«, S. 219.
Gräff, Bd. 1, S. 29.
1«) Wird dem zur Anlegung einer Apotheke Konzessionirten zur Bedingung gestellt,
die zur Einrichtung und zum Betriebe der Offizin seines Vorgängers gehörigen
noch brauchbaren Gefäße, Geräthschoften und Waarenvorräthe, diese in der dem
Umfange vis Geschäfts nöthigen Quantität, zu übernehmen; so bestimmt nach
11
Anhörung von Sachverständigen die Regierung den Übernahmeprei« und gegen
diese Feststellung ist eine Berufung auf richterliche« Gehör nicht zulässig. —
Eab.-Orvre vom «. März 1842. GS. S. III.
11) Wenn einem Staatsbeamten die Erlaubniß zur Betreibung eines Gewerbe« ver
sagt wird. — Ed. vom 7. Scpt. 1811, Z. 81. GS. S. 271.
12) Über die in Betreff der Grenzen einer Gewerbbercchtigung entstandenen
Zweifel gebührt die Entscheidung der Polizeibehörde. — Z. 58 das. GS. 1811,
S. 269.
13) Die Bestimmung darüber, ob dem, welcher das Hausir- oder eines der Z. 131
des Gesetzes vom 7. September 1811 über die polizeilichen Verhältnisse der
Gewerbe, benannten Gewerbe anfangen, oder von einem Andern übernehmen
will, das dazu erforderliche Zcugniß, daß ihm der Betrieb dieses Gewerbes er
laubt sei, zu ertheilcn oder zu versagen? gebührt der Lo?al-Polizeiobrigkeit, und
es steht dagegen nur der Rekurs an die vorgesetzte Polizeibehörde z»> — §. 133
ebend. Regul. vom 28. April 1824. GS. S. 126 fg.
14) Streitigkeiten der Zünfte gegen einander, oder mit Einzelnen, so weit sie Privat
rechte betreffen, die sich auf Junftprivilegien , Vertröge mit andern Zünften,
oder sonstige dcrgl. Rechtstitel gründen, gehören zur richterlichen Entscheidung.
Handelt es sich aber lediglich um Aufrechthaltung der im öffentlichen
Interesse erlassenen gewerbepolizeilichen Verordnungen, gleichviel, ob eine Zunft
oder ein einzelner Gewcrbeberechtigter bei deren Beobachtung auch ein Privat
interesse zu haben glaubt, so gehört die Sache, wenn obrigkeitliches Einschreiten
nöthig wird, mit Ausschluß dcs Richters, vor die Polizei, gegen deren Verfü
gung der Rekurs zusteht. — Rescr. vom 14. Mai 1836. v. Kamptz Annolen
Bd. 21, S. 51«.
15) Zwischen dem Patentirten und dem Dritten kann ein Prozeß über die Berechti
gung, welche jener aus dem Patent erlangt hat, gar nicht zugelassen werden.
Dem Dritten steht nur zu, wenn er durch Erthcilung des Patents sich gefährdet
glaubt, dm Nachweis darüber bei den Administrationsbehörden zu führen. —
Rescr. vom 7. Febr. 1821. Gräff, Koch zc. Th. III. S. 45, Iste Ausgabe.
16) Die Landespolizeibehörde hat die Befugniß, den Bau oder die Veränderung einer
Wind- oder Wassermühle, selbst die Wiederherstellung der in einer alten Mühle
früher vorhanden gewesenen aber eingegangenen Anlagen, so wie die Erlaubniß
zum Betriebe einer Brauerei oder Branntweinbrennerei zu untersagen. Dage
gen steht nicht der Rechtsweg, sondern der Rekurs an das vorgesetzte Ministe
rium offen. — Edikt vom 28. Ott. 181«, Z. 8. GS. S. 97. — Res«. Vom
14. Juni 183«. Gräff, Koch zc. Suppl.-Bd. zu Th. IN. S. S.
17) Die Bestimmung darüber : in welcher Art und Weist Flösse und Wassergraben
zu räumen oder zu erweitern;') ob eine beabsichtigte Entwässerung zulässig und
unter welchen Modalitäten sie stattfinden soll ? so wie in welcher Art und Weise
ein Merkpfahl an einer Mühle, der noch nicht unter polizeilicher Aufsicht gesetzt
ist, gesetzt werden soll? gebührt den Polizeibehörden. Ein gerichtliches Verfah
ren ist in allen diesen Fallen nur zulässig: ») wenn darüber gestritten wird,
daß die Höhe des Merkpfahl« durch Vertrage, Verleihungen oder Verjährung
bereits festgestellt sei, und b) wenn über den Umfang der Rechte Streit ist,
welche bei neuen Entwässerungsanlagen von den Interessenten zur Ausgleichung
gebracht werden. — Ges. vom 15. November 1811, §. 5, 1«, 13, 19, 24 und
»5. GS. S. 352. — Ges. 28. Februar 1843, z. 7..
18) Der Polizeibehörde steht die Entscheidung darüber zu : ob das zum Betriebe von
^) S. Srkenntn. des k. O. L. G. zu Breslau vom S. Febr. 1837, in Koch'«
Schl. Anh. Bd. II. S. 443.
12
Färbereien, Gerbereien, Walken und ähnlichen Anlagen benutzte Wasser einem
Flusse zugeleitet werden darf. ') — Ges. vom 28. Febr. 1843, z. 4. GS. S. 41.
19) Die bei Bewässerungsanlagen entstehenden Streitigkeiten gehören nur dann zur
richterlichen Kognition, wenn der Streit die Existenz oder den Umfang eines
Rechts, auf welches ein Widerspruch oder ein Entschädigungsanspruch gegründet
wird, betrifft. Die Entscheidung der Frage: ob durch die Bewässerungsanlage
einem zur Zeit der Publikation des Gesetzes vom 28. Februar 1843 bestehenden
Triebwerke das zum Betriebe im bisherigen Umfange erforderliche Wasser ent
zogen werde; ferner die Feststellung des Plans zur Ausführung und Benutzung
der Anlage und die Bestimmung der Entschädigungssumme für diejenigen, welche
zu Gunstcn der Anlage in ihrem Rechte beschränkt werden, oder solches einräu
men müssen, gehören, mit Ausschluß des Rechtsweges, zur Kompetenz der kön.
Regierungen, und es steht gegen deren Entscheidungen der Rekurs an das vor
gesetzte Ministerium offen. — Ges. vom 23. Febr. 1843, z. 23, 37, 44, 45.
20) Beschwerden über polizeiliche Verfügungen jeder Art, sie mögen die Gesetzmä
ßigkeit, Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen, gehören vor die
vorgesetzte Dienstbehörde. Der Rechtsweg ist nur zulässig, wenn die Verletzung
eines zum Privateigenthum gehörenden Rechts behauptet wird. Behauptet Je
mand, welchem durch polizeiliche Verfügung eine Verpflichtung aufgelegt wird,
die Befreiung davon auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschrift, oder eines spe
ziellen Titels, so ist die richterliche Entscheidung sowohl über das Recht zu dieser
Befreiung, als auch über dessen Wirkungen zulässig. Doch wird, wenn nach
dem Ermessen der Polizeibehörde die erlassene Verfügung ohne Nachtheil für das
Allgemeine nicht ausgesetzt werden kann, dieselbe, trotz des Widerspruches,
vollstreckt.
Wird behauptet, daß durch die polizeiliche Verfügung, ohne daß ein beson
deres Recht auf Befreiung vorliegt, ein Eingriff in Privatrechte geschehen, für
welchen nach den Vorschriften über Aufopferungen der Rechte und Vorthcile des
Einzelnen im Interesse des Allgemeinen, Entschädigung gewährt werden muß,
so findet der Rechtsweg darüber statt: ob ein Eingriff dieser Art vorhanden sei,
und zu welchem Betrage dafür Entschädigung geleistet werden müsse. — Gesetz
vom 11. Mai 1842. GS. S. 192.
21) Die Entschädigung für den im Herzogthum Sachsen aufgehobenen Salzschank
und Deputalsalz der Rittergüter setzt das Finanzministerium, mit Ausschluß des
Rechtsweges, fest. — Edikt vom 9. Mai 181S, Z. 8. GS. S. 140. — Ferner
sind nicht zulässig :
22) Klagen wegen der aus dem Kriege gegen die französische Republik herrührenden
Forderungen, so wie wegen Ansprüchen an den Fiskus für Kricgsleistungen
während der französischen Militair- Verpflegungsperioden vom 1. März 1812
bis Ende Juni 1314, und in den wiedervereinigten und neuerworbenen Provin
zen während der Jahre 1805, 1806 und 1812. — Cab.-Ordre vom 4. Sept.
1823. GS. S. 161. — Verordn. vom 1. März 1815. GS. S. 14. — Cab.-
Ordre vom 1. Juli 182«. GS. S. III. — Edikt vom 3. Juni 1814. GS.
S. 49. — Cab.-Ordre vom 9. Juni 1821. GS. S. 99. — Cab.-Ordre vom
27. Juni 1822. GS. 1823, S. 17. — Cab.-Ordre vom 31. Januar 1827.
GS. S. 13. — Cab.-Ordre vom 4. Febr. 1799. N. C. C. low. X. S. 2201,
Nr. 6. 6e 1799. — Rabe, Bd. 5, S. 315.
23) Klagen wegen Ansprüchen, welche dritte Personen gegen das ehemalige Königreich
') Ein Grund zur Untersagung dessen ist vorhanden, wenn dadurch der Bedarf
der Umgegend an reinem Wasser beeinträchtigt oder eine erhebliche Belästigung
des Publikums verursacht wird. 05. d. angef. Ges.
13
West fahlen zu haben behaupten. — Art. 1 und 2 de« Staativertr. vom
29. Juli 1S42. GS. für 1843, S. 79, «0.
24) Klagen des Fiskus wegen Ersatzes der durch Schuld Anderer in den Kriegen
von 1806 und 1807 verloren gegangenen Militair-Effekten , Kassenbestände und
andern Staatseigenthums. — Eab.-Ordre vom 29. April 1811. Mathis, Bd.
I«, S. 485. Rabe, Bd. 10, S. 527.
25) Klagen aus polnischen Privilegien, auf dem platten Lande Jahrmärkte zu
halten, da solche der polnischen Konstitution von 1507: ne merests g»nt
in villi», entgegen ertheilt sind. — Eab.-Ordre vom 21. Febr. 1805 und Eirk.-
Rescript vom 9. März 1805. N. A. Bd. 4, S. 29. — Rabe, Bd. 8, S. 254.
26) Klagen aus den auf das sogenannte (aufgehobene) Kontinentalsystem sich bezie
henden Anordnungen und den daraus entsprungenen Verpflichtungen. — Edikt
vom 2«. März 1813. GS. S. 39. — Publik, vom 27. Mai 1817. Jahrb.
Bd. 1«, S. 275.
27) Klagen wegen Berwaltungsansprüchen an den Staat aus der Zeit der ehema
ligen Fremdherrschaft in den neu- und wiedererworbenen Provinzen. Die Rc-
gulirung dieser Ansprüche ist dem Schatzministerio übertragen. — Eab.-Ordre
vom 4. Febr. 1823. GS. S. 21.
28) Wenn wüste Feldmarken unter landesherrlicher Genehmigung wieder ange
baut worden sind, so sollen wegen angeblicher Ansprüche benachbarter Ortschaften,
ohne vorherige Anfrage und landesherrliche Zulassung, keine Prozesse eingeleitet -
werden. — Anh. §. 59 z. Zl. L. R. und die demselben zum Grunde liegende
Eab.-Ordre vom 14. Juli 180«. — N. E. E. 1'om. X. S. 2999, Nr. 45,
<Ie 1800. — N. A. Bd. 1, S. 265. — Rabe, Bd. 6, S. 222.
29) Zur Regulirung und Feststellung der Gehaltsentschädigungen der ehema
ligen süd-, neuost- und westpreußischen, auch neuschlesischcn Beamten wurde eine
besondere Kommission niedergesetzt, gcgcn deren Ausspruch nur der Rekurs, nicht
aber der Rechtsweg, zusteht. — Eab.-Ordre vom 30. Dec. 1815.
30) Was die Anforderungen der Beamten aus ihrem Dienstverhältniß betrifft,
so findet wegen angeblicher Verkürzung, sei es im Gehalte, oder hinsichtlich der
zugesicherten Emolumente und Gebühren, oder in Betreff der für Ausrichtung
einer Amtshandlung liquidirten Diäten und Auslagen, keine gerichtliche Klage
statt. Dem Beamten steht zunächst der Weg der Beschwerde an das vorgesetzte
Ministerium, und demnächst der Antrag auf Entscheidung durch das Staats
ministerium, oder der Weg der Jmmediat-Beschwerde zu. Dahin gehört aber
nicht der Fall, wenn ein Beamter als Sachverständiger, gleichviel, ob von den
Interessenten oder von der Behörde, zugezogen worden, und Diäten, Gebühren
oder Auslagen liquidirt hat. Gegen das dieselben festsetzende Dekret kann er
nur den Rekurs an die vorgesetzte Behörde, und endlich die Bitte um Aller
höchste Entscheidung wählen.
Auch Gehaltsansprüche der Militairpersonen sind nicht zum Rechtswege ge
eignet. Während der Kriegsgefangenschaft haben Militairpersonen keinen An
spruch auf Sold. — Eab.-Ordre vom 7. Juli 183« und Rescr. vom 12. Nov.
1830. Jahrb. Bd. 36, S. 294. Gr äff, Bd. 6, S. 204. — Eab.-Ordre v.
12. April 1835. Jahrb. Bd. 45, S. 469. Gräff, Bd. 8, S. 137. — Rescr.
vom 4. Febr. 1828. Jahrb. Bd. 31, S. 155. Gräff, Bd. 2, S. 14. —
Eab.-Ordre vom 4. März 1833. Jahrb. Bd. 41, S. 213. Gräff, Bd. 6,
S. 206. — Eab.-Ordre vom 28. Ott. 1836. Jahrb. Bd. 48, S. 433.
31) Den Beamten ist in Beziehung auf ihre Pcnsionirung, die Reklamation
! mag die Berechtigung zum Genüsse einer Pension oder den Betrag derselben
14
betmffe», der R«chtsw«g nicht gestattet. — Sab.-Ordre vom 21. Mai 1825.
GS. S. 147.
22) Gegen die von der vorgefetzten Behörde wegen zu besorgender erheblicher Nach-
thÄe für das gemein« Beste verweigerten Annahme eines Dienfientlassungs-
gesuchs steht nur die Berufung auf die unmittelbare Entscheidung des Landes
herrn offen. — Z. 9S, 9S, II. Tit. w A. L. R.
33) Wegen- der den Konsistorien als Oberaufsichtsbehörde zustehende» Bestäti
gung der Wokationen der Prediger steht keine Klage zu; selbst dann nicht, wenn
mehren Patronen die Vokation gebührt, und Fiskus zu diesen Patronen gehört.
Reser. vom 2«. Juli 183« und vom 23. Sept. 1831. Jahrb. Bd. 36, S. 138.
Gr äff, Bd. 6, S. Itl.
34) Gleiches ist der Fall wegen Bereinigung mehrer Schulen zu einer Ge-
sammtschule, wegen der Beitragspflicht zu den Unterstützungskosten derselben,
und der Zutheilung eines Guts zu einer bestimmten Schulsozietät. — Restr. v.
«. Januar 1836. Jahrb. Bd. 47, S. 306. — Rcscr. vom 1. Febr. 1836 m
Mann köpf A. G. O. I. S. IIS.
35) Der durch Beschluß der Stadtverordneten des Bürgerrechts verlustig Erklärte
kann dagegen nicht auf rechtliches Gehör provoziren. — Rescr. vom 20. Juni
1810. Msthis 1«, S. 113. Rabe 1«, S. 361.
36) Bon den Verfügungen der städtischen Verwaltung in Städten, in denen eine der
Städteordnungen gilt, geht der Rekurs an die Regierung; und gegen deren
Entscheidung an die derselben vorgesetzte Behörde. Über allgemeine Vcrwaltungs-
grundsätze und deren Anwendung ist daher der Rechtsweg nicht zulässig. Dieser
kann nur gewählt werden, wenn die Klage auf einen speziellen privatrechtlichen
Biel gegründet wird. — Revid. Städte -Ordn. vom 17. Mörz 1831, z. 13S.
GS. S. A7S.
37) Wenn die Verwaltungsbehörde Jemanden, der ohne einen vom Staate geneh
migten Tarif Brücken- oder Wegegeld erhebt, die fernere Erhebung untersagt,
st, kann deshalb keine gerichtliche Klage angebracht werden. — Refrr. vom 7.
Juni und 12. Oct. 1S33. Mannkopf A. G. O. I. S. 11«.
38) Zur Kognition der Polizeibehörde des Aufenthaltsorts der Interessenten gehört,
ohne daß auf rechtliches Gehör angetragen werden kann, «) die Bestimmung
dessen, was an Lohn, Kostgeld, Beköstigung und Livree dem Gefinde in dem
FM, wenn bei Vermiethung keine bestimmte Abrede darüber stattgehabt, mit
Nü'Sstcht auf die Zeit der Vermiethung und den Ort derselben zu geben sei;
K) die Festsetzung der in den A 12, 1.7, 2«, 31, 51 und 168 der Ges.-Ordn.
angedrohte» Strafen, selbst n«vn sie 5 Thlr. übersteigen. Gegen diese Feftsez-
zung steht der Rekurs an die vorgesetzte Behörde zu; e) die Ahndung der vom
Gesinde gegen die Herrfchaft verübten Beleidigungen bis zu einer Strafe von
14 Tagen Gefängniß oder 5 Thlrn. Geldbuße; ä) die Verfügung in den Fällen
der Z. 1«, 13, 173 und 176 der Gesindeordn. ')
')'Sie lauten: I. 1V. Leute, die bisher noch nicht gedient zu haben angeben,
müffen durch ein Jeugniß ihrer Obrigkeit darthun, daß bei ihrer Annchmung
als Gesinbe kein Bedenken obwalte. — S. 13. Niemand darf mit Gesindemä
keln sich abgeben, der nicht dazu von der Obrigkeit des Orts bestellt und ver-
' Pflichtet worden ist. — z. 173. Wird dabei die Beschuldigung (die von der
Herrschaft ausgeht) für unbegründet befunden, fo muß die Obrigkeit dem Ge
sinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft ausfertigen lassen, und Letzterer
fernere üble Nachreden bei namhafter Geldstrafe untersagen. — Z. 176. Auch
soll eine solche Herrschaft (welche nämlich Veruntreuungen und grobe Laster
des Gesindes im Atteste wider besseres Wissen verschwiegen und das Gegentheik
bezeugt hat) mit einer Geldstrafe von einem bis fünf Thlr. zum Be^n der
Armenkasse des Orts belegt werden.
IS
In einigen andern Fällen hat die Polizeibehörde nur die vorläufigen Bcstun»
münzen zu erlassen und zu vollziehen, und erst demnächst trit auf Anrufen die
Wirksamkeit des Richters ein. ')
Übrigens steht bci der See- und bei der Stromschifffahrt das Schiffsvolk zu
dem Schiffer in gleichem Vcrhältniß, wie das Gesinde zur Dienstherrschaft. —
Gesindeerdn. vom 8. Nov. 181«, Z. SS, 37. GS. S. 101. — Res», vom 17.
April 1812. Hoffmann's Repert. 3, S. 118. Rabe 1«, S. 358. — Refcr.
vom 15. Ja». 1821. Jahrb. 17, S. 259. Gr äff 1, S. 183. — Rescr. vom
19. Sept. 1833. Jahrb. 42, S. 110. Gräff 6, S. 92. — Eab.-Ordre vom
23. No». 1831. GS. S. 255. — Eab.-Ordre vom 23. Sept. 1835. GS. S. 222.
Wenn zwischen Reisenden und Handwerkern Streitigkeiten entstehen, so soll
zwar auf den Antrag eines Thcils jedesmal ein kurzes polizeiliches Verfahren
eingeleitet werden. Doch steht jedem Theile frei, auf rechtliches Gehör zu pro-
voziren. Das dem richterlichen Verfahren vorangehende polizeiliche Verfahren
ist folgendes: g) Die Vorladung erfolgt unter der Warnung, daß beim Aus
bleiben in contumaciam verfahren werde; b) zwischen den Erschienenen wird,
allenfalls unter Zuziehung eines Sachverständigen, die Sühne versucht; c) gelingt
diese nicht, so schätzt die Polizeibehörde die Arbeit, und entscheidet durch ein
Resolut; cl) wird nicht sofort auf den Rechtsweg provozirt, so hat die Polizei
behörde ohne weitere Ankündigung das Resolut durch Exekution zu vollstrecken;
e) bei Wahl des Rechtsweges ist der Handwerker schuldig, dem Reisenden die
Arbeit, wenn sie ein mit dessen Eigenthume zusammenhängendes Werk ist, gegen
Zahlung des polizeilich bestimmten Preises und Erlegung einer von der Polizei
behörde hinsichts der Mchrfordcrung festzusetzenden Kaution zu verabsolgen. —
Rescr. vom 14. Nov. 1816. Jahrb. 8, S. 251. Gräff 2, S. 2. — Reser.
vom 4. Februar 1817. Jahrb. 9, S. 10. Gräff 2, S. 3.
39) In Fällen, wo Verträge gesetzlich unstatthaft sind, findet daraus keine Klage statt.
Dies ist z. B. der Fall: s) bei Verträgen, wodurch sich Jemand zum Unter-
thänigkeitsverhältniß gegen einen Gutsbesitzer verpflichtet; Ed. v. 9. Oct. 1807,
§. 1V. GS. S. 171 ; b) bci Verträgen, durch welche Jemand sich verpflichtet,
feinen eigenen Getränkebedarf aus einer bestimmten Schankstätte zu entnehmen;
Ges. v. 7. Sept. 1811, §. 54. GS. S. 268; c) bei den die Gewerbefreiheit
beschränkenden Verträgen; Eab.-Ordre vom 9. April 1813. GS. S. 69, ck)
bei Vertragen über spanische Staatsschuldpapicre , und über andere auslän
dische auf jeden Inhaber lautende Staats- oder Kommunal - Schuldpapicre,
Aktien, Obligationen oder sonstige Geldpapiere auswärtiger Gesellschaften
oder Institute, sofern dieselben nicht sofort Zug um Zug erfüllt worden; Eab.-
Ordre vom 19. Januar 1836. GS. S. 9. Vcrordn. v. 13. Mai 184«. GS.
S. 123; e) bei Verträgen, bci denen die Absicht zum Grunde liegt, bei gericht
lichen und andern öffentlichen Subhastationen und Auktionen Kauflustige zum
Vortheile eines Lizitanten von Abgabe des Gebots oder von weiterem Mitvieten
abzuhalten. — Berordn. vom 14. Juli 1797. N. E. E. Tom. X. S. ISIS.
Rabe, Bd. 4, S. 204.
') Solche Fälle sind: s) wenn von der verweigerten Annahme des Gesindes in
den Dienst von Seiten der Herrschaft; K) von dem verweigerten Antreten des
Dienstes Seitens des Gesindes; c) von dem verweigerten Behalten des Gesin
des im Dienst von Seiten der Herrschaft; ck) von dem verweigerten Bleiben
des Gesindes im Dienst; e) von dem verweigerten Abziehen und Entlassen;
endlich 1) von der Erfüllung kontraktmäßiger Verbindlichkeiten der Herrschaft
oder des Gesindes während des Dienstes die Rede ist. Beruhigt sich eine der
beiden Parteien nicht bci der polizeilichen Verfügung, und provozirt auf rich
terliches Urtel, so muß er sich dennocb, bis dieses ergeht, der Bestimmung der
Polizei vorläufig fügen. — S> 47, 51, 16«, 1S7 Gesmdeordn.
Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwischen Gerichts- und Wer«
waltungsbehörden.
Z. 5. Halt das Gericht eine Klage, bei welcher eine fiskalische oder Verwals
tungsbehörde interessirt, nach reiflicher Erwägung für zulässig und begründet, so
leitet sie dieselbe ein, und setzt die Sache fort, bis die Verwaltungsbehörde den
Konflikt erhebt. Diese prüft, wenn ihr durch Borladung oder sonst von einem ihr
Ressort betreffenden Prozeß Kenntniß zugeht, ebenfalls die Zulässigreit des Rechts
weges. Halt sie diesen nicht für zulässig, so trit folgendes Verfahren ein :
1) Die Verwaltungs- oder fiskalische Behörde faßt unverzüglich, und wo möglich
noch vor der nächsten Prozeßhandlung über den zu erhebenden Konflikt einen
motivirtcn Beschluß ab.
2) Die Erhebung des Konflikts erfolgt durch ein an den Prozeßrichter zu richten
des Schreiben, welches enthalten muß: s) die bestimmte Erklärung, daß in vor
liegender Sache der Rechtsweg nicht stattfinde, und deshalb in Gemäßheit der
Allerh. Eab.-Ordre vom 30. Juni 1823 der Konflikt erhoben werde; b) den
Antrag, das Rechtsvcrfahren bis zur Entscheidung des Konflikts einzustellen.
Dem Schreiben wird der abgefaßte motivirte Beschluß in Ausfertigung beigefügt.
— Bis zur Entscheidung des Konflikts darf die Verwaltungs - oder fiskalische
Behörde sich auch nicht eventuell auf die Klage einlassen. Ist die beim Prozeß
betheiligte Verwaltungs - oder fiskalische Behörde eine Unterbehörde, so hat sie
zuvor die Ermächtigung zur Erhebung des Konflikts bei der ihr vorgesetzten
Verwaltungsbehörde nachzusuchen. Nach Erhebung des Konflikts berichtet die
Verwaltungsbehörde mit Einreichung der Klage und Beilagen an das vorgesetzte
Verwaltungs-Ministerium.
3) Sobald der Konflikt auf die vorgeschriebene Weise erhoben worden, stellt der
Prozeßrichter das Rechtsverfahren einstweilen ein, benachrichtigt hiervon beide
Theile, und berichtet über den Konflikt an den Justizminister mit Einreichung
der Akten. — Schwebt der Prozeß bei einem Untergerichtc, so erstattet dasselbe
den Bericht an das vorgesetzte Lcmdes-Justizkollegium, welches ihn unter Beifü
gung seines Gutachtens dem Justizminister überreicht.
4) Kann der Konflikt nicht durch Vereinigung zwischen dem Justizminister und dem
Minister der betreffenden Verwaltung erledigt werden, so wird er im gesammten
Staatsministerio nach seinen faktischen und rechtlichen Verhältnissen vollständig
erörtert und gründlich geprüft. Ist hierdurch die Gewißheit erlangt, daß keine
Momente übergangen sind, die ein richtiges Urthcil über die streitige Anwendung
des Gesetzes auf den vorliegenden Fall begründen ; so hat das Staatsminifterium
in einem motivirtcn gutachtlichen Bericht auf unmittelbare Allerhöchste Bestim
mung anzutragen, auch, wenn nach Ansicht desselben der Kompetenzstreit aus
. einer zweifelhaften Fassung des Gesetzes entsprungen, und durch eine deklarato
rische Entscheidung, mithin im Wege der Gesetzgebung, zu berichtigen ist, den
Entwurf der Deklaration dem Könige zur weiteren Verfügung einzureichen.
In so fern nur über die Anwendbarkeit eines für unzweifelhaft zu achtenden
Gesetzes auf den einzelnen Fall zu urtheilen ist, mithin keine gesetzgebende, son
dern eine richterliche Funktion eintrit, entscheidet der König entweder unmittelbar
unter Umständen nach erfordertem Gutachten des Staatsraths, oder trögt die
Entscheidung dem obersten Gerichtshofe, also nach Bcwandniß des Ressorts ent-
, weder dem Geh. Ober-Tribunal, oder dem Rheinischen Rcvisionshofe, auf. —
Eab.-Ordre vom 3V. Juni 182«. GS. S. 86. — Instruktion vom 1. Juli
. 1SSS. Jghch, 4S, S. 10S. Gräff«, S. 411.
17
Fälle, in denen Exekution ohne Prozeß zulässig.
Z. 6. Ferner sind einige Fälle zu erwähnen, in welchen ohne vorherigen Pro
zeß sofort die Exekution zulässig ist.
I) Alle Landes- sowohl, als grundherrliche Revenüen, Abgaben und Dienste, auch
Laudemien, die Fiskus zu beziehen hat, können auf Anordnung der königl. Re
gierung, des gegen deren Prüfung erhobenen Widerspruchs ungeachtet, zur Lei
stungszeit exekutivisch bcigetrieben werden. Ferner haben die königl. Regierungen
die Befugniß, in Fällen, wo von Erfüllung der vom Fiskus mit Privatpersonen
eingegangenen Verträge die Erreichung bestätigter Etats abhängt (wie vorzüglich
bei Pachtungen von Domainen und Regalien der Fall ist), und wo die Erfül
lung der kontraktmäßigen Verbindlichkeit verweigert wird, nach summarischer.
Vernehmung des Weigernden ein vorläufiges I^iguigum pflichtmäßig festzusetzen,
und dasselbe vom Schuldner sogleich einziehen zu lassen; sie können die verpach
teten, unter ihrer Administration stehenden Grundstücke und Gerechtsame, sofern
Pachtgelder rückständig bleiben, oder die Pächter schlecht wirthschaften, unter
Sequestration setzen ; auch die Pächter und Nießbraucher nach Ablauf der Pacht
zeit und der beendigten Besitzzeit auf Grund einer nach summarischer Untersu
chung beschlossenen Resolution entfernen. Alles dies findet auch Anwendung auf
Verträge, welche die Regierungen oder Provinzial- Schulkollegien Namens der
unter ihrer unmittelbaren Verwaltung stehenden Institute mit Privatpersonen
abgeschlossen, sofern letztere sich in den Kontrakten diesen Bestimmungen aus
drücklich unterworfen haben.
Das vorstehend gedachte Erekutlonsrccht der Regierungen hat dieselben Wir
kungen, wie das Gesetz den gerichtlich verfügten Exekutionen beilegt. Dabei sind
auch die vom Gesetz vorgeschriebenen Grade zu beobachten, und es kann selbst
bis zur persönlichen Haft geschritten werden. Nur bei Einziehung von rückstän
digen direkten oder grundherrlichen Abgaben ist die persönliche Verhaftung des
Schuldners nicht zulässig. — Beim Verkauf der gepfändeten Effekten soll eine
Justizperson zugezogen werden, und Subhastation von Grundstücken jedesmal
gerichtlich erfolgen.') — Überhaupt kann die königl. Regierung bei den von ihr
veranlaßten Exekutionen die Hilfe der Gerichte stets in Anspruch nehmen, wenn
es ihr selbst an eigenen Organen zur Exekutionsvollstreckung, oder im Falle der
Verhaftung des Exequendi, an einem eigenen Lokale zur Aufnahme des Verhaf
teten fehlt. — Der Umstand, daß der Exequendus den Anspruch oder die Ver
pflichtung weigert, oder auf den Rechtsweg provozirt, ist kein Grund, die Exe
kution zu sistiren, wenn von der königl. Regierung dieselbe verfügt worden. —
Verordn. vom 26. December 1808. N. C. E. loni. Xll. S. 679. GS. 1817,
5. 283. Jnstr. vom 23. Oct. 1817, Z. 11. GS. S. 254. — Eab.-Ordre vom
31. Dec. 1825, Iii. v. Nr. XII. GS. für 1826, S. 11. — Cab.-Ordre vom
6. Mai 1836. GS. S. 194. Rcscr. vem 9. Februar 1820. Jahrb. 14, S. 183.
Gräff 1, S. 250. — Rescr. vom 2. Nov. und 26. Dec. 1835 und vom 20.
Dec. 1337. Gräff, Koch ,c. III. S. S5.
2) In gleicher Weise wird der zu den Meliorationsanlagen der Allcnsteincr Krcis-
korporation zu entrichtende Zins ohne Dazwischenkamst der Gerichte exekutivisch
beigetrieben. — Statut vom 15. Mai 1843, z. 17. GS. S. 276.
3) Die standesherrlichen Behörden genießen in Absicht auf Erhebung und Bei
treibung der von den Standesherrn zu beziehenden Steuern, Nutzungen
') Entsteht über ein Exekutionsobjekt Prioritätsstreit mit einem 'andern Gläu
biger, so muß auch die Verwaltungsbehörde sich auf den Streit einlassen. —>
Res», vom 22, Juli ISIS. Jahrb. S, S. SSV.
18
und Abgaben, wie auch ihrer liquiden DoMainengcMe, bei letzteren jedoch nur
auf einen zweijährigen Rückstand, desgl. zu ordnungsmäßiger Benutzung der
ihnen zu leistenden Lehn-, Frohn? und Gerichtsdienste bei gleichen Pflich
ten dieselben Rechte, welche den königl., für Beziehung solcher Abgaben und
Dienste angeordneten, Behörden zukommen. — Jnstrutt. vom 30. Mai 1820,
§. SS. GS. S. 91.
4) Die Magisträte der Städte sind berechtigt, die den Einwohnern der Stadt
obliegenden unstreitigen Abgaben und andere Beiträge zu den gemeinschaftlichen
Lasten einzuziehen, und dabei alle Grade der Exekution durchzugehen , welche nicht
nothwendig gerichtliche Prozedur oder Erkenntniß erheischen. — Mg. L. R. U.
«, §.130. Rescr. vom 31. Mai 1822. Jahrb. 19, S.305. Gräff 1, S. 199.
5) Gutsherrschaften können unstreitige Zinsen durch die Dorfgerichte unmittel,
bar beitreiben lassen, wobei jedoch die Borschriften der ExekutionSordnung zu
beobachten, und öffentliche Verkäufe dem Richter zu überlassen sind. — §. 484
und 485 II. 7 A. L. R.
6) Alle auf Nichtbefolgung richterlicher Befehle und Mandate angedrohten willkür
lichen Strafen, ferner die auf Grund gesetzlicher Vorschrift gestellten Präjudizien,
mit Einschluß der Auktion oder Subhastation bei ausbleibender Kaufgelderzah-
kungz endlich die von Gerichtsbehörden den Untergerichten, Kommissarien und
andern Beamten, oder den Parteien und Justizkommissarien auferlegten Ord
nungsstrafen sind ohne vorgängiges Rechtsverfahren zur exekutivischen Vollstrec
kung geeignet. — A. G. O. I. 22, Z. 31, 34; I. 23, Z. 13z I. 24, Z. 89;
I. 28, §. 15; I. 29, Z. 54; I. 31, §. 5; I. 4«, §. 56; l. 42, §. 19, 20; I.
44, K. 22; I. 45, Z. 4z I. 46, K. 7, 15; I. 52, K. 62; II. S, g. 56; Anh.
KZ. 116 — 122. Verordn. vom 4. März 1834 über den Subhast.-Prozeß, 8.2«;
GS. S. 45. Rescr. vom 28. Ott. 1832. Jahrb. 4«, S. 483. Gräff 7,
S. 136 fg.
7) Gerichtspersonen, welche Darlehne aus dem Depositum des Gerichts, bei
welchem sie als Vorgesetzter, Mitglied oder Subaltern angestellt sind, erschlichen
haben, sollen zur Rückzahlung durch sofortigen Personalarrest angehalten werden.
Kit. I. §. 42 fg. Dep.-Ordn.
8) Ist in Gemäßheit der Verordn. vom 24. Januar 1344 durch den von einer
Central- oder einer Provinzialbehörde gefaßten, oder genehmigten Beschluß fest
gestellt: welcher Beamte für einen an dem in öffentlichen Kassen oder andern
öffentlichen Verwaltungen oder sonst im Gewahrsam eines Beamten befindlich
gewesenen öffentlichen oder Privatvermögen entdeckten Defekt zu haften hat, und
wie viel der Defekt vorläufig oder überhaupt betrage, so muß der Beschluß un
verzüglich gegen den verpflichteten Beamten allenfalls exekutivisch vollstreckt wer
den. In so weit die betreffende Behörde nach den bestehenden Gesetzen Exeku
tion zu verfügen nicht befugt ist, muß das Gericht dieserhalb requirirt werden.
Die Gerichte und Hypothekenbehörden sind verpflichtet, den an sie ergehenden
Requisitionen zu genügen, die Exekution gegen die benachbarten Personen ohne
vorgängiges Aahlungsmandat schleunig zu vollstrecken, die Beschlagnahme der
zur Deckung des Defekts erforderlichen Vermögensstücke zu verfügen, und die in
Antrag gebrachten Eintragungen, wenn sonst kein Anstand obwaltet, im Hypo,
thekenbuche zu veranlassen, ohne auf eine Beurtheilung der Rechtmäßigkeit
einzugehen.
Dem verpflichteten Beamten steht gegen obigen Beschluß zwar der Rekurs
und die Berufung auf rechtliches Gehör offen; die Exekution wird jedoch dadurch
nicht gehemmt, wenn Nicht etwa von der Verwaltungsbehörde davon Abstand
genommen wird. — Ges. vom Z4> Jmm« 1S44. S. S».
9) Vom Vsr«u»de ««b von Konkurskuratoren könnt» anerkannte Kassen«
beftäkde und Defekte ohne Prozeß durch Exekution beigetrieben werden. Gleiche«
gilt von andern Verwaltern fremden Eigenthums in Ansehung liquider Vertre-
tungssummen. — A. L. R. U. 1«, K. 486 und 66«. — A G. O. l. 45, §. 11,
12, 22. Refer. vom 26. Januar 1824.
1«) Werden konfentirte Studenten schulden innerhatb der gestellten Frist nicht
berichtigt, so requirirt das Universitätsgericht auf rechtszeitiges Ansuchen de«
Gläubigers unter Zufertigung des Instruments die den Eltern oder Vormün
dern des Schuldners vorgesetzte Gerichtsbehörde, dieselben zur Abtragung der
Schuld allenfalls exekutivisch anzuhalten, und das rcquirirte Gericht muß der
Requisition ohne prozxMalisebe Weitläufigkeit nachkommen. — A. L. R. H.
12, S. 1t« fg.
1 1 ) Wer aus einem gerichtlichen Depositor« ein Kapital leiht, und die Zinsen davon
nicht pünktlich einzahlt, von dem werden die rückständigen Zinsen ohne Prozeß
durch sofortige Exekution beigetrieben. — Dep.-Ordn. Tit. I. z.52, 23 z II.K.353.
12) Die landschaftlichen Kreditsysteme haben die Bcfugniß, die von Pfand-
briefsinhabern rückständigen Sinsen, so wie die von Pächtern und Administrato
ren der unter landschaftlicher Sequestration stehenden Güter zu zahlenden Pacht-
und AdministrationS- Rückstände ohne Prozeß sofort exekutivisch beizutreibeu. —
Reglem. füx Schlesien vom 9. Juli 177«, Lsp. V. seet. 1. Rabe, Bd. 11,
S. 154, u. Verordn. vom 8. Juni 1835, §. 3«. GS. S. II«; — für dieKur-
und Reumark vom 15. Juni 1777, dsx. V. sect. 1 und Nachtr. vom 2. Ap.
1784. Rabe 11, S. 314; 12, S. 198; für Pommern vom 13. März 1781,
Csp. V. »ect. 1. Rabe 12, S. 88; für Westpreussen vom 19. April 1787.
Rabe 12, S. 311; für Oftpreussen vom 16. Febr. 1788 und vom 24. Der.
1808, c»p. V. Rabe 12, S. 546; für Posen vom 15. Dec. 1821, §.251 fg.
GS. S. 25p.
13) Der pommerschen ritterschaftlichen Privatbank gebührt gegen ihre Mitglieder we
gen der ihnen aus den Statuten «der Sozietätsvertrögen obliegenden Verpflich
tungen ein gleiches Exekutionsrecht. — Statuten vom 15. August 1824, §. 2«.
GS. S. 172.
14) Der Land-Armendirektion der Neumark ficht wegen der Detentionsgebühren da«
Exekutionsrecht ohne vorherige Klage zu. — Rescr. vom 16. September 1835.
Jahrb. 46, S. 106. Gräff 8, S. 123.
L5) Die Scehandlung hat das Recht, die ihr verpfändete Wolle zur Vcrfallzeit, ohne
Zuziehung der Eigenthümer und ohne Einwirkung gerichtlicher Behörden, durch
eine von ihren Beamten anzustellende Auktion, oder, »ach ihrer Wahl, aus der
Hand durch vereidete Mäkler da, wo sie lagert, und in dem Auftande, in wel
chem sie sich zur Zeit befindet, zu jedem zu erlangenden Preis, ohne Rücksicht
! auf den Taxwerth, zu veräußern, und sich aus dem Erlös wegen Kapital, Zin
sen und Kosten bezahlt zu machen. — Cab.-Ordre vom 2«. Mai 1826. GS.
1826, S. 44.
16) Wenn über die Beiträge zu Pfarr-, Kirchen - und Schulbauten Streit entsteht,
ft hat, um die ungesäumte Ausführung des Baues zu bewirken, die Verwal
tungsbehörde in Betreff der Beiträge ein Interimistikum festzusetzen, und dar
nach ohne gerichtliches Verfahren allenfalls mit Exekution zu verfahren. Die
Betheiligten haben das Recht, das Gezahlte von den angeblich Verpflichteten
Kurth Prozeß zurückzuverlangen. — Rescr. vom 28. Febr. 18«5. — R. E. E.
Ism.XZ. S.2S97. Rabe 8, S.251. — Rescr. vom 25. April 1836. Jahrb.
, S. SZ4. — Zl. L. R. II. 11, g. 708- fg. 759, 790.
17) Alle beständigen dinglichen oder persönlichen Abgabe» «nd Leistungen, ««che «»
2*
so
Kirchen und öffentliche Schulen, oder an deren Beamte vermöge einer allgemein
nen gesetzlichen, oder auf notorischer Orts- oder Bezirksverfassung beruhenden
Verbindlichkeit zu entrichten sind; desgleichen die Forderungen öffentlicher Schul-
und Erziehungsanstalten an Schul- und Pensionsgeld, unterliegen bei Säumig
keit der Debenten, sowohl hinsichtlich der laufenden, als der aus den letzten zwei
Jahren rückständig verbleibenden Beiträge, der exekutivischen Beitreibung durch
die betreffende Verwaltungsbehörde. Die Exekution wird nur gehemmt durch
den Einwand, daß der in Anspruch Genommene in Folge einer Exemption we
nigstens feit zwei Jahren vom letzten Verfalltermine von Beiträgen frei sei. —
Cab.-Ordre vom 19. Juni 1836. GS. S. 198.
48) Weigern sich Beamte, welche mit städtischen Grundstücken angesessen sind, das
Bürgerrecht zu gewinnen, so sollen sie dazu ohne Weiteres durch Exekution an
gehalten werden. — Rescr. vom 2. März 181«. Mathis 10, S. 61 fg.
19) Die Gerichte sind verpflichtet, auf Requisition der Postanstalten das unbezahlt
gebliebene Porto ohne weiteres Verfahren exekutivisch einzuziehen. — Dahin ge
hört auch Porto für Eingaben, welche an Gerichts- oder an Verwaltungsbehör
den unfrankirt gesendet worden, und deren Adresse deshalb zurückgesendet wird.
— Rcgul. vom 13. Dec. 1824, ß. 97. GS. S. 238. — Cab.-Ordre vom 17.
März 1839. GS. S. 101. — Cab.-Ordre vom 4. Mai 184«. GS. S. 117.
— Rescr. vom 4. April 1834. Gräff, Koch ,c. III. S. 6« fg.
Zweiter Titel.
Von de» Personen, welche vor Gericht klagen und beklagt
werden können.
Wer kann klagen und verklagt werden?
Z. 7. Jeder Einwohner des Staats ist den Schutz desselben für seine Person
und sein Vermögen zu fordern berechtigt. Derjenige, welcher den Gesetzen nach sich
und feinem Vermögen vorzustehen fähig ist, kann als Kläger sein Recht vor Gericht
selbst verfolgen. Unverheirathete Frauenspersonen haben gleiche Rechte mit den
Mannspersonen.
Ebenso kann jeder Unterthan und Einwohner des Staats ohne Rücksicht auf
Stand und Würden, und auf das Verhältniß desselben zum Kläger, gerichtlich belangt
werden, so daß Vornehme gegen Niedrige und Geringe, Dienstherrschaften gegen ihr
Gesinde, Obrigkeiten gegen ihre Untergebenen, Eltern gegen ihre Kinder, das Staats
oberhaupt gegen seine Unterthanen, >) wenn sie von ihnen verklagt werden, vor den
dazu verordneten Gerichten sich auf die Klage einlassen und Recht nehmen müssen.?)
— A. G. O. I. 1, §. 1 und 2, 25. — A. «. R. Einl. Z. 76, 8«.
' i) Ausnahmen f. §. S.
2) Die Frage: ob Jnjurienprozesse unter Eheleuten zulässig? ist unter den Juri
sten streitig. Das Gesetz schließt einen solchen Prozeß nicht ausdrücklich aus,
und es muß schon um deshalb jene Frage bejaht werden. Dazu kommt, daß
8. 652 des Str.R. vorschreibt, geringe Realinjurien unter Eheleuten sollen nicht
von Amtswegen gerügt werden, woraus zu folgern, daß Klage zulässig;
ferner können Injurien Scheidungsgründe abgeben. Dies läßt in mehrfacher
Hinsicht auf deren gerichtliche Ahndung deuten. Mit dem Charakter der Ehe
mag zwar ein Jnjurienprozeß nicht recht Harmonirenz doch die« ist bei jedem
andern Prozeß unter Eheleuten d» Fall.
Ausnahme.
z. g. MSn che und Nonnen werden nach abgelegtem Klostergelübde und so
lange dies währt, in Ansehung aller weltlichen Geschäfte als verstorben angesehen.
Mit ihnen können daher während dieser Seit keine Prozesse gefuhrt werden. —
Doch können weder Verschuldete die Rechte der Gläubiger auf ihre Person und
ihr Vermögen durch Ablegung des Klostergelübdes vereiteln, noch Verwalter
fremder Güter vor Rechnungslegung der desfallsigen Verbindlichkeit und dem Er,
kenntnisse des gehörigen weltlichen Richters durch Eintritt in's Kloster sich entzie
hen. — A. L. R. II. 11, Z. 1199, 12«S — 1209, 116Z und 11S7.
Beschränkungen: 1. in Betreff der unter väterlicher Gewalt
Befindlichen.
Z. 9. 1) Bei Kindern, welche unter väterlicher Gewalt stehen, >) kommt eS
darauf an, ob sie bereits großjährig sind oder nicht.
Großjährige haben: s) hinsichtlich ihres freien Vermögens 2) mit den nicht
unter väterlicher Gewalt stehenden Personen gleiche Rechte. In Injurien-, Ali«
menten- und Entschädigungsprozessen, so wie in Rechtsstreitigkeiten, welche aus
ihren Dienst-, Erwerbs- und Kontraktsverhältnissen entspringen, können sie,
wenn sie vom Vater entfernt als Lehrlinge, Gesellen, Handlungsdiener, Kunst
gehilfen, Hand- und Fabrikarbeiter sich aufhalten, sowohl als Kläger, als, wenn
sie verklagt sind, selbstständig und ohne Zuziehung oder Benachrichtigung der
Väter auftreten, b) In Betreff des nicht freien Vermögens ») aber kons
1) Die väterliche Gewalt hört auf: ^. bei minderjährigen Kindern s) durch die
vom Vater vor dem vormundschaftlichen Gerichte erklärte Entlassung und ihre»
Beitrit, ferner b) dadurch, daß der Sohn mit ausdrücklicher «der stillschwei
gender Einwilligung des Vaters ein besonderes Gewerbe für eigene Rechnung
anfängt, c) wenn eine minorenne Tochter heirathet ; L. bei großjährigen Töch-
tern durch ausdrücklich erklärte Entlassung und durch Verheirathung, bei groß
jährigen Söhnen s) durch Anlegung einer besondern Wirthschaft, d) durch
Beginn eines eigenen Gewerbes oder Antrit eines öffentlichen Amtes, ö. ohne
Rücksicht auf das Alter der Kinder s) wenn der Vater wegen grober Verbre
chen zu harter und schmählicher Zuchthausstrafe oder Festung, zu zehnjährigem
oder lebenslänglichem Gefängnisse oder zu Landesverweisung verurtheilt, K) wenn
er gerichtlich für einen Verschwender erklärt wird, e) wenn er ohne Vorwissen
des Staats in der Absicht, sich seinen Unterthanspflichten zu entziehen, aus
den königl. Landen entweicht, ck) wenn er vorsätzlich die Kinder hilflos und
ohne Aufsicht verlassen hat; — A.L.R. II. 2, z. 21«— 23« und z.255—25S.
e) mit dem Tode. — Z. 27« das.
2) Das freie Vermögen der Kinder ist dem väterlichen Nießbrauchs Nicht unter
worfen. Es gehört zu demselben s) Alles, was Kinder außerhalb des Betrie
bes der väterlichen Geschäfte durch Fleiß und Geschicklichkeit erwerben; b) was
sie in Kriegs- oder Civil- Diensten vor sich bringen, oder bei Gelegenheit der
selben von ihren Eltern oder Andern zur Ausrüstung oder Beihilfe erhalten;
e) Lehne, die den Kindern verliehen, oder wozu dieselben in die Gesammthand
mit aufgenommen worden, sobald sie zum Besitze gelangen; ck) Belohnungen
ihres Fleißes, die sie von Eltern oder Andern erhalten; e) Geschenke und Ver
mächtnisse, die ihnen aus Erkenntlichkeit für geleistete Dienste, oder für erwie
sene Gefälligkeiten zufließen; k) Ersparnisse von dem, was ihnen von Eltern
zum Unterhalt außerhalb des Vaterhauses, oder sonst zu Ausgaben angewiesen
worden; ß) endlich Alles, was ihnen von Eltern, Verwandten oder Freunden
unter der ausdrücklichen Bestimmung, daß es dem väterlichen Nießbrauchs nicht
unterworfen sein solle, zugewendet wird. — A. L. R. U. 2, 147—153.
») Alles, was außer dem Anm. 2 Bezeichneten den Kindern durch bloße Schen
kungen, Erbschaften, Vermächtnisse oder Glücksfälle zukommt, und namentlich
auch an Pathengeschenken , gehört zum nicht freien Vermögen. — A. L. R.
Z. 1öS, 157; II. 2. Von diesem gebührt dem Vater, so lange die väterliche
Gewalt dauert, der Nießbrauch und die Verwaltung. — z. 1öS das.
nen sie ilos unter Beitrit ihres Bat»« vor Gericht erscheinen. Der Bater hat
nur die Pflicht, sie bei solch«, Behandlungen zuzuziehen, «elche unbewegliche
Sachen, derm Pertinenzstücke «der Gerechtigkeiten betroffM. Wnd i» diesen
Fällen Bater und Kind über dm Betrieb und die Fortsetzung des PttzesstS
nicht einverstanden, so giebt die Meinung de« großjährige» Kind«, als Eigen«
thümers, den Ausschlag. >) Doch kann der Vater wegen seines eigemn dabei
obwaltenden Interesse, als Nießbrauch«, den Prozeß fortsetzen, und der Gegmr
muß in so weit sich mit ihm einlassen.
L. Minderjährige, noch unter väterlicher Gewalt stehende Personen, werden in Pro«
zessen von ihrem Bater vertreten. Dieser bedarf s) zu Prozessen über das
nicht freie Vermögen der Kinder in der Regel keiner obervormundschaftlichen
Genehmigung. Ausnahmsweise muß er jedoch diese zu Vergleichen, durch »elche
eine solche Veränderung der Substanz, 2) die ei» Nießbrauch« nicht ohne den
Eigenthümer vornehmen kann, wie z. B. wenn dadurch Grundstück« oder Ge»
rechtigkeiten veräußert, verpfändet oder mit bleibenden Resllaften belegt «erden
sollen, beibringen. Rur in Betreff der zum nichtfreien Vermögen der Ktt>der
gehörigen ausstehenden Kapitalien hat, sofern nicht Gesetz oder Willenserklärun
gen ihn beschränken, der Vater völlig freie Administrationsbefugntß. — d) In
Betreff des freien Vermögens hat der Bater Minderjähriger nur die Rechte
und Pflichten eines Bormundes. Er ist bei Prozeßführung daher gleichen Be,
dingungen unterworfen («L. Z. 10). — Treten die in fremdem Dienst befind,
lichen Minderjährigen, so wie dergleichen Lehrlinge, Gesellen, Handlungsdiener,
Kunstgchilftn, Hand- und Fabrikarbeiter in Injurien«, Alimenten«, Entschädi
gungsprozessen, oder in Rechtsstreitigkeiten, welche aus ihren Dienst«, Erwerbs«
und Kontraktsverhälrnissen entspringen, als Kläger oder Beklagte in ihrem, vom
Wohnort des Vaters entfernten, Auftnthaltsorte auf, so muß der Prozeßrichter
ihnen einen Rechtsbeistand als Litis-Curator zuordne», dessen Pflicht eS ist, den
Bater vom Gegenstande des Rechtsstreits in Kenntniß zu setzen.
Außerdem muß den minorennen unter väterlicher Gewalt Befindlichen von
der Bormundschaftsbehörde - ein Curator für Prozesse, welche sie mit ihrem
Bater führen, so wie bei Ehescheidungsprozessen ihrer Eltern dann, »en» ein
oder beide Ehegatten sich der Verschwendung des Vermögens oder Vernachlässi
gung der Erziehung der Kinder verdächtig machen, bestellt werden. Auch, wäh
rend die väterliche Gewalt ruht, ») trit Curat« ein. — A. Ä. S. I. 1, F. 14,
Z5 fg. — A. L. R. II. 2, §. 168 fg., 159, 20lj II. 18, g. 28 fg., S90; I.
IS, z.4«5 fg. — Cab.-Ordre vom 4. Juli 1332. GS. G.I7S. — <5ab.-Ordre
vom S. Dec. 1835. GS. S> 294.
i) Moralische Person ist ein Rechtssubjekt, welches nicht zugleich eine physische
Person ist. Den moralischen Personen sind namentlich zuzuzählen: g) jede
Vereinigung mchrer Menschen, in sofern diese Vereinigung in Bezug auf ge
wisse Rechtsverhaltnisse als ein Rechtssubjekt anzusehen; b) Fiskus; c) milde
Stiftungen und überhaupt alle öffentlichen, vom Staat als solche anerkannten,
Korporationen und Gesellschaften. Im gemeinen Recht werden moralische Per
sonen gewöhnlich als juristische oder als fingirte Personen bezeichnet.
>) Sie sind eingeführt in den Provinzen Pommern, Posen, Preussen, Rheinpro
vinz, Sachsen, Schlesien und Westfalen.
II. Nach Analogie b« fiskalischen Vertretung ttnnen in Rechtsstreitigkeiten eine«
Standesherrn mit seinen Domanialpächtern, Abgabe- «der Dienstpflichtigen,
Schuldnern und Gläubigern diejenigen seiner Domanial-, Rent- oder Verwaltungs
behörden, in deren amtlichen Wirkungskreis die Sache einschlägt, für ihn als Haupt
oder Nebenparteien auftreten. Dieselben bedürfen hierzu keiner besondern Legiti
mation, wenn die Behörde ein standesherrliches Kollegium bildet, oder der Einzelne
für sein Amt gerichtlich verpflichtet ist. — Jnstrukt. wegen Eins, des Edikts vom
21. Juni ISIS, vom 3«. Mai 182«. GS. S. 81, §. 36.
III. Kirchen- und Pfarrgüter werben in Prozessen durch ihre geistlichcn
und weltlichen Vorsteher, und den Patron, in außerordentlichen Fällen auch durch
die aus der Kirchengemeinde gewählten Repräsentanten vertreten. In Prozessen
über Pfarrgüter wird außerdem der zeitige Nutznießer dcrfelben (Pfarrer ze.) zuge
zogen. Betrifft der Prozeß bloße rückständige Pfarrrevenüen, so ist derjenige, dem
sie gebühren, allein zu dessen Führung legitimirt. Su Klagen bedürfen die Vertreter
der Kirchen und Pfarrgüter der Approbation der geistlichen Obern (also in der
Regel bei evangelischen der königl. Regierung, bei katholischen des bischöfl. Kon-
sistorii). Beschaffen sie diese nicht, so wird der Prozeß auf ihre Gefahr und Kosten
geführt, und der Kirche erwächst durch denselben kein Nachtheil. Nur gegen säu
mige Ainszahler können sie ohne Approbation klagen. — Zur Einlassung auf die
Klage bedarf es zwar nicht der Beibringung des Approbationsdekrets. Doch haben
sie es für sich selbst einzuholen, da sie sonst Gefahr und Kosten tragen. Das Kir-
chenvermögen muß ihnen aber in beiden Fällen für die Kosten in so weit aufkom
men, als es durch einen ohne Approbation geführten Prozeß Vortheile erwirbt.
Vergleiche über Güter und Rechte der Kirche können nur mit Genehmigung
der geistlichen Obern, und wenn der Vergleich auch eine Veräußerung solcher
Rechte oder Güter enthält, unter gleichzeitiger Genehmigung der Regierung ge
schlossen werden. — A. L. R. II. II, Z. 156— 1S9, 568, 535, 648—662 ; 62Z;
219—227; 772 und 773. II. 18, §. 493. — Cab.- Ordre vom 31. Dee. 1825,
v. II. 2. GS. für 1826, S. 5. Jnstrukt. vom 23. Ott. 1817. GS. S. 248.—
Rescr. vom 23., Aug. 1822. Jahrb. 2«, S. 35.
IV. Was die öffentlichen Schulanstalten betrifft, so stehen:
1) die gemeinen Schulen, welche dem ersten Unterrichte der Jugend gewidmet
sind, unter der Direktion der Ortspolizei, welche dabei die Geistlichkeit der Ge
meinde, zu welcher die Schule gehört, zuziehen muß. Hinsichtlich der äußeren
Rechte und des Schulvermögens gilt in der Regel das in Hinsicht des Kirchen-
Vermögens Vorgeschriebene. — Gemeine öffentliche Schulen, welche nicht Orts
schulen sind, werden nach den Grundsätzen der Stiftungm beurtheilt. — A. L. R.
II. 12, §. 12—21.
2) Schulen und Gymnasien, in welchen die Jugend zu höheren Wissenschaften
oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben, durch Beibringung der dabei
nöthigen oder nützlichen wissenschaftlichen Kenntnisse vorbereitet werden soll, haben
die äußern Rechte der Korporationen. In Prozessen werden sie nach den
eingeführten Schulordnungen jedes Orts durch die Schulkollegien «der Vorstände
jedoch unter Direktion und Oberaufsicht der Provinzial-Schulkollegien vertreten,
und es findet in Betreff der einzuholenden Approbation zu Prozessen und Ver
gleichen das hinsichtlich des Kirchenvermögens (sd III.) Gesagte Anwendung.
— das. N. 12, Z. 54, 57, 58. — Jnstrukt. vom 31. Dec. 1825, L. I. 9. '
3) Universitäten haben alle Rechte privilegirter Korporationen. Die innere
Verfassung derselben, die Rechte des akademischen Senats und seines jedesma«
Rgen Vorsteher» in Besorgung und Verwaltung der gemeinschaftlichen, als« auch
dn Prozch-AnKtlegenheitm, find durch Priviltgim, und die vom Staat? geneh
migte» Statuten einer jede» Umverfität bestimmt. — II. 12, ß. 67, 68 A. L. R.
Alle diese Unterrichtsanstalten bedürfen zu Prozessen keiner höheren Autorisation.
Nur dann, wenn eine nicht vom Provinzial- Schulkollegium vertretene Anstalt der
Art eine» Vergleich schließt, durch welchen eine Veräußerung statthaben soll, so muß
die Genehmigung des Staats in dem Falle erfolgen, wenn die Veräußerung, auch
abgesehen vom Rechtsstreit, nur mit Genehmigung des Staats vorgenommen wer«
den könnte. — A. L. R. II. 12, §. 54, 57, 67; II. 6, Z. 83—85; I. 16, Z. 40S.
Eab.-Ordre vom 31. Dec. 1825. GS. für 1826, S. 5. . ,
V. Bei Wohlthätigkeitsanstalten und milden Stiftungen kommt es
bei Beurtheilung der Frage: wie sie in Prozessen zu vertreten sind? hauptsächlich
auf die Bestimmungen ihres Stifters an. Der Staat führt über sie das AufsichtS»
recht. Gegenwärtig wird dies theils durch die Abtheilungen der Regierunge» für
die Kirchenverwaltung und das Schulwesen, theils durch die Provinzial-Schul-
kollegien, theils durch die Oberpräsidenten ausgeübt. Approbation zu Prozesse»
wird gar nicht, und zu Bergleichen nur in den Fällen erfordert, in welche» sie bei
Bergleichen der Schulen vorgeschrieben. — A. ?. R. II. 19, §. SS—37; 42 fg. —
Jnstrukt. vom 23. Oct. 1817, §. 18, lit. «. Cab.-Ordre vom 31. Dec. 1825, v.
II. 2 und «. 9.
VI. Die Stadtgemeinden werden in Prozessen vom Magistrate vertrete».
Die Stadtverordneten sind zu dieser Vertretung nicht legitimirt. Dir Stadtver
ordnetenversammlung hat jedoch den Magistrat auch in Betreff der zu führenden
Prozesse zu kontroliren, und der Magistrat hat ihre Beschlüsse zu beachten. >) In
Städte», in denen eine der Städteordnungen gilt, bedarf übrigens der Magistrat
Km» Autorisation. 2) I» Städten, wo keine der Städteordnungen gilt, müsse»
die Vertreter der Stadt sowohl zu Klagen, als zur Einlassung auf Klagen das
Genehmigungsrescript der vorgesetzte» Provinzialbehörde beibringen. Betrifft in
diesem Fall der Prozeß das Bürgervermögen, so hat die Richtbeibringung des Re
skripts zur Folge, daß der Prozeß auf Gefahr und Kosten der Vertreter der
Stadt geführt wird. Betrifft er Kämmereivermögen, so hat die Nichtbeibringung
die Nullität des Verfahrens zur Folge. — A. L. R. II. 8, z. 134/— Städteordn.
vom 19. Nov. 1803, z. 47, 127, 169, 183, 189. GS. für 1806—181«, S.324.
— Re». Städteordn. vom 17. März 1831, z. 104, 1«7, 11«, 113 fg. GS. S.
40. — Rescr. vom 1«. Juli 1822. Jahrb. 1, S. 232. — Rescr. vom 27. Ott.
1809. Mathis 8, S. 459. — Anh. §. 4 zu §. 34, I. 1 A. G. O.
VII. Dorfgemeinden müssen in Prozessen, welche die Substanz ihres (Ge
meinde«) Vermögens betreffen, den Konsens ihrer Grundherrschaft beibringen. Ver
weigert oder verzögert diese den Konsens, und die Gemeinde verlangt rechtliche
Hilfe, so ist es zur Vermeidung von Weitläufigkeiten und Zeitverlust hinreichend,
die Gutsherrschaft zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame bei der, von der letztern
1) Sollte in einzelnen Fällen wegen personlicher Berheiligung der meisten Mit
glieder und deren Stellvertreter beim Prozesse eine beschlußfähige Versammlung
Persönlich unbetheiligter Stadtverordneten nicht herzustellen sein, so nimmt die
iömgl. Regierung in Folge des ihr zustehenden Oberaufsichtsrechrs die Gerecht
same der Stadt wahr, und bestellt nöthigenfalls einen Rechtsanwalt. — Cab^
Drdre vom 18. Juli 1833. GS. S. 84.
2) Der Anh. «. 4 z. A. G. O. ist aus dem Reskript vom 27. Ott. 1809 genom
men, welches die Regierungsgenehmigung auf Grund der Städteordnung vom
49. Nov. 1808 für wegfallend erachtete. Da nun bei Redaktion des Anhang«
«ur solche Städte zum Staate gehörten, in welchen die StSdteorbnung galt,
p wurde tu, Anhang K. 4 «üHemn» ausgesprochen, daß ju« SKnchmigung
nicht nöthig sti.
31
angemeldeten «läge zu adzitlren. — Da, wo durch Parzcllirung da« gutsherrliche
Grundeigenthumsverhältniß gänzlich und ohne Vorbehalt aufgehört hat, bedarf e«
dieses Konsense« nicht. — Res«, vom 18. Mai ISIS. Jahrb. S, S. 23. Gräsf
2, S. 17. — Sirk^Rescr. vom 27. Ott. l««S. Mathis 8, S. 459. Rabe I«,
S. 168. — Anh. S- 4 ,. A. G. O.
In der Provinz Westfalen ist zu Klagen, welch« Landgemeinden «der diejeni,
H«, Städte, in welchen die Landgemeindeordnung gilt, anstrengen, so wie zu Ver
gleichen derselben, stet« der Beschluß der Gemeindeversammlung nöthig. — K. 9l
der Landgemeinde«?»», vom 31. Oer. 1841. GS. S. 313. — Verordn. vom 31.
Ott. 1841. GS. S. 322.
VNI. Bei andern Korporationen und Gemeinden haben an Verwaltung
der äußern Gemeinderechte und mithin auch zur Führung der Prozesse alle Mitglie
der ein Theilnahmerccht. Sind jedoch für gewisse Geschäfte Repräsentanten gewählt,
so vertreten diese die Korporation in allen Verhandlungen, welche in Betreff des
ihnen übertragenen Geschäftszweiges vorkommen. Der zur Prozeßführung ernannte
Repräsentant heißt gewöhnlich Syndikus. — Treten die fämmtlichen Korporations-
Mitglieder bei prozessualischen Verhandlungen auf, und es find deren mehr als drei,
so können sie vom Richter angehalten werden, die ferneren Verhandlungen durch
zwei oder drei aus ihrer Mitte zu wählende Deputirre abzuwarten. Syndici und
Dexutirte können nicht ftlbststöndig klagen und auf Klagen sich einlassen. Sie ha-
'bni nur die Rechte und Pflichten von Bevollmächtigten. — §.114 fg., z. 148—152,
Mt. S, ». A. L. R.
IX. Hinsichtlich der vom Staate ausdrücklich genehmigten oder geduldeten Gesell
schaften gilt ebenfalls der Grundsatz: daß in Prozessen sämmtliche Gesellschaftsmit-
göeder als vorzuladende Partei zu betrachten. Sie bedürfen eben so wenig wie
Korporationen einer vom Staate zu ertheilenden Zlutorisation zu Klage» «der zur
Einlassung oder zu Bergleichen, in sofern die BestStigungsurkunde nicht eine des-
fallsige Beschränkung enthält. — Tit. S, N. §. 12 fg. A. L. R. — Bei einzelnen
sind besondere Bestimmungen zu bemerken.
1. Bei Graben und Hüttenwerken soll, wenn die Gewerkschaft nicht
andere Bevollmächtigte ernannt hat,
«) bei allen Verhandlungen, welche auf den Betrieb des Werks Bezug haben, der
Schichtmeister, und
in den Fällen, welche Beleihung Und Bewahrung des Eigenthums betreffe», der
Lehnsträger,
alS Bevollmächtigter der Gewerkschaft angesehen werden. Sie sind daher jeder in
ben bezeichneten Fällen zu allen prozessualischen Verhandlungen, zu welchen gesetzlich
keine Spezialvollmacht erforderlich ist, legitimirt. — Eab.-Ordre vom 24. Ott.
Z831. GS. S. 226. — Rcscr. vom 31. Mai 182«.
2. Zünfte bedürfen zu allen Prozeßhandlungen, welche das gemeinschaftliche
Junftvermögen betreffen, der Approbation de» Magistrats. — A. L. Si. II. 8,
§. 211 fg.
3. Eisenbahngesellschaften werden in allen gerichtlichen und außergerichtlichen
Geschäften, selbst in Fällen, wo eine Spezialvollmacht erforderlich ist, vom Bor
stande vertreten. Dieser leistet Namens der Gesellschaft die Eide. — Die Behän«
bigung der Vorladungen und anderer Ausfertigungen an die Gesellschaft ist giltig,
auch wenn sie nur an ein Mitglied des Vorstandes geschieht. — jj. 21—23 deS
Gesetzes vom 9. Nov. 184S. GS. S. 34S.
zt. Handelsgesellschaften können unter ihrer Firma klagend ««ftreten und be«
langt wttkm. —> «es«. Vom ». Mai «SS. ««ff, «sch «c. W. «. ?«.
32
"! ' Bon mehren Erben als Parter. ,
Z. 16. Sind mehre Miterben vorhanden, so müssen :
s) Sämmtliche als Kläger austreten oder belangt werden, so lange noch keine
Theilung stattgehabt, und in sofern nicht etwa der Prozeß solche Sachen, Rechte
oder Forderungen betrifft, welche durch letztwillige Verordnung einem oder Ein-
zelnen der Erben zugefallen sind.')
d) Hat aber Theilung stattgehabt, so ist: ss) der, welcher ein über eine Nachlaß
forderung sprechendes Dokument hinter sich hat, in sofern von den Miterben
keine gerichtliche Protestation erfolgt ist, so wie der, welchem eine Rachlaßsor-
derung bei der Theilung überwiesen ist, zu deren Einklagung allein berechtigt;
Kb) die Erbschaftsgläubiger können sich nur an jeden der Miterben nach Vcr«
hältniß seines Erbtheils halten, wenn die Theilung entweder zu ihren Händen
oder durch Einrückung in die öffentlichen Blätter gehörig bekannt gemacht wor
den, und die Gläubiger von Bekanntmachung, resp. der ersten Einrückung in
die Blätter ab, drei Monate, und Auswärtige, wenn Erblasser Kaufmann war
und seinen Verkehr auch außerhalb der Provinz seines Wohnortes oder ins
Ausland ausdehnte, sechs Monate, ohne sich zu melden, haben verstreichen lassen;
eo) ist dies nicht der Fall, so hat nach der Theilung jeder Erbschaftsgläubiger
die Wahl, ob er sich an die Erben insgesammt, oder an jeden derselben nach
Berhältniß seines Erbtheils, oder an einen unter ihnen für das Ganze halten
wolle. Kann er von einem oder von mehren in Anspruch genommenen Erben
in diesem Falle seine Befriedigung ganz oder zum Theil nicht erhalten, so bleibt
') Rechte, Verbindlichkeiten und Lasten, welche nur der Person oder dem Stande
des Erblassers anklebten, gehen nicht auf die Erben über. In sofern aber aus
Rechten oder Pflichten, die mit dem Tode des Erblassers erlöschen, noch bei
seiner Lebenszeit Folgen entstanden sind, die ein nach Gelde zu schätzendes In»
teresse begründen, so gehört dieses Interesse zum Nachlaß. Ebenso gehen auf
die Erben über: alle Rechte und Pflichten aus Verträgen, Rechte, welche zum
freien Eigenthum zu rechnen, desgleichen diejenigen, welche den Ersatz eines
aus unerlaubten Handlungen entstandenen Schadens betreffen. Hiernach läßt
es sich beurtheilen, welche Klagen Erben anstrengen, und welche gegen Erben
angestrengt oder fortgesetzt werden können. — A. L. R. Einl. Z. 102, 103,
104; Tit. 2, I. §. 4«; Tit. 9, Z. 36« fg. — Einige auf die Erben nicht
übergehende Klagen sind: s) die Klage aus Ehegelöbnissen. Die Erben
des Unschuldigen können Entschädigung und Abfindung vom Schuldigen nur
fordern, wenn sie dem Erblasser bereits rechtskräftig zuerkannt ist. Der
Unschuldige kann gegen die Erben des Schuldigen nur dann auf Entschädigung
und Abfindung klagen, wenn Letzterer sich vor dem Tode an eine andere Person
wirklich verheirathet hat, oder wenn er auf die aus dem Ehegelöbnisse ange
stellte Klage seine Weigerung, die Ehe zu vollziehen, gerichtlich oder doch
schriftlich erklärt hat. — A. L. R. II. 1, §. 124—127. — b) Die Erben
einer Geschwächten können vom Schwängerer eine Ausstattung nur in sofern
fordern, als dieselbe der Erblasserin bereits rechtskräftig zuerkannt ist. —
Z. 1088 daf. — c) Ehescheidungsstrafen können die Erben des unschul
digen Ehegatten aus dem Vermögen des schuldigen nur dann fordern, wenn
dieselben dem Erblasser bei seinem Leben bereits zuerkannt waren, und dag
Urtel vor oder nach seinem Tode rechtskräftig oder in den folgenden Instanzen
bestätigt wird. — Z. 83« das. — 6) Hat der Vasall wegen begangener Felonie
das Lehn verwirrt, so findet die Rüge gegen die Leibeslehnserben des Vasallen
nur dann statt, wenn gegen diesen auf Einziehung des Lehns vor seinem Tode
wenigstens in einer Instanz rechtlich erkannt warj ist aber der Lehnsherr, ehe
er die Felonie gerichtlich gerügt hat, gestorben, so kann der Nachfolger in der
Regel nicht, unb ausnahmsweise nur dann klagen, wenn der Lehnsherr durch
die Felonie das Leben verloren, ohne die Felonie ausdrücklich erlassen zu haben.
" ' Zl. L. R. I. 18, 624—629. — e) Die Jnjurienklage kann gegen die Erbe»
d«S Beleidigers nicht angeftttngt werden. — Zl. «. A. U. SV, §. SOS. ^ ,i
33
ihm dennoch sein Nicht ,tg» die Miterbm. «. ?. ». I. t?> Z. 1S7, Ut, IZß,
1S7— 1«, Ul^lSb. «est». v«n 17. Mörz 18«, Z. M. ». «Ä. 1U>
Aut-nahMtweise Ktzmulatiou von Klagen.
I. 1?. In ander» Fällen, in denen mchre Personen weder als Korporation«»
oder Gemeinden, noch fönst, z. B- als Erden »der Hanblungtgenossen ,c. rechtlich
alt eine Person zu erachten, können in der Regel Mehre als Kläger oder Beklagte
i» eine« Prozent nicht auftreten. Ausnahmsweise ist dies nur dann zuzulassen,
»enn Mchre alt Mitberechtigte oder Mitverpslichtete zu betrachten sind,
die aus einerlei Geschäfte, Bertrage oder unerlaubte» Handlung etwas fordern od»
in Anspruch genommen «erden. Doch müssen auch hier die Forderungm der meh«
nn Konsorten, od» die Ansprüche gegen sie zum besondern Prozeß verwiesen wer«
de», sobald aus einer solchen gemeinschaftlichen Ausführung in der Sache selbst
Verwirrungen zu besorgen sind.
Bon Amtswegen können aber selbst die, welche aus einerlei unerlaubte» Hand»
lung Ansprüche gegen dieselben Beklagten zu machen haben, zur Kumulation der
Klagen nicht anschalten werden.
Ist der Anspruch der mehren Kläger «der gegen die mehren Beklagten nicht
ans einerlei Fundament entsprungen, >) oder sind ein Theil der Letztem nur s»bsi-
diarisch verpflichtet, 2) f« ist eine Kumulation der Klagen unzulässig. In dritter
Instanz kann ein« solche niemals mehr gestattet werden. — A. G. O. 8- 35— S7,
I. t. — «et», vom 11. Februar 1837; vom 12. August 1822; vom ö. April 1S29
«nd vom 17. Dec. 1842 in Gräff, «och ,c. lll. «. 77 fg.
Dritter Xitel.
Vp« Se>icht<fta«dt.
Begriff und Eintheilung.
Z. 18. Jede Klage muß bei denjenigen Gerichten verhandelt werden, an welchk
sie entweder durch allgemeine Gesetze, oder durch besondere in einer Provinz oder an
einem Orte bestehende Vorschriften gewiesen ist. Dieses die Zivilstreitigkeiten lösende
Gericht wird in der Regel Aivilgericht genannt, zum Unterschiede vom Kriminal
gericht, welches die der richterliche» Kognition unterliegenden Straffälle untersucht
»gd resp. entscheidet. Letzteres, falls es nicht zugleich mit Ziviigerichtsbarkeit be»
liehen ist, stellt die Schadloshaltung eines durch ein Verbrechen Beschädigten mit
diesem Verbrechen nur in sofern fest, als sie gleichzeitig mit der Untersuchung des
Verbrechens erörtert werden kann. Ist dies nicht zugleich thunlich, oder wird eine
besondere Klage deshalb angebracht, so gehört der desfallsige Prozeß vor den erdenk
«che» persönlichen Richter de« Beschädig erg. — Überhaupt gilt in Bezug auf
2) Gegm den Trassanten und Akzeptanten eines Wechsels kann nicht in einem
und demselben Prozesse geklagt werden. Das Klagesundament ist gegen beide
verschieden; nämlich gegen den Akzeptanten seine Akzeptation, und gegen
de» Trassanten auf eigene Ordre sein Giro in Verbindung mit der nicht
erfolgten Zahlung. — Res«, vom 21. April 1842. I. M. B. S. 177.
>) Der hier zum Grunde liegende Fall des Rescr. vom 11. Februar 18Z7
betraf eine Regreßklagt wegen Geld»«, die an nicht legitimirt, Empfänger
Htjahitz waren,
S
5«
gktlprozesse Ott Regel, da? jeder Prozeß im GertchtSfianbe >) der t»
Anspruch genommenen Person oder Sache anzustrengen sei. Sei
Vertretungen (z. B. durch einen Bormund) gehört die Klage vor dai dem zu
Vertretenden vorgesetzte, Gericht, da dieser als Beklagter anzusehen. — So
tald die Sache einmal anhängig ist, bleibt sie bei demselben Berichte, wenn auch
b« Beklagte seinen Wohnsitz oder Gerichtsstand 2) in der Folge verändert.
Der Gerichtsstand kann sein:
. l. Der ordentliche, welchem alle an einem Orte, in einem Distrikte oder m
einer Provinz befindlichen Personen oder Sachen, oder alle daselbst vorkommend«
Geschäfte von einer gewissen Art nach gesetzlichen Borschriften unterworfen sind.
Der ordentliche Gerichtsstand wird:
Z) Der persönliche genannt, wenn er durch den Ort, wo Jemand wohnt (forum
Domicilii), oder durch den Ort der Herkunst (forum origiuis), oder durch den
Aufenthaltsort (das Forum des Vagabunden), oder durch gewisse persönliche
Eigenschaften, mit welchen die Gesetze die Unterordnung unter dieses oder jenes
Gericht verbunden haben, bestimmt wird.
Z) Der dingliche Gerichtsstand wird durch den Ort bestimmt, wo eine Sache
sich befindet. Demnach hat der für einen Ort oder Bezirk unmittelbar und
zunächst bestellte Richter die Vermuthung für sich, daß alle in diesem Ort«
«der Bezirke befindlichen Sachen seiner dinglichen Gerichtsbarkeit unterworfen sind.
Z) Spezialgerichtsstand (forum specisle «süsse) heißt endlich da« Gericht,
welchem gewisse in einem Gerichtsbezirk vorfallende Rechtsangelegenheiten, ihr»
besondern Beschaffenheit wegen, ohne Rücksicht auf den sonstigen persönlichen
oder dinglichen Gerichtsstand beigelegt worden.
II. Er kann ein außerordentlicher Gerichtsstand sein:
Z) wenn der Staat in einzelnen Fällen zur Beförderung einer schleunigen und un«
parteiischen Rechtspflege, oder um die Vervielfältigung der Prozesse zu verhüten,
eine Ausnahme von dem ordentlichen Gerichtsstande zu machen für gut findet;
ö) wenn die Parteien mit Erlaubniß des Staats einem andern, als dem ordent«
lichen Gerichtsstande entweder durch ausdrückliche Erklärungen, oder durch vor«
hergehende Handlungen, woraus das Gesetz ihre Einwilligung folgert, sich un»
«ttwerfen. — A. G. O. I. 2, §.1—7, 173, 4S. Kr. O. §. S, 637.
l. jdrdentUcher Gerichtsstand, und zwar:
1. persönlicher, «) des Wohnsitzes.
§. 19. In der Regel steht Jeder unter dem Gericht, welches für den Ort od»
Bezirk, in welchem er wohnt, zunächst und unmittelbar bestellt ist, gleichviel, od
die Gerichtsbarkeit dem Landesherrn oder einem Privaten zusteht. Dieser «rdent»
liche persönliche Gerichtsstand wird jedoch noch nicht durch den bloßen Auf«
enthalt, sondern nur dadurch begründet, daß Jemand an einem Orte feinen be»
ständigen Wohnfitz aufgeschlagen hat. Wenn daher Jemand, selbst eine ge«
räume Zeit hindurch, wegen seiner Geschäfte oder Gesundheit, oder wegen Studb
>) Es kommt dabei auf den Zeitpunkt der Klagebehändigung an. Verzieht Be«
klagter in der Zeit von Anbringung der Klage bis zur Behändigung, so muß
die Sache, in sofern sie ins persönliche Forum gehört, an den persönlichen
Richter des neuen Wohnorts des Beklagten abgegeben werden. Rur in Betreff
eines Schwängerers findet die Ausnahme statt, daß gegen ihn die Geschwächte
auch im Gerichtsstande, in welchem er sich zur Zeit der Schwängerung befand,
aus der Schwängerung klagen kann. — A. L. R. II. I, §. 1037.
>) S. B. wenn ein Komerzienrath seine Handlung ganz niederlegt, und dadurch
<«S dem Gerichtsstand dkS UntergerichtS in den des ObergerichtS iibergeht.
35
rms, oder um einem drohenden Arrest, einer Krieg«« oder andern Gefahr zu ent
gehen, an einem Orte sich aufhält, so kann daraus noch nicht die Ausschlagung eine«
beständigen Wohnsitzes daselbst gefolgert werden. Bielmehr muß die Absicht,
einen solchen an einem Orte ausschlagen zu wollen, in jedem Falle entweder aus
drücklich, oder durch Handlungen oder Thatsachen geäußert werden.')
Solche stillschweigende Äußerungen müssen jedoch von der Art sein, daß daraus mit
Zuverlässigkeit auf die Absicht des Handelnden geschlossen werden kann. Sie
setzen auch Personen voraus, welche durch Willenserklärungen sich rechtsgiltig ver
pflichten können. — Auf die Beschaffenheit der Wohnung und die Art der Erwerbs-
thätigkeit kommt es bei der Absicht, einen Wohnsitz zu begründen, nicht an.
Das Gesetz will die Begründung des persönlichen Gerichtsstandes des Wohnorts
durch stillschweigende Äußerungen und Handlungen insbesondere angenommen wissen,
wenn Jemand an einem gewissen Orte:
1) ein Amt, welches seine beständige Gegenwart erfordert, übernimmt;
2) Handel und Gewerbe daselbst zu treiben anfängt, oder, was diesem gleich
ist, als Tagelöhner oder Arbeitsmann für beständig oder auf lange Zeit an
einem Orte sich niederläßt;
5) sich dafelbst alles, was zu einer eingerichteten Wirthschaft gehört, an-
schast. Wer an zwei verschiedenen Orten völlig eingerichtete Wirthschaftm hat,
und abwechselnd bald an dem einen, bald an dem andern Orte sich aufhält,
«der Gewerbe treibt, muß die Gerichte beider Orte als seinen persönlichen Ge
richtsstand anerkennen und es hängt von der Wahl des Klägers ab, wo ihn
derselbe belangen will.
4) Die Übernahme einer Pacht, verbunden mit dem persönlichen Aufenthalte auf
dem gepachteten Gute begründet den Wohnsitz des Pächters. Ist im Pachtver
trage verabredet, daß der für seine Person nicht schon aus andern Gründen
unter dem Obergericht stehende Pächter von der Gerichtsbarkeit des Verpächter«
(dem Patrimonialgericht) ausgenommen sein solle; so gilt diese Verabredung in
Absicht der Zivilprozesse zwischen Verpächter und Pächter als Kompromiß, und
das Obergericht muß solche vor seine Kognition ziehen. — Bei andern Klage»
gegen den Pächter hängt es, einer Verabredung ungeachtet, vom Gutbefinden
des Obergerichts ab, ob es sich der Kognition unterziehen, oder sie an da«
Gericht, vor welches die Sache gehören würde, zurückweisen will.
5) Gesellen haben da ihren Wohnsitz, wo sie in Arbeit stehen, in sofern nicht au«
In Folge der Gefetze vom St. December 1342 über die Aufnahme neu anzie
hender Personen (GS. 1843, S. S) und über die Verpflichtung zur Armenpflege
(GS. 1843, S. 8) ist mit Bezug auf Beantwortung der Frage : welche Ge
meinde zur Verpflegung eines verarmten Gemeindegliedes verpflichtet sei?
der Wohnsitz an einem Orte dann für begründet anzunehmen, wenn Jemand
entweder s) daselbst als Mitglied ausdrücklich aufgenommen worden, oder b)
sich bei der Polizeibehörde des Orts, den er als Wohnort wählt, gemeldet,
eine Bescheinigung darüber erlangt, und demnächst daselbst ohne begründete»
Widerspruch wirklich seine Wohnung aufgeschlagen, oder «) nach erlangter
Großjährigkeit während der drei letzten Jahre daselbst seinen gewöhnlichen Auf
enthalt gehabt hat. — In den gesetzlichen Vorschriften über Begründung des
Gerichtsstandes ist zwar durch diese Gesetze Nichts geändert; doch werden die
selben bei Zweifeln darüber: ob Jemand an einem Orte seinen Gerichtsstand
begründet habe? oft Erläuterungen gewähren.
2) Geht eine entgegengesetzte Absicht hervor, z. B. bei Maurern, Zimmerleutm,
Pflasterern, Eisenbahnarbeitern ie., die oft nur den Sommer über auf Arbeit
gehen, um demnächst wieder zu ihrer in dem bereits konstituirten Wohnort
zurückgelassenen Familie zurückzukehren, so begründet dieser nur zeitige Auftnt
halt Km Domizil.
36
ihren anderwetten auSdräcttichu, od» stillschweigend«, Äußerung« h«»«rMt,
daß nur die Absicht vorübergchenden Aufenthalts obwaltet («f. Anm. 2, S. SI).
Befinden sich dieselben jedoch noch unter väterlicher Gewalt oder Bormundschaft,
so sind sie nur in Injurien-, Alimenten- und Entschsdigungsprozessen, so mi«
in allen Rechtsstreitigkeiten, welche aus ihren Dienst-, Erwerbs- und Kontrakts«
Verhältnissen entspringen, dem persönlichen Gerichtsstande ihres Aufenthaltsorts
«nterworfen. Dies gilt auch von Lehrlingen, Handlungsdienern, Kunst
gehilfen, Hand- und Fabrikarbeitern,
b) Der Gesi »bedienst begründet zwar keinen Wohnsitz, in sofern nicht etwa das
Gesinde eine besondere Ökonomie führt (wie z. B. bisweilen bei solche», die
gegen Deputat dienen, der Fall ist); doch steht das Gesinde, welches nicht mehr
unter väterlicher Gewalt oder Vormundschaft sich befindet, in der Regel unt«,
dem ordentlichen Gerichte seiner Herrschaft. Ausnahmen finden statt: s) hin«
sichtlich der auf dem Lande oder überhaupt im Patrimonialgerichtsbezirk einer
Gutsherrschaft sich befindenden Hausofsizianten, Wirthschaftsbedienten derselbe»
und deren Gesinde. Dasselbe steht unter der Patrimonialgerichtsbarkeit, wenn
nicht Verträge oder Provinzialgesetze entgegenstehen, d) in Betreff des Gesindes
der Militairpersonen hinsichtlich der Jnjuriensachen, e) in Betreff der Bediente»
der Studenten. Die sä d und o ^stehen unter dem Gerichte, welchem andere
Einwohner gleichen Standes unterworfen sind.
Bevormundete oder unter väterlicher Gewalt befindliche Dienstleute sind in
Injurien-, Alimenten- und Entschädigungsprozessen und in den aus ihrem
Dienst entspringenden Rechtsverhältnissen dem persönlichen Gerichtsstande ihres
Aufenthaltsorts unterworfen. Überhaupt haben:
7) Alle minderjährigen, oder noch unter väterlicher Gewalt stehenden Personen in
Jnjuriensachen ihres Gerichtsstand »or dem Gerichte ihres Aufenthaltsortes.
Won dem Grundsatz, daß durch stillschweigende Äußerungen und Handlungen
ein Wohnsitz und somit der persönliche Gerichtsstand begründet werden könne, besteht
hinsichtlich der Standesherren eine Abweichung; diese sind niemals aus dem
Grunde allein, weil sie innerhalb des preußischen Staats eine Standesherrschaft be
sitzen, vor den hiesigen Gerichten in blos persönlichen Angelegenheiten Recht zu
nehmen verbunden. Dagegen sind sie, im Falle sie in mehren Bundesstaaten ftan-
desherrliche Besitzungen oder einen auf andere Art gesetzmäßig begründeten, mehr
fachen Personalgerichtsstand haben, nach erlangter Volljährigkeit verpflichtet, vor
dem Oberlandesgerichte, in dessen Bezirk die Standesherrschaft gelegen ist, zu erklä
ren, welchen in - oder ausländischen Ort sie als ihren Wohnsitz betrachtet haben wollen.
Der durch den Wohnort oder Aufenthalt begründete persönliche Gerichtsstand
hört auf, wenn Jemand dcn Wohn- oder Aufenthaltsort gänzlich verläßt und
entweder seinen Wohnsitz auf gehörige Weift anderswo aufschlägt, oder Bagabunde
wird. Der Aufenthalt in einer Strafanstalt zur Strafe ist jedoch nicht geeignet,
den bisherigen Gerichtsstand des Züchtlings zu ändern, so wie dadurch auch kein
neuer Gerichtsstand begründet werden kann. — A. G. O. das. §. 3 bis 16, 22.
Anh. §. 5, 19 und 28. — A. L. R. I. 4, z. 53, 59, 63; II. 17, §. 19 fg., 47.
Eab.-Ordre vom 4. Juli 1832. GS. S. 175. — Res«, vom 11. April 1823.
Jahrb. 21, S. 264. Gräff 2, S. 1«. — Rescr. vom S. Mai 1335. Jahrb.
45, S. 540. Gräff 8, S. 133. Rescr. vom 5. October 1821. Mannkopf A.
G. O. I. S. 145. — Rescr. vom 1«. März 1827. v. K. Ann. 11, S. 149.
— Rescr. vom 19. Febr. 1823. Jahrb. 21, S. 255. Gräff 1, S. 273. —
Rescr. vom 10. October 1823. Jahrb. 22, S. 217. Gräff 4, S. 141. —
Jnstr. vom 3«. Mai 182«, g. IS. GS. S. S4. — Reglem. vom 2S. Dec. 1810.
SS. S. M.
d) der Herkunft (forum origims),
§. 2«. So lange Jemand noch nicht gemäß §. 19 einen eigenen Wohnsitz
genommen hat, bleibt er im Gerichtsstände
L) de« Vaters, wenn dieser lebt, gleich viel, ob derselbe durch eheliche Zeugung
oder durch Adoption >) Vater ist, und zwar mit Rücksicht auf dessen jedesma«
ligen Wohnort j
2) der Mutter, wenn ex uneheliche« Kind «) oder in einer Ehe zur linken Hand
gezeugt ist, »)
S) der Pflegeeltern, so lange er a« ein von seinen Eltern verlassenes Kind sich l»
deren Pflege befindet; ^)
H Ist der Vater gestorben oder mit Aurücklassung von Kindern au« dem Land,
gegangen, so behalten die bei seinem Tede oder bei der Entfernung in seiner
Gewalt befindlich gewesenen zurückgebliebenen Kinder den Gerichtsstand dkl
letzten inländischen väterlichen Wohnort« bei.
Hatte der Vater zwei persönliche Gerichtsstände, so währt derjenige fort, l»
welchem gesetzlich die Bevormundung zu veranlassen, nämlich, >«nn der eine
väterliche Gerichtsstand vor einem Obergcricht, der andere vor einem Unter«
gericht war, der erstcre; wenn aber beide Gerichte von gleicher Qualität waren,
der Gerichtsstand, in dessen Bezirk der Vater seinen letzten wirklichen Wohn»
sitz hatte.
5) Ist der Vater unbekannt, oder das Kind nicht aus einer Ehe zur rechte«
Hand, so richtet sich beim Tode oder bei Entfernung der Mutter in gleiche«
Art, wie sck 4 in Betreff des väterlichen Gerichtsstände« bestimmt ist, der
Gerichtsstand der Herkunft eines solchen KindeS nach dem Gerichtsstände b»
Mutter.
6) Bei ausgesetzten Kindern, in Betreff deren der letzte Gerichtsstand der Mutt«
unbekannt ist, bestimmt der Geburtsort, und wenn auch dieser unbekannt, der
Untergerichtsbezirk, in welchem sie gefunden worden, den Gerichtsstand dtt
Herkunft.
Bon vorstehenden Regeln finden folgende Ausnahmen statt:
Referendarien und Auskultatoren stehen, wmn sie auch noch minderjährig
Wer unter väterlicher Gewalt befindlich sind, unter der Gerichtsbarkeit de« Ge«
richts, von dem die Mitglieder der Behörde, bei welcher sie arbeiten. Recht zu
nehmen haben.
>) Z. B. in obigem sub H,. erwähntem Falle, oder wenn das Kind geadelt wird.
>) Auch in diesen beiden Fällen wird vorausgesetzt, daß derselbe weder im Jn-
noch im Auslande einen festen Wohnsitz hat, da der mit einem Wohnsitz ver
sehene niemals Vagabunde ist. — Ol. Rescr. vom 17. August 1832 in Gräff,
Koch :e. Suppl.-Bd. zu den Ergänz, der A. G. O. S. 18.
») Die A. G. O. spricht im 8. 24, I. 2 auch von Gutsunterthanen, daß sie ohne
Willen der Gutsherrschaft den Wohnort nicht verändern können. Durch die
«euere Gesetzgebung, in Folge deren die Erbunterthänigkeit aufgehoben, ist diese
und ähnliche Bestimmungen antiquirt.
S) »enn Kkntt «es» Mt v»«egt, Ue Klage gegt» ihn als Zkbwestnien kj. ».
wegen Ehescheidung) aber zulässig ist, in seinem letzten Gerichtsstände de«
Wohnort«, «der, in dessen Ermangelung, der Herkunft. — Demnach ist der
Schuldner, «elcher seinen neuen Aufenthalt verheimlicht, al« Bagabunde anzu«
sehn, und sein Gerichtsstand da, «g sein zurückgelassene« Vermögen sich befindet.
— A. G. O. I. 2, Z. 22—2S, Tit. 7, Z. 13. — «escr. vom Sl. Mai 182l.
Sröff, Koch ,e. Ul. S. SS.
ck) der Fremden (Gerichtist. de« Aufenthalt«),
Z. 22. Unter dem Ausdruck „Fremder" wird hier jeder Ausländ« verstau«
de», welcher im hiesigen Lande keinen Wohnsitz hat. E« gehören darunter auch
diejenigen au« dem diesseitigen Militairverhältnisse entlassenen AuilSn»
der, welche »ach erhaltener Dimission die hiesigen Lande sogleich verlassen habe«,
ohne darin einen Wohnsitz zu nehmen.
1. Steht ein Fremder im Begriff, sich im hiesigen Lande niederzulassen, ') st
kann er:
») wenn er darin noch keinen bestimmten Wohnsitz genommen hat, bei den ordent«
lichen Gerichten de« Ort«, wo er sich aufhält, belangt werden; gehört er ab»
nach seinen persönlichen Eigenschaften zu den Erimirten, so ist er beim Ober«
gericht der Provinz, in welcher er sich befindet, in Anspruch zu nehmen;
d) Hat er sich über den Ort, wo er im hiesigen Lande seinen Wohnsitz nehmen
will, schon deutlich geäußert, so kann er bei den ordentlichen Gerichten diese«.
Ort« belangt werden, selbst wenn er sich noch auf der Reise dahin befindet. 2)
2. Blo« durchreisende oder vorübergehend im hiesigen Lande weilende Fremde ha»
ben hier keinen persönlichen Gerichtsstand. Sie können jedoch, und zwar bei den«
jenigen Gerichten, welchen Inländer von gleichem Range und Stande un«
terworfen sind, belangt werden:
») wegen der im Jnlande begangenen Injurien. Die Eivilgerichte sind hi»
auch gegen fremde Militairpersonen kompetent, so daß fremde Offizier« unter
die Obergerichte der Provinz gehören;
K) wegen Schadloshaltung, sofern die Erörterung der Entschädigungssumme gleich«
zeitig mit der Untersuchung de« den Schaden herbeiführenden Verbrechen« ersolgtß
e) au« den im Jnlande geschlossenen Kontrakten und geführten Verwaltungen >
ck) mittel« de« Arrestprozesse«;
«,) sofern bewegliches ') oder unbewegliche« Vermögen «) de« Fremden im hiesige»
i) Die Srlaubniß zur Niederlassung wird den Ausländern von der betreffende»
königl. Regierung ertheilt. — Res«, vom 1«. Sept. 1829. Ann. der inner»
Verw. S. Sös.
«) Hat ein Ausländer, wenn auch als Deserteur, im preuß. Staate sich nieder«
gelassen, so kann er beim inländischen Gericht gegen seine im Auslande zurück«
gebliebene Ehefrau auf Ehescheidung klagen. — Rescr. vom 2S. Oct. 1799.
Stengel Bd. 15, S. 292. Rabe Bd. 5, S. S97.
») Auch Aktiva, die im Jnlande ausstehen, sind diesem zuzuzählen, und begründe»
hier einen Gerichtsstand gegen den ausländischen Gläubiger. — Ls. Rescr. vom
9. Juni 182« in GrSff, Koch :c. Suppl.-Bd. z. Erg. z. A. G. O. S. 31.
«) Sin zum Auslaufen fertiges und beladene« oder im Laden begriffene« Schiff,
so wie die Waaren, welche sich schon über dem Bord de« Hauptschiffe« befin»
den, können nach §. 1409—1419, II. 8 A. L. R. nur wegen Eigenthums«
ansprüchen oder aus andern Gründen, nicht aber wegen Schulden mit Arrest
belegt werdm; und e« darf nur ein vorläufige« Pfandrecht auf diese Gegen«
stände bestellt werden, wenn die Erfordernisse eine« Realarreste« vorbände»
find. Diese Bestimmungen gelten offenbar auch in Bezug auf die Ausländer»
gehörigen Frachtschiffe. — tt. Rescr. vom 17. Febr. 1SSS in GrSff, Koch:c.
VuppkBd. z. Erg. z. A. y. O. S. Sl,
Siwbe sich ieMet, unb bk Befriedigung s«S demfewm cMcht »«b. ') Poch
soW» Uüt«rtha»r« der tmtfch« BundtSstaaten in diesem KsSe i» ihrem per«
flnlichen ausländischen Gerichtsstände belangt werden, 2) in ssfer» nicht 6wa
t» Bezug auf einen Staat Wiedervergeltungsrecht zu iiben. s) .
t) F» Folge nothmenbiger oder freiwilliger Prorogatie».
g) Dem dingliche» Gerichtsstande find ausländische Besitzer hiesiger Grandftücke in
gleicher Art, wie Inländer selbst in Bezug aus die mit dem Besitze z»fmmnen-
hängenden persönlichen Ansprüche unterworfen.
d) Königliche Ätularbediente, welche einen auswärtigen Wohnsitz haben, und in
den königl. Staaten nicht angesessen sind, können bei den hiesigen Gerichten nur
dann belangt werden, wenn sie im Jnlatide sich wirklich, wenn auch n«r eine
Zeitlang, aufhalten.
ZZ Wenn ein Ausländer, der auswärts keinen Wohnsitz hat, oder diesen auswär
tigen Wohnsitz verschweigt, während feines Aufenthalts im hiisigen kande eM
' hiesige Unterthanin heirathet, ohne ihr bekannt zu machen, da^ er in hiesigen
Landen zu bleiben nicht gemeint fei, so kann, wenn er auch daselbst «Ken M
deutlichen Wohnsitz nicht aufgeschlagen, und nach geschlossener Eh« sich wMerüm
Vntfernt hätte, dennoch bei dem inländischen Gerichte, in dessen Bezirk die Ehe
geschlossen worden, auf deren Trennung wider ihn geklagt werden. In ändern
Fällen dagegen gehört die Ehescheidungsklage stets und selbst dann, wenn die
Ehefrau dem Manne ins Ausland zu folgen nicht verpflichtet wäre, vor ven
persönlichen Richter des Ehemannes. — A. G. O. I. 2, tz. 26—SS. Ach. Z. 8.
§. 6«. Anh. §. 22 z S. S4, 59 fg., 129, 17S. Anh. K. «8. AnH. I. Z4i —
Berordn. vom 7. Juli 1819. GS. S. 212. — KoNbent. vom Z«. August
1319. GS. S. 1 des Anh.
' 8. Die am hiesigen Hofe akkreditirten Gesandten, GischöflSträger (<Mltz6j ck'S?.
Kires) und Residenten fremder Mächte sind persönlich der hiesigen Grttchtt-
iarkelt nicht unterworfen. Gleiches gilt in Betreff ihrer Frauen, iyrks MMgeÄ>
und aller in ihrem Dienst befindlichen Personen, in Betreff Nestr, ft llckze der
Dienst währt. Heirathen hiesige Unterthanen weiblichen GefchKchK fiemde Ge
sandten, Residenten zc., oder Personen ihres Gefolges von höherem AaHe, näch
Vorausgegangener Ertheilung des AuswanderungsiKnftnfei Seitens der Hiesigen be
treffenden Provinzialregicrung, so gehen sie m den Gerichtsstand ihrer MSnnler
Lber. Bei Ehefrauen der Domestiken und Bedienten der Gesandten ist dies» M:
der Fall, wenn sie ebenfalls im Dienst des Gesandten stehen/ ober wettn sie ntK
ihrem Manne im Haufe des Gesandt«? wohnen. — Die GrMdten können selbst
durch Vertrag dem hiesigen Gerichtsstande sich nicht unteriverM.
Klagen gegen die zu einer Gesandtschaft gehörenden oder in deren Dienst ste
henden Personen können bei hiesigen Gerichten nicht angenommen,, sie müssen viel
mehr an den Gesandten gewiesen, oder es muß dem Departement der auswärtigen
5) In Fällen, wo es auf Erstreitung einer im Auslande eröffneten Erbschaft an
kommt, gehört jedoch der Prozeß in den ausländischen Gerichtsstand des Erb
lassers, wenn auch ein Thcil des Nachlasses sich im Jnlande befindet. — Rescr.
vom 21. April ISIS a. a. O. S. 30.
2) Gegen nicht preußische Unterthanen der teutschen Bundesstaaten können, daher
im Jnlande Klagen angestellt werden, in so weit sie durch das dingliche Forum
begründet, oder wenn sie mit einem begründeten Arrestgesiiche verbunden, oder
wenn sie durch Retorsionsrecht gerechtfertigt find. — Lf. auch Rescr. vom 27.
August 1S19 in Gräff, Koch zc. Wuppl.-Bd. z. Erg. z. A. G. O. S. 3«.
Zur. Woch. IM, S. 302.
») Dies ist in Betreff der in Preussen mit Grundeigenthum angesessenen rurhessi
schen Unterthanen der Fall. — Mescr, vom St. Stt. 4SSS. JakM 4S, A 486.
Xngtltgtnheite» txw«, Ztnzcjge gemacht »erden. Selbst als Zeuge kann ^ne ftlche
PersM vom hiesigen Gericht nicht vorgeladc», es maß vielmehr die Sache dem
gedachten Departement angezeigt werden.
Besitzt aber eine zur fremden Gesandschaft gehörige Person im Jnkande Grund
stücke, so muß sie den dinglichen Gerichtsstand anerkennen. Doch muß , »en» nicht
von eigentlichen Realklagrn die Rede, und der Gesandte, Geschäftsträger tt. «der
dessen Ehefrau selbst der Besitzer ist, vor Grlassung der Vorladung erst beim aus
wärtigen Departement angefragt werden.
Erhalten hiesige Unterthanen die Erlaubniß, ein Kredit!« von einem fremden
Hofe anzunehmen, so wird ihr Gerichtsstand nach den bei Ertheilvng dieser Er-
Wnbniß ihnen gemachten Bedingungen beurtheikt. Ist hier eine Befreiung von
der inländischen Gerichtsbarkeit nicht ausgesprochen, so sind sie in ihren Privat
handlungen der inländischen Gerichtsbarkeit unterwotfen.
We Konsuln fremder Nationen sind in ihren Privatangelegenheit», den Lan
desgerichten, und zwar denen unterworfen, zu welchen sie durch ihre sonstigen
persönlichen Eigenschaften gewiesen sind. Doch kann gegen sie, so lange sie m wirk
licher Funktion stehen, und keine kaufmännischen Geschäfte im Jnkande betreiben,
ohne Rückfrage beim auswärtigen Departement, kein Personskarreft stattfinden.
Die Justizbehörden berichten deshalb an das Justizministerium. Übrigen« hat der
preußische Staat auch in Betreff der Gesandten für den Fall, daß auswärtige Höfe
wegen der hiesigen bei ihnen beglaubigten Gesandten verschiedene Grundsätze befol
gen, die Ausübung des RetorfionSrechtß sich vorbehalten.
Die Wittiven der Gesandten, LKsr^eg d'sSsir« und Residenten auswürtiger
Höfe können in den Fällen, wenn sie vor ihr» Werhcirathung Landesunttrthdnen
«»«»>, oder noch dem Tode ihrer Männer in hiesigen Landen bleiben »ollen, auf
Befreiung bin der hiesigen Gerichtsbarkeit keinen Anspruch machen. — A. G. O.
§. 62—7«; §. 93 a. a. O. — A. L. R. Einl. Z. 4Z fg. — Deklartltivn vom 24.
Sept. 179«, Akad. Ed«.-Samml. Bd. 1«, S. 1757. — Bervrdn. vom 15. Sept.
1818. GS. S. 175, §. 4. — Rescr. vöm 4. April 1823. Grösf, «och n. Ul.
Si 110. — Resrt. vom 1«. Mär, tSIS. Jahrb. S> S. tt. Griiff 2, S. 29.
«) Persönlicher privrlegirter Gerichtsstand;')
gs) durch Geburt.
^. Ä. Durch Geburt erhalten :
1) sammtliche Prinzen und Prinzessinnen, welche zum königlichen Hause
gehören, ihren Gerichtsstand bei dem mit dem Kammergerichte verbundenen
Geh. Justizrache, 2) in sofern nicht durch Hausverträge und Verfassungen in
Ansehung gewisser Fälle und Angelegenheiten ein Anderes bestimmt ist. — Vor
iMeS Forum gehören auch die Gesindesachen der Prinzen vom königlichen Hause,
stlbst wenn diese im Kriegsdienst stehen, und zwar sowohl dann, wenn einer
ihrer Domestiken selbst, oder ein Dritter sie belangt, als wenn sie einen ihrer
Domestiken belangen. — In Sachen, welche ein Immobile betreffen, müssen die
Prinzen und Prinzessinnen vom königlichen Hause im dinglichen Gerichtsstande
Recht nehmen, ausgenommen, wenn der Gegenstand nach den feststehenden
Die Pfälzer Koloniegerichte und die Exemtion der Juden sind aufgehoben, und
somit die K. 30 — 40, I. 2 A. G. O. aoDer Anwendung. — Der Gerichtsstand
mitteivmswürdiger Personen ist schon in der A. G. O. a. o. O. Z. 1«6 auf
gehoben. , . . . ^
5) Das Plenum de« Jnstruktionssenat« bearbeitet all« ihm als Geheime« Justiz-
Käth zugewiesenen Rechttangrlegenheiren. — Lk. Starke, Beiträge zu, Ter.
V. ll. Th., 2te Abth., S. Sv ö as.
«rundsStzt» z» dm «sn de« König« Majestät ju tefttmmendtn Hausau«trSge»
geeignet ist. — z. 41, l. 2 A. G. O. — Rescr. vom IS. Juni 1S0S. SS. v.
1S«5, S. 2949 fg. — Eab.-Ordre vom 17. Juni 1SVS. MathiS 9, S. SIS.
GS. 1S06, S. «71.
S) Die Standesherren und die Mitglieder ihrer Familien haben für Zivilst«!,
tigkeiten einen privilegirten Gerichtsstand, dergestalt, daß in ihren persönlichen
Rechtssachen, so wie in denen, welche ihre standesherrlichen Besitzungen oder die
diesen anklebenden Gerechtsame betreffen, das Obergericht kompetent ist, in dessen
Sprengel sie in Hinsicht auf ihren Wohnort, > ) oder nach den übrigen bei der
Sache eintretenden Verhältnissen zu Folge der Landesgesetze gehören. Gewillkürte
und testamentliche, insonderheit Stamm - und Familienauströge, sind in Zivil«
streitigkeiten der Mitglieder einer ftandesherrlichen Familie unter sich in sofern
kompetent, als diejenigen Verfügungen, worin solche festgesetzt sind, die königlicht
Bestätigung erhalten haben. 2) — z. l4 und 15 der Jnstr. vom SV. Mai 1320.
GS. S. »4.
S) Alle Personen fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und «blichen Stande« stehen
unter der Gerichtsbarkeit der Obergerichte der Provinzen, in welchen sie wohne».
Auch regierende teutsche Fürsten, desgleichen abgetheilte Fürsten aus den HSi»
fern der regierenden teutschen Fürsten, wenn sie ihren beständigen Aufenthalt in
hiesigen Landen nehmen, müssen sowohl in Rücksicht ihrer persönlichen, al« sol«
eher dinglichen Rechtsverhältnisse, welche die in den preußischen Staaten belege«
nen Grundstücke und Sachen betreffen, die Gerichtsbarkeit der hiesigen Gericht«,
Höfe anerkennen. Doch bezieht sich dieser Gerichtsstand nicht auf die Regenten»
Handlungen der regierenden Fürsten, auch nicht auf Streitigkeiten, welche da«
fürstliche Familienrecht betreffen. — Betreiben Adliche eine Handlung «der ti»
bürgerliches Gewerbe, so sind sie hinsichtlich der darauf bezüglichen Angelt,
genheiten der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit unterworfen.
Der durch Adel begründete privilegirte Gerichtsstand geht ganz verloren:
») durch ein auf Adelsverlust lautendes Erkenntnis, z
b) beim weiblichen Geschlecht durch Verheirathung an einen Nichtadlichen. — Bei
Trennung einer solchen Ehe durch Scheidung kann die Frau, sofern sie nicht
für den schuldigen Theil erklärt ist, in den früher« adlichen Stand, also auch
in den Gerichtsstand vor dem Obergerichte, zurücktreten. — Durch Adoption
geht der privilegirte Gerichtsstand der Adlichen nicht verloren, so lange der
Adoptirte seinen adlichen Namen führt. — A. G. O. I. 2, Z. 42. Anh. §. 10,
') ct. jedoch §. 19, S. 36.
Bei Reklamationen, welche von mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen
oder von Gliedern des vormaligen unmittelbaren Reichsadels auf Grund de«
Art. 6S der Schlußakte gegen die zur Vollziehung des Art. 14 der Bundesakte
erlassenen landesherrlichen Verordnungen, in sofern diese nicht auf Vertrag
beruhen, oder ohne dagegen erhobene Beschwerde in unbestrittener Wirksamkeit
bestehen, bei der Bundesversammlung angebracht werden, soll jedesmal, und
bei Reklamationen gegen spätere einseitige legislative Erklärungen der durch
die Bundesakte ihnen zugesicherten Rechte, so oft das Bedürfniß dazu
sich zeigt, dem in anderweiten Rechtssachen der Reklamanten zuständigen
Obergerichte II. Instanz von der Bundesversammlung der nicht abzulehnende
Auftrag gegeben werden, den Streitfall zu instruiren. Die definitive
Entscheidung ist dann nach Umständen von der Bundesversammlung, oder
auf einen durch Stimmenmehrheit zu fassenden Beschluß von einer richter,
lichen Instanz, so weit derselben der Streitfall von der Bundesversammlung
zugewiesen wird, in deren Auftrag und Namen zu erlassen. — Publ.-
Patent des Bundesbeschlusses vom IS. Sept. 1S42, den 7. Juni 184Z.
GS. 184S, S. SS9.
43
z. 94. - Zt. L. R. n. 1, §. 74«t ll. 2, §. ess, ll. s, z. 6t fg., ll. 9,
76—85. — Rescr. vom 12. Januar 1836. Jahrb. «d. 47, S. 295.
bb) durch Besitz eines adlichen Guts,
§. 24. Wenn der Eigenthümer eines, der unmittelbaren Gerichtsbarkeit einet
Obergerichte unterworfenen, Grundstücks, >) auf demselben wohnt, so hat er, ohne
Rücksicht auf Geburt, Stand und Charakter, seinen persönlichen Gerichtsstand vor
jenem Obergericht. Doch fällt dieser persönliche Gerichtsstand weg, sobald der Ei
genthümer seinen ordentlichen Wohnsitz unter einer andern Jurisdiktion aufschlägt,«)
«der das Grundstück veräußert.
Der auf dem seiner Frau gehörigen Grundstück wohnende Ehemann kann,
wenn er sonst für seine Person nicht eximirt ist, auf den unmittelbaren Gerichts
stand unter dem Obergericht keinen Anspruch machen.
Die Besitzer der veräußerten Domainen-, Erbpacht- und Erbzintvorwerke,
welche in das beim Landeskollegio geführte Hypothekenbuch übernommen sind, haben
ihren Gerichtsstand beim Obergericht; die übrigen auf solchen Vorwerken wohnenden
Personen hingegen, welchen keine Exemtion zusteht, bleiben den Gerichten ihres
Wohnorts unterworsen.
Übrigens genügt die Eigenthumserwerbung und der Wohnsitz auf dem exemten
Gut. Die Besitztitelberichtigung ist zur Begründung des eximirten Gerichtsstandes
nicht durchaus nöthig. — Z. 109, ll. 2 und Anh. §. 33 A. G. O. — Eab.-Ordre
vom 31. Ott. 1831. GS. S. 251. — Rescr. vom 1». Sept. 1830. Jahrg. 36,
S. 158. — Rescr. vom 16. Sept. 1334. Jahrb. 44, S. 82.
cc) durch Exemtion.
Z. 25. Eximirt werden diejenigen Personen genannt, welche mit Rücksicht auf
ihren Stand, Ämter und Würden von der Gerichtsbarkeit des für ihren Wohnort
zunächst und unmittelbar bestellten Gerichts ausgenommen sind. — Diese Eximirten
haben in der Regel ihren Gerichtsstand vor dem Obergerichte, in dessen Bezirk sie
sich befinden. Ausnahmen müssen durch besondere Verordnungen oder durch beson
dere Provinzialverfassungen begründet sein.
Die Exemtion erstreckt sich bloS auf Rechtspflege. Auf Polizeieinrichtungen
und dienstliche Pflichten kann sie niemals ausgedehnt werden. Bei Polizeivergehen
müssen daher auch Erimirte die betreffenden unteren Polizeibehörden als kompetent
anerkennen; und sie haben ferner, wenn ihre unmittelbar vorgesetzte Behörde eine
Unterbehörde ist, auch deren dienstliche Anweisungen und Ordnungsstrafen zu respek,
tiren. — 8. 43, 44, 78, 79. — Rescr. vom 9. Sept. 1834. Jahrb. 43, S. 152.
Gräff 8, S. 143. — Zu den Eximirten und somit unter die Gerichtsbarkeit de«
Obergerichts gehören:
1. Vom geistlichen Stande alle Geistlichen der vom Staate privilegirten^)
Airchengesellschaften, also Bischöfe, Prälaten, Domherren, Vikarien, Offizialen, Äbte
und Äbtissinnen, Prioren und Priorinnen, Pröbste, Superintendenten, PrSpositi,
Erzpriester, Kanonici, Konventualen beiderlei Geschlechts, Pfarrer und Prediger,
i) S. §. 3« sub ll.
>) Wenn der Besitzer des adlichen Guts, welcher aus andern Gründen kein privi-
legirtes Forum hat, zwar im Bezirk des Guts, aber in einem nicht dazu ge
hörigen Hause wohnt, so hat er seinen Gerichtsstand bei dem Untergericht,
welchem dies Haus unterworfen ist. — Rescr. vom 4. Mai 1821. Gräff,
Koch :c. Supl.-Bd. z. A. G. O. S. 28.
«) Rabbiner und jüdische Gelehrte sind also nicht eximirt, da die Jubengemeinden
44
«hne Unterschieb b« ReNgionSpartek, in sofern sie als solche wirklich fungtren.
An Orten, wo den Magisträten Konsistorialrechte verliehen sind, oder wo eS durch
besondere Privilegien, oder vermöge rechtsbeständiger Observanz 2) wohl hergebracht
ist, bleiben die von solchen Magisträten berufenm protestantischen Prediger dem
Stadtgericht unterworfen. 2)
Kantoren, Organisten, Küster, Kirchenknechte, TodtengrSber und andere ihnen -
gleich zu achtende Kirchenbediente sind nicht erimirt; sie stehen vielmehr unter den
ordentlichen Gerichten ihres Wohnorts. — A. G.O. I. 2, Z. 45—47. — A. L. R.
ll. 11, §. 9S, 97.
2. Vom Lehrstande s) die Rektoren, Professoren, Privatdozen»
ten, Syndici und Sekretaire der Universitäten; so wie überhaupt alle, welche
nach vorhergegangener gesetzmäßiger Prüfung ^) akademische Würden erlangt
haben, als Doktoren, Lizentiatcn, Magister :c.; b) die königl. Professoren,
auch wenn sie nicht an der Universität angestellt sind; die Vorgesetzten und
Lehrer akademischer und anderer Gymnasien und sogenannten gelehrten Schulen,
so wie alle Schullehrer, welche ftudirt haben, und nach vorhergegangener Prü
fung der oberen Behörden zum wissenschaftlichen Unterricht der Jugend bestellt
worden sind. Nach Bewandniß der Umstände können jedoch die Obergerichte über
Schulbediente der letzteren Art die Gerichtsbarkeit in einzelnen Fällen den Unter
gerichten übertragen. Auf eximirte Rektoren der Stadtschulen findet aber eine
solche Delegation nicht Anwendung. — Die Schulmeister und Lehrer der sogenann
ten gemeinen Schulen stehen unter dm ordentlichen Gerichten ihres Wohnorts. —
A. G. O. I. 2, Z. 45—47. Anh. Z. 11 z Z. 74, 75. — Reglement vom 28. Dec.
181«. GS. S. 142. — A. L. R. U. 12, §. ?K. — Rescr. vom 29. März 179S.
Stengels Beitr. Bd. 5, S. 233.
3. Die Studiren den sind auf die Dauer, während welcher sie auf einer
Universität immatrikulirt sind, in allen Fällen, die nicht zur akademischen Gerichts
barkeit gehören, s) dem erimirten Gerichtsstand vor dem betreffenden Obergerichte
unterworfen. Ist daher in einem solchen Falle der Beitrit des VaterS oder des
Vormundes eine« Studirenden nöthig, so muß derselbe den exemten Gerichtsstand
ebenfalls anerkennen, übrigens wirkt ein solcher blos temporeller Gerichtsstand
keine Veränderung in den Gesetzen, nach welchen die Person und der Nachlaß eines
solchen Studirenden zu beurtheilen sind («f. oben K. 2«). — A. G. O. I. 2, §. 76.
— Reglem. vom 23. Dec. 1810, §.4—6. GS. S. 142.
4. Die aktiven Militairpersonen haben nur noch in Injurien- und
in Untersuchungssachen (hier mit Ausnahme der Forstkontraventionssachen) ihren
Gerichtsstand vor den Militairgerichten. In allen die Zivilgerichtsbarkeit betreffen
den Angelegenheiten stehen sie unter den Aivilgerichten, und zwar: s) die Ossiziere
aller Grade, gleichviel, ob sie zum stehenden Heere, zur Landwehr, Kriegsreserve
«der zur Gensd'armerie gehören, ferner die Unterstabsbedienten und andere ihnen
1) Sie haben die Exemtion als Beamte des Staats. Haben sie im Staate keine
solche Stellung, so können sie blos aus dem Grunde, weil sie als Priester or«
dinirt sind, auf den eximirten Gerichtsstand keinen Anspruch machen.
>) Ein Rescr. vom 22. Sept. 1804 nimmt an, daß diese Observanz eine in «an-
trsMowri« bestätigte sein müsse. — Mathis 1, S. 4S9. Rabe 13, S.603.
5) In Breslau z. B. haben die meisten protestantischen Geistlichen und die Lehrer
an den Gymnasien in Folge dessen ihr Forum vor dem dortigen Stadtgericht.
«. Res«, vom 26. April 1814. Jahrb. 3, S. 3 tttch 261. Gr« ff 2, S. 19.
«) Honoris csuss Promovirte und voetores, welche ihr Diplom ohne Prüfung
blos gcksuft haben, sind daher nicht erimirk
») Die zur akademischen Gerichtsbarkeit gehörigen Angelegenheiten s. unten jZ. SS,
Nr. 6.
4S
gleich zu achtende Militairpersonen «or dun Obergerichte, in dessen Bezirk ße in
Garnison sind, >) und die, welche nicht in Garnison sich befinden, vor dem Ober
gerichte, in dessen Bezirk ihr Wohnort, eveut. der Ort ihrer Herkunft, liegt j
d) Feldwebel, Wachtmeister, Feuerwerker, Portd'epee-Fähnriche, Unteroffiziere und
(Demeine, Kompagniechirurgen, Stallmeister, Küster, Fahnenschmiede u. dgl., sofern
sie nicht vermöge ihres Standes vor das Obergericht gehören, unter dem Unter,
gericht ihrer Garnison, ohne Rücksicht darauf, ob sie großjährig, oder noch minder»
jährig, oder unter väterlicher Gewalt befindlich sind, und Beurlaubte, Landwehr»
»anner und Kriegsrescrvisten unter dem Untergerichte ihres Wohnorts, resp. ihrer
Herkunft; die Gensd'armen aber unter dem ihres StationiortS. u)
Das Telegrafenkorps bildet eine besondere Abtheilung von Militairbeamten.
Die Oberbeamten, als: Ober-Inspektoren, Inspektoren, JnspektionS-Asfiftenten, ex-
pedirende Sekretaire und Rechnungsführer, Kanzlisten und Regiftratoren haben den
Rang der Offizier«, die Unterbeamtcn, als: Obertelegrafisten, Untertelegrafisten,
Reservetelegrafistev, Kanzleidiencr und Telegrafenboten haben Unteroffiziersrang.
Jene haben daher vor dem Ober-, diese vor dem Untergericht in Zivilsachen ihren
Gerichtsstand. Hatte jedoch ein Unterbeamter vor der Anstellung im Telegrafenkorps
in der Armee den Offiziererang, so behält er denselben, und somit den eximirten
Gerichtsstand auch ferner bei. — A. G. O. I. 2, Z. 48. Anh. Z. 12—2«. —
Mestr. vom 2!. Juni 1819. Jahrb. 14, S. 18. Landwehrordn. vom 21. Rov.
1815, §. 74 fg. GS. S. 77. Berordn. vom 30. Der. 182«. GS. 1321, S. 7.
Sab.-Ordre vom 2. Nov. 1833. GS. S. 29«. — Eab.-Ordre vom 5. Mai 1826.
GS. S. 49. — Eab.-Ordre vom 13. April 1821. Jahrb. 17, S. III. — Res«,
vom 27. Dec. 1842. Just.-Min.-Bl. für 1843, S. 11.
S. Bon den Zivilbeamten (außer den sc! 2 Genannten) sind eximirt und
dem Obergericht unterworfen alle zum Zivilstande gehörigen königlichen, in
wirklichen Diensten stehende Räthe und Beamte, auch Titularräthe, ohne
Rücksicht auf den ihnen sonst beigelegten höheren oder geringeren Rang, und ohne
Unterschied : ob sie zum Hofstaat, oder einem der Landesdepartements gehören.
Dieser Exemtion sind außerdem in Folge spezieller Borschrift theilhaftig: Aus-
kultatoren und Rcferendorien; alle bei Patrimonialgerichten angestellte
Richter ohne Rückficht auf ihr« Wohnsitz; Justizkommissarien, und Justiz»
kommissarien und Rotarien, die bei einem Landes-Justizkollegio ordentlich re»
zipirt und immatrikulirt sind; die Subalternen der landschaftlichen Institute und
i) Bei GarnisonverSnderungen müssen die gegen Militairpersonen schwebenden
Prozesse an die Gerichte des neuen Garnisonorts abgegeben, und von diesen
fortgesetzt werden, tt. Nr. 8. des Eirk.-Rescr. vom 21. August 18«9. Rabe,
Bd. 1«, S. 136; siehe auch Eentralbl. 1838, S. 804.
>) Zur Zeit ist ausnahmsweise durch besondere Anordnungen einigen Militairge»
richten Zivilgerichtsbarkeit verliehen. Nämlich ») in der Festung Groudenz
haben in Folge Delegation die Gouvernementsauditeure die Sivilgerichtsbarkeit
über die dortigen nicht eximirten «Zivilpersonen, und auch über die Militairper,
sonen. Sie sind dabei der Aufficht des Obcrgerichts zu Marienwerder, an
welches auch die Appellationen gehen, unterworfen, b) Im königl. Invaliden«
Hause zu Berlin steht dem Auditeur die Gerichtsbarkeit über die darin wohnen«
den nicht eximirten Invaliden zu, und e) in den Bundesfestungen Luxemburg
und Mainz üben die dortigen Gouvcrnementsgerichte die Sivilgerichtsbarkeit
über die zur Garnison gehörigen Militairpersonen und Beamte und über die
dort sich mit königl. Erlaubniß aufhaltenden inaktiven Offiziere und ihre An
gehörigen. Das Oberlandesger. Hamm ist Aussichts- und Apxellationsinstanz.
«f. Jnstr. vom 15. Sept. I8«9, K. 8. ES. S. 851. — Jnstr. vom 21.J«„.
1812, §. 24. Friccius Mil. GS. S. 91. — Cab.-Ordre vom 19. Zu«
1834. GS. S. 132. — Die Zivilgerichtsbarkeit in der Zitadelle Spandau übt
in Folg« Soh^Sch« »em «. Zehr. ISöö das Land- und StadtM, zu Spagda«.
46
Kredttsyftemez prsmovirte örztez die Assessoren der Pharmazie und Ehirur,
gie bei den Medizinalkollegien; Kreischirurgen und KreisthierSrzte; Kon«
dukteure, welche bei den Regierungen förmlich verpflichtet sind; die Mitglieder
und Offizianten der Akademie der Wissenschaften und der Künste; die bei
Ritterakademieen angestellten Stallmeister und Bereiter; die zum königl.
^ Theater oder zur Kapelle gehörenden Personen; die Inspektoren, Kommis«
sarien und Kontroleurs in den Landarmen- und Jnvalidenhäusern ; solche
preußische Unterthanen, welche nach erhaltenem königlichen Konsenfe entweder in
auswärtige Dienste treten, oder einen Charakter von einem fremden Hofe
annehmen. — A. G. O. I. 2, z. S3— 57, 61, 73. Anh. Z. 7 u. 23. — Cab^
Ordre vom 31. Ott. 1841. GS. S. 292. — A. L. R. II. 17, g. 32. — Rescr.
vom 4. Juni 1314. Jahrb. 3, S. 253. GrSff 2, S. 30. — Res«, vom 9.
März 1821. Jahrb. 17, S. 33. Gröff 2, S. 31. — Rescr. vom 13. Juni 1821.
Jahrb. 17, S. 270. — Rescr. vom 1«. Januar 1832. Jahrb. 39, S. 148. Gräff
S, S. 214. — Rescr. vom 12. Dec. 1831. Jahrb. 38, S. 312. Gräff 12,
S. 214. — Von den Eximirten haben jedoch:
^. die königl. an auswärtigen Höfen akkreditirten Gesandten, Residenten
und OKsrgös ü'stksires, so wie alle zur Gesandtschaft gehörenden Personn»
ihren persönlichen Gerichtsstand bei dem mit dem Kammergerichte verbundenen
geheimen Juftizrathe. Doch werden dadurch, wenn sie, vor ihrer Verschickung
auf Gesandtschaft, bereits einen ordentlichen persönlichen Gerichtsstand in hiesigen
Landen gehabt haben, die übrigen davon abhängenden persönlichen Rechte nicht
geändert. — g. 71, 72; I. 2 A. G. O.
L. Alle Klagen, mit Ausnahme der Ehescheidungsklagen, gegen die Hofdienerschaft
des Königs, so wie gegen die der Prinzen und Prinzessinnen des königl. HauseS,
so weit diese Dienerschaft bei Hofhaltungen angestellt ist, die sich in Berlin,
Potsdam, Charlottenburg und den Umgebungen dieser Städte, so wie den be
nachbarten Dörfern befinden, und zwar gegen alle Offizianten und Hofbediente,
von dem Kammerherrn einschließlich und denen, die diesem gleichstehen, abwärts,
und gegen alle Gartenbediente vom Hofgärtner einschließlich abwärts, ferner
auch Klagen gegen deren Frauen und die in ihrer Gewalt befindlichen Kinder,
gehören vor den Justitiar des königl. Hofmarschallamts und der Garteninten«
dantur. Dieser hat feinen Sitz in Berlin und ist bestandiger Kommissarius deS
Kammergerichts. — In Ansehung des Gerichtsstandes bei Widerklagen bleibt
tS jedoch auch hier bei den gesetzlichen Vorschriften. — Verordn. vom 9. Mörz
1SS7. ES. S. 24.
L. Die Beamten, welche in Folge des teutschen Zollvereins an einem außerhalb des
preußischen Staats belegenen Orte des Wereinsgebiets eine etatsmäßige Stelle
verwalten, haben ihren ordentlichen persönlichen Gerichtsstand vor dem Kammer
gnichte. — Ges. vom 2S. April 1844. GS. S. 112.
Ausnahmen.
§. 26. Obwohl unter die Kategorie der Beamten wirklich oder anscheinend
gehörig, haben dennoch einige gar nicht, andere in gewissen Angelegenheiten nicht
dm eximirten Gerichtsstand, und zwar sind gar nicht erimirt :
1. Bloße Notarien, welche wegen einer andern persönlichen Qualität') nicht
erimirt sind. — A. G. O. I. 2, Z. S6.
A Königl. Pächter, in sofern sie nicht mit einem Charakter begnadigt, oder als
Ceneralpächter königlicher Domainenämter die Eigenschaft von königl. Beamten
Pächter königl. Fabriken, und prinzliche OberamtmSnner, selbst wenn diese «t»
aen de« Titel« ein Patent erhalten haben, können kein eximirtes Forum deshalb
beanspruchen. — «.R.V. 21. Oct. 1817. Jahrb. 10, S. 2S2. Gräff2,S.2S.
») Auf einen Komerzienrath , welch» nach Erlangung des Rechtstitels eine
Handlung anfängt, findet nicht diese, sondern die Bestimmung untn Nr. 4
Anwendung. Im Falle sck 3 gehört der Komerzienrath in allen Rechtsan«
«eleqenheiten, im Falle »<1 4 aber nur in den die Handlung betreffenden vor
das Untergericht. — tt. Res», vom 9. Sept. 1SS4. Jahrb. 44, «. «1.
«raff S. S. 142.
dixke« nehuun «uch all« idmdesherrlichen Bsamte» in erfter Zustanz Recht, wo kein
besonderes standesherrliches Obergericht gebildet wird. — Z. 42 der Jnstr. «o« SO.
Mi l8A). GS- S. «3.
12^ We stadtische ') und andere mittelbare Staatsbeamte, mit Ausnahmt
dk» yberttirguimeiKer, der für ihre Person mit der PolizeidirMon beauftragt«
Bürgermeister und der landschaftlichen Subalternen, welche zu den Erimirten gchö«
«N, habe» ihr persönliches Forum vor dem Untergericht, sofern sie nicht etwa «lS
Adljche od« in Folge einer andern königl. Bedienung 2) ihren Gerichtsstand vor
de« Oi,e«uu'cht hake». ^- i- S7, l. 2 A. G. O.z z. 104, 146 das. — H. 108 b«
tlt; p. w «. K. R. Rescr. vom S. Juli 180S, N. A. Bd. 1, S. AU. —
Res«, vom 12. Juli 1840, I. M. B. S. 230.
1?. PawimsnialgerichUveamte, mit Ausnahme der richterlichen Beamten, find
«cht «imirt. «. V. «. II. 1«, §. 74. — Cab.-Ordre vom ZI. Oct. 1S41.
««. «. 2S2.
Außerdem haben die Obergerichte der Provinz die Befugniß, unter Genehmi«
gung d« vorgesetzten Behörde die Gerichtsbarkeit über die königl. Beamten
niederen Ranges, so weit es nicht bereits durch allgemeine Verordnungen, mit
z. B. hinsichtlich der Psstillons und der niederen Forstbedienten geschehen, in
alle» ihren Dienst nicht betreffenden Angelegenheiten dm gewöhnlichen Gerichte»
jeden Orts ein für allemal zu übertragen. — Diese Befugniß erstreckt sich im
Allgemeinen auf die Subalternen aller öffentlichen Behörden, vom Kanzlisten
abwärts, insbesondere aber
») in Betreff d« Postbeamten auf die Postlandreiter und Lohnfuhrkontro«
leurs, ») die Schirrmeister, Briefträger, Pack- und Wagemeifter,
Büreaudiener, Packboten und ähnliche niedere Offizianten; ferner auf die
Postexpediteurs, Briefsammler, Posthalter und Beförderer von
Fußbotenpssten, in so fern, als diese 4 ihrer Dienstleistung wegen als Eximirte
zu betrachten;
b) hinsichtlich der Bergbeamten auf die Kanzlisten der Oberberg- und Berg»
Smt«, Kanzlei-, Kalkulatur- und Kassenafsistenten, Oberberg-,
«ergamrs- und Salzamtsboten, Marktscheidergehilfen, Grad!»
meister, Siedemeister, Kohlenmesser, Salzböttchereiaufseher, Ma»
gazinaufseher und Salzausgeberz
e) Hinsicht« der Polizeibeamtm auf Polizeidiener und Polizeisergeanttnz
6) in Betreff der Akzise- und Steuerbeamtcn auf sämmtliche Grenz- und
Steueraufseher; die Nebenzöllner und Ortserheber, die zeitweift
zur Sefälleechebung gegen Prozente bestellt werden; und auf die bei den Zoll«
Smtern und Steuerämtern angestellten Diener, Plombeurs und Ge»
wichtsetzer.
In dm Fälle» sck b und c kann die Delegation übrigens auch gn Patrimo-
nislgerichte erfolgen; in den Fällen gS s und S aber nur «> königliche oder fton-
i) Der Stadtsyndikus genießt als solcher nicht den eximirten Gerichtsstand. —
tt. R. V.S.Juni 1834 inGräff, Koch u. Erg. Suppl.-Bd. zur A.G.L.S.2S.
>) Sind dieselben früher aus einem Amte, mit welchem der erimirte Gerichts,
stand verbunden war, ehrenvoll entlassen worden, so steht ihnen um deshalb
die Exemtion zu. — Rescr. vom 15. Sept. 1837 in Grüff, Koch ,c. Suppl.-
Bd. z. Erg. A. G. O. S. 25.
«) In Folge Cab.-Ordre vom 1«. Dec. 1841 (GS. S. 336) ist die früher von
Miethskutschen und Lohnfuhren an die Poftkasse zu entrichten gewesene Abgabe
aufgehoben. Lohnfuhrkontroleurs fungiren daher nicht mehr. Obiges bezieht
sich deshalb nur aus etwa entlassene oder pensiomrte. LohnfuhrkontrsleurS.
40
dcshcrrlichc Gerichte. — «. G. O. I. 2, 8. 5». — Rcfcr. vom 13. Juli 1831.
Jahrb. 38, S. 31». Gräff 6, S. 215. — Rcscr. vom 24. Nov. 1834. Gräff,
Koch ,e. III. S. 1«7. — Rescr. vom 21. Marz 1816. Jahrb. 7, S. 15. Gräff
2, S. 27. — Refcr. vom 26. April 1814 und vom 8. Ort. 1819. Jahrb. 3,
S. 253, 15, S. 16. Gräff 2, S. 27, 28.
Verlust der Exemtion.
§. 27. Die auf Stand, Würden und Amt sich gründende Exemtion währt in
der Regel nur so lange, als der Erimirte diesen Stand, die Würde und das Amt
beibehält. DurchKassation oder Entlassung hört daher gewöhnlich der erimirte
Gerichtsstand auf, und der früher Erimirte wird den ordentlichen Gerichten seines
Wohnorts unterworfen, in sofern er nicht aus andcrm Grunde, z. B. als Adlicher,
den persönlichen Gerichtsstand vor dem Obcrgcrichtc hat. In Betreff der königl. u.
prinzlichcn Livreebcdicntcn, der nicht charakterisirtcn Ossizianten und der mittelbaren
Staatsbeamten (in sofern diese, wie z. B. die Subalternen landschaftlicher Insti
tute, cximirt sind), gilt dies unbedingt. Entlassene königl. und standcshcrrl. Zivil-
Beamte dagegen behalten den eximirten Gerichtsstand dann bei, wenn sie bei der,
sei es auf Ansuchen, oder sonst in Gnaden ertheilten Entlassung ihren Charakter
beibehalten haben.') Namentlich genießen auch die Eremtion nach ihrer Dienstent
lassung fort Reftrendarien , denen dieser Charakter ausdrücklich vorbehalten, und
solche Militairpersonen, die mit Ofsiziersrang verabschiedet sind. Auch die mit dem
Charakter eines königl. Beamten begnadigten Domainenpächtcr behalten den crimir-
ten Gerichtsstand bei, wenn das von ihnen gepachtet gewesene Domainengut in de»
Besitz von Privatpersonen übergeht; obwohl Pächter adlicher Güter sonst, wenn sie
auch mit dem Titel eines königl. Beamten begnadigt werden, auf den eximirten,
Gerichtsstand keinen Anspruch machen können.
Studircnde verlieren durch Exmatrikulation den durch Immatrikulation auf
einer Universität erlangten eximirten Gerichtsstand. - A. G. O. I. 2, z. 83—86,
102. — A. L. R. II. 8, 8. 71z 1«, z. 65 u. 66. Rcscr. vom 13. Mai 1817.
Mannkopf A. G. O. Bd. 1, S. 211. — Jnstr. vom 3». Mai 182«, z. 57c.
GS. S. 81. — Rcscr. vom 30. Oct. 1818, vom 24. Ott. 1834 und vom 4. Juli
1835 in Gräff, Koch zc. Suppl.-Bd. z. Erg. A. G. O. S. 23 fg. — Rescr.
vom 25. Oct. 1814. Jahrb. 4, S. 240. — Rescr. vom 6. Jan. 1832. Jahrb.
3S, S. 147. — Rescr. vom 27. Oct. 1834. Jahrb. 44, S. 36«.
GerichtsstandsverhSltniß der zur häuslichen Gesellschaft der
Privilegiirten Gehörigen.
§. 23. Die Ehefrauen folgen dem Gerichtsstände ihrer Männer, und die
in väterlicher Gewalt befindlichen Kinder stehen unter dcm Gerichtsstande ihrer
Väter. Sie setzen denselben in der Regel auch nach dcm Tode ihrer Männer resp.
Väter so lange fort, bis sie, und zwar die Frauen durch Wiedcrverheirathung, die
Kinder durch Großjährigkeit, oder Erlangung eines Wohnsitzes, oder Verheirathung,
einen eigenen Gerichtsstand erhalten.
Ossizianten und Dienstboten stehen während des Dienstes in der Regel
unter den Gerichten ihrer Dienstherrschaft. Nach Beendigung des Dienstes kehren
sie unter ihre vorige Gerichtsbarkeit zurück, oder werden den Untergerichten dcS
Orts, wo sie ihren Wohnsitz aufschlagen, unterworfen. Gleiches ist in Betreff der
') Es kommt übrigens bei dieser Entlassung nicht darauf an : ob ihnen ihr Cha
rakter ausdrücklich vorbehalten worden oder nicht? Nur Referendarien muß
er ausdrücklich vorbehalten werde». — t^f. Rescr. vom 27. Ott. 1834.
Jahrb. 44, S. 36«. Gräff 8, S. 144,
g«
königl. und prinzl. Livrcebcdicntcn »nd Ofsizianten, in softrn sie nicht auch nach
der Entlassung einen Charakter beibehalten, der Fall,
Ist der Gerichtsstand der Männer, Väter oder Dienstherrschaft ein privilegirter
oder eximirter, so genießen auch die demselben Gerichtsstand Folgenden das Privi
legium oder die Exemtion, und verlieren dasselbe in der Regel mit demjenigen, dessen
Gerichtsstand sie folgen, i )
Borstehende Regeln erleiden jedoch mehrfache Beschränkungen.
1. Ehefrauen folgen in den Gerichtsstand ihrer Männer dann nicht, wen» sie
ausnahmsweise dem Manne bei Wohnortsveränderungen zu folgen nicht verpflichtet
sind. 2) Ihr fortdauernder Gerichtsstand richtet sich, in diesem Falle aber nach
dem Stande des Mannes, nicht nach ihrer Herkunft. — Ehefrauen der Militair-
Personen gehören auch in Jnjuricnsachen vor das Zivil-, nicht vor das Militair-
Forum, und zwar, wenn ihr Ehemann zu den Eximirten gehört, vor das Obcrgericht.
Nach Trennung der Ehe
^. durch Scheidung, behält zwar die geschiedene Frau in der Regel den privilc-
girren Gerichtsstand des Mannes, jedoch als ihren eigenen, und selbst dann fort,
wenn 'sie als noch minderjährig in die Gewalt des nicht eximirten Vaters zu
rückfällt. Es kann aber s) die nicht für schuldig erkannte Frau ihren Ge
schlechts- oder Wittwennamen, den sie vor der getrennten Ehe hatte, wieder
annehmen, und sie erlangt dann, wenn sie in Folge dessen in einen höheren
Stand trit, den damit verbundenen Gerichtsstand des Obergcrichts. b) Ist- sie
aber ausdrücklich für den schuldigen Theil, erklärt worden, so trit sie aus
dem höheren Stande des Mannes in den vor der Ehe gehabten niederen Stand,
und fällt dadurch aus dem mit jenem verbunden gewesenen privilegirten Ge
richtsstand in das hiernach sich ergebende nicht privilegirte Forum.
ö. Witt wen behalten ebenfalls den Gerichtsstand, welchen ihr Mann begründet
hat. War dieser ein privilegirter, so behalten sie das Privilegium, selbst, wenn
sie ihren Wohnort verändern. Ihr Gerichtsstand ist jedoch ein selbstständiger,
und im gedachten Falle vor dem Obergerichte der Provinz, in der sie den
Wohnort haben. Ausnahmsweise gehen s) die Wittwcn der Oberförster und
der ihnen im Range gleich stehende» Forstbedienten, ferner die Wittwen der
niedrigen Subalternen königl. Kollegien, als der Kopisten, Landreiter, Kanzlei
diener, Boten und der mit selbigen in eine Klasse Gehörigen, jedoch mit Aus
schluß der Kanzlistenwittwen; endlich die Wittwen der eximirten Schullehrcr i»
den Städten, mit Ausnahme der Wittwen der Rektoren bei Stadtschulen, mit
den, Tode ihrer Männer in den nicht eximirten Gerichtsstand ihres Wohnorts
über, wenn gleich diese während ihrer Lebenszeit die Exemtion genossen haben,
d) Die Wittwen derjenigen Iwilbedienten , über welche schon bei deren Leben
die Gerichtsbarkeit den Untexgerichten übertragen worden, behalten den Gerichts
stand vor den Untergerichtcn.
2. Bon den, beim Tode der vorstehend unter L» u. K genannten Beamten noch
unter väterlicher Gewalt befindlichen, Kindern gilt das in Betreff der Wittwen
Gesagte. Das Untergericht regulier den Nachlaß solcher Beamten, und leitet- die,
Vormundschaft über die minorennen Kinder ein.
Ausgenommen sind Kinder Adlichcr, welche, wenn ihrem Vater der Adel aber
kannt wird, den Adel, und somit den privilegirten Gerichtsstand bcibeh«ten,
wenn das Urtel nicht etwa auch in Bezug auf sie den Adelsverlust ausspricht.
») Eine Frau ist dem Manne zu folgen nicht schuldig, wenn derselbe, wegen be
gangener Verbrechen, oder sonst wider die Gefetze sich aus den königl. Landen
entfernt hat; serner dann nicht, wenn der Frau die Pflicht, dem Manne zu
folgen, durch einen vor der Heirath geschlossene« Vertrag erlassen worden. —
^ A. «. R. II. t, §. SSI, M.
51
Sind beim Tode eines Erimirten in seiner Gewalt befindliche Kinder bereit!
großjährig, so verlieren sie beim Tode des Vaters, eben so wie die bevormundeten
Kinder der Erimirten bei Erlangung der Großjährigkeit die Exemtion, wenn diese
ihnen nicht in Bezug auf ihren eigenen Stand oder in Folge eines anderen Abhän
gigkeitsverhältnisses gebührt.
Die Kinder der Militairpersonen haben auch in Jnjuriensachen ihren Gerichts
stand vor dem Zivilgericht, und zwar sowohl beim Leben als nach dem Tode ihres
Baters. — Einige andere Ausnahmen, in denen Kinder nicht den Gerichtsstand
des Vaters behalten, sind H. 2« angegeben.
3. In Betreff der im Dienst Anderer Befindlichen sind bereits z. 19
unter Nr. 6 einige Ausnahmen erwähnt worden. Den Landes-Justizkollegien steht
die Befugniß zu, auch in allen andern Fällen unter Genehmigung des Justizmini-
sterii die Gerichtsbarkeit über die zur Klasse der Hausofsizianten, Livreebedienten
und des Gesindes der Privilcgiirten gehörenden Personen niederen Standes den
Untergerichten ihres Wohnorts zu übertragen, in so weit es nicht bereits durch
allgemeine Verordnungen, wie z. B. in Berlin, geschehen ist. Doch erstreckt sich
diese Delegationsbefugniß nicht auf die königl. Hofdienerschaft mit Einschluß der
Kammerdiener, Kastellane, Hofgärtner, Stalldiener u. f. w. — A. G. O. I. 2,
§. 87— 102. Anh. z. 25—29. — Rescr. vom 19. Juni 1837. Jahrb. 49, S. 447.
Gr äff 1«, S. 8«. — Rescr. vom 3. Sept. 1793. Mathis Bd. 1, S. 312. —
Cab.-Ordre vom 19. Juli 1809, §. 4. ES. Bd. 12, S. 847.
cl<1) Privilegirter Gerichtsstand durch die Eigenschaft gewisser mora
lischer Personen.
§. 29. Moralische Personen genießen blos um dieser Eigenschaft willen nicht
den privilegirten Gerichtsstand. Sic haben in der Regel ihren Gerichtsstand vor
dem ordentlichen Unterrichter. Ausnahmsweise ist jedoch theils durch Gesetz, theils
durch besonderes Privilegium >) einzelnen moralischen Personen der Gerichtsstand
vor dem Obe'rgericht zugestanden. Diesen privilegirten Gerichtsstand genießen in
Folge gesetzlicher Bestimmung:
1. Fiskus als Beklagter in Prozessen, deren Gegenstand unter der unmittel
baren Verwaltung der Regierungen, der Provinzial-Schulkollegien und der Provin-
zial- Steuerdirektoren steht, oder dem unmittelbaren Wirkungskreise der Ministerien
oder anderer" Zentralbehörden 2) vorbehalten ist. Die Klage gegen den Fiskus ge
hört in diesen Fällen vor dasjenige Obergcricht, in dessen Gerichtsbezirk die ihn
vertretende Behörde ihren Sitz hat. In andern Prozessen hat Fiskus kein eximir-
tes persönliches Forum. Der Gerichtsstand wird vielmehr nach denselben Grund
sätzen, wie bei Privatpersonen, bestimmt. — A. G. O. Anh. §. 35. — Verordn.
vom 26. Dec. 1809, z. 34. Mathis, Bd. 7, S. 339. — Verordn. vom 27.
Ott. 181«. GS. S. 3. — Cab.-Ordre vom IS. Feb. 1816. GS. S. 1V1.
1) In Folge besonder« Privilegiums gehören z. B. alle die berliner Lcbcnsver-
sicherungsgesellschaft treffenden, im 43. Verfassungsartikel und im H. 32 des
Ges.-Plan« li« cnnttrin. den 11. Juni 1836 gedachten, Streitfälle, vor das
Kammergericht zu Berlin, bei welchem der Jnstruktions-Scnat die Sache
instruirt, und der Ober-Appellationssenat entscheidet (Rescr. vom 28. August
1836. Jahrb. 48, S. 216); m gleicher Art ist den in Betreff der Stiftung
der rheinischen Ritterschaft entspringenden, diese Stiftung oder deren Verwal
tung berührenden Prozessen ein privilegirtes Forum angewiesen. — Ct. K. 10
der Stat. cle conlirm. den 13. Mai 1837. GS. S. 83.
2) Wie z. B. dem Gencralpostamtc (welches immer bei dem Kammergerichte ver
klagt werden muß), der Generaldirektion der Scchandlungssozicts't, der obersten
Verwaltung der Landgcstütc u. s. w.
4"
52
Andere moralische Personen, welche unter mittelbarer oder unmittelbarer Ver
waltung der Regierungen stehen, können um deshalb auf den erimirten Gerichts«
stand keinen Anspruch machen. — A. G. O. Anh. §. 3«.
2. Domkapitel, Kollegiatstister, Klöster und Kirchengemeinden
und zwar sowohl in Betreff ihrer Grundstücke, als für persönliche Klagen. —
z. 103, I. 2 A. G. O. — A. L. R. II. II, §. 17, 949, 95«. — Rescr. vom 5.
Juli 1841. I. M. B. S. 222.
3. Ferner Gerichte, Magisträte der unmittelbaren und königlichen Me-
diatstädte >) und die Stadtgemeinden 2) in solchen Städten. — Doch findet
dies Privilegium nicht auf Gilden, Zünfte oder Gewerkc, auch nicht auf einzelne
Mitglieder der Magisträte Anwendung («f. oben Z. 26, Nr. 12).
Die Magistrate in nicht königl. Mediatftädten, die Stadtgemcindcn daselbst
und Dorfgemeinden müssen, wo nicht Provinzialgesetze Anderes bestimmen, bei ihrem
Untergcricht rcsp. Patrimomalgericht belangt werden. Ist jedoch die Gutsherrschaft
Kläger, so kann die Gemeinde, oder auch nur die in Anspruch genommene einzelne
Klaffe derselben, wie z. B. die Judcngcmeinde in den Mediatftädten, die Einlassung
vor dem Gerichtshalter ablehnen. Alsdann muß das vorgesetzte Obergericht sich der
Instruktion und Entscheidung der Sache schon in Ifter Instanz unterziehen. —
A. G. O. I. 2, z. 104 u. 105. Anh. Z. 30 u. 31. — Eab.-Ordre vom IS. Mai
1839. GS. S. 265. I. M. B. für 1839, S. 204. — A. L. R. II. 11, g. 95V.
4. Landes-Justizkollcgien müssen, wenn gegen sie Ansprüche erhoben wer
den, vor dem Jnstruktionsscnat des Kammergerichts belangt werden. — S.Starke
Beitx. II. Abth. 2, S. 3«L»g.
2. Dinglicher Gerichtsstand (ek. §. 18, I. 2).
») Für unbewegliche Sachen.
Z. 3V. I. Der dingliche Gerichtsstand erstreckt sich auf alle unbeweglichen Sachen ')
und deren Pcrtinenzstücke, diese mögen bewegliche, oder ebenfalls unbewegliche Ge
genstände sein. Pcrtinenzstücke haben in der Regel dieselbe Gerichtsbarkeit, als die
Hauptsache. Liegen jedoch unbewegliche Pertinenzstücke unter einer andern Gerichts
barkeit, als das Hauptgruiidstück, so gehört der in jene Gerichtsbarkeit hinüber-'
ragende Grundstückstheil unter das Forum, unter dem er liegt, und nicht unter
das des Hauptgrundstücks. Befinden sich Grundstücke unter einer Pxivatgerichts-
barkeit, so können sie allein in Folge der Zuschlagung zu einem unter einer andern
Gerichtsbarkeit gelegenen Hauptgrundstücke in diese nicht übergehen; es ist dazu
vielmehr auch die Einwilligung des Privatjurisdiktionsberechtigten nöthig. — A. G.
O. I. 2. S. 107. — A. L. R. I. 2, z. 41 fg. — Hyp. O. I. K. 34. — Ges. vom
25. April 1835, §. 2, Nr. Z. GS. S. 51. — Rescr. vom 24. Januar 1815.
Jahrb. 5, S. 11. Gräff, 2, S. 32.
1) Mittelbare oder Mediatstädte werden diejenigen genannt, welche noch zu einer
andern Herrschaft, außer dem Landesherrn, in einem Abhängigkeitsverhältnisse
stehen. Ist diefe andere Herrschaft der königl. Fiskus, so sind sie königl. Me
diatstädte.
2) Nach einem Rescr. vom 3«. März 181« (Jahrb. II, S. 200. Gr äff 2,
S. 31), haben in den vormals westfälische» Provinzen alle Magisträte und
Stadtgemeinden ein eximirtes Forum.
») Als solche sind sowohl die ihrer Natur nach unbeweglichen Sachen, d. h. solche,
welche, ihrer Substanz unbeschadet, von einer Stelle zur andern, nicht gebracht
werden können, als jene Gerechtigkeiten zu betrachten, welche auch ohne den
Besitz eines bestimmten Grundstücks «««geübt werden können, und ein eigenes
Hypotheken-Folium erhalten, wie erbliche und ausschließliche Gewerbeberechti
gungen, für sich beftehmds Jagdgerechtigkeiten, Zehntherechtigungen, u. s. ».
52
II. Die standesherrlichcn Besitzungen, sa'mmtliche geistliche, >) rit
terfreie und zu «blichen Rechten verliehene Güter, ferner die Grundstücke der
Universitäten und gelehrten Schulen, s« wie der vom Staate ausdrücklich
oder stillschweigend genehmigten Armen- und andern Versorgungsanstalten,
und die fiskalischen Besitzungen, in so weit sie die Eigenschaften eines adlichen
Guts haben, 2) sind vermöge dieses dinglichen Gerichtsstandes der unmittelbaren
Gerichtsbarkeit des Obergerichts, in dessen Bezirk sie liegen, untergeordnet. Zwar
werden in Folge Delegation die Hypothekenbücher der Kirchen-, Pfarr-, Küster
und Schulgüter meistens bei den Untergerichtcn geführt. Die dergleichen Grund
stücke betreffenden Prozesse gehören aber demungeachtet vor das Obergericht. —
Die Grundstücke, welche zu einer gemeinen Schule gehören, so wie alle andern
vorstehend nicht bezeichneten Immobilien haben ihren dinglichen Gerichtsstand vor
dem Unterrichter des Orts oder Bezirks, wo sie liegen.
Ausnahmen von vorstehenden Regeln müsse» durch Statuten oder Provinzial«
gesetzc, oder durch besondere Privilegien begründet sein. Auch kann eine Ausnahme
dadurch entstehen, daß der Käufer eines zu adlichen Rechten verliehenen Guts der
Schriftsäfsigkeit ») entsagt, was zulässig ist, in so weit dadurch die Rechte de«
Staats oder eine« Dritten nicht beeinträchtigt werden. — A. G. O. I. 2, Z. 108,
110. — A. L. R. II. 17, §. 33; 19, §. 42, 43. Jnstr. vom 30. Mai 1820,
ß. 19. GS. S. «7. — Rescr. vom 16. Mai 1816, vom 12. Mai 1812. Jahrb.
7, S. 184; 1, S. 53. Gräff 4, S. 170, 180. — Rescr. vom 7. Juni 1817.
Jahrb. 1«, S. 329. — Rescr. vom 19. Mai 1841. I. M. B. S. 184.
III. Die Realjurisdiktion über die von dem Areal eines erimirten Landguts
durch Veräußerungen zu vollem Eigenthum oder Erbzins - oder Erbpachtsrechten
abgetrennten Bestandthcile steht der Regel nach dem Ortspatrimonial- oder Orts
untergerichte zu. Eine Abschreibung der Parzelle vom Rittergute ist dabei nicht
durchaus nothwcndig. Der Vertrag und die Übergabe allein begründet dieses Forum.
Ausnahmsweise sollen dergleichen Gutstheile dem erimirten Gerichtsstande un
terworfen sein:
t) wenn sie zu vollem Eigenthum veräußert werden, und von einem solchen Um
fange oder Werths sind, wie ihn Rittergüter nach den Gesetzen über die Stand
schaft der Provinz bei freiwilligen Parzellirungen zur Bewahrung ihrer Ritter
gutseigenschaft mindestens behalten müssen ;
2) wenn bei einem geringeren Umfange oder Werth derselben der Erwerber in dem
Erwerbungsvertrage die Absicht ausgesprochen hat, daraus, oder in Verbindung
mit anderen bereits erworbenen, oder noch zu erwerbenden Grundstücken ein
Rittergut zu bilden, und demnächst diesem Grundbesitze durch eine vom Könige
t) In Schlesien gebührt den standesherrlichen Gerichten die Gerichtsbarkeit über
die in der Standcsherrschaft gelegenen geistlichen Güter. — Rescr. vom 2.
Nov. 183«. Jahrb. 36, S. 309. Gräff 6, S. 225.
2) Grundstücke des Fiskus, welche diese Eigenschaften nicht haben, stehen nicht
unter der Realjurisdiktion des Obergerichts, gleich viel, welche Behörde sie
verwaltet. Nur in Berlin besteht auf Grund des mit dem Magistrate daselbst
als frühcrem Jurisdiktionarius am 28. Juli 1787 abgeschlossenen Jurisdiktions
vergleichs die Einrichtung, daß die vom Fiskus in Berlin besessenen Häuser
der Gerichtsbarkeit des Kammergerichts unterworfen sind. Diese Ausnahme
gestattet aber keine analoge Anwendung auf andere Grundstücke. — Rescr. vom
19. Mai 1841. I. M. B. S. 184.
«) Darunter versteht man die dingliche Exemtion.
«) d. i. jedes einem erimirten Gerichtsstande unterworfene ländliche Grundstück.
Ein bloßes Domanialgut im Gegensatz von Rustikalgrundstück kann unter dem
Ausdruck „erimirtes Landgut" nicht verstanden werden. — Res«, vom 9. Feh.
1837. Grafs, Koch Zk. III. S. 122.
54
vollzogene Urkunde die Eigenschaft eines Ritterguts oder die Gerechtsame bei
gelegt worden sind, welche zur Theilnahmc am Stande der Ritterschaft befähigen;
3) wenn sie mit Zustimmung des Vcraußerers und des Jurisdiktionsberechtigten
einem erimirten Landgutc einverleibt, und auf den Antrag des Erwerbers diesem
Gute im Hypothekenbuche zugeschrieben werden.
Sind früher veräußerte Gutstheile, welche hiernach vor das Untcrgerichr ge
hören, bereits früher der Gerichtsbarkeit des Obergerichts überwiesen ; so kann der
Gerichlsherr des Ortsuntergerichts die Übertragung in das Hypothekenbuch seines
Gerichts fordern. Ist es jedoch mit Pfandbriefen oder andern Hypothckenschulden
belastet, so kann es beim Widerspruche des Eigenthümers dem Ortsgcrichtsstande
erst dann überwiesen werden, wenn im gewöhnlichen Laufe des Verkehrs die Lö
schung der Pfandbriefe oder andern Schulden im Hypothekenbuch erfolgt.
Vorstehende Bestimmungen finden auch auf das Verhältniß der standesherr
lichen Gerichte zu den in ihren Sprengcln befindlichen ,Patrimonialgerichten An
wendung, sofern nicht spezielle Verleihungen hierüber etwas Anderes enthalten. —
Ges. vom 2S. April 183S. GS. S. öl. — Rescr. vom 17. März 1837. Jahrb.
49, S. 170.
IV. In dem Gerichtsstände der Sache können in der Regel nur dingliche,
d. h. solche Klagen angebracht werden, durch welche man die Sache selbst, oder
Rechte daran oder de» in Folge des Besitzes verpflichteten Besitzer derselben in
Anspruch nimmt. Persönliche Klagen gehören vor dieses Forum nicht. Ausnahms
weise können diese jedoch im dinglichen Gerichtsstande angebracht werden :
1) wenn gegen den Besitzer unbeweglicher Güter eine solche persönliche Klage an
gestellt wird, welche aus dem Besitze des Grundstücks oder aus Handlungen
fließt, die er in der Eigenschaft als Gutsbesitzer vorgenommen hat. Beifpiele
der Art sind, wenn ein Gutsbesitzer ,i) die mit seinem Pächter oder Verwalter
eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, oder K) die zum Besten des Grund
stücks geleisteten Vorschüsse oder gelieferten Materialien und Arbeiten zu vergü
ten sich weigert; oder e) die Patrimonialgerichtsbarkeit oder den Dienstzwang
mißbraucht, oder 6) seinen Nachbar im Besitze stört, oder e) sich eines auf das
benachbarte Grundstück zustehenden Rechts berühmt, oder f) wenn er das
Grundstück ganz oder zum Theil veräußert, und den Kontrakt nicht erfüllt,
oder die schuldige Gewähr nicht leistet;
2) wenn in Provinzen, wo der Landfassiat stattfindet, ein Ausländer ein adliches
Gut besitzt, oder an einem hiesigen Lehngute in die gcsammte Hand aufgenom
men ist. Hiesige Untcrthanen können dann denselben mit persönlichen Klagen
auch im Gerichtsstande des ihm gehörenden oder zur gesammten Hand verlie
henen Guts belangen;
3) auch gegen andere Ausländer, welche im Jnlande Immobilien besitzen, können
- persönliche Klagen in dem Gerichtsstande, unter welchem die Grundstucke liegen,
zum Zweck der Befriedigung ans denselben, angestrengt werden. Nur in Be
treff der den teutschcn Bundesstaaten angehörigc» Ausländer findet die §. 22,
5ub Nr. 2 e gedachte Ausnahme statt.
In diesen Fällen (sud 1 —3) hat der Kläger die Wahl: ob er den Verpflich
teten im dinglichen oder persönlichen Gerichtsstande belangen will. Gleiche Wahl
steht dem zu, welcher in Ansehung desselben Anspruchs zugleich ein persönliches und
ein dingliches Recht hat.') Rein dingliche Klagen können nur im dinglichen Ge
richtsstand des Grundstücks, aus dessen Besitz die Verpflichtung folgt, angebracht
werden.
> ') Z. B. wenn der Besitzer des verpfändeten Grundstücks zugleich Darleiher der
eingetragenen Post ist. Ein solcher k«nn nicht einwenden, daß die Sache vor
S5
Bei negatorisch,,, Servitutklogen >) ist nicht das Rcalforum des dienenden
Grundstücks, sondern dcr dingliche Gerichtsstand des berechtigten Guts zur In
struktion und Entscheidung des Prozesse« kompetent. — A. G O. I. 2, §.111—115.
Anh. §. 34. — Rescr, vom 3«. I„ni 180V. Stengel, Bd. II, S, 212. Rabe,
Bd. 6, S. 169. — Rescr. vom 25. April 183«. Grafs, Koch :c. III. S. 124.
Rescr. vom 1«. April 184«. I. M. Bl. S. I i«.
K) Für bewegliche Sachen.
K, 31. Klagen wegen beweglicher Sachen gehören in der Regel vor den erdenk
lichen persönlichen Richter des Beklagten. Ausnahmsweise wird an dem Ort, wo
eine bewegliche Sache sich befindet, ein Gerichtsstand begründet:
1) durch Klagen auf ein Eigcnthums- oder Pfandrecht an einer solchen Sache,
wenn der Besitzer oder Inhaber im hiesigen Lande keinen ordentlichen persön
lichen Gerichtsstand hat. — A. G. O. I. 2, §. 11«.
2) Durch Arrestschlag. Gegen solche, welche im Inlands keinen persönlichen Ge
richtsstand haben, also gegen Ausländer und Vagabunden, wird durch denselben
- sowohl der Gerichtsstand für den Arrestprozcß, als für die Hauptsache begründet,
gleich viel, ob der Klager ein Inländer oder Ausländer 2) ist. — Hat jedoch der
Beklagte im Jnlande einen persönlichen Gerichtsstand, so gehört vor den ding
lichen Gerichtsstand der beweglichen zu arrestirenden Sache nur die vorläu
fige Beurtheilunq eines schleunigen Arrestes, und die Verfügung der Maß
regeln zu dessen Anlegung. Das fernere Verfahren, sowohl im Arrest- als im
Hauptprozesse, so wie das ganze Verfahren bei gewöhnlichen Arresten, gehört
aber vor den persönlichen Richter des Beklagten. Wo wegen der Arreste gegen
Ausländer besondere Staatsvcrtröge oder besondere Provinzialgefetze gelten, hat
es dabei sein Bewenden. Doch find etwaige Beschränkungen hinsichtlich der Ar
reste wegen Schulden auf die Bestimmung sä 1 ohne Einfluß. — A. G. O. I.
2, K. 117-12«!,; I. 29, §. 41 — 44.
3) Die Untersuchung und Entscheidung eines, über die Defraudation von Privat-
Brücken-, Wege- oder Fähre- u. dgl. Zoll entstandenen Streits gehört vor das
ordentliche Gericht dos Ortb, wo dcr, einem Privatbercchtigten gehörende, Zoll
sich befindet. Der Zollberechtigte hat die Befugniß, jeden Zolldefraudanten zu
pfänden, und jenen Richter um Hilfe anzugehen. Auch über die Grenzen des
Zolldiftrikts kann der Zollberechtigte den Defroudantcn verfolgen, und dann
gehört die Untersuchung und Entscheidung des darüber entstehenden Streits vor
den Richter des Orts, wo der Übertreter betroffen worden. Doch kann der
Zollberechtigte verlangen, daß die Sache vor seine Gerichte gezogen, und bei er
mangelnder sonstiger Sicherheit dcr Übertreter zur Verwahrung im Arreste an
dieselben ausgeliefert werde. — A. G. O. I. 2, §. 12« b. «. «v St. II. 15,
lz. 130—135.
Vierter Titel.
Bon Beiständen und bevollmächtigten im Prozesse.
l. Von den Beiständen und deren Pflicht.')
ß. 39. Parteien, welche in Aivilprozessen die Termine selbst wahrnehmen,
haben die Befugniß, zu den Terminen
1) einen Rechts beistand aus der Zahl der beim Prozeßrichter fungirenden Ju«
stizkommissarien mitzubringen, oder auch die Zuordnung eines Rechtsbeistandes
beim Richter nachzusuchen. Thun sie dies, so muß nach Beschaffenheit der Um
stände und Wichtigkeit der Sache ein Justizkommissarius oder ein schon hinläng
lich geübter Referendar oder Auskultator, und falls dergleichen Beamte beim
') Das Institut der Beistände war in Folge des von der A. G. O. festgehaltenen
Grundsatzes : daß die Parteien zu den Jnstruktionsterminen persönlich erscheinen
müßten, nothwendigcs Bedürfniß. Die Parteien mußten, da sie durch
Rechtsverständige in der Regel sich nicht vertreten lassen konnten, sich auf an
dere Art der Kenntnisse und Erfahrungen derselben bedienen können. Die
Pflicht der Rechtsbeistände ging nach dm Bestimmungen der A. G. O. aber
auch zugleich dahin, den Gerichtsdeputirten in Ermittelung der Wahrheit zu
unterstützen. Dadurch erklärt sich die Vorschrift der A. G. O., daß auch Ge
richtsbeisitzer, also Gerichtsmitglieder, zu Rechtsbeiständen gewählt werden
konnten. Mit der neueren Gesetzgebung ist dies nicht verträglich. Es würde»
dadurch die Perhorreszenzgründe vermehrt werden. Die Praxis ist deshalb
schon längst davon abgegangen, und Ministerialverordnungen haben sich mit
der Praxis dahin einverstanden erklärt, daß richterliche Personen weder als
Rechtsbeistände, noch als Anwälte zugeordnet werden sollen. — 5s. Rescr. vom
3«. Oct. 1827 und vom 27. März 1S2S. Jahrb. 3«, S. 3S3z Bd. 21, S.
SZ. GräffZ, S. SS fg.
78
Prozeßrichter nicht fungiren oder die fungirenden die Assistenzschaft nicht über
nehmen können, allenfalls ein bei einer andern Behörde angestellter Subaltern-
besmte, oder eine zur Assistenzschaft geeignete und bereite rechtsverstandige Per
son ihnen als Rechtsbcistand zugeordnet werden, i) Subalternbeamte des Ge
richts, bei welchem der Prozeß schwebt, sollen als Rechtsbeistände nicht zuge
ordnet werden.
Diese gewählten oder zugeordneten RechtsbeistSnde, welche allen gerichtlichen Ver
handlungen, und auch den Zeugenvernehmungen beiwohnen können, haben hauptsäch
lich die Pflicht, dahin zu sehen, daß die Parteien gehörig befragt, nicht übereilt, noch
in Furcht gesetzt, Nichts, was zur Aufklärung der Sache von ihrer Seite und
zu ihrer Vertheidigung gehört, übergangen oder vernachlässigt, vielmehr Alles
deutlich, richtig, dem wahren Sinne der Partei gemäß niedergeschrieben werde.
Glauben sie wahrzunehmen, daß der Gerichtsdeputirte die Sache von der un
rechten Seite ansehe; daß er erhebliche Umstände übergehe, zu leicht und flüchtig
«erfahre; nicht tief genug in den eigentlichen Zusammenhang der Sache ein
dringe, oder daß die Fassung des Protokolls dem wahren Sinne der Partei
nicht gemäß sei; so ist cö ihre Pflicht, dergleichen Fehler auf geziemende Art zu
bemerken, und falls ihren Erinnerungen kein Gehör gegeben wird, davon ent
weder bei der Unterschrift des Protokolls, oder durch besondere Eingabe, dem
Gericht Anzeige zu machen. — Doch dürfen die Rechtsbeistände bei Erforschung
des wahren Zusammenhangs der Thatsachen auf keine Weise hinderlich sein, die
Partei in ihren Erzählungen nicht unterbrechen, noch derselben zur Zurückhal
tung oder Verstellung der Wahrheit Rath oder Anlaß geben, vielmehr müssen
sie nach Möglichkeit dazu mitwirken, daß die vorkommenden Thatsachen bald
und vollständig in ihr wahres Licht gesetzt werden. — Die zum Betriebe des
Prozesses gehörenden, außer und zwischen den Terminen vorkommenden Angele
genheiten und Geschäfte dürfen die Rechtsbeistände nicht besorgen. Nur bei
Anfertigung der rechtlichen Deduktionen nach geschlossener Instruktion können sie
den Parteien zur Hand gehen. — Sollen sie auch zu andern Geschäften legi-
timirt sein, so müssen sie Vollmacht beibringen, und dann sind sie als Bevoll
mächtigte anzusehn. Übrigens müssen Rechtsbeistände auch ordentliche und voll
ständige Manualakten halten.
L) Die Parteien können neben dem Rechtsbeistande auch andere Personen, in welche
sie ein besonderes Vertrauen setzen, und von welchen sie, entweder wegen der
ihnen beiwohnenden genauer« Bekanntschaft mit dm im Prozesse vorkommenden
Thatsachen, oder in Fällen, wo es auf eine gewisse Sach- oder Kunstkenntniß
ankommt, wegen solcher bei ihnen anzutreffenden Kenntnisse, einen vorzüglichen
Beistand erwarten, zu den Terminen mitbringen. 2) Selbst unverdächtige Aus
länder müssen zugelassen werden. —
Auch wenn die Partei einen Bevollmächtigten hat, kann sie ihm dergleichen
Beistände zuordnen, welche jedoch keiner Vollmacht bedürfen, und dem Gericht
in Bezug auf den Betrieb der Sache daher auch nicht verantwortlich find. —
Personen, welche wegen Betrugs, Verfälschungen, Diebereien u. a. dgl. enteh
render Verbrechen gestraft «der in Untersuchung sind, oder sonst durch nieder
trächtige Handlungen die Verachtung ihrer Mitbürger auf sich gezogen haben,
,) RuditeurS dürfen als Rechtsbeistände der Offiziere niemals, als Rcchtsbeistände
anderer Personen aber nur mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten auftreten. —
tt. Res«, vom 4. Juni 18Z4. Jahrb. 4Z, S. 477.
>) Juftizkommissarien, welche beim Prozeßrichter zur Praxis nicht verstattet sind,
kennen zwar mcht als Rechtsheistände, jedoch als Beistände der zweiten Art
mitgebracht werdM'
7S
ferner die, welche aus Winkelfchriftstellerei ein Gewerbe machen, sollen bei guts-
herrlich-bäuerlichen Regulirungen, GemeinhcitStheilungen und Auseinandersetzun
gen niemals als Beistände zugelassen werden. —
Diese Beistände müssen sich aber in ihren Schranken halten, und der Auf
klärung der Sache auf keine Weist hinderlich fallen. ' ) Übrigens erleidet durch
ihr Nichterscheinen die Sache niemals Aufschub, da es lediglich Sache der Partei
resp. des Bevollmächtigten ist, sie zum Termine mitzubringen. — A. G. O. l.
Z, §. 14—21, Z. 24, 27, 77. — §. 157 des Ges. vom 7. Sept. 1811. GS.
S. 279. — Cab.-Ordre vom 9. April 1835. Jahrb. 46, S. 109. Gräff «,
S. 150. — Res«, vom 19. Mörz 1832. Jahrb. 39, S. 5«. Griff 6, S.
230. — Rescr. vom 2«. Mai 1820. Jahrb. 16, S. 18. GrSff 5, S. 105.
Rescr. vom 7. März 1836. Jahrb. 47, S. 311. GrSff 10, S. 85. —
Rescr. vom 8. April 1836. Jahrb. 5«, S. 491. Gräff 12, S. 117.
N. Bon den Bevollmächtigten.
Befugniß der Parteien zu deren Wahl.
§. 4«. In Zivilprozessen haben die Parteien die Bcfugniß, sich durch zulässige
Bevollmächtigte vertreten zu lassen. Ihr persönliches Erscheinen ist nur nothwendig,
1) wenn es zur Ausmittelung der Wahrheit durchaus erforderlich ist; 2)
2) in Fällen, wo das Gesetz es ausdrücklich vorschreibt, s)
Lassen Parteien in Jnjuriensachen unter Personen geringeren Standes oder in
Prozessen, deren Objekt 200 Thl. nicht erreicht, sich durch Bevollmächtigte vertreten,
so können sie jedoch vom unterliegenden und kostenpflichtigen Gegner nur dann Er
stattung der Mandatariengebü'hren verlangen, wenn sie s) entweder durch Krankheit,
hohes Alter, Amts- oder Berufsgeschäftt verhindert werden, sich von ihrem Wohn
oder GeschZftsorte Behufs Wahrnehmung der Termine zu entfernen, ^) oder b)
wenn ihr Wohnort vom Sitze des Gerichts, resp. dem Orte der Instruktion der
Sache so weit entlegen ist, daß die Kosten der Reise, des Aufenthalts und der Ver-
säumniß in der Wirthschaft oder dem sonstigen Gewerbe mit dem Gegenstände dcS
Prozesses, und dem von der persönlichen Abwartung der Instruktion zu erwarten
den Bortheilen in keinem Verhältniß stehen. — Bei weiter Entfernung!») sind die
Parteien sogar zur Wahl eines Vertreters verpflichtet, da sie sonst vom Gegner
den Ersatz von Reise- und Bcrsäumnißkostcn, welche sie durch Bestellung eines Be
vollmächtigten hätten vermeiden können, nicht verlangen dürfen. — V. G. O. I. 3,
8. 1 — 6. Anh. Z. 1, 44. — Rescr. vom II. Sept. 182«. Jahrb. 16, S. 47.
GrSff 2, S. 49. — Rescr. vom 4. März 1799. Stengel, Bd. 7, S. 293. —
Cirk.-Rescr. vom 19. Dec. 1799. Akad. ES. Bd. 1«, S. 2713.
1) Dergleichen Beistände können und dürfen mithin nur auf Befragen des Depu-
tirten Erklärungen abgeben. Sie dürfen bei Zeugenvernehmungen nicht gegen
wärtig sein, und auch bei den Unterschriften keine Bemerkungen niederschreiben.
2) Wenn z. B. im Prozesse, welcher nach den Vorschriften der A. G. O. verhan
delt wird, die Sache wegen unvollständiger Information mit dem Man
datar nicht Fortgang gewinnt, so kann das Gericht die Partei unmittelbar
vorladen. Die Warnung, welche ihr gestellt wird, kann jedoch nur dahin
gehen, wie sie die Kontumazialinstruktion voraussetzt.
2) A. B. bei Eidesleistungen, bei Sühneversuchen im Ehescheidungsprozesse u. ,
4) Fgr Beamte, welche zu Führung ihrer Privatprozefsc einen Mandatar ange
nommen haben, streitet die Vermuthung, daß sie im Interesse ihres Amts,
mithin durch ein Hinderniß in ihrer Person zur Wahl eines Bevollmächtigten
genöthigt waren. — Rescr. vom 29. August 1837. Ccntr.-Bl. S. 1098.
») Das Rescript vom 11. September ig?» erachtet 5 Meilen für keine zu weite
Entfernung. .' . .
80
Von der Wahl und der Person der Bevollmächtigten.
§. 41. Den Bevollmächtigten wählt die Partei in der Regel selbst. Kann
oder will eine Partei, welche im Prozesse eines Bevollmächtigten bedarf, aus Man
gel an Bekanntschaft, oder aus andern Ursachen nicht selbst wählen, so kann sie
beim Gericht die Zuordnung beantragen. Gegen den Willen einer Partei kann ihr
ein Anwalt von Amtswegen nicht bestellt werden. Nur bei Eidesabnahmen soll der
im Termine nicht anwesenden und nicht vertretenen Partei von Amtswegen ein
Vertreter zu dieser einzelnen Handlung zugeordnet werden. — A. G. O. !. 3,
Z. 22 —24; I. 1«, z. 189, 373. Anh. §. 85.
In der Regel können nur die beim Prozeßrichter fungirenden Justizkommissa
rien als Bevollmächtigte im Prozesse gewählt oder zugeordnet werden. Diese Regel
erleidet jedoch mehrfache Ausnahmen.
I. Durch Wahl der Parteien können:
1. auch Rcferendarien, Auskultatoren und die bei andern Gerichten angestellten
Justizkommissarien auftreten, wenn die beim Prozeßrichter fungirenden Justizkom
missarien zur Annahme des Mandats verhindert sind. In Ermangelung von Ju
stizkommissarien, Referendarien und Auskultatoren, können ausnahmsweise auch
solche Personen als Bevollmächtigte in Bagatellprozcßsachen zugelassen werden,
welche nicht Subalternbeamte des Prozeßgerichts, auch nicht Justizkommissarien,
Referendarien und Auskultatoren, wohl aber nach ihrer Bildung geeignet und bereit
sind, Bevollmächtigungen zu übernehmen. — §. 22, I. 3 A. G. O. — Rescr. vom
7. März 1836 und vom 8. April 1836. Jahrb. 47, S. 311; 5«, 491. Gräff
10, S. 85; 12, S. 117.
2. Schwebte ein Prozeß in erster Instanz bei einem Untergericht, welches den
Sitz am Orte des Obergcrichts hat, so kann in der beim Obergericht zu verhan
delnden ferneren Instanz die Partei sich durch ihren Mandatar erster Instanz ver
treten lassen. — A. G. O. I. 25, Z. 28.
3. Jeder Justizkommissar ist, ohne Einschränkung auf einen Gerichtsbezirk, befugt,
Vorstellungen, Eingaben und Schriften aller Art, welche in Prozeß- oder andern
Rechtsangelegenheiten einem Gericht einzureichen sind, für andere anzufertigen oder
zu legalisiren. Er muß aber bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe der Schrift,
wenn sie für ein anderes Gericht, als bei welchem er angestellt, bestimmt ist, außer
dem Datum und der Namensunterschrift auch sein Dienstsiegel beifügen. — Verord.
vom 21. Juli 1843. GS. S. 295.
4. Generalbevollmächtigte, d. h. diejenigen, welche zur Vornahme aller zur Be
sorgung der Geschäfte ihres Machtgebers gehörenden Handlungen ermächtigt sind,
können, sofern sie nicht zur Zahl der Justizkommissarien gehören, für ihren Macht
geber bei jedem Gericht Prozesse führen. Hat ein Justizkommissarius Generalvoll
macht, so kann er aus Grund derselben seinen Mandanten in prozessualischen Ter
minen nur bei dem Gerichte, bei welchem er zur Prozeßpraxis «erstattet ist, ver
treten. Bei andern Gerichten muß er sich einen dort fungirenden Justizkommissa
rius substituiren. — A. L. R. I. 13, z. 108. — Rescr. vom 14. März und vom
10. Jan. und 2. Febr. 1818. Jahrb. 1, S. 44; Bd. 11, S. 14, 17. Gräff 2,
S. 55, 56, 306. — Rescr. vom 26. April 1837. Jahrb. 49, S. 453. ,
5. Fiskus wird in Prozessen durch die von der Finanzbehörde bestellten Fiskale
«der Fiskalanwalte vertreten. — A. G. O. I. 35, z. 2 fg.
6. Für Kirchen, Klöster, Schulen, Hospitäler und andere Armenanstalten oder
inilde Stiftungen können Vorsteher und Verwalter derselben bei Instruktion der
Prozesse persönlich die Termine abwarten. Sind deren mehre, so reicht es aus,
penn nur Zwei, oder auch nur Einer derselben erscheint. — A. G. O. i.
S, §. 10. , ^
81
7. Stadt« und Dorfgemeinden, und andere Kollegien und Korporationen,')
welche aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, sollen nur zwei oder höchstens drei
Deputirte zur Abwartung der Instruktionen bestellen. Es steht ihnen jedoch frei,
die Instruktion nur durch einen Deputirten, z. B. durch den Syndikus abzuwarten.
— A. G. O. I. 3, Z. 11, 39.
8. Bei Prozessen, welche eine Grube, oder anderes verliehenes, zu dem Bergre
gals gehörendes vergewerkschaftetes Bergwerkseigcnthum angehen, ist, falls die Ge
werkschaft nicht selbst Bevollmächtigte oder Repräsentanten gewählt hat, der Lehns
träger oder der Schichtmeister gesetzlicher Vertreter der Gewerkschaft, je nachdem
der Prozeß Beleihung und Verwahrung des Eigenthums, oder den Betrieb de«
Werkes betrifft. 2) — Cab.-Ordre vom 24. Oct. 183t und Rescr. vom 3t. Mai
182«. (bekannt gem. durch die Amtsbl.)
9. Die Prozesse der vom Staate genehmigten Aktiengesellschaften führt der Vor
stand derselben. — Dieser leistet auch die Eide Namens der Gesellschaft. — Gesetz
vom 9. Nov. 1843, z. 21—23. GS. S. 345.
10. Personen, welche gesetzlich in Angelegenheiten gewisser anderer Personen die
Vermuthung einer Vollmacht für sich haben, müssen in Prozessen als Bevollmäch
tigte dieser Personen zugelassen werden. Dergleichen Personen sind: s) Anver
wandte in auf- und absteigender Linie, Eheleute, Geschwister, Seitenverwandte des
dritten Grades, Geschwisterkinder ersten Grades, Schwiegereltern und Schwieger
kinder, und Schwäger und Schwägerinnen; li) Miteigentümer gemeinschaftlicher
Sachen und Rechte, und Mitgenossen eines Prozesses (Litiskonsorten) in dieser ge
meinschaftlichen Angelegenheit; 2) c) Fideikommißbesitzcr bei Prozessen, welche die
Substanz des Fideikommisses zum Gegenstande haben; 6) Familienvorsteher in Pro
zessen, welche die Erhaltung der Familienrechte betreffen; e) Gutsherrschaftcn in
Prozessen ihrer Gutsunterthanen; ^) t) Verwalter, Buchhalter und Hausoffizian-
ten 5) in Ansehung der von ihren Prinzipalen oder Dienstherrschaften ihnen anver-
') Resourcengesellschaften sind zwar nicht als Korporationen anzusehen, können
aber einem oder mehren der Gesellschafter den Betrieb aller oder einer gewissen
Art der Sozictätsgeschäfte, mithin auch der Prozesse übertragen, worin zugleich
ein unbeschränkter Vollmachtsauftrag liegt. — Rescr. vom 6. Juni 1831.
Jahrb. 37, S. 324. Gräff 6, S. 231.
2) Dem Lehnsträger und Schichtmeister, so wie dem scl 9 genannten Vorstande,
giebt das Gesetz die Befugnisse der Bevollmächtigten, und zwar jenen Beiden
Generalvollmacht, dem Vorstande «cl 9 nicht allein diese, sondern auch Vertrc-
tungsbefugniß für alle Fälle, in denen sonst Spezialvollmacht nöthig ist. Eine
besondere Vollmacht haben sie daher in Prozessen nicht beizubringen. Sie ha
ben vielmehr nur ihre Eigenschaft als Lehnsträger, Schichtmeister und resp.
Vorstand nachzuweisen, in sofern dieselbe nicht bekannt ist.
«) Dahin gehört auch der Assignatar bei Einklagung der angewiesenen Post Na
mens des Anweisenden. Ferner, wenn Nießbrauchcr, Erbrachter, Miether und
Pächter am Prozesse über die von ihnen besessene Sache mit dem Eigcnthümer
resp. Obereigenthümer zugleich Theil nehmen, so haben sie in Bezug auf diesen
ebenfalls Präsumtivvollmacht. Aeitpächter haben übrigens in Bezug auf die
gepachtete Sache die Rechte und Verbindlichkeiten der Verwalter. — Rescr.
vom 24. Dec. 1838. I. M. B. 1839, S. 3«.
Das ErbunterthSnigkeitsverhältniß ist zwar aufgehoben. Doch beruhte diese
Bestimmung nicht lediglich auf jenem Verhältnis, sondern zum Theil auch auf
der Eigenschaft des Gutsbesitzers als Gerichts- und Polizeiobrigkeit. Dies cr-
giebt der 8> 121, I. 13 A. L. R. Man kann daher diese gesetzliche Bestim
mung nicht als antiquirt ansehen.
») So kann z. B. der Rentmeister eines Guts die Vertheidigung gegen einen Anspruch
auf Holzlieferungen aus den Forsten dieses Guts als ein zu seinem Amte gehörendes
Geschäft übernehmen. Rescr. vom 16. Dec. 1838. I. M. B. 1839, S. 39. — Bei
Prozessen aus Geschäften, welche einem Hausoffizianten nicht übertragen sind, kann
derselbe nicht als Vertreter seiner Herrschaft auftreten. , .......'!
trauten Geschäfte. ') - A. G. O. I. 3, 5. 26. - A. L. R. I. 13, Z. 119-121;
11. 4, z. 1«, 14, 117, 11«. — Rescr. vom 9. Ort. 184«. I. M. B. S. 337. —
Rescr. vom 6. Nov. 1831 und vom 10. Mai 1834. Jahrb. 4«, S. 425; 43, S.
479. Gräff 6, S. 23V; und 8, S. 152. — Rescr. vom 8. Oct. 1836. Jahrb.
48, S. 434. Gräff 1«, S. 85.
11. Andere Personen, als die bisher (1—10) Genannten, können als Vertreter
einer Partei nur zugelassen werden, wenn eine Gefahr im Verzuge klar erhellet. —
A. G. O. I. 3, z. 2«.
Hinsichtlich der unter 10 und 11 Genannten findet, wenn sie als Bevollmäch«
tigte auftreten, wegen der von ihnen zu erwählenden oder zu erbittenden Beistände
das z. 39 Gesagte Anwendung. — A. G. O. I. 3, z. 27.
II. Wird ein Offizialanwalt nöthig, so kann als solcher nach Bewandniß
der Umstände und Beschaffenheit der Sache auch ein Referendar oder Auskultator,
und bei Ermangelung von Justizkommissarien, Referendarien und Auskultatoren,
namentlich in Bagatellsachen auch eine andere Person, welche nicht Subaltern
beamter desselben Gerichts, jedoch nach ihrer Bildung dazu geeignet und bereit ist,
z. B. ein Subalternbeamte eines andern Gerichts, ein Bürgermeister, Verwaltungs
beamte u. dergl. zugeordnet werden. Die Zuordnung richterlicher Beamten soll
selbst ausnahmsweise nicht gestattet sein. Überhaupt können Unterrichter zur Praxis
als Vertreter der Parteien nur dann zugelassen werden, wenn sie dazu wegen
Mangels an Justizkommissarien ausdrücklich erwählt 2) und bestätigt sind. — Die
beim Prozeß führenden Gericht angestellten Subalternbeamten sollen wegen der zu
besorgenden Kollusionen und Verzögerungen als Mandatarien der Parteien in Pro
zessen und in andern gerichtlichen Angelegenheiten nicht zugelassen, und noch weniger
von Amtswegen bestellt werden. Nur ») für einzelne Akte, z. B. bei Eidesleistun
gen als Schwurzeugen, oder bei Testamentspublikationen ist in Ermangelung von
Justizkommissarien oder Refcrendarien ihre Zuordnung gestattet, und d) den königl.
Salarienkassen können zur Ersparung der Kosten zum Betriebe ihrer Rechtsangele
genheiten Offizialmandatare aus der Zahl der Subalternbeamten bestellt werden. —
A.G.O. I. 3, Z. 23. — Rescr. vom 8. April 1836. Jahrb. 5«, S. 491. Gräff
12, S. 117. — Rescr. vom 1«. Oct. 1837. Sppl.-Bd. zu Gräff, Koch ,c. Erg.
III. S. 61. — Rescr. vom 9. Oct. 182«, vom 18. Mai 1821, vom 16. Der.
1822, vom 27. März 1823, vom 3«. Oct. 1827. Jahrb. 17, S. 275; 2V, S.
273; 21, S. 33; 3«, S. 363. Gräff 2, S. 5«, 53, 54. — Cirk.-Rescr. vom
25. Jan. 1836. Jahrb. 5«, S. 491. Gräff 12, S. 117. — Rescr. vom 3.
Sept. 1836 in Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 143.
Von der Legitimation der Bevollmächtigten,
K. 42. Für den vom Gericht der Partei zugeordneten Anwalt ist die zuord,
«ende Verfügung Legitimation, und er bedarf zu den Geschäften, zu denen eine
gewöhnliche Prozeßvollmacht (ek. 8.43) legitimirt, keiner Vollmacht. Dagegen
muß der zur Prozeßführung von der Partei selbst gewählte Bevollmächtigte, sobald
er für die Partei auftrit, Vollmacht von ihr beibringen. Bedarf der Generalbevoll
mächtigte die Generalvollmacht für mehre Prozesse, so muß er beglaubte Abschrift
derselben zu den Akten geben. Justizkommissarien, welche sich zum Betriebe eines
Prozesses ohne Vollmacht, jedoch unter dem Angelöbniß, dieselbe nachzubringen, mel
den, werden zwar zugelassen. Der Richter muß ihnen jedoch zu dieser Nachbrin-
1) Justitiarien dürfen für ihre Gerichtsherrschaft bei andern Gerichten als Man
datarien nicht auftreten. — Rescr. vom 16. Dec. 1822. Jahrb. 3«, S. 363.
Gräff 2, S. 54.
>) d. K. von dem Justizministex,
gung eine nach der Nähe oder Entfernung des Aufenthalts der Partei abzumessende
Frist stellen. ') Im summarischen und im Bagatellprozeß kann aber auch ein Ju
stizkommissar ohne Bollmacht nur dann zugelassen werden, wenn er sich durch ein
Schreiben des angeblichen Mandanten legitimiren kann. In andern Prozessen kann
die Gegenpartei ebenfalls die vorläufige Legitimation durch Vorzeigung eines solchen
Schreibens verlangen, und wenn es nicht produzirt werden kann, die Einlassung
mit einem gar nicht legitimirten Bevollmächtigten verweigern, was zur Folge hat,
daß ein neuer Termin angesetzt, und dazu die Partei selbst vorgeladen werden muß.
Treten die 41 unter l. 10 Genannten ohne Vollmacht auf, so muß der
Richter bei Gefahr im Verzuge auf ihre rechtlichen Anträge verfügen, wenn sie nur
zur Beibringung der Vollmacht, oder zur Herbeischaffung der Genehmigung sich
erbieten.
Auch die im K. 41 unter I. 11 Bezeichneten werden für eine Partei, wenn
Gefahr im Verzuge klar erhellet, ohne Vollmacht und unter dem Versprechen
der nachzubringenden Genehmigung zugelassen, wenn sie eine vom Richter nach Be
schaffenheit der Umstände festzusetzende Kaution sofort bestellen.
Kann in allen diesen Fällen die Vollmacht nicht nachgebracht, auch die Geneh
migung des Abwesenden für nachgewiesen nicht angenommen werden, 2) so ist die
erfolgte Verhandlung für nicht geschehen zu achten, und der angebliche Bevollmäch
tigte muß sowohl dem Richter als dem Gegentheil für Kosten und Schaden voll
ständigen Ersatz leisten. ») — A. G. O. I. 3, §. 25—29, K. 32. — Cab.-Ordre
vom 29. Mai 1835. Jahrb. 45, S. 430. GrSff 8, S. 15«. — Rescr. vom
24. Febr. 1836. Mankopf A. G. O. I. S. 280. — Eab.-Ordre vom 17. Oct.
1833, Nr. 4. GS. S. 119. — Rescr. vom 23. Jan. 1835 und vom 19. Dec.
1837. Jahrb. 45, S. 199z 50, S. 489. Gräff 8, S. 264; 12, S. 117. —
Rescr. vom 16. Dec. 1838. I. M. B. für 1839, S. 39.
Von dem Inhalte und der Wirkung einer Prozeßvollmacht.
Z. 43. Eine jede zur Betreibung streitiger Rechtsangelegenheiten ausgestellte
Bollmacht muß enthalten :
1) den Namen, Stand und Charakter des Bevollmächtigten;
2) den Namen, Stand und Charakter des Gegentheils;
3) den Gegenstand des Rechtsstreits;
4) den Auftrag, alles das vorzunehmen, was die Gerichte von einem im Namen
einer abwesenden Partei erscheinenden Bevollmächtigten zu fordern berechtigt sind;
5) das Datum;
ö) die Unterschrift des Vor- und Zunamens des Ausstellers mit Beifügung seines
Charakters. Die Beidrückung des Siegels ist zur Giltigkeit der Vollmacht
nicht nothwendig.
1) Es versteht sich von selbst, daß die Sache bis Ablauf dieser Frist nicht ruhen
darf. Vielmehr muß der Fortgang dcs Prozesses nebenbei so betrieben wer
den, als wäre die Vollmacht schon eingereicht.
2) Als nachgewiesen ist die Genehmigung anzusehen, wenn die Partei erweislich
durch den Bevollmächtigten, oder durch die Gegenpartei vom Verhandelten in
Kenntniß gesetzt worden, und dieselbe nicht innerhalb der Tit. 5, I. Z. 9« fg.
A. L. R. bestimmten Fristen ihre Billigung oder Mißbilligung erklärt hat. —
«. 8. 125—128, Tit. 13, Th. I. A. L. R.
») Nach dem Gerichtsgebrauch wird, wenn bei Abfassung des Erkenntnisses von
einem Bevollmächtigten noch Vollmacht fehlt, im Urtel die Beibringung aufgege
ben, und in der Sache selbst erkannt. Dies läßt sich nicht rechtfertigen, da es
auf die Gefahr hin geschieht, daß bei nicht erfolgender Beibringung der Vollmacht
die mit dem nicht legitimirten Bevollmächtigten gepflogenen Verhandlungen ungiltig
werden können, und somit die Entscheidung selbst ihre Grundlage verlieren kann.
ß
Sä
Durch solche Vollmacht erhält der Bevollmächtigte die Befugniß und Verbind«
lichkeit, die Stelle der Partei vor Gericht zu vertreten, und sich im Fortgange des
Prozesses allen vorkommenden Geschäften zu unterziehen, auch alle ordentlichen und
außerordentlichen Rechtsmittel einzulegen. Sie legitimirt jedoch nicht
^. zur Bestellung eines Substituten für alle «der für einzelne im Prozesse vor
kommenden Verhandlungen, zum Empfange der Definitiventscheidungen, und dazu,
die Forderungen des Gegners durchgängig einzuräumen. Soll der Bevollmächtigte
auch dazu autorisirt sein, so muß die Autorisation in Bezug auf diese Punkte in
der Vollmacht besonders ausgedrückt werden.
L. Ferner legitimirt sie nicht zu den Geschäften, welche gesetzlich eine Spezial
vollmacht erfordern, als 1) wenn Parteien- oder Zeugeneide erlassen, oder für ge
schworen angenommen werden sollen; 2) wenn der Bevollmächtigte einen Eid in
die Seele des Machtgebers ableisten soll; 3) wenn die Entscheidung eines Rechts
streits einem schiedsrichterlichen Ausspruche unterworfen; 4) wenn über streitige
Rechte des Machtgebers ein Vergleich wirklich abgeschlossen; 5) wenn ein Recht des
Machtgebers einem Dritten abgetreten, oder Verzicht darauf geleistet werden; 6)
wenn der Bevollmächtigte Sachen oder Gelder (Prozeßkosten allein ausgenommen)
für den Machtgeber in Empfang nehmen, und darüber quittiren soll; 7) wenn im
Namen des Machtgebers Grundstücke veräußert oder angekauft werden sollen; 8)
wenn im Namen des Eigenthümers eines Grundstücks die Eintragung auf dasselbe
oder im Namen des Gläubigers die Löschung eingetragener Gerechtsame im Hypo
thekenbuche bewilligt werden soll. Doch ist der zum Empfang einer eingetragenen
Post Bevollmächtigte auch zur Ertheilung der löschungsfähigen Quittung befugt.
9) Endlich zu Schenkungen aller Art. — Auch der Generalbevollmächtigte ist zu
dergleichen Handlungen nur dann ermächtigt, wenn seine Generalvollmacht den
Auftrag dazu ausdrücklich enthält.
L. Eine Prozeßvollmacht legitimirt nur zu dem Prozesse, für welchen sie ertheilt
ist, und zu der in demselben Prozesse verhandelten Widerklage, nicht aber zur Ver
tretung in andern Prozessen. Sie autorisirt ferner zu Exekutionsanträgen aller
Art; nur zu Anträgen auf Einleitung einer Subhastation muß, wenn die zum vor
hergegangenen Prozeß ertheilte Vollmacht nicht ausdrücklich darauf ebenfalls gerichtet
ist, eine besondere Vollmacht beigebracht werden. Eine zur Verhandlung iu pos-
»essori« »ummsriissim« ertheilte Vollmacht giebt kein Recht zur Vertretung im
nachfolgenden Prozesse über die Hauptsache. — Wer in einem Konkursprozesse zur
Wahrnehmung der Gerechtsame eines Machtgebers überhaupt bevollmächtigt ist,
wird dadurch sowohl gegen den Kurator der Masse, als gegen einen Mitgläubiger
hinreichend legitimirt. Zur Zurücknahme eines Liquidats bedarf er jedoch einer
Spezialvollmacht.') — A. G. O. l. 3, Z. 30—35. — A. L. R. I. 13, Z. 99 bis
109. — Res«, vom 23. Juli 1838. Jahrb. S2, S. 172. Gräff 12, S. 118.
— Art. 7. der Deklar, vom 6. April 1839. GS. S. 126. — Rescr. vom 24.
April 1834. Jahrb. 43, S. 480. Gräff 8, S. 152. — Rescr. vom 9. Oct.
1835 und vom 17. Oct. 1835, in Mannkopf A. G. O. I. 287 fg.
Von der Form der Vollmacht.
§> 44. Prozeßvollmachten müssen allemal schriftlich ertheilt sein. Der Macht
geber braucht sie nicht gerade selbst geschrieben zu haben. Sie müssen von ihm
jedoch eigenhändig unterschrieben sein. Handlungsgesellschaften, bei denen ebenfalls
schriftliche Vollmacht ausreicht, können solche mit der Handlungsfirma unterzeichnen.
') Dies um deshalb, weil die Zurücknahme zugleich eine Verzichtleistung auf das
in das Vermögen des Gemeinschuldners erlangte Pfand- und das übrige »US
der Theilnahme an der Kreditmasse fließende Recht enthält.
85
Übrigens soll zu Prozeßvollmachten das gedruckte Vollmachtsformular > ) gebraucht,
und in ftempelpflichtigen Sachen der erforderliche Stempel verwendet werden. Fehlt
dem Aussteller ein Vollmachtsformular, so kann ein solches auch später dem vom
Machtgeber ausgestellten Vollmachtsblanquet umgeschlagen werden.
Die Prozeßvollmachten der des Lesens und Schreibens Unkundigen 2) müssen
gerichtlich oder notariel, und die der Blinden und Taubstummen gerichtlich aufge
nommen sein. Spezialvollmachten müssen, wenn vor Gericht auf Grund derselben
etwas verhandelt werden soll, vor Gericht oder Notar ausgestellt oder anerkannt,
und wenn aus gerichtlichen Depositorien Geld erhoben werden soll, gerichtlich sein.
Nur die von Ausländern im Auslände, 2) sowie die in dem Theile der Rheinpn-
vinz, in welchem noch die französische Gesetzgebung gilt, vor Notar ausgestellten
Vollmachten sind auch zur Gelderhebung aus Depositorien ausreichend. Bei letzteren
bedarf es jedoch der Legalisation der Unterschrift des Notars durch den kompetenten
Landgerichtspräsidenten. — Die von preußischen Gesandten und Residenten an aus
wärtigen Höfen attestirten Vollmachten sind den gerichtlichen gleich zu achten.
Sind Spezialvollmachten von Kollegien und Instituten, deren Beamte öffent
lichen Glauben haben, amtlich ausgestellt und mit dem Amtssiegel bedrückt, so be
dürfen sie keiner ferneren Bescheinigung mehr.
In außergerichtlichen Angelegenheiten ist es Sache des Dritten, welcher mit
dem Bevollmächtigten sich einlassen will, wie er sich von der Richtigkeit einer pri
vatim ausgestellten Spezialvollmacht überzeuge. Bloße Blanquets, auf welchen nur
der Name des Machtgebers, ohne Bestimmung des Geschäfts, wozu der Auftrag
gegeben worden, sich befindet, sind zu Spezialvollmachten niemals geeignet. Wer
aber ein Blanquet ohne Bemerkung des Geschäfts, zu dem es bestimmt, aus den
Händen giebt, kann gegen eine über die Ramensunterschrift gesetzte Bollmacht,
wenn sie gleich erst nach der Unterzeichnung darüber geschrieben worden, sich nicht
entschuldigen. — A. G. O. I. 3, §. 36—SS. — A. L. R. I. 13, z. 110—117.
Anh. z. 45 u. 46z — I. s, 172 fg. — Res«, vom 29. August 1S31 und vom 8.
Mai 1835 in Gräff, Koch ,c. III. S. 78 u. 1S1.
Besondere Borschriften in Betreff gewisser Vollmachtgeber.
§. 45. 1. Bormünder und Kuratoren müssen, wenn sie Bollmacht aus
stellen, dieser beglaubte Abschrift ihrer Bestallung beifügen. Der Inhalt der letztern
entscheidet beim Vorhandensein mehrer Vormünder, ob sie in jedem Falle ins Ge-
sammt oder einzeln einen Bevollmächtigten ernennen können. Der Mitunterschrift
i) Das Res«, vom 23. Juli 1838 (Jahrb. 52, S. 172) schreibt nachstehende«
Vollmachtsformular vor:
Prozeßvollmacht.
...... Endesunterschriebener bevollmächtige hierdurch den ......
Herrn zu .... zur Führung des von . . als
Kläger wider ....... als Verklagten vor dem .... Gericht zu ... .
über den nachstehenden Gegenstand : ......................
an . . . stell .... Prozesses, mit dem Auftrage, alles dasjenige in .... .
Namen vorzunehmen, was die Gerichte von dem Bevollmächtigten einer abwe
senden Partei zu fordern berechtigt sind. Insbesondere soll derselbe ermächtigt
sein : (of. §. 43 gck 4.)
Dessen zu Urkund habe . . . diese Bollmacht eigenhändig unterschrieben
und besiegelt. So geschehen .... am . . ten .... 18 . .
>) Von gemeinen Landleuten, die des Schreibens und Lesens unkundig sind, ist
eine vor den Dorfgerichten mit Zuziehung eines vereideten Gerichtsschreibcrs
aufgenommene Vollmacht hinreichend. — C5. z. 173, Tit. 5, I. A. L. R.
») Inländer, welche im Auslande sich aufhalten, müssen ihre Spezialvollmachten
pom Gesandten zc. attestiren lassen.
8«
des Pflegebefohlenen bedarf es nicht. — Sind jene Kläger, so ist noch die Beifü
gung der obervormundschastlichen Autorisation zur Klage nöthig, wenn nicht etwa
Zinsen der einzige Gegenstand der Klage sind, oder der Vormund von obervormund-
schaftlicher Aufsicht befreit ist. — A. G. O. I. 3, g. 51 — 53.
2. Fiskale müssen sich als Vertreter des Fiskus durch de» Auftrag der den
Fiskus in dem desfallsigen Prozeß vertretenden Behörde legitimiren. (ek. oben Z. 15,
I.) das. z. 5«, I. SS, K. 3.
3. Wird in Prozessen der Standesherrn ein Bevollmächtigter gewählt, so kann
die Vollmacht von der standesherrlichen Domanial-, Rent- oder Verwaltungsbehörde,
in deren amtlichen Wirkungskreis die Sache einschlägt, dann vollgiltig ausgestellt
werden, wenn diese Behörde ein Kollegium bildet, oder wenn der einzelne Beamte
für sein Amt gerichtlich verpflichtet ist. — z. 3S der Jnstr. vom 30. Mai 182«.
GS. S. 81.
4. Bei Domkapiteln und Kollegiatstiftern müssen die Vollmachten von
dem Dechanten, oder in dessen Abwesenheit von dem Senior, bei Klöstern von
dem Prälaten, Abt, Probst, Prior, Guardian oder von der Äbtissin, Priorin zc.
nebst zwei Konvcntualen unterschrieben, und jederzeit des Domkapitels, Stifts oder
Klosters gewöhnliches Jnsiegel beigedruckt werden. Sollten besondere Statuten eines
Kapitels, Stifts zc. mehr fordern, so muß diesem pünktlich nachgelebt werden,
sieht jedoch die unterlassene Beobachtung dieser besondern Form eine Nichtigkeit der
Verhandlungen nach sich, so müssen die Aussteller der Bollmacht für alle daraus
entstandenen Schäden und Kosten aus eigenen Mitteln einstehen. A. G. O. I. 3,
Z. 45, 46. — A. L. R. II. 11, Z. 1022 fg.; §. 1054 fg.
5. Su Prozessen über Kirchenvermögen ist die Vollmacht für den Ver
treter der Kirche von den Vorstehern derselben und dem Patron, oder vom Kir-
chenkollegio, oder in deren Ermangelung vom Pfarrer zu unterfchreiben. Dabei ist
jedesmal das Kirchensiegel beizusetzen. In Fällen, s) wenn die Vorsteher, der Pa
tron oder das Kirchenkollegium sich weigern, wirkliche Rechte der Kirche vor
Gericht wahrzunehmen, oder b) wenn gegen den Patron oder das Kirchenkollegium
selbst Prozeß geführt wird, bestellen die geistlichen Obern von Amtswcgen einen
Bevollmächtigten.
Betrifft der Prozeß Pfarr? oder B ene fiziatgut, so erhält der Bevoll
mächtigte die Vollmacht vom zeitigen Nießbraucher (Pfarrer, Benefiziaten zc.) und
den Vertretern der Kirche als Eigenthümcrin. — A. G. O. I. 3, §. 47. — A. L. R.
II. 11, z. 653—661; Z.778. — Refcr. vom 23. August 1822. Jahrb. 2«, S.35.
6. Die für Schulen, Hospitäler, Waisen- und Wittwenanstalten
oder andere fromme Stiftungen auszustellenden Vollmachten müssen von den
Vorstehern oder Administratoren unterschrieben und mit dem ihnen anvertrauten
Siegel bedruckt werden. — Ist unter dieser Vollmacht von der, der Stiftung oder
Anstalt vorgesetzten obern Behörde attcstirt, daß die Unterschriebenen zur Ausstel
lung derselben berechtigt seien, so vertrit diese Bescheinigung in dem Falle, wo zum
Prozeß besondere höhere Genehmigung nöthig ist, die Stelle dieser Genehmigung. —
A. G. O. I. 3, Z. 47, 48.
7. Vollmachten, welche von Gilden oder Gewerken ausgestellt werden
sollen, müssen von den Altmeistern unterschrieben, und mit dem Gilde- oder Ge
werkssiegel bedruckt sein. Demnächst muß vom Beisitzer der Gilde oder des Ge-
werks, oder in dessen Ermangelung von einer Gerichtsperson des Orts unter der
Vollmacht attestirt werden, daß die Unterschriebenen wirklich die sind, für welche sie
sich ausgegeben haben. — a. a. O. Z. 49.
8. Soll von einem Kollegio eine Vollmacht ausgestellt werden, so muß sie vom
Dirigenten eher dem den Borsitz führenden Mitglieds, nebst einem oder zwei andern
8?
Mitgliedern unterschrieben und mit des Kollegii Jnsicgel bedruckt sein. — Kommt
es aber bei Regreßklagen oder sonst auf das Privatinteresse der einzelnen Mitglieder
an, so muß die Vollmacht von ihnen sämmtlich ausgestellt werden. — In Ansehung
auswärtiger Kollegien ist aus den Gerichtsgebrauch jedes Orts Rücksicht zu nehmen.
— §. 44 a. a. O.
9. Korporationen und Gemeinden') aller Art können sich in ihren
Rechtsangelegenheiten durch ihren Syndikus oder sonstigen Repräsentanten vertreten
lassen. Derselbe muß jedoch sowohl zur Anstellung der Klage als zur Einlassung
auf eine solche sich durch einen besondern Auftrag legitimiren. Fehlt ein Repräsen
tant oder Syndikus, so trit die Pflicht zur Wahl von zwei oder drei Deputirten
oder eines sonstigen Bevollmächtigten ein. — Zur giltigen Beschlußnahme einer
Korporation oder Gemeinde über die Ausstellung einer Vollmacht ist nothwendig,
daß entweder s) sämmtliche Mitglieder derselben unter Bekanntmachung des
Gegenstandes der Berathung zu einer Versammlung eingeladen werden, und
dann ist der von den Erschienenen, ohne Rücksicht auf ihre Zahl, gefaßte Beschluß
für die Nichterschienenen bindend; oder d) jene Bekanntmachung ist mit der Ein
ladung nicht verbunden. Dann müssen wenigstens zwei Drittheile der Mitglieder
gegenwärtig sein, wenn ein giltiger Beschluß zu Stande kommen soll. — I. 3, S.
39 A. G. O. — II. 6, Z. 143—151; §. 51—63 A. L. R.
Was insbesondere die von Stadt- und Dorfgemeinden auszustellenden Voll
machten anbetrifft, so werden
^. die Stadtgemeinden im Prozesse in der Regel vom Magistrate vertreten.
Die für die Bevollmächtigten der Stadt zu ertheilenden Vollmachten müssen daher
in der Regel vom Magistratsdirigenten und einem oder zwei Mitgliedern unter
schrieben, und mit dem Magistratssiegel versehen sein.
In Fällen, wo die Bevollmächtigten der Stadtverordneten nach den Gesetzen
einer Spezialvollmacht von der Versammlung der Stadtverordneten bedürfen, ver-
trit ein vom Magistrate des Orts bestätigtes Zeugniß: „daß durch einen gesetzlich
abgefaßten Beschluß der Stadtverordnetenversammlung die Bevollmächtigten bevoll
mächtigt seien," die Stelle der Vollmacht.
1) In den Städten, in welchen die Städteordnung vom 17. März 1831 gilt,
müssen Urkunden, welche die Stadtgemeinden verbinden sollen, also auch Voll
machten, vom Magistrate ausgestellt, und vom Bürgermeister oder Oberbür
germeister unterschrieben werden. Doch muß diesen Vollmachten erforderliche»
Falls der Genehmigungsbeschluß der Stadtverordnetenversammlung, oder wenn
verfassungsmäßig statt desselben eine Entscheidung der Regierung ergangen ist,
diese Entscheidung in bcglaubter Form beiliegen.
2) In Städten, in welchen keine der beiden Städteordnungcn gilt, kommt nur in
Prozessen wegen Kämmereivermögens das g<1 ^ Bestimmte zur Anwendung.
Bei Prozessen dagegen, welche Bürgervermögen betreffen, erfolgt die Wahl der
Bevollmächtigten nach Maßgabe der s6 ö gegebenen Bestimmungen. Da, wo
besondere Repräsentanten der Bürgerschaft vorhanden sind, bedarf es dann jedoch
nur der Vernehmung dieser Repräsentanten, und nicht der ganzen Bürgerschaft,
über die zu ertheilende Vollmacht. Jene müssen aber bei deren Vollziehung
jedesmal nachweisen, daß sie dazu nach der bestehenden Verfassung des Orts,
von ihren Kommittenten autorisirt worden sind.
S. Die Bollmachten der Dorf- und der Stadtgemeinden (die der letztern jedoch
') Die Regierungen find nicht befugt, Namens einer Gemeinde wider de,ren
Willen Prozesse führen zu lassen, vielmehr ist dazu ein Beschluß der Gemeinde
erforderlich. — Erk. des Geh. Obertribunals vom 15. Juli 1S35. Cmtr.-Bl,
1839, S. 709.
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nur ausnahmsweise) ') müssen jederzeit gerichtlich ausgestellt werden. Das Versah
ren bei Aufnahme ist folgendes :
g) Es wird ein gerichtliches Protokoll aufgenommen und darin bemerkt:
1) aus wie viel Mitgliedern der sorgfältig geschehenen Nachfrage zufolge die
Gemeinde bestehe;
2) wie viel von diesen Mitgliedern erschienen sind, und wie dieselben mit Vor-
und Zunamen heißen, auch ob es Bauern oder Kossäten :c. sind;
3) welche Mitglieder ausgeblieben sind, und was die Erschienenen für Ursachen
des Ausbleibens eines jeden angeführt Habenz
4) ob sämmtliche Erschienenen einig sind, daß und auf wen die Vollmacht aus
gestellt werden solle. Ergiebt sich, daß die Stimmen der Gemeinde getheilt
sind, so müssen die Difscnticntcn, wenn deren Vor- und Zunamen im Pro
tokoll verzeichnet worden, über die Gründe ihres Widerspruchs vernommen,
und ihre Erklärungen ausführlich zum Protokoll niedergeschrieben werden.
Sind in Ansehung des Ausbleibens einiger Mitglieder keine erheblichen
Gründe angeführt, und entsteht Verdacht, daß die Erschienenen vielleicht die
Absicht haben könnten, die ausgeschlossenen Mitglieder zu entfernen, so ist darauf
zu dringen, daß auch diese Mitglieder herbeigerufen werden, um ihre Erklärung
abzugeben.
d) Nach dem, was nach Inhalt des aufgenommenen Protokolls durch Mehrheit
der Stimmen beschlossen worden, wird die Bollmacht hiernächst ausgefüllt, den
Erschienenen vorgelesen, und von sämmtlichen, oder den einwilligenden Mitglie
dern vollzogen, welche jederzeit den größten Theil der Gemeinde ausmachen
müssen.
c) Das die Vollmacht aufnehmende Gericht bescheinigt auf Grund des aufgenom
mene» Protokolls die gerichtliche Vollziehung, und bemerkt: aus wie viel Mit
gliedern die Gemeinde bestehe, wie viele derselben erschienen sind, auch ob und
wie viele unter diesen die Vollmacht zu vollziehen Bedenken getragen haben. —
Sind von Einzelnen gegen die Vollziehung Bedenken erhoben, so muß jedesmal
beglaubte Abschrift des aufgenommenen Protokolls dem Gericht, bei welchem die
Vollmacht gebraucht werden soll, von Amtswegen gesendet werden. 2) — A. G.
O. I. S, ß. 39—43. Anh. §. 46 u. 47. — Revid. Städteordn. vom 17. März
1831, S. 79, 80, 112, 114, 115, 127. GS. S. 10. — Jnstr. zu deren Eins,
vom 17. März 1831. GS. S. 34, z. 7—13. — Refcr. vom 17. Ott. 1835.
Jahrb. 46, S. 501.
Verfahren bei mangelhaften Vollmachten und Folgen einer
falschen Vollmacht.
§. 46. I. Wird eine Vollmacht eingereicht, bei welcher im Äußerlichen eines
der vorstehend festgesetzten Erfordernisse nicht gehörig beobachtet worden ist; so muß
das Gericht den Bevollmächtigten anweisen, binnen einer, nach den Umständen zu
bestimmenden kurzen Frist, eine vorschriftsmäßig eingerichtete Vollmacht beizubrin
gen. Inzwischen muß jedoch derselbe zugelassen werden. Wenn aber s) da, wo die
Gesetze eine gerichtliche Vollmacht erfordern, eine bloße Privatvollmacht beigebracht,
') Nämlich in den Fällen, wo die Stadtgemeinde selbst Vollmacht ertheilen muß,
wie z. B. im Falle ack ^ 2, oder wenn die Mitglieder der Stadtgemeinde als
Kirchengcsellschaft klagen oder verklagt werden :c.
2) Nach dem Gerichtsgebrauch wird meistens in das nach sl—4 aufgenommene
Protokoll zugleich der Beschluß in Betreff der Bevollmächtigung mit aufge-
. nommen, und dies Protokoll als die Vollmacht selbst dann ausgefertigt. Dies
Verfahren ist offenbar einfacher und zweckmäßiger.
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oder b) wo sie eine ausdrückliche Spezialvollmacht erheischen, dieselbe auf die vor
zunehmende Handlung nicht gerichtet, oder «) die Vollmacht dergestalt fehlerhaft
abgefaßt wäre, daß daraus nicht ersehen werden könnte, wer sie ausgestellt habe,
oder auf wen sie gerichtet sei, oder zu welcher Sache sie gebraucht werden solle; so
kommen die Z. 42 für den Fall, wo gar keine Vollmacht beigebracht ist, gegebenen
Vorschriften zur Anwendung.
II. Hat Jemand eine Partei auf Grund einer falschen Vollmacht vertreten, so
steht dieser Partei in Gemäßheit der im Titel „von der Nullitätsklage" vorzutra
genden gesetzlichen Bestimmungen zu, das Verfahren anzufechten. Der falsche Be
vollmächtigte ist im Falle der nicht erfolgenden Genehmigung für Schaden und
Kosten verantwortlich, und in fofern ein Falsum verübt ist, strafbar.
Will eine Gegenpartei zeitig dem vorbeugen, so kann sie beantragen, daß, je
doch auf ihre Kosten, die vom abwesenden Gegentheil angeblich ausgestellte Voll
macht dem Aussteller persönlich zur Anerkennung vorgelegt werde. Inzwischen muß
sie dennoch mit dem sie angebenden Bevollmächtigten die Sache vor der Hand fort
setzen, und die Instruktion kann bis zur erfolgten Berichtigung des RekognitionS-
punktes nur dann ausgesetzt werden, wenn eine solche Partei erhebliche Gründe zur
Besorgniß einer Unrichtigkeit angegeben, und einigermaßen bescheinigt hat. — A. G.
O. I. 3, §. 54, 6S-70.
Fünfter Titel.
»on der «läge, und zwar:
^. von deren Anmeldung.
§. 49. Der Klage muß nicht nothwendig eine Klageanmeldung vorausgehen.
Die Klage kann von vornherein vollständig eingereicht oder zu Protokoll gegeben
werden. Die bloße Anmeldung geschieht meist, um der Verjährung vorzubeugen,
oder um einen Termin zur Klageaufnahme, «der die Ernennung eines Ossizial-
anwalts zu erlangen.
Diese Anmeldung kann vom Kläger selbst «der von seinem Bevollmächtigten,
schriftlich oder mündlich zum Protokoll erfolgen. Bei jedem Gericht soll während
der Dienststunden stets eine Gerichtsperson zur Aufnahme von protokollarischen Ge
suchen dieser und anderer Art deputirt sein. —
Eine vollständige Klageanmeldung muß enthalten :
t) den Namen, Stand und Charakter des Klägers;
2) den Ort, wo er wohnhaft oder anzutreffen ist;
5) den Namen, Stand und Charakter des Beklagten und überhaupt solche Kenn«
zeichen, woran derselbe von Andern gleichen Namens hinlänglich unterschieden
werden kann;
4) den Wohn- oder Aufenthaltsort des Beklagten, oder statt dessen die Anzeige,
daß er ein Vagabund, oder sein dermaliger Aufenthalt völlig unbekannt ist;
ö) den Grund und Gegenstand der Klage wenigstens im Allgemeinen, damit der
Richter beurtheilen könne, ob die Sache zu seiner «der einer andern Gerichts
barkeit gehöre;
6) die Erklärung des Klägers: «b er persönlich oder durch einen Bevollmächtigt«
die Instruktion abwarten wolle;
7) falls Kläger die Zuordnung eines Rechtsbeistandes oder Bevollmächtigten will,
den desfallsigen Antrag; und
8) wenn ein Bevollmächtigter die Klage anmeldet, muß seine Vollmacht oder eine
nothdürftige Bescheinigung des Auftrags beiliegen und angegeben sein, «b die
Vertretung auch im Laufe des Prozesses erfolgen wird.') — A. G. O. I. 4,
§. 1-Z; 8. 9, 10, 22.
') Der 8. 16, Tit. 4 A. G. O. ordnete eine Ergänzung der Klageanmeldung an,
wenn sie unvollständig. In der Praxis wird dies für eine unnütze Weitläuf-
tigkeit erachtet, und auf die unvollständige Klageanmeldung sofort die Klage
selbst veranlaßt. Die Vollständigkit der Klageanmeldung kann aber bisweilen
Sä
Verfügung auf die Klageanmeldung.
Z. 50. Jede Klageanmeldung muß dem Dirigenten oder Präsidenten des Ge
richts, und in Sachen, welche einem bestimmten Kommissarius ein für allemal zu
gewiesen sind, diesem zugestellt werden. Dieselben müssen
1) wenn aus jener zu entnehmen, daß die Sache offenbar nicht zu dem Gericht,
bei welchem die Klage angemeldet ist, gehört, den Klager, wenn er noch anwe
send, sofort mündlich, sonst schriftlich darüber bescheiden, allenfalls auch das
Schriftstück an die kompetente Behörde senden;
2) wenn die Inkompetenz nicht klar erhellet, und s) der auswärts wohnende Klä
ger, welcher zum Protokoll die Klage anmeldet, noch auf dem Gericht gegen
wärtig ist, diesen sofort mündlich an einen Deputirten verweisen, damit derselbe
die Klage bald oder in einem zu verabredenden Termin aufnehme; und b) auf
andere protokollarische oder schriftliche, von der Partei selbst oder einem Man
datar geschehene Anmeldungen einen Dezernenten ernennen, in so fern nicht der
prüfende Kommissarius zugleich Dezernent bleibt.
Der Dezernent prüft zunächst ss) die Kompetenz des Gerichts. Ist der Ge
richtsstand nicht begründet, so wird Kläger durch schriftliche Resolution an den
gehörigen Richter verwiesen; Kb) im andern Falle wird die Einreichung oder
Aufnahme der Klage verfügt, je nachdem das Gericht mit Rücksicht auf die
Person des Klägers und des Gegenstandes, oder mit Rücksicht darauf, daß Klä
ger einen Bevollmächtigten gewählt, oder verlangt und erhalten hat, das eine
oder andere für zweckmäßiger hält. Sollte schon das Klageanmeldungsgesuch
oder Protokoll eine vollständige Klage enthalten, so wird es als wirkliche Klage
behandelt. — Wird der Partei oder dem Bevollmächtigten die Einreichung
der Klage aufgegeben, so wird ihm zugleich eine Frist, und die Warnung gestellt:
daß beim Nichteingang der Klage innerhalb der Frist die Klageanmeldung aus
Kosten des Klägers weggelegt wird. — Erscheint die Aufnahme der Klage
zum gerichtlichen Protokoll zweckmäßiger, so wird gleichzeitig vernünftig
beurtheilt: ob dieselbe durch einen Deputirten an gewöhnlicher Gerichtsstelle,
oder durch einen Kommissarius am Wohnorte des Klägers, oder an einem drit
ten Orte') erfolgen solle. In der hierauf an den Kläger oder dessen Vertreter
ergehenden Vorladung wird demselben der angesetzte Termin, der Ort der Ab
haltung, und der Deputirte oder Kommissarius bekannt gemacht, und ihm eröff
net, daß bei seinem Ausbleiben die Sache auf Kosten des Klägers weggelegt
wird. — Beim Nichteingang der Klage innerhalb der Frist, oder beim Ausblei-
und namentlich in Bezug auf den Einwand der Verjährung von Einfluß sein.
Nach z. SSI, Tit. 9, I. A. L. R. wird die Verjährung durch Nichtgebrauch
durch die Klageanmeldung unterbrochen. Kann ein Gesuch als solche nicht
erachtet werden, so wird die Unterbrechung bezweifelt werden müssen. Der
Richter wird daher ein solches Gesuch vervollständigen lassen müssen, wenn die
Vervollständigung vor Ablauf der Verjährungsfrist geschehen kann, während die
Klageaufnahme über diese Frist hinausgeschoben werden würde. Für den Fall,
^ daß Jemand Behufs Unterbrechung der Verjährung dem Richter seinen Anspruch
blos anzeigt, sich aber das weitere Verfahren verbittet, ordnet das Rescr. vom
22. Jan. 1841 (I. M. B. S. 6S) an, daß dem Kläger eröffnet werde: seine
Änzeige genüge zur Unterbrechung der Verjährung nicht, weshalb er eine voll
ständige Klageanmeldung nach Vorschrift §. 2, Tit. 4 Pr. O. einzureichen, oder
sich zur Aufnahme einer vollständigen Klage einzufinden habe. Ob er dann
die Sache liegen lassen wolle, bleibe mit Rücksicht auf die desfallsigen rechtlichen
Folgen seiner Beurtheilung allein überlassen.
') Dies namentlich bei Krankheit des Klägers, oder, wenn es zur Aufnahme der
vollständigen Klage wesentlich aus Ansicht des Prozeßgegenstandes, dessen Lage
«der Beschaffenheit ankommt.
ben im Aufnahmetermin wird demnächst die gestellte Warnung realisirt. —
Wohnt Kläger in einem andern Gerichtsbezirk, so wird, wenn die Aufnahme
der Klage zum gerichtlichen Protokoll zweckmäßig erscheint, das betreffende Ge
richt darum ersucht. — ec) Jede zur Unterbrechung der Verjährung geeignete
Klagcanmeldung muß, auch wenn sie keinen Prozeß zur Folge hat, mit der
darauf erlassenen Verfügung der Gegenpartei mitgetheilt werden. — A. G O.
I. 3, z. 7; I. 4, Z. 4—24; l. 5, §. 3. — Allg. Verf. vom 20. Juli 1843.
I. M. B. S. 204.
Z. Von Einziehung der Information zur Klage und deren Auf
nahme resp. Anfertigung.
Z. 5t. I. Derjenige, welcher eine Klage zu Protokoll nehmen oder anfertigen
soll, hat
1) das Forum zu prüfen, d. h. er muß untersuchen, ob der Beklagte nach seiner
Person und seinem Stande, oder die Sache nach ihrer Beschaffenheit, vor das
Gericht, wo die Klage angemeldet worden, wirklich gehöre, oder ob der Beklagte
besonderer Bestimmung zufolge vor einer andern Instanz Recht zu nehmen habe.
Finden sich Zweifel, so muß Kläger zu deren Aufklärung veranlaßt werden.
2) Er muß den Kläger über etwaige Litispendenz, d. h. darüber fragen, ob wegen
des Gegenstandes, weshalb er klagen will, nicht bereits bei einem andern Ge
richte ein Prozeß anhängig, und darin schon Vorladung ergangen sei; auch wenn
dies wäre, warum er die Sache dort nicht fortsetzen wolle. Darüber, ob Prä
vention durchgreifend, bestimmt demnächst das Gericht durch Verfügung.
3) Es muß vom Kläger das Objett der Klage, besonders wenn es dabei auf kör
perliche Dinge ankommt, nach Lage, Grenzen, äußerer Form und Gestalt, Maß
und Gewicht und nach den übrigen Umständen, wodurch die Sache sich von
andern ähnlichen unterscheidet, genau und deutlich bestimmt werden, um in der
Folge allem Mißverständnisse, Jrrthum und Zweideutigkeit vorzubeugen. ' )
4) Ferner muß der Kläger zur ausführlichen Erzählung der Thatsachen, des Han
dels oder Vorgangs, worauf er seinen Anspruch gründet, nach allen Haupt-
und zur Erläuterung dienenden Nebenumständen vermocht werden, so daß so
gleich übersehen werden kann, wovon eigentlich die Rede ist, und wie durch die
vorgetragenen Thatsachen der Anspruch des Klägers begründet werden solle,
(speeies tscti).
5) Kläger muß ausdrücklich darüber vernommen werden, worauf sein Anspruch
eigentlich gehe, und wie weit er sich erstrecke, ob er z. B. nur Kapital, ob«
auch Zinsen, und aus welchen Gründen, fordere. (Petitum).
ü) Es ist auf Berichtigung des Legitimationspunktes Bedacht zu nehmen. 2)
Demzufolge muß z.B. der Bevollmächtigte zur Beibringung der Vollmacht, der
Vormund «der Kurator zur Beschaffung des Tutoriums oder Kuratoriums, und
wo es erforderlich, des obcrvormundschaftlichen Approbationsdekrets, der Zessio-
narius zum Ausweis der Zession; der Erbe zur Bescheinigung seines Erbrechts,
1) Klagt Jemand eine Waarenschuld ein, so genügt es nicht, wenn auf eine an
geblich dem Beklagten bereits zugestellte Rechnung Bezug genommen und diese
edirt verlangt wird. Es kann die Beibringung einer Rechnung oder doch
nähere Angabe der verkauften Waaren verlangt werdm. — Ls. Res«, vom
«. Mai 1832 in Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 156.
2) In manchen Fällen lcgitimirt das Gesetz; dann ist die nähere Angabe des durch
dos Gesetz vorausgesetzten Verhältnisses nöthig. So z. B. ist die QuSstur der
berliner Universität zur Einklagung gestundeter Honorare aus den ihr darüber
ertheilten Reversen allein gesetzlich legitimirt. — Cab.-Ord« vom 4. Februar
1Si4. GS. S. öS.
sofern dies nicht notorisch ist, angehalten werden. Diese Bescheinigung des Erb
rechts erfolgt bei Testamentserben durch Beibringung des Testaments und der
Publikationsverhandlung, bei Vertragserben durch Beilegung des Vertrages und
Nachweis des Todes des Erblassers, wenn derselbe nicht bekannt ist; bei gesetz
lichen Erben durch Beschaffung eines gerichtlichen Erbeslegitimationsattestes.
Ist Kläger nur zu einem gewissen Theile Miterbe, so muß er zugleich durch
Beibringung des Erbtheilungsvertrages, oder des über den eingeklagten Anspruch
lautenden Dokuments, oder der Vollmacht von den übrigen Miterben nachweisen,
daß er zur alleinigen Anbringung der Klage legitimirt sei. — Übrigens ist ein
ganz vollständiger, und bis zur vollkommen rechtlichen Gewißheit gebrachter
Nachweis des Erbeslegitimationspunktes bei Anbringung der Klage nicht durch
aus nothwendig, sondern hinreichend, wenn nur Kläger den Grund seiner Legi
timation bestimmt angiebt, die darüber in seinen Händen befindlichen schriftlichen
Beweismittel vorlegt, und in Ansehung derer, welche er nicht sogleich vorlegen
kann, bestimmt anzeigt, worin sie bestehen, und wie sie erforderlichen Falls her
beizuschaffen sein werden. 2)
7) Ergiebt sich aus dem Vortrage des Klägers, daß er in Betreff des Streit
objekts mehre Theilnehmer hat, und ist: «) jenes theilbar, so muß Kläger
angehalten werden, entweder nur seinen Antheil einzuklagen, oder von den Mit
interessenten Vollmacht zur Einklagung des Ganzen beizubringen, oder die ihm
von selbigen geschehene Abtretung des Ganzen nachzuweisen, b) Ist dasselbe
seiner Natur nach untheilbar, so muß dies im Protokolle bemerkt werden. Bei
Bestimmung über die Einleitung der Klage wird demnächst zugleich mit Rück
sicht darauf: ob die zu einem solchen untbcilbaren Objekte gehörenden mehreren
Interessenten Mitglieder einer Korporation oder Gemeinde sind, oder ob ihr
Miteigenthum aus einem Vertrage oder unmittelbar aus dem Gesetze entsteht,
beurtheilt, in wiefern der zur Klage sich meldende Theilnehmer allein zum Pro
zesse verstattet, oder bis zum Beitrit der übrigen Theilnehmer zurückgewiesen
werden muß. «)
8) Ebenso muß geforscht werden, ob von Seiten des Beklagten mehre Theil
nehmer sind, und ob Kläger sie insgesammt, oder nur einen oder etliche in
Anspruch nehmen wolle. — Ist das Streitobjekt theilbar, und Kläger belangt
den einen Mitinteressenten nur auf dessen Antheil, so hat es dabei sein Bewen
den. — Fordert er aber das Ganze, oder ist die Sache ihrer Natur nach un
theilbar, so muß er entweder besondere Gründe, warum der in Anspruch ge-
1) Dies Attest ertheilt in der Regel dasjenige Gericht, unter welchem Erblasser
beim Ableben seinen persönlichen Gerichtsstand hatte. Ist dieser im Auslande
gelegen, und im Jnlande, wo Erblasser Grundstücke besaß, ein Erbeslegitima-
tioneattest nöthig, so muß, wenn das ausländische Nachlaßgericht dessen Er-
theilung verweigert, das inländische Gericht der vom Erblasser zurückgelassenen
Grundstücke sich der Erbeslegitimationsführung hinsichtlich der Erbfolge in
dies unbewegliche Vermögen unterziehen, und demnächst ein Erbeslegitimations-
' attest ertheilen. — ck. Res», vom 7. Dec. 184«. I. M. B. 1841, S. 71.
2) Ist ein Prozeß, der ermangelnden oder nicht vollständig geführten Legitimation
ungeachtet, einmal zur Instruktion eingeleitet, so kann die nachzuholende Aktiv
legitimation nicht unter der Warnung der Aktenweglegung, sondern nur unter
der Warnung des Kontumazialverfahrens und demnächstigen Erkenntnisses auf
gegeben werden. — Rescr. vom 1«. Dec. 1814. Jahrb. 4, S. 207. Gr äff
2, S. S7.
») Ein einzelnes Mitglied einer Gemeinde kann aus eigenem Rechte gegen eine
Person, die von der Korporation als Mitglied nicht anerkannt wird, auf Lei
stung von Beiträgen zu den Gemeindelasten nicht klagen. — Erkenntniß vom
12. Ott. 1S37 in Koch's Arch. 3, S. 220. , ^ . ^
97
nommene Interessent für das Ganze zu haften schuldig sei, anführen; oder er
muß bedeutet werden, seine Klage gegen sämmtliche Interessenten zu richten. —
Mit Rücksicht auf Nr. 7 und 8 ist eine Sache für untheilbar zu achten, wenn
sie einem von mehren Interessenten nicht zu Statten kommen kann, ohne zu
gleich den übrigen gewährt zu werden, oder von sämmtliche» Interessenten ge
leistet werden muß, wenn sie dem Gegentheile zu Statten kommen soll, wie z. B.
Grundgercchtigkeiten.
9) Falls die Zuziehung dessen, von welchem die streitige Sache oder Forderung an
den Kläger gediehen ist, des Auktors, zur ferneren Verhandlung vom Kläger
ausdrücklich verlangt wird, oder auch nothwendig und rathsam erscheint, muß
nach demselben geforscht werden.
1V) Ferner muß untersucht werden, ob die Klage rechtzeitig angestellt sei. (Ob nicht
etwa die exeptio plus Petition is tempore zustände). Findet sich, daß
Kläger damit noch eine gewisse Zeit oder Begebenheit abwarten müsse, >) so
muß er dahin bedeutet werden, oder er muß Gründe, warum er zu warten nicht
verpflichtet, angeben. Eine Ausnahme findet statt bei den Kündigungsklagen.
11) Ebenso ist es zu halten, wenn sich findet, daß Beklagter dem Kläger erst
in suusiäium verhaftet, und also den Rechten nach zufördcrst der Prinzipal-
schuldncr in Anspruch zu nehmen sei. Kläger ist dann an diesen zu verwei
sen, sofern er nicht besondere Ursachen angeben kann, weswegen er, mit Über
gehung des Haupischuldners, sich sogleich an den Nebenschuldner oder Bürgen zu
halten berechtigt sei. 2) (exceptio excussioni» et orliims).
12) Ist die Sache von der Art, daß vom Kläger Kaution gefordert werden könnte,
(es. unten Tit. 9, 5,1b L), so muß er gefragt werden, wie er sie zu bestellen
gedenke.
13) Bei jedem vom Kläger behaupteten, und irgend erheblich erscheinenden Umstände
müssen für den Leugnungsfall Beweismittel angegeben oder beigebracht wer
den. Beruft sich Kläger a) auf Zeugen, so muß deren Namen, Stand und
Aufenthalt, auch, von welchem Umstände eigentlich jeder derselben, falls mehre
benannt sind, Wissenschaft haben solle, vermerkt werden; Ii) beruft er sich auf
Dokumente, so müssen sie im Original oder in getreuer Abschrift ?) beigebracht
werden. Bezieh« sich diese Dokumente auf andere, so muß Kläger, falls letztere
zur vollständigen Übersicht der Thatsache nöthig, auch diese beschaffen. Besitzt
Kläger die Urkunde gar nicht oder doch nicht das Original, so muß er sie im
ersteren Falle genau bezeichnen, ob sie ein Kontrakt, Brief, Testament, Protokoll
?c. sei; er muß ferner so genau und bestimmt, als es ihm möglich, angeben,
was daraus in Bezug auf die vorliegende Thatsache entnommen werden solle;
> ) So z. B. müssen die Mitglieder der Schützcnkompagnie zu Goldberg, bevor sie
gegen ein anderes Mitglied wegen Beleidigung beim ordentlichen Richter kla
gen, vorerst das Ehrengericht um vergleichsweise Beseitigung der Sache an
treten. — 8. 4 des Stat. vom 31. Jan. 1842, bestätigt am 13. April 1842.
I. M. B. S. 179.
2) Der Bürge kann vor dem Hauptschuldncr belangt werden: I) wenn der Haupt
schuldner auf Anhalten anderer Gläubiger zum Arrest gebracht, oder 2) wenn
bei Exekutionen auf Instanz anderer kein Erekutionsobjekt bei ihm gefunden
wird; 3) wenn der Bürge sich ausdrücklich als Selbstschuldner verpflichtet, oder
dem Einwände, daß der Hauptschuldner zuerst belangt werden müsse, gehörig
entsagt hat; 4) wenn der Hauptschuldner nicht mehr in den kgl. Landen belangt
werden kann; 5) wenn der Hauptschuldner durch richterliches Urtel zu län
gcrem als einjährigem Indult verstattet worden; 6) wenn über desselben Ver
mögen Konkurs eröffnet ist. — A. L. R. i. 14, K. 284, 297 — 300.
») Dies brauchen nicht vjdimirte Abschriften zu sein. — er. A. G. O. I. 5,
K. 17, Nr. 2.
98
in beiden Fällen aber muß Kläger denjenigen nennen, in dessen Händen das
Original sich befindet, auch angeben, woher cr wisse oder vermuthe, daß der
Angegebene das Dokument wirklich hinter sich habe, o) Beruft Kläger sich auf
des Beklagten eigenes Gcständniß, so sind Zeit und Umstände, unter denen es
abgegeben, ob es schriftlich oder mündlich abgegeben, wer dabei zugegen gewefen,
oder sonst Wissenschaft davon haben könne, zu erforschen. S) Fehlen dem Klä
ger andere Beweismittel, so ist er zu befragen, ob er sich des Eides bedienen
wolle, >) und zugleich sind ihm die Folgen dieses Beweises bekannt zu machen.
14) Auch über etwaige, dem Beklagten zustehende, nach der Natur des Geschäfts und
sonst zu vermuthende Einwendungen, namentlich, ob die einzuklagende For
derung durch Zahlung, Vergleich, Abrechnung ,c. getilgt, oder durch ein darüber
ergangenes rechtskräftiges Urtel abgethan sei; ob etwa dem Beklagten eine Ge
genforderung, wodurch die Forderung des Klägers aufgehoben werden könnte,
zustehe, ob Beklagter sich mit der Verjährung schützen möchte, und dergl. muß
Kläger gefragt, und darüber gehört werden, waS er von den etwa einzuwen
denden Thatsachen einräume oder leugne, oder was für Thatsachen cr entgegen
setze, und womit er diese darzuthun gedenke. —
Steht einem einzuklagenden Anspruch die Extinktivverjährung 2) entgegen, so
muß, um in Betreff dieses Anspruchs die Klage zu begründen, die durch die
2) BeiJnjurienZlagen fällt dies weg, da in Jnjuriensachen Eideszuschiebung unzulässig.
2) Diese Verjährung trit durch Nichtgebrauch des Rechts innerhalb der gesetzlichen
Frist ein, und bewirkt die rechtliche Vermuthung, daß die ehemals entstandene
Verbindlichkeit in der Zwischenzeit auf eine oder die andere Art gehoben wor
den. — z. 502 und 8. 5S8, Tit. 9, I. A. L. R. — Der Gegenbeweis zur
Beseitigung dieser Vermuthung kommt in neuerer Zeit häufig vor, da durch
neuere Gesetze in Betreff sehr vieler Ansprüche kürzere Verjährungsfristen ein
geführt sind. Es verjähren nämlich mit dem Ablaufe von zwei Jahren die
Forderungen :
j) der Fabrikunternehmcr, Kaufleute, Krämer, Künstler und
Handwerker für Waaren und Arbeiten, ingleichcn der Apotheker für
gelieferte Arzneimittel. — Ausgenommen hiervon find solche Forderungen,
welche in Bezug auf den Gewerbebetrieb des Empfängers der Waare oder
Arbeit entstanden sind;
2) der Fabrikunternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und
Handwerker, wegen der an ihre Arbeiter gegebenen Vorschüsse;
3) der öffentlichen und Privat-Schul- und Erziehungs-, sowie der
Pensions- und Verpflegungs-Anstalten aller Art für Unterhalt,
Unterricht und Erziehung;
4) der öffentlichen und Privatlehrer hinsichtlich der Honorare, mit Aus
nahme der bei den Universitäten und andern öffentlichen Lehranstalten regle
mentsmäßig gestundeten;
5) der Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen, Tagelöhner u. anderer
gemeiner Handarbeiter wegen rückständigen Lohns;
L) der Fuhrleute und Schiffer hinsichtlich des Fuhrlohns und Frachtgeldes,
sowie ihrer Auslagen;
7) der Gast- und Speisewirthe für Wohnung und Beköstigung.
Mit Ablauf von vier Jahren verjähren die Forderungen:
t. der Kirchen, der Geistlichen und anderer Kirchcnbeamten we
gen der Gebühren für kirchliche Handlungen;
2. der Kommissarien öffentlicher Behörden, der Justizkommissa-
rien und gerichtlichen Anwälte, der Notare, der Medizinalperso
nen mit Ausschluß der Apotheker, der Feldmesser und Kondukteure, der
Auktionskommissarien, der Mäkler, und überhaupt aller der Personen,
welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt oder zugelassen
sind, oder sonst aus der Übernehmung einzelner Arten von Aufträgen ein Ge
werbe machen, sowie der Zeugen und Sachverständigen wegen ihrer Ge
bühren, und Auslagen 5
SS
Verjährung begründete Bermuthung der inzwischen erfolgten Tilgung durch
vollständigen Gegenbeweis widerlegt werden. Dieser Gegenbeweis muß
darauf gerichtet werden: „daß der Beklagte, wenn er von dem Einwände der
Verjährung Gebrauch machen sollte, sich unredlicher Weise und gegen besseres
Wissen von seiner noch fortwährenden Verbindlichkeit, der Erfüllung derselben
entziehen wolle." Doch kann über diesen Umstand selbst der Eid nicht angetra-
gen werden, da die Eidcsdelation »ur über Thatsachcn zulässig. Vielmehr
muß der Gegenbeweis auf Thatsachcn gerichtet werden, aus denen der Richter
die vollständige Überzeugung schöpfen soll, der Beklagte befinde sich wirklich im
unredlichen Glauben, und habe die Absicht, sich gegen besseres Wissen der Erfül
lung seiner Verbindlichkeit zu entziehen.
15) Der zur Aufnahme oder Anfertigung der Klage Beauftragte muß nach Mög
lichkeit die Wahrheit der, der Klage zum Grunde liegenden, Thatsachen zu er
forschen suchen; den Kläger auf die sich ergebenden UnWahrscheinlichkeiten, sowie
auf die gegen die angegebenen Beweismittel etwa erscheinenden Bedenken auf
merksam machen, und wenn aus den entwickelten Thatsachcn mit Gewißheit oder
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß die Klage zurückgewie
sen werden dürfte, den Kläger darüber, sowie über die nachtheiligen Folgen des
muthwilligen Prozcssircns bedeuten.
ll. Erfolgt die Aufnahme der Klage durch einen Gerichtsdeputirten , so wird
über die gemäß I. 1 —15 erfolgte Jnformationseinziehung in weitläuftigen und ver
wickelten Sachen ein Protokoll aufgenommen, und auf Grund desselben demnächst
ein Klageprotokoll niedergeschrieben. In gewöhnlichen Sachen erfolgt sofort die
Niedcrschreibung des KlagcprotoZolls, und ist dann ein besonderes Jnsormatlonspro-
tokoll nicht nöthig. Die sud I. Nr. 15 erwähnten Bedeutungen gehören im letztern
3. der Haus- und Wirthschaftsoffizianten, der Handlungs
gehilfen, und des Gesindes an Gehalt, Lohn und andern Emolunnntenz
4. der Lehrherrn hinsichtlich des Lehrgeldes;
5. wegen der Rückstände an vorbcdungenen Zinsen, an Mieths-
und Pachtgeldern, Pensionen, Besoldungen, Alimenten, Renten
und allen andern zu bestimmten Anten wiederkehrenden Abgaben und Lei
stungen, es mag das Recht im Hupothekenbuche eingetragen sein oder nicht;
6. wegen Rückständen von direkten od. indirekten Staatsfteuern;
7. wegen Rückständen von öffentlichen Abgaben, welche an Gemein
den und Korporationen, fowie an ständische Kassen zu entrichten, oder als Pro«
vinzial-, Bezirks-, Kreis - oder Gemeindelasten, oder zur Unterhaltung öffent
licher Anstalten aufzubringen sind;
8. wegen Rückständen von Abgaben, die in Folge einer vom Staate
besonders verliehenen Berechtigung an Privatpersonen zu entrichten find, als :
Wege- und Brückengelder u. s. w.;
9. auf Erstattung ausgelegter Prozeßkosten von dem dazu verpflich
teten Gegner;
10. auf Nachzahlung der von den Gerichten, Generalkommissionen, Reo!-
sionskollcgien und Verwaltungsbehörden gar nicht oder zu wenig eingeforderten
oder auf Erstattung der an dieselben zu viel gezahlten Kosten , mit Einschluß
der Porto- und Stempelgefälle; ausgenommen bleiben jedoch die Wcrthftempel,
welche mehr als ein Prozent betragen, oder zu Verträgen und Schuldverschrei
bungen zu verwenden sind.
Diese zwei- und vierjährige Verjährung beginnt mit dem letzten Dccember
desjenigen Jahres, in welches der Aahlungstag fiel, und weNn ein solcher nicht
festgesetzt ist, in welchem die Forderung entstanden; bei gerichtlichen Kosten,
Stempeln und Portogefällen, in welchem das gerichtliche Verfahren, Prozeß,
Untersuchung beendet war, und bei Gebühren und Auslage», die einer Festsez-
zung bedürfen, des Jahres, in welchem die Liquidation zur Festsetzung einge
reicht werden konnte. — Ls. Ges. vom »1. März 183«. GS, S. 249. —
Ges. «om 18, Juni 1840. GS. S. 14« fg.
7^
100
Falle nicht ins Klageprotokoll. Sie können allenfalls an der Seite desselben oder
in der Anzeige des Deputirten angegeben werden.
Der Bevollmächtigte oder Assistent nimmt zu seinen Manualaktcn ein Jnfor-
mationsprotokoll auf. Zieht er aber die Information durch Schriftwechsel ein, so
vertrit dieser das Jnformationsprotokoll. Jeder Bevollmächtigte muß vor Anferti
gung der Klage ganz vollständige Information einziehen, damit im Laufe des Pro
zesses wegen Mangels derfelben kein Aufenthalt entsteht. Kann ein Bevollmächtigter
vom abwesenden Machtgeber, dem es an Kenntnissen und Einsichten, oder an der
Gabe sich deutlich und bestimmt auszudrücken, fehlt, nicht die nöthige Information
erlangen, so kann er beim Gericht darauf antragen, daß dieses das betreffende Ge
richt um Vernehmung des Klägers ersuche. — Auf Grund des Jnformationspro-
tokolls «der der geführten Korrespondenz muß dann der Bevollmächtigte oder Assi
stent die Klage entweder selbst anfertigen, oder zum gerichtlichen Protokoll geben.
III. Etwaige Anstände, welche die gehörige Begründung der Klage hindern,
namentlich s) wenn über die Kompetenz des Gerichtsstandes, wo die Klage ange
bracht werden soll; b) über die von einem andern Richter sich angemaßte Präven
tion; oder c) über die Legitimation des Klägers zur Sache noch ein Bedenken ob
waltet; oder 6) wenn sich findet, daß nur durch Borladung und Vernehmung des
Auktors des Klägers, von welchem die streitige Sache oder Befugniß an ihn gedie
hen ist, vollständige Information erlangt werden kann; oder e) wenn Kläger sich
in der Hauptsache auf ein Dokument bezieht, wovon er weder Original noch Ab
schrift in Händen hat, und dessen Herausgabe vom Beklagten oder einem Dritten
fordert,') müssen vor Aufnahme refp. Anfertigung der Klage befeitigt werden.
IV. Findet der mit Aufnahme oder Anfertigung der Klage Beauftragte, daß
die Forderung des Klägers sich zur rechtlichen Erörterung nicht qualifizire, wenn
«amentlich s) der Anspruch nach den Gesetzen gar nicht begründet wird, oder K)
ein dem Kläger entgegenstehender, von ihm zugestandener Einwand sein ganzes
Recht aufhebt, oder «) wenn die Sache nicht vor dieses, sondern ein anderes Ge
richt gehört, oder 6) wenn ein anderer Richter bereits eine rechtmäßige Präven
tion ausgeübt hat, oder e) wenn die Klage zu früh angestellt wird ,c.: — so muß
er den Kläger darüber bedeuten. Beharrt er auf der Klage dennoch, so muß jener
das aufgenommene Protokoll oder die angefertigte Klage dem Gericht zur Verfü
gung einreichen. — A. G. O. I. 5, Z. 1—16. — Allg. Verf. vom IS. Oct. 1841.
I. M. B. S. 307.
c. Vom Inhalt der Klage.
Z. 52. I. Jede Klage, sie mag zum gerichtlichen Protokoll gegeben oder ein
gereicht werden, muß enthalten:
1) eine deutliche, vollständige und zusammenhängende Erzählung der Khatsache, auf
welche Kläger seinen Anspruch gründet. Bei dieser Erzählung muß die erfor
derliche Vollständigkeit mit einer bündigen Kürze verbunden sein, und Umstände,
welche Nicht zur Sache gehören, oder zur Aufklärung ihres Zusammenhangs
Nichts beitragen, müssen wegbleiben. Auch weitläuftige juristische Ausführungen,
serner die gemäß K. S1, I. 15 gemachten Remonstrationen, und die über ver-
«mthliche Einwendungen eingezogenen Nachrichten gehören nicht in die Klage.
Ähatsachen und Umstände aber, welche in den vollständigen Zusammenhang der
') Dies ist nur dann ein die Aufnahme der Klage hindernder Anstand, wenn
Kläger den Inhalt des Dokuments nicht kennt, und dessen Kenntniß zur Be
gründung der Klage wesentlich nöthig ist. Kennt Kläger den Inhalt des Do
kuments, so hindert der Nichtbesitz nicht die Anbringung und Einleitung der
Klage, wenn nur daxin ein Mtivixtes. Editionsgesuch enthalten.
IUI
Geschichtserzählung von dem zum Grunde der Klage liegenden Geschäfte gehören,
sind aufzunehmen, wenn auch daraus ein Einwand oder eine Gegenforderung
des Beklagten zu folgern sein möchte. Solche Thatsachcn dagegen, welche auf
ein ganz anderes und verschiedenes, mit dem Fakto der Klage in keiner Verbin
dung stehendes Geschäft sich beziehen, müssen aus der Klage fortbleiben.
2) Sic muß ferner enthalten eine vollständige und bestimmte Anzeige «der Beifü
gung der zum Beweise dieser TKatsache vorhandenen Mittel, in Gemäßheit des
§. 51, I. Nr. lZ.
3) Muß ein der Sache und der Absicht des Klägers gemäßer, deutlicher und be
stimmter Antrag hinzugefügt werden, aus welchem mit hinlänglicher Gewißheit
entnommen werden kann, was eigentlich Kläger vom Beklagten fordert. — Will
Kläger aus der vorgetragenen Thatsachc etwas Andres oder Mehrcs herleiten,
als daraus nach der Meinung dessen, der die Klage aufnimmt, gesetzlich gefolgert
werden kann; so muß, wenn Kläger sich nicht bedeuten läßt, der Antrag der
Klage selbst nach dem Verlangen des Letztern abgefaßt werden.
II. Ein Kläger kann mehre an einen Beklagten ihm zustehenden Forderun
gen, gleich viel, ob dieselben aus einem Hauptgeschäft, oder aus mehren Geschäften
oder Thatsachen erwachsen, dann in ein und derselben Klage zusammenfassen, wenir
sie s) zu einerlei Gerichtsstand, und K) zu einerlei Art des Prozesses gehören.
Diese mehren Forderungen müssen sodann in einem Prozesse instruirt, und es muß
darüber in einem Erkenntnisse geurthcilt werden. Doch muß zur Vermeidung von
Verwirrungen, und so viel es nöthig und möglich, jeder Punkt oder jede Forderung
in besonder« Protokollen verhandelt, und jedem Protokoll das, was den speziellen
Gegenstand desselben angeht, z. B. die dazu gehörigen Urkunden, Zeugenaussagen
u. s. w. unmittelbar beigefügt werden. Auch müssen die Klagepunkte entweder
schon bei Aufnahme der Klage oder spätestens bei Entwurf des »tst»» csusse «t
contrnverüise so geordnet werden, daß die, von deren Entscheidung die Aburtelung
andrer abhängt, zuerst, und die mit einander in näherer Verbindung stehenden un
mittelbar nach einander vermerkt werden.
III. Sowohl die Thatsachen, welche zur Entscheidung der Frage des Besitzes,
als die, welche zur Entscheidung der Frage des wirklichen Rechts gehören, können
und sollen zugleich in einer Klage aufgenommen, und es muß dann zugleich über
beiderlei Thatsachen instruirt, und demnächst sowohl über das Recht, als über dir
etwaigen Folgen des Besitzes nach der verschiedenen Qualität desselben entschieden
werden.') Ausnahmen finden statt:
») beim s>«ss«ss«ri« summsriissim«, wo nur die Frage des Besitzes zur Sprache
kommt, und
!i) im Falle, wenn mehre Erben, z. B. ein Testaments- mit einem Intestaterben,
über das Erbrecht streiten. Hier kann neben dem Streite über das Erbrecht
ein besonderer Prozeß darüber angestrengt werden, wer inzwischen den Besitz
der Erbschaft haben soll. — A. G. O. I. 5, §. 17—19, 24—28.
v. Von deren Prüfung.
K. 53. Die aufgenommene oder eingereichte Klage wird, im crstern Falle mit
dem Jnformations-Protokoll, wenn ein solches aufgenommen worden, von der Ge-
richtsregistratur, in welche sie zu geben ist, dem bereits ernannten Dezernenten,
oder, falls ein solcher noch nicht ernannt, dem Gcrichtsdirigenten oder Präsidenten
zugestellt. Dieser ernennt im letztern Falle einen Dezernenten, an welchen die Klage
dann befördert wird. Der Dezernent prüft sie mit Rücksicht auf die Bestimmungen
') Z. B. bei Klagen auf Rückgabe eines Grundstücks kann zugleich der Antrag
auf Herausgabe der davon gezogenen Nutzungen, Pachtgelder zc. formirt werden.
I«2
z. St und 52, und hält darüber im Kollegio Bortrag. Bei der Prüfung ist, gleich
viel, über welches Objekt die Klage lautet, die größte Sorgfalt nöthig, ') um so
mehr, als die Klage die Grundlage des ganzen Prozesses bleibt, und übersehene
Mangel nicht allein später zu Weiterungen führen, sondern auch den Parteien große
Nachthcile bringen können. Die Prüfung ist hauptsächlich gerichtet:
I. darauf: ob das prüfende Gericht kompetent ist. Bei Nichtkompetenz erfolgt
die Verweisung an das kompetente Gericht;
II. darauf: ob in Ansehung der Deutlichkeit, Bestimmtheit, Ordnung oder
Vollständigkeit etwas Erhebliches zu erinnern sei. Sind in dieser Hinsicht Mängel
vorhanden, so betreffen sie;
1) entweder bloße Rebenumständc, denen noch vor Eintrit des anzuberaumenden
Termins abgeholfen werden kann, ohne daß daraus in der Instruktion selbst ein
erheblicher Aufenthalt zu fürchten wäre. Dann wird auf die Klage verordnet,
zugleich aber wegen Abhelfung dieser Mängel das Nöthige verfügt;
2) oder es find Umstände, denen nach pflichtmäßiger Beurtheilung des Gerichts
vor Einleitung der Klage abgeholfen werde» muß. In diesem Falle wird »)
wenn die Abhelfung des Mangels von dem, welcher die Klage aufgenommen oder
eingereicht hat, abhängt, diesem unter deutlicher Bemerkung des Mangels allen
falls unter Rückgabe der Klage und des Jnformationsprotokolls die Beseitigung
mit Bestimmung einer Frist aufgegeben. Dem Bevollmächtigten und Assistenten
kann für Nichtinnehaltung der Frist verhättnißmäßige Strafe angedroht werden.
Ist d) der Mangel von der Art, daß ihm ohne eigenes Zuthun der Partei nicht
abgeholfen werden kann, so wird diese schriftlich darüber bedeutet, und ihr die
Beseitigung überlassen.
III. Die Prüfung geht ferner dahin: ob die Klage auch rechtlich begründet
und zulässig sei. Qualisizirt sie sich nicht zur rechtlichen Erörterung, weil
s) durch die vorgetragene Thatsache der Anspruch nach den Gesetzen gar nicht be
gründet ist, 2) oder
d) weil ein ihm entgegenstehender Einwand, dessen Richtigkeit er nicht leugnen
kann, sein ganzes Recht aufhebt, ^) oder
e) weil ein anderer Richter eine rechtmäßige Prävention bereits ausgeübt hat,
(es. K. 36), oder
ck) weil die Streitsache durch gesetzliche Vorschrift vom Rechtswege ausgeschlossen,
<«s. oben §. 4), oder
e) weil die Klage (Kündigungsklagen ausgenommen) zu früh angestellt ist, zc.
so muß die Klage durch schriftliche Verfügung zurückgewiesen werden. Dem Kläger
steht gegen diese Verfügung der Weg der Beschwerde an die dem abweisenden Ge
richt vorgesetzte Behörde zu.
IV. Kommen in einer Klage Präjudizialfragen vor, welche die persönliche
Qualität oder das Verhältniß einer Partei gegen die andere, wovon ihre Rechte
und Obliegenheiten abhängig sind, betreffen, und die erst erörtert werden müssen,
ehe die Entscheidung der Hauptsache erfolgen kann, (z. B. wenn Jemand als Erbe
' eine Forderung des Erblassers einklagt, und ihm die Qualität eines Erben bestritten
wird :c.), so muß mit Rücksicht auf die in der Klage auseinandergesetzten Umstände,
und je nachdem die Erörterung der Präjudizialfrage oder der Hauptsache mehr oder
Auch Bagatellklagen müssen mit gleicher Sorgfalt geprüft werden.
2) I. B. bei Lotterie-, bei Spielschulden :c.
s) Z. B. es hat Jemand über ein Kapital ohne Vorbehalt quittirt, und er klagt
vorbedungene Zinsen von diesem Kapital ein, da doch gesetzlich in Folge jener
Quittung diese Zinsen für bezahlt oder erlassen zu erachten. — A. L. R. I.
II, Z. L43.
1«3
weniger weitläuftig und verwickelt zu sei» das Ansehen hat, erwogen und bestimmt
werden: ob beide Gegenstände zugleich und in einem Prozesse zur Untersuchung und
Entscheidung einzuleite», oder ob Kläger anzuweisen sei, daß er zuförderst die Prä
judizialfrage mir dem Beklagten ausmache, in welchem Falle die Instruktion der
Hauptsache bis nach günstiger rechtskräftiger Entscheidung der crftercn ausgesetzt bleibt.
V. Wenn die Klage vollständig und sonst einlcitungsfähig befunden worden,
so muß noch geprüft werden, in welcher Prozeßform darüber zu verhandeln ist. —
A. G. O.^ 5, Z. 12, 29, 3«; I. 6, j. 1—9. — Jnstrukt. vom 1. Juli 1835.
Jahrb. 4«, S. 106. Gräff 8, S. 411. — Einl. zur Jnstrukt. vom 24. Juli
1833. Jahrb. 41, S. 437. Gräff 6, S. 232.
Sechster Titel.
B«m Prozegverfahren in erfter Instanz.
Die verschiedenen Prozeßformen.
K. 54. Auf die an sich einleitungsfähige Klage wird in Gemäßhcit der Pro
zeßform, zu welcher sie sich eignet, verfugt. In den Provinzen, in welchen die
Allg. G. O. gilt, kommen nachstehende besondere Prozeßformen zur Anwendung :
I. der Mandatsprozeß;
II. der Bagatellprozeß;
III. der summarische Prozeß;
IV. das Prozeßverfahren nach der A. G. O,, und
V. das für das Großherzogthum Posen durch die Verordnung vom 9. Februar
1817 vorgeschriebene mündliche Prozeßverfahren.
Jeder Prozeß wird nach einer dieser Prozeßformen verhandelt. Auch in Betreff
der uuter Tit. 1V und 11 erwähnten Prozeßarten findet keine Ausnahme statt,
wenn auch die bei diesen zur Anwendung kommende Prozeßform gewisse besondere
Modifikationen erleidet. — L5. Einl. zur Verordn. vom 1. Juni 1833. GS. S. 37.
— Verordn. vom 9. Feb. 1817. GS. S. 37. — A. G. O. Einl. §. 35 fg., Tit.
5, l. z. 20.
Erster Abschnitt.
Allgemein« Kimmungen.
Von der Abfassung gerichtlicher in Prozessen ergehender Verfiigungen.
K. 55. I. Alle Vorladungen und Verfügungen der Gerichte in Prozessen
müssen :
1) in teutschcr Sprache,') und im Großherzvgthum Posen in Prozessen, welche in
polnischer Sprache verhandelt werde«, in polnischer und zugleich teutscher Sprache,
2) im Stil des gewöhnlichen Lebens und in deutlicher, ungekünstelter und allge
mein verständlicher Schreibart abgefaßt;
3) sie müssen von allen fremden, namentlich lateinischen und französischen Wörtern
und juristischen Kunstausdrückcn frei sein ;
') Auch in Betreff der im Auslande Wohnenden ist kein Unterschied.
10 t
4> es muß darin die Person und der Aufenthalt dessen, welchem die Verfügung
zukommen soll, so genau bestimmt werden, daß bei Bchändigung kein Jrrthum
oder Mißvcrständniß vorfallen kann;
5) dasjenige, was die Partei, resp. der Addrcssat thun oder leisten soll, muß deutlich
und positiv ausgedrückt;
b) der Zeitraum, innerhalb dessen, ingleichen der Termin, bis zu welchem der
Verordnung nachzukommen sei, muß genau bestimmt;
7) die Warnung wegen des Nachtheils, welchen der Addressat aus der unterlassenen
Befolgung der Verordnung zu erwarten hat, muß mit klaren und deutlichen
Worten beigefügt werden, ^) und
8) sie müssen korrekt und deutlich, und die Unterschrift unter denselben muß leserlich
geschrieben sein.
II. Alle gerichtlichen Verordnungen müssen auch an die richtige Person oder
Behörde gerichtet werden. Verfügungen an einen Magistrat, an ein Kollegium,
Stift, Kapitel, an eine Gemeinde oder andere moralische Person sind unter Gebrauch
des Kollektivnamens : „an den Magistrat," „das Kollegium," „die Gemeinde" :c.,
und die an die Stadtgcmeinden 2) ergehenden an den Magistrat zu addressiren.
Wird ein einzelnes Komptoir der Seehandlungssozictät aus seinen Handlungen und
Verträge», besonders in kaufmännischen Angelegenheiten, belangt, so ist die Vorla
dung an das verklagte Komptoir, wenn aber der Anspruch oder die Klage die See-
handlungssozietät überhaupt betrifft, so ist sie an das Officium 5,s« in Vertre
tung der Seehandlungssozietät zu richten. Verfügungen in Prozessen, in welche»
Rasende, Blödsinnige, bevormundete Taubstumme, gerichtlich erklärte Verschwender,
wegen minderjährigen Alters, oder sonst Bevormundete und solche, welche sowohl in
Betreff ihrer Person, als hinsichtlich der streitigen Sachen unter väterlicher Gewalt
stehen, betheiligt sind, werden an deren Vormund resp. Vater allein gerichtet. In
Provinzen, in welchen Geschlcchtsvormundschaft noch stattfindet, wird die Verfügung
an die betreffende Frauensperson allein gerichtet, und bedarf es zur Ausstellung des
Empfangsscheins keines Kurators. — Ist ein Vorzuladender verstorben, und dessen
Erben oder deren Aufenthalt noch unbekannt, so muß die Vorladung an den bereits
ernannten oder auf Antrag des Gegentheils zu ernennenden Verlassenschaftskurator
gerichtet werden.
III. Die vorgeschriebenen Kurialien dürfen weder in der gerichtlichen Verord
nung selbst, noch auf der Addresse fehlen. Demgemäß muß den Häuptern der stan
desherrlichen fürstlichen Häuser das Prädikat „Durchlaucht," den Häuptern
der standesherrlichen gräflichen Familien das Prädikat „Erlaucht;"») den
1) Bei Verfügungen an einzelne Erben cf. Z. 57, II. Nr. 11 und 13.
2) Werden sämmtliche Mitglieder einer Stadtgemeinde in Bezug auf ihr Privat-
vermögen, z. B. Behufs Beisteuer zu Kirchenbauten ic. belangt, so ist die
Vorladung nicht an den Magistrat, sondern an sämmtliche Beklagte zu erlassen.
») Im preußischen Staate angesessene fürstliche und gräfliche standesherrliche
Häuser sind: I, Fürstliche: Herzog von Arenberg, Fürst zu Bentheim-Stein
furt, Fürst zu Bentheim-Tccklenburg-Rheda, Herzog von Croy, Fürst von
Kaunitz-Rietbcrg, Herzog von Groz-Corswarem, Fürst zu Salm-Salm, Fürst
zu Salm-Kyrburg, Fürst zu Salm-Horstmar, Fürst zu Sayn-Wittgenstein-
Berleburg, Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Fürst zu Solms-Braunfels,
Fürst zu Solms-Lych und Höhen-Solms, Fürst zu Wied. — II. Gräfliche
Hauser: Graf von Stolberg-Wernigerode, Graf von Stolberg-Stolberg, Graf
von Stolberg-Roßla. — Die Instruktion vom 3«. Mai 1820 sichert den Stan
desherren auch zu, daß ihnen in amtlichen Verfügungen und Ausfertigungen
das Ehrenwort : „Herr" (Herzog, Fürst, Graf) und refp. „Frau" (Herzogin,
Fürstin, Gräfin) gegeben werde.
1U5
katholischen und evangelischen Bischöfen das Ptädikat „Bischöfliche ( erzbischöfliche >
Hochwürden" gegeben werden.
So wie aber darauf zu wachen ist, daß Jcdcr den ihm gebührenden Titel
erhält, so darf auch keine Überschreitung geduldet werden. Namentlich ist bei Er-
theilung des adlichcn Prädikats mit Vorsicht zu verfahren, und dasselbe keinem zu
geben, dem es nicht zukommt. — A. G. O. I. 7, Z. t—3, 33». Anh. §. 5t, 5«.
— Verordn. vom 16. Juni 1834, IX. GS. S. 7». — Verordn. vom 9. Febr.
1817, K. 143 fg. — Rescr. vom I. April 1815. Jahrb. 5, S. 12. Grafs, Bd.
2, S. 59. — Rescr. vom 6. Marz 1841. I. M. B. S. 11». — Res«, vom
1«. Juli 1812. Jahrb. 1, S. 232. Gräff 2, S. 16. — Cab.-Ordre vom 21.
Febr. 1832 und Beschl. des Staatsm. vom 28. April 1832. GS. S. 129. —
Cab.-Ordre vom 3. März 1833. GS. S. 29. — Cab.-Ordre vom 26. Oct. 1831.
Jahrb. 39, S. 138. Gräff 6, S. 585. — Rescr. vom 2«. Dec. 183«. Jahrb.
36, S. 293. Gräff 6, S. 257. — Verordn. vom 27. Oct. 181«. GS. S. 9.
IV. Im Mandats-, Bagatell- und summarischen Prozeß sind sämmtliche pro-
zeßleitcnde Verfügungen in der Regel durch Dekrctsabschristen, welche vom Kanzlei-
vorftande z» beglaubigen sind, an die Betheiligtcn zu erlassen. Werden litogra-
phirte Formulare gebraucht, so ist nicht nothwcndig, daß vollständige Konzepte der
selben bei den Akten verbleibe». Es genügt eine Notiz des erpedirenden Sekretairs
unter der Originalverfügung. — 8- 72 des Gesetzes vom 1. Juni 1833; §. 56 der
Jnftrukt. vom 24. Juli 1833. — Rescr. vom 7. Oct. 1833. Jahrb. 43, S. 427,
Von der Zufertigung der Vvrlcidimgcn und Verfügungen an die Parteien.
^V. Von der Ediktalladung.
§. 56. Die Zufertigung der Verfügungen und Vorladungen im Prozesse ge
schieht s) in der Regel durch Behändigung; d) ausnahmsweise durch Ediktalladung.
Von dieser soll zuerst abgehandelt werden.
I. Die Ediktalladung findet statt: 1. in den unten Tit. 1«, 11 und 12 speziel
bezeichneten Fällen, namentlich im Konfiskationsprozcsse Behufs Vorladung der dem
Aufenthalte nach unbekannten ausgetretenen Kantonisten und Deserteurs; bei Pro
vokation auf Todeserklärung; im Ehcscheidungsprozeß Behufs Vorladung des abwe
senden Ehegatten; im Liquidations- und Konkursprozeß, bei Subhastationen und im
Aufgebotsprozeß Behufs Vorladung der unbekannten Interessenten; 2. in andern
Zivilprozessen, einschließlich der Jnjurienprozesse, dann, wenn ein Vagabonde:
») gemäß g. 21 im Gerichtsstande seines letzten bekannten Wohnorts oder seiner
Geburt, und wegen Injurien im Gerichtsstände der VerÜbung derselben vorge
laden werden soll,
Ii) sein Auftnthalt unbestimmt ist, und er sich nirgends in hiesigen Landen betreffen
läßt, und
«) auch kein Vermögen im hiesigen Lande besitzt. Befindet sich für ihn Vermögen
im Lande, so muß dem Abwesenden ein Vormund bestellt werden, und es hängt
von dessen pflichtmcißigcm Befinde» und Antrage ab, in wie fern es zum Behuf
des Prozesses einer Ediktalladung des Abwesenden bedarf.
II. Das Verfahren bei den Ediktalladungen !><t 1. 1 ist für die einzelnen ge
nannten Fälle gehörigen Orts besondcrs vorgeschrieben. Für den Fall sct 1.2 gilt
folgendes :
1. Der Ertrahcnt der Ediktalladung muß nachweisen, daß der Aufenthalt des
vorzuladenden Vagabunden unbekannt sei, und er sich um dessen Ausforschung ver
geblich bemüht habe. Der Richter muß nach Beschaffenheit eines jeden Falles
reiflich erwägen und vernünftig ermessen : ob unter den Umständen, unter welchen
106
der Beklagte seinen GeburtS- «der bisherigen Wohnort «erlassen hat, und nach
Berhältniß des seitdem verlaufenen Zeitraums wirklich Gründe vorhanden sind, den
selben im gesetzlichen Sinne als einen Vagabunden aiizusehn; ') und ob die Mühe,
welche der Kläger zur Erforschung seines Aufenthalts angewendet zu haben anzeigt,
für zweckmäßig und hinreichend zu achten sei.
2. Wird eine Ediktalladung für zulässig befunden, so erfolgt deren Erlaß. In
derselben wird :
s) die Person des Klägers benannt;
d) der Grund und Gegenstand der Klage kurz angegeben;
c) der Beklagte zu einem gewissen Termin vorgeladen, und
c>) ihm für den Fall des Nichterscheinens die Warnung des weiteren Verfahrens
in «o»t»msei»m gesetzt.
Bei Abfassung der Ediktalladung ist zur Sparung der Kosten dahin zu sehen,
daß sie so kurz, als unbeschadet der Vollständigkeit geschehen kann, eingerichtet,
und alle unnöthige Weitlüuftigkeit dabei möglichst vermieden wird.
3. Der Termin wird auf drei, und wenn der letzte bekannte Aufenthalt des
Beklagten über 5« Meilen vom Orte, wo das vorladende Gericht seinen Sitz hat,
entlegen, auf sechs Kalendermonate, vom Tage des erfolgenden Aushangs gerechnet,
hinausgesetzt.
4. Die Veröffentlichung der Ediktalladung geschieht:
») durch Aushang einer Ausfertigung derselben an der Gerichtsstelle in der Art,
daß vom Aushang bis zum Termin die Frist zu 3 frei bleibt. Wird nach dem
Aushang derselbe abgerissen, oder geht er sonst verloren, so hat dies keinen
Nachtheil;
d) durch dreimalige Einrückung in die Jntelligenzblätter der Provinz, in welcher
das vorladende Gericht seinen Sitz hat; wenn aber in der Provinz keine Jntel
ligenzblätter erscheinen, in den desfallsigen Anzeiger des Regierungsamtsblatts. ,
Die Einrückung geschieht in der Art, daß von der ersten Einrückung bis zum
Termin die Nr. 3 gesetzte Frist frei bleibt, und daß die letzte vier Wochen vor
dem Termin erfolgt. 2) In den Requisitionen um Einrückung müssen daher
die Einrückungsfristen näher bezeichnet sein. — Sind bei der Einrückung Män
gel vorgefallen, welche die Zahl der Einrückung betreffen, so müssen sie durch
Rachholung des Fehlenden beseitigt werden; betrifft aber der Mangel die Ein
rückungsfristen, so ist eine Wiederholung der Ediktalladung nur dann nöthig,
wenn bei Einrückunq um mehr als 14 Tage an der vorgeschriebenen Zeit gefehlt ist.
c) Die Einrücknng in die Seitungen und andere öffentliche Blätter ist nicht we
sentlich nothwendig. Doch bleibt dem vorladenden Gericht überlassen, zu prüfen :
ob und in welche Blätter es etwa mit Rücksicht darauf, wo der letzte bekannte
Aufenthalt des Vagabunden war, nach welcher Gegend er sich gewandt, und
auf welchem Wege daher ihm zunächst die Ladung zu Gesicht kommen könnte,
die Einrückung für zweckmäßig erachte? >)
1) Ist Jemand zeitweise abwesend, z. B. ein Hausircnder, so findet die gewöhn
liche Vorladung statt.
2) Bei der zweiten Einrückung ist die Jnnchaltung einer bestimmten Frist nicht
wesentlich nothwendig. — Rescr. vom 19. O«t. 1813. Jahrb. 2, S. 49.
Gräff 2, S. 4S9.
«) Wird hiernach die Einrückung in eine preußische Zeitung für zweckmäßig er
achtet, so soll die Staats-, jetzt Allg. preuß. Zeitung gewählt werden; soll die
Einrückung in eine Wiener Zeitung erfolgm, so haben sich die Behörden an die
Redaktion der privilegirtcn Wiener Zeitung zu wenden; und kommt es auf
Einrückung in eine Hamburger Zeitung an, so ist der Hamburger unparteiische
Korrehwndent zu wählen. — Rescr. vom 18. März 1829; vom 10. D«. 1832
107
5. Für die Einrückungen in die öffentlichen Blatter sorgt in der R«gel da« ver
ladende Gericht. Dieses hat daher auch, sowie es seine Pflicht ist, zum Termin«
den Aushang, oder, wenn er verloren gegangen, die nöthige Anzeige über erfolgten
Aushang zu den Akten zu bringen, für Hcrbcischaffung der zu den Akten zu brin
genden Exemplare der Blätter, in welche die Einrückung geschehen, zu sorgen. Will
der Extrahent die Besorgung der Einrückungcn in die öffentlichen Blätter selbst
übernehmen, so kann ihm dies nicht versagt werden. Er trägt aber die Schuld,
wenn wegen eines dabei vorgefallenen Mangels die Wiederholung der Ediktalladung
nöthig wird. — Der Extrahent hat dann auch für Hcrbeifchaffung der Belags
blätter zu sorgen.
6. Erscheint Beklagter weder vor noch im Termine, so muß Kläger schwören:
daß er die von ihm angezeigten Bemühungen, um den Auftnthalt de«
Beklagten zu entdecken, wirklich angewendet, dennoch aber weder vor,
noch nach erlassener Vorladung davon Nachricht erhalten habe.
Nach der Eidesleistung wird das Kontumazialerkennrni? abgefaßt, und, statt der
Zufertigung an Beklagten, eine Ausfertigung durch 14 Tage an gewöhnlicher Ge«
richtsstclle ausgehängt.
7. Wird vor Abfassung des Kontumazialerkenntnisscs der eigentliche Aufenthalt
des Beklagten dergestalt mit Zuverlässigkeit bekannt, daß, ihm eine gewöhnliche Bor
ladung daselbst behändigt werden kann, so ist die Ediktalladung zurückzunehmen.
Bleibt es aber noch zweifelhaft: ob eine gewöhnliche Behändigung werde erfolgen
können, so muß zwar damit der Versuch gemacht, die Ediktalladung aber nicht zu
rückgenommen werden, damit, wenn jene nicht stattfindet, aus Grund der letzter»
weiter verfahren werden kann. — A. G. O. !. 7, Z. 12—47; §. 42—47 b. Anh.
§. S3, 59—61; — Tit, 36, K. 35; Tit. 37, §. 6z Tit. 50, K. 1«7 fg.; Tit. 5t,
§, 103 d, K. 112. — Rcscr. vom 18. März 1829. Jshrb. 33, S. 137. Gräff
2, S. «3. — Cab.-Ordre vom 12. August 1834. GS. S. 15«. — Versrdn. vom
5. Mai 1838. GS. S. 273.
Zweiter Abschnitt.
ZSom Mandatsprozeß.
In welchem Umfange und in welche» Fällen er stattfindet.
§. S4. I. Der Mandntsprszeß kommt in allen Provinzen zur Anwendung,
in welchen die A. G. O. Gesetzeskraft hat. Die Provinz Posen ist nicht ausge
nommen.
II. Eignet sich die eingeklagte Forderung zum Mandatsprozeß, und zugleich
auch zu einer andern Prozeßform, so geht der Mandatsprozeß vor. — Werden
mehre Forderungen in einer Klage vereinigt, von denen einzelne zum Mandats
prozeß, andere zu einer andern Prozeßform sich eignen, so wird in Betreff jener
der Mandatsprozeß eingeleitet, diese aber zu der Prozcßform verwiesen, zu welcher
sie gehören.
119
UI. Der Moncaröprozeß trit ein, ohne Unterschied de6 Strmobzekrs, oisv
bei Gegenständen unter und üb« SO Thaler in folgenden Fällen: >)
1) wegen aller Verbindlichkeiten aus einseitigen Geschäften, >) wenn die darüber
errichtete Urkunde
entweder nach §. 123, Tit. 10 der Prozeßordn. für eine öffentliche inlän«
dische Urkunde ') zu achten ist;
oder von einer inländischen öffentlichen Behörde in eigner Angelegenheit ausge
fertigt worden;
«der mit Beglaubigung der Unterschrift durch ein inländisches Gericht oder
einen inländischen Notar versehen ist;
2) wegen aller, auch aus zweiseitigen Geschäften herrührenden, Forderungen von
Kapitalien, Zinsen, und zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Leistungen, wenn
diese Forderungen ouö dem Hypothekenbuche hervorgehen, oder wenn über die
selben in Ermangelung eines «ollendeten Hypothekenbuchs eine Rekognition von
der Hypothekenbehörde ertheilt worden ist. — Die Urkunde, auf welche sich nach
Nr. t und 2 die Mandatsklage gründet, muß in der Regel in der OriginalauS-
strtigung beigefügt werden. ^) Nur, wenn rückständige Zinsen oder rückständige
Termine gewisser jährlicher aus dem Hypothekenbuche ersichtlicher Leistungen von
demjenigen, dessen Recht hierzu eingetragen ist, eingeklagt werden, und der Pro-
zeßrichter zugleich das Hypothekenbuch führt, genügt die Bezugnahme auf den
Inhalt des Letztern ohne Produktion des Hypothekeninftruments. — Die nach
1 und 2 begründeten Forderungen, einschließlich der zu bestimmten Zeiten wie
derkehrenden Leistungen, können auch vor der Berfallzeit im Mandatsprozeß
i) In den Provinzen, in welchen Kreisjustizräthe angestellt sind, können diese auch
die, gegen die in ihrem Bezirk wohnenden erlmirten Beklagten angebrachten,
Mandatsklagen, sofern daö eingeklagte Objekt 50 Thaler nicht übersteigt, das
Mandat erlassen, und wenn Einwendungen dagegen erhoben werden, die Sache
im Bagatellprozeß inftruiren und entscheiden. — Ls. Rescr. vom 25. Oct.
1S36. Jahrb. 48, S. 46«. — Berordn. vom 3«. Nov. 1833, §. 4, Nr. 4.
GS. S. 298.
1) Einseitige Geschäfte sind Hinsichts der Form solche, welche durch einseitig aus
gestellte Instrumente begründet werden; Hinsichts des Wesens solche, aus wel
chen auf Erfüllung der Verbindlichkeit geklagt Wersen kann, ohne daß der
Kläger nachzuweisen hat, daß er von seiner Seite erfüllt habe. — ö,. 189
des Anh. zur A. G. O. — Rescr. vom 8. Dec. 18Z4 in Gräff, Koch :c.
Erg. III. S. 598.
!) Öffentliche Urkunden sind die, welchen eine vorzügliche Glaubwürdigkeit um
deswillen beigelegt ist, weil die Aussteller derselben im Staate dazu bestellt
worden, dergleichen Urkunden auszustellen oder zu bekräftigen. — Z. 123, Tit.
1« Prz. O.
^) Kläger muß in der Mandatsklage alle Thatsachcn, deren Nachweis ihm ge
setzlich obliegt, durch öffentliche Urkunden nachweisen. DieS gilt auch bei For
derungen, die erst nach Kündigung zahlbar sind, in Bezug auf die behauptete
Kündigung. Doch braucht nur die Verbindlichkeit selbst durch eine inländi
sche öffentliche Urkunde festzustehen. Die übrigen beizubringenden Urkunden
brauchen nur solche zu sein, welche »ach der Prozeßordn. keiner Rekognition
bedürfen. Das Rescr. vom 12. Sept. 1835 hält es bei Mandatsklagen gegen
Erben sogar für zulässig, daß die Erbesqualität bei Anstellung der Klage nicht
durch Beibringung einer öffentlichen Urkunde bewiesen ist, daß vielmehr der
Beweis vom Kläger erst dann gefordert wird, wenn Beklagte die Erbesqua
lität in Abrede stellen. — Jahrb. 46, S. 123. Gräff 8, S. 259. — Rescr.
vom 6. Jan. 1834. Mannkopf A. G. O. Bd. 2, S. 582. Jahrb. 43,
G. 399. — Rescr. vom 11. Jan. 1837. Mann köpf a. a. O.
2) Wenn das Dokument sich bei dem Prozeßrichter in andern Akte» befindet, so
versteht eS.sich^von selbst, daß eine Bezugnahme daraus ebenfalls ausreicht.
120
eingeklagt werden. ') Doch kann dcr Antrag dann nur dabin geben, da? mit
dem Ablauf dcr Vnfallzcit Zahlung erfolge;
3) wegen Ansprüchen aus einem, die Erekution nicht mehr zulassenden (Kontuma-
zial-, Agnitions- und andern) Erkenntnisse, seit dessen Rechtskraft noch nicht
fünf Jahre verflossen sind, so wie aus den im Prozesse geschlossenen gerichtlichen
Vergleichen, welche noch nicht älter als 5 Jahre sind; ^)
4) wegen Forderungen dcr Geistlichen und andern Kirchen- und Schulbedientcn, ')
. der gerichtlichen gewählte» und Ofsizialanwalte, Rechtsbeistände und Notare, der
Feldmesser und Kondukteure für ihre Gebühren und Auslagen, wenn dicfe durch
. die vorgesetzte Behörde festgesetzt worden sind, und das Festsetzungsdekret mit dcr
Klage zugleich überreicht wird, sowie der Gerichte für ihre Gebühren und Aus
lagen. <>) In gerichtlichen Angelegenheiten können Anwälte, Rechtsbcistände,
. Rotare, Feldmesser und Kondukteure die ihnen festgesetzten Gebühren und Aus
lagen entweder bei den gcrichtlichcn Akten unter Hinweisung auf das gerichtliche
Festsetzungsdekret, oder im persönlichen Gerichtsstände des Schuldners unter
. Überreichung des Festsetzungsdekrets im Mandatsprozesse einklagen. In außer
gerichtlichen 5) Angelegenheiten können Feldmesser und Kondukteure nur im pcr-
) Darauf, wie lange vor dcr Berfallzcit die Klage angebracht wird, kommt es
nicht an, wenn die Verfallzeit nur feststeht. Bei wiederkehrenden Leistungen
ist nicht nöthig, daß Kläger bei Einklagung eine bestimme Reihcfolge beobachte.
Es ist auch zulässig, daß wegen sämmtlicher zu bestimmten Zeiten wieder
kehrender Leistungen eine Mandatsklage angebracht werde. — Lk. Rescr. vom
28. Sept. 1839.
2 ) In gewissen Fällen (z. B. wenn vergleichsweise die Zahlung erst nach 5 Jahren
erfolgen kann, oder bei Alimentenerkenntnissen) ist Exekution aus einem Er
kenntnisse oder Vergleiche auch nach 5 Jahren zulässig, obwohl auf Grund der
selben die Mandatsklage nicht mehr angestellt werden kann.
2) Dingliche und persönliche Abgaben, welche an dieselben vermöge einer allgemein
gcsctzlichen oder auf notorischer Orts- oder Bezirksverfassung beruhenden Ver
bindlichkeit zu leisten, sowie die Forderungen der öffentlichen Schul- und Erzie
hungsanstalten an Schul- und Pensionsgeld können, wenn sie laufende oder
nicht über 2 Jahr alte Rückstände sind, erekutivisch eingczogcn wcrdcn. Diese
gehören daher nicht hierher. Der Mandatsprozcß ist daher nur auf ältere
Rückstände und auf andere Gebühren und Auslagen dieser Personen anwend
bar. — llf. Eab.-Ordre vom 19. Juni 183«, und oben §. 6, Nr. 17.
Diese Bestimmung in Betreff der Gerichtsgebü'hren und Auslagcn ist durch die
Cab.-Ordre vom 17. Oct. 1833 noch suspendirt. Die Einziehung derselben er
folgt vielmehr durch Erlaß einer Zahlungsaufforderung und demnächstige ereku-
tivische Maßregeln. Nur i» Betreff der Untcrsuchungskosten muß, bevor deren
Eintragung ins Hypothckenbuch der Grundstücke des Schuldners erfolgen kann,
eine Mandatsklage vorausgehen, weil Untersuchungskosten keinen Titel zum
Pfandrecht haben, und dieser daher vorerst durch 'Mandat event. Erkenntniß
erlangt wcrdcn muß. — «s. Rescr. vom 6. Oct. 1834. Jahrb. 44, S. 444.
Rescr. vom 3. Juni 1844. I. M. B. S. 142,
5) In außergerichtlichen und außerprozessualischen Angelegenheiten sind Justizkom.
nicht gerade verpflichtet, ihre Gebühren, z. B. für Notariatsakte festfetzen zu
lassen. Sie können solche daher auch im gewöhnlichen Prozeß einklagen. Die
Festsetzung erfolgt nur entweder auf ihren eigenen, oder auf Antrag des Zab-
lungspflichtigen, und zwar: 1) wenn das fr. Geschäft eine Lehns-, Hypothe
ken-, Vormundschafts-, Nachlaß- oder Depositalangelegenheit betrifft, von dem
Richter, welchem die Regulirung der Sache gebührt; 2) in allen andern
Rechtsangelegenheiten.- s) sofern darüber Verhandlungen bei einem Gerichte
schweben, von dem Gericht, bei welchem die Sache anhängig; d) sonst vom
Obergerichte, in dessen Departement der Justizkommissarius oder Notar an
nestellt ist. — Rescr. vom 28. Mai 1843. I. M. B. S. 143. — Rescr. vom
7. Febr. 1840. I. M. B. S. 70.
12!
sönlichen For« beb Schuldner« klagen , und Juftizkommissarien und Notare ' )
können die Klage entweder bei dem persönlichen Richter de« Schuldner«, od«
bei dem Richter anbringen, welcher die Gebühren festgesetzt hat. — Dieselbe«
find zwar befugt, der Mandatsklage >) eine gerichtliche Zahlungsaufforderung
vorausgehen zu lassen; jedoch ist dies zur Begründung der Mandatsklage nicht
wesentlich nothwcndigi 5)
5) wegen Forderungen ordnungsmäßig konzcssionirtcr Privat -Schul- und Erzie
hungsanstalten an rückständigem, durch ihren Einrichtungöplan festgesetztem.
Schul- oder Pensionsgelde aus dem Zeiträume eines Jahres von Einreichung
der Klage zurückgercchnct;
6) wegen Forderungen der Medizinalpersonen und Apotheker für ihre Besuche, Ope
rationen und Arzneimittel unter gleicher Zeitbeschränkung wie aii 5. Die Liqui
dationen müssen jedoch von ärztlichen Personen ^) aller Klassen mit spezieller
Angabe der Dienstleistungen und mit Berechnung einer jeden Dienstleistung nach
den Bestimmungen der Medizinaltaxe aufgestellt, sowie die Rechnungen der Apo
theker mit den ärztlichen Rezepten und einem Festsetzungsdekrcte ^) belegt sein. —
K. 1 und §. 75 des Gcs. vom 1. Juni IM. GS. S. 37. — §. 7 d«
Jnftr. vom 24. Juli IM. Jahrb. 41, S. 437. Gräff 6, S. 232. — Cab.-
Ordre vom 17. Ott. IM. GS. S. 119. — Cab.-Ordre vom 19. Juni 1836.
GS. S. 19«. — A. G. O. I. 5, §. 24, und Rescr. vom 20. Febr. IM, in
Mann köpf A. G. O. Bd. 2, S. 65«. — Rescr. vom 6. Sept. und 7. Ott.
IM. Jahrb. 43, S. 395 u. 397. — Rescr. vom 2«. Sept. 1839. I. M. ».
S. 323. — Rescr. vom 9. Febr. 1843. I. M. B. S. 52. — Rescr. vom 2«.
März und vom 25. März 1837. Jahrb. 49, S. 188 fg. — Rescr. vom 15.
Juli 1837, in Gräff, Koch :c. III. S. 605. — Verord. vom IS. Juni 1834,
XI. GS. S. 75.
Verfügung auf die Mandatsklage.
§. 65, I. Auf die gehörig begründete Mandatsklage wird unter abschriftlich«
Mittheilung derselben ein Befehl an den Beklagten erlassen, binnen 14 Tagen, vom
Tage der Insinuation des Befehls an, entweder den Kläger klaglos zu stellen, oder
seine Einwendungen gegen die Forderung mündlich zu Protokoll oder schriftlich an
zubringen, widrigenfalls auf Antrag des Klägers und nach gehörig geschehener Be-
händigung die Exekution verfügt werden würde. Auch muß ausdrücklich bemerkt
sein, an wen Beklagter sich beim Gericht zu wenden habe, wenn er seine Einwen
dungen zu Protokoll geben wolle.
In besonderen Fallen steht dem Richter die Befugniß zu, die Frist auf 8 Tage
zu verkürzen, «der bis auf 6 Wochen zu verlängern. —
1) Ausländische Sachwalter haben in Bezug auf Einklagung ihrer Gebühren
gegen Inländer gleiche Rechte und Pflichten mit den inländischen Sachwaltern.
Ks. Rescr. vom 26. Febr. 1837. Jahrb. 47, S. 323.
2) In Betreff der den Justizkommissarien :c. im Mandatsprozesse erwachsenen
Gebühren brauchen sie nicht von Neuem im Mandatsprozesse zu klagen.
«) Die Mandatsklage ist in Betreff der Forderungen s6 4 nicht auf eine gewisse
Zeit beschränkt. Sie kann also bis zu deren Verjährung angebracht werden.
Eine Festsetzung ist bei den Forderungen der Medizinalpersoncn nicht nöthig.
Sind dergleichen Personen in gerichtlichen Angelegenheiten vom Gericht zuge
zogen worden, so haben ihre vom Gericht festgesetzten Gebühren und Auslagen
die Natur der gerichtlichen Gebühren und werden, wie diese, ohne Mandats
klage eingezogen. — Rescr. vom 6. Der. 1834, und Rescr. vom 8. April 1837
in Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 602.
s) Die Festsetzung kann durch den Kreisphysikus oder durch das Medizinalkolle-
gium erfolgen.
12s
Die Fckft selbst wird durch den Dezernenten , allenfalls auf Bortrag im Kot-
Bei Kündigung«- und überhaupt bei Klagen wegen, zur Seit der Klage noch
nicht fälliger, Ansprüche wird im Befehl die Warnung gestellt, daß Schuldner den
Kläger mit dem Tintrit der Verfallzeit befriedige, und die etwaigen Einwendungen
binnen 14 Tagen anbringe, widrigenfalls nach Ablauf der Berfallzeit ohne Weiteres
d» Exekution erfolge.
Wird mit der Mandatsklage ein Arrestgesuch angebracht, und dieses ebenfalls
fitr begründet erachtet, so wird der Arrest angelegt, und das Mandat an Beklagten
dahin erlassen: daß der beantragte und angelegte Arrest für justifizirt erachtet wor
den, und daß Beklagter gehalten, den Kläger binnen 14 Tagen klaglos zu stellen
oder seine Einwendungen gegen die Forderungen und gegen den Arrest anzubringen,
widrigenfalls es bei dem verhängten Arrest bis zur Befriedigung des Klägers ver
bleiben, und auf seinen Antrag die Exekution verfügt werden wird. — §.2 des
Ges. vom 1. Juni 1«33. — Z. 9 u. 11 der Jnstr. vom 24. Juli 183S. — Nr. 1
der Eab.-Ordre vom 17. Ott. 1SS3. — Restr. vom 1. Aug. 1834 in Mannkopf
». G. O. Bd. 2, S. SS«.
II. Sind Mehre in einer Mandatsklage belangt, so wird der Befehl nebst
Abschrift der Klage nur Einem der Beklagten zugestellt. Die übrigen Beklagten
dagegen sind hiervon unter Beifügung einer Abschrift des Befehls zu benachrichtigen.
Diese Benachrichtigung kann auch durch eine Kurrende geschehen. g. 3s des
«es. vom S. Mai 1838. GS. S. 273. — Restr. vom 2«. Febr. 1839. I. M.
B. «. 94.
III. Die Behändigung des Mandats, und im Falle sä II. auch der Abschrist
erfolgt in der Z. 57—59 vorgeschriebenen Art. Der attestirte Behändigungsschein,
welcher zu den Akten gelangen muß, dient als Ausweis. Weigert Empfänger die
Ausstellung eines Empfangscheins, so vertrit die Anzeige des mit Zustellung beauf
tragte» Beamten die Stelle dieses Nachweises. — Ediktalladung ist im Mandats
prozesse nicht zulässig.
IV. Durch Behändigung des Befehls ist die Sache als rechtssnhängig zu be
trachten. — Bald nach Eingang des Empfangscheins «der der Botenanzeige, und
ohne die im Befehl gestellte Frist abzuwarten, muß dem Kläger von der geschehenen
Behändigung und dem Tage, an welchem sie erfolgt, Kenntniß gegeben werden.^) —
K. 10 z z. 13 der Jnstr. vom 24. Juli 1833. — §. 3 des Ges. vom 5. Mai 183«.
Restr. vom 9. Dec. 1839. I. M. B. S. 424. — Restr. vom 8. Dec. 1837.
G raff, Koch :c. III. S. 596. — Z. 2 des Ges. vom 1. Juni 1833.
Bon den gegen das Mandat erhobenen Einwendungen und der
darauf erfolgenden Verfügung und Entscheidung.
§. 66. I. Gegen diesen Befehl sind nur solche Einwendungen zulässig, welche
sofort durch Urkunden, 2) Sideszuschicbung oder solche Zeugen, deren unverzüglicher
Dem Kläger wird in der Praxis häufig auch von Einleitung der Klage und Erlaß
des Mandats Kenntniß gegeben. Dies ist in der Ordnung, da jeder Kläger
von dem auf seine Klage gefaßten Beschlüsse Nachricht fordern kann, und die
unterlassene Benachrichtigung nur zu wiederholten Anfragen führen würde.
I» dem Restr. vom 2«. Febr. 1839 (I. M. B. S. 94) zu 2 ist jedoch vor
ausgesetzt, daß die Benachrichtigung von der geschehenen Behändigung des
Mandats die Stelle des Notifikatorii über Einleitung der Klage vertrete.
2) Die Urkunden müssen als« der Gegenschrift beiliegen, oder sie müssen sich beim
Prozeßrichter befinden, so daß daselbst der Einsicht kein Hinderniß im Wege
steht. — Restr. vom 26. August 1840. I. M. B. S. 292.
123
Abhörung Kin Hindermß entgegensteht, ') liquid gemacht werden kötwen. 5) —
Der Antrag des Beklagten, welcher solche Einwendungen erhebt, muß dahin gerichtet
werden, daß der Befebl ganz oder in Bezug auf den durch dm Einwand zu leseiti-
genden bestimmten Theil des eingeklagten Anspruchs aufgehoben werde. — D» d«
Einwendungen auch zu Protokoll gegeben werden können, so muß der bei jevem Ge
richt zur Aufnahme protokollarischer Gesuche ernannte Beamte oder Wochrndepurirtr
während der Amtsstundcn zu deren protokollarischen Niederschreibung bereit fttn.
,,«U. Das die Einwendungen enthaltende Protokoll oder die Eingabe ist nebst
den Akten sofort dem Dezernenten zur Prüfung und zum Bortrag im KölKgio zu»
zustellen. Sind die Einreden innerhalb der im Mandat gestellten Frist angebracht,
und haben sie die zu I. vorgeschriebene Eigenschaft, so wird die Sache zur Ber-
Handlung, und zwar bei Bagatellobjekten zur Verhandlung im Bagatellprozeß
(Abschn. 3), bei größeren Streitgegenständen aber zur Verhandlung im summari
schen Prozeß (Abschnitt 4) verwiesen. Bei kollegialischen Gerichten geht ba^er die
Sache im ersten Falle an den Bagatellkommissarius, im zweiten Falle an die mit
summarischen Prozessen beauftragte Deputation. Von beiden wird Termin zur
Instruktion über die Einreden verfügt, zu welchem beide Thcile und zugleich die
vom Beklagten genannt«« Zeugen vorgeladen werden. Den Parteien wird in der
Borladung die Warnung gestellt: daß beim Ausbleiben beider Theile die Akten auf
Kosten des Klägers weggelegt, beim Ausbleiben eines Thcils aber, je nach dem
Antrage des Erschienenen, entweder die Akten auf Kosten de« Gegners weggelegt,
oder mit Aufnahme des Beweises und fernerer Verhandlung verfahren, die vom
Erschienenen beigebrachten Urkunden als rekognoszirt angesehn, und alle streitige,
vom Nichterschienenen angeführte, mit schriftlichen Beweisen nicht unterstützte «hat»
fachen für nicht angebracht, dagegen alle vom Erschienenen angeführte und im Ter
min anzuführenden Thatsachen, denen noch nicht ausdrücklich widersprochen worden,
für zugestanden erachtet werden würden.
M. Findet der Richter den Einwand erheblich und bewiesen, so wird a«f Zu
rücknahme des Mandats erkannt. Ist der Einwand nur in Bezug auf einrn Thell
des Anspruchs erwiesen und erheblich, so geht das Srkenntnifi nur auf diese tbri«,
weise Rücknahme des Mandats. — Wird gegen ein die gänzÄch« oder rheilweiße
Rücknahme des Mandats aussprechende« Urtel appellirt, so bleibt die Exekution M
Betreff des Anspruchs, hinsichtlich dessen der Befehl zurückgenommen ist, suspendirt.
Wird der Einwand unerheblich oder unerwiesen befunden, so wird auf Bollstreckung
des Mandats erkannt, und die Appellation gegen ein solches «rtel kann die Erek
tion nicht aufhatten.
Die genannten Zeuge» müssen daher entweder zur mündlichen Verhandlung
ohne Hinderniß vorgeladen, oder vom Beklagten mit zur Stelle gebracht wer
den können. Soll dies letztere geschehe», so muß Beklagter sich in der Einre-
deschrift dazu erboten haben. Ändere Zeugen machen die Einrede nicht liquid.
— Rescr. vom 3. August 1833, und 3«. Sept. 1833. Jahrb. 4t, S. 4ö9z
43, S. 401. Gräff ö, S. 251.
>) In Betreff der Art der Einreden ist Beklagter nicht beschrankt. Er kann z. B.
den Einwand der mangelnden Legitimation zur Sache, der erfolgten Verstat
tung zum Moratorio u. f. w. machen. Bei faktischen Einreden wird jedoch
stets die Liquidität, und bei allen Einreden die rechtszeitlge Anbringung vor
ausgesetzt. Rechtseinwendungen werden, wenn sie die vorgeschriebenen Eigen
schaften haben, nicht durch Dekret zurückgewiesen, es ist darüber z« erkennen. —
Rescr. vom 2. Dec. 1U36; vom 16. Juli 1837; vom 7. Oct. 1833, vom
3«. Sept. 1833, vom 3«. Jan. 1837 und 21, Jnli 183Z in GrSff, Koch:c^
124
IV. In beiden Fällen sck III. bleibt dem unterliegenden Theile die Verfolgung
seiner Ansprüche im besondern Prozesse vorbehalten, i)
V. Eine Rekonvention, in so weit sie sich nicht zu einer Kompensationseinrede
eignet, hat nur die Begründung des Gerichtsstandes zur Folge.
VI. Einreden, welche nach Verlauf der im Mandate festgesetzten Frist vorge
bracht worden, halten die Exekution des Mandats nicht auf, sie werden vielmehr
mittels einfacher Verfügung zum Separatverfahren im geeigneten Wege des Pro
zesse« verwiesen. 2) Der Richter muß daher auf solche Einwendungen zugleich das
jenige verfügen, was erforderlich ist, um die Sache zur weiteren rechtlichen Ver
handlung in der Prozeßform, zu welcher sich die vorgebrachten Einwendungen «der
Gegenforderungen eignen, gehörig einzuleiten. —
Will der Beklagte sich in Folge der zum Scparatverfahren verwiesenen Ein
reden von der Exekution durch Depositen befreien, so muß er zugleich einen Ar
restschlag begründen. — Einreden, die in der Exekutionsinstanz zulässig sind, also
der Einwand der Zahlung, der Kompensation, des Erlasses und des Vergleichs,
können jedoch auch noch später angebracht werden, in so fern dieselben erst nach
Ablauf der im Mandate gestellten Frist entstanden sind. — g. 3, 4, 18—25 d. Ges.
vom 1. Juni 1833. — §. 11—15 der Jnstr. vom 24. Juli 1833. — A. G. S. I.
24, z. 36. — 8. 6 des Ges. vom 4. März 1834, betreff, die Exek. in Zivils. —
Rescr. vom 3. August 1833. Jahrb. 41, S. 459. Gr äff 6, S. 251.
Verfahren bei kumulirten Mandatsklagen wegen der an städtische
Kassen oder Verwaltungen zu entrichtenden Geld- oder Natural-
zinsen oder Leistungen,
z. 67. Zur Vereinfachung des Verfahrens und zur Sparung von Kosten
ist bei Einziehung der an städtische Kassen oder Verwaltungen zu gewährenden
Geld? und Naturalzinsen, oder anderer zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Lei
stungen folgendes Verfahren vorgeschrieben:
1. Die Kumulation von Mandatsklagen ist zulässig, wenn der Gegenstand der
selben in Geld- oder Naturalzinsen oder andern zu bestimmten Zeiten wiederkehren
den Leistungen besteht, welche aus einem Erbpacht-, ErbzinS- oder Sinsverhältnisse
herrühren, und an städtische Kassen oder Verwaltungen zu entrichten sind, in der
Art, daß wegen dergleichen Ansprüchen im dinglichen Gerichtsstande mehre Ver
pflichtete in einer Klage von dem Berechtigten belangt werden können.
2. Macht ein Magistrat von dieser Befugniß Gebrauch, so muß das in die
Klage aufzunehmende Verzeichniß der Verpflichteten in Form einer Tabelle enthalten:
s) die Bezeichnung der Verklagten nach Namen, Stand und Wohnort ;
b) den Gegenstand der Forderung;
v) den Grund derselben und die Angabe der Beweismittel (Z. 64, III. Nr. 2);
6) eine Kolumne für die Kosten des Mandats, und eine freie Kolumne für den
Jnsinuationsvermerk.
3. Mit der Klage werden zugleich
') Nach den Rescr. vom 4. Jan. und vom 8. April 1836 (in Mannkopf A. G. O.
Bd. 2, S. 593) ist in beiden Fällen nach Analogie des §. 13, Tit. 28, und
S. 52 fg., Tit. 27 der Prozeßordn. der Gerichtsstand des Separati derjenige
Richter, welcher die Mandatssache verhandelt hat, wenn gleich der MandatZ-
kläger einen andern persönlichen Gerichtsstand hätte.
2) Bei diesem Separatverfahren ist der Mandatskläger der Beklagte, und der
Mandatsbeklagte, Kläger. Die Sache gehört daher, da durch die verspätete
Anbringung der Einreden die Wahrung des Mandatsfor! versäumt ist, vor
den persönlichen Richter des Elfteren. — 6f. Rescr. vom 8. April 1836 in
Mannkopf a. a. O.
ein vollständige« Duplikat und Auszüge au« derselben für jede« einzelnen
Beklagten,
eingereicht, insgesammt mit einem von dem Gericht ein für allemal vorzuschreiben«
den Mandatsentwurfe versehen. Wenn das Gericht es angemessen erachtet, kann
in diesem Mandate zugleich ein, nach dem Ablauf der im §, 65 bestimmten Frist
zu ermessender percmtorischer Termin zur Anbringung der Einwendungen anberaumt
werden.
4. Das Gericht prüft die Klage nach Borschrift §. 64, 6S, löscht darin die
zum Mandatsverfahren nicht geeigneten Forderungen, vollzieht im Übrigen de»
Mandatsentwurf unter dem Duplikate und unter den einzelnen zur Mittheilung
geeignet befundenen Auszügen der Klage, und fertigt beides dem Magistrat zur
Bcwirkung der Insinuation zu.
5. Bei der Insinuation ist Jedem der Beklagten der für ihn bestimmte Auszug
auszuhandigen, in dem Duplikate der Klage aber bei seinem Namen in die dazu
bestimmte Kolumne die erfolgte Aushändigung vorschriftsmäßig zu bemerken, von
dem Boten aber zu bescheinigen, wie? an wen? und zu welcher Zeit er die Insi
nuation bewirkt habe? (Z. 57, 65)
6. Ist die im Mandate bezeichnete Frist verstrichen, oder der darin bestimmte
Zeitraum abgelaufen, so reicht der Magistrat das mit dem Jnsinuationsvermerke
versehene Klageduplikat dem Gerichte wieder ein, mit der Anzeige, ob und von wel
chem Verklagten inzwischen die Schuld berichtigt worden sei.
Das Gericht prüft hierauf das bei der Insinuation beobachtete Verfahren, er
läßt, in so weit dabei nichts zu erinnern ist, und nachdem ermittelt worden, welche
Verklagte Einwendungen angebracht haben, die eine weitere Instruktion nöthig ma°
chen, auf den Antrag des Magistrats wegen der zur Erekution geeigneten Forde
rungen einen Exekutionsbefehl, und übersendet denselben dem Magistrat zur Benach
richtigung der Schuldner und zur Vollstreckung.
Bei den Posten, wobei die Insinuation nicht vorschriftsmäßig erfolgt ist, bleibt
dem Magistrat überlassen, eine neue Mandatsklage anzustellen.
7. Sowohl die hiernach zu bewirkende Insinuation (Nr. 4 u. S), als auch die
Vollstreckung der Erekution (Nr. 6), kann nur von solchen Boten und Exekution««
beamten des Magistrats bewirkt werden, die zu diesem Zwecke besonder« verpflichtet
worden sind.
8. Bei der Ausübung ihrer Erekutionsbefugni? haben die MagiftrSte und
deren Beamte sich nach den für die Gerichte ertheilten Vorschriften zu achten.
Kommt es auf den öffentlichen Verkauf abgepfändeter Effekten an, so erfolgt
derselbe durch den gerichtlichen Auktionskommissar, und in Ermangelung eines sol
chen unter der Leitung eines gerichtlichen oder magistratualischen Beamten.
Jntsrventions - oder Prioritätsansprüche sind an das Gericht zu verweisen.
Ebenso gebührt dem letztern die Überweisung ausstehender Forderungen im Wege
der Erekution, die Einleitung einer Subhastation und die Vollstreckung des Pe»
sonalarrestes.
9. An Kosten sollen, außer den etwa erforderlichen Stempeln, für das Man«
bat 2 Sgr. und für die Erekution 4 Sgr. für jeden Verklagten als Pauschquan»
tum angesetzt werden, und zur einen Hälfte zur Kasse des Gerichts, zur andern
Hälfte zur städtischen Kasse fließen. Die Kosten des Mandat« werden in da« Du
plikat, sowie in die Auszüge der Klage in die dazu bestimmte Kolumne eingetragen,
die Kosten der Exekution dagegen in den Erekutionsbefehl aufgenommen.
In beiden Fällen zieht der Magistrat die Kosten von den Schuldnern ein,
zahlt jedoch zur Kasse des Gerichts die ihr zukommende Hälfte vorschußweise, ohn?
die. Erstattung eines Ausfalls verlangen zu können.
ISS
' > 4«. s» de»i«>igen Stäb««, in welchen keine Magistrate Vorhand« sind, soll
auf die daselbst bestehenden städtischen Verwaltungsbehörden dasselbe Anwendung
finden, wa« in dieser Verordnung in Ansehung de» Magistrate bestimmt ist. —-
B«,rdn. vom 2. Dec. 1837. GS. 1838, S. 1. .,, '
Vom Rekurse bei Zurückweisung der Mandatsklagc. >)
z. 68. Gegen Verfügungen, durch welche der Mandatsprozeß verweigert wird,
Acht dem Klager der Rekurs zu. Über diesen beschließt die, dem verfügenden
Nicht» vorgeMc Aufsichtsbehörde, bei welcher er daher anzubringen ist. ?) ^ S. 5,
5« «Ks. «m 1. Juni «BS. — Rescr. vom 22. April 1843. I. M. B. S. 112.
Dritter Abschnitt.
«SM »«g atellprpzeß.
Welche Sachen gehören zum Bagatellprozeß, und wie ist überhaupt
der Werth der Streitgegenstände zu berechnen?
g. 69. I. Im Bagatellprozeß sind alle jene Rcchtsstreitigkcitcn zu verhandeln,
deren Streitobjekt nach Gclde zn schätzen ist, und Hie Summe oder dcn Werth von
Ä> Thl. nicht übersteigt. Ausgenommen sind nur:
U) dje zu«! Mandatprozeß gewiesene» Sachen,
?) die «n Kvnkurs- und Liquidationsprozeß verhandelten SpezialProzesse, und
3) Prozesse über Gegenstände, für welche nach der A. G. O. ein besonderes abge
kürztes Verfahren vorgeschrieben ist, in sofern dies Verfahren überhaupt noch
Anwendung findet, wie dies in Wechsel-, in schleunigen Arrest-, in Possessorien-,
Er»»ssio»s-, Diffamations- und Provokationsprozcssen und in Grenz- und Bau
sachen der Fall ist.
-Mnd mehre Forderungen in einer Klage geltend gemacht, und diese Forderun-
O«n betragen zusammen mehr als 5« Thlr., so findet der Bagatellprozeß Auwcn-
5Mg, ««inline dieser aus einem Hauptgeschäft entsprungenen Forderungen
SV Thlr. übersteigen. Haben jedoch Kaufleute mit einander in sortlaufender Rech
nung «der so»ft in fortgesetztem Verkehr gestanden, und es wird ein daraus sich er
gebender Rechnungs-Saldo, welcher 5l> Thlr. übersteigt, eingeklagt, so findet
Her 'VagatMrozeß nicht Anwendung, wenn auch die einzelnen Positionen SO Thlr.
Dicht überftöiMi, und aus verschiedenen Geschäften erwachsen sind.
Werhen .BagZtellobjekte mit Ansprüchen, welche 5« Thlr. übersteigen, in einer
MOgÄlagt, so wird über die Bagatellobjekte zugleich in der Prozeßform vcr-
ZBWtzelt, .zu welcher sich die größeren Ansprüche eignen. Nur beim Mandatsprozesse
M:dj«j§..Hi U. enthaltene Ausnahme. — g. 53 d. Jnstr. vom 24. Juli 1833.—
Reser. vom 18. Nov. 1839. I. M. B. S. 386. — Rescr. vom 13. Juli 1838.
AOch. ö?, «. t«7. — A. G. O. I. 19, §. 10. — Rescr. vom 22. Oct. .1837.
A«Att, L«ch,?c. «rg. «I. S. 654, Zus. 4.
Äst 4er >W«»datsp«>zeß einmsl eingeleitet, so kam, wenn Seitens des Bell.
tzethsH kein Einnxmd erhoben »ixd, ein zur Ungebühr erlassenes Mandat selbst
5,«u> der Aufsichtsbehörde nicht aufgehoben werden. — Rescr. vom 9. März
18S7. Jghx.b. 49, H. 194.
?)MMchr. vom 9. ,S?pt. 1833 und 25. Febr. 1839, welche annahmen, da?
der R«urs an di^enige höhere Instanz gehe, welche erkannt haben würde,
wenn App,ll«tion zukssfig gewesen wäre, sind durch die Werf, vom 22. April
1843 beseitigt.
127
v. Bei Berechnung des Werths eines Streitgegenstandes, sowohl Behufs Be
stimmung der Prozeßform, als Behufs Beurtheilung der Zulässigkeit der Rechts
mittel, als in Bezug auf andere im Pro«ssc von der Höhe des Streitgegenstandes
abhängige Wirkungen, kommen nachstehende Grundsätze zur Anwendung !
t) Der Werth des Gegenstandes eines Rechtsstreites wird durch den Kapitalswerth
desselben und die rückständigen Nutzungen, Sinsen und Früchte bestimmt, so weit
der ursprüngliche, oder im Laufe der ersten Instanz veränderte Klageantrag
darauf gerichtet ist, oder die Nutzungen, Zinsen und Frücbte von Amtswegen
zuerkannt werden müssen.
Der Seitpunkt, bis zu welchem die rückständigen «utzungen, Sinsen und Früchte
zu berechnen sind, wird durch den Tag der Einreichung der Klage, und wenn
eine Vervollständigung derselben »erfügt worden, durch den Tag der Einreichung
der vervollständigten Klage bestimmt.
Dagegen bleiben von der Berechnung ausgeschlossen :
») die Stützungen, Zinsen und Früchte, welche erst während des Prozesses auf
gelaufen «der entstanden sind,
K) die während des Prozesses entstandenen Schäden und Kosten, sowie alle im
Werthe des streitigen Gegenstandes eingetretene Veränderungen.
2) Die Berechnung wird in preußischem Silbergelde angelegt. Preußisches Gold
wird zu dem Werthe, wozu es in den königl. Kassen angenommen wird, frem
des Gold nach dem Tageskurse berechnet. Bei Bcrgleichung anderer fremder
Geldsorten mit preußischem Gelde, wird die von dem Staatsministeriuni unter
dem 27. November 1821 (GS. S. 19«) bekannt gemachte Tabelle zum Grunde
gelegt. Wer ein von dieser Tabelle abweichendes Verhältnis, behauptet, muß
darüber den Beweis führen.
3) Bei wiederkehrenden immerwährenden Nutzungen wird der fünf und zwanzigfache,
bei Nutzungen, deren künftiger Wegfall gewiß, deren Dauer aber unbestimmt ist,
der zwölf und einhalbfache Betrag einer Jahresleistung als deren Kapitalswerth
angenommen.
Auf eine bestimmte Zeit eingeschränkte periodische Rutzungen werden für die
ganze Zeit ihrer Dauer zusammengerechnet, jedoch nur soweit, daß der KapitalS-
wcrth der immerwährenden Rutzungen niemals überschritten werden soll.
Rückstände periodischer Rutzungen werden jederzeit zusammengerechnet. Sie
treten dem Kapitalswertbe hinzu, wenn die Nutzungen selbst mit den Rückstän
den Gegenstand des Prozesses sind.
4) Die Ermittelung, zu welchem Werthe der Streitgegenstand anzunehmen ist, soll
während der Instruktion in erster Instanz erfolgen, sowohl um den Kostenansatz
danach zu bestimmen, als auch um die Grundlage für die Beurtheilung der Iu-
lWgkeit der Rechtsmittel, oder anderer im Prozesse von der Hohe de« Streit
gegenstandes abhändigen Wirkungen zu gewinnen.
5) Der Richter hat daher, wenn der Werth des Streitgegenstandes nicht klar vors
liegt, vie Parteien darüber zu hörm. Dieselben sind verpflichtet, eine Erklärung
abzugeben. Gegen denjenigen, der sich nicht erklärt, gilt die Angabe des andern
Theils. Sind die Angaben in dem Maße, als es darauf im Prozesse zur Be
stimmung der von der Höhe des Streitgegenstandes abhängigen Wirkungen an
kommt, verschieden, und kommt eine Einigung nicht zu Stande, so gilt die
höhere Angabe bis dahin, daß vom Gcgentheil der Minderwcrth bewiesen wird.
6) Wird ein solcher Beweis des Minderwerths angetreten, so ist die Veranschlagung
nach de» allgemeinen Vorschriften über Aufnahme gerichtlicher Taxen zu veran
lassen, jedoch mit folgenden Modifikationen :
Leistungen, deren Werth sich nur nach jährlichen Durchschnitten bestimmen.
128
läßt, find nach den Grundsätzen der für die betreffenden Landestheile gelten
den Ablösungsordnungen zu veranschlagen, und soll dieserhalb, wenn eine
Partei eS verlangt, ein Gutachten der Auseinandersetzungsvkhörde eingeholt
werden. ,,
K) Der Werth von Bergwerksantheilen ist nach dem Gutachten des Ober
bergamts der Provinz anzunehmen. . .> ° .
e) Auf den außerordentlichen Werth ist bei der Abschätzung nur dann Rücksicht
zu nehmen, wenn derselbe Gegenstand des Streites ist.
7) Grundgerechtigkeiten gehören zu den Gegenständen, deren Werth nach Gelde nicht
,u veranschlagen ist. — Ges. vom 21. Juli 1843. GS. S. 297.
III. Ergiebt sich erst, nachdem eine Sache im summarischen oder im Verfahren
nach der A. G. O., oder nach dem Gesetz vom 9. Febr. 1817 bereits eingeleitet
worden, daß ihr Gegenstand nicht mehr als 50 Thlr. beträgt, oder wird demnächst
der Klageantrag bis auf 50 Thlr. oder weniger ermäßigt, so muß die Sache sofort
dem BagatellkommissariuS zur Verhandlung und Aburtelung im Bagatellprozeß
übergeben werden. War aber das Erkenntniß bereits abgefaßt, so bleibt dies bei
Kräften. Findet sich, daß der Gegenstand eines als Bagatellsache eingeleiteten Pro
zesses mehr als 50 Thlr. beträgt, so muß die Sache an die Deputation für sum
marische Prozesse, oder wenn dieser nicht zulässig, an das Kollegium gegeben werden,
damit die Sache in den ordnungsmäßigen Weg umgeleitet wird. — Nr. 14 u. 16
der Jnstr. vom 7. April 1839. GS. ,S. 138, — Rescr. vom 13. Juli 1838.
Jahrb. 51, S. 182.
IV. Eine Bagatellsache kann als solche niemals zu einer andern Prozcßform
Verwiesen werden. — Rescr. vom 25. Nov. 1837, in Gr äff, Koch zc. Erg. III.
S. 655, Zus. 5.
Vierter Abschnitt.
Der summarische Prozeß. >>
Fälle, in denen er stattfindet.
§. 77. I. Im Großhcrz. Posen kommt der summarische Prozeß nur zur An
wendung in Fallen, in denen eine Mandatssachc in Folge der rechtszeitig gegen da«
Mandat erhobenen Einwendungen zum Prozeßverfahren verwiesen wird, und nicht
Bagatellprozeß vorliegt, («f. §. 6611.)
II. In den übrigen Provinzen, in welchen die A. G. O. gilt, findet derselbe
außer den Fällen sei I. noch statt, vorausgesetzt, daß nicht Mandatsprozcß oder
Bagatellprozeß zur Anwendung kommt,
I) in allen Fällen, in denen nach der A. G. O. Erekutiv-Prozcß stattfand, als«
wegen Forderungen, die in Geldsummen oder andern bestimmten Quantität
ten verbrauchbarer Sachen bestehen, und zu bestimmten Zeiten oder auf Kündi
gung zahlbar oder zu liefern sind, wenn dieselben herrühren s) aus einsei
tigen Geschäften, über welche eine Urkunde im In lande entweder gerichtlich
oder vor Notar und Zeugen aufgenommen oder anerkannt und ausgefertigt
worden; I,) aus zweiseitigen Geschäften, und ihre Eintragung im Hypothe»
kcnbuche erfolgt ist; 2) «) aus Instrumenten über einseitige Geschäfte, die vor
ausländischen Gerichten errichtet sind, sofern in dem auswärtigen Staate
aus dergleichen bei den hiesigen Gerichten vollzogenen Instrumenten ein gleich
mäßiges summarisches und abgekürztes Verfahren zugelassen wird; <1) au«
Handelsbillets, 6) d. h. aus Schuldscheinen, welche ein Kaufmann über den
Betrag der auf Zeit gekauften Waaren ausgestellt hat; e) aus kaufmännischen
Assignationen, d. i. aus Anweisungen, welche ein Kaufmann in Handelsge
schäften ertheilt hat. Hier findet der summarische Prozeß gegen den Assigna
ten dann, wenn er Kaufmann ist, und die Anweisung akzeptirt hat, und gegen
den Anweisenden dann, wenn der Assignatar die Anweisung gekaust, in dieser
das Empfangsbekcnntniß der baar gezahlten Valuta enthalten, und der Assigna
tar die Fristen zur Aufnahme und Versendung des Protestes wegen Nichtzah
lung gehörig beobachtet, auch dem Assignaten nach der Akzeptotion keine Nach-
') Die Momente, in denen der summarische Prozeß vom sog. ordentlichen Prozeß
sich hauptsächlich unterscheidet, bezwecken die Beschleunigung der Prozesse, und
hierin liegt der vorzüglichste Fortschritt der neueren Prozcßgesetze. Jene Mo
mente bestehen namentlich «) in einer schärferen Begrenzung der Instruktion
und des Beweisverfahrens; b) in der Mündlichkeit des Verfahren«,
so daß auch die schriftlichen, den Prozeß verzögernden Deduktionen wegsallen,
und «) in den strengeren Präjudizien und Fristen.
2) In der Regel wird in den Fällen sä » und b der Mandatsprozeß zulässig
sein (es. §. 64 III.). Nur, wenn dieser aus irgend einem Umstände nicht zu
ständig, wird der summarische Prozeß eingeleitet werden müssen.
«) Der Erekutivprozeß war aus diesen nur binnen Jahresfrist, vom Zahlungs
tage an gerechnet, zulässig. Der summarische Prozeß ist in der Hinsicht nicht
beschränkt, da das Handelsbillet als Privaturkunde über ein Kaufgeschäft zu
betrachten. ' , >
138
ficht gegeben hat, und zwar in beiden Fällen innerhalb Jahresfrist vom Ver
falltage an gerechnet, statt. 5) Aus einer Asfekuranz-Polize kann gegen
den Versicherten binnen 3V Tagen nach Zeichnung auf Zahlung der Prämie im
summarischen Prozeß geklagt werden, g) Derselbe ist ferner zulässig aus Schuld
instrumenten, welche von nicht wechselfähigen Personen in Form eigner
Wechsel mit dem Bekenntniß der baaren Valuta ausgestellt worden, und zwar
gegen den Aussteller; ') K) bei Klagen des Remittenten oder Indossatars gegen
den Aussteller oder Indossanten auf Aushändigung des Wechsels, sobald
dieselbe nach Empfang der Valuta länger als 24 Stunden über die bedungene
Zeit verzögert wird; i) desgl. bei Klagen des Ausstellers eines Wechsels oder
des Indossanten gegen den Remittenten oder Indossatar auf Zahlung der ver
abredeten Valuta, jedoch nur binnen Jahresfrist vom Tage des geschlossenen
Handels an gerechnet. K) Auch öffentlich bestellte Pfandverleiher können aus
ordnungsmäßig geführten Pfandbüchern gegen den Schuldner auf Bezahlung
der Pfandschulden im summarischen Prozeß klagen. — Dieser findet ferner statt:
2) aus Urkunden über zweiseitige Geschäfte, 2) welche im Jnlsnde:
entweder in Form öffentlicher Urkunden ausgestellt,
oder von einer öffentlichen Behörde in eigener Angelegenheit ausgefertigt,
oder mit gerichtlicher oder notarieller Beglaubigung der Unterschrift versehen sind;
3) aus Privaturkunden«) über Darlehns-, Verwahrungs- und Leihverträge,
über Kauf-, Tausch-, Lieftrungs-, Mieths- und einfache Pachtverträge, über
versprochene Pensionen, Besoldungen, Alimente, Renten und alle zu bestimmte»
Zeiten wiederkehrende Leistungen;
4) die aus besondern Kontrakten oder testamentarischen Bestimmungen auf Grund
stücken haftenden jährlichen Abgaben an Kirchen und Schulen, wenn
sie nicht hypothekarisch eingetragen sind; s)
5) wegen Forderungen:
der Fabrikunternehmer, Fabrikarbeiter, Kaufleute, Krämer,
Künstler und Handwerker für Arbeiten und gelieferte Waaren, sowie für
Vorschüsse an ihre Arbeiter, und der Meister, Gesellen und Lehrlinge ge
gen einander;
der Medizinalpersonen für ihre Besuche, Operationen und Arzneimittel,
(in sofern dabei die Erfordernisse zur Einleitung des Mandatsprozesses fehlenz
es. z. 64, III. 7).
1) Der Erekutivprozeß war hier auf die Zeit beschränkt, innerhalb deren das
Schuldinstrument, wenn es Wechsel gewesen, Wechselkraft gehabt hätte. Beim
summarischen Prozeß fällt diese Beschränkung weg. Gegen nicht wechsclfähige Gi
ranten eines solchen Schuldinstruments kann in diesem Prozesse nicht geklagt werden.
2) Dies sind solche, aus denen beide Theile Rechte und Verbindlichkeiten überkom
men. Der Umstand, ob die Urkunde selbst von beiden Theilen, oder einseitig
(z. B. Zession) ausgestellt ist, macht keinen Unterschied. Der Anspruch muß
aber aus der Urkunde hervorgehen. Auf den Gegenstand des Anspruchs kommt
es übrigens nicht an, und die bei den Ansprüchen sä 1 hervorgehobenen Merk
male sind hier nicht wesentlich.
>) Auf die Form der Urkunde kommt es nicht an. Es wird daher auch Brief
wechsel, wenn er den Anspruch nachweiset, dessen Stelle vertreten. Untcrkreuzte
Schriftstücke sind aber keine solche Urkunden.
«) Pachtstreitigkeiten find in der Regel verwikelt. Unter Nr. 3 sind aber nur
einfache, auf Privaturkunden sich stützende, Rechtsverhältnisse verstanden. Da
jedoch auch einfache Klagen aus Pachtverträgen, z. B. aus Zahlung von Pacht
geld vorkommen können, so werden dieselben in dieser Beschränkung zum sum
marischen Prozeß geeignet erscheinen. — Lk. Rescr. vom 9. März 1839.
») Sind sie Hypothezirt, so findet Mandatsprozeß statt. — 8- S4, lll. Nr.?.
der öffentlichen und Privat-Schul- und Erziehungsanstalten für
den Unterhalt, den Unterricht und die Erziehung (in sofern nicht Mandattprojeß
begründet ist; es. Z. 64, III. «)z
der öffentlichen und Privatlehrer hinsichtlich de« Honorars;
der Lehrherrn hinsichtlich des Lehrgeldes;
der Haus- und Wirthschaftsoffizianten und des Gesindes sn Gehalt
und Lohn;
dcr Tagelöhner und andrer gemeiner Handarbeiter hinsichtlich ihre« Lohn«;
der Fuhrleute und Schiffer hinsichtlich des Fuhr- und Frachtgeldes;
dcr Gast- und Speiscwirthe für die von ihnen gegebene Wohnung und
den gelieferten Unterhalt;
K) bei Jnterventionsstreitigkeiten, welche bei Auspfändungen erhoben wer
den, wenn dcr Gegenstand dcs Jntcrventionsprozcsscs SO Thaler übersteigt; >)
7) bei Erörterung und Entscheidung über die in der Erckutionsinstanz vorgebrach«
ten Einreden dcr Zahlung, der Kompensation, des Vergleichs, des Erlasse«;
8) alle Rechtsstreitigkeiten, durch welche auf Grund des Gesetze« vom 26. April
1835 die von einem zahlungsunfähigen Schuldner zum Nachtheile seiner Gläu
biger gcschlossencn Verträge angefochten werden; endlich
9) wegen Injurien, >) in so weit sie nicht zum Untersuchungsverfahnn sich eignen.»)
III. Außerdem hat da« Gericht die Bcfugniß, sobald beide T heile darauf
antragen, auch andere als die untcr II. erwähnten Rechtsstrcitigkeiten (mit Aus
nahme der Bagatell- und Mandatsklagcn) sowohl vor, als Nach Einleitung und in
jeder Lage dcs Prozesses zum summarischen Verfahren zu verweisen.«) Den De-
putirten der nach der A. G. O. verhandelten Prozesse ist deshalb zur Pflicht ge
macht, die Parteien im Klagcbeantwortungs- und ersten Jnstruktionstermin, desgl.
in zweiter Instanz nach Beantwortung dcs Appellationsbericht« im ersten Jnftruk-
rionstcrmine, so wie in jedem Schlußtermine in erster und zweiter Instanz ,u
befragen :
ob sie die Fortsetzung der Sache oder die Abfassung de« Erkenntnisses
im summarischen Prozeßverfahren verlangen.
Selbst auf einseitigen Antrag des Klägers können Rechtsftreitigkeiten , welche
nicht zu den s6 II. bezeichneten gehören, namentlich Schwängerung«- und Alimen
tensachen im summarischen Verfahren eingeleitet werden. Doch muß da« Gericht
in einem solchen Falle den Beklagten in der Vorladung oder im ersten Termin«
ausdrücklich auffordern, sich zu erklären, ob er gegen diese Prozeßform etwa« zu
erinnern habe. Wendet er auf ausdrückliches Befragen nicht« ein, so wird sein
II. Von dem Verfahren bei den Gerichten, welche kein Kollegium bilden.
z. 88. Bei den Gerichten, welche nur mit einem «der mit zwei Richtern
befetzt, sowie in denjenigen Jnjuricnprozessen, welche bei kollegialischen Gerichten ein«
zelnen Kommissarien überwiesen sind, oder werden (es. §> 78, I. Nr. 1), kommen
die Z. 79—87 enthaltenen Vorschriften ebenfalls, jedoch unter nachstehenden Modi«
fikationen zur Anwendung :
1) Auf die Klage wird ein Termin zur Beantwortung derselben und zur weitern
') Schriftliche Deduktionen werden im summarischen Prozeß nicht zugelassen.
Überhaupt beschränkt sich der Schriftwechsel auf Klage und Klagebcantwortung,
Appellationsbericht und Appellationsgcgenbericht, die Nichtigkeitsbeschwerde? und
Revisionsschriften, und Erwiderung auf die Widerklage, sowie die etwaigen
Litisdenuntiationen. Andere Schriftsätze sollen nicht angenommen, sondern
zurückgewiesen »erden.
156
mündlichen Verhandlung anberaumt, wozu beide Parteien, der Verklagte unter
abschriftlicher Mittheilung der Klage, vorgeladen werden.
2) Die Z. 79, Nr. IV. und V. angedeuteten Vorladungen erhalten deshalb mit
Rücksicht hierauf Änderungen, namentlich erhält s) die Aufschrift nach den
Worten „zur Klagebeantwortung" den Ausatz: „und zum weiteren Verfahrenz"
d) bei der Vorladung des Verklagten fallen die Worte unter b „oder in Ab
schrift" weg. Die Urkunden müssen sofort im Original eingereicht werden;
c) bei der Vorladung des Klägers ist die unter e beigefügte Aufforderung ganz
wegzulassen.
3) Hinsichtlich der Aufnahme des Protokolls und des Beweises, und in Betreff der
Abfassung des Erkenntnisses, gelten die beim Bagatellprozeß Z. 74, 75 und 76
vorgeschriebenen besondern Bestimmungen nur mit der Maßgabe, daß hier beim
Ausbleiben des Beklagten im ersten Termin nicht die Vorladung die Kraft eines
Kontumazialurtels erlangt, fondern daß ein besonderer Kontumazialbescheid unter
das aufgenommene Protokoll gesetzt, mit diesem ausgefertigt, und den Parteien
gleich andern Erkenntnissen (Abschn. 7) behändigt wird. Die lOtägige Restitu
tionsfrist gegen diese Kontumazialerkenntnisse läuft deshalb von deren Zustellung
an Beklagten.
4) Dem Richter stehen Behufs Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung während
der Verhandlungen gleiche Rechte und Pflichten zu, wie gemäß Z. 74, Nr. VI.,
dem Bagatellkommissarius. — Z. 1«, 60—64 des Ges. vom 1. Juni 1833. —
Z. 16, 52 der Jnstr. vom 24. Juli 1833. — Cab.-Ordre vom 24. Okt. 1838.
") Das Gesetz unterscheidet hier zwischen notorischen und allgemein bekannten That-
sachen, ohne näher anzugeben, was es unter notorisch verstanden wissen will.
Unter notorisch versteht man gewöhnlich und mit Grund alle die Thatsache», welche
dem Prozeßgericht mit Gewißheit bekannt sind. Die allgemein bekannten Thatsa-
chen sind nur ein Theil davon. Auf geschichtliche Ereignisse kann man das Noto
rische nicht einschränken. — Übrigens steht den Parteien auch in Betreff der noto
j«5
dürfen keines Beweises. Ist die Sache nur in dein Distrikte, oder an dem
Orte, wo die Instruktion geschieht, notorisch, so muß der Jnstruent diese Noto-
rietät umständlich in den Akten verzeichnen und attestiren.
4) In Betreff aller übrigen Thatsachen muß, wenn deren Erheblichkeit bezweifelt
wird, darüber beschlossen werden. Dies muß auch geschehen, wenn die Erheb
lichkeit einer Thatsache von Auslegung eines nicht deutlichen Gesetzes abhängt, so
daß das Kollegium in diesem Falle zugleich die zweifelhaste Rechtsfrage vorläu
fig zu entscheiden hat. >)
5) Muß ein Geschäft über welches gestritten wird, nach fremden Landesge
setzen, die der Richter zu kennen nicht schuldig ist, beurtheilt werden: so muß
in Betreff der Frage:
was die fremden Gesetze für den vorliegenden Fall verordnen,
wenn sie streitig ist, wie über andere Thatsachen Beweis aufgenommen
werden. 2)
6) Gleiches gilt, wenn an Orten, wo die Provinzialgesetzbücher noch nicht publizirt
sind, eine Partei sich auf ein Statutar-Recht gründet, dessen Dasein dem
Gerichte nicht bekannt ist.
rischcn Thatsachen frei, den Gegenbeweis zu führen. Wenn daher der Jnstruktions-
richter den Fall einer Notorietät zu den Akten verzeichnet und bescheinigt, muß er
den Parteien davon Kenntniß geben, damit sie zur Führung des Gegenbeweises
Gelegenheit haben.
>) Vorläufig nur um deshalb, weil der erkennende Richter an diesen Beschluß nicht
gebunden ist.
^) In Betreff des geschriebenen fremden Rechts wird der Beweis durch Ein
reichung eines vollständigen gedruckten Exemplars des Gesetzes oder Gesetzbuches
geführt werden können. Doch darf über dessen Autentizität und die erfolgte Pu
blikation des Gesetzes kein Zweifel obwalten, da sonst auch hierüber Beweis ge
führt werden müßte. Bei ungeschriebenen fremden Rechten wird der Beweis
durch Schriften der Rechtsgelehrten, Atteste der Gerichtshöfe oder Gutachten an
gesehener Rcchtsgelchrten zu führen sein. — Ins Besondere wird der Nachweis
der Existenz eines englischen Gesetzes, am zweckmäßigsten durch Beibringung
des Gutachtens zweier englischer Rechtsgelehrten geführt. Doch ist Gegenbeweis
durch Gegengutachten unbenommen. — Res. vom 8. Decbr. 1819. Jahrb. 14. S.
171. — In Bezug auf altpolnisches Recht ist in der Regel, und ohne das
Ermessen des Richters in einzelnen Fällen besonderer Art auszuschließen, die Pro
duktion polnischer Rechtsgclehrten in Prozessen nur dann, wenn der behauptete
Rechtssatz auf einem Fakts beruht, das aus geschriebenen Gesetzen nicht erkannt
werden kann, und daher nur vorzüglich in den Fällen:
1) wenn ein geschriebenes Gesetz allegirt wird, welches sich i» der Sammlung
des Trembicki nicht befindet, und der Gegentheil bestreitet, daß es von den
Gerichten angewandt worden, in welchem Falle dem Produzenten der Beweis
obliegt; desgl. wenn von einem in der Sammlung des Trembicki aufgenom
menen Gesetze excipienci« behauptet wird, daß solches ivierreeipirt gewesen;
2) wenn der behauptete Rechtssatz auf eine Observanz begründet wird, die in
den polnischen Gerichtshöfen stattgefunden haben soll, wohin auch größten,
theils die Behauptungen von den Formen des polnischen Rechts gehören;
und auch dann nur unter folgenden Einschränkungen gestattet:
i>) daß nur solche Personen produzirt werden können, welche wirkliche Richter
stellen bei Grod- oder Landgerichten oder dem Tribunal zu Petrikau beklei
det haben; und
d) daß jede Partei, und insonderheit deren Assistent bei der Produktion aus sei
nen Manualakten, nachweisen müsse, wie er zur Behauptung einer Observanz
dieser Art gekommen, und welche Thatsachen ihm bekannt geworden, um zu
einer solchen Behauptung veranlaßt zu werden, und endlich, daß und welche
Mittel er angewendet, und welche Mühe er sich gegeben, diese Thatsachen,
welche vorzüglich nur in Erkenntnissen oder sonstigen in contrscliotorio er
gangenen Verfügungen bestehen können, beizubringen, oder sonst vorläufig
aufzuklären. — Res. vom 14. Decbr. 1798. Rabe Bd. ö, S. 255.
186
7) Gewohnheitsrechte und Observanzen verdienen nur bann Berücksichtigung,
») «enn sie den Provinzialgesetzen einverleibt sind, d) wenn durch dieselben et
was bestimmt wird, was die Gesetze unentschieden gelassen haben. Liegt ein
Fall der letzteren Art vor, so muß die behauptete Observanz resp. das Gewohn
heitsrecht, wenn Parteien darüber nicht einig sind, gleich andern bestrittenen
Thatfachen durch Beweisaufnahme ins Licht gesetzt werden. — A. G. O. I. 10,
K. 45—5S. — A. L. R. Ems. §. 3, 4. — Eab.-Ordre vom 8. März 1798.
N. C. E. low. X. S. 1609. Rabe Bd. 5, S. 86,
Fortsetzung.
Prüfung und Beschluß hinsichtlich vorkommender Prajudizialein-
reden und Präjudizialpunkte.
§. 11«. 8. Hat der Beklagte der Hauptforderung des Klägers einen solchen
Einwand entgegengesetzt, durch welchen diese Forderung, wenn sie auch jemals ge
gründet gewesen wäre, wieder aufgehoben würde (exeptio litis linitso), als Zah
lung, Erlaß, Vergleich, Verjährung, bereits erfolgte rechtskräftige Entscheidung zc.z
so räumt
^. Beklagter entweder zugleich den Klagegrund völlig ein, und lehnt nur den
Antrag des Klägers durch den Einwand ab. Dann wird dieser allein Gegenstand
der Instruktion und Beweisaufnahme;
L. oder er stellt auch den Klagegrund in Abrede. In diesem Falle muß die
Natur und Beschaffenheit der Thatsachcn, worauf Klage und Einwand sich grün
den, und die Qualität der darüber angegebenen Beweismittel genau und sorgfältig
erwogen, und demnächst das Weitere beschlossen werden. Findet sich nemlich,
s) daß die Hauptsache leicht und ohne großen Zeit- und Kostenaufwand auszumit-
teln, die Instruktion des Einwandes aber weitaufsehcnd und kostspielig sei; (z.
B. wenn die Klage auf Urkunden beruht, und blos über deren Verstand und
Beweiskraft unter dm Parteien gestritten wird; der entgegengefetzte Einwand
der Verjährung hingegen durch weitläufige, aus entfernten Gegenden herbeizu
schaffende Zeugenverhöre ausgemittelt werden soll); so wird die Instruktion des
Einwandes ausgesetzt, dagegen die Instruktion und Beweisaufnahme der Haupt
sache veranlaßt, die Sache abgeschlossen, und die Spruchvorlegung verfügt. Er
achtet hiernächst »») der erkennende Richter die Klage ebenfalls für unbegrün
det; so bleibt die Beweisaufnahme über den Einwand auch in den ferneren In
stanzen ausgesetzt. Nur, wenn Beklagter selbst auf Beweisaufnahme über den
Einwand anträgt, muß diese während der folgenden Instanzen erfolgen, bd)
Erachtet der erkennende erste Richter die Klage nicht offenbar unbegründet; so
setzt er die Entscheidung in der Hauptsache aus , und ordnet durch Resolution
die Fortsetzung der Instruktion über den Einwand an.
K) Stehen die Hauptsache und der Einwand in Rücksicht der Zeit und Kosten der
bei beiden erforderlichen Instruktion ungefähr in gleichem Verhältnißz so wer
den Hauptsache und Einwand gleichzeitig instruirt und abgeurtelt.
e) Ist dagegen die Instruktion der Hauptsache weitläufig, verwickelt und kostspie
lig, die Erörterung des Einwandes aber kurz und ohne sonderlichen Aufenthalt
und Kosten zu bewirken; so wird mit Beiseitesetzung der Hauptsache die Einrede
völlig instruirt, die Akten werden dann zum Spruch vorgelegt, und es wird darüber
in jedem Falle erkannt. Wird im ersten Urtel ss>) der Einwand für erheblich
und hinlänglich ausgemittelt erachtet, und Kläger daher abgewiesen; so bleibt die
Instruktion und Beweisaufnahme hinsichtlich der Hauptsache in allen ferneren In
stanzen ausgefetzt. Nur «) wenn beide Theile darüber einig sind, und /?) wenn
Kläger solche Umstände anführen und bescheinigen kann, welche die Aufnahme eines
l»7
Beweises zum ewigen Gedächtnisse begründen würden, muß mit Instruktion und
Beweisaufnahme der Hauptsache während der folgenden Instanzen vorgegangen
werden. — KK) Wird der Einwand verworfen, so muß der Appellation unge
achtet die Instruktion der Hauptsache sofort vorgenommen, und selbst bei Abän
derung des Iten Urtels in 2ter Instanz bis dahin fortgesetzt werden, wo die
Erheblichkeit des Einwandcs rechtskräftig feststeht.
In den Fällen, in welche» nach Vorstehendem die Instruktion und Beweis«
aufnähme hinsichts der Hauptsache, nach der richterlichen noch nicht rechtskräftige»
Entscheidung über den Einwand, angeordnet werden muß, erfolgt diese Instruktion
in besonder», unter Direktion des Jnstrucnten aus den Hauptakten zu ergänzenden
Akten. Das Erkenntniß über die Hauptsache bleibt aber in jedem Falle bis, zur
rechtskräftigen Entscheidung über den Einwand ausgesetzt. Die Erkenntnisse der
ferneren Instanzen müssen daher möglichst beschleunigt werden. Die Registratur
muß bei Spruchvorlegung auf dem Distributionszettel vermerken, daß über einen
Präjudizialcinwand zu erkennen sei; und wenn die Akten zum Spruch versendet
werden, muß im Übersendungsschreiben oder Berichte darüber ausdrücklich Erwäh
nung geschehen.
Wird ein solcher Einwand rechtskräftig verworfen; so kann bei der demnächst
erfolgenden Instruktion und Entscheidung der Hauptsache darauf keine Rücksicht
mehr genommen werden. Doch steht dem über den Einwand erkennenden Richter
frei, wenn er findet, daß die Thatsachen, auf welchen der Einwand beruht, zwar
noch nicht völlig ins Licht gesetzt sind, daß aber eine nähere Sntwickelung derselben
bei Erörterung der Hauptthatsache vielleicht noch statt finden könnte, einen solchen
Einwand nur in soweit, als dadurch die Einlassung auf die Klage ganz abgelehnt
werden soll, zu verwerfen, und dem Beklagten dessen ferneren Gebrauch bei der In
struktion der Hauptsache vorzubehalten. — A. G. O. I. §. 60—781).
9. Alles, was vorstehend unter Nro. 8 gesagt ist, gilt auch von solchen Ein
wendungen des Beklagten, welche dahin abzielen, daß er nicht schuldig sei,
sich mit dem Klüger einzulassen (exeeptiovez litis ingressum impeclien»
tes), >) in sofern ncmlich diese Einwendungen nicht durch vorläufige Verfügung in«
Licht gesetzt werden konnten, sondern zur Erörterung im Jnftruktionstermin ver
wiesen werden mußten. (<2f. §. 95, II. Nro. 1.) — Betrifft namentlich der dem
Kläger entgegengesetzte Einwand die mangelnde Legitimation desselben; so ist im
Jnftruktionstermin mit Erörterung desselben in der Regel der Anfang zu machen;
und in sofern mit Rückficht auf Nro. 8, ö. K. Einwand und Hauptsache zugleich
instruirt werden, muß die Erörterung des Legitimationspunktes jedesmal in eine«
besonderen Protokoll erfolgen. — Z. 79—81 s. a. a. O.
10. Kommt bei einem aus mehren Punkten oder Forderungen bestehend«
Prozesse ein Präjudizialpunkt anderer Art vor, von dessen Entscheidung das
Stehen oder Fallen der einzelnen Punkte, oder doch eine wesentliche Verschiedenheit
in der ihrer Instruktion zu gebenden Richtung abhängt; so steht es dem instruiren-
den Gericht frei, dergleichen Präjudizialfragen gemäß der Vorschrift Nro. Sc. vor
weg instruiren zu lassen, und bis zu deren Entscheidung die fernere Einleitung der
speziellen Punkte auszusetzen ; z. B. wenn über die Präjudizialfrage gestritten wird :
ob Jemand Rechnung zu legen schuldig sei? so muß erst darüber Instruktion und
') Einwendungen der Art sind z. B. daß nicht in dem gehörige» Gerichtsstande
geklagt, daß die Sache schon anderswo rechtsgängig sei; daß es dem Kläger an
der erforderlichen Legitimation ermangele u. s. w. — l)f. §. 20, Tit. 9, Proz. O.
2) Kann Kläger in einem bereits eingeleiteten Prozesse seine vom Gegner bestrit
tene Legitimation nicht führen; so kann ohne seinen Antrag nicht die Aktenre-
xosirion erfolgen. Es muß vielmehr in contumnlism verfahren werden. —
N. Res. vom 10. Decbr. 1S14, Jahrb. 4, S. 207.
188
Entscheidung erfolgen, ehe die Rechnungslegung selbst und der Streit über deren
Richtigkeit Gegenstand der Instruktion werden kann; — wenn Jemand als Erbe
die Ausantwortung des Nachlasses fordert, und ihm sein Erbrecht bestritten wird;
so muß erst dieses rechtskräftig feststehen, ehe zur Ausmittelung und Festsetzung des
herauszugebenden Nachlasses geschritten wird; — wenn einer eingeklagten Forderung
vom Erben des eigentlichen Schuldners die Beneficial-Qualität entgegengesetzt wird;
so ist zunächst die Richtigkeit der Forderung und der Umstand, ob Beklagter sich der
Rechtswohlthat des Inventars bedienen könne? Gegenstand der Instruktion und
Entscheidung; und die Erörterung der Frage: ob der Rachlaß zur Bezahlung der
eingeklagten Forderung zureiche oder nicht? bleibt ausgesetzt; u. s. w. — S. 81b.
a. a. O. §. 43, Tit. 13 a. a. O.
Wirkung des über den aufzunehmenden Beweis gefaßten
Beschlusses.
Z. III. Gegen den Beschluß des Kolegii, ') vermöge dessen die durch Beweis
auszumittelnden Thatsachen festgestellt werde», findet kein Rechtsmittel statt. Doch
ist der erkennende Richter daran nicht gebunden. Dieser kann vielmehr, wenn bei
der erfolgten näheren Entwicklung der Sache sich findet, daß ein bisher als un
erheblich angesehener, und daher unerörtcrt gelassener Umstand gleichwohl auf die
richtige Entscheidung des Prozesses wirklichen Einfluß habe, die nähere Ausmittelung
desselben verfugen. Auch steht den Parteien zu, in den ferneren Instanzen die Er
heblichkeit der im vorigen Urtel als unerheblich verworfenen oder übergangenen
Umstände auszuführen. — Z. 57, Tit. 10 a. a. O.
" II. Von Aufnahme der Beweise.
.4. Vom Beweise durch Geständniß. 2)
§. 112. I. Die von einer Partei oder ihrem Bevollmächtigten im
Prozeß zugestandenen Thatsachen sind als vollkommen erwiesen anzusehn, und es
bedarf darüber keiner Beweisaufnahme. — Geständnisse, welche von einer Partei
ausscrgerichtlich, oder zwar vor Gericht, äVer in einer andern Sache, als
dem vorliegenden Prozeß, abgegeben sind, machen allemal einen Beweis wider den
Gestehenden aus. — Ist eine Thatsache nicht in ihrem ganzen Zusammenhange voll
ständig eingestanden;») so muß in Betreff der nicht zugestandenen Umstände, sie be
stehen in Zusätzen oder Einschränkungen, der Beweis aufgenommen werden. —
§. 27«. 82, 87, 83 b. a. a. O.
II. Behauptet eine Partei, daß ihr Gegner einen im Prozeß abgcläugneten
Umstand entweder in einer andern Sache vor Gericht, oder aussergerichtlich einge
standen habe; so ist dies eine Thatsache, und sie muß, wenn der Gegner dieser Be-
>) Dieser Beschluß hat nur die Natur einer Verfügung. Das den Prozeß instrui-
rende Gericht kann auf anderweitigen Vortrag den Beschluß ebenfalls ändern.
2) Man unterscheidet gewöhnlich Geständniß und Anerkenntnis, indem man
anführt, daß Thatsachen zugestanden, Verbindlichkeiten und die densel
ben entsprechenden Rechte aber anerkannt werden. Doch ist kein praktischer
Werth in dieser Unterscheidung ersichtlich.
«) Ein solches Geständniß wird ein qualifizirtes genannt. Es ist wohl zu un
terscheiden von demjenigen Geständniß, welchem blos, die Forderung aufhebende,
Einreden entgegengesetzt werden. Lk. §. 110 ^. Hier ist ein vollkommenes Ge
ständniß vorhanden, welches gegen den Beklagten beweist. Dieser muß den bei
gefügten Einwand zur Beseitigung des Anspruchs daher nachweisen. Ein unter
Einschränkungen oder Modifikationen abgegebenes Geständniß (ein qualifizirtes)
hängt aber mit der beigefügten Einschränkung eng zusammen; es beweist gegen
Beklagten nur in soweit, als die Einschränkung nicht reicht; und diese muß,
wenn es vollkommen beweisen soll, durch Beweisaufnahme beseitigt werden.
189
hauptung widerspricht, gleich andren Thatsache» durch Beweis ins Licht gesetzt wer«
den. Der Jnstruent und das Gericht müssen dann vernünftig beurtheilen: ob es
nach dem Zwecke der Abkürzung der Prozesse und der möglichsten Kostensparung
rathsamer sei, die Beweisaufnahme zuförderft auf das streitige Hauptfaktum, «der
auf die Thatsache des erfolgten Geständnisses, oder auf beides zugleich zu richten. —
8. 83 u. 84 a. a. O.
III. Soll aber ein Geständniß, es sei im Prozesse oder vorher erfolgt, auf
die Entscheidung des vorliegende» Prozesses rechtlichen Einfluß haben; so muß der
Gestehende zur Verhandlung der Sache nach seinem alleinigen Ermessen befugt
sein. >) Ermangelt es hieran, so müssen die zugezogen sein, ohne deren Genehmi-
gung «der Einwilligung die Partei sich auf rechtsbeständige Art nicht verpflichten,
noch über die streitige Sache giltig verfügen kann. — Dagegen ist zur rechtlichen
Wirksamkeit eines Geständnisses die Annahme des Gegentheils in keinem Falle
nothwcndig. — Z. 85, 88 s. a. a. O.
IV. Gestehen von mehren Mitberechtigten oder Verpfichteten einige
die vom Gegner behauptete Thatsache ein, andre bestreiten sie, so muß
1) bei untbeilbaren Sachen Hausse iocliviliuse) mit Beweisaufnahme verfah»
ren werden; wobei jedoch von dem Geständnisse einiger Konsorten zur Ausfor
schung der Wahrheit Gebrauch zu machen ist. Es kann daher, nach Beschaffen»
heit der Umstände und Unterschied der Fälle, der geständige Litiskonsort als
Zeuge abgehört, oder wenn auf einen nothwcndigen Eid zu erkennen ist, und es
sich fragt, wer von beiden Tbeilen dazu zu lassen sei? auf das Zugeständniß
eines oder mehrer Litiskonsorten Rücksicht genommen werden.
2) Bei theilbarcn Rechten und Sachen steht jedem Mitgenossen sein Geständniß
in Ansehung seines eignen Interesses bei der Sache allemal entgegen. —
§. 86 a. a. O.
V. Wird das von einer Partei oder deren Bevollmächtigten im Prozeß ab»
gegebene, oder das von der Partei aussergcrichtlich, oder zwar gerichtlich aber in
anderer Sache gethane Geständniß, als irrthümlich erfolgt, widerrufen; so muß der
Widerrufende gemäß §. 102. II. den Jrrthum und die wahre Bcwandniß der Sache
nachweisen. 2) Findet sich zwischen einem aussergerichtlichen Geständniß und den
übrigen von der Bcwandniß der Sache vorhandenen Nachrichten ein Widerspruch,
so muß es der Beurtheilung des erkennenden Richters überlassen werden: welcher
Grad von Beweiskraft dem Geständniß beizulegen sei, und in wiefern der Geste
hende den Umstand, daß das Geständniß aus Jrrthum geschehen, mehr oder weni
ger überzeugend nachgewiesen habe. — §. 88b. a. a. O.
VI. Hat ein Bevollmächtigter der erhaltenen Instruktion zuwider ein Ge
ständniß abgegeben; so kann blos um deshalb die das Geständniß enthaltende Ver
handlung nicht angefochten werden. Dem Machtgeber steht nur eine Regreßklage
gegen den Bevollmächtigten zu. — Z. 87. a. a. O.
L. Vom Beweise durch Urkunden.
Wie lange Urkund enbewcis im ordentlichen Prozeß zulässig, und
w« edirte Urkunden aufzubewahren,
z. 113. I. Beweismittel mit Einschluß der Urkunden sind in den nach diesem
1) Von den Personen, denen eine solche Besugniß fehlt, ist oben §. 9, fg. S. 21
fg. die Rede gewesen.
2) Das Geh. Ob. Trib. hat in einem Erkenntn. v. 18Z3 (Jur. Woch. 184«, S.
11 fg.) ausgeführt, daß Zugeständnisse, welche bei Vergleichsunterhandlungen,
die nicht zum Abschlüsse des Vergleichs führen, gemacht sind, jedcrzeit widerru
fen werden können, ohne daß es einer nähern Begründung des Widerrufs be
dürfe. Denn dadurch, daß der Endzweck gütlicher Einigung uneereicht bleibe,
falle die Grundlage weg, auf welcher die Zugeständnisse beruhen.
19«
Äbschnit zu verhandelnde» Prozessen zwar in der Regel in der Klage und Klage-
beantwortung anzugeben. Die Urkunden sollen auch möglichst vor dem Jnftruktions-
termine beigebracht, und dem Gegner abschriftlich mitgcthcitt, oder wenn sie hinter
einem Dritten sich befinden, das Röthige wegen Edirung derselben vom Richter
verfügt sein. Doch sind neue Beweismittel im ganzen Laufe der Instruktion, und
selbst noch im Schlußtermine zulassig und zu berücksichtigen. Nur müssen Urkun
den, wenn erst im Schlußtermin darauf Bezug genommen wird, sofort beigelegt
werden. — Z. 53, 9«, Tit. 10, g. 6, Tit. 12 a. a. O.
ll. Die im Prozeß übergcbcnen Urkunden müssen in der Regel zu den betref
fenden Prozeßakten geheftet, und darin aufbewahrt, bei der Aktenreposition muß
aber dafür gesorgt werden, daß die Zurückgabe erfolge. Die von den betreffenden
Akten getrennte Aufbewahrung ist bciDokumcntcn nur auf ausdrücklichen Antrag
der Parteien gestattet; bei einigen Urkunden, wie Büchern, ganzen Aktenstücken,
Kerbhölzern u. f. w. aber dadurch nöthig, daH die Einhcftung nicht füglich angeht.
Die Aufbewahrung erfolgt dann, sofern sie nicht im Bortrag oder in den Termi
nen nöthig sind, in der Registratur von dem betreffenden Beamten. — Ref. v. 2t.
Decbr. 1329. Jahrb. 34, S. 468. Grass 6, S. 267. — GeschSsts-Reglem. v.
3. Aug. 1341, §. 9. — Res. v. 6, Marz 1838 Nr. 7. Jahrb. 48, S. 473.
Grass 12, S. 93.
Wer ist zur Herausgabe von Beweisurkundcn verpflichtet?
K. 114. Zur Herausgabe der zur Aufklärung der Sache dienenden Urkunden
und schriftlichen Nachrichten sind verpflichtet
1) die Parteien selbst, gleich viel, ob dieselben vom Gerichte dazu fpczicl aufgefor
dert sind oder nicht. Diese müssen sich zugleich erklären, in wiefern sie den In
halt der produzirten Urkunden ganz oder zum Theil als richtig einräumen.
Wenn dies bei Vorlegung der Urkunde oder sonst bei Instruktion der Sache ge
schehen ist, so soll eine solche Urkunde wider den Produzenten blos um deswil
len, weil sie von ihm beigebracht worden, nichts beweisen, sondern es soll le
diglich darauf ankommen: was dieselbe nn und für sich, ohne Rücksicht, wer sie
produzirt, für einen Beweis bewirken könne.
2) dritte in den Prozeß nicht verwickelte Personen. Ihnen liegt jedoch nur auf
richterliche Aufforderung diefe Pflicht ob.
S) Auch Behörden müssen auf Requisition des Prozeßrichtcrs die von ihnen aufbe
wahrten Briefschaften, Urkunden und Akten cdiren. — A. G. O. I. 10, Z. 89—
91, 97.
Doch können, wenn gegen fiskalische Behörden EditionsantrSgc rcsp. Verfü
gungen auf Herausgabe ganzer Aktenstücke vorkommen, diese die Herausgabe der
Aktenstücke verweigern, und fordern, daß die Urkunden, welche verlangt werden,
bestimmt bezeichnet werden. — Wer. d. Geh. O,-Trib. v. 13. Jan. 1841 , mit-
geth. b. Res. v. 23. April 1843. I. M. B. 1843, S. 113 fg.
Was edirt werden muß und was nicht.
§.115. Alle Urkunden, welche über eine streitige Thatsache Aufklarung
zu gewähren im Stande sind, können Gegenstand der Edition sein. Dahin gehört
auch iie Privatkorrespvndenz, welche die Parteien selbst über das streitige Ge
schäft unter einander geführt Habenz ferner die zwischen einer Partei und einem,
von Haiden Parteien gemeinschaftlich als Mäkler oder sonst als Bermit-
Kr zur Verhandlung oder Abschliessung des streitigen Geschäfts gewählten, Drit
ten geführte Korrespondenz; desgl. amtliche Korrespondenzen der Behörden') und
') Das Geh. Ob,-Txib. hat jedoch im Bericht v. tS. Januar 1841 (I. M> B.
191
solche Rechnungen, welche eine untergeordnete Staatsbehörde oder t!n unterge
ordneter Beamte dir vorgesetzten Behörde gelegt hat. Dagegen kann
1) die Edition einer solchen Privcttkorrespondcnz, welche über da« Geschäft zwischen
einer Partei und einem Dritten geführt worden, (in sofern dieser nicht
gememschaftlicher Mäkler oder Vermittler war,) weder von der Partei noch vom
Dritten gefordert werden. Weiß oder vermuthet eine Partei, daß der Dritte
aus der mit dem Gegner geführten Korrespondenz von erheblichen, zur Sache
gehörigen Thatsachen Kenntniß habe, so kann sie ihn zum Zeugen vorschlagen.
Seine Pflicht, zur Ablesung eines Zeugnisses, wird demnächst nach den wciter
unten beim Beweise durch Zeugen vorzutragenden Grundsätzen beurtheilt.
2) Ferner kann nicht verlangt werden die Edition Königlicher Kab. Orders, welche
als Anweisungen an die Verwaltungs-Ehefs erlassen, aber nicht puvlizirt sind. —
A. G. O. I. I«, 8. 90—92«. — Res. v. 4. März 1831. Jahrb. »7, S. 83.
Gräff 6, S. 267.— Res. v. 18. Febr. 1831; v. 17. Januar 1834 u. 1»<
Novbr. 1837. — Gräff, Koch ,c. Erg. III. S. 207 fg.
Won Begründung der Editionsgcsuche und der Art und Weise, in
welcher der Editionspunkt zu erledigen.
Z. 116. I. Der Prozeßrichtcr kann von Amtswegcn die Herbeischaffung der
Urkunden veranlassen, wen» sich aus den Akten deren Existenz und Verbleib, so wie
ferner ergibt, daß ohne deren Herbeischaffung die Sache nicht vollständig aufgeklärt
werden kann. Ausserdem hat aber auch jede Partei das Recht, die Edition der
zum Nachweise ihrer Behauptungen dienenden Urkunden sowol Seitens des Gegners,
als Seitens eines Dritten zu beantragen. — §. 58, 91, I. 1«, A. G. O.
II. Zur Begründung des Editionögrsiichs ist nothwendig:
1) daß die Thatsache, oder der Umstand, welcher durch die Urkunde erwiesen
werden soll,') deutlich und bestimmt angegeben sei;
2) daß wenigstens wahrscheinliche Gründe zu der Bcrmuthung vorhanden sind,
daß ein solches Dokument hinter dem, von welchem es gefordert wird, sich wirk
lich befinde; (cl. z. 118, II.)
3) daß das zu edircnde Dokument dcrgcstattt bestimmt bezeichnet werde, daß
der, welcher es herausgeben soll, dadurch in den Stand gesetzt sei, dasselbe von
seinen übrigen Schriften zu unterscheiden, und sich darüber: ob er ein solches
Dokument besitze, zu erklären.
Auf allgemeine und unbestimmte Editionsgesuche soll also keine Rück
sicht genommen; zur Erforschung bloßer Meinungen und Gesinnungen
soll ein Editionsgesuch nicht zugelassen; und ohne vorhandene, wenigstens
wahrscheinliche Bcrmuthungeu des wirklichen Besitzes sollen beson
ders Personen, welche in de» Prozeß nicht verwickelt sind, damit nicht beun
ruhigt werden. — Z. 92 b a. a. O.
III. Jedes Editionsgesuch setzt aber voraus, daß das Dokument Behufs
Ausmittclung einer im Prozeß streitigen Thatsache nothwendig sei. Fordert Je
mand um deswillen, weil ihm auf ein Dokument als Eigcnthümer, Mitgenosse «der
aus irgend einem andern rechtlichen Grunde ein Anspruch zusteht, dessen HerauS-
1843, S, 113 fg.) angenommen, daß in Prozessen des Königl. Fiskus die die
sen vertretende Behörde nicht verpflichtet ist, die in Betreff des streitigen Ge
genstandes gepflogene Korrespondenz, in soweit diese lediglich zu ihrer Einsicht
und Benutzung gewidmet gewesen, zu ediren.
') Dieser Umstand muß also unter den Parteien wirklich streitig sein. Werden in
Betreff nicht streitiger Umstände, oder um deshalb, damit provocsvt aus der
zu edirenden Urkunde Materialien für andere Klagen sammele, Edirionsgesuche
angebracht, so darf ihnen nicht statt gegeben werden. — Cf. Res. v. 10. April
IM. Gräff, Koch zc. III. 209.
192
gäbe; so gehört der Antrag zur Instruktion und zum Erkenntniß im besondern
Prozeß, dessen Objekt das Dokument ist. Mit dergleichen in einem Prozeß for-
mirten Editionsgesuchen muß daher der Editionssucher ohne Weiteres zum beson
dern Prozeß gewiesen werden. — Z. 93 a. a. O.
IV. Ein besonderes Verfahren und Erkenntniß findet in Betreff des Edi
tionspunktes nicht statt. Derselbe wird, ohne den Gang des Prozesses selbst da
durch aufzuhalten, durch bloße Verfügungen erledigt. Diese Verfügungen auf Her
ausgabe der Urkunden müssen bald nach dem Bekanntwerden der Urkunde
oder resp. nach Begründung des Editionsantrags, ohne Rücksicht darauf, ob der
Sach- und Streitstand bereits entworfen ist oder nicht, erlassen werden. Doch
wird vorausgefetzt, daß der Prozeß bereits schwebt, oder die Klage doch gleichzeitig
wirklich angebracht wird, da bei der bloßen Anmeldung der Klage Editionsgesuche
nicht zulässig sind. Der Erlaß der Verfügungen geht
1) vom Deputirten aus, wenn im Laufe der Instruktion eine Partei die Urkunde
ediren soll.
2) In allen andern Fällen erläßt der Dezernent die Editionsverfügungen. — Z. 53,
108 a. a. O. — Res. v. 13. Aug. 1836. — Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 207.
Von der Edition Seitens der Parteien; vom Editionseide, und
von den Folge» der verweigerten Edition.
§. 117. I. Jede Partei, welcher der Richter ein zur Aufklärung streitiger
Thatfachen beitragendes Dokument, sei es auf Antrag des Gegners, oder von
Amtswegcn abfordert, ist schuldig, dasselbe entweder herauszugeben, oder zu schwören:')
daß sie ein solches Dokument nicht in ihrer Gewahrsam
habe, noch wisse, wo es sich befinde; auch daß sie es nicht
gefährlicher Weise abHände» gebracht habe. — A. G. O. I.
1«, z. 94.
II. Wird von einer Partei die Herausgabe solcher Briefschaften gefordert,
die erst aus den Händen eines Erblassers oder eines andern Dritten an sie gedie
hen sind; und schützt sie vor, daß sie nicht wisse: ob das zu edirende Dokument
darunter sei? nimmt auch Anstand, den Editionseid ad. I. zu leisten; so muß sie
sich erbieten, sämmtliche von einem Dritten auf sie gelangte Skripturen einer von
ihr zu wählenden Gerichtsperson zur Revision vorzulegen. Sie darf dann nur
schwören :
wie sie nicht wisse, noch glaube, daß das von ihr geforderte
Dokument sich unter diesen Skripturen befinde; daß sie
diese Briefschaften dem Kommissario getreulich vorlegen
wolle; daß sie Nichts davon gefährlicher Weise abHänden
gebracht habe, noch bringen wolle, und daß sie auch nicht
wisse, wo das geforderte Dokument befindlich sei. — Z. 95
a. a. O.
III. Steht die Partei, welche ediren soll, unter Vormundschaft; so muß in
der Regel der Vormund den nach Rro. I. und II. zu normirendcn Eid leisten.
Die Abforderung von dem Pflegebefohlenen selbst kann dem Editionssucher nur
dann gestattet werden, wenn er besondere Umstände anführen und bescheini
gen kann, wodurch es wahrscheinlich gemacht wird, daß der Pflegebefohlene selbst
von der herauszugebenden Urkunde Kcnntniß habe. — Z. 96 a. a. O.
') Dies ist ein nothwcndiger Eid. Die Gegenpartei kann ihn dadurch nicht ab
wenden, daß sie Beweismittel über den wirklichen Besitz der Urkunde Seitens
des Schwörenden angiebt. Sie kann nur, in sofern sie den Editionsantrag ge
stellt hat, diefen Antrag zurücknehmen. — tt. Ref. v. 17. Juni 1836. Gräff,
Koch zx. Erg. III. S, 21V.
193
IV. Soll ein Kollegium oder eine Korporation ein Dokument heraus
geben; so ist es genug, wenn nur diejenigen, welchen die Verwahrung der
Briefschaften, der Registratur, oder des Archivs einer solchen Partei vermöge ihres
Amts zukommt, den Editionscid ableisten.') Von den Vorgesetzten oder den
Mitgliedern de« Kolegii selbst kann der Editionseid nur dann gefordert wer
den, wenn besondere Vermuthungcn dafür vorhanden, daß die geforderten Urkunden
oder Akten in ihrer Gewahrsam sich befinden.
Wird auf Produktion einer Urkunde, welche sich in dem Provinzialarchiv
befinden soll, angetragen; so ist deshalb jederzeit an den Justizminister, Behufs der
weiteren Kommunikation mit den dem Archivwesen vorgesetzten Königl. Ministerien,
Bericht zu erstatten. 2) — z. 97 a. o.O.— Res. vom 14. Febr. 1832 in Gr äff,
Koch zc. Erg. III. S. 211.
V. Gesteht eine Partei den Besitz des geforderten Dokuments zu, sie verwei
gert aber die Herausgabe,
1) weil darin gar Nichts zur Sache Gehöriges enthalten sei, die Edition vielmehr
nur aus Jrrthum, oder Chikane, oder strafbarer Neugier gefordert werde; so
muß sie dennoch das Original dem Jnstrucnten, und wenn der Gegner es ver
langt, auch dem ordentlichen Dezernenten vorzeigen. Diese nehmen, wenn sie
die Angabe richtig finden, eine Registratur darüber auf, geben das Original so
fort dem Inhaber zurück, und find verpflichtet, über dessen Inhalt amtscidliches
Stillschweigen zu beobachten. — g. 98, I. 1« A. G. O.
2) Sie verweigert die Edition, weil neben dem zur gegenwärtigen Streitsache Ge
hörigen noch andre Stellen enthalten find, die sie nicht zur allgemeinen Kennt
nis, gebracht wissen will. In diesem Falle muß sie einen Extrakt in Ansehung
der zur Sache gehörenden Stelle, jedoch mit Beifügung des Eingangs, des
Schlusses, des Datums und der Unterschrift zu den Akten geben, das Original
aber dem Jnstrucnten, und auf Verlangen des Gegners auch dem Dezernenten,
vorzeigen. Diese bescheinigen, wenn darin, außer der cxtrahirten Stelle, Nichts
zur Sache Gehöriges enthalten ist, dieses auf dem Extrakt; geben das Original,
nachdem es in Ansehung der Unterschrift, und der zur Sache gehörigen Stelle
der oder den Parteien vorgezeigt worden, dem Inhaber sofort zurück, und müssen
über den übrigen Inhalt gewissenhaftes, amteidlichcS Stillschweigen beobachten. —
§. 99 a. a. O.
VI. Weigert eine Partei sich sowol der Edition, als der Ableistung des nach
Vorstehendem ihr obliegenden Eides; so muß das Dokument in contumscism für
cdirt und rekognoszirt geachtet, und demgemäß
die etwa vorliegende Abschrift für richtig, oder die nach
§. 116, II. Nro. 1. bestimmt angegebene Thatsache, welche da
durch erwiesen werden sollte, für dargethan angenommen
werden.
1) Diesen wird in den meisten Fällen die Vorschrift Z. 117, II. zu statten kommen
und diese Bestimmung wird dann auch, wenn sie den Eid »ck 1. nicht leisten
wollen, angewendet werden müssen. — Res. vom 2. Septbr. 1828. Gräff,
Koch zc. Erg. III. S. 21«.
2) In einem im Res. vom 14. Febr. 1832 bezogenen Antwortschr. der Min. des
Königl. Hauses u. d. A. A. vom 30. Januar 1832 ist zugleich ausgesprochen,
daß der Z. 97 a. a. O. sich nicht auf Staatsarchive beziehe, daß vielmehr in
Bezug auf diese es genüge, wenn der vereidete Archivarius die amtseidliche Ver
sicherung abgebe. — In der Praxis scheint dies auch allgemein sowol in Bezug
auf Archive, als hinsichtlich der Registraturen, denen vereidete Beamte vorste
hen, für ausreichend erachtet zu werden, und dies mit Grund, da das Aussu
chen und Herbeischaffen der Dokumente und Akten zum Amte des Archivarius
xesp. Registrators gehört, und ihr Amtseid für gewissenhaftliche Amtserfüllung bürgt.
13
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In der die Herausgabe fordernden Verfügung wirb daher darnach die Warnung
gestellt werden müssen.
Ist bei der angegebenen Thatsachc selbst, die Quantität oder Summe, oder
irgend ein andrer Nebenumstand, auf den es mit ankommt, nicht sogleich mit an
gezeigt worden; so soll der Editionsfordcrer auch alsdann noch zu dieser Angabe
gelassen, und darauf bei Realisirung der rechtlichen Folgen verweigerter Edition
Rücksicht genommen werden. — Z. IVO a. a. O.
Von der Edition Seitens dritter Personen.
Z. 118., I. Fordert der Prozeßrichter von einem in den Prozeß nicht Ver
wickelten von Amtswegen die Edition eines Dokuments; so stehen ihm keine Zwangs-
maßrcgeln zu; er muß vielmehr, wenn der Dritte die Edition weigert, der betei
ligten Partei die ferneren Editionsanträge überlassen. — Z. 101 a. a. O.
II. Das von einer Partei gegen einen Dritten angebrachte Editionsgesuch
muß die Z. IIS, II. vorgeschriebenen Erfordernisse habe». Es muß darin aber
1) der Grund der Wissenschast: daß die Urkunde sich hinter dem Dritten befinde,
noch bestimmter angegeben, und bis zu einem weit höheren Grade von Glaub
würdigkeit nachgewiesen werden, als wenn die Edition vom Gegner gefordert wird.
2) Ferner muß der Aufenthalt des Dritten bestimmt angezeigt sein, da sonst auf
das Editionsgesuch keine Rücksicht zu nehme» ist. — S. 102, 106 a. a. O.
III. Der in Folge Editionsgesuchs zur Herausgabe eines Dokuments Aufge
forderte kann vom Editionssucher die Ableistung des Eides sür Gefährde;') (jurs-
menUim «»lumnise) verlangen. Verweigert dieser die Leistung des Kalumnienei-
des; so kann der Dritte die Edition ablehnen. Leistet er aber diesen Eid, oder will
der Dritte den Kalumnieneid nicht fordern; so Muß dieser das Dokument heraus
geben, oder seine Hinderungs- oder Weigcrungsgrü'nde anzeigen. Behauptet er,
1) daß das in seinen Händen wirklich befindliche Dokument Nichts zur gegenwär
tigen Sache Gehöriges enthalte, so muß er ») entweder dasselbe dem Jnstruen-
ten, und auf Verlangen des Editionssuchcrs auch dem Dezernenten vorlegen,
und es findet dann das Z. 117, V. Nro. 1 Vorgeschriebene statt; oder b) er
muß seine Angabe eidlich erhärten, und der Editionssuchcr muß sich dabei beruhigen.
2) Enthält das Dokument ausser dem auf die vorliegende Sache Bezüglichen noch
andre Punkte, welche der Inhaber nicht allgemein bekannt werden lassen will,
so kommt die Vorschrift Z. 117, V. Nro. 2 zur Anwendung.
3) Zweifelt der zur Edition Aufgeforderte, ob das Dokument sich in seiner Ge
wahrsam befindet, und s) erinnert er sich, daß ihm dasselbe unter seinen Schrif
ten früher schon vorgekommen sei ; so muß er seine Schriften und Papiere sorg
fältig und aufmerksam durchsuchen, und wenn er es nicht findet, den §. 117, I.
gedachten Eid leisten. Doch steht ihm allemal frei, darauf anzutragen: daß
seine Schriften durch eine von ihm selbst zu ernennende Gerichtspcrson auf Ko
sten des Editionssuchers durchgcsehn werden, und dann hat er den Editionseid
mir dahin zu leisten:
daß er alle seine Schriften, unter welchen das geforderte
Dokument möglicher Weise sich befinden könnte, dem
Kommtssarius getreulich vorgelegt, und Nichts davon
gefährlicher Weise zurück behalten habe.
Ii) Erinnert sich der Dritte nicht, daß ihm das geforderte Dokument jemals
unter seinen Papieren vorgekommen sei; so ist er nur schuldig, diejenigen unter
seinen Schriften nachzusehn, unter welchen nach einer ihm wahrscheinlichen Ver-
') Dieser Eid ist dahin zu leisten: Ich N. N. schwöre zc., daß mir kein anderes
Mittel, als vom N. N. die Edition oder eidliche Difession des (zu bezeichnenden)
Dokuments zu verlangen, zur Ausmittclung der Wahrheit übrig bleibt, und daß
ich dasselbe nicht aus CbMne ergreift zc. !. 22, H, 37 fg.
195
muthung da« Dokument sich vielleicht befinden könnte; und alsdann darf cr
nur schwören:
wie er sich nicht erinnere, daß ihm das geforderte Doku
ment unter seinen Schriften jemals vorgekommen wäre;
daß er selbiges auch bei der gegenwärtig angestellten
Nachfuchung nicht gefunden habe; und er nach seiner be
sten Überzeugung nicht glaube, noch dafür halte, daß fich
dasselbe unter seinen Skripturen befinde. — g. 98, 99,
102—104 a. a. O. Z. 42, Tit. 22, l. A. G. O.
IV. Verweigert der Dritte auf die in Folge Editionsgesuchs ergangene Auf
forderung die Edition, ohne einen gerechtfertigten Hindcrungsgrund anzugeben; so
kann er durch Geld oder Gcfängniß, oder durch andre Strafen >) dazu angehalten
werden. Dagegen hat er auch das Recht, die durch die Edition oder Eidesleistung
erwachsenen Schäden und Kosten vom Editionsfordercr erstattet zu verlangen, —
§. 104, 105, I. 1« A. G. O.
V. Wohnt der Dritte, welcher ediren soll, ausserhalb des preußischen Staats;
so wird das auswärtige Gericht, unter welchem jener wohnt, um Veranlassung der
Edition ersucht, und gleichzeitig dem Editionssucher eine nach Entfernung des Orts
abzumessende 4- 6- «wöchentliche, auch in ausserordentlichen Fällen noch längere Frist
bestimmt, innerhalb welcher das Dokument herbeigeschafft werden muß. Während
der Frist muß deshalb Provocant beim fremden Gericht die Sache gehörig betrei
ben. Inzwischen wird die Instruktion der Sache fortgesetzt, und wenn die Frist
vergeblich abläuft, ohne Rücksicht auf das Dokument abgefchlossen. Wenn jedoch
1) sich Anzeigen finden, daß Kläger, gegen welchen die Edition gesucht wurde, die
Leistung derselben durch heimliche Kollusionen mit dem Inhaber der Urkunde,
oder durch andre dergleichen unzulässige Mittel vereitelt habe; so soll demselben
das fernere rechtliche Gehör nicht eher, als bis das Hindernis, beseitigt worden,
verstattet werden. Hat dagegen
2) der Beklagte sich solcher unerlaubter Handlungen verdächtig gemacht, so muß cr
diesen Verdacht eidlich ablehnen. Ist Beklagter der unerlaubten Begünstigung
überführt; so wird das, was Kläger durch das Dokument hat darthun wollen,
zu dessen Vortheil für erwiesen angenommen. — 107 a. a. O.
Wo, und auf wessen Kosten die Edition geschehen muß, und in
welcher Form die Dokumente zu produziren sind.
Z. 119. I. Die Edition geschieht in der Regel an ordentlicher Gcrichtsstelle. —
Kann jedoch die zu edirende Urkunde aus erheblichem Grund nicht dahin geschafft
werden; 2) so muß das Gericht dieses Geschäft durch einen Kommissarius in der
Behausung des Inhabers, oder allenfalls durch Auftrag oder Requisition an das
Gericht des Orts, wo die Urkunde sich befindet, vornehmen lassen. — Z. 109 a. a. O.
II. Die Kosten der Edition müssen, wenn sie auf Anregung einer Partei ver
langt worden, von dieser; wenn sie aber der Richter von Amtswegcn vervrdnet hat,
v«l beiden gemeinschaftlich vorgeschossen werden. — a. a. O.
2) Je nachdem nemlich derselbe Vermögen hat oder nicht, oder auch weder Ver
mögen noch die Freiheit besitzt. Im letzteren Falle werden diese andern Stra
fen in Entziehung besserer Kost, oder des Lichts, oder ihm im Gefängniß gestat
teter Bequemlichkeiten, bestehen.
2) Z. B. bei Inschriften auf Mauern, Grabsteinen u. dgl. Der Deputirte wird
in solchen Fällen den wesentlichen Inhalt mit Anfang und Ende niederschreiben,
und wenn die Parteien in dem desfalsigcn Termin an Ort und Stelle erschienen,
den Extrakt ihnen vorlegen, und sie über die Richtigkeit und Vollständigkeit des
Extrakts vernehmen müssen; falls sie nicht erschienen, wird er die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Abschrift oder des Extrakts zu bescheinigen haben,
13
196
III. Alle brieflichen Urkunden, sie mögen freiwillig oder auf richterliche An
ordnung herbeigeschafft sein, müssen in ihren Originalen, und zwar vollstän
dig produzirt werden. Der Vorlegung des Originals bedarf es nicht
1) wenn der Gegentheil eine beigebrachte Abschrift, als mit dem Original überein
stimmend, anerkennt;
2) wenn er eine solche Abschrift in dieser oder einer andern Sache schon vorher ge
richtlich anerkannt hat;
3) wenn mit Zuziehung sämmtlicher Interessenten beglaubte, dem Original gleich zu
achtende Abschriften angefertigt;
4) wenn alte Dokumente, aus Besorgnis,, daß sie unleserlich werden mochten, mit
gleichmässiger Zuziehung der Interessenten erneuert worden sind, und diese vorliegen ;
5) wenn von gerichtlich aufgenommenen oder konsirmirten Urkunden beglaubte Ab
schriften, welche von einem inländischen Gerichte oder einem inländischen Notar
gefertigt sind, produzirt werden;
ö) wenn das Dokument mehre zur Sache gehörige Stellen enthält, und daher auf
Verlangen des Produzenten in Gemäßheit der KZ. 117. V. Nr. 2 und 118, III.
Nr. 2 Extrakte gefertigt und bescheinigt worden;
7) wenn Umstände obwalten, warum das Original nicht füglich an den Ort des
Gerichts geschafft werden kann, und daher die Vorschrift g<1 I. Anwendung fin
det. — Z. 100—112 a. a. O. — Cab.-Ord. vom 6. Nvvbr. 1834. G. S. S. 18«.
IV. Bezieht sich das produzirte Dokument auf ein andres, so muß in der
Regel auch das bezogene Dokument (6o«umsriNim relstum), herbeigeschafft wer
den. Doch findet dies nur bei einer eigentliche» Beziehung, nicht aber dann statt,
wenn im produzirten Dokument eines Andern blos Erwähnung geschieht. Ist die
Hcrbeischasfung der bezogenen Urkunde unmöglich, oder mit großen Weitläuftigkei-
ten oder Kosten verknüpft; so kann sie ohne Nachrhcil für die Glaubwürdigkeit und
Beweiskraft des beziehenden Dokuments unterbleiben:
1) wenn das bezogene durch das beziehende Dokument ganz aufgehoben;
2) wenn der Inhalt des bezogenen aus dem beziehenden vollständig zu ersehen ist;
3) wenn dieser Inhalt auf andre Art nachgewiesen werden kann;
4) wenn die vorgelegte beziehende Urkunde über die streitige Thatfache vollständig
Auskunft gibt. ") — z. 113, I. 10 A. G. O.
Bon Urkunden in fremder Sprache.
Z. 120. Ist das Dokument in fremder d. h. in nicht teutfcher Sprache abge
faßt; so muß durch einen entweder ein für alle Mal vereideten, oder für diesen
speziellen Fall zu vereidenden Dvllmetfcher davon eine richtige Übersetzung dann ge
fertigt werden:
1) wenn die Sprache der Urkunde beim Gericht unbekannt; ,
,2) wenn eine der Parteien dieser Sprache nicht kundig ist, und eine Übersetzung
verlangt, und
5) wenn die Akten an ein Kollegium zum Spruch gesendet werden, von welchem
man nicht voraussetzen kann, daß es die Sprache der Urkunde hinlänglich kenne.
In diesen Fällen muß das Gericht von Amtswegen für die Übersetzung sorgen. —
S. 114 a. a. O. — Res. vom 1«. Mai 1814. Jahrb. 4, S.3. Gräff2, S. 9S.
') Ein Schuldschein, in welchem der Schuldner erklärt hat, daß er den Schuldbe
trag nach einer zwischen ihm und dem Gläubiger angelegten Berechnung ver
schulde, ohne daß sonst eine andre Bestimmung, worin die Valuta bestanden
habe, im Schuldscheine enthalten ist, und ohne Beibringung der in Bezug ge
nommenen Berechnung, begründet nicht die rechtliche Vcrmuthung, daß der
Schuldner die Valuta empfangen hat. — Erk. d> Gh> Ob.-Knb. vom 7. April
MS. Simon Rechtsspr, S, S. 7S, -
Wo» der Giltigkeit dcr Urkunden in Bezug auf die Form, sowie,
wenn sie Mängel, Widerspruche, Korrekturen, Rasuren u. dgl. ent
halten, oder unverständlich, oder zerrissen, oder verfälscht sind.
Z. 121. I. Im Zweifel, und wenn die Gesetze des Orts, wo eine Urkunde
verbindliche Kraft erhalten hat, von den Gesetzen des Orts, wo dcr Prozeß schwebt,
abweichen, entscheiden die crstercn. >) — §. 115, 1. 10 A. G> O.
II. Sind bei einer Art von Urkunden gewisse Erfordernisse bei Strafe der
Nichtigkeit gesetzlich vorgeschrieben; so wirkt jeder dabei entdeckte Mangel, daß einer
vorgelegten Urkunde die Eigenschaft nicht beigelegt werden kann; zu deren Begrün
dung gedachte Erfordernisse gehören. — §.116 c>. a. O.
III. Wenn in einem Dokumente in Ansehung der dadurch ins Licht zu setzen
den Thatsache, oder im Eingänge, oder am Schlüsse ein Widerspruch obwaltet; so
kann dasselbe Nichts beweisen. Doch kann, wenn dcr Widerspruch nm Eingänge
und Schlüsse aus einem einleuchtenden oder nachzuweisenden Jrrthume herrührt, der
Urkunde, blos dadurch die Beweiskraft nicht genommen werden. — S. 117. a. a. O.
IV. Diese Beweiskraft fällt aber ganz weg, wenn ein Dokument in Stellen,
die auf den Streitpunkt unmittelbare Beziehung habe», so undeutlich gefaßt ist, daf
sich dessen Sinn nicht entnehmen läßt, «dcr wenn solche Ausdrücke gebraucht wor
den sind, denen offenbar und ohne Zwang ei» doppelter Sinn beigelegt
werden kann. — a. a. O.
V. Wird bei Vorlegung einer Urkunde bemerkt, daß darin etwas von einer
verschiedenen Hand, oder mit andrer Dinte, oder zwischen den Zeilen,
oder am Rande geschrieben, oder daß darin etwas durchgestrichen, oder kor-
rigirt, oder ausgckrazt, ^) oder einzelne Blätter ganz oder zum Thcil abge
rissen, oder durch Schmutz oder auf andre Art unleserlich gemacht worden; so
ist zuförderst nachzuforschen, woher diese Veränderungen entstanden sind. Wird dies
1) ermittelt, so ist nach den ausgcmittcltcn Umständen zu bestimmen; ob und in
wiefern die Beweiskraft des Dokuments dadurch vermindert werde.
2) Bleibt die Veranlassung dcr bemerkten Veränderung ungewiß, und diese findet
sich bei dcr eigentlichen Beweisstelle, oder am Eingänge, oder am Schlüsse des
Dokuments ; so wird dessen Glaubwürdigkeit dadurch geschwächt. Wird die Vers
änderung nur bei einer andern minder wichtigen Stelle bemerkt; so bleibt es der
Beurtheilung des Richters überlassen: ob und in wiefern das Dokument den
noch für eine untadelhafte Urkunde gelten könne. — §. 11» a. a. O.
VI. Zerrissene oder zerschnittene Dokumente verdienen keinen Glauben;^) es
Demnach hängt z. B. die Anwendbarkeit der gesetzlichen Vorschriften über die
Certioration bei Bürgschaften dcr Frauenspersonen, oder bei deren Eingchuncx
gemeinsamer Verpflichtungen mit Männern in Einem Instrument vom Orte
des geschlossenen Kontrakts, nicht vom Wohnorte dcr Frauensperson ab; —
Erk. vom 3«. Jan. 1818 und 2. April 1819. Simon R. S. Bd. 2, S. 425^
Ferner wird die Form eines Protestes nach den Gesetzen des Orts bcurtheilt,
wo der Protest eingelegt wird. — Erk. vom 1. Mai und vom 3. Juli 183«.
Simon R. S. Bd. 3, S. 20 u. s. w. — Übrigens sind die Meinungen dar
über verschieden: ob der Z. 115, I. 10 A. G. O. auch auf lctztwillige Verord
nungen sich beziehe oder nicht? Die Bejahung der Frage ist wohl das Richti
gere, da jene Bestimmung ganz allgemein auf alle Urkunden sich bezieht und der
fürs Gcgenthcil angeführte Z. 1 des G. vom 3. April 1823 keine gcgentheili-
gen Folgerungen zuläßt, auch die Worte „verbindliche Kraft erlangen" eben so gut
von Testamenten, als von Verträgen gebraucht werden können. — Lk. Jahrb.
3«, S. 94. Jur. Z. 1832, S. 737. 1833, S. 301. 1834, S. 157.
2) In einem Urtel des O. A. G. zu Posen vom 27. Mai 1822 ist ausgeführt,
daß eine Rasur beim Datum eines Wechsels dessen Wechsclkraft nicht unbe
dingt aufhebe. — Simon R. S. Bd. 1, S. 405.
») Schriftliche noch nicht erfüllte Verträge können mit Einwilligung beider Kon
198
wäre beim, baß nachgewiesen werden könnte, daß sie durch einen blossen Zufall, oder
von dem Gegner oder einem Dritten zur Verdunkelung der Wahrheit in diesen Au
stand versetzt worden. In diesen Fällen beweist ihr Inhalt, so weit er daraus noch
entnommen werden kann. — Ist von einer Urkunde nur ein anhängendes oder auf
gedrücktes Siegel abgerissen, oder abgesprungen; so kann, wenn sonst kein Verdacht
einer Fälschung obwaltet, dieser Umstand allein der Glaubwürdigkeit des Dokuments
Nichts benehmen. — ß. IIS a. a. O.
VII. Die Verfälschung einer Urkunde wird nicht vermuthet. Diese gilt
so lange für richtig, bis die Verfälschung nachgewiesen ist. Wird aber ein Doku
ment in Ansehung eines Umstandes als verfälscht befunden; so wird dadurch dessen
Glaubwürdigkeit überhaupt geschwächt. >) — Z. 121 a. a. O.
Ergänzung des Beweises hinsichtlich verlorener oder vernichteter
Dokumente.
Z. 122. I. Wenn eine Partei die zur Aufklärung der Wahrheit erforderli
chen Urkunden vorsätzlich wegbringt, zerreißt, oder auf andre Art unleserlich
macht; so soll, wenn die Urkunde ein Kontrakt war, die Angabe des Andern vom
Inhalte so lange für richtig angenommen werden, bis das Gegentheil klar erwiesen
ist. Bei andern Urkunden dagegen wird der Gegner jederzeit zur eidlichen Bestär
kung des Inhalts der auf diese Weise dem Auge des Richters entzogenen Urkunde
gelassen. 2) — §. 120. a. a. O. — §. 17«, I. 5 A. L. R.
II. Behauptet eine Partei, daß die zur Unterstützung und zum Beweise ihrer
Gerechtsame dienenden Urkunden durch Feuer, Wasser, Plünderung oder durch Zu
fall verloren gegangen, oder unleserlich geworden sind; so ist auf dies Vorgeben
dann Rücksicht zu nehmen, wenn die Partei nachweisen kann, daß ein solches Do
kument wirklich cxistirt hat, und wenn sie zugleich den Inhalt anderweit darthun
Zann. — §. 122 a. a. O. Z. 1S9, Tit. S. I. A. L. R.
Von den verschiedenen Arten der Urkunden, und zwar:
1) von den öffentlichen und deren Beweiskraft,
lz. 123. öffentliche Urkunden nennt man die, welchen eine vorzügliche
Glaubwürdigkeit um deswillen beigelegt ist, weil die Aussteller derfelben im Staate
dazu bestellt worden sind, dergleichen Urkunden aufzunehmen oder zu bekräftigen.») —
Die öffentlichen Urkunden können gerichtliche und aussergerichtliche sein.
trahcntcn durch Kassation des Instruments aufgehoben werden. — tt. 335—
387, Tit. 5, I. A. L. R.
Wer wissentlich sich der von Andern verfälschten Urkunden zum Nachthcilc eines
Dritten bedient, den trifft ebenfalls die Strafe der Urkundenfälschung. — g.
1379 Str.-R.
«) Einzelne finden in den Bestimmungen §. 12«, I. 10 A. G. O. u. ß. 170, I. 5
A. L. R. einen Widerspruch, und suchen ihn auf verschiedene Weise zu lösen.
Ein solcher ist aber nicht vorhanden, da letztere Gesctzftclle nur in Bezug auf
Verträge eine Ausnahme von der in der A. G. O. aufgestellten Regel enthält. —
«f. Lcue Theorie des Beweises B. 1, S. 228. Ges. Rcv. Pens. IV. Th. III.
S. 27«.
») Hier ist zwar nur von den, von innländischcn Ausstellern herrührenden Urkun
den die Rede, wozu namentlich auch die, ven diesseitigen im Auslände sungiren-
den Gesandten und Konsuln in ihrem Ressort ausgestellten, Urkunden gehören.
Wenn jedoch Urkunden ausländischer Behörden vorliegen, so wird diesen die Be
weiskraft öffentlicher Urkunden ebenfalls beigelegt werden müssen, wenn diese
Behörden zur Ausstellung von dergleichen Urkunden autorisirt find, und dies,
sowie der Umstand, daß dieselben von ihnen ausgestellt worden, ausser Zweifel
ist. In dieser Hinsicht haben
s) Zeugnisse und Urkunden französischer Behörden nur dann öffentliche
199
I. Gerichtliche öffentliche Urkunde» sind sie dann, wenn de» sie ausstellen
den Personen der gerichtliche Glaube beigelegt, und sie vor diesen mir den gesetzlich
vorgeschriebenen Erfordernissen vollzogen worden. Ist eine solche Urkunde
1) unter Beobachtung der gesetzlichen Erfordernisse gerichtlich aufgenommen,
so beweisen s) nicht allein die gerichtlichen Ausfertigungen derselben, gleichviel,
ob das Dokument in Form eines Protokolls abgefaßt, oder auf Grund des ab
gehaltenen Protokolls in eine förmliche Urkunde gebracht worden ist; auch >>>
die Konzepte solcher Ausfertigungen, welche sich in de» Archiven oder Regi
straturen der Gerichte befinden, von denen die Ausfertigung verfugt worden,
wirken in Ermangelung des Originals einen vollen Beweis, e) Blosse (nicht
beglaubigte) Abschriften gerichtlicher ^Urkunden, wenn sie unverdächtige Spure«
des Alters an sich tragen, oder gar in öffentlichen Archiven und Registraturen
gefunden worden, begründen eine rechtliche Bermuthung.
Glaubwürdigkeit in preussischcn Landen, wenn die Ächthcit der Unterschrift
und Siegel derselben und die Bcfugniß der Aussteller zur Ausstellung ent
weder vom ftanzös. Justizministcr, oder vom französischen Minister der A. A,,
je nachdem der Geschäftsgang in Frankreich das Erste oder das Letzte be
stimmt, bezeugt, und wenn zugleich ferner die Unterschrift und das Siegel
der gedachten französischen Minister von dem beim französischen Hofe akkre-
dirten preussischcn Gesandten in gehöriger Form bescheinigt worden ist, —>
Circ.-Nes. vom 2S. Nevbr. 1811 und Res. vom 2. Febr. 1813. Jahrb. 2,
S. 44. Gr äff 2, S. 96.
d) Alle von Kolonisten vor dem Komptoir der auswärtigen Ansiedler ausge
stellte und einregistrirte Akte jedweder Art in Rußland haben mit den öf
fentlichen aussergerichtlichcn Urkunden gleiche Kraft und Glaubwürdigkeit. —
Res. vom 21. Juli 1825. Jahrb. 26, S. 197. GrSff 2, S. 97.
c) Die Lcgalisirung andrer in Rußland aufgenommenen für das Ausland be
stimmten Urkunden erfolgt vom Direktor der inncrn Abthcilung des Mini
steriums der A. A., dessen Unterschrift sodann wieder von der betreffenden
kaiserlichen Gesandschaft beglaubigt wird. — Res. vom 9. Jan. 1839. I.
M. B. S. 34.
In Betreff des Verfahrens bei Legalisation der ins Ausland gehenden oder
daher kommenden Urkunden enthält die Instruktion der Minist, der Justiz und
der A. A. vom 22. März 1833 folgende Bestimmungen:
Die Frage: ob eine Urkunde in Beziehung auf ihren Inhalt und
ihre Form nach den Gesetzen des Orts, wo sie aufgenommen wor
den, rechtsgiltig sei? ist eine blosse Rechtsfrage, bei deren Beantwortung
die Bestimmungen der auswärt. Gesetzgebung, falls solche der diesseitigen Be
hörde, auf deren Entscheidung es ankommt, nicht völlig unzweifelhaft bekannt
sind, einen Gegenstand des von den Parteien beizubringenden Beweises bilde»,
und zwar eines Beweises, der, wie bei jeder andern Behauptung in ^'ure, nicht
füglich durch ein diplomatisches Attest geführt werden kann.
Das Legalisationsverfahrcn hat es dagegen nur
mit der Ächthcit einer Urkunde oder mit dem Nachweis
der Richtigkeit ihrer Signatur und Vollziehung
zu thun. — Dieser Beweis, wie der einer jeden andern Thatsache, kann ebm
deshalb zum Gegenstand des Attestes einer öffentlichen Behörde, welche zur
Ausstellung solchen Zeugnisses verfassungsmässig berechtigt ist, gemacht werden. —
Der Zweck des Legalisationsverfahrens ist, gleich dem Zwecke eines jeden Ur
kundenbeweises, dem Richter, auf dessen Prüfung und Entscheidung es ankommt,
die Überzeugung von der Ächtheit der Urkunden zu verschaffen. — Wo also in
Folge der Bermuthung, welche im Allgemeinen für die Ächthcit jedes öffentli
chen Siegels und jeder amtlichen Unterschrist streitet, jenc Überzeugung von der
Ächtheit einer Urkunde schon ohne ein besonderes Beglaubigungsvcrfahren dem
Richter auf Grund der obwaltenden Umstände beiwohnt, und keine besondre
Veranlassung zu Verdacht in dieser Beziehung vorhanden ist; da erscheint auch
ein jedes anderweitige Legalisationsverfahren überflüssig, und als eine nutzlose
Erschwerung des Verkehrs. Es können daher allgemein durchgreifende Vor-
20«
2) Die Eigenschaft der gerichtlichen haben auch die, zwar ausscrgerichtlich vollzo
genen, jedoch gerichtlich anerkannten Urkunden. Eine solche Urkunde muß
aber s) den Ort und das Datum der Aufnahme, die Benennung aller dabei
gegenwärtig gewesenen Interessenten, nebst einer vollständigen und deutlichen
Erzählung der vorgefallenen Verhandlung enthalten, ferner d) muß dieselbe
den sämmtlichen vor Gericht oder einem Gerichtsdcputirtcn erschienenen Interes
senten durch eine Gcrichtsperson vorgelesen, von ihnen deren Inhalt genehmigt,
und die darunter befindlichen Unterschriften anerkannt; und endlich e) muß,
wie dies Alles geschehen, unter der Urkunde selbst vom verhandelnden Gerichte
bescheinigt worden sein.
schriftcn über die Fälle, wo und wie ein Lcgalisationsverfahren zu veranlassen,
nicht fuglich gegeben werden, und muß vielmehr die Individualität jeden spe
ziellen Falles mit Rücksicht auf das Verhältnis; der Behörde des auswärtigen
Staats, von welcher die Ausfertigung der Urkunde ausgegangen ist, zu der
diesseitigen, welche die Prüfung vorzunehmen hat, den Richter bei seiner Ent
scheidung darüber leiten, ob ein Legalisationsverfahren zu veranlassen, und wel
ches, ob ein mehr oder minder weitläufiges. Der Richter hat dabei nur die
Ansicht festzuhalten, daß, während das Legalisationsverfahren auf der einen
Seite dazu dienen soll, Schutz zu gewähren gegen die Vertretung möglicher
Versehen bei der Prüfung der Ächtheit einer Urkunde, dasselbe doch auf der
andern Seite nicht die Richtung nehmen darf, den Verkehr der diesseit. Untcr-
thanen und Behörden mit dem Auslande ohne Roth zu hemmen und zu erschweren.
Sofern nun aber eine Gerichtsbehörde bei Prüfung der Ächtheit ihr vorge
legter Urkunden, gleichviel, bei welchem ausländischen Staate dieselben aufge
nommen worden, nicht schon durch deren gewöhnliche Anfertigung und Signa
tur ihre ctwanigen Zweifel befeitigt, vielmehr aus besondern Rücksichten dafür
hält, eine nähere Beglaubigung verlangen zu müssen, hat dieselbe den Grund
satz festzuhalten,
daß nach der Natur der Sache die Legalisation als solche
eine diplomatische sein muß, jedes Verfahren hierbei auch
überhaupt für beendigt zu erachten ist, sobald das mitun
terzeichnete Ministerium der A. A., als die letzte diplomati
sche Legalifations-Jnstanz, die Frage über die Ächtheit
einer ausländischen Urkunde durch sein desfalsiges Attest
entschieden hat.
Die Individualität des Falles entscheidet wieder darüber, thcils, ob die mi
nisterielle Schutzbeglaubigung noch erforderlich, theils ob es zweckmässiger und
leichter ausführbar fei, entweder durch den bei dem betreffenden Staate des
Auslandes akkrcditirten preussischen Gesandten oder aber durch den am preuss.
Hofe akkreditirtcn Gesandten des betreffenden auswärt. Staates die Richtigkeit
der Signatur auf der fr. Urkunde beglaubigen zu lassen.
Wenn auch der, eine Rechtsfrage betreffende Beweis
über die Kompetenz des Ausstellers einer Urkunde zu deren Anfertigung
zum Gegenstände des diplomatischen Lcgalisationsattestes, wie erwähnt, nicht
gemacht werden kann, so wird doch mit Rücksicht darauf, daß öfters Behufs
der endlichen diplomat. Legalisation die Konkurrenz beglaubigter Zwischenbehör
den eintrir, solche Zwischenbehörde füglich ihr dicsfalsigcs Legitimationsattcst zu
gleich auf jene Frage der Legitimation des Ausstellers giltig mit ausdehnen, so
fern dieser Behörde die Entscheidung hierüber an sich amtlich zusteht. Hierdurch
würde nicht nur ein doppelter Vorthcil durch Ein Verfahren erreicht, indem
anderweitigen Rückfragen wegen der Rechtsgiltigkeit der Urkunden in gedachter
Beziehung vorgebeugt wird, sondern es kann auch nach Umständen die cigentl.
diplomat. Legalisation selbst eben dadurch entbehrlich werden, daß sich das Attest
einer Oberbehörde, Behufs der zu bescheinigenden Kompetenz auf „derselben be
findet, indem diejenige Vermuthung, welche im Zweifel für die Ächtheit einer
mit öffentlichem Siegel und «mtl. Unterschrift versehenen Urkunde streitet, durch
die Anzahl der solchergestalt beglaubigenden öffentlichen Behörden verstärkt wird.
Insonderheit scheint es daher angemessen, wenn die obere provinzielle Gerichts
behörde jede von einer Unterbehörde ausgestellte Urkunde zuförderst mit ihrer
201
Alle nach Nro. 1 und 2 gerichttick) aufgenommenen oder anerkannten Doku
mente bedürft« keiner ferneren Rekognition. Dennoch müssen sie dem Gegner zur
Anbringung etwaiger Einwendungen vorgelegt werden. Diese Einwendungen kön-
ncn nur bestehen, s«) in der Behauptung, daß es dem Dokumente an den Erforder
nissen und Eigenschaften einer gerichtlichen Urkunde crmangele,») bli) in der Anga
be, daß bei Aufnahme desselben ein Jrrthum vorgefallen. In beiden Fällen muß
mit Untersuchung der einer solche» Behauptung zum Grunde liegenden Thatsachcn
und mit Aufnahme der darüber angegebenen Beweismittel verfahren werden. —
Gleiches gilt cc) wenn eingewendet wird, daß die Gcrichtsperson, welche die Ur
kunde aufgenommen hat, verübter Fälschungen in ihrem Amte, wenn auch nur bei
andern von ihr gefertigten Urkunden, gerichtlich überführt sei. Wird dies nachge
wiesen, so wird die Glaubwürdigkeit der Urkunde geschwächt. — Andre Einwendun,
gen können Behuf« Anfechtung der Richtigkeit des Inhalts einer gerichtlichen Ur
kunde nicht zugelassen werden. — Z. 123—126, l. 1« u. Anh. Z. 78 A. G. O.
II. Die öffentlichen aussergcrichtlichcn Urkunden bedürfen zwar ebenfalls keiner
Rekognition; doch müssen sie den Parteien gleichfalls vorgelegt werden, und diese
können nicht nur darüber, daß es denselben an den gesetzlichen Erfordernissen fehle,
sondern auch darüber, daß der Inhalt unrichtig fei, Beweismittel beibringen.
§. 131 a. a. O. — Als solche Urkunden sind zu betrachten: 2)
1) Die Atteste, welche Landeskollegien, Magisträte») und Gerichte über
die zu ihrem Ressort gehörigen, vor ihnen erfolgten Verhandlungen, mit Bezug
Unterschrift und ihrem Siegel beglaubigt, und falls es sich von einer Notariats-
urkunde handelt, noch das Attest hinzufügt:
daß der Aussteller als öffentlicher Notar zur Ausstellung der von ihm
ausgefertigten Urkunde berechtigt sei.
Die diesseit. Behörden werden sich mit Recht oft bei solchem Verfahren um
so mehr begnügen können, als die Bescheinigung der Kompetenz des Ausstellers
einer ausländ. Urkunde nur verlangt werden kann, wenn die Gesetze selbst eine
solche Bescheinigung, wie dies bei Kirchenattesten geschehen, verlangen.
Da, wo anderweitige Legalisationsformcn durch spezielle Verordnungen fest
gesetzt sind, wie dies in Betreff der in Frankreich aufgenommenen Urkunden der
Fall ist, — welche aber nicht ausdehnend zur Anwendung kommen dürfen, —
bleibt es zwar bis zur Aufhebung der bestehenden Bestimmungen bei dem vor
geschriebenen Verfahren; doch gilt auch für diese Fälle der allgemeine Grundsatz,
daß eine diplomatisch beglaubigte Urkunde für gehörig legalisirt zu er
achten ist.
Was endlich die innländischen zur Produktion bei ausländischen Behör
den bestimmten Urkunden betrifft, so wird auch für diese, sofern eine Beglaubi
gung derselben überhaupt verlangt werden sollte, die Beglaubigung Seitens der
Landes-Justizkollcgicn in der oben angegebenen Art in der Regel genügen. Wenn
aber noch eine fernere Beglaubigung der Urkunden der Unterbehörden, «der der
von Proinzialbehörden selbst aufgenommenen Urkunden verlangt würde, so ist
dieselbe, wie erwähnt, auf diplomatischem Wege zu bewirken. — Jahrb. 41,
S. 22«. Gräff 6, S. 268 fg. «. auch Res. vom 6. September 1839.^, I.
M. B. S. 311.
>) Hierunter sind auch begriffen die Einreden des Zwanges, des Betrugs und der
Simulation, da dieselben jede Willenserklärung von Hause aus entkräften.
^) Die hier fpeziel folgenden sind nur einzelne Beispiele öffentlicher aussergerichtli-
cher Urkunden. Ausser denselben lassen sich noch viele andre Urkunden der Art
denken, z. B. die Atteste der Bricfboten über geschehene BehSndigung u. s. w.
Gehört jedoch die Ausstellung einer gewissen Art von Urkunden nicht zum Amte
des Ausstellers, so ist die, wenn auch unter öffentlichem Siegel ausgestellte Ur
kunde der Art nur eine Privaturkundc. — (!s. Res. vom 7. November 1834.
Jahrb. 44, S. 403.
2) Z. B. über den 44 und resp. 10jährigen ruhigen Besitzstand bei Grundstücken,
deren Verwaltung dem Magistrate zusteht. — l^f. Res. vom 22. Dttbr. 1839.
I. M. B. S. 29.
2«S
auf die deshalb aufgenommenen Protokolle oder geführten Register und Bücher,
ausstellen. Doch verlieren dergleichen Atteste dadurch, daß darin der dabei zum
Grunde liegenden Verhandlungen nicht ausdrücklich gedacht ist, ihre Glaubwür
digkeit nicht. — Ist ein solches Attest nur auf den allgemeinen Ruf, oder auf
die den Mitgliedern des Kollcgii beiwohnende Privatwissenschaft gegründet; so
wird dasselbe nur als Privatdokument betrachtet. — Wird in einem solchen At
teste auf Zeugenaussagen Bezug genommen; so hängt die Beweiskraft desselben
von der daraus zu ersehenden Glaubwürdigkeit der Zeugen ab. — K. 127. Anh.
§. 79 a. a. O. ,
2> die aus gehörig geführten Kirchenbüchern über Taufen, Konfirmationen, Trau
ungen und Begräbnisse von dem betreffenden Zivil-Geistlichen oder Militärpre
diger unter dem Kirchensiegcl ausgestellten Atteste, so wie Tobten scheine,
welche von den in Eid und Pflicht stehenden Lazarethbcamten auf Grund vor-
schriftsmässig geführter Register ausgestellt werden. Wenn die Eigenschaft des
Ausstellers dem Gerichte, bei welchem das Zeugniß vorgelegt wird, nicht ohnehin
schon bekannt ist; so muß darunter von dem Gerichte des Ausstellungsorts be
scheinigt sein: daß derselbe zur Ertheilung solcher Atteste legitimirc sei. — Z.
128 a. a. O. — Mil. Kirchen-Ord. vom 12. Febr. 1832. S. 76—82 G. S.
S. 90. Cab.-Ord. vom II. Juli 1833. G. S. S. 289.
I) Die Protokolle, welche zwar nicht von Gerichtspersonen, aber von andern in
Eid und Pflicht stehenden Beamten vermöge eines von einem Landeskollegio er
haltenen Auftrags in Angelegenheiten, welche ihr Amt unmittelbar betreffen,
aufgenommen worden sind.') Es muß jedoch
s) Das Datum und der Ort der Aufnahme, die Benennung sämmtlicher an
wesender Interessenten nebst einer deutlichen und vollständigen Erzählung der
Verhandlung selbst, daraus zu ersehen sein;
b) es muß erhellen, daß das Protokoll den Interessenten vorgelesen, und von
ihnen genehmigt worden ist;
e) dasselbe muß von den Parteien eigenhändig unterzeichnet, oder mit den in
ähnlichen Fällen statt der Unterschrift zugelassenen Zeichen bemerkt sein;
cr. z. 104, S. 17«.
6) der, welcher es aufgenommen hat, muß bei seiner Unterschrift die Eigenschaft,
in welcher er zur Aufnehmung dieses Protokolls autorisirt gewesen ist,
beifügen.
Ermangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist das Protokoll nur als
ein Privatvermerk zu betrachten. — 8. 129, I. 10 A. G. O.
4) Die von Notarien nach gesetzlicher Borschrift ausgefertigten Urkunden. Die von
ihnen vorläufig aufgenommenen Protokolle können, vor Vollziehung der Urkunde,
nur als Privatdokumente, vermöge der Unterschrift der Parteien, etwas bewei
sen. — z. 130 a. a. O.
') Dahin gehören namentlich auch die von den Geistlichen Behufs Legitimation der
ausserehelichen Kinder, wenn deren natürliche Altern sich später heirathen, auf-
geuommenen Protokolle; ef. Ref. vom März 1839, und 5. Oktober 1838.
I. M. B. 1839, S. 119 fg.; — ferner die von den in Eid und Pflicht ste
henden Armenvorstehcrn aufgenommenen Verhandlungen, in welchen den Almo
senempfängern das Erbrecht der Armcndirektion auf ihren Rachlaß bekannt ge
macht wird.— Res. vom 8. April 1836. Gräff, Koch ,c. Erg. III. S. 219;
die von Auskultatoren auftragsweise aufgenommenen Verhandlungen, in sofern
nur solche Erklärungen darin vorkommen, die schon bei Beobachtung der blossen
schriftlichen Form giltig sind. — Res. vom 2«. Febr. 1826 u. vom 3«.
Septbr. 1833. Jahrb. 27, S. 84, Bd. 42, S. 141. — Res. vom 23. Juni
1840. I. M. B. S. 23S.
203
Dadurch, daß eine Partei gcgctl die Glaubwürdigkeit einer LffenUichcn Ur
kunde Zweifel erregt hat, welche bei näherer Erörterung gehoben worden sind,
hat sie das Recht, sich dieser Urkunde in der Folge für sich zu bediene«, noch
nicht verloren. — §. 132 a. o. O.
2. Von den Privaturkunden, und deren Rekognition ^"Z
oder Diffesfion.
§. 124. I. Alle Privaturkundcn müssen dem, gegen welchen sie beweisen sollen,
zur Anerkennung evovtuel Erklärung darüber vorgelegt werden, gleich viel, ob sie
von ihm oder einem Dritten ausgestellt, und ob bei Ausstellung Zeugen zugezogen
sind oder nicht. Nur, wcnn diese Partei oder eine Person, von welcher dieselbe
in der Streitsache ihr Recht herleitet, das Dokument bereits gerichtlich, oder vor
zwei Notarien, oder vor einem Notar und zwei Zeugen anerkannt hat, bedarf eS
keiner Rekognition. Doch sind auch gegen ein solches für rekognoszirt anzunehmen
des Dokument alle Einwendungen zulässig, welche jeder andern Privaturkundc ent
gegengesetzt werden können. — K. 133, 137 a. a. O.
II. Der Produkt, > ) kann
1) wenn die Urkunde weder von ihm, noch von einer solchen Person, welche ihn
durch ihre Handlungen verpflichtet, ausgestellt ist, zur Rekognition oder Diffes
sion nicht gezwungm werden. ES genügt> wcnn er sich nur erklärt, wofür er
dergleichen Dokument halte. — Dagegen muß er
2) wcnn behauptet wird, daß die Urkunde von ihm, oder von cincr Person ausge
stellt sei, deren Handlung ihn hat verbinden können (z. B. von einem Bevoll
mächtigten odcr einem Erblasser u. f. w.), die Urkunde entweder anerkennen,
oder in sofern der Produzent nicht vom Eide abstrahirt und andcrweiten Be
weis antrit, den Diffcssionseid leisten. Nur ein von einem vereideten Mäkler
attestirtcr Wechsel darf nicht eidlich diffitirt werden. Einige andre Ausnahmen
find §. 123, S. 208 angeführt. — Der Diffcssionseid geht dahin:
s) wenn der angebliche Aussteller der Urkunde zu schwören hat:
daß er die Namensunterschrift unter dem ihm vorgelegten
Instrument nicht selbst geschrieben habe, und daß dieselbe
auch nicht an seiner Statt von einem Andern mit seinem
Wissen und Willen geschrieben worden sei.!)
Eine Vertretung des Gcwisscns durch Beweis ist dem Aussteller niemals
gestattet. Weigert er sich sowol die Urkunde anzuerkennen, als auch zu
schwören, so wird dieselbe in contumaciam für rekognoszirt erachtet;
d) wenn der, welcher durch die Handlung des Ausstellers verpflichtet ist, schwö«
ren soll:
wie er nicht wisse und glaube, daß das Dokument von dem
vorgeblichenAusstellerlN.N.) selbst oder mit seinem Wissen
1) Produkt heißt derjenige, gegen welchen die Urkunde beweisen soll, Produzent
der, welcher sich zum Beweise cincr streitigen Thatsache auf die Urkunde beruft.
2) Aus dieser Eidesform folqt übrigcns nicht, daß solche Dokumente, welche zu
ihrer Giltigkcit der schriftliche» Abfassung resp. Unterschrift bedürfen, schon dann
giltig werden, wcnn sie im Auftrage des Kontrahenten von einem Andern un
terschrieben sind; A. B. der über ein 50 Thlr. übersteigendes Objekt geschlosse
ne Vertrag würde dadurch noch nicht für den Auftraggeber verbindlich werden,
in sofern dieser nicht wirkliche Bollmacht zum Vertragsabschluß selbst gegeben
hat. Die Eidesiiorm bezieht sich hauptsächlich nur auf solche Fälle, wo die Schrift
nicht wesentlich zur Giltigkcit des Geschäfts gehört, sondern nur zum Beweift
dienen soll, z. B. wcnn es auf Beweis der Zahlung eines Darlehnt ll. an
kommt. — cr. Motive z. Entw. des A. L. R. Äh. I. S. 71.
204
und Willen in seinem Namen unterschrieben worden sei.
Diffessionseid 6« crecZulitste.)
' Will jedoch Produzent den Produkten zu dieser eidlichen Diffcssion nicht ge
statten, und ist Aussteller noch am Leben, auch sein Aufenthalt bekannt; so
steht dem Produzenten frei, den Aussteller vorladen, und über die Rekogni-
tion oder Diffejsion vernehmen zu lassen. Erkennt dieser das Dokument an,
so hat es dabei sein Bewenden, und die Diffcssion des Produkten findet nicht
statt. Rekognoszier der angebliche Aussteller das Dokument nicht, so kann
Produzent entweder von diesem die eidliche Diffcssion cl« verilsle (Eid ,ick g.);
oder vom Produkten den Diffessionseid ä« oroäuiitste (Eid sä d.) verlange».
Auch Produkt kann, wenn er sich über das vorgelegte fremde Dokument
nicht erklären will, sn) entweder die Vorladung des Ausstellers Behufs Ver
nehmung über Rckognition oder Diffcssion verlangen, oder >>b) vom Pro
duzenten fordern, daß er die Richtigkeit der Hand- und Unterschrift, allen
falls cl« ereilulitsle, eidlich erhärte.
«) Vormünder und Kuratoren leisten in Bctrcff der vom Erblasser ihrer
Pflegebefohlenen ausgestellten Dokumente den Diffessionseid dahin:
daß sie nicht wissen, auch aller angewandten Mühe ungeach
tet weder aus Briefschaftcn , noch sonst sich überzcugcn
können, daß das produzirte Instrument von dem Erblasser
ihrer Pflegebefohlenen ausgestellt worden sei.
Nimmt der Kurator Anstand, diesen Eid zu leiste», so kann er verlan
gen, daß der Produzent zur eidlichen Bestärkung der Richtigkeit des In
struments anschalten werde.
In wiefern der Pflegebcfohlcne selbst den Diffessionseid leisten könne oder
müsse; wird unten beim Beweise durch den Eid angeführt werden. — §.
134—143 a. a. O. Z. 261. das. Z. 1378, Tit. 8, I. A. L. R.
III. Wenn ein Dokument eidlich diffitirt worden; so kann dagegen in eben
demselben Prozesse kein Beweis über die Richtigkeit der Unterschrift weiter statt
finden. Der Produzent muß allenfalls den Produkte» zur Untersuchung wegen
Meineids denunziren. — I. 10, §. 144 A. G. O.
Beweis gegen die angebotene Diffcssion
s) durch Zeugen;
§. 125. Will Produzent den Produkten zum Diffessionseide nicht verstatten;
so muß er die Mittel zum Rachweise der Richtigkeit des Dokuments sofort anzei-
g«i. Bestehen die Beweismittel in Zeugen; so erfolgt deren eidliche Vernehmung
darüber: ob die fr. Urkunde vom angeblichen Aussteller selbst, oder mit seinem
Wissen und Willen, von einem andern in seinem Namen unterschrieben worden;
was für Umstände dabei vorgefallen, und welches der Grund ihrer Wissenschaft sei.
Dem Haupterkenntnisse bleibt demnächst die Bestimmung darüber vorbehalten, in
wie weit durch die Jeugen die Richtigkeit der Handschrift nachgewiesen, ob also das
Instrument für rekognoszirt zu achten, oder auf einen nothwendigen Eid zu erken
nen sei. Der Jnstrucnt muß aber auf alle Fälle mit der ferneren Instruktion
der Sache verfahren, und falls »och andere Beweismittel zur Feststellung des durch
das Dokument nachzuweisenden Umstandcs angegeben sind, dieselben aufnehmen.
Hat sich Produkt zur eidlichen Diffession erboten, und demnächst ist durch
Zeugen die Richtigkeit des Instruments vollständig erwiesen; so muß wegen ver
suchten Meineids gegen ihn mit Untersuchung und Strafe verfahren werden. —
z. 145-148 a. a. O. — Ref. vom 24. Sextbr. 1827. Grciff, Koch zc. Erg.
III. S. 22«. ,
S05
b) durch Begleichung der Handschriften scampsrstio litersrum).
§. 126. I. Will ein Produzent, welcher den Produkten zur eidlichen Diffesjion
nicht »erstattet, die Richtigkeit der Urkunde durch Verglcichung der Handschriften
nachweifen, so ist nöthig,
1) daß die Urkunde entweder nach ihrem ganzen Inhalte vom angegebenen
Aussteller ge: und unterschrieben sei; oder daß der Aussteller doch mehre Worte
oder Zeilen zur Bekräftigung des Inhalts oder der Unterschrift eigenhändig
beigefügt habe. Über die blosse Unterschrift ist die Begleichung der Hand
schriften nicht gestattet. Hat der Aussteller ausser seinem Bor- und Gcschlechts-
nomen auch seinen Karaktcr oder Wohnort beigefügt; so findet dieselbe nur
gegen die Erben des Ausstellers, und auch hier blos zur Unterstützung
andrer Beweismittel statt;
2) daß Produzent zuförderst den Kalumnicneid mit dem Zusätze schwöre:
daß er von der Richtigkeit der Urkunde überzeugt sei, und
kein andres Mittel, selbige darzuthun, zur Hand habe;
Z) daß andre Schriften, die unstreitig von des Ausstellers Hand sind, nemlich, die
entweder schon ein Mal von ihm gerichtlich anerkannt worden, oder gegenwär
tig dafür rckognoszirt werden, oder die der Aussteller selbst in Gegenwart des
Jnstrucnten und der Beistände zu schreiben angehalten wird, herbeigeschafft wer
den. Demnächst wählen
4) die Parteien einen oder zwei erfahrene Schrcibmcistcr,') welche die Verglcichung
anstellen feilen. Einigen sich die Parteien nicht über deren Person, oder wol"
len sie solche nicht vorschlagen; so wählt der Jnstruent dazu zwei Kanzlcivrr-
wandte aus. Diese Sachverständigen, in sofern sie nicht ein für alle Mal ver
eidet, sind dahin zu vereidigen:
daß sie die Verglcichung der ihnen vorzulegenden Hand
schriften nach ihrem besten Wissen und Gewissen, mit al
lem Fleisse und mit aller Genauigkeit anstellen, und ihren
Befund darüber der Wahrheit und ihrer Überzeugung
gemäß angeben wollen. — A. G. O. I. 10, Z. 149s—152. —
Verord. vom 28. Juni 1844. G. S. S. 249.
II. Nach Vereidung müssen die Schreibverständigen, und zwar wenn mehre
sind, jeder besonders, ohne des andern Beisein, und ohne mit demselben zu konferi-
rcn, das streitige Dokument mit den übrigen Handschriften genau und sorgfältig
vergleichen ; demnächst aber von dem Jnstrucnten in Gegenwart der Rechtsbeistände,
doch ohne Beifein der Parteien darüber: ob sie das streitige Dokument für
die Hand des angegebenen Ausstellers wirklich halten, zum Protokoll
umständlich vernommen, und dabei die Gründe dieser Aussage deutlich und be
stimmt von ihnen angegeben werden. — Sind sie in ihrem Gutachten unter ein
ander nicht einig, so steht dem Jnstruenten frei, falls ihm glaubwürdige Perfonen
bekannt sind, welche mit dem Aussteller in genauer Verbindung oder Korrespondenz
gestanden haben, diese mit ihrem Gutachten: ob fie das Produktum für die
Hand des angegebenen Ausstellers halten oder nicht? und den Grün
den desselben eidlich zu vernehmen. — Kann auch auf diesem Wege zu mchrcr Ge
wißheit nicht gelangt werden; so muß der Richter einem Dritten von Amtswegcn
') D. h. solche, welche in Bezug auf Schriftenkunde als Sachverständige zu erach
ten, nicht aber solche, welche im Schreiben Unterricht geben, da diese nicht grade
immer Gelegenheit haben, sich die zur Vcrgleichung der Handschriften erforder
lichen Kenntnisse zu verschaffen. — Res. vom 12. Januar 1801. N. A. Bd.
Z, S. SS. Rabe Bd. 6, S. 4CS.
206
zu 'ernennenden Sachverständigen ein Gutachten abfordern. — Z. 153, 164, I. 1«
A. G. O.
III. Die Beurtheilung dessen: ob und in wie fern durch dicst eidlichen Gut
achten überhaupt die Richtigkeit der Handschrift ganz oder zum Theil ausgewiesen
fei? bleibt, wie im Falle des Z. 125, dem künftigen Erkenntniß vorbehalten. Auch
muß mit der weiteren Instruktion der Sache auf beide Fälle, wenn ncmlich das
Instrument für richtig und rekognoszirt angenommen, oder der Produkt zur Dif-
fession desselben verstattet werden sollte, verfahren werden. — Z. 155 a. a. O.
IV. Die Instruktion solcher Jnzidentpunkte (g. 125. 126.) geschieht, um
Verwirrung bei den Akten zu vermeiden, in besonder« Protokollen. — §. 156 a. o. O.
Beweiskraft der Privaturkunde überhaupt.
§. 127. Privaturkunden gewähren
I. gegen den, welcher sie ausgestellt hat, oder der in des Ausstellers Rechte
getreten ist, oder den der Aussteller durch seine Handlungen hat verpflichten können,
in Betreff einer darin übernommenen Verbindlichkeit, vollen Beweis, vorausgefetzt,
daß sie anerkannt sind, oder daß ihr Aussteller nachgewiesen ist.
II. Steht der Aussteller zu dem Produkten in keinem solchen Verhält
nis so gelten seine in der Urkunde enthaltenen Angaben, gleich viel, ob dieselben
eine übernommene Verbindlichkeit oder eine andre erhebliche Thatsache darthun sol
len, nur so viel, als ein un beeidetes Zeug» iß. Ist jedoch der Aussteller als
ein Mann von unbescholtenem Rufe gestorben; hat er von der bezeugten Thatfache
hinlängliche Wissenschaft besitzen können; und ist seine Hand anerkannt, oder sonst
nachgewiesen; so kann dergl. Urkunde eine Vermuthung wirken, und nach Beschaf
fenheit der Umstände den Richter zur Erkennung eines nothwendigen Eides veran
lassen. — Diese Vermuthung wird noch erhöht, wenn von einer eignen Handlung
des Ausstellers die Rede ist, und kein vernünftiger Grund sich angeben läßt, warum
derselbe in der Urkunde die Unwahrheit hätte niederschreiben sollen.
Eine besondre Ausnahme bilden die Mäklerjournale.') Die darin über die
vom Mäkler abgeschlossenen Geschäfte Dritter eingetragenen Vermerke machen, wenn
deren Richtigkeit von dem Mäkler eidlich bestärkt worden, einen vollen Be
weis. Kann die Beeidigung aber nicht erfolgen, weil der Mäkler verstorben, oder
fein Aufenthalt unbekannt ist; so haben die Vermerke in seinem Journal so viel
Gewicht, als die Aussage eines vereideten glaubwürdigen Zeugen. — A. G. O. I.
1«, Z. 158» und 158 b. A. L. R. II. 8, §. 1366 fg.
III. Für den Aussteller und für die mit diesem in dem »6 I. gedachten Ver-
HZltniß stehenden Personen beweisen Privaturkunden Nichts. Ausgenommen sind
1) Hausbücher verstorbener Altern. Aus denselben kann, wenn auf andre Art
die Wahrheit nicht auszumitteln ist, die Geburt, die Verheirathung, und das
Absterben der Kinder bewiefen werden.
2) Führen Krämer, Brauer, Bäcker, oder andre Personen, welche ein öffentliches
Gewerbe treiben, mit einem Abnehmer ein Gegcnbuch, und sind in selbigem
die ausgenommenen Wsaren oder geleisteten Zahlungen eingeschrieben worden;
so bewirkt dies in den Händen des Abnehmers befindliche Gcgenbuch wider ihn
vollen Beweis, wenn er acht Tage nach Einziehung der Lieferung verstreichen
läßt, ohne gegen die Richtigkeit des im Gegenbuche enthaltenen Vermerks ge-
*) ZMsche Mäkler müssen die Vermerke ebenfalls in teutfcher Sprache aufnehmen.
§. 1363, Tit. 8, II. A. L. R. — Ferner müssen die Vermerke in Gegenwart
beider Kontrahenten, vom Mäkler aufgezeichnet fein, wenn auch nicht grade
beide zugleich, sondern nur sukzessive gegenwärtig waren. — Z. 1359 a. «. O.
Plen. Beschl. des Geh. Ob.-Txib. vom S. Febr. 1844. I. M. B. S. 1«5.
richtlich zu protcstiren. Geht ein solches Gegenbuch ohne Verschulden des Lieferan
ten verloren; so kann derselbe zur eidlichen Bestärkung des in seinen Händen le-
sindlichcn Exemplars »erstattet werden.
3) Gleiche Bewandniß hat es mit den auf dem Lande gewöhnlichen Kerbhöl
zern, wenn beide Stücke übereinstimmen. Kann eine Partei das ihrige nicht
herbeischaffen; so muß der Gegner zur eidlichen Bestärkung des seinigen ge
lassen werden, in sofern er nicht überführt werden kann, daß das fchle,ide Kerb
holz durch seine Schuld abhanden gekommen oder vernichtet worden sei.
4) Die nach kaufmännischer Art geführten Handlungsbüchcr wirklicher Kauf
leute haben, jedoch nur in Bezug auf den zur Handlung gehörenden Waaren-
und Wechselvcrkehr >)
») gegen Kaufleute ohne Zeitbcschränkung volle Beweiskraft. Gegen Er
ben eines Kaufmanns dauert deren Beweiskraft nur fünf Jahre vom To
destage des Erblassers.
I,) Gegen Andre als Kausteute gewähren sie, wenn durch Gcständniß oder
sonst bereits ausgcniittclt ist, daß die Waarcn geliefert worden, nur einen
halben Beweis in Betreff der Zeit der geschehenen Lieferung, des Be
trags und der Beschaffenheit der gelieferten Waarcn, de« Preises,
wofür sie verabredet oder verabfolgt worden, der Seit, binnen welcher die
Zahlung erfolgen sollte, des Umstandes, ob die Lieferung unmittelbar an
den Beklagten, oder an dessen Hausgenossen, Dienstboten, Handwerker u. dgl.
geschehen sei. Wird dieser halbe Beweis nicht durch Gcgenbeweismittel ge
schwächt, oder aufgehoben; so muß der Kaufmann zur eidlichen Bestär
kung '>>) seiner Bücher zugelassen werden. Dieser Eid ist bei Sozietäts-
handlungen sämmtlichen Thcilnchmern , welche zur Zeit der Lieferung der
Handlung an dem Orte vorstanden, falls aber nur ein Theilnehmcr oder
ein Fremder der ganzen Handlung oder doch der Art von Geschäften, wor
aus die Schuld entstanden, vorstand, diesem; falls ein Buchhalter die Bü
cher führte, auf Verlangen des Gegners, ausser dem Handlungseigenthümer
oder Disponenten, auch dem Buchhalter; falls aber dieser tod oder abwesend,
blos dem Eigcnthümer oder Disponenten auszulegen. Die Erben des Kauf
manns müssen in der Regel sämmtlich jedoch 6e igvorsnti» schwören. Hat
aber einer von den Erben die Direktion der Handlung übernommen, und
solche bereits länger als ein Jahr geführt; so ist dessen alleinige eidliche Be
stärkung hinreichend. Diese Beweiskraft der Handlungsbücher gegen Richt
kaufleute geht mit Ablauf eines Jahres, vom Tage jeder Lieferung gerech
net, verloren, wenn sie nicht durch Einlcgung eines Protestes vor Gericht
oder vor einem Notar erhalten wird. Sie währt dann noch 5 Jahre von
Zeit des eingelegten Protestes, und kann durch wiederholte Proteste noch
ferner erhalten werden.
Soll eine Thatsache durch Produktion der Handlungsbücher nachgewiesen
werden, so steht dem Produkten frei, einen Sachverständigen mitzubrin
gen, und durch diesen die auf einander sich beziehenden kaufmännischen Bü-
') In Berlin bestehen für den ganzen Umfang der Monarchie 3 solcher Vereine,
von denen der eine in Betreff der Druckschriften, der geographischen, topogra
phischen, naturwissenschaftlichen, architektonischen und ähnlichen Zeichnungen; der
zweite in Betreff der musikalischen Kompositionen, und der dritte in Betreff der
Kupferstiche, Stahlstiche, Holzschnitte, Lithographien, Farbcndrucksachcn u. dgs.
Kunstwerke sein Gutachten abzugeben hat.
2) Für dies Gutachten kann der Verein 2 bis 10 Thlr. liquidiren, welche das
Gericht als Haan Auslagen zu berichtigen hat.
14
210
M. Sachverständige, welche nicht ein für alle Mal vereidet sind, und auch
öffentliche Beamte, > ) welche ausscramtlich in Prozessen als Sachverständige vernom
men werden, müssen das von ihnen abgegebene Gutachten dahin beschwören:
daß sie das von ihnen erforderte Gutachten ihrer Kennt-
niß und Erfahrung gemäß, nach sorgfältiger Prüfung, un
parteiisch und gewissenhaft abgegeben haben.
Bei Taxatoren ist in dem Eide hinter dem Worte „Gutachten"
über den Werth des abzuschätzenden Gegenstandes
hinzuzusetzen. — Sind Sachverständige zur Abgabe von dergleichen Gutachten be
reits ein für alle Mal vereidet, so müssen sie dem Jnstruenten, falls es ihm nicht
bekannt ist, dies nachweifen, und die Wiederholung des Eides unterbleibt in den
einzelnen Fällen. Der Jnstruent muß aber die ein für alle Mal erfolgte Verei
dung zum Protokoll ausdrücklich vermerken. — A. G. O. I. 1«, §. 203, Nr. 4.
Anh. Z. 84. — Berord. vom 28. Juni 1844 GS. S. 249.
IV. Im Übrigen kommen bei Borladung und Vernehmung der Sachverstän
digen die in Betreff der Zeugenvernehmungen folgenden Vorschriften zur Anwendung.
Wann im ordentlichen Prozeß Zeugenvernehmungen erfolgen,
z. 130. In den nach diesem Abschnit zu verhandelnden Prozessen erfolgt die
Vorladung und Vernehmung der Zeugen in der Regel erst dann, wenn durch den
rcgulirten Sach- und Streitstand die Umstände, welche durch sie ins Licht zu setzen,
näher bestimmt sind. 2) Doch kann ausnahmsweise
1) Die Vorladung derselben bereits zum Jnstruktionstcrmine geschehen, wenn das
Gericht dies für zweckmässig hält, und wenn ins Besondre die Ausmittclung
der Hauptsache lediglich, oder doch vorzüglich von Abhörung der Zeugen ab
hängt. — Tit. 9, Z.37. Tit. 1«, Z. 170, I. A. G.O.
2) Gleiches ist der Fall, wenn die besondre Art des Prozesses Behufs schleuniger
Beendigung desselben die frühere Vernehmung nöthig macht, wie dies z. B. beim
Possessorienprozcß vorgeschrieben ist. — Z. 9, 1«, Tit. 31 a. a. O.
3) Trägt eine Partei noch vor Entwurf des Sach- und Streitstandcs auf Verneh
mung von Zeugen an, indem sie solche Umstände, welche bei längerem Aufent
halte den Verlust dieser Beweismittel besorgen lassen, anführt und beschei
nigt, so muß, wenn dies Gesuch für begründet erachtet wird, sofort die Zeu
genvernehmung verfügt, zugleich aber ein möglichst naher Termin Behufs Ver
nehmung des Gegners über das Gesuch und zur Fortsetzung der Instruktion
angesetzt werden. — z. 9, z. 23—2S, Tit. 33 a. a. O.
Vorladung der Zeugen.
Z. 131. l> Sott eine Zeugenvernehmung erfolgen, so muß der Aufenthalt des
Zeugen bekannt sein. Die Partei, welche ihn vorschlägt, hat den Aufenthalt anzu-
1) Z. B. Ökonomiekommissarien der .Generalkommissionen, Assessoren und Refcrcnda-
rien, welche als Spezial- und Ökonomiekommissaric» oder als deren Gehilfen
fungircn, müssen die von ihnen geforderten Gutachten, welche nicht zu ihrer
eigentlichen Amtsbestimmung gehören, befonders beschwören, falls sie nicht als
Sachverständige ein für alle Mal auch in Betreff anderer Geschäfte vereidigt
find. — cr. Res. vom ö. Septbr. 1823. Gräff 2, S. 94. Jahrb. 22, S.
«0. — Schreiben des Justizmin. vom 4. April 1837. Gräff, Koch ,c. Erg.
III. S. 224.
2) Von Einzahlung eines Kostenvorfchusscs durch den Extrahentcn kann die Vor
ladung der Zeugen niemals abhängig gemacht werden. Das Gericht muß dem
Zeugen allenfalls vorschußweife die gehabten Auslagen vorschiessen. — Res. vom
«. Dccbr. 1337. Gräff, Koch Erg. III. S. 221.
211
geben. Ist dieser unbekannt; so kann ans de» Zeugen nicht Rücksicht genommen
werden. Schlägt eine Partei auswärtige, in entlegenen Orten befindliche Zeugen
vor, und ist dabei einiger Verdacht, daß dies ohne Roth zum Vcrschleif der Sache
geschehe; so kann dieser Partei darüber zufvrdcrst der Kalumnieneid abgefordert
werden.') — §. 173, 174, Tit. 1« a. a. O.
II. Die Verfügung wegen Zcugciwcriichmung entwirft der Dezernent und
zwar »ach Maasgabe dessen: je nachdem die Vernehmung vom Prozcßrichtcr selbst,
oder durch ein auswärtiges Gericht erfolgen soll. In der Regel geschieht dieselbe
durch das prozeßführcnde Gericht, und dies selbst dann, wenn der Zeuge einer
fremden Jurisdiktion unterworfen, sein Wohnort jedoch so gelegen ist, daß der
Prozcßrichtcr ihn füglich ohne sonderlich mehre Kosten vernehmen kann; oder wenn
wegen besonderer Erheblichkeit der Sache das prozeßführcndc Gericht es für zweck
mässig hält, durch Abscndnng eines Kommissarius an den Ort, wo die Zeugenver
nehmung erfolgen soll, dieselbe vornehmen zu lassen. — Nur ausnahmsweise ist dem
persönlichen Richter des Zeugen, oder einem andern in dessen Nähe wohnenden
Richter die Vernehmung aufzutragen, 2) resp. derselbe darum zu ersuchen, wenn
durch den Prozcßrichtcr dieselbe gar nicht, oder doch nicht ohne erhebliche Vermeh
rung der Kosten geschehen kann. — z. 175—178, 21«, 217, 221, Tit. 1« a. a. O.
III. Die Vorladung erfolgt durch Kurrende, wenn mehre Zeuge» an demsel
ben Ort vorzuladen, sonst durch besondre Verfügung. In der Vorladung muß
den Zeugen
1) der Name der Parteien, der Ort der Vernehmung, der Tag und die Stunde
des Termins und der Name des Dcputirten, so wie
2) die Thatsache, worüber sie vernommen werden sollen, im Allgemeinen bekannt
gemacht, und ihnen aufgegeben werden, daß sie alle ihre etwam'ge schriftliche
Nachrichten und Anzeigen, welche auf dies Geschäft überhaupt Beziehung haben,
mit zur Stelle bringen. Nur in bcfondcrn Fällen, namentlich, wenn die Sache
in entfernte Zeiten zurückgeht, können den Zeugen auch die bestimmteren Umstände,
worüber sie aussagen sollen, jedoch mit vorzüglicher Vorsicht und Behutsamkeit
eröffnet werden.
3) ES muß die Warnung beigefügt werden, daß beim Nichterscheinen auf Kosten
des Zeugen ein neuer Termin angesetzt wird. Bei ferneren deshalb nöthig wer
denden Terminen wird diejenige Strafe angedroht, welche in Gcmaßhcit des
Z. 133, IV. beim wirklichen Nichterscheinen zur Anwendung kommen soll. —
§. 171, 172, 175 fg. 184 fg. a. a. O.
IV. Die Behändigung der Vorladungen geschieht an die Zeugen in der Z. 57
bis 59 vorgeschriebenen Art. Sind die vorzuladenden Zeugen einfältige und gemeine
Leute; so kann die Vorladung allenfalls der Polizei- oder Gcrichtsobrigkcit des
Orts, wo sie sich aufholten, mit der Anweisung, resp. mit dem Ersuchen zugeschickt
werden: die Zeugen nach dem Inhalte derselben näher zu bedeuten, und ihnen die
unfehlbare Gestellung in dem anberaumten Termine einzuschärfen. — Z. 176—178
a. a. O.
V. Ausnahmen in Betreff Borladung der Zeugen finden statt:
1) hinsichtlich der zu einer am hiesigen Hofe akkreditirten Gefandschaft gehörigen,
oder in denn Diensten stehenden Personen. Der Prozcßrichtcr kann sie als
Zeugen nicht unmittelbar vorladen; er muß vielmehr beim Ministcrio der A. A^
deshalb Anträge formtreu. — Z. 62—64 Tit. 2 a. a. O.
2) Werden RcgicrungSbeamtc oder andre der Regierung oder Steuerbehörde unter-
tlf. den bei Z. 118, III. in der Note angegebenen Eid.
2) Den Auftrag erläßt die dem beauftragten Gericht vorgesetzte Behörde, während
heim Mangel eines solchen Verhältnisses Erfuchsschrciben, Requisitionen, ergehen.
14
SIS
geordnete Ofsizianten ausserhalb ihres Wohnorts vor Gericht geladen; so muß
davon bei der Vorladung die betreffende Regierung oder unmittelbar vorgesetzte
Behörde benachrichtigt werden. — §. 52, Anh. zu §. I, Tit. 7, I. A. G. O.—
Res. vom 3«. Januar 1797. N. C. C. ?om. X. S. 925. Rabe Bd. 4,
S. 17.
3) Bei Vorladung der aktiven Unteroffiziere und gemeinen Soldaten gilt das Z. 59,
Nro. III. Gesagte. — Anh. 8. 54 z. A. G. O.
4) Aktive Offiziere werden, in sofern ihre Vernehmung beim Militärgericht leichter,
als beim kompetenten Iivilgericht bewirkt werden kann, durch Requisition des
ersteren vernommen. Soll die Vernehmung beim Zivilgericht erfolgen; so ist
der Kommandeur oder sonstige unmittelbare Vorgesetzte desselben vom Termin
zu benachrichtigen, und zu ersuchen, den Zeugen zur Abwartung des Termins
von ctwanigcn Dienstgeschäften, in sofern solche es gestatten, zu entbinden. —
z. 55. Anh. zu z. 19, Tit. 7, I. A. G. O.
L) Die Vorladung der als Zeugen zu vernehmenden Gcnd'armen geht an deren
vorgesetzte Dienstbehörde. — V. vom 30. Decbr. 182«. z. 18, GS. 1821,
S. 1.
VI. Die Zeugen werden in der Regel zur Vernehmung an ordentlicher Ge-
richtsstclle vorgeladen. Doch kann,
1) wenn die Instruktion und Zeugenvernehmung an einem andern Orte und na
mentlich am Streitorte ein glinstiges Resultat erwarten läßt, dieselbe hier erfol
gen. Auch bleibt es
5) dem vernünftigen Ermessen des Gerichts überlassen, in wiefern bei manchen als
Zeugen vorgeschlagenen Personen, wegen ihres hohen Ranges, oder Alters, oder
kränklicher Umstände, die Vernehmung in ihrer Behausung anzuordnen sei.
3) Staabsosfiziere sollen, wenn am Orte ein militärisches Verhörzimmer vorhanden,
in diesem vernommen werden. Im entgegengesetzten Falle hat die Militairbc-
hörde das Lokal zu bezeichnen, in welchem der gerichtliche Akt vorgenommen
werden soll. — Z. 172, 17S, 182, Tit. 1«, I. A. G. O. — Res. vom 21. Au
gust 1816. Jahrb. 8, S. 16. Gräff 2, S. 99.
Requisition oder Auftrag zur Vernehmung von Zeugen,
g. 132. I. Ist wegen weiter Entfernung, oder persönlicher Ehehaften nöthig,
baß die Vernehmung des Zeugen durch einen in seiner Nähe wohnenden Richter
erfolge; so muß zuförderft der Deputirte mit Zuziehung der Parteien oder deren
Rechtsbeistände oder Bevollmächtigte über diejenige Thatfache, wovon der Zeuge
bekunden soll, einen zusammenhängenden Status csusue aus den Akten entwerfen,
und darin besonders die Umstände, welche durch die Zeugenaussage ins Licht gesetzt
werden sollen, deutlich, genau und bestimmt auseinandersetzen. Auch sind, wenn
besonders die Thatsachen etwas verwickelt wären, und es dabei auf Nebenumstände
der Zeit, des Orts, der gebrauchten Ausdrücke u. f. w. ankäme, hinter dem Sach-
-stand noch einige Fragstücke, welche den auswärtigen Kommissarius auf die beson
ders aufzuklärenden Punkte noch bestimmter führen können, beizufügen. — Dem
nächst erläßt der Dezernent den Auftrag, refp. die Requisition an den betreffenden
Sttchter, und theilt ihm diesen Spezialsach - und Strcitstand mit. Die Parteien
erhalten hiervon Nachricht. Es steht ihnen frei, beim auswärtigen Gericht persön
lich oder durch einen Bevollmächtigten zu erscheinen, und der Vercidung des Zeu
gen beizuwohnen. — Dieser auswärtige Richter vernimmt den Zeugen nach Maas
gabe des Sachs und Streitstandes und unter Berücksichtigung der nachfolgenden
Bestimmungen. Er muß aber auch, wenn aus der Erzählung des Zeugen sich Data
zur möglichst vollständigen Aufklärung des wahren Zusammenhangs der Sache er
213
geben, darauf seine Vernehmung selbst dann ausdehnen, wenn diese Data im Spc-
zialstreitstond nicht enthalten wären. — Melden sich die Parteien oder Bevoll
mächtigte derselben nicht, so werden ihnen bei Vereidung des Zeugen Bevollmächtigte
von Amtswcgcn zugeordnet. ') — §. 216—222, Tit. 1«, I. A. G. O. — Res. vom
26. Oktober 1813. Jahrb. 2, S. 4S. Gräff 2, S. 102. — Res. vom 1«. Mai
1837. Gräff, Koch :c. Erg. III. S. 226.
II. Wird ein ausländisches Gericht, 2) welchem die hiesigen Verfassungen nicht
bekannt sind, um Vernehmung eines Zeugen ersucht; so muß diesem Gericht ausser
dem Spezialsach: und Streitstand ein Ertrakt der gesetzlichen Vorschriften Tit. 10,
§. 171, 174, 19«, 197, 20«, 201, 202, 204, 205, 2«7, 213—215, und 219, I.
A. G. O. (also hier §. 131, I. III. 134, l. IV. V. 135, 136 und 132 Schlußsatz) mit.
getheilt, und dasselbe ersucht werden, bei Vernehmung des Zeugen nach dieser Vor
schrift zu verfahren. Doch verliert ein dergleichen auswärtiges Zeugenverhör bloS
um deshalb, weil bei demselben nicht nach diesen Vorschriften, sondern nur nach
dem Gebrauche des abhörenden fremden Gerichts verfahren worden ist, Nichts von
seiner Willigkeit. ') — §. 223, I. 1« ». G. O.
III. Die Gerichte sind verpflichtet, Aufträgen der vorgesetzten Behörden und
Requisitionen andrer Gerichte wegen Zeugenvcrnehmungcn schleunig zu genügen.
Säumen sie, so haben sie Erinnerungen, demnächst aber Strafbefehle, die von der
vorgefetzten Behörde evevtuel in Folge Anzeige des requirirenden Gerichts ergchen,
zu gewärtigen.
Sollen Zeugen auf Requisition ausländischer Gerichte von einem hiesigen Ge
richt vernommen werden; so muß dies mit aller Bereitwilligkeit geschehe». Doch
kommen den Jeugen die Vorschriften g. 133, III. zu statten. Auch muß, wenn der
Gegenstand der Vernehmung so beschaffen ist, daß daraus Kollisionen zwischen dem
hiesigen und einem fremden Staate entstehen könnten, noch vor Abhörung über die
Umstände der Sache dem Justizministerio zur weiteren Bestimmung Anzeige ge
macht werden. — 8. 225 s, 225 b, 177, I. 1« A. G. O.
IV. Will auf wiederholte Requisition das fremde ausländische Gericht der
Zeugenvernehmung sich nicht unterziehen; so wird der Partei, welche diese beantragt,
unter Bestimmung einer Frist aufgegeben, die Zeugenvernehmung zu beschaffen. —
Nach fruchtlosem Ablauf dcr Frist kommt die Bestimmung des z. 113, Nro. V.
zur Anwendung. — Z. 225s, 107 a. a. O.— Res. vom 3. Juli 1826. Gräff,
Koch :c. Erg. III. S. 227.
1) Die Unterlassung dessen hat jedoch auf die Giltigkeit dcr Verhandlung keinen
Einfluß. Die Befolgung ist aber mehrfach angeordnet, um dadurch Einwcn-
dungen vorzubeugen. — Anh. Z. «5 z. A. G. O. Ref. vom 26. Oktober 1813.
2) Handelt es sich um Vernehmung ^ines in den Niederlanden wohnenden Zeugen,
so muß von Seiten der Partei em dortiger bci Gericht angestellter Procurator
ersucht werde», daß er das dcsfallsige Ansuchen an die Rechtsbank (Tribunal)
desjenigen Arrondisscmcnts, in welchem der Zeuge wohnt, richtet. Das Gc-
suchsschreiben muß enthalten:
1) die Gründe, welche ein Zeugenverhör nöthig machen;
2) die Thatsache, die man beweisen will, den Namen und Wohnort des Zeugen.
Unmittelbare Requisitionen diesseitiger Behörden um Vernehmung von Zeugen in
Zivilsachen, führen in den Niederlanden nicht zu dem beabsichtigten Ziele. —
Ref. vom 29. Dccbr. 1843. I. M. B. 1844, S. 19. — Res. vom 16. Febr.
1844. I. M. B. S. 54.
«) Die Verordnungen über das Verfahren bei Requisitionen nach dem Auslande
und bei Erlassen an Ausländer oder im Auslande sich aufhaltende preuss. Un-
terthanen sind in der Allg. Verf. vom 16. September 1844 (I. M. B. S. 207
fg.) zusammengestellt.
2l4
Allgemeine Pflicht zur Ablegung des Zeugnisses; Fälle, in denen es
verweigert werden kann, und Verfahren gegen die das Zeugniß
ohne Grund Weigernden, so wie in Betreff kranker oder
abwesender Zeuge».
Z. 133. I. Jeder ohne Unterschied des Standes ist verpflichtet, auf Erfordern
des Richters über die im Prozeß streitigen Thatsachen seine Wissenschaft getreu an
zugeben. Durch das Borgeben, daß er von der Sache nichts wisse, oder daß die
vorgelegte Frage zur Entscheidung des Prozesses Nichts beitrage, kann sich Niemand
von seiner eidliche» Vernehmung befrein. — Dagegen kann auch jeder Zeuge ver
langen, daß ihm sofort nach erfolgter Vernehmung seine Auslagen mit Einschluß
der gesetzlichen Reise- und Zchrungskosten >) allenfalls aus der Salarienkasse vor
schußweise gezahlt werden.-) — §. 18, Einl. 179, 187, Tit. 10, I. A. G. O. —
Res. vom Ii. November 1831. Mannkopf A. G. O. Bd. 1, S. 479. Grciff
Erg. III. S. 222.
II. Das Zeugniß kann nur verweigert werden:
1) wenn ein Priester oder Prediger über Umstände, die ihm unter dem Siegel
der Beichte oder der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertraut worden sind,
befragt wird, und nicht etwa
») der, welcher ihm dieselben anvertraut hat, selbst die Offenbarung will, oder
sofern nicht
K) diese nothwendig ist, um eine dem Staate drohende Gefahr abzuwenden;
oder ein Verbrechen zu verhüten, oder den schädlichen Folgen eines schon be
gangenen Verbrechens abzuhelfen, oder vorzubeugen. In diesen Fällen muß
der Geistliche Zeugniß ablegen;
2) wenn ein landesherrlicher Beamter abgehört wird, und die ihm vorge
legten Fragen solche Umstände betreffen, deren Bekanntwerdung dem Staate
nachthcilig sein könnte; s)
1) Zeugen erhalten: 1) wenn sie an ihrem Wohnort oder an einem von demselben
nicht über eine Viertelmcile entfernten Orte bei gerichtlichen Geschäften zuge
zogen oder vernommen werden, in der Regel keine Vergütung. Doch können, «)
wenn die Zeugen wegen Krankheit, Gebrechen oder andrer Umstände sich eines
Fuhrwerks zu bedienen gcnöthigt sind, oder auf dem Wege zu dem Orte ihrer
Vernehmung Brücken- und Fährgelder zu zahlen oder andre Auslagen zu ma
chen haben, sie die Erstattung dieser Kosten verlangen; sie müssen jedoch die
Verwendung und die Nothwendigkeit derselben nachweisen. — b) Den Zeugen
niederen Standes, welche sich durch Tagcarbcit, Handwerk, oder Gewerbe er
nähren, soll auf ihren Antrag für jede Stunde Vcrsäumniß eine mit Rück
sicht auf den muthmaßlichen Erwerb des Zeugen und die örtlichen Verhältnisse
zu bestimmende Entschädigung von einem bis drei Sgr. auch ohne besondern
Nachweis bewilligt, und dabei die angefangene Stunde für voll angerechnet wer
den. — 2) Erfolgt die Zuziehung oder Vernehmung der Zeugen an einem mehr
als eine Viertel-Meile von ihrem Wohnorte entfernten Orte, so sind ihnen an
Reisekosten mit Einschluß der Versäumniß- und Zeh rungskosten drei
Sgr. bis Ein Thal er für jede Meile zu vergüten, und die Höhe in jedem
einzelnen Falle mit Rücksicht auf die Erwerbs- und die übrigen Verhältnisse
des Zeugen und die örtlichen Preise der Lebensbedürfnisse und der Transport
mittel zu ermessen. Hierin sind alle Auslagen des Zeugen begriffen. Kann er
jedoch nachweisen, daß ihm durch die Reise grössere Kosten verursacht worden,
und daß solche wirklich nothwendig gewesen, so müssen ihm dieselben vollständig
vergütet werden. — K. 2, 3, 7—9 der V. vom 29. März 1844 GS. S. 73.
2) Auch die Eidcsabnahmegcbühren der Rabbiner und Judenbcglaubigten müssen
von den Salar.-Kassen vorschußweise gezahlt werden. — Li'. Ref. vom 6. Mai
1833. Jahrb. 4,, S. 426. Gräff 6, S. 271.
«) Der Beamte muß jedoch im Termin erscheinen, da er nicht voraus wissen kann,
ob seine Vernehmung auf einen solchen Umstand, hinsichtlich dessen er das Zeug-
215
3) wenn dem Zeuge» angcmuthct wird, feine eigne, oder feiner nahen An«
verwandten,') oder seines Ehegatten Schande zu bekennen, so wie
4) wenn leibliche Altern, oder leibliche Kinder oder Ehegatten gegen die,
mit denen sie in einer solchen nahen Verbindung stehen, oder
5) wenn andre Verwandte in auf- und absteigender Liniez Stief-odcr
Schwiegerölternz Sticf- oder Schwiegerkinder, Brüder oder Schwe
stern von voller und halber Geburt; Schwäger oder Schwägerinnen; und
öffentlich Verlobte gegen ihre Verwandte und Angehörige der bezeichneten
Art überhaupt Zeugniß ablegen sollen, und in Bezug auf die sck 5 die Sache
nicht von der Art ist, daß nach der Natur des Geschäfts, über welches ihre
Aussage verlangt wird, die Wahrheit auf andre Art nicht auszumittcln stände;
6) wenn, der guten Ordnung entgegen, dem Zeugen eine solche Frage vorgelegt wird,
deren Beantwortung, besonders bei Frauenspersonen, die Ehrbarkeit bclcidi-
gen würde;
7) wenn die Entdeckung eines Geheimnisses gefordert wird, durch dessen Bc-
kanntwerdung der Zeuge in seiner Kunst oder in seinem Gewerbe einen Schaden
leiden dürfte;
8) wenn der Bevollmächtigte einer Partei vom Gegner über solche Thatsachcn
zum Zeugen vorgeschlagen wird, welche erst während des Prozesses vorgefallen,
«der zu seiner Kenntniß gelangt sind; 2)
9) wenn bei einer, mit der streitigen Thatsache offenbar nicht in Verbindung stc-
henden Frage der Zeuge nicht ohne scheinbaren Grund befürchtet, daß deren Bcs
antwortung für seine Person nachtheilige Folgen haben möchte.
10) Überhaupt ist ein Zeuge nur Thatsachcn, nicht aber seine eigenen Meinun
gen, Gesinnungen, oder Muthmaßungen zu offenbaren verbunden.
11) Auch über die Meinungen, Gesinnungen oder Urtheilc einer Partei,
oder eines Dritten, welche dem Zeugen nur durch eine solche Privatkor-
respondcnz, zu deren Edirung er nach §. 115, Nro. 1 nicht verbunden sein
würde, oder durch eine vertrauliche Privateröffnung bekannt worden find, kann
der Aenge zur eidlichen Angabe wider seinen Willen nicht gezwungen werden.
12) Soll ein Jude in einem Jnjurienprozcß als Zeuge vernommen werden, so kann
er, falls die zu erwartende Strafe SO Thlr. Geld oder 6 Wochen Gcfängniß
übersteigt, das Zeugniß verweigern. — A. G. O. I. 10. z. 180, 228, 229,
230, Nro. 11. — A. L. R. II, 11 Z. 80—82. — Cr. O. Z. 33S.
III. Glaubt ein Zeuge, aus einem dieser Gründe zum Zeugniß überhaupt,
oder in Betreff einzelner Umstände nicht verpflichtet zu sein, so muß er den Grund
niß verweigern muß, beschränkt sein wird. — 65. Res. vom 10. Juni 1836.
Gräss, Koch ic. Erg. III. S. 221. — Übrigens können Beamte von dem,
was ihnen unter dem Siegel der Amtsverschwiegenheit bekannt geworden, nur
mit Vorwissen ihres Vorgesetzten Auskunft geben. Sie werden aber s) in Be
treff dessen, was ihr Amt unmittelbar betrifft, in der Regel schriftlich sich zrc
erklären haben, während sie K) hinsichtlich dessen, was ihr Amt nicht unmittel
bar betrifft, andern Zeugen gleich stehen. — l^f. Ref. vom 9. Mai 1821. Jahrb.
17, S. 302. — An Gebühren und Reisekosten stehe» den Staatsbeamten, wenn
sie als Zeugen oder Sachverständige vernommen werden, die ihnen in Dienstan
gelegenheiten rcglementsmässig gebührenden zu. — V. vom 29. März 1844.
1) Nahe Verwandte werden die genannt, welche von Jemanden nicht weiter, als
im sechsten Grade, voller oder halber Geburt entfernt sind. — §. 622, Tit. 1,
II. A. L. R.
2) Sachwalter müssen überhaupt in dem ihnen vermöge ihres Amts Anvertrauten
unverbrüchliches Stillschweigen beobachten. — g. 23—26, III. A. G. O. Glei
ches liegt den Ärzten ob. — 8. 502, Tit. 2«, II. A. L. R. Dieselben werden
sich daher, wenn sie über solch amtlich Anvertrautet! Zeugniß ablegen sollen, in
den meisten Fällen aus die Bestimmungen Nro. 7 und 8 auch 9 berufen können.
216
dcr Weigerung anzeigen, und allenfalls bescheinigen. Der Jnstruent prüft ihn,
und unterläßt die betreffende Vernehmung, wenn er die Weigerung für begründet
erachtet. Hält er sie nicht für begründet, so muß er,
1) wenn der Prozeß beim Obergericht schwebt, beim Kollegio Anzeige machen, wel
ches sodann bestimmt: ob die Vernehmung dennoch erfolgen solle, und was etwa
zur Abwendung des besorgten Nachtheils für Vorkehrung zu gebrauchen sei.
Schwebt der Prozeß beim Untergericht, so muß der Jnstruent den Jeugen be
deuten, daß, wenn in dcr Sache das Rechtsmittel der Appellation angebracht
werde; und dcr Axpellationsrichter seine Weigerung für unbegründet erachte,
und die Vernehmung über den fraglichen Umstand anordne, dcr Zeuge die durch
diefc Weiterung verursachten Kosten tragen müsse. Bcharrt Zeuge dennoch bei
dcr Weigerung, so unterbleibt seine Vernehmung. > ) In dcr Appellationsinstanz
sind jedoch, wenn seine Vernehmung dennoch für nöthig erachtet und angcord-
nct wird, dic durch seine Weigerung entstandenen Mehrkosten von ihm cinzu-
, zieh». — A. G. O. I. 10. z. 18«, 131.
IV. Verweigert 1) ein Zeuge, ohne gesetzmäßigen Grund im Termine, in wel
chem cr vernommen werden soll, zu erscheinen; so wird in dcr zweiten Vorladung
Personen, gegen welche Geldstrafen realisirt werden können, für den Fall dcs Nicht-
krscheincns eine Geldstrafe, andern Personen aber und namentlich Personen ge
ringen Standes die Abholung durch den Exekuto r 2) angedroht. Ist diese Vor
ladung erfolglos, so wird dic Warnung vollstreckt. Geldstrafen können bis 50 Thlr.
gesteigert werden.
2) Verweigert ein im Termin erschienener Zeuge aus blossem Eigensinn oder sonst
ohne gcsetzmässigcn Grund beharrlich, seine Wissenschaft anzuzeigen, und die ihm
«orgclcgten Fragcn zu beantworten; so ist er nach Beschaffenheit der Person und
der Umstände durch Gefcingniß oder Gcldstrafe zur Erfüllung dieser Bürgerpflicht
qnzuhaltcn.
Solche widerspenstige Zeugen (Nro. 1 und 2) müssen aber ausserdem alle durch
ihre Weigerung entstandenen Mehrkosten, so wie die den Parteien dadurch erwach
senen Nachthcile l!) erstatten resp. vergüten und dazu durch Exekution angehalten
werden. Sollte aber ein Zeuge Mittel sinden, sich der Ablegung dcs Zeugnisses
und den dahin abziclendcn richterlichen Verfügungen zu entziehen; so soll der da
durch in dcr Sachc selbst Schaden lcidendcn Partei der Regreß wider ihn und seine
Erben gestattet, und es zu dessen Begründung wider ihn und seine Erben dafür
angenommen werden:
daß er dasjenige wirklich ausgesagt habe, worüber sein Zeugniß von dcr
Partei verlangt wurde.
A. G. O. I. 1«, Z. 18Z—186. — Res. vom S. März 1827. Gr äff, Koch zc.
Erg. III. S. 222. — A. L. R. II. 2« Z. 35.
V. Kann ein Zeuge wegen Krankheit am Terminsort nicht erscheinen, so
ist seine Vernehmung in seiner Wohnung vorzunehmen. Läßt die Beschaffenheit der
Krankheit eine solche Vernehmung nicht zu; so muß der, welcher ihn vorgeschlagen
hat, durch ärztliches Attest nachweisen: daß und binncn welcher Frist die Wieder-
Es wird aber immer vorausgesetzt, daß einer der Gründe Nro. II., wenn auch
nur scheinbar, vorliegt. Ist ein solcher Grund offenbar nur vorgespiegelt, und
gar nicht vorliegend, so treten die Bestimmungen unter Nro. IV. ein.
2) Auch Personen höheren Standes müssen, wenn wegen Armuth Geldstrafen gegen
sie nicht anwendbar, durch den Exekutor abgeholt werden. — ök. Res. vom 5.
März 1827.
») D. h. Nachtheile, welche unumstößlich fcststchcn. Nachtheilc, hinsichtlich derer
irgend ein faktisches oder rechtliches Bedenken obwaltet, können nur im Wege
der Klage geltend gemacht werden,
217
Herstellung so weit, daß er, wenn auch in seiner Behausung, vernommen werden
könne, wahrscheinlich zu hoffen sei. Darnach bestimmt der Richter den Termin zur
Abhörung. Kann nach Ablauf der Frist die Vernehmung des Zeugen noch nicht
erfolgen; so soll, wen» auch dann noch eine ganz nahe Hoffnung zu einer solchen
Wiederherstellung des Zeugen nicht nachgewiesen werden kann, der Abschluß der In,
struktion für diese Instanz dadurch nicht länger aufgehalten werden.
Befindet sich der vorgeschlagene Zeuge auf Reisen, es kann jedoch der Zeit
punkt der Rükkunft mit Wahrscheinlichkeit angegeben werden; so ist der Ter
min seiner Vernehmung bis zu diesem Zeitpunkt hinauszusetzen. Ist aber die Zeit
der Rükkunft ungewiß; so muß nicht allein die Partei, welche auf seiner Abhö
rung besteht, den Eid für Gefährde gemäß §. 131, I. ableisten, sondern der Rich
ter muß auch nach Beschaffenheit der Umstände eine Frist von mehren Wochen oder
Monaten (jedoch niemals über 6 Monate) bestimmen, während welcher mit Abschluß
der Instruktion auf die Wicdcrkchr des Zeugen gewartet werden soll, käust die
Frist fruchtlos ab, so wird dann mit Abschluß derselben ohne weiteren Aufenthalt
verfahren. — §. 17«, 182, 226«, 226 d, I. 1«. A. G. O.
Verfahren bei Vernehmung und Vercidung der Zeugen.
§. 134. I. Der Vernehmung der Zeugen geht deren Vcrmahnung voraus.
Sie sind zu bedeuten, daß sie ihre Aussage werden eidlich bestätigen müssen; es ist
ihnen ferner die gesetzliche Vorhaltung bei Zeugeneiden > ) entweder zum Durchlese»
i) Die Vorhaltung, welche in Gcmäßhcit des Eirkulors vom 26. Oktober 1799
den Zeugen vor ihrer Vernehmung gemacht werden soll, lautet:
„Zum Zeugnis! vor Gericht aufgcfordcrt zu werden ist ehrenvoll, weil man
es nur denjenigen gestattet, welche sich bis dahin einen unbescholtenen Ruf er
halten haben. Eingedenk dieses Vorzuges muß ein Jeder bei Ablegung seines
Zeugnisses sich des in ihn gesetzten Vertrauens würdig betragen. Wer bei der
Sache, worüber er befragt werden soll, ein eigenes, dem Gericht unbekannt ge
bliebenes Interesse hat, wer von deren Entscheidung Nutzen hoffen oder Scha
den befürchten kann, wer mit einer der Parteien in solchem Verwandtschafts
oder anderem Verhältnisse steht, daß ihn der Gegner, wenn er davon unter
richtet gewesen wäre, nicht zum Zeugniß verstattet haben würde, darf diese«
Alles dem Richter nicht verschweigen."
„Der Wahrheit muß jeder Zeuge auch in den. Ihm unbedeutend scheinenden
Umständen überall treu bleiben und sich davon durch Menschenfurcht, Freund
schaft, Feindschaft oder irgend einen zeitlichen Vortheil nicht abhalten lassen."
„Fälschlich Unwissenheit zu behaupten und dasjenige zu verschweigen, was
man von der Bewandniß der Sache mit Ucbcrzcugung anführen könnte, ist
eben so strafbar, als wenn man wissentlich etwas Unrichtiges aussagt."
„Kann man sich der Thatsachen, worüber man befragt wird, nicht mit Zu
verlässigkeit erinnern, so ist es Pflicht, dem Richter genau anzuzeigen, was man
als gewiß oder was man nur als wahrscheinlich behaupten kann. Das, was
man von Andern erfahren, darf man nie mit demjenigen verwechseln, was man
selbst gesehen, gehört, gelesen hat. Man ist daher schuldig, dem Gericht darü
ber vollständig Auskunft zu geben, auf welche Art man von jedem bekundeten
Umstände Wissenschaft erhalten hat. Der Richter handelt auf Befehl und im
Namen des Landesherrn, und so wie jeder getreue Unterthan es nicht wagen
würde, den Landesherrn mit Unwahrheit zu hintergehen, so kann auch der Rich
ter freimüthige und getreue Aussage fordern. Diese muß mit einem Eide be
kräftigt werden, wodurch sich der Zeuge der Strafe Gottes unterwirft, wenn
er bei Ablegung seines Zeugnisses pflichtwidrig handelt. Gott ist allwissend,
allgegenwärtig und gerecht; ihm ist nicht verborgen, ob der Zeuge der Wahr
heit treu bleibt, und der Allerhöchste wird in dieser oder jener Welt denjeni
gen strafen, der ein falsches Zeugniß ablegt."
„Das Bewußtsein, ein solches Verbrechen begangen zu haben, stört alles
zeitliche Glück: die Vorwürfe des Gewissens sind schrecklich und verfolgen den
Frevler lebenslang, wenn er auch der Ahndung der Obrigkeit entgeht. Wird
218
einzuhändigen, ober, wenn sie nicht lesen können, durch eine Gerichtsperson vorzu-
lesen, der Jnstruent kann aber ausserdem mit Rüksicht auf den Grad der Bil
dung des zu Vernehmenden , und auf sein moralisches oder religiöses Gefühl dieje
nigen Ermahnungen an den Zeugen richten, welche ihm zur Erreichung des End
zwecks, die Worttreue zu erhalten und zu befördern, geschickt zu sein scheinen. —
S. 188, u. Anh. Z. 81, und 82 a. a. O.
II. Hierauf wird zur Vernehmung selbst geschritten. Dabei dürfen die Par
teien nicht selbst, es können und sollen aber ihre Rcchtsbciftände und Bevollmäch
tigte gegenwärtig sein. — Z. 189 a. a> O.
III. Die Vernehmung wird
^. zunächst auf die persönlichen Umstände des Zeugen gerichtet, in sofern die
selben auf die Beurtheilung der Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses Einfluß haben
können. Es find dabei die etwanigen Einwendungen zu berücksichtige», welche von
den Parteien gegen die Glaubwürdigkeit dcr Zeugen erhoben sind. Nachdem sie also
«) um ihren Vor- und Zunamen; K) ob sie das zur Ablegung eines vollgiltigen
Zeugnisses erforderliche Alter haben; ') e) um ihren Stand, Amt oder Gewerbe;
<1) um ihre Religion gefragt worden, wird ferner von ihnen erforscht:
1) ob und wie nahe sie mit einem oder dem andern Theile verwandt oder ver
schwägert sind;
2) ob sie bei der im Prozeß befangenen Sache einiges Interesse und Nutzen davon
zu hoffen, oder Schaden zu befürchten haben;
3) ob sich Jemand angemaßt habe, sie unterrichten zu wollen, was und wie sie
aussagen sollenz
4) ob sie sich wegen des abzulegenden Zeugnisses mit ihren Ncbenzcugen, (in sofern
dergleichen vorhanden) besprochen haben;
5) ob sie dem einen oder dem andern Theile entweder im Geschäfte oder Handel,
worüber jczt ihr Zeugniß verlangt wird, oder auch in dem jezt darüber schwe
benden Prozesse selbst, Rath gegeben, auch
6) ob Jemand durch Geschenke oder Versprechungen sie zur Ablegung eines günsti
gen Zeugnisses für einen oder den andern Theil habe vermögen wollen.
L. Alsdann muß dcr Jnstruent dem Zeugen eine umständliche und zusam
menhängende Erzählung der Thatsache, des Geschäfts oder Handels, worüber er
aussagen soll, abfordern, und diese Erzählung getreu und vollständig, so viel als
möglich, mit des Zeugen eigen Worten in der ersten Person niederschreiben. Dabei
muß er ihn über die Umstände, worauf es nach Maasgabe des feststehenden 5t»lus
c«lllr«v«rsi!,s hauptsächlich ankommt, durch Vorlegung spezieller Fragen noch ge
nauer ausforschen; er muß ferner sorgfältig darauf Acht haben, daß der Zeuge
seine Wissenschaft deutlich, bestimmt und ausführlich angibt, und überall den Grund
derfelben beifügt; und überhaupt muß er dahin sehen, daß in den Aussage» des
Zeugen Nichts Dunkles, Unbestimmtes und Zweideutiges übrig bleibt, welches den
Parteien zu Verdrehungen, dem Richter aber zu Zweifeln, und zur Ungewißheit
über den eigentlichen Sinn und Verstand des Bekundeten Anlaß geben könnte.
aber der Meineid entdeckt, so ist nicht allein allgemeine Verachtung, Verlust der
Ehre, Aemter und Würden, sondern auch vcrhältnißmäßige strenge Bestrafung
der wohlverdiente Lohn eines falschen Zeugen."
') Um ihr Alter ist nur dann genauer zu forschen, wenn sie über Wahrnehmungen
aus längst verflossener Zeit vernommen werden, da dann bei Beurtheilung dcr
Glaubwürdigkeit des Bekundeten in dcr Regel darauf Rücksicht genommen wer
den muß: ob bei dcr bekundeten Wahrnehmung Zeuge schon in dem Alter war,
die Wahrnehmung zu behalten und richtig zu beurtheilen. Dahin gehören z. B.
die sub Vro. 8, L. gedachten Fälle.
2l9
Der Jnstrucnt hat bei dieser Vernehmung vorzüglich folgende Grundsätze zu
bcobachtcn :
1) Die blosse Vorlegung von Fragstücken ist nicht zulässig; die Abforderung einer
möglichst ausführlichen und zusammenhängenden Geschichtserzählung vielmehr
nöthig, da hieraus der Richter gleich entnehmen kann:
ob dem Zeugen wirklich eine deutliche und richtige «enntniß von dem
Hergange der Sache inwohnez
da ferner bei Gelegenheit einer solchen Erzählung leicht Umstände zum Vorschein
kommen können, welche näher zur Entwicklung der Wahrheit führen, deren in
den bisherigen Verhandlungen nicht gedacht worden, und zu deren Angabe der
Zeuge bei Vorlegung blosser Fragstücke nicht Gelegenheit haben würde.
2) Die dem Zeugen nach Aufzeichnung dieser Geschichtserzählung vorzulegenden spe-
ziellen Fragen dienen dazu, damit die in derselben nicht deutlich, bestimmt und
zusammenhängend genug vorgetragenen Umstände noch mehr entwickelt; damit
der Zeuge noch näher und genauer auf das, worauf eS nach dem regulirten
Strcitstand hauptsächlich ankommt, geführt, und daß die in der Geschichtscrzäh-
lung sich findenden unzusammenhängenden, unwahrscheinlichen, oder widersprc-
chcndcn Angaben mit möglichster Zuverlässigkeit ins Licht gesetzt werden.
3) Fällt daher die Aussage eines Zeugen unverständlich, verworren und schwankend
aus, oder ist sie auf die Frage nicht passend; so muß der Jnstruent vor Nie«
dcrschrcibung der Antwort den Zeugen näher bedeuten, worauf es bei der
Sache eigentlich ankommt, und ihn anhalten, sich genauer und bestimmter dar«
über auszulassen.
4) Antwortet Zeuge bei einem Umstanie, worüber er gefragt wird, daß er ihn nicht
wisse oder vergessen habe; so muß er, wenn nur irgend Verdacht vorhanden,
daß die vorgeschützte Unwissenheit verstellt und asMirt sei, wiederholt ermahnt,
ihm die etwa aus den Umständen sich ergebende Unwahrscheinlichkcit dieses
Nichtwissens vorgehalten, und ihm zu Gemüthe geführt werden, daß er sich nicht
nur durch Verfälschung, sondern auch durch Verschweigung der Wahrheit de«
Meineides schuldig machen wur.de. — Übrigens muß, wenn Zeuge über die be-
fragten Umstände Nichts zu wissen behauptet, obwohl er beim fraglichen Vor
falle gegenwärtig gewesen, hauptsächlich darnach geforscht werden, ob sich dieser
Vorfall unter den angegebenen Umständen wohl ereignen konnte, ohne daß der
Zeuge Kenntniß davon erhielt.
5) Der Jnstruent muß besonders dahin sehen, daß Zeuge nur über eigentliche That«
suchen, die er mit seinen Sinnen erkannt oder erfahren hat, bekundet, und daß
er nicht etwa die daraus sich gebildeten Schlüsse und Folgerungen mit der
Thatsache selbst verwechselt.
6) Ferner muß der Jnstrucnt, besonders wenn Zeuge seiner persönlichen Qualität
nach verdächtig ist, genau Acht geben, bei welchen Umständen «der Fragen der
selbe stockt, und anstößt, oder unbeständig, furchtsam und verwirrt antwortet;
und er muß ihn wiederholt, so wie jederzeit, wenn Verdacht des Leichtsinns,
der Zurückhaltung der Wahrheit, oder der Parteilichkeit entsteht, zur Wahr
heitsaussage crmahnen.
7) Zeigt sich zwischen den auf die speziellen Fragen gcthancn Antworten und der
vorhergegangene» Erzählung des Zeugen ein Widerspruch, so muß der Jnstrucnt
ihm dies vorhalten, und seine Erläuterung darüber ins Protokoll niederschreiben.
8) Der Jnstrucnt muß die möglichste Deutlichkeit, Zuverlässigkeit und Vollständig
keit in den Zeugenaussagen zu erlange» suchen. — Besonders ist, wenn Zeugen
über die Verjährung abgehört werden, darauf zu sehen, daß sie den Zeitpunkt,
von welchem ihre Wissenschaft anfängt, so bestimmt als möglich angeben. B<«
220
ziehen sie sich dabei auf eine gewisse Begebenheit, z. B. auf einen Krieg, eine
Schlacht, Belagerung u. f. w.z so muß der Jnstruent sogleich das Jahr be
rechnen, bis zu welchem hinauf, nach dieser Angabc die Wissenschaft des Zeugen
sich erstrecken würde. Er muß dem Zeugen davon Eröffnung thun, und wenn
dabei z. B. im Vergleich zu dem angegebenen Alter des Jeugen oder zu andern
GeschichtsumstSnden Bedenklichkeiten sich finden, ihm darüber die nöthige» Er
läuterungen abfordern.
9) Die Bevollmächtigten und Rcchtsbeistände dürfen dem Jnstruentcn bei Verneh
mung der Zeugen nicht in die Rede fallen, noch den Zeugen durch verfängliche
Fragen oder Suggestionen irre machen oder zu unrichtigen Angaben verleiten.
Sie haben nur auf das Verfahren des Jnstruentcn, auf die Aussagen der Zeu
gen selbst, so wie auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Niederfchreibens
derselben genau Acht zu geben. Finden sie, daß der Jnstruent etwas dabei
übersehen, oder auf irgend einen Umstand, durch dessen genauere Erforschung der
Wahrheit näher zu kommen gewesen sein möchte, nicht Aufmerksamkeit genug
gewendet; Fragen, welche auf diesen Endzweck führen könncn, unterlassen, oder
die Aussagen undeutlich, unvollständig oder ganz unrichtig niedergeschrieben; so
müssen sie ihm dies nach Abtrit des Zeugen, oder doch diesem unbemerklich,
allemal aber vor dessen Vereidung, bescheiden eröffnen, und auf die nöthige Er
gänzung oder Verbesserung dringen. Achtet der Jnstruent nicht hinlänglich dar
auf; so müssen sie das Nöthige darüber, zur künftigen Information und Be-
urtheilung Seitens des Gerichts selbst, ins Protokoll einrücken lassen. Verwei
gert der Jnstruent die Aufnahme solcher Bemerkungen; so muß der Rechtsbei
stand oder Bevollmächtigte dem Gericht davon sofort Anzeige machen. Dieses
erläßt hiernach nach Vortrag der Sache durch den ordentlichen Dezernenten
die nöthige Verfügung.
1«) Den Rechtsbeiständen oder Bevollmächtigten steht frei, vor Abhörung der Zeu
gen dem Deputirten eine Eingabe zuzustellen, in welchem die Umstände bemerkt
sind, auf welche nach ihrer Meinung bei Vernehmung der Zeugen vorzüglich
Acht zu geben, und die durch nähere schickliche Fragen besonders ins Licht zu
setzen sein würden. — A. G. O. I. 1«, z. 190—199, 234, 242. Anh. Z. 81.
IV. Nach beendigtem Verhör müssen dem Zeugen seine Aussagen langsam und
deutlich vorgelesen, und er muß bei jedem Punkte befragt werden: ob das Nieder
geschriebene wirklich seine Aussage und Meinung, sei. Dabei ist es Pflicht der
Rechtsbeistände, besonders Acht zu geben, und dahin zu sehen, daß der Inhalt des
Protokolls mit dem vom Zeugen wirklich Bekundeten übereinstimmt. Ändert Zeuge
beim Vorlesen seine Aussage in irgend einem Stücke; so muß Jnstruent dergleichen
Widerruf, Ergänzung oder Berichtigung, jedoch nicht durch Korrektur des schon
Geschriebenen, sonder» am Schlüsse des Protokolls beifügen, auch dem Zeugen die
Ursache der Angaben und, warum er nicht gleich Anfangs solchergestalt angegeben
habe, abfragen. Ist das Zeugenverhör weitläufig; so muß Jnstruent durch eine
kurze Bemerkung am Rande der Stelle, wo die in der Folge abgeänderte Aussage
niedergeschrieben ist, auf die am Schlüsse des Protokolls befindliche Abänderung
aufmerksam machen. — S. 200, 201 a. a. O.
V. Nach Borlesung und Genehmigung der Verhandlung wird Zeuge nochmals
an die Pflicht, sein Gewissen zu bewahren, erinnert, auch werden ihm, besonders,
wenn er zu den einfältigen und gemeinen Leuten gehört, die Natur und Absicht
des Eides und die Strafen des Meineides wiederholt erklärt und zu Gemüthc ge
führt. Die Parteien werden hierauf herbeigerufen, und falls sie nicht anwesend
oder durch Nechtsbcistände oder Bevollmächtigt? vertreten sind, wird jeder von ihnen
221
e'n Schwurzeuge von Amtswegen zugeordnet.') Der Zeuge muß hierauf dahin
vereidet werden:
daß er von Allem, worüber er vernommen worden, nach sei
nem beste» Wissen die reine Wahrheit gesagt, und wissent
lich weder etwas verschwiegen, noch hinzugesetzt habe.
In Fällen, in denen der Zeuge mit Rücksicht auf §. II. einige Umstände zu
verschweigen die Befugniß hat, ist in dem Eide vor den Worten „wissentlich Nichts
verschwiegen" die Einschränkung:
ausser den im Protokoll bemerkten Umständen, zu deren Of
fenbarung Zeuge sich nicht für schuldig halte?
einzuschalten.-) — A. G. O. I. 1«, Z. 2«2 u. 204. Anh. §. «5.— V. v.28.Juni
1844. 8. 1 GS. S. 249.
VI. Das Protokoll muß sodann gemäß S. 104 vom Zeugen, und falls nicht
noch cmderweite Verhandlung erfolgt, von den Parteien oder deren Stellvertretern
und dem Jnstrucntcn vollzogen werden. — K. 2«ö und Anh. z. 8t>, I. 1« A. G. O.
VII. Währt die Abhörung eines Zeugen mehre Tage hindurch, so erfolgt
die Vereidung nach gänzlich beendigtem Verhör. Dagegen muß an jedem Tage
beim Schluß des an demselben aufgenommenen Protokolls dasselbe nach Nro. IV.
vorgelesen, Zeuge jedesmal vor Unterschrift gemäß V. an den zu leistende» Eid er
innert und hierauf von ihm dies Protokoll vollzogen werden. — Ist dies geschehen,
und Zeuge stirbt vor Beendigung des ganzen Verhörs, folglich vor Ableistung des
Eides; so verlieren seine Aussagen dadurch Nichts von ihrer Beweiskraft. — Z. 209
a. a. O.
VIII. Sind mehre Zeugen über verschiedene Thatsachcn, die mit einander in
keiner Verbindung stehen, abzuhören; so müssen die Aussagen derselben in besondere,
einem jeden dieser Gegenstände gewidmeten Protokolle niedergeschrieben werden. —
z. 20S a. a. O.
Konfrontation des Zeugen und Wiederholung des Zeugenverhörs.
§. 135. I. Die Gegeneinanderstellung eines Zeugen kann erfolgen mit einem
andern Zeugen und mit einer Partei.
1) Zur Gegeneinanderstellung zweier Zeugen ist der Jnstruent dann verpflichtet,
wenn sie über eine und dieselbe Thatsache, besonders in wesentlichen Umständen
sich widersprechen. Sie geschieht dann zum Behuf einer näheren und bestimm
teren Erörterung dieser Umstände, um durch dies Mittel, wo möglich auf den
wahren und eigentlichen Grund der Sache zu gelangen, sofort bei Äusserung
des Widerspruchs, in sofern beide Zeugen zugleich gegenwärtig, gleich viel, wenn
der eine Zeuge auch noch nicht vereidet wäre. Ist aber der eine Zeuge bereits
entlassen, wenn der Widerspruch sich äußert, so muß auch der spätere vereidet,
und zur Gegeneinanderstellung ein besonderer Termin angesetzt werden. — Hat
daher der Jnstruent mehre Zeugen über dieselben Umstände zu vernehmen, so
muß er, besonders auswärtige, vor Beendigung des ganzen Zcugcnvcrhörs nicht
entlassen.
2) Der Richter hat die Befugniß, in bcsondern Fällen, in denen die Ausmitte
lung der Wahrheit es nothwendig erfordert, Zeugen mit der Partei selbst ge«
i) Doch hat die Unterlassung dessen nicht Nichtigkeit des Zeugenvcrhörs zur Folge.
Anh. Z. «5 z. A. G. O.
«) Die Eidesabnahme muß mit Feierlichkeit, und wo möglich in einem besonders
dazu eingerichteten Zimmer erfolgen. — Weiter unten wird von den ferneren
dabei zu nehmenden Rücksichten die Rede fein.
S2S
geneinander zu stellen, um, wo möglich, auf diese Art den wahren Zusammen
hang der Sache ins Licht zu setzen. — §. 207, 208 a. a. O.
II. Die wiederholte Vernehmung eines Zeugen über einen Umstand, über den
bereits seine Vernehmung erfolgt ist, soll in der Regel nicht statt finden. Wenn jedoch
1) nach geschlossener Instruktion >) der Dezernent oder Referent beim Bortrag der
Sache wahrnimmt, daß die Zeugenaussagen über einen oder den andern erheb-
lichen Umstand so dunkel und zweifelhaft ausgefallen, daß ihr eigentlicher Sinn
und Meinung nicht mit Zuverlässigkeit zu entnehmen ist; so find die Zeugen
nochmals über dergleichen Umstand, jedoch nur mit Verweisung auf den bereits
geleisteten Eid durch eine andre Gerichtsperfon auf Kosten des vorigen Jn-
struenten zu vernehmen.
2) Gleiches muß, wenn durch Jemandes Unfleiß oder Unachtfamkeit das Vernch-
mungsprotokoll verloren gegangen, oder sonst weggekommen, auf Kosten dessen,
welcher daran Schuld ist, geschehen.
A) Meldet sich ein bereits vernommener und vereideter Zeuge freiwillig mit der
Anzeige, daß er seiner Aussage noch etwas beizufügen, oder daran zu berichti
gen habe, zur nochmaligen Abhörung; so muß damit zwar unverzüglich verfah
ren werden. Doch ist dabei nicht nur ganz vorzügliche Genauigkeit und Auf
merksamkeit anzuwenden, und der wahre Grund, warum Zeuge früher seine
Wissenschaft anders, als jczt, angegeben, durch zweckmässige Fragen und Vor
haltungen so zuverlässig, als möglich, zu erforschen, fondern es darf auch ein
solcher Zeuge, wenn er seine vorigen Aussagen ändert, oder mit erheblichen That-
sachen ergänzt, nicht sogleich wieder vereidet, es muß vielmehr dem künftige»
Erkenntnisse die Bestimmung: ob es der nochmaligen Vereidung bedürfe, oder
dieselbe zulässig sei, vorbehalten werden. — Übrigens muß der Jnstruent auch
in diesem Falle am Rande des früheren Vernehmungsprotokolls gemäß §. lZ4,
IV. vermerken, wo die geschehene Berichtigung oder Änderung zu finden sei.
z. 210—212 a. 0. O.
Verfahren, wenn bei Zeugenvernehmungen die Zuziehung
eines Dolmetfchers nöthig.
Z. 136. l. Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es bei Zeugenverneh
mungen nur dann, wenn sowohl der vernehmende Richter, als der etwa zuge
zogene vereidete Protokollführer der Sprache des Zeugen nicht vollkommen mäch
tig ist. Der dann zuzuziehende Dolmetscher muß entweder als solcher bereits ver
pflichtet sein, oder wenn dies nicht der Fall, vor Abhörung des Zeugen schwören:
daß er die an den Zeugen zu richtenden Fragen dem fc Iben in
seiner Sprache genau so, wie sie von dem Richter in der
teutschen Sprache abgefaßt worden sind, vorlegen, die
Antworten desfelbcn genau und richtig in die teutsche
Sprache übersetzen, sie wörtlich so, wie sie von dem Zeugen
ertheilt worden, in dessen Sprache zum Nebenprotokolle
«) Die A. G. O. setzt hier voraus, daß der Dezernent nicht früher die Akten er
hält, da der Deputirte bis dahin in der Regel das Nöthige anzuordnen hat.
Kommen dem Dezernenten vor Abschluß der Instruktion die Akten in Vortrag,
und er sieht, daß eine Zeugenvernehmung mangelhaft ist, so versteht es sich »on
selbst, daß er sofort dem Kollegio darüber Vortrag halten, und dadurch eine
Wiederholung des Zeugenverhörs herbeiführen kann.
2) Dieser Eid ist nur für den besondcrn Fall abzunehmen, wenn der Dolmetscher
blos zur Zeugenvernehmung allein verpflichtet wird. Soll er auch bei andern
Vernehmungen dolmetschen, so muß der Seite 17« in der Note aufgeführte Eid
abgenommen werden,
223
niederschreiben, überall Nichts davon oder dazu thun, und
bei diesem ganzen Geschäft treu und rechtschaffen, der
Wahrheit gemäß, verfahren, auch sich davon weder durch
Geschenke noch andre Vorkheilc, noch durch Feindschaft,
Freundschaft, oder irgend einige andere Nebenrücksichtcn
abhalten lassen wolle.
Behufs Vernehmung des Zeugen selbst muß der Dolmetscher denselben in seiner
Muttersprache vermahnen, ihm in dieser den Zcugcneid vorlesen, und überhaupt in
derselben an ihn die Fragen richten, und die Antworten entgegennehmen. — Z. 213,
215 a. a. O.
II. Der Dolmetscher muß in der Regel sowohl die summarische Erzählung
des Zeuge», als die an ihn erlassenen Frage» und darauf crtheilten Antworten zum
Ncbcnprotokoll in der Ursprache des Zeugen niederschreiben, und dieses als Beilage
des tcusch abgefaßten Hauptprotokolls zu den Akten geben. — Dieses Nebenpro«
tokolls bedarf es aber nicht,
1) wenn die Gcrichtspcrson , welche das Jeugenvcrhör aufnimmt, oder der etwa zu
gezogene Protokollführer, oder die beim Verhör gegenwärtigen, beide Parteien
vertretenden, Justizkommissarien, die Sprache des Zeugen verstehen, wenn sie die«
selbe auch nicht so fertig sprechen, daß die Zuziehung eines Dolmetschers unent
behrlich würde;
2) wenn die Parteien, oder deren zum Prozeß gehörig legitimirte Bevollmächtigte
dem zu führenden Nebenprotokoll entsagen. — z. 2l4 u. Anh. Z. 87 a. o. O.
III. Bei Vernehmung der Wenden kommen die Vorschriften Z. 10Z, III. zur
Anwendung.
Personen, welche von der körperlichen Leistung des Zcugencides
frei sind.
z. 137. l. Die Ableistung des Acugeneidcs (z. 134, V.) muß von jedem Zeu
gen, und zwar mündlich, mit »achgcsprochenen Worten geschehen. Davon finden
folgende Ausnahmen statt:
1) wenn Personen fürstlichen Standes den Eid leisten sollen, so wird die im
Vcrnehmungsprotokoll zu verzeichnende Eidesformel denselben vom Kommissario
vorgelesen, und zur eigenhändigen Unterschrift vorgelegt.
2) Wenn Personen, die in Eid und Pflicht stehen, in Sachen, welche ihr Amt un
mittelbar betreffen, Zcugniß ablegen sollen; so ist die Verweisung auf ihren
Diensteid hinreichend. — Werden hingegen Personen dieser Art über Vorfälle
verhört, welche ihre Amtsgeschäftc nicht unmittelbar betreffen, wenn sie
gleich bei Ausrichtung derselben Kcnntniß davon erlangt haben, so findet diese
Ausnahme nicht Statt.
3) Wenn beide Parteien einstimmig durch mündlich zum Protokoll abgegebene, oder
eigenhändig unterzeichnete schriftliche Erklärungen dem Zeugen den Eid erlas
sen; so hat es dabei sein Bewenden. Bevollmächtigte bedürfen zum Erlaß der
Aeugeneide einer Spezialvollmacht.
4) Stumme, in sofern sie überhaupt als Zeugen abgehört werden können, müs
sen die ihnen vorzulegende Eidesformel in Gegenwart des Jnstrucnten abschrei«
be» und unterzeichnen.
5) Mennoniten, Filipponen und Andre, nach deren Rcligionsgrundsätzen Ei
desleistungen unzulässig sind, müssen bei Ablcgung eines Zeugnisses, wenn es
nicht bei dem Gerichte schon notorisch ist, nachweisen, daß ihre Rcligionspartei,
oder sie für ihre Person unter der ausdrücklichen landesherrlichen Vergünstigung,
keinen Eid ableisten zu dürfen, im Lande aufgenommen worden. — Sie müssen
SS4
ferner, wenn sie sich auf ein solches ihrer Religionspartei bewilligtes Vorrecht
gründen, durch beizubringende Zeugnisse der Ältesten, Lehrer oder Vorsteher ihrer
Sekte bescheinig««, daß sie in derselben geboren worden, oder sich wenigstens seit
einem Jahre vor dem Anfange des Prozesses zu derselben bekannt, und bisher
einen untadelhaftcn Wandel geführt haben. In diesem Atteste muß zugleich die
bei einer solchen Sekte eingeführte, mit dem Eide gleiche Kraft habende Formel
bemerkt sein, damit dieselbe bei der Abhörung statt der gewöhnlichen Eidesfor
mel gebraucht werden könne. — Bei den Mcnnoniten namentlich wird die Ver
sicherung der Wahrheit nach dieser Bckrciftigungsformel mittelst Handschlags
abgegeben. — Bei den Filipponen besteht die Bctheurungsnorm in einem vor
dem Kruzifix aufrecht stehend, feierlich ausgesprochenen „Je«, Jen."
Die Anwendung einer solchen Bekräftigungsformel in den zulässigen Fällen
hat gleiche Kraft, wie die wirkliche Eidesleistung. — Z. 203, Anh. S. 83, l. 1«
A. G. O. — Cab.-Ord. vom 11. März 1827 GS. S. 28. — Eab.-Ord.
vom 19. Novbr. 1836 und Res. vom 28. Jan. 1837. Jahrb. 49, S. 175.
6) In Sachen der Juden gegen Juden bedarf es bei jüdischen Zeugen keines Ei
des, sondern es werden dem Zeugen nur die zehn Gebote, und die im mosaischen
Gesetze ausdrücklich befohlene Pflicht, als Zeuge die Wahrheit zu sagen, von
dem Rabbiner oder Gelehrten ernstlich zu Gemüthe geführt. Haben Christen
ein Interesse zur Sache, so können jüdische Zeugen die Eidesleistung nicht ver
weigern. — Z. 343, 344, I. 1« A. G. O.
II. Verweigert Jemand in einem nicht ausgenommenen Falle die Eideslei
stung, und zwar
1) indem er Gewissenszweifel vorschützt; so wird er gehörig belehrt, und zu
gleich bedeutet, daß er für die durch die Weigerung erwachsenden Kosten und
Nachtheile aufkommen müsse, und daß die benachtheiligte Partei gegen ihn we
gen des aus der unterlassenen Eidesleistung ihr entstehenden Schadens Regreß
nehmen könne. Beharrt er dennoch bei der Weigerung, so kann er zwar zur
Eidesleistung nicht gezwungen werde». Er hat jedoch jene Folgen zu gewärtigen.
2) Werden andre oder gar keine Gründe der Weigerung vorgeschützt, so wird
gegen den Weigernden in Gemäßheit des Z. 133, Nro. IV. verfahren. — §. 203,
I. 1« A. G. O. — Res. vom S. Mai 1833. Gräff, Koch :c. Erg. III.
S. 225.
Willigkeit und Zulässigkeit der Zeugen, und zwar
1. Personen, welche zum Zeugnisse gar nicht zugelassen werden;
§. 138. Zur Ablegung eines Zeugnisses sind unfähig:
1) Rasende, Wahn- und Blödsinnige. Personen, die nur schwach am Ver
stände sind, können über Gegenstände, die das Maaß ihrer Vcrstandcskräfte nicht
übersteigen, zugelassen werden. Ist Jemand nur zuweilen des Verstandes be
raubt, so kann er zwar in lichten Zwischenräumen über Umstände, welche sich
in einem gleichen Zeitpunkte zugetragen haben, abgehört werden; jedoch ist bei
dessen Vernehmung mit der größten Vorsicht zu verfahren, und seine Aussagen
haben niemals völlige Beweiskraft.
2) Blinde, in Ansehung solcher Gegenstände, zu deren Kenntniß der Sinn des
Gesichts erfordert wird, wenn sie nicht diese Kenntniß schon erlangt haben, be«
vor sie blind geworden sind.
3) Taube, in sofern sie nicht lesen können. Können sie lesen; so müssen ihnen
die an sie gerichteten Fragen schriftlich vorgelegt, ihre darauf in das Protokoll
verzeichneten Antworten aber ihnen zum Durchlesen gegeben, und von ihnen
bei jedem Punkte mittels Unterzeichnung genehmigt werden. Den Eid leiste» sie
S25
in der gewöhnlichen Art; doch wird ihnen die Eidesformel in die Hand gege
ben, damit sie dieselbe bei der Eidesleistung ablesen können.
4) Taube und Stumme zugleich, in sofern sie nicht lesen und schreiben können.
Können sie Beides, so werden ihnen die Fragen schriftlich vorgelegt, und ihre
Antworten müssen sie selbst niederschreiben und unterzeichnen. >)
5) Die, welche geständlich oder erweislich von einer Partei Geld oder andre Vor
theile angenommen haben, um ein denselben vortheilhaftes Zeugniß abzulegen.
Hierunter sind jedoch Reise- und Zehrungskosten nicht zu verstehen, welche der
Extrahent einem Zeugen, der ohne solchen Vorschuß nicht zur Gerichtsstelle kom
men kann, gereicht hat. Es bleibt aber richterlichem Ermessen vorbehalten, in
wiefern die gereichte Summe nach den Umständen für übermässig zu achten, und
also hinter diesem Borwande eine versuchte Bestechung des Zeugen verborgen sei.
6) Die in dieser oder einer andern Sache eines falschen Zeugnisses oder eines an
dern Meineids Überführten;
7) Die wegen begangener Verbrechen für ehrlos Erklärten. 2) Die erfolgte Be
gnadigung macht dabei keinen Unterschied, wenn nicht erhellt, daß dieselbe wegen
nachgewiesener Unschuld ertheilt worden. Andre Verbrechen, wenn auch Fe-
stungs- oder Zuchthausstrafe darauf, jedoch mit Vorbehalt des ehrlichen Na
mens, verhängt wäre, machen den Verbrecher zur Ablegung des Zeugnisses nicht
unfähig, fondern schwächen nur die seinen Aussagen beizulegende Beweiskraft.
Doch ist dabei hauptsächlich auf die Beschaffenheit des Verbrechens, und darauf
Rücksicht zu nehmen, in wiefern dabei solche moralische Grundsätze und Gesin
nungen, welche auf Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit Einfluß haben, mehr
oder weniger aus den Augen gefetzt worden sind. — §. 227, I. 10 A. G. O.
2. Personen, welche zwar nicht als Beweiszeugen, wohl aber der
Erkundigung wegen vernommen werden können; (Jnformationszeugen).
§. 139. I. Andre Personen können zwar in Rücksicht der Verbindung, in wel
cher sie mit einer der Parteien stehen, oder aus andern Ursachen als Beweiszeugen
nicht aufgestellt, wohl aber, um von der Bewandniß der Sache nähere Erkundigung
einzuzichn, von dem Richter vernommen werden. Dahin gehören:
1) leibliche Altern«) und andre Verwandte in aufsteigender Linie. Wenn jedoch
entweder der Streit unter den Kindern obwaltet, oder es darauf ankommt, das
Alter der Kinder, deren Verlobung, Vcrheirathung oder Absterben zu erweisen,
und die Wahrheit auf andre Art nicht ausgemittelt werden kann; so sind Ver
wandte in aufsteigender Linie auch als Bewciszeugen zulässig.
2) Leibliche Kinder einer Partei, oder andre Verwandte derselben in absteigender
Linie.
3) Stief- oder Schwiegerältern, ingleichen Sticf- oder Schwicgcrkinder. ^ )
4) Brüder und Schwestern, sie mögen von voller oder halber Geburt sein.
5) Schwäger oder Schwägerinnen.
>) Den Eid leisten diese in Gcmäßheit des §. 137, I. Nro. 4.
») Diese Ehrlosigkeit muß wohl unterschieden werden von dem Verluste gewisser
bürgerlicher Ehrenrechte, z. B. des Adels, der Orden, Ämter u. dergl. Dieser
Verlust hat nicht immer gänzlichen Verlust der Glaubwürdigkeit zu Folge. — Lf.
Res. vom 3«. Septbr. 1799. Stengel Bd. 15, S. 21«. Rabe Bd. 5, S.
S6». Cab.-Ord. vom 1. April 1»l9. Jahrb. 13, S. 21».
») Nach einem Res. vom I. Juni 1801 (Rabe Bd. 13, S. 476) können diese
auch nicht gezwungen werden, den Aufenthalt ihres als Schuldner entwichenen
Sohnes anzugeben.
«) Hierunter sind nur As- oder Deszendenten ersten Grades verstanden. — Res.
vom 6. Juni 1834. GrSff, Koch zc. Erg. III, S. 229.
IS
226
6) Ehegatten ober öffentlich Verlobte. -
Der mit den unter 1 bis 6 Genannten in dieser Verbindung Stehende kann,
wenn der Gegner sie zu Zeugen vorschlägt, sie davon nicht ausschliessen; und sie
sind in diesem Falle giltige Bewciszcugcn, in sofern sie nicht etwa das Jeugniß
ablehnen, und gemäß Z. 133, II. Nro. 3—5 ihre Weigerung begründet ist.
7) Mitberechtigte oder Verpflichtete.
, 8) Litisdcnunzianten, Denunzianten') oder Jntervenientcn.
9) überhaupt alle, die von dem Ausfalle der Sache Vorthcil oder Schaden zu er
warten Habenz mithin auch
10) Mitglieder eines Kollegii, einer Korporation oder Gemeinde, die in den Prozeß
verwickelt ist. Betrifft der Prozeß einen Gegenstand, bei welchem die einzelnen
Mitglieder kein Interesse haben; so können dergleichen Mitglieder auch als Be-
weiszcugen aufgestellt werden, und der Grund ihrer Glaubwürdigkeit bleibt, nach
Bewandniß der übrigen Umstände, richterlicher Beurthcilung vorbehalten. Be
trifft der Prozeß nur einzelne Mitglieder, so können andre Mitglieder, die
für sich selbst kein Interesse dabei haben, giltige Bewciszcugcn sein^ Altsitzcr,
Jnlieger und Hausleute sind nicht als Mitglieder der Gemeinde anzusehn. Je
doch ist ihren Aussagen für die Gemeinde, in welcher sie sich aufhalten, vollstän
dige Beweiskraft nicht beizulegen. — Die unter Nro. 1—5 aufgeführten Ver
wandten eines oder mehrer Mitglieder einer Korporation oder Kommune kön
nen zwar ebenfalls als Bcwciszeugen aufgestellt werden; die Glaubwürdigkeit
ihres Zeugnisses aber wird durch diese Verwandtschaft geschwächt. Von den
Ehegatten der Mitglieder einer Gemeinde gilt das, was vorstehend von diesen
Mitgliedern selbst gesagt ist.
Auch die unter Nro. 7 bis 1l) Genannten sind giltige Bewciszcugcn, wenn sie
5er Gcgcnthcil dessen, mit welchem sie in der daselbst bemerkten Verbindung stehen,
dazu vorgeschlagen hat. Sie können in diesem Falle des Zeugnisses sich niemals
rntbrcchen.
41) Ein Bevollmächtigter in der Sache seines Machtgebers. Wird er vom
Gegner vorgeschlagen, so kann er sich der Abgcbung eines eidlichen Zeugnisses
über Thatsachen, welche vor dem Entstehen des gegenwärtigen Rechtsstreits vor
gefallen sind, nicht entziehen. 2) lM. Z. 133, Nro. 8).
42) Juden, welche nicht Staatsbürger, oder im Großherzogthum Pofcn nicht na-
turalisirt sind, wenn sie in einem Prozesse zwischen Juden und Christen von
jenem vorgeschlagen werden.
.13) Personen, die das 14tc Jahr ihres Alters noch nicht zurückgelegt haben,
ohne Unterschied des Geschlechts, weil dieselben noch mit keinem Eide belegt wer
den können. Minderjährige 2) sind als Beweiszeugcn zulässig. In wie fern
aber solche, die das 18tc Jahr noch nicht zurückgelegt haben, vollcn Glauben
verdienen oder nicht, bleibt nach Beschaffenheit der Umstände, ihrer mehr oder
weniger entwickelten Gcistcöfähigkeiten, und des Gegenstandes, wovon sie zeugen
sollen, richterlicher Bcurtheilung vorbehalten. 2)
') Manche nehmen an, daß dies ein Druckfehler sei, und eS statt Denunzianten
„Litisdcnunziaten" hcissen müsse. Zu dieser Annahme ist jedoch kein Grund.
Der Litisdcnunziat ist unter Nro. 9 begriffen. — Lk. Themis 1837, S. 689
fg. 1838, S. 28«.
2) Ein Vormund, welcher in einem Prozesse seinen Kuranden vertrit, hat die Rechte
und Pflichten einer Partei, und kann als Zeuge niemals vernommen werden. —
Ref. vom 17. Januar 1834. Grciff, Koch zc. Erg. III. S. 229.
») D. h. solche, welche über 14, aber noch nicht 24 Jahre alt sind.
4) Bei Christen ist die erfolgte Konfirmation zwar ein Belag dafür, daß dieselben
eine richtige Ansicht von der Wichtigkeit und Heiligkeit des Eides haben, Doch
227
14) D!ejenigcn, welche emcr begangenen Untreue, oder eines vorsätzlichen ober
muthwilligen BankcrutS gerichtlich überführt sind.
15) Die, welche für unfähig erklärt worden, in ihren eignen Sachen einen uoth-
wendigen Eid zu schwören. — H. 228 — §.230 >) u. Anh. Z. 88, I. 1« A. G.
O. — Res. vom 3«. Mai und 13. Oktober 1812. Jahrb. I, S. 6V, 269.
G raff 2, S. 1«3 fg. — §. 2«, Ges. vom 1. Juni 1833. GS. S. 69.
II. Die Vorladung solcher Jnformationszeugcn erfolgt durch das Kollegium
auf Vortrag des Dezernenten, wenn dies die Vernehmung für nöthig erachtet. Zei
gen sich dabei Spuren andrer noch nicht aufgenommener Beweismittel, so muß da
von, zur Erforschung der Wahrheit, unverzüglich Gebrauch gemacht werden.
Ihre Vereidung unterbleibt in der Regel. Liegt jedoch ein solcher Fall vor, in
welchem dennoch der Aussage einer solchen Person einiger Glaube beizumessen, so be
stimmt das Gericht: ob mit Vereidung vorzuschrciten. Hat aber eine Partei auf
Vernehmung einer mit ihr in den, I. Nro. 1—12 bemerkten, Verbindungen stehen
den Person selbst angetragen, und dieselbe sagt demnächst zu ihrem Nachtheike aus;
so soll darauf, auch ohne Eid, bei Entscheidung der Sache vorzüglich Rücksicht ge
nommen werden. — Z. 231, 232, Tit. 10, I. A. G. O.
3. Personen, deren Zcugniß keinen vollen Glauben hat.
§. 140. Zu den Personen, die jederzeit als Bcwciszcugen zuzulassen sind, de
ren Aussagen aber volle Glaubwürdigkeit nicht beigelegt werde» kann, gehören
1) die, welche gerichtlich für Verschwender erklärt worden sind;
2) die, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist; in sofern sie nicht
zur Rechtswohlthat der Zession zugelassen, oder doch bekanntlich durch Unglücks
fälle in Vermögensverfall gerathen sind;
3) die mit einer Partei in notorischer Feindschaft Lebenden; 2)
4) die, welche mit einer Partei einen verdächtigen vertrauten Umgang unterhalten;
ö) Hausoffizianten, » ) Livreebediente, Gesinde und alle in beständigem Lohne und
Brode stehenden Personen in Prozessen ihrer Herrschaft oder ihres Brodherrn.
Hiervon finden jedoch folgende Ausnahmen statt:
s) wenn der Abzuhörende den Dienst der Partei verlassen hat, und nicht nach
können auch Nichtkonsirmirte, wenn sie über 14 Jahr alt sind, vereidet werden.
Nach einem Res. vom 3. Octbr. 1825 (Grass, Koch zc. Erg. III. S. 23«)
soll jedoch bei Vercidung solcher ein Geistlicher zugezogen werden, welcher vor
Abnahme des Eides in Gegenwart des Richters und der Parteien den Zeugen
über die Wichtigkeit und Heiligkeit der Zeugnißablcgung und des Eides, über
die Pflicht der Wahrhaftigkeit überhaupt und über die Strafen und Folgen des
Meineides ernstlich und nachdrücklich belehrt.
1) Der z. 230 führt unter Nro. 14 noch diejenigen auf, welche ein mit dem Ver
luste der bürgerlichen Ehre verbundenes Geschäft treiben. Diese Bestimmung ist
aber gegenwärtig ausser Anwendung gekommen, da auch Abdecker Soldaten sein
können, also nicht als ehrlos zu achten sind, und die preuss. Gesetze solche, mit
dem Verlust der bürgerlichen Ehre verbundene Geschäfte, nicht kennen. — Dage
gen kann man zu den Jnsormations-Aeugen noch diejenigen zählen, welche zu
einer Religion gehören, in Betreff deren die preuss. Gesetze keine Eidesnormcn
vorschreiben, da solche Personen nicht vereidet werden können. — Res. vom 30.
Mai 1805 in Gräff, Koch zc. III. S. 231.
2) Beispiele, wo Feindschaft anzunehmen, sind oben S. 65 Anm. 2 aufgeführt.
2) Die Privatsekretaire und Schreiber der Justizkommissarien und Notare zählt
man in der Regel nicht hierher. — Res. vom 3. August 1821 und vom 21.
Oktober 1822. Gräff 18, S. 23. Bd. 2«, S. 275. — Res. vom 25. Februar
1843 I. M. B. S. 63. — In einem in Rcvisorio bestätigten Urtel des Stadtg.
zu Berlin vom 8. März 1805 wurde angenommen, daß die Zeugenaussage der
Handlungsdiener eines Kaufmanns in soweit einen Beweis bewirke, daß der
ErfMungseid zulässig werde. — Mathis Bd. 3, S. 523.
SS8
gewiesen werden kann, daß es blos zum Schein, um den Aussagen mehr
Glaubwürdigkeit zu verschaffen, geschehen sei;
b) wenn der Abzuhörende bei beiden Parteien zugleich in Diensten steht;
c) wenn der Prozeß zwischen der Herrschaft und andern Dienstboten geführt
wird, welche noch in deren Dienst sind, oder mit dem Abzuhörenden zugleich
in deren Dienst gestanden Habenz
6) Unterthanen in Sachen, in denen ihre Gutsherrschaft interessirt ist. — Dieselben sind
übrigens vor Bernehmung zu bedeuten, daß sie sich durch ihr Berhältniß zu je
ner nicht von Aussage der reinen Wahrheit abhalten lassen sollen. Doch hat die
Unterlassung der Bedeutung nicht Nichtigkeit des Verhörs zur Folge. — §. 233
a. a. O.
Von der Glaubwürdigkeit der Zeugen überhaupt und den gegen
diese Glaubwürdigkeit entgegen zu fetzenden Einwendungen.
Z. 141. I. Den Zeugen können hauptsächlich Einwendungen mit Bezug auf die
Z. 138—140 angeführten Bestimmungen entgegengesetzt werden. Doch müssen die«
selben spätestens -vor dem zur Abhörung dieser Zeugen angesetzten Termin angegeben,
und falls sie auf Thatsachen beruhn, müssen auch die Beweismittel darüber ange
zeigt werden. Auf später angebrachte Einwendungen der Art wird für diese In
stanz keine Rücksicht genommen.')
Die Instruktion und Beweisaufnahme in Betreff solcher Einwendungen erfolgt
gleichzeitig mit der Hauptsache, so daß mit Vernehmung der Zeugen, gegen welche
die Einwendungen erhoben sind, zu gleicher Zeit und mit Vorbehalt des Rechts der
Parteien, verfahren wird. — Ob übrigens ein solcher Zeuge sofort zu vereiden, oder
dies der Bestimmung des erkennenden Richters anHeim zu geben sei, bleibt, wenn
Parteien sich darüber nicht vereinigen, nach Maasgabe der Hinsichts des Einwan-
des erfolgten grösseren oder geringeren Ermittelungen, dem Ermessen des Gerichts
überlassen.
Die Verhandlung solcher Nebenpunkte erfolgt, zur Vermeidung von Verwir
rung, in besondern Protokollen. Doch wird darüber nicht besonders erkannt, son
dern in den Gründen des Haupterkenntnisses festgesetzt: was die Aussagen eines je
den vernommenen Zeugen zur Entscheidung der Sache beitragen, und welcher Grad
Von Glaubwürdigkeit einem Jeden derselben nach Maasgabe ihrer durch die Ver
lhandlungen ausgemittelten persönlichen Umstände und Verhältnisse beizulegen sei. —
Bringt eine Partei Personen, welche nach den Gesetzen ganz verwerflich sind, als
Zeugen wissentlich in Vorschlag; oder verschweigt sie vorsätzlich Umstände,
welche die Jeugen zwar nicht ganz unzulässig, aber doch verdächtig machen; oder
läugnct sie solche vom Gegner gerügte Umstände wider besseres Wissen ab; oder setzt
sie den Zeugen Einwendungen entgegen, deren Ungrund ihr bekannt gewesen, oder
bei ganz gewöhnlicher Erkundigung nicht verborgen bleiben konnte; so soll diese Par
tei dem Gegner zum Ersatz der Kosten und der aus dem Verzuge erwachsenen Nach
theile verpflichtet sein, und in 1« bis 50 Thlr. Geldbusse verurtheilt werden. —
z. 234—237 a. a. O.
II. In Betreff der Glaubwürdigkeit der Zeugen gelten folgende Grundsätze:
Z) Bei Bestimmung dieser Glaubwürdigkeit ist in der Regel und soweit.nicht nach
Vorstehendem besondre Ausnahmen gemacht sind, darauf, welche der Parteien
die Vernehmung veranlaßt, keine Rücksicht zu nehmen. Eben so kommen die
") Gibt der Zeuge bei seiner Vernehmung selbst die seiner Glaubwürdigkeit entge
gen stehenden Umstände an, oder gehen diese sonst aus den Akten mit Zuverläs
sigkeit hervor, so versteht es sich von selbst, daß der erkennende Richter daraus
Rücksicht nehme, wenn auch die betheiligte Partei sie nicht eingewendet hätte.
229
Aussagen auch dem zu Statten, welcher gegen die Glaubwürdigkeit Zweifel er
regt hatte, die aber als unerheblich verworfen, oder bei näherer Nachforschung
ungcgründet befunden worden sind.
2) Ein vollkommen glaubwürdiger Zeuge ist der, dem keine der Z. 138—
140 bemerkten Einwendungen entgegensteht, der nicht blos vom Hörensagen zeugt,
und in dessen Angabe keine Widersprüche sich finden.
3) Widersprüche in den Aussagen eines Zeugen schwächen desselben Glaubwür
digkeit ohne Unterschied: ob sie die Hauptsache oder Nebenumstände betreffen, in
sofern nicht hinlänglich ausgemittelt werden kann, daß der Widerspruch durch
blossen Misvcrstand «eranlaßt worden sei.
4) Bekundet ein Zeuge einen erheblichen Umstand nicht aus eigner Kenntniß, son
dern vom Hörensagen »I« suclilu); so dient dies zur Anleitung, denjenigen,
auf dessen Wissenschaft er sich bezieht, ebenfalls zu vernehmen. Kann diefe Ab
hörung nicht geschehen, so muß möglichst durch genauere Befragung des vom,
Hörensagen sprechenden Zeugen ausgemittelt werden, in wiefern demjenigen, von
welchem er seine Kenntniß herleitet, Glauben beizumessen gewesen, und unter
welchen Umständen die Erzählung erfolgt sei, damit darnach die im künftigen
Urtel darauf mehr oder weniger zu nehmende Rücksicht bestimmt werden könne. —
Haben mehre Zeugen vom Hörensagen bekundet, so muß genau nachgeforscht wer
den, aus welcher Quelle jeder seine Wissenschaft herleite, um zu verhüten, daß
nicht die an Mehre geschehene Erzählung derselben Person als mehrfaches Be
weismittel angefehn werde.
5) Hat ein Zeuge bekundet, daß ihm vom Vorfalle oder Geschäft, worüber er ver
nommen worden, gar Nichts bekannt seiz fo hat seine Aussage auf die Entschei
dung der Sache nur in sofern Einfluß, als der Vorfall unter den angegebenen
Umständen sich gar nicht hätte ereignen könne», ohne daß der Zeuge Kenntnis!
davon erhalten müssen, («f. §. 134, III. Nro. 4.) - z. 238 -242 o. a. O.
III. Beantwortet ein Zeuge die ihm vorgelegten Fragen nach seiner Wissen,
schaft und Überzeugung; so darf Niemand gegen ihn wegen des etwanigcn seiner
Ehre nachtheiligen Inhalts eine Jnjurienklage anstellen. Doch muß, wenn eine Par
tei vermeint, daß in einer Zeugenaussage etwas dergleichen ihrer Ehre Nachtheilige!;
enthalten sei, das desfalsige Protokoll, in sofern es nach dem Befinden des Richters
zur Entscheidung der Sache Nichts beiträgt, versiegelt zu den Akten genommen
werden, damit dessen Inhalt zur Kränkung der Partei nicht allgemein bekannt
werde. — Z. 243, 244 a. a. O.
> ) Alle aussergerichtlichen Versprechungscide sind bei 5 bis 10 Thlr. Geldstraft ver
boten. §. 1425, 1426 Str. R. Zu diesen verbotenen Eiden gehören selbst die,
welche der Richter abnimmt, ohne ein Recht zu dieser Vereidung zu haben, z.
B. wenn der Richter Haus- oder Wirthschaftsbcamte der Privatpersonen (ohne
einen besondern gesetzlichen Grund, wie dieser bei Forstbeamten vorhanden) ver
eidet.— «. Res. vom 14. Mai 1821. Jahrb. 17, S.249. Grass 1, S. 378.
23«
II. Die im Prozesse vorkommenden Eide sind meist Bcstärkungseidc. >) Da
hin gehören namentlich
1) Die Zeugen- und Sachverständigeneidc, deren Z. 129 und 135 gedacht ist;
2) einige Eide, durch welche gewisse Nebenpunkte beseitigt werden, wie der Dif-
fessions-, der Editions- der Eid für Gefährde u. s. w. 2)
3) die nothwendigen Eide, d. h. diejenigen Bcstärkungscide, welche der Rich
ter einer Partei dann abfordert, wenn eine streitige Thatsache auf andre Art
nicht in ein zur Entscheidung hinreichendes Licht hat gefetzt werden können. —
Bon denselben wird weiter unten bei den Borschriften über Abfassung des Er
kenntnisses die Rede sein;
4) die de- und rcfcrirten Eide, d. h. solche, welche die Parteien von einander
zur Bestätigung oder Widerlegung der streitigen Thatsachcn verlangen. — Von
diesen wird hier gesprochen werden. — K. 249—251 a. a. O.
Von der Eideszuschiebung. In welchen Fällen und durch wen
kann dieselbe erfolgen?
S. 143. I. Der Eideszuschiebung kann sich eine Partei zum Erweist aller
streitigen Thatsachcn, und dies selbst mit Übcrgchung andrer vorhandenen Be
weismittel, bedienen. Der Richter hat jedoch die Pflicht, die den Eid wählende
und dagegen andre Beweismittel übergehende Partei an die mit dem Eide verbun
denen Bcdenklichkeiten und rechtlichen Folgen, und an die anderweitig vorhandenen
Beweismittel zu erinnern. ») Bcharrt aber die Partei dennoch bei der gewählten
Eideszuschiebung; so muß es dabei bewenden. — Ist eine Thatsache aus mehren
Umständen zusammengesetzt, z. B. wenn mehre Besitzhandlungen, wodurch Jemand
ein Recht durch Verjährung erworben haben will, darzuthun sind: so kann über
einige derselben der Beweis durch Urkunden oder Zeugen geführt, über andre aber
der Eid zugeschoben werden.
Die Eideszuschiebung ist ausnahmsweise nicht zulässig,
1) Behufs Nachweis der nicht erfolgten Zahlung einer Schuld gegen die Erben
des Schuldners, welchem der Gläubiger Quittung ertheilt, ohne Zahlung erhal
ten zu haben, wenn er demnächst drei Monate hat verstreichen lassen, ohne den
Schuldner wegen nicht geleisteter Zahlung zu belangen, und die Quittung, als
blos in Erwartung der erfolgenden Zahlung ausgestellt, zurückzufordern;
2) über Urtheile^) und Muthmassungen, da nur Thatfachen Gegenstand der Eides
zuschiebung sein können;
3) über Thatfachen, in Betreff deren durch die bereits aufgenommenen Beweismit
tel schon das Gcgcntheil ausgcmittelt ist;
4) über Thatsachcn, welche bereits völlig erwiesen sind;^)
5) in Jnjurienprozesscn. ») Ausserdem ist
1) Zu den Ausnahmen gehören die Kautionscide, welche Versprcchungs - und Bc
stärkungscide zugleich sind. — «f. §. 11, Tit. 21, I. A. G. O.
2) cr. §. 117, 1. Ii; z. 118, 11. m. ß. 124, 11.
») 0k. 8. 51, Nro. 13 d S. 98.
«) Z. B. darüber: wie viel eine Sache Werth ist. Etwas andcrs ist cs, wenn der
Eid darüber zugeschoben wird : daß Jemand eine Sache zu der angegebenen Zeit
auf so hoch geschätzt hat, oder daß sie für so viel gekauft sei, ic. dies sind keine
Urtheile, sondern Thatsachcn.
5) Gleiches gilt bei Thatsachcn, welche das Gesetz für feststehend annimmt, z. B.
in Betreff der Legitimität der in der Ehe gcbornen Kinder.
«) Dagegen muß man, da keine besondre Ausnahme im Gesetz gemacht ist, anneh
men, daß in Prozessen, in welchen der Anspruch dcs Klägers auf ein, dem Be
klagten Schuld gegebenes Verbrechen gegründet wird, Kläger sich zum Erweise
dieses Verbrechens der Eideszuschiebung bedienen darf.
6) die Eideszuschiebung in den nach der Verord. vom 28. Juni 1844 zu verhan
delnden Eheschcidungsprozessen nur in sehr beschränkter Art zulässig. — K. 252—
254, 288, 289b. 29« „. a. O. Anh. Z. 232 z. A. G. O. — A. ö. R. 1. 16,
S. 1V6, 107. — Res. vom 19. Nvvbr. 1827. Gräff, Koch zc. Erg. III. S.
232. — Erk. des Geh. Ob. Trib. vom 18. April 1831 in Simon R. Bd.
3, S. 245. — Res. vom 23. Febr. 1841 I. M. B. S. 108. — K. 42, 4S
der Bcrord. vom 28. Juni 1844 GS. S. 19«.
II. Jeder zum Prozesse gehörig Legitimirte ist zur Eideszuschiebung berechtigt.
Das Verhältniß der Parteien zu einander macht dabei keine» Unterschied. Es kön
nen daher auch Kinder ihren Älter», Dienstboten ihrer Herrschaft u. s. w. den Eid
zuschieben. Den Bevollmächtigten legitimirt dazu der zur Prozeßführung er
haltene Auftrag. >) Vormünder und Vorsteher von Kirchen und milden Stif
tungen sind, in soweit sie zur Führung des Prozesses überhaupt befugt oder auto-
risirt sind, 2) auch zur Eideszuschiebung berechtigt. Handeln dieselben eigenmächtig,
so macht dies an sich die Eideszuschiebung nicht ungiltig, sondern den Bevollmäch
tigten, Vormund oder Vorsteher nur regreßpflichtig.
EineAusnahme findet statt hinsichtlich der fiskalischen Bedienten. Diese
müssen, wenn sie zur Eideszuschiebung greifen, die ausdrückliche Genehmigung des
jenigen Kollegii beibringen, von welchem sie den Auftrag erhalten haben. — §.256—
259, I. 1« A. G. O.
Wem kann die Eideszuschiebung geschehen, und wie lange findet
dieselbe Statt?
tz. 144. I. Der Eid kann jeder Partei ohne Rücksicht auf ihre sonstige Glaubwürdig
keit zugeschoben werden, mithin auch solche» Parteien, welche wegen begangenen Mein
eids oder andrer Verbrechen für ehrlos oder für unfähig erklärt worden, einen noth-
wendigen Eid zu leisten, da es bei Eides Zu - und Zurückschiebung lediglich auf den
Willen des Gegners ankommt. — Doch wird vorausgesetzt, daß der, welchem der
Antrag geschieht, von der Natur des Eides Kenntniß hat, oder doch ungehindert
erlangen kann. Deshalb darf,
1) wenn eine Partei als wahn - oder blödsinnig, oder als taubstumm unter Vor
mundschaft steht, der Eidesantrag nur an deren Vormund gerichtet werden.
2) Bei Minderjährigen muß
s) der Eidesantrag i» der Regel ebenfalls an den Vormund geschehen, ') na
mentlich sn) dann, wenn die Thatsache, worüber der Eid geleistet werden
soll, so beschaffen ist, daß dem Vormunde der Grund oder Ungrund derselben
aus eigner Wissenschaft bekannt sein kann; t)b) dann, wenn der Minderjäh
rige das achtzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt hat. Dagegen kann
b) der Gegner nach seiner Wahl dem Vormunde oder dem Pflegebefohlenen den
Eid dann antragen, wenn s«) dieser bereits das achtzehnte Jahr überschrit
ten hat, oder wenn Iil>) dies zwar nicht der Fall, dennoch aber entweder
dieser Zeitpunkt schon so nahe ist, daß aus dessen Abwartung kein merklicher
Aufenthalt in der Sache erwachst, oder wenn nach Bewandniß der Umstände,
die streitige Thatsache dem Pflegebefohlenen besser, als dem Vormunde bc-
Offiziolanwältc erlangen de» Auftrag durch die sie zu ordnenden Verfügung,
und bedürfen daher zu Eidcszuschicbungcn ebenfalls keiner bcsondcrn Autorisation.
2) cr. oben z. 1«, S. 23 fg. z. 15, S. 28 fg.
5) Ist dem Bevormundete» zur Prozeßführung ein Litiskurator bestellt; so ist die
ser derjenige, welchem die EidcSzuschiebungcn geschehen. Icur, wenn der Litis-
Eurator nur cl« ißnoraiiti» schwören würde, der Bormund aber ci« v«rit!>t«
schwören kann, muß auf Verlangen des Gegners diesem der zugeschobene und
akzeptirte, oder zurückgeschobene Eid abgenommen werden. — ^f. Res. vom 8.
April 1839 I. M. B. S. 143.
, 23s
kannt sein kann. In diesen Fällen wird, wenn der Gegner den Eid vom
Pflegebefohlenen verlangt, derselbe bis nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre
des Pflegebefohlenen ausgesetzt.- — Hat jedoch der Vormund ein Mal ge
schworen, so kann die nochmalige Leistung dem Pflegebefohlenen niemals ab
gefordert werden.
Das sck s und d Gesagte gilt auch von Diffcssionseiden. — K. 260—265,
143, 284 a. a. O.
3) In Prozessen mit einem Verschwender muß, wenn von einer eignen Hand
lung des Vormundes die Rede ist, allemal diesem die Eideszuschiebung gesche
hen. In andern Fällen steht dem Gegner frei: ob er den Eidesantrag an den
Vormund, oder an den Pflegebefohlenen selbst richten wolle. Doch kann der
Vormund,
») wenn dem Verschwender selbst der Eid zugeschoben wird, und der Vormund
Bedenken trägt, es auf den Eid desselben ankommen zu lassen, die Aufneh
mung der etwa zur Aufklärung der streitigen Thatsache anderweit vorhan
denen Beweismittel verlangen, ohne daß beim Nichtgelingen dieser Beweis
aufnahme das Recht, zum Eide zurückzugehen, verloren geht.
I>) Betrifft der Prozeß Schulden des Verschwenders, die derselbe, es sei vor
oder nach der Prodigalitätserklärung, aus Dahrlehncn oder gegebenem
Kredit gemacht hat, so kann der Pflegebefohlene wider den Willen des
Vormundes zur Leistung eines zugeschobenen Eides nicht gelassen werde».
Doch kann der Gegner verlangen, daß, bevor der Vormund schwört, der
Pflegebefohlene über den Gegenstand des Eides vernommen, und die Aussage
desselben dem Vormunde zu seiner Beherzigung vorgehalten werde. — z. 216
a. a. Q.
4) Sind Kirchen, Schulen, Hospitäler oder andre milde Stiftungen in
den Prozeß verwickelt; so muß der Eidesantrag den Vorstehern geschehen. Kann
von mehren Vorstehern nur einer den Eid aus eigner Wissenschaft leisten; so ist
es genug, wenn nur dieser schwört. Können hingegen mehre oder alle aus eig
ner Wissenschaft (d« voritste) schwören; oder können alle nur ihr Nichtwissen
von der streitigen Thatsache (6e ignorsvtis) eidlich erhärten; so muß der Geg
ner den auswählen, der seiner Meinung nach von der Sache am besten unter
richtet ist; und dieser kann die Eidesleistung unter dem Verwände, daß ein ande
rer bessere Kenntniß davon habe, nicht ablehnen. — K. 267 a. a. O.
5) Wenn Namens des Fiskus in Prozessen ein Eid zu leisten ist, so erfolgt die
Ableistung durch einen Beamten, welcher bei der den Fiskus vertretenden Be
hörde, oder bei einer derselben untergeordneten Behörde angestellt ist.') Die den
Fiskus vertretende Behörde hat die zur Ableistung des Eides nach Lage der
Sache geeigneten Beamten zu bezeichnen, und unter ihnen den zu benennen,
welchen sie zur Ableistung bestimmt; falls aber nur ein zur Eidesleistung ge
eigneter Beamter vorhanden, muß sie solches ausdrücklich bescheinigen. — Wird
Fiskus im Prozesse durch eine Untcrbehörde vertreten; so erfolgt vorstehende Be
zeichnung und Bescheinigung durch die Provinzialbehörde. Ist er durch eine
Zentralbehörde vertreten; so gehen sie von dieser aus.
Die demgemäß eingegangene Erklärung, eventuel auch die Bescheinigung,
wird dem Gegner mitgetheilt. In Betreff jener wird diesem eine präklusi-
vische Frist von vierzehn Tagen gesetzt, damit er allenfalls unter den als ge-
') Das Amt des fiskalischen Bedienten, von welchem die A. G. O. stets spricht,
hat aufgehört. Misbräuchlich wird jedoch in neuerer Seit häufig der Mandatar
des Fiskus fiskalischer Bediente genannt.
2Z3
eignet bezeichneten Beamten einen andern, als den von der Behörde Benann
ten wählt.
Steht durch den fruchtlosen Ablauf der xräklusivischen Frist, oder durch die
Wahl eines andern unter den bezeichneten Beamten, oder durch die Bescheini
gung, daß nur ein geeigneter Beamter vorhanden sei, die Person des Schwö
renden fest, so wird ein Termin zur Eidesleistung angesetzt. Der den Eid Lei
stende schwört übrigens, wenn es nicht etwa seine eigne Handlung betrifft, im
mer nur ijzvvrantis. — Z. 268 a. a. O. — Verordn. vom 28. Juni 1844.
GS. S. 250.
6) Sind Mehre als Mitbcrcchtigte oder Mitvcrpflichtete in den Prozeß
verwickelt; so muß der Eidcsantrag a» fämmtliche Thcilnehmer gerichtet wer
den. Doch hängt es vom Deferentcn ab, den Eid auch nur von einem oder
etlichen Thcilnchmcrn im Namen der übrigen zu verlangen. — 269, I.
1« A. G. O.
7) Soll eine Stadt-, oder Dorfgemeinde, ein Kollegium oder eine andre
Korporation einen Eid leisten; so steht
s) dem Gegner frei, drei bis vier Mitglieder, und unter diesen auch den Syn
dikus des Kollcgii, oder den Stadtschreibcr, wenn es einen Magistrat betrifft,
zur Leistung des Eides aufzufordern. Ist jedoch einer Gemeinde der Eid
über eine thcilbare') Sache zugeschoben, so müssen, wenn der Gegner eS
ausdrücklich verlangt, alle Mitglieder derselben den Eid leisten.
K) Dagegen ist, wenn der Gegner keine Mitglieder zum Eide wählt, resp. sich
nicht erklärt, die Gemeinde, das Kollegium ie. zur Auswahl befugt.?)
Sie muß jedoch die ältesten den Jahren nach, oder die, welche nach den
Umständen die beste Wissenschaft von der Sache haben können, dazu abordnen.
«) Wählt der Gegner solche Mitglieder, denen die wenigste Wissenschaft von der
Sache beiwohnt, und die also den Eid abzuleisten Anstand nehmen, so muß
der Richter die, welche schwören sollen, nach vernünftigem Ermessen von
Amtswcgcn aussuchen. — 270—274 a. a. O.
8) Sollen Hüfner, Kossäten, Handfröhner, Dreschgärtner, Jnlicgcr,
oder andere dergleichen Personen, die keine Gemeinde ausmachen, einen Eid
schwören, und es ist ») von einer untheilbarcn Sache die Rede; so muß die
Ableistung durch drei oder vier aus ihrer Mitte, nach Maasgabe der Bestim
mung unter 7, geschehen. I>) Betrifft aber der Streit eine thcilbare Sache, so
sind sie als Litiskonsorten zu betrachten, und der Eid muß Allen angetragen,
und wenn er angenommen wird, von Allen geleistet werden. — Z. 273 a. a. O.
9) Betrifft der zugeschobene Eid eine zedirte Forderung, und der Zedent assi-
stirt dem Zessionar im Prozesse in Folge Litisdenunziation ; so kann der Gegner
vom Zedenten den Eid dann verlangen, wenn dieser aus eigner Wissen
schaft die fr. Thatsache eidlich erhärten oder ablehnen kann. Schwört der Ze
dent, so kann der Gegner auch noch vom Zessionar die Ableistung des Eide«
«erlangen, und zwar cl« jßnorsnlis, in sofern die zu beschwörende Thatsache
nicht seine eigne Handlung ist, oder er nicht aus eigner Wissenschaft davon un-
') Merkel (im Kommentar zu 8.274, 1.1« A. G. O.) und v. S trombek (Erg.
zu Z. 274 Note) finden im Worte „theilbar" des Z. 274 einen Redaktionsfehler,
und wollen „untheilbar" gelesen wissen. Dazu ist aber gar kein Grund, da im
H. 273, in welchem sie eine Wiederholung dessen finden wollen, nicht von Ge
meinden die Rede ist, und von dein Falle, wenn unthcilbare Sachen Gegenstand
des Streits sind, in den §§. 270 fg. gesprochen wird,
2) In dem Falle, wenn Mitglieder des Magistrats den Eid leisten sollen, hat dann
nicht die Stadtgemeinde, sondern der Magistrat die Auswahl. — Ls. Ref. vom
2. Septbr. 1836. Gr äff, Koch ,c. Erg. III. S. 236.
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terrichtet sein kann. Haben beide, Zedent oder Zessionar, nicht aus eigner
Wissenschaft Kenntniß; so kann der Gegner nur dem Litisdenunzianten (Zessio
nar) den Eid abfordern. — Will Litisdcnunziat nicht assistiren, so kann ihm
kein Eid zugeschoben, er kann allenfalls nur als Zeuge vorgeschlagen werden. —
K. 279 a. a. O. — Z. 22, 24—2« Tit. 17, I. A. G. O. — Res. vom 22.
Mai 1806 R. C. E. r«m Xll. S. 349. Rabe Bd. «, S. 595.
10) In Konkursen finden die Eideszuschiebungcn nur zwischen dem Konkurskura
tor einerseits, und den Schuldnern der Masse oder den Gläubigern derselben
andrerseits statt. Dagegen kann weder ein Schuldner, oder ein Gläubiger dem
Gemeinschuldncr, »och ein Gläubiger dem ander» den Eid antragen. >) Gemein-
schuldncr, Massenschuldncr oder Gläubiger können in Spezial-Prozesscn, in de
nen sie nicht selbst Partei sind, nur als Zeugen namhaft gemacht werden. —
z. 28«—282, I. 10 A. G. O.
II. In der Regel muß der, welcher zum Beweise einer Thatsachc sich der Ei-
deszuschicbung bedienen will, als Kläger es gleich bei Aufnahme der Klage, als
Beklagter es bei deren Beantwortung anzeigen. 2) Doch kann noch jederzeit im
Laufe der Instruktion und selbst im Schlußtermine sowol über neu angebrachte strei
tige Thatsachcn, als über solche Umstände, i» Betreff deren andre Beweismittel be
reits angegeben, oder wohl gar schon aufgenommen worden, der Eid zugeschoben
werden. Im lczten Falle wird aber vorausgesetzt, daß der fr. Umstand nicht durch -
die aufgenommenen Beweismittel bereits «ollständig erwiesen, oder daß dadurch nicht
das Gegentheil desselben völlig ausgcmittelt sei (S. 142, I. Nro. 3 und 4). Eides-
zuschicbungen, welche nach dem Schlußtermin erfolgen, bleiben für diese Instanz un
berücksichtigt. Ausgenommen ist nur der Z. IUI, I. (S. 172) berührte Fall, in
welchem noch die in der Deduktion vorgebrachten neuen Thatsachcn, mithin auch
die in Betreff derselben zugeschobenen Eide Gegenstand der Verhandlung für diese
Instanz werden. — Z. 3s, 286—289» a. a. L.
Erklärung über den zugeschobenen Eid; dessen Annahme, oder Zu
rückschiebung, oder Angabe anderen Beweises.
§. 145. I. Derjenige, welchem ein Eid zugeschoben wird, muß sich und zwar
in der Regel im Termine, in welchem »ach rcgulirtcm Sach- und Streitftand die
vorhandenen Beweismittel mit den Parteien durchgegangen werden (S. 108, S. 183),
darüber erklären:
ob er ihn annehme, oder zurückschiebe, oder ob cr statt des Eides auf
andre Beweismittel sich beruft?
1) Nimmt cr den Eid an, so kann er nach erfolgter Annahme denselben nicht mehr
zurückschieben. Wenn jedoch in dem zur Ableistung anstehenden Termine der
Gegner dem Annehmcr des EidcS Beweismittel, woraus das Gegentheil dessen,
was geschworen werden soll, hervorzugehen scheint, z. B. Urkunden, «der von
Zeugen an Eidcsstatt ausgestellte Atteste«) vorlegt, die den Akzeptanten zwcifcl-
>) Ausnahmen werden jedoch eintreten, wenn zwei Gläubiger in der Appcllations-
instanz mit einander streiten, (K. 173, I. 50 A. G. O.), oder wenn ein Gläu
biger im Prozesse cincs andern Gläubigers als Jntcrvcnicnt auftrit (Z. 127 das,).
2) Es ist zulässig, daß bei Angabe andrer Beweismittel sogleich für dc» Fall, daß
durch diese Beweismittel die streitige Thatsachc nicht festgestellt werden sollte, der
Eid zugeschoben wird. Unzulässig aber ist das Verlangen, daß gleichzeitig der
Beweis durch den Eid und durch andre Beweismittel aufgcnommcn werde.
5) Bringt der Gegner die Zeugen zum Termin, so wird der Jnstruent sie verneh
men, und die Richtigkeit ihrer Aussage an Eidcsstatt versichern lassen müssen.
Bei nicht kollegialischen Gerichten oder da, wo der Kommissarius sclbststandig
erkennt, wird dagegen in diesem Falle der instruirende Richter sogleich prüfen.
23S
Haft machen, ob cr auch den angenommenen Eid mit gutem Gewissen leisten
könne j so hat cr die Befugniß, ihn entweder dem Gegner zurückzuschieben, oder
die Aufnahme der von diesem selbst angezeigten Beweismittel zu verlangen.
2) Schiebt cr den Eid zurück, so muß der, welchem die Aurückschicbung geschieht,
sich über die Akzcptation sofort erklären, und findet deshalb keine Bedenkzeit
statt. Bevollmächtigte müssen daher schon bei der Eideszuschicbung über de»
Fall der Zurückschicbung instruirt werden. Nur findet
») die Zurückschicbung niemals statt, wenn Fiskus seinem Gegner einen Eid
zuschiebt; und
K) wenn einem fiskalischen Beamten (§. 144, I. Nro. ö), desgl. einem Vor
munde, oder dem Vorsteher einer Kirche, Schule, oder andern milden Stif
tung ein Eid cko ignurnntia angetragen worden ist, so muß derselbe, wenn
er ihn zurückschiebt, die ausdrückliche Genehmigung der vorgesetzten Behörde
nachweisen. — Der Konkurskurator bedarf aber zur Zurückschiebung keiner
Autorisation der Konknrsbehörde.
3) Beruft er sich auf andre Beweismittel zur Aufklärung der streitigen Thatsachc,
in Betreff deren der Gegner ihm de» Eid zugeschoben; so müssen dieselben auf»
genommen werden, gleich viel, ob cr diese Beweismittel selbst in Borschlag ge
bracht, oder ob sie der Gegner angegeben hat, aber wieder davon abgegangen
ist. Wenn jedoch der Eid über Umstände zugeschoben worden, von welchen der
jenige, der ihn leisten soll, aus eigner Wissenschast unterrichtet sein kann, und
dieser verlangt, statt den Eid anzunehmen oder zurückzuschieben, die Aufnahme
andrer Beweismittel; so muß eine solche Partei allemal, ohne Rücksicht auf
den Ausfall der Hauptsache, die Kosten dieser Beweisaufnahme allein tragen,
uud sie kann ausserdem später, wenn durch den anderweit aufgenommenen Be
weis die Sache nicht hinlänglich ins Licht gefetzt worden, weder zur Annahme
des dcfenrten und einmal abgelehnten, noch zur Ableistung eines Erfüllungs-
eidcs gelassen werden. — Diese Nachthcile treffen jedoch niemals
s) den Vormund eines Verschwenders, wenn jener Bedenken trägt, es auf den
dem Verschwender selbst zugeschobenen Eid ankommen zu lassen , und die Auf
nahme der zur Aufklärung der streitigen Thatsache anderweit vorhandenen
Beweismittel verlangt;
K) denjenigen, welcher über einen Umstand schwören soll, der ihm nicht au«
eigner Wissenschaft bekannt sein kann; und
e) den, welcher im Falle unter Nro. 1 die Aufnahme der produzirtcn Beweis«
mittel beantragt. — a. a. O. Z. 255, 266, 291, 292, 294—296. — Res.
vom 5. Mai 1S23. Jahrb. 31, S. 274. Grass 2, S. 104.
II. Wenn unter mehren Litiskonsortcn, oder unter mehren Mitgliedern eines
Kollegii, einer Korporation oder Gemeinde einige den zugeschobenen Eid annehmen,
andre aber ihn zurückschieben wollen ; so muß
1) zuförderst darauf gesehen werden, ob nur der zugeschobene, oder nur der zu
rückgeschobene Eid 6e veritst« geschworen werden kann. In diesem Fall wird
derjenige Theil zum Eide gelassen, welcher denselben aus eigner Kenntniß und
Wissenschaft ableisten kann.
2) Können aber beide <Z« v«rit»te, oder beide nur ei« ignoranti» schwören; so
wird die Eidesabnahmc ausgesetzt, und dem künftigen Erkenntnisse die Bestim
mung: welche Partei schwören soll? vorbehalten. Damit der Richter hierüber
einen zweckmässigen Schluß fassen könne, müssen diejenigen Mitglieder, welche den
und entscheiden müssen, ob die Aufnahme des Zeugcnbeweiscs und somit die so
fortige Vereidung der Zeugen zulässig.
236
Eid zurückschieben wollen, über die Ursache der Zurückschiebung vernommen wer
den. Demnächst aber wird nach den unten im 155, III. enthaltenen Bor
schriften weiter verfahren. — Z. 293, I. 1» A. G. O.
Vom Widerruf zugeschobener oder zurückgeschobener Eide,
und vom Erlaß derselben.
K. 146. I. Ein zugeschobener Eid kann nach erfolgter Annahme ') nicht mehr
widerrufen werden. Ausnahmen sind folgende:
t. Wenn der Defcrent, statt des bereits angenommenen Eides vor oder im
Schwörungstermin selbst Beweismittel, woraus das Gegentheil dessen, was
beschworen werden soll, hervorzugehen scheint, es seien Urkunden, oder von Zeugen
an Eidesstatt ausgestellte Atteste, beibringt, so müssen dieselben dem Gegner vor
gelegt werden. Sollte nun
^. die Abnahme des Eides im Laufe der Instruktion erfolgen, und der, welcher zu
schwören hat, besteht dennoch auf Abnahme, so wird diese ausgesetzt, die Lage
der Sache dem Kollegio vom Dezernenten vorgetragen und bestimmt: ob mit
Aufnahme der Beweismittel oder mit Ableistung des Eides zu verfahren sei.
Wird das Erste verfügt, und es ergibt sich in der Folge, s) daß das Gegentheil
von dem, was beschworen werden sollte, durch die Beweismittel gar nicht
ausgemittelt worden; so kann der Deferent auf die einmal zurückgenommene
Eideszuschiebung nicht wieder antragen. Vielmehr muß er im künftigen Uttel,
ausser dem Ersatz der Kosten, mit nachdrüklicher Geld - oder im Unvermögens
falle, mit verhältnißmässiger Gefcmgnißstrafe belegt werden. — b) Ist hingegen
durch den nachgebrachten Beweis das Gegentheil dessen, was der den Eid An
nehmende beschwören wollte, vollständig ausgemittelt; so muß nach Beschaf
fenheit der Umstände, und je nachdem dieser von dem, was er beschwören wollte,
aus eigner Wissenschaft unterrichtet sein konnte, oder nicht, geprüft werden: ob
gegen denfelben die Einleitung der Krim. Untersuchung wegen versuchten Mein
eides zu beantragen sei. e) Ist durch die nachgebrachten Beweismittel die Tat
sache, welche beschworen werde» sollte, nur zum Theil ausgemittelt; so hängt
es von richterlicher Beurthcilung ab : welcher von beiden Parteien noch ein noth-
wendiger Eid aufzulegen fei.
S. Handelt es sich aber um Ableistung eines zwar zugeschobenen, jedoch in Folge
der Bestimmung Z. 148, I. durch rechtskräftiges Urtel ausgesprochenen Eides;
so muß, wenn nach Vorlegung dieser Beweismittel der Akzeptant den Eid dennoch
leisten will, derselbe, nach wiederholter Vermahnung und Vorhaltung des Akzep
tanten, abgenommen werden. Doch bleibt dem Gegner die nähere Begründung
des Antrags auf Untersuchung wegen Meineids vorbehalten. — Will aber der
Akzeptant den Eid nicht leisten, weil die produzirtcn Beweismittel i» ihm Zwei
fel und Bedenklichkeiten aufgeregt haben; so steht ihm frei, den Eid noch zu
rückzuschieben.
Ausserdem kann sowol ein zu - als ein zurückgeschobener Eid nach erfolgt«
Annahme widerrufen werden:
2. wenn die den Eid zuschiebende Partei nachher in Erfahrung bringt, daß
ihr Gegner für ehrlos, oder einen nothwendigcn Eid zu schwören, für unfähig er
klärt worden ist;
') Vor der Annahme ist der Widerruf jederzeit zulässig, und die statt desselben an
gegebenen Beweismittel werden aufgenommen. Nach erfolgter Annahme wird
(in sofern kein Ausnahmefall vorliegt) der Widerruf dann berücksichtigt, w«m
er die Natur des Erlasses hat. Die Sache liegt dann so, als wenn der Civ
wirklich geleistet wäre.
237
3. wenn ihr Gegner zu den Personen gehört, welche nach §. 137, l. Nro 5,
(S. 223) ihres Glaubensbekenntnisses wegen davon dispcnsirt sind, den Eid nach
gewöhnlichem Gerichtsgebrauche zu leisten, und der Zuschiebende zur Zeit der Eides«
zuschicbung davon keine Wissenschaft hatte;
4. wenn der Gegner vor der Annahme verstorben, und die Erben den Eid
annehmen. ')
In diesen Fällen st—4) muß der Widerrufende, sobald dergleichen Umstände
zu seiner Kenntniß gelangen, den Widerruf und die Gründe anzeigen, und die
etwa statt des Eides gewählten Beweismittel gehörig bezeichnen.
Derjenige, welcher einen zurückgeschobenen Eid aus den unter Nro. 2—4 an
geführten Gründen widerruft, kann sich nicht mehr zur eignen Ableistung desselben
erbieten. Er kann nur die Aufnahme der statt desselben bezeichneten Beweismittel
»erlangen, ohne jedoch die K. 14S, I. Nro. 3 erwähnten Nachtheile besorgen zu dür
fen. — §. 298, 301, 3«3 a. a. O.
II. Ist ein Eid einmal widerrufen, und sind andre Beweismittel zur Aufklä
rung der streitigen Thatsache angegeben worden; so findet nach deren Aufnahme
die Eideszuschiebung nicht weiter statt. Dem Richter bleibt überlassen, ob er im
Urtel zur mehren Aufklärung und Überzeugung noch dem einen oder andern Theil
einen Eid auflegen wolle. — §. 302 a. a. O.
III. Einen angenommenen Eid zu erlassen, oder für geschworen anzunehmen,
sind nur solche Parteien berechtigt, denen über den streitigen Gegenstand die sreie
Verfügung zukommt. Bevollmächtigte bedürfen dazu einer Spezialvollmacht; Vor
münder, Vorsteher, Vertreter des Fiskus zc. müssen mit der ausdrüklichen Geneh
migung ihrer vorgesetzten Behörde versehen sein. — K. 285 a. a. O. — A. L. R.
I. 13, §. 99 u. Anh. §. 44.
Normirung des zu- oder zurückgeschobenen Eides überhaupt,
und des Jgnoranzeides insbesondre.
g. 147. I. Die Formel des abzuleistenden Eides muß vom Jnstruenten mit
Zuziehung der Rechtsbeistände entworfen werden. Er muß sich dabei zwar im We
sentlichen nach der geschehenen Zuschicbung richten, auf unerhebliche, zur Sache nicht
gehörige Nebenumständc aber, welche vom Zuschiebenden etwa mit eingemengt wor
den sind, keine Rücksicht nehmen. Dabei muß jeder unanständige, die Ehrbarkeit
beleidigende, oder zum Gcspötte Anlaß gebende Ausdruck, sorgfältig vermieden wer
den. In Fällen, wo es auf dcrgl. Äusserungen ankommt, sind daher die Eidesfor
meln beziehungsweise auf die vor der Ableistung dem Schwörenden bekannt gemach
ten Gegenstände zu richten. — §. 304 u. Anh. Z. 89 das.
II. Wird Jemandem der Eid über eine Thatfache zugeschoben, wovon er aus
eigner Wissenschaft nicht unterrichtet sein kann, wie dies z. B. beim Konkurskura
tor, dem Vormunde, dem fiskalischen Beamten, dem Zessionar u. s. w. in der Re
gel der Fall ist; so darf er den Eid nur über das Nichtwissen der vom Gegner
behaupteten Thatfache (äe ignoranti«) leisten. 2) Doch kann er, wenn er will,
1) Hier ist jedoch nur der Fall zu verstehen, wenn die Zuschiebung dem Erblasser ge
schah, und die Erben den Eid akzeptirten, bevor der Gegner die Eideszuschie
bung zurücknahm. Hat dieser nach dem Tode des Erblassers die Eideszuschie
bung an die Erben bereits ausdrüklich ausgesprochen, so kann er nach Akzepta-
tion Seitens der Erben den Eid nicht zurücknehmen.
2) Ist der Jgnoranzeid abgeleistet, so kann in demselben Prozesse dennoch ander
weitiger Beweis in Betreff derselben Thatfache geführt werden, da nur das
Nichtwissen beschworen, und das Gegcntheil der gegnerischen Behauptung nicht
wirklich bewiesen ist, sondern nur mittelst Fiction angenommen wird.
S38
auch die Richtigkeit der vo» ihm selbst behaupteten Thatsache (<1c vcrltsle) be
schwören. — Der Jgnoranzeid ist
g) wenn die Unrichtigkeit einer Thatsache ausgemittct werden soll, dahin zu normirc» :
daß der Schwörende, der von ihm angewendete» Bemühun
gen ungeachtet, nicht erfahren habe, und also nicht wisse,
daß u. s. w.
K) wenn die Richtigkeit einer Thatsache ausgcmittelt werden soll, dahin :
daß der Schwörende, der von ihm angewendeten Bemühun
gen ungeachtet, ausser den zu den Akten angezeigten, oder
in denselben ausgemittcltcn Umständen nichts wisse, wo
durch seine Behauptung widerlegt würde, welche dahin geht,
daß u. s. w.
Der den Jgnoranzeid Leistende muß daher im Lauft des Prozesses Alles, was
ihm von dieser Thatsache bewußt ist, angegeben haben. Der Jnstruent muß ihm
ferner vor der Eidesleistung Alles, was über die streitige Thatsache in den Akten
bisher schon vorgekommen ist, vorhalten, ihn befragen: ob er sich auch Behufs Ein
ziehung der nöthigen Nachrichten gehörig bemüht habe; z. B. ob er die zum Gute
gehörigen Urkunden und Rechnungen, die Briefschaften feines Erblassers :c. darüber
nachgesehn, bei Personen, die seines Dafürhaltens Wissenschaft haben können, des
halb Erkundigung eingezogen habe :c. — Z. 312, 313, 263, 283 a. a. O. — S. 5
des Ges. vom 28. Juni 1344, GS. S. 2s«. — Res. vom 22. Mai 1806. N. E.
S. lom. XII. S. 349. — Rabe Bd. 8, S. 595. — Res. vom 25. Mai 1820.
Jahrb. 15, S. 269. G raff 2, S. 105.
') Z. B. Beklagter räumt die eingeklagte Forderung ein , setzt derselben aber den
Einwand eines stillschweigend geschehenen Erlasses entgegen, und schiebt über die
Thatsache, woraus der Erlaß gefolgert werden soll, den Eid zu; Klaget läugnct
. diese Thatsache, behauptet aber zugleich, daß, wenn sie auch richtig wäre,
daraus rechtlich kein Erlaß gefolgert werden könne. Der Jnstruent wird hier
die bestimmte Erklärung des Klägers : daß und wie er de» Eid allenfalls leisten
wolle, zu Protokoll nehmen, die Instruktion abschliessen, und die Eidesleistung
aussetzen müssen. - §. S07, I. 1« A. G. O.
S3S
so beschaffen, daß die weitere Einleitung und Fortsetzung der Instruktion von der
Erörterung desselben abhängt, z. B. der Beklagte bestreitet die zum Grunde der
Klage angeführte» Thatsachcn, und setzt nur auf den Fall, daß diese dargethan
werden sollten, den Einwand des stillschweigenden Erlasses entgegen; es hängt also
davon: ob durch den deferirten Eid die Richtigkeit des Einwandcs dargethan werde
oder nicht? die Bestimmung ab: in wiefern die Thatsachcn, auf welchen die Klage
beruht, zu instruiren sein werden, oder uncrörtcrt gelassen werden können; — so muß,
1) wenn der Prozeß bei einem nicht kollcgialischcn Unterricht schwebt, beim Mangel
einer Vereinigung der Parteien über den streitigen Punkt, die Entscheidung in
Betreff des streitigen Eides bis zum Erkenntniß ausgesetzt, inzwischen aber mit
Aufnahme der übrigen Instruktion verfahren werden.
2) Schwebt der Prozeß bei einem kollegialischen Gericht, so muß der Jnftrucnt nach
Aufnahme der bestimmten Erklärungen der Parteien: ob und wie der Eid al
lenfalls geschworen werden könne, oder solle, die Akten zum Vortrag einreichen.
Findet auf Vortrag des Dezernenten das Kollegium bei reiflicher Erwägung al
ler Umstände,
») daß die Instruktion, welche auf den Fall nöthig sei» würde, wenn der durch
den Eid auszumittelnde Umstand vor der Hand unerörtcrt bliebe, ohne be
sonderen Zeit- und Kostenaufwand bewerkstelligt werden könnte, z. B. wenn
im angegebenen Beispiele die zum Grunde der Klage liegende Thatsache durch
Abhörung der an Ort und Stelle gegenwärtigen Zeugen sofort ins Licht ge
setzt werden kann; — so muß die Fortsetzung der Instruktion verfügt, und
der Punkt wegen des Eides dem künftigen Erkenntnisse vorbehalten werden.
b) Findet sich aber, daß die Aussetzung des Eides eine sehr weitläufige und
kostbare Instruktion nöthig machen würde, welche ganz vermieden werden
kann, wenn die Thatsachc, worüber der Eid zugeschoben ist, richtig wäre;
so muß der unter den Parteien über den Eid entstandene Streit durch einen
Beschluß des Kollegii entschieden werden, und bei diesem Beschlüsse muß es
für die gegenwärtige Instanz schlechterdings bewenden. Doch bleibt dem
erkennenden Richter dieser und der folgenden Instanzen sein pflichtmässigcr
Befund darüber: in wiefern die Thatfache und der darüber geleistete Eid
erheblich sei oder nicht, und was daraus rechtlich folge? unverschränkt. —
8. 30S-303, I. 1« A. G. O.
') Das Res. vom 1. Oktober 1819 (Jahrb. 14, S. 205), welches diese Stimme
des Anwesenden mit gezählt wissen wollte, ist durch die Eab.-Orv. vom 19. Juki
IM beseitigt.
») S. B. bei einem Kollegio von 1ö Mitgliedern, mit Einschluß des Vorsitzende«
stimmen
3 für 40 Thlr.v
4« für
für 5«
6« Thlr.N
Thlr. I ^"lmienre
. ,c.,
3 für 7« Thlr./
so trit Stimmenmehrheit für 60 Thlr. ein. Stimme» aber
3 für 4« Thlr.v
46 für
für «1
5« Thlr.
Thlr. K> ^.^mente „
:c.,.
3 für 7« Thlr./
so bilden die für 50 Thlr. Stimmenden mit Hinzutrit der für 4« Thlr. Voti,
renden die Stimmenmehrheit. Votircn
2 für 4« Thlr.v
64 für
für 50
6« Thlr.
Thlr. »g "umenk. ,c.,.
4 für 7« Thlr./
so gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, sobald die für 40 Thlr.
Stimmenden den für 5V Thlr. Botircndcn, und die für 70 Thlr. Stimmenden
den für HO Thlr. Vetivcnden hinzugetreten sind.
268
hat demzufolge eine überwiegende Stimme. Im Urtel Muß jedoch der Grund, warum
das Gericht als nicht kollegialisches gesprochen hat, erwähnt werden. — Z. St, 36,
40, 43, Tit. 13, I. A. G. O. — Cab.-Ord. vom 19. Juli 1832, z. 5 GS. S.
192. — Res. vom 12. December 184« I. M. B. 1841 S. 18. — Res. vom 29.
März 1819. Mannkopf A. G. O. 1 S. 569. — Cab.-Ord. vom 1«. Novmbr.
183S GS. S. 232. - Res. vom 22. Juli 1815. Jahrb. 6, S. 14. Gräff3, S.2«.
Ausdehnung des Beschlusses auf Zinsen, Nutzungen, Schäden,
Kosten und Strafen.
Z. 17«. I. Sind Zinsen von einem gewissen Zeitpunkte ab, und bis zu einem
bestimmten Termin ausdrücklich gefordert; so muß der Beschluß des erkennenden
Gerichts auf die verlangten Zinsen beschränkt werden. Dagegen muß in Fällen, in
denen Zinsen nicht ausdrücklich eingeklagt worden, von Amtswegen auf Zinsen
vom eingeklagten Kapital erkannt werden, ') wenn ein gesetzlicher Grund zur Zin
senforderung obwaltet, vorausgesetzt, daß auf die Zinsen von der berechtigten Par
tei nicht ausdrücklich verzichtet wird. Ein Grund zur Zinscnforderung aber liegt vor,
1) wenn solche schriftlich stipulirt sind; — 729, Tit. 11, Th. I. A. L. R.
2) wegen verzögerter Zahlung einer Summe. Hier laufen Zögerungszinsen von dem
durch Gesetz oder Willenserklärung bestimmten Zahlungstage. — Z. 67, Tit. 16
a. a. O.
3) Die aus unerlaubten Handlungen zu zahlenden Entschädigungssummen müssen
vom Tage des ergangenen Urtels verzinst werden. — Z. 66 a. a. O. und
4) Wenn weder ein Zahlungstag bestimmt, noch aussergerichtliche Aufforderung nach
gewiesen ist, laufen die Zögerungszinsen bei andern als unter 3 erwähnten Sum-
, men vom Tage der dem Schuldner geschehenen Behändigung der Klage des
Gläubigers. — z. 71 a. a. O. — K. 58, Tit. 23, I. A. G. O.
II. Wird eine Sache oder ein Inbegriff von Sachen oder Rechten
eingeklagt, und es ist wegen der Nutzungen oder Früchte derselben kein Antrag
gemacht; so kann das Erkenntniß nur auf die von den eingeklagten Sachen oder
Rechten noch nicht abgesonderten Früchte und Nutzungen ausgedehnt werden. Klagt
aber Jemand mit der Hauptsache zugleich eine Quantität oder Summe schon ge
zogener Nutzungen oder Früchte ein; oder verlangt Kläger zugleich die Verurthei-
lung des Beklagten zur Herausgabe der für die vergangene Zeit gezogenen Nutzun
gen; so wird der Umstand: ob dergleichen Punkte mit zur Instruktion zu ziehen,
nach Z. 52, II. (S. 1«t) beurtheilt; und in sofern darnach die Instruktion darauf
ausgedehnt worden, muß demnächst auch darüber erkannt werden. — Wird auf
Rechnungslegung über gezogene Früchte oder Nutzungen erkannt; so gehört die
Rechnungslegung selbst zum besonder» Verfahren, wovon später die Rede sein wird. —
z. 63, 64, Tit. 23 a. a. O.
III. Soll Jemanden eine Entschädigung zugesprochen werden; so muß er
deshalb immer Anträge formirt haben. In der Regel sind dazu Klageanträge nö-
thig. Wenn jedoch einer Partei aus Gelegenheit des Prozesses, und einer darin
vorfallenden Handlung oder Unterlassung des Gegners, z. B. wegen verursachten,
unnützen Aufenthalts und Verzugs der Sache, wegen Versäumniß im Gewerbe, Ver
schlechterung des Klageobjekts zc. Schäden (eigentliche Prozeßschäden) entstanden
sind, so muß er
") Als Regel gilt, daß niemals über das Petitum hinaus erkannt werden könne.
In Betreff der Zinsen gilt die vorstehend bemerkte Ausnahme. — In dem Falle,
wenn Jemand zum nothwendigen Eid »erstattet werden will, und der Richter
schon ohne Eid die Behauptung desselben für erwiesen hält, und demnach er
kennt, ist von einem Erkenntnisse über das Petitum hinaus nicht die Rede. —
Erk. des Geh. Ob.-Trib. vom 6. April 1818. Simon R. Spr. 3, S. «7.
sss
s) entweder vor Abschluß der Sache d!e Schadenssumme liquidiren, und sowol die
Existenz als den Betrag des Schaden« bescheinigen. Der Gegner wird sodann
darüber summarisch gehört, und über die Schadensliquidation wird Im Haupt
erkenntnisse demnächst mit entschieden; oder, wenn er die Liquidation vor Ab
fassung desselben unterlassen ist, muß er es
d) noch innerhalb 4 Wochen nach, Publikation des Erkenntnisses thun z wonächst die
Festsetzung durch eine Resolution erfolgt. — §. 59—61 a. a. O. §. 4, Tit. 10
a. a. O.
IV. Auch darüber, welche Partei, und in wie weit sie die Kosten des Pro
zesses zu tragen, >) und dem Gegner zu erstatten habe, muß Beschluß gefaßt und
im Urtel bestimmt werden. Als Grundsatz gilt dabei:
daß der, welcher in der Hauptsache unterliegt, jedesmal auch
die Gerichtskosten tragen, und dem Gegner die Kosten er
statten müsse.?)
Diesem Grundsatz gemäß müssen daher auch, wenn
s) Kläger mehr fordert, als ihm gebührt und zuerkannt wird, oder wenn er die
Sache oder Summe früher, «der an einem andern Orte, als wo sie ihm wirk
lich zukommt (plus polili«), verlangt, und er daher zumTheil unterliegt; oder
d) wenn ein Prozeß aus mehren Punkten, oder aus Forderungen und Gegenforde
rungen besteht, und bei einigen derselben für den Kläger, bei andern für den
Beklagten erkannt wird;
die Kosten nach Bcrhältniß der abgewiesenen und rcsp. zugesprochenen Gegenstände,
und der bei dem Einen oder Andern mehr oder minder weitläufigen oder kostspieli
gen Instruktion unter beide Thcile vertheilt werden. ^) Ist jenes Bcrhältniß in
Bezug auf beide Theile gleich ; so erfolgt Kostenkompcnsation, d. h., jeder Theil trägt
seine eignen Kosten, ohne vom Gegner irgend Erstattung verlangen zu können; so wie
die durch ihn verursachten Gerichtskosten; und die Jnstruktions-, Urtels- und ähnliche
auf Veranlassung beider Theile zugleich erwachsene Kosten und Auslagen werden
unter sie gleich getheilt. — Von obiger Regel finden folgende Ausnahmen statt:
i) Das erste Erkenntniß gilt in Betreff der gerichtlichen Kosten als Irtterimistieum,
so daß das Gericht auf Grund desselben so lange mit Einziehung seiner Kosten
«erfahren kann, bis eine anderweite Entscheidung ergeht. Dagegen kann eine
Partei auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen Erkenntnisses nicht Erstattung
seiner Kosten und Auslagen fordern. — 55 Z. 134, Anh. A. G. O. — Res.
vom 31. Oktober 1825, vom 22. April 1831 und 28. Juli 1836. Jahrb. 26,
S. 259. 37, S. 346. 48, S. 2ö«. Grafs 2, S. 259. 5, S. 32.
«) Die Verpflichtung zur Erstattung der Mandatariengebühren wird im Urtel nicht
besonders ausgesprochen. Sic stützt sich auf die im Urtel in Betreff der Kosten
tragung im Allgemeinen ausgesprochene Bestimmung. In wie weit jedoch, trotz
der Verpflichtung zur Kostentragung, eine Partei dennoch die Mandatarienge
bühren dem Gegner nicht erstatten darf, ist bereits g. 40, S. 79 angedeutet.
») Mit Rücksicht darauf können Drittheile, Viertheile, Fünftheile u. f. w. der Ko
sten aufgelegt werden. Findet aber demnächst derjenige, welchem der kleinere
Theil der Kosten aufgelegt worden, daß er z. B. um deshalb, weil der Gegner
sehr viele aussergcrichtliche Kosten gehabt hat, keinen Vortheil, sondern nur Nach-
thcil haben würde, so kann er verlangen, daß nur die eigentlichen Gerichtsko
sten mit Ausnahme der aussergerichtlichen, oder auch nur die Jnstruktions- und
Urtelsgebühren , mit Weglassung aller übrigen Kosten, zusammengerechnet, und
erkanntermassen vertheilt werden. — Lf. §. 4, Tit. 23, 1. A. G. O. — Res.
vom 1V. März 1834. Rabe Bd. 2, S. 604.
«) Dahin gehören z. B. Kommissionsgebühren, die Kosten der Beweisaufnahme,
Gebühren der Zeugen und Sachverständigen u. s. w. — Res. vom 4. Mai 1318
und vom 5. Oktober 183«. Jahrb. 11, S. 21«. 36, S. 208. Gräff Z, S.
14S. 6, S. 294. " '
S70
1) Kompensation der Kosten trit ein, obwol der eine Theil ganz unterliegt, s) wenn
die Thatsache, aus welcher Jemand belangt wird, nicht sein eignes, sondern das
Faktum eines Dritten z. B. des Erblassers ist, und sich bei der Untersuchung
findet, daß Beklagter nicht eher, als bei eben dieser Untersuchung, sich von der
Richtigkeit der Angaben des Klägers zu überzeugen, Gelegenheit gehabt habe; —
d) wenn der Klager aus einer an sich richtigen Thatsache geklagt hat, und nur
auf Grund einer Einwendung abgewiesen wird, die aus Handlungen eines Drit
ten beruht; in sofern nemlich bei der Untersuchung sich ergeben hat, daß der
Kläger von der Richtigkeit dieser vom Beklagten angeführten fremden Thatsache
sich^ nicht füglich anders, als durch eben diese Untersuchung, hat überzeugen kön
nen; — e) wenn bei der Instruktion der Sache der Grund oder Ungrund einer
Thatsache nicht vollständig hat ausgemittelt werden können, und daher auf einen
Erfüllungs- oder Rcinigungseid erkannt wird. Hier muß für den Schwörungs-
fall die Kostenkompensation ausgesprochen werden; wogegen für den Nichtschwö-
rungsfall dem die Eidesleistung Weigernden die Kosten aufzulegen sind. Doch
trit auch im Falle unter c Kostenkompcnsation nicht ein , vielmehr muß im
Schwörungsfalle der andre Theil die Kosten tragen, resp. dem Schwörenden
erstatten, ss) wenn dieser ein Kaufmann ist, und die Richtigkeit seiner Hsnd-
lungsbücher eidlich bestärkt; bd) wenn die Thatsache, über welche geschworen
wird, so beschaffen ist, daß der Gegner vom Grunde oder Ungrunde derselben, aus
eigner Wissenschaft hat unterrichtet sein können. — Z. 41, Tit. 13. §. 1—4,
Tit. 23, I. A. G. O. — Res. vom 4. Mai 1818. Jahrb. 11, S. 21«.
2) Obwol eine Partei ganz oder theilweise ein obsiegliches Urtel erlangt, muH sie
gewisse Kosten allein tragen, resp. erstatten. Demgemäß muß s) Kläger, wenn
Beklagter gleich zu Anfange des Prozesses und in der Antwort auf die Klage
von der Forderung des Klägers so viel eingeräumt hat, als diesem nachher zu
erkannt wird, dieser sich aber damit nicht begnügen, sondern den Prozeß wegen
des Mehrgeforderten fortsetzen wollte, die durch die Fortsetzung der Instruktion
erwachsenen Kosten tragen und erstatten. — K) Wenn dem Kläger oder Beklag
ten beim Versuch der Sühne vom Gegner, oder mit dessen Zustimmung vom
Deputirten gewisse Vergleichsbedingungc» offerirt worden sind, er aber dieselben
nicht hat annehmen wollen, und bei Entscheidung nur eben so oder »och nach
theiliger für ihn erkannt wird; so muß er in der Regel die nach dem Vergleichs
vorschlage erwachsenen Kosten, tragen und erstatten. (65, jedoch Z. 159, IX.) —
c) In allen Fällen, in welchen ein ins Hypothekenbuch des Fideikommisses
nicht eingetragenes Familienmitglied seinen Anspruch auf das Fideikommiß durch
eine besondere Legitimation nachweisen muß, ist dasselbe schuldig, auch wenn es
in der Hauptsache ein obsiegliches Urtel erhält, alle durch diese Legitimationsfüh
rung verursachten Kosten allein zu tragen. — <Z) Wenn eine Partei aus Leicht
sinn od« aus vorsätzlicher Zurückhaltung die zu ihren Gunsten sprechenden Tat
sachen oder Beweismittel so spät anbringt, daß deshalb besondre Verhandlungen
nöthig werden, die, wenn sie früher angebracht worden, vermieden werden konn
ten, so muß sie die dadurch entstandenen Mehrkosten jedenfalls tragen und erstatte». —
e) Gleiches gilt in Betreff der Kosten, welche durch Aufnahme des Beweises ge
gen die angebotene Diffession (Z. 125, S. 204); oder Behufs Feststellung der
gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen gemachten Einwendungen (Z. 141, I.) ent
standen, sind, wenn sich findet, daß eine Partei ohne Grund auf dieser Bewcis-
ausnal)ckö und Verhandlung bestanden hat. — f) Wenn Jemand ein früher ab
gegebenes Geftändniß widerruft;, so muß er alle durch Instruktion dieses Wider
rufs, entstandenen Kosten tragen und erstatten. — Endlich muß der, welcher
sich frevelhaftsn Läugnens schuldig macht, die Kosten der, hinsichtlich dn ftevent-.
S71
uch abgeläugnetcn Thatsache nöthig gewordene» Instruktion, und des darüber
aufgenommene» Beweises jedenfalls tragen. — K. 5 u. 52, Tit. 23, §. 4, 10,
14, 2? d, 156, 2Z6, «it. 1« a. a. O. — §. 70, Tit. 4, II. A. L. R.
V. Auf Strafen muß der im Zivilprozcß erkennende Richter zugleich dann
sprechen, wenn sie a) reine Prozcßstrafen sind, oder K) wenn bei Gelegenheit des
Geschäfts, aus welchem der Rechtsstreit entstanden ist, eine Partei sich eines ge
meinen Betrugs schuldig gemacht hat, und dieser bei Instruktion der Hauptsache
hinlänglich ausgcmittelt ist. Andre Strafen setzen eine besondre Untersuchung und
besonderes Erkenntniß voraus. Der Prozcßrichtcr muß daher, wenn er bei Gele
genheit des Prozesses das Vorhandensein eines Verbrechens, z. B. eines unter er
schwerenden Umständen verübten Betruges wahrnimmt, von Amtswcgen die
Einleitung der Untersuchung herbeiführen.
Die Prozcßstrafen können fein Sukkumbenzstrafen und Strafen des fre
velhaften Läugnens (poenso temer.irii lilißii «l, inlieislionis). Jene wer
den in erster Instanz niemals ausgesprochen. — Die letzteren Strafen treffen
1) den, welcher eine Forderung oder Einwendung auf Thatsachcn bauet, deren Un-
grund und Unrichtigkeit ihm bekannt ist;
2) den, welcher eine vom Gegner angegebene Thatsache wider seine eigne Wissen
schaft und Überzeugung in Abrede stellt;
3) den, welcher gegen den instruirendcn Richter mit seiner Wissenschaft vom Her
gange oder von der Bewandniß einer Thatsache, oder von den zur Ausklärung
derselben vorhandenen Beweismitteln, aus die darüber an ihn erlassenen Fragen
unter dem Vonvande, daß ihm Nichts bekannt sei, vorsätzlich zurückhält;
4) dm, welcher sonst, mit Vorbedacht und Überlegung, die Wahrheit zu verdunkeln,
oder deren Ausmittelung auf irgend eine Art zu verhindern, oder zu erschweren,
sich bcigehen läßt.
Diese Strafen des frevelhaften Läugnens bestehen ausser dem Kostenersatze aus
folgendem :
^. wenn Jemand eine vom Gegner angeführte Thatsache, worauf selbiger
einen Anspruch oder Einwand gegründet hat, vorsätzlich läugnct, und diese That
sache wird hiernächst bei der Untersuchung dargethan; so soll derselbe mit seinen
Einwendungen oder Erinneningen dagegen, die er etwa nachher in den weiteren
Instanzen anbringen wollte, nicht gehört werden. Wer also z. B. ein wider ihn
eingeklagtes Dahrlehn erhalten zu haben läugnet, dessen aber bei der Instruktion
I. Instanz überführt wird, foll, wenn er demnächst vom Urtel appellirt und den
Einwand der Zahlung vorschützen will, damit weiter kein rechtliches Gehör finden.
Hat Jemand eine solche Thatsache gcläugnet; zugleich aber derselbe event.
einen Einwand oder eine Erwiderung entgegengesetzt; und es findet sich bei der Un
tersuchung, daß sowol die gelaugncte Thatsache wahr, als der Einwand oder die
Erwiderung gegründet sei; so muß zwar in der Hauptfache nach der wahren Lage
derselben erkannt, der oder die des frevelhaften Läugnens schuldigen Parteien müs
sen aber gemäß der Vorschrift 0 bestraft werden. Z. B. Beklagter läugnct das ge
gen ihn eingeklagte Dahrlehn, und setzt everit. den Einwand der Kompensation ent
gegen; bei der Untersuchung findet sich aber, daß Beides, das Darlehn und die Ge
genforderungen richtig sind. Dann muß in der Hauptsache Kläger abgewiesen, und
wegeir vorsätzlichen Abläugnens des Darlehnsempfanges gemäß v gestraft werden.
Dasselbe müßte stattfinden in Ansehung des Klägers, wenn er sich bei der Kompen
sationsforderung auch dergl. frevelhaften Läugnens schuldig gemacht hätte,
K. Wenn Jemand einen Anspruch oder Einwand auf eine unwahre oder un
gegründete Thatsache wissentlich gebaut hat; so wird er nach ausgemitteltem Un-
gnmd? dieser Thatsache des Rechts oder Einwandes selbst verlustig z gesetzt auch.
S7S
baß er sie nachher aus einem andern Fundamente herzuleiten oder zu unterstützen
bereit wäre.
L. Wenn Jemand seine Wissenschaft von einer Thatsoche oder einem Beweis
mittel vorsätzlich zurückhält; so soll im ganzen Verfolg der Sache auf diese That-
fache oder Beweismittel, zu seinem Vortheile, keine Rücksicht genommen werden.
V. Wenn in einem der vorstehenden Fälle die darauf geordneten Strafen nach
Lage der Sache keine Anwendung finden können; oder auch, wenn eine Partei sich
hat beigehen lassen, auf irgend eine andre Art die Ausmittelung der Wahrheit zu
verhindern oder zu erschweren; so soll dieselbe, ausser dem Kosten- und Schadens
ersatz an den Gegner, nach Beschaffenheit der Umstände und des Grades der Mora-
litöt mit 10 bis IVO Thlr. Geld- oder mit verhältnißmässigcr Freiheitsstrafe be
straft werden.
L. Wer sich des frevelhaften Läugnens oder vorsätzlicher Unwahrheiten im
Gericht einmal schuldig gemacht hat; sott sowol in diesem als in allen nachherigen
Prozessen unfähig sein, zur Ableistung eines nothwendigen Eides, so weit als der
selbe zu seinem Bortheile gereichen würde, verstattet zu werden. Diese Unfähig
keit muß im Erkenntnisse ausgesprochen, und dies den beim Gericht fungirenden
Justizkommissarim, so wie, falls die Partei auch bei einem andern Gericht ihren
ordentlichen Gerichtsstand haben sollte, diesem andern Gericht bekannt gemacht wer
den. — Überdies soll über die zur Ableistung nothwendiger Eide für unfähig Er
klärten bei jedem Gericht ein alphabetisches Berzeichniß, unter dem Namen „schwar
zes Register" geführt, und in dasselbe, nachdem eine solche Unfähigkeit rechtskräftig
ausgesprochen, dies eingetragen werden. Auch ist davon demjenigen Gerichte Kenntniß
zu geben, welches in den Rechtsangelcgenheitcn einer solchen Partei nach dem ge
wöhnlichen Zuge in den höheren Instanzen zu erkennen hat.
Damit aber Niemand gegen Anwendung vorstehender Strafen sich mit Unwis
senheit schützen kann; sollen die Jnstruentcn bei jeder Gelegenheit, wo die Parteien
den Verdacht des frevelhaften Läugnens, oder vorsätzlicher Unwahrheiten, oder ge
flissentlicher Verstellung oder Verdunkelung der Wahrheit auf sich ziehen, diese Stra
fen bekannt und eingedenk machen, und wie es geschehen, im Protokolle vermerken. —
§. 48—56, Tit. 23 der Proz. O.
Von der Abfassung des Erkenntnisses selbst.
Z. 171. I. Nach vollständigem Beschlüsse des Kollegii entwirft der Referent
das Urtel selbst, legt dann den Entwurf sammtlichcn beim Entschlüsse anwesend ge
wesenen Gerichtsmitgliedern zur Unterschrift vor, und verfügt die Publikation resp.
Ausfertigung Behufs Zufertigung an die Parteien oder deren Vertreter. — 8. 44,
Tit. 13, I. A. G. O.
II. Beim Entwurf des Urtels ist folgendes zu berücksichtigen: 2)
>) Wenn also ein solcher als Vormund für seinen Mündel Prozesse führt, so kann
er zu dessen Gunsten zum nothwendigen Eide verstattet werden.
2) In der Praxis hat sich ausser der wirklichen Abweisung des Klägers noch eine
Abweisung angebrachtermassen, und eine Abweisung zur Zeit ausgebildet.
Diese findet statt, wenn Kläger zu früh geklagt hat, und die Verpflichtung des
Beklagten vom Eintrit einer gewissen Zeit oder Bedingung abhängt, die noch
fern ist. — Die Abweisung angebrachtermassen findet dann Anwendung, wenn
der Anspruch des Klägers zwar nicht ganz ungegründet scheint, derselbe jedoch
aus einem andern Grunde, als auf welchen die Klage gestützt ist, geltend ge
macht werden muß. — Hat Jemand aus dem richtigen Fundamente geklagt, je
doch seine Klage nicht gehörig substantiirt, so kann er nicht angebrachter
massen abgewiesen werden. — Ol. Res. vom 18. November 1323. Jahrb. 22,
V. 173. Gräff 2, S. 107. Erkennt», des Geh. Sb. Trib. vom IS. Septhx.
^ 1SS4. Simon R. Bd. 4, S. S53.
»73
1) Au« dem Urtel müssen die Ramen der bei dessen Beschluß mitstimmenden Richter
und der Tag der Abfassung sich ergeben, und ist demgemäß die Fassung in der
Art zu wählen:
In Sachen zc. hat das (Bezeichnung des Gerichts oder der betreffenden
Abtheilung) in seiner Sitzung vom . . ten , und an welcher
Theil genommen haben
N. N. Präsident, (Dirigent)
N. N. Räthc und Assessoren,
den Akten gemäß erkannt zc. — Nro. 45 Jnstr. vom 7. April 1339.
z. 24 d. Ges. vom 14. December 1833 GS. S. 307. — Res. vom 13.
Juli 1833. Jahrb. 52, S. 177. Grafs 12, S. 124.
2) Die wirkliche Entscheidung (Tenor) und deren Gründe müssen deutlich von ein
ander unterschieden, und es darf nicht etwas, das zu der ersten geHort, in die
letzten, noch auch umgekehrt, mit eingemischt werden, da blosse Entscheidungs
gründe niemals die Kraft eines Uttels haben. — Z. 3«, Tit. 13, l. A. G. O.
3) In Ermangelung eines besonderen rechtlichen Grundes ist es unzulässig, im Ur«
tcl eine Zahlungsfrist auszusprechen. ') — Auch soll, wenn dem Prozesse die
Abfassung eines administrativen Interimistikums vorangegangen, dies in der
Erkenntnißformel nicht erwähnt werden. 2) — Res. vom 13. Juni 1834. Jahrb.
43, S. 485. Gräff 8, S. 1S4. — Res. vom 3«. Oktober 1839. I. M. B. S. 355.
4) Der Urtelsfasser muß sich beim Entwurf des Erkenntnisses der möglichsten Deut
lichkeit und Bestimmtheit, und einer allgemein verständlichen Schreibart, unter
Vermeidung aller fremden Worte und der Kunstausdrücke befleissigen, damit über
den Sinn des Uttels kein Streit entstehe; der Gegenstand eines jeden Punktes,
und was dabei erkannt wird, muß vollständig, und nicht bloS beziehungsweise
auf die Akten, darin ausgedrückt, und den Parteien möglich sein, daraus zu
entnehmen, was eigentlich und warum es einem von ihnen ab- und dem an
dern zuerkannt worden. ») — Z. 42, Tit. 13, l. A. G. O. — Res. vom 6.
März 1841 I. M. B. S. 118.
ö) In Prozessen, bei welchen über mehre besondere Punkte zu entscheiden ist, müs
sen der Entscheidung jedes besondern Punktes sogleich die Gründe beigefügt wer
den. Gleiches gilt, wenn zunächst über Präjudizialfragen und dann über die
Hauptsache zu entscheiden ist. — Z. 36, Tit. 13, I. A. G. O.
6) In Pacht- und RechnungSprozessen, und in andern ähnlichen Fällen, besonders,
wenn mehre Forderungen und Gegenforderungen unter Erben, Gesellschaften zc.
streitig gewesen sind, muß nach erfolgter Aburtelung aller einzelnen Posten der
Saldo, wie viel nemlich ein Theil dem andern herauszuzahlen oder gut zu
schreiben hat, allenfalls unter Zuziehung eines Kalkulators berechnet, und im
Urtel festgesetzt werden. — Z. 37 a. a. O.
7) Von dem Falle, in welchem ein Eid durch Urtel aufgelegt wird, ist S. 167 die
Rede gewesen.
III. Jeder Urtelsbeschluß muß bei kollegialischcn Gerichten in das über die
Spruchsitzungen zu führende Protokollbuch eingetragen werden. — Nro. 46 der
Jnstr. vom 7. April 1839.
1) Die früher in der Praxis übliche Bestimmung: binnen 8 Tagen, 14 Tagen zc.
fällt daher weg.
2) Z. B. wenn bei Pfarrbauten, Brückenbauten zc. vorher durch die Administrativ-
Behörde festgesetzt ist, wer bis zur rechtskräftigen Entscheidung, und in wie weit
die Baugelder vorschiessen soll.
») So ist es z. B. nicht zulässig, wenn im Erkenntnis) gesagt wird, daß Beklagt«
schuldig, (eine zu bezeichnende Summe) zu zahlen nach Abzug eines noch nach
zuweisenden Betrages. — dl. Res. vom ö. März 1LSS I. W. B. S. 114.
Verfahren bei nicht kollegialische» Gerichten,
z. 172. Die Vorschriften Z. 89^-17t kommen sowol bei Ober- als Untergc-
richten, so wie ferner sowol bei kollegialischen, als bei nicht kollcgialischen Gerichten,
bei diesen jedoch mit nachstehenden Modifikationen zur Anwendung:
1) Meldet sich ein Kläger bei einem nicht kollcgialischen Gericht zur Aufnahme der
Klage; fo muß diese sofort vollständig aufgenommen werden. Kann dies aus
besonder« Gründen nicht sofort geschehen, so muß Kläger zu einem nahen Ter
mine Behufs deren Aufnahme bestellt, und darüber und über die Anmeldung
eine Registratur niedergeschrieben werden.
2) Bei nicht kollegialischen Gerichten ist in der Regel ein und derselbe Richter De
zernent, Deputirter und Referent.
3) Die Termine müssen bei solchen Gerichten, da die Parteien in der Regel nahe
wohnen, kürzer anberaumt werden.
4) Das 8. 171, III- erwähnte Protokollbuch wird bei nicht kollegialischen Gerichten
nicht geführt.
5) Ausserdem ist ein Unterschied bereits §. 148, II. erwähnt. — Tit. 2S, §. 45 fg.
I. A. G, O. Nro. 46 Jnstr. vom 7. April 1839.
Sechster Abschnitt.
«öffentliche« und mündliches »erfahren «ach der Verordnung
vom ». Februar isi?.
In welchen Prozessen und in welchem Umfange dies Verfahren
stattfindet.
K. 173. Das durch die Verordnung vom 9. Februar 1817 angeordnete öffent
liche mündliche Prozeßverfahren kommt nur im Großhcrzogthum Posen, und
zwar in den Prozessen, welche auf einfachen Thatsachen beruhen/) zur Anwendung.
Au Kiefen Prozessen gehören besonders
1) Wechselprozesse, und die früher zum Exekutivverfahren gewiesenen,
also die K. 77, II. Nro. 1 (S. 137 fg.) bezeichneten Sachen;
2) die klaren Schuldsachen;
S) Possessoriensachen;
4) Arrestsachen;
5) Mieths- oder Pachträumungssachen;
«) Arrestsachen;
7) die Alimentenprozesse;
L) Klagen aus einem Judikate;
S) Diffamation«- und Provokationsprozesse;
1«) Prioritätsstreitigkeiten ausser dem Konkurse und Liquidationsprozesse und
L1)Streitigkeiten, welche bei Vollstreckung der Exekution entstehen.
,') Es bleibt hauptsächlich richterlicher Bcurtheilung überlassen, welche Prozesse als
solche zur Verhandlung in diesem Verfahren zu verweisen sind. Die nachfolgen
den Sachen gehören besonders dahin, doch sind andere nicht ausgeschlossen. Bei
einzelnen Gerichten verweist man auch Klagen, die aus mehren Passus bestehen,
«der welche auf nicht ganz einfachen Thatsachen beruhen, zu diefem Verfahren,
und die Erfahrung lehrt, daß dies zweckmässig sei, da durch das Verfahren
nach der Verordnung vom 9. Februar 1317 auch bei vcrwickeltercn Sachen die
selbe Gründlichkeit, wie beim Verfahren nach der A. G. O., aber bei weitem
grössere Beschleunigung herbeigeführt wird.
273
Doch wird vorausgesetzt, daß die vorliegende, uiiter die Kategorie der Nro, 1
bis II bezeichneten Streitigkeiten gehörende, Sache nicht zum Mandats- oder zum
Bagatellprozeß sich eignet, da diese beiden Prozeßformen auch das Prozeßver
fahren des Ges. vom 9. Februar 1«l7 jedesmal ausschliessen. (LI. §. 64, S. 11«.
5. 69, S. 126 fg.)
In den übrigen Prozessen kommen, soweit sie nicht den, Abschn. 2 und 3 ab
gehandelten Prozcßfvrmc» unterworfen sind, die im Abschnitt 5, §. 89—172 und in
den folgenden Titeln enthaltenen Borschriften zur Anwendung. — Aber auch die
Anfangs zum Verfahren des Gesetzes vom 9. Februar 1817 gewiesenen Prozesse
können, wenn sich im Laufe des mündlichen Verfahrens findet, daß sie zu weitläufig
oder zu verwickelt sind, um auf dem vorgeschriebenen Wege fortgesetzt zu werden,
zur Instruktion im schriftlichen, nach Abschnitt vorgeschriebenen, Versahren gewie
sen werde». — j 1-4 d. Ges. vom 9. Februar 1317 GS. S. 37.
Von der Klage, der Verfügung darauf und der Vorladung der
Parteien zum Audienztermin,
f. 174. I. Die Klage muß nach Vorschrift des fünften Biels angefertigt, auch
muß, wenn sie schriftlich eingereicht wird, eine Abschrift derselben und der Beilagen
zur Mittheilung an den Gegner beigefügt sein. Trit ein Bevollmächtigter aus, so
kann ohne Beifügung einer förmlichen Vollmacht in der Regel die Klage nicht
eingeleitet werden. — Z. 17 a. a. O.
II. Der Gcrichtsvorstand ernennt einen Dezernenten, welcher sie prüft, und
im Kollegio Vortrag darüber hält. — Unzulässige Ansprüche werden ohne Wei
teres durch ein Dekret zurückgewiesen. Bei unvollständigen Klagen aber be
lehrt das Kollegium zuförderst die Partei, was sie zur Substantiirung noch beizu
bringen habe. Wird die Klage dagegen vollständig substantiirt, und zum
mündlichen Verfahren geeignet befunden, so wird zum mündlichen Vortrage ein
Termin anberaumt. — Z. 4, 17, 18, 19 a. o. O.
III. Zur mündlichen Verhandlung solcher Sachen sind gewisse Tage in der
Woche (Gerichtstage) bestimmt. Der Dirigent oder Präsident setzt nun bei jeder
einzelnen Sache den Termin auf einen dieser Tage an, trägt den Termin in den
zu diesem Zweck angelegten Terminskalender ein, und zeichnet die zu beschleunigen
den Sachen besonders aus. — Bei Ansetzung der Termine wird darauf geachtet, daß
nicht mehr Termine auf einen Tag anberaumt werden, als in dem bestimmten Zeit
raum mit Wahrscheinlichkeit abgehalten werden können. — §. 10, 2«, 21 a. a. O>
IV. Zu dem Termine werden beide Theile, Beklagter unter abschriftlicher Mit«
thcilung der Klage und der Beilagen, vorgeladen. Die Vorladungen werden förm
lich ausgefertigt, wenn sie an die Parteien unmittelbar gerichtet sind; an die Be
vollmächtigten, wenn sie Juftizkommissarien oder Advokaten sind, ergehen sie dage
gen durch Abschrist des Dekrets. Der näheren Angabe einer bestimmten Termins
stunde bedarf es nicht.') — In der Vorladung des Beklagten wird diesem zugleich
eine Frist bestiimnt, innerhalb welcher er die Klagcbcantwortung oder eine etwanige
Rekonventiosschrift einzureichen hat. — Die den Parteien zu stellenden Warnungen
sind gemäß K. 90, I. Nro. 3 und II. Nro. 3 (S. 1S7 fg.) zu fassen. — Z. 1»,
22, 23 a. a> O.
V. Die Behändigung erfolgt nach Vorschrift des ersten Abschn. d. T. Z. 24 a, a. O.
') In der Praxis wird aus Rücksicht auf die neuere Gesetzgebung (Ges. vom 1.
Juni 1833) in der Regel die Stunde, wo das mündliche Verfahren beginnt,
in der Vorladung angegeben.
276
Bon der Klagebeantwortung und von Prorogationsgesuchen.
§. 175. I. Nach erfolgter Behändigung der Klage muß der Verklagte in al
len Fällen, Wechselsachen allein ausgenommen, besonders aber, wenn er eine Ge
genforderung anzubringen, oder bei der Klagebeantwortung Thatsachcn anzuführen
oder Beweismittel anzugeben hat, worüber die Erklärung des Gegners nöthig ist,
die Rekonvcntionsschrift oder die Beantwortung der Klage mit der Abschrift, bin
nen der nach §. 174, IV. bestimmten Frist, vor dem Termine dem Gericht derge-
stallt einreichen, daß letzteres selbige frühzeitig genug dem Kläger oder dessen Be
vollmächtigten mitthcilen, und dieser gehörig vorbereitet erscheinen kann. — Die
Mitthcilung erfolgt von Seiten des Gerichts augenblicklich durch eine Verfügung des
Dirigenten.
Läßt aber der Beklagte die obgedachte Frist verstreichen, und wirkt auch nicht
Terminsverlegung aus, so kann im Termin über die Gegenforderung, oder über
Thatsachen und Beweismittel, welche zu spät zur Kenntniß des Gegentheils gelangt
find, bei dem Widerspruch des Letztem, weder verhandelt, noch überhaupt für diese
Instanz Rücksicht genommen werden. — Z. 25 a. a. O.
II. Gesuche um Verlegung der Termine werden mit Rücksicht auf den Pro-
zcßgegenstand, und je nachdem in Bezug darauf eine besondere Beschleunigung er
fordert wird oder nicht, nach den unter Titel 10 und 11 oder nach den §. 92
<S. 159) darüber gegebenen Vorschriften beurtheilt. — Z. 24 a. a. O.
Besetzung des Gerichts beim mündlichen Verfahren, Öffentlichkeit
desselben, und Dauer der desfallfigen Sitzungen.
z. 176. I. Das Gericht ist Behufs Abhaltung des mündlichen Verfahrens in
Iter Instanz vollständig besetzt, wenn mit Einschluß des Dirigenten, drei Mit
glieder anwesend sind.') Der Dezernent hat während der Sitzung in Bezug auf
Aufnahme der Verhandlung und Vortrag der Sache zugleich die Pflichten des Dc-
xutirten und des Referenten. — 8. 6, 13, 28, 35 a. a. O.
II. Die Sitzung beginnt um 8 Uhr Morgens, 2) und währt so lange, bis die
für den Tag bestimmten Sachen aufgerufen und verhandelt sind. — Ist letzteres
aus besonderen Ursachen nicht möglich; so werden die ausfallenden Sachen, je nach
dem sie besondere Beschleunigung erfordern oder nicht, zum nächstfolgenden Tage
«der zum nächsten gewöhnlichen Gerichtstage verwiesen, und den Parteien oder Man
datarien solches zum Protokoll bekannt gemacht, ohne daß es besonderer Vorladun
gen bedarf. — z. 11, 12 a. a. O.
HI. Der mündliche Vortrag geschieht vor versammeltem Gerichte und öffent
lich, so daß Jedermann als Zuhörer zugelassen werden muß. Ist indessen der
Inhalt der Sache von der Art, daß Anstoß und öffentliches Ärgernis, befürchtet wer
den kann, fo bestimmt das Gericht, daß die Verhandlung bei verschlossenen Thören
erfolgt, und Niemanden weiter, als den Parteien und ihren Bevollmächtigten, der
Jutrit verstattet werde. — §. 5 a. a. O.
Aufruf der Sache, und Verfahren, wen» eine Partei nicht erscheint.
Z. 177. I. Zu jedem Gerichtstage, und zwar 24 Stunden vor dem Eintrit
2) Besteht ein Gericht aus drei Mitgliedern, und es trit eine Verhinderung ei»,
so, daß in der Audienz nicht 3 Mitglieder anwesend sein können; so kann kein
öffentliches mündliches Verfahren, sondern es muß für diesen besondcrn Termin
schriftliches Verfahren eintreten.
«) Einzelne Gerichte weichen namentlich im Winter davon ab, und beginnen die
Sitzung um 9 Uhr oder auch später. In solchen Fällen ist es höchst notöwen-
dig, daß die Stunde, zu welcher die Audienz beginnt, in den Vorladungen an,
gegeben wird.
277
desselben, wird ein Auszug aus dem Terminskalcnder (§. 174, III.) gefertigt, und
an die Thür des Vcrsaminlungszimmcrs geheftet. Ein Ercmplar desselben erhält
der Gerichtsbotc, um die Parteien aufzurufen. — §. 26 a. a. O.
II. Der Aufruf geschieht in folgender Ordnung: Vor allen gehen die Wech
sel- und Arrcstprozcssc. Alsdann folgen die Sachen, welche schon in ander» Ter
minen prorcgirt worden, die Prozesse wegen der Z. 77, II. Nro. 1 (S. 137) be
zeichneten Gegenstände «die früheren Erekutivprozcssc ), die Mieths- und Pachträu
mungssachen), die Possessorien- und Alimcntenprozesse; die übrigen folgen sich nach
der Präsentation der Klage. Von dieser Ordnung kann zwar der Präsident oder
Dirigent in einzelnen Fälle,,, die wegen cigmthümlichcr Verhältnisse eine besondere
Beschleunigung fordern, abgehe»; es muH jedoch jedesmal der Grund der Abwei
chung in dem Aushang des Tcrminskalenders bemerkt werden. — §. 27 a. a. O.
III. Melden beim Aufruf eines Prozesses die Parteien oder ihre Bevollmäch
tigten sich nicht; fo wird gegen den Ausbleibenden sofort in ccmtumacism verfah
ren. Der Deputirtc der Sache nimmt eine Verhandlung auf, und es erfolgt, je
nachdem Kläger oder Beklagter ausgcbliebcn ist, cntwcdcr die Aktcnweglegung oder
das Kontumazialcrkciintniß, ') zu welchem Ende der Deputirtc, nachdem die Par
teien sich entfernt, die Sache dem Kollcgio vorträgt, und das Erkcnntniß sofort ab
setzt. Hat der ausbleibende Beklagte die Klage schriftlich beantwortet (Z. I7S, I,);
so muß sich dcr Kläger darauf auslassen, und das mündliche Verfahren wird in
conlumscism fortgesetzt und geschlossen. — Z. 23 a. a. O.
IV. Erscheint die verklagte Partei durch einen Bevollmächtigten; so muß die
ser vor Eröffnung dcr Verhandlung Vollmacht überreichen, odcr sich vorläufig über
die Bevollmächtigung durch schriftlichen Auftrag ausweisen, weil er sonst nicht zu
gelassen werden kann. Ist die Partei selbst gegenwärtig, so gnügt es, wenn sie zu
Protokoll erklärt, daß der ebenfalls anwesende Anwalt ihr Mandatar sein solle. —
Z. 29 a. a. O.
Vortrag der Sache; wer ihn zu halten hat, und wem die Leitung
zusteht; Versuch der Sühne.
Z. 178. I. Erscheinen beide Theile, so wird zum wechselseitigen mündlichen
Bortrag geschritten. Dieser Vortrag, nemlich die Klage, Beantwortung, Replik,
muß vorher ausgearbeitet sein, und sich in den Manualakten befinden. Der Kläger
beginnt ihn, und der Beklagte antwortet, beide unter Vorlegung der zur Sache
gehörigen Originaldokumente.
Es ist nicht nöthig, Klageschrift und ihre Beilagen vorzulesen, weil Richter
und Partei von ihrem Inhalt schon unterrichtet sind; es gnügt vielmehr eine kurze
Darstellung des Gegenstandes der Sache und der Beweismittel.
Wenn hiernächst, in sofern es nöthig ist, worüber dem Dirigenten des Gericht«
die Entscheidung zusteht, der Kläger wiederum geantwortet, und der Beklagte dar
auf erwidert hat; so wird der Vortrag geschlossen, ohne schriftliche Rechtsausfüh
rung zu gestatten.
Ungeachtet die Leitung des mündlichen Vortrags in dcr Regel zum Amt des
Dirigenten gehört, und diefer dabei allenthalben auf bestimmte Einlassung und Er
klärung der Parteien über die erheblichen Thatsachen zu sehen, und ihnen die nö-
thigen Vorhaltungen zu machen hat; so kann doch auch der Dirigent, wenn es die
Umstände erfordern, die spezielle Leitung des mündlichen Vortrags in der einzelnen
") Ergibt sich beim Vortrag der Sache, und nach der in Folge Bcrathung sich
findenden Stimmenmehrheit, daß die Klage von vornherein ungegründet ist; so
kann auch, obwol Beklagter nicht erschienen ist, auf Abweisung des Klägers
erkannt werden.
27«
Sache dem Deputaten übertragen. ' ) Auf jeden Fall ist es die Pflicht des Letzten,
über den mündlichen Bortrag eine Verhandlung aufzunehmen, welche das Erschei
nen der Parteien, die Übergabe der Vollmachten, und den Hergang beim Bortrage
im Allgemeinen zum Gegenstände hat. Kommen jedoch beim Bortrage Zugeständ
nisse, Entsagungen, oder andre wesentliche Erklärungen der Parteien vor, welche
vom Inhalte ihrer schriftlichen Auslassungen abweichen; so müssen auch diese zum
Protokoll genommen werden.
Nach beendigtem Vortrage versucht der Dirigent des Kollcgii, oder der Depu
tate, wenn diesem die Leitung des Vortrages übertragen gewesen, die Sühne.
Kommt eine gütliche Einigung zu Stande; so wird der Vergleich vom Deputirten
sofort aufgenommen, und hiernächst in Ausfertigung den Interessenten zugestellt. —
Z. 3« a. a. O.
II. Der mündliche Vortrag geschieht entweder von der Partei selbst, wenn sie
sich fähig hält, ihr Recht selbst wahrzunehmen, auszuführen und zu vertheidigen;
oder von einem Stellvertreter derselben, welchen die Partei sich aus der Zahl der
beim Prozeßrichter fungirenden Justizkommissarien oder Advokaten wählen muß.
Im letzten Falle darf sie sich nicht durch mehr als einen Bevollmächtigten beim
mündlichen Vortrage vertreten lassen. Sie kann aber dem mündlichen Vortrage
ihres Bevollmächtigten selbst beiwohnen. — Bei nachgewiesener Armuth ordnet den
Parteien, wenn sie sich nicht selbst vertreten wollen oder können, das Gericht einen
Rechtsbcistand aus der Zahl der Justizkommissaricn , Advokaten oder Siefcrendarien
zu. <M Z. 39, I. S. 77. K. 41, II. S. 82). — §. 7—9 a. a. O.
III. Mehre Litiskonsorten, gleichviel, ob Kläger oder Beklagte, «der akzessori
sche Jntcrvenienten, müssen sich vor dem Aufrufe der Sache vereinigen, wer von
ihnen, oder wer von ihren Bevollmächtigten den Vortrag halten soll; widrigenfalls
der Dirigent des Gerichts denjenigen bestimmt, welcher zum Vortrag gelassen wer
den soll. Hat jedoch einer von ihnen besondre Gründe «der Thatsachen anzuführen,
welche seine Person allein betreffen; so muß auch er zum Vortrage verstattet wer
den. — z. 31 a. a. O.
IV. Bei Litisdenunziationen,Adzitatione»undNominationen erfolgt
die mündliche Verhandlung ebenfalls nach vorstehende» Anordnungen. — z. 32 a. a. O.
V. Der Klagegrund kann beim mündlichen Vortrage eben so wenig geän
dert werden, als der Klageantrag auf eine andere Leistung gerichtet werden
kann, als die ist, welche im Klagebericht gefordert worden. — Z. 33 g. a. O.
Betragen der Parteien, Mandatarien und Zuhörer beim münd
lichen Vortrage.
§. 179. I. Wer beim öffentlichen Vortrage die Ruhe und Ordnung, sei e«
durch unzeitiges Lautsein, oder durch Äusserungen von Beifall oder Mißbilligung,
stört, und der Ermahnung, sich ruhig zu verhalten, kein Gehör gibt: wer die Ehr
erbietung, welche er dem Orte und dem Richter schuldig ist, verletzt, und wer sich
') Z. B. wenn eine Sache polnisch vorgetragen wird, und der Dirigent der pol
nischen Sprache nicht vollkommen mächtig ist.
«) In solchen Fällen, wo Zugeständnisse, Entsagungen oder sonst wesentliche Er
klärungen protokolirt werden, läßt der Deputirte nach der Praxis die Verhand
lung von der erklärenden Partei resp. deren Mandatar unterschreiben. Dies ist
auch sehr rarhsam, obwohl nach dem auf Grund des Gutachtens des Geh. Ob.
Trib. vom 12. Juni 1843 ergangenen Just. Min. Ref. vom 27. Juni 1843
(I. M. B. S. 172 fg.) die Unterzeichnung der gedachte», materielle, die Sache
selbst betreffende Erklärungen enthaltenden Audienzprotokolle durch die Parteien
oder deren Mandatarien, als nicht nothw endig und deren Unterlassung als
Verletzung einer wesentlichen Förmlichkeit nicht erachtet ist.
S7»
Beleidigung und Bedrohung der Gerichtspersonen erlaubt, der soll auf Anordnung
des Dirigenten augenblicklich entfernt, und von dem versammelten Gericht mit einer
sogleich zu vollziehenden Geld- oder Gefängnißstrafe, welche jedoch eine Geldbussc
von 20 Thlr. oder achttägigen Arrest nicht übersteigen darf, belegt, oder zum
Zweck der förmlich einzuleitenden Untersuchung verhaftet werde». — §. 13 a. a. O.
II. Die Parteien und ihre Bevollmächtigten sollen sich, bei Vermeidung einer
nach dem Maasstabe ucl I sofort zu vollziehenden Ordnungsstrafe, gegen einander
anständig und gesittet betragen, sich aller persönlichen und leidenschaftlichen Äusse
rungen enthalten, und den gegenseitigen Vortrag unter keinem Borwande unterbre-
chen. — K. 14 a. a, O.
III. Juftizkommissaricn und Advokaten, welche es sich zur Gewohnheit werden
lassen, dieser Vorschrift (II.) entgegen zu handeln, sollen ferner zum mundlichen,
Bortrage nicht zugelassen werden. — §. !5 a. a. S.
IV. Eine Partei, welche dem Vortrage ihres Bevollmächtigten beiwohnt, hat
die Befugniß, am Schlüsse desselben ihren Anwalt darauf aufmerksam zu machen,
was etwa in der Sache übergangen, oder derselben noch hinzuzufügen ist. Unter
bricht sie ihn im Vortrage, und gibt der erfolgenden Zurechtweisung des Dirigenten
nicht augenblicklich Gehör, so soll sie aus dem Sitzungssaale entfernt werde». —
K. 16 a. a. O.
Schluß des mündlichen Vortrags und Beschlußnahmc, ,i) wenn die
Sache zum Erkenntniß reif ist;
K. 180. I. Sobald der mündliche Vortrag geschlossen, und die Sache durch
Vergleich nicht beigelegt ist; so überreichen die Parteien oder ihre Bevollmächtigten
dem Gericht ihre Privataktcn, ') welche nothwendig mit einem Inhaltsverzeichnisse ver
sehen sein müssen, und werden sodann mit den im Gerichtssaale befindlichen Zu
schauern entlassen, wenn das Gericht es nicht vorzieht, sich in ein besonderes Be-
rathungszimmer zu begeben. — Alsdann prüft das Gericht auf den Vortrag des
Deputirten der Sache
ob die Sache zur Desinitiventscheidung vorbereitet ist, oder ob sie
d) zur nochmaligen mündlichen Verhandlung cder zur schriftlichen Instruktion zu
verweisen, oder
«) ob der Beweis durch Ableistung zugeschobener Eide, oder Vernehmung von seu«
gen zc. aufzunehmen ist. — Z. 34, Sö a. a. O.
II. Ist die Sache zur Entscheidung reif, so wird
1) vom Kollegio in der Regel das Erkenntniß sogleich beschlossen, vom Deputirten
die Erkenntnißformel unter dem Protokoll entworfen, auch von ihm diese den
herbeigerufene» Parteien oder deren Bevollmächtigten eröffnet, und dies durch
den Deputirten im Protokoll nachträglich verzeichnet. Derselbe arbeitet in dm
nächsten vom Dirigenten zu bestimmenden Tagen das Erkenntniß mit den Grün
den aus, befördert es zur Unterschrift der Gerichtsmitglicder, und verfügt die
Ausfertigung für die Parteien, unter Rückgabe der Manualakten.
2) Ist nach der Anficht des Kollegii eine Sache wegen verwickelter Thatsachcn oder
wegen ihrer Wichtigkeit zur sofortigen Entscheidung nicht angethan; so wird
der darüber zu fassende Beschluß den Parteien sofort bekannt gemacht, die Akten
werden zum Spruch vorgelegt, und es wird ein andres Mitglied des Gerichte,
als der Deputirte ist, zum Referenten ernannt. — Verlangt es eine der Par
teien, oder wird es wegen der Wichtigkeit der Sache vom Dirigenten für no-
thig befunden; so muß der Referent einen vollständigen Vortrag über den In»
') Die Praxis geht davon i» der Regel ab, so daß in Iter Instanz fast nie die
Manualaktm erfordert werden.
280
halt der Akte», und was jede Partei für sich angeführt hat, im Kollegio öf
fentlich halten, worauf es den anwesenden Mandatarien der Parteien frei
steht, sofort mittelst kurzer Noten dem Kollegio anzuzeigen, wovon sie glauben,
daß es beim Vortrage übersehen, oder anders in den Akten enthalten sei. Als
dann wird nach Entfernung der Parteien und Zuhörer, wenn auch das Votum
des Referenten vorausgegangen, vom Kollegio gewöhnlichermassen berathen, und
beschlossen. — Sobald hiernächft das Urtel abgefaßt ist, erfolgt dessen Zuferti-
gung an die Parteien gemäß Z. 183. — §. 38, 39 a. a. O. — Z. 1 u. 2 Ges.
vom 5. Mai 1838 GS. S. 273.
b) wenn die Erörterung der Sache mangelhaft befunden wird; oder
o) wenn es auf Beweisaufnahme ankommt.
Z. 181. I. Wird die Sache wegen mangelhafter Erörterung noch nicht spruch
reif gefunden (§. 18«, I. b) so wird sie
1) entweder zum ferneren mündlichen Vortrage verwiesen, und es wird dazu, inso
fern nicht etwa das Fehlende sofort durch die noch anwesenden und nochmals
vorzurufenden Parteien ergänzt werden kann, unter genauer Bezeichnung der
noch mangelhaften Gegenstände ein neuer Termin angesetzt;
2) oder die Sache wird wegen Wcitläuftigkeit und Verwickeltheit zum schriftlichen
Verfahren verwiesen (g. 173 Schlußsatz). In diesem Falle wird ein anderweiti
ger Deputirter oder Kommissarius zur Führung der Instruktion ernannt, und
es kommen bei dieser und bei Abfassung des Erkenntnisses die Vorschriften H. 89—
171 zur Anwendung. Doch ist bei Letzterem auch die Vorschrift Z. 180, ll.
Nro. 2 zu beachten. — Z. 40 und 43 Ges. vom 9. Februar 1817.
II. Kommt es auf Beweisaufnahme an (z. 180, I. e); so erhält dazu eine
Gerichtsperson den Auftrag. Diese entwirst zur Leitung des Geschäfts einen Strcit-
ftand, ladet die Parteien oder ihre Bevollmächtigte zu einem Termine vor, und
verhandelt überhaupt unter ihrer Zuziehung bis zum Schlüsse der Sache. In den
jenigen schleunigen Prozessen, in welchen die Beweismittel sofort zur Stelle gebracht
werden müssen, erfolgt deren Aufnahme sofort und in demselben Termin. — Auch
müssen zugeschobene und angenommene Eide, deren Erheblichkeit ausser Zweifel liegt,
von der gegenwärtigen Partei sogleich im Termin des mündlichen Vortrags abge
nommen werden.
Sobald die Akten nach der Beweisaufnahme eingehen, und die Instruktion ab
geschlossen ist, wird auf den Vortrag des Dezernenten das Erkenntniß abgefaßt, und
mit Anfertigung gemäß Z. 183 verfahren. — Ist die Sache noch nicht abgeschlossen,
namentlich wenn die Beweisaufnahme bei andern Gerichten erfolgt ist; so wird nach
vollständig aufgenommenem Beweise Schlußtermin im öffentlichen mündlichen Ver
fahre» angesetzt, und hier erfolgt gemäß Z. 178 und 180 der Vortrag der Sache
und demnächstige Beschlußnahme. — Z. 41, 42 a. o. O.
Von der gerichtlichen Geschäftssprache im Großherzogthum Posen
im Allgemeinen, und bei Prozessen ins Besondre.
I. 182. I. Im Großherzogthum Posen sind beide Sprachen, die teutsche und
die polnische, nach dem Bedürfniß der Parteien, die Geschäftssprache der Gerichte.
Bei der Korrespondenz mit öffentlichen Behörden, das Königreich Polen ausgenom
men, und in ihren Berichten an die vorgesetzten Kollegien, bedienen sie sich der Kut
schen Sprache ausschließlich. — Z. 143, 144 a. a. O.
II. In Prozessen gilt der Grundsatz:
daß in derjenigen von beiden Sprachen verhandelt und das
Erkenntniß abgefaßt werden muß, in welcher die Klage an
L8I.
gestellt ist, gleich viel, ob Kläger nur der Sprache, in welcher
die Klage entworfen ist, allein, oder ob er der beiden Spra
chen, nemlich der tcutschen und der polnischen, gleich mäch
tig ist.
In der Sprache, in welcher die Klage abgefaßt ist, muß daher auch der Bor
trag gehalten werden. Doch kann der Vortrag bei einer polnischen Sache durch die
Sachwalter auch i» der teutschen Sprache geschehen, wenn die der polnischen Sprache
nur kundigen Parteien nicht zugegen, oder wenn dieselben der teutschen Sprache
mächtig sind. — Ist Kläger weder der teutschen, noch der polnischen Sprache ge-
wachsen; so wird in tcutscher Sprache verfahren.
Beim Schriftwechsel gilt jener Grundsatz ebenfalls. Doch steht jeder Partei
frei, ihre zur Mitthcilung an den andern Theil geeigneten Eingaben und Schriften
in beiden Sprachen einzureichen. Geschieht dies, so werden sie dem Gegner in sei
ner, und wenn er keine von beiden Sprachen versteht, in der teutschen mitgetheilt.
Der Aufnahme eines teutschen oder polnischen Nebcnprotokolls bedarf es nicht.')
Bei Zeugen, Sachverständigen oder andern dergleichen Personen werden die
Protokolle in ihrer Sprache, wenn sie der teutschen oder polnischen kundig sind,
sonst aber in tcutscher Sprache ohne alle Einschränkung aufgenommen. — §. 145—
149 a. a. O. — Eab.-Ord. vom 15. Januar mitgeth. durch Res. vom 21. Januar
1841 I. M. B. S. 47. , ^
III. Es ist streng darauf zu halten, daß in der polnischen Sprache in allen
Fallen verhandelt werde, in welchen es nach Vorstehendem vorgeschrieben ist. Doch
dienen die allgemeinen Vorschriften (§. 105, I. II. S. 178 fg. Z. 13S) zur Nicht-
schuur, wenn es sich darum handelt, ob der unterlassene Gebrauch einer für den
gegebenen Fall vorgeschriebenen Sprache eine Nichtigkeit der Verhandlung herbei
führe. Der Einwand der Nichtigkeit oder Ungiltigkeit einer Verhandlung, bei wel
cher vorstehenden Bestimmungen entgegen nur Eine der beiden Sprachen oder statt
der teutschen die polnische oder umgekehrt, gebraucht worden, ist daher nicht be
gründet, wenn die für den Fall, wo der Richter der Sprache der Betheiligten nicht
mächtig ist, gegebenen allgemeinen gesetzlichen Vorschriften (K. 105, 136) befolgt
worden sind. Da, wo ein polnisches Nebenprotokoll oder eine polnische Übersetzung
nöthig ist, kann die betreffende Partei darauf verzichten. Es gnügt zu diesem Zweck
die in der Verhandlung enthaltene, in tcutscher und polnischer Sprache aufgenom
mene ausdrückliche Erklärung der Partei, daß sie auf das Recht, die Übersetzung zu
verlangen, Verzicht leiste, oder sich des von dem Dollmetscher zu führenden Nebcn
protokolls begebe. — Eab.-Ord. vom 5. Mai 1839 Just. M. B. S. 178.
Siebenter Abschnitt.
«on Eröffnung und Anfertigung der richterlichen Grkenntnisse
und Resolutionen.
§. 183. I. Zur Publikation der gemäß Abschnitt 3—6 ergangenen Erkennt
nisse und Kontumazial- und Agnitionsbescheide, so wie ferner der Purifikations-Re-
solutionen und der Präklusionsbescheide wird in der Regel ein besonderer Termin
nicht angesetzt. Die Publikation erfolgt bei den im summarischen, im Bagatell-
') Als rekommandirte Zusendungen werden solche verstanden, denen ein Empfangs
schein zur O,uittirung über den Empfang und zur Rücksendung als Bescheinigung
über Behändigung beigefügt ist. Zur Zeit gehen solche rekommandirte Sendun
gen nach Baden, Baiern, Braunschweig, Hannover, beide Mcklenburg, Polen,
Rußland, Sachsen und dem fürstlichen Turn und Tarischen Postgebiete. In
Bezug auf andere Länder wird daher Behufs Insinuation von Erkenntnissen
die Bestimmung unter 3 Anwendung finden. — Res. vom 19. Januar 184«
I. M. B. S. 57.
^) Ein für unbekannte oder entfernte Interessenten bestellter Kurator muß haupt
sächlich dafür sorgen, daß jene ausgeforscht, diesen aber die erforderlichen Nach
richten zugebracht werde». — §. 1003, Tit. 1«, II. A. L. R.
5) Die zur Anbringung der Rechtsmittel zuständige Frist beginnt in Bezug auf je
den Litiskonsorten erst mit der an ihn felbst erfolgten Behändigung der Aus
fertigung oder Benachrichtigung zu laufen.
Zur Feststellung der Aushangszeit muß daher der Tag des Aushangs und der
Tag der Abnahme auf die ausgehängte Ausfertigung gesetzt werden. Die zur
Anbringung der Rechtsmittel zuständige Frist läuft von dem Tage an, welcher
auf die 14tägige Aushangsfrist unmittelbar folgt, so daß, wenn aus Versehen
der Aushang länger währt, die fernere» Aushänget««« in das Fatale fallen. Ist
der Aushang vor Ablauf der 14 Tage abgenommen, so müssen die noch fehlenden
Tage nachgeholt werden, da sonst die Behändigung nicht erfolgt ist, und da«
Fatale nicht zu laufen anfangen kann.
284
bung sich aufhalten, erfolgt die Zusendung durch die Post gemäß z, SS (S. 11V
fg.) unter Benutzung des dort unter III. gedachten Poftinsinuationsdokuments.
Zusendungen in das Ausland werden, wo dies zulässig ist, auf gewöhnliche
Weise rekommandirt. ((15. Anm. 1 S. 283). Wenn das Erkenntnis, zc. von
der Post als unbestellbar zurückgeliefert wird ; so trit der Aushang desselben nach
der Bestimmung unter Iii. b ein.
e) Wenn die Partei im Publikationstermine oder nach dessen Abhaltung erklärt,
daß sie die Zustellung einer Ausfertigung des Erkenntnisses nicht verlange, ebenso,
wenn sie dasselbe anzunehmen, oder einen Empfangschein zu ertheilen Verweigert;
so vertrit die darüber aufgenommene Registratur, oder die Anzeige des mit der
Zustellung beauftragten Beamten die Steile der Insinuation. — ß. 3 Ges. vom
5. Mai 183«. — Res. vom 20. April 1839 I. M. B. S. 154. — Res. vom
25. Januar 1841 I. M. B. S. 66.
IV. Ausser den Parteien und deren Stellvertretern muß in Prozessen
1) gegen einen der Regierung untergeordneten Beamten wegen Regressen
oder Injurien aus Veranlassung seines Amts, oder gegen Kassenbediente des
Regierungsressorts wegen Geldforderungen,
2) gegen Kirchen und andre denselben gleichstehende Stiftungen und Institute, und
3) in denen, in welchen der durch eine fiskalische Ilnterbcho'rde vertretene Königl.
Fiskus Partei ist,
jedesmal der betreffenden Königl. Regierung vollständige Abschrift des Er
kenntnisses mitgetheilt werden.
4) In den wider einen Offizier wegen Schulden anhängigen Prozessen aber muß
nach rechtskräftiger Entscheidung dem Kommandeur des Regiments, bei wel
chem der in Anspruch genommene Offizier angestellt ist, von dem Ausfall des
Erkenntnisses, ohne Mittheilung einer Abschrift desselben, jedesmal Nachricht ge
geben werden. — Anh. §. 107 zu z, 58, Tit. 13, I. A. G. O. — Verordn. »°m
26. Decbr. 1808 Z, 47. Mathis Bd. 10, S. 49«. Rabe Bd. 1«, S. SS2. -
Res. vom 17. Sept. 1835. Jahrb. 46, S.110. Gräff 8, S. 157. — Res.
vom 12. März 1839 I. M. B. S. 123. — Res. vom 1. März 1839 I, M.B. S.M.
Siebenter Titel.
Bon den gegen das elfte Erkenntniß zulässigen
Rechtsmitteln.
Einleitende Bemerkung. Nachtragserkenntniß und Deklaratoria.
ß. 184. Die Anbringung eines Rechtsmittels setzt die Unzufriedenheit mit
dem Erkenntnisse und die Zuständigkeit des Rechtsmittels voraus. Es gibt je
doch Fälle, in welchen die von einer Partei gegen ein Erkenntniß aufgestellte Rüge
ohne Rechtsmittel beseitigt werden kann. Wenn nemlich
1) aus Versehen über einen Theil des Klage- oder Widerklageantrags nicht erkannt
ist, so muß vom ersten Richter auf Antrag einer Partei, oder, wenn der Rich
ter das Versehen selbst wahrnimmt, von Amtswege» ein Nachtragserkennt
niß in Betreff des Übergangenen abgefaßt werden. Die Provokation auf Ent
scheidung des ferneren Richters hinsichtlich dieses Punktes findet nicht Statt,
da der zweite Richter über Ansprüche, welche nicht Gegenstand des ersten Er
kenntnisses waren, nicht erkennt. — Nur, wenn ausdrücklich verlangte
vorbcdungene Zinsen, oder vor Abschluß der Sache zur Zufprechung li-
285
quidirte Prozeßschäden und Kosten (Z. 170, III.) im Erkenntnis, über«
gangen sind, kann eine Entscheidung darüber nicht durch ein Nachtragserkennt-
niß gegeben, sondern sie muß durch Einwendung des zulässigen Rechtsmittels
gesucht werden, da dergleichen übergangene Zinsen, Schäden und Kosten für ab
erkannt zu achten sind. — ö,. 62, Tit. 23, l. A. G. O. — §. «4», Tit. II, l.
A. L. R. — Res. vom 2«. Dccember 1837. Jahrb. 5«, S. 502.
2) Ist der Kostenpunkt im Uttel gänzlich übergangen; so muß, wenn ein Rechts
mittel in der Hauptsache eingelegt wird, dieser Mangel bei Entscheidung über
die mittelst des Rechtsmittel« erhobenen Beschwerden zugleich erledigt werden.
Wird ein solches in der Hauptsache nicht angebracht; so muß eine Deklara
tion nachgesucht, und wenn die Rüge gegründet ist, jene gemäß Nro. 3 ertheilt
werden. — 8- 22, Tit. 23, I. A. G. O.
3) Ist im Urtcl ei» Jrrthum in Worten, Namen oder Zahlen vorgefallen, «der
ist darin etwas dunkel und zweideutig ausgedrückt; so bedarf es nicht der
Anbringung eines Rechtsmittels. Die Partei oder der Mandatar, welche der
gleichen Anstand bemerken, müssen ihn vielmehr dem Gericht anzeigen, und
dieses prüft auf Vortrag des Dezernenten und im Beisein des Referenten
denselben. Findet es die Anzeige richtig, so läßt es ») entweder den Jrrthum
auf dem Originalurtcl, und den, den Parteien ertheilten Ausfertigungen durch
eine darauf zu setzende Registratur ändern, oder d) ertheilt die erforderliche De
klaration schriftlich, und giebt den Parteien davon Nachricht. — Erachtet cS
die Anzeige für unbegründet, so bcschcidet es dcn Bittsteller durch eine Kr. m.
ihm vorzuzeigende Verfügung. — §. 1, Tit. 14, I. A. G. O.
In allen andern Fällen, in welchen eine Partei die theilweife oder gänzliche
Abänderung des ersten Erkenntnisses herbeigeführt wissen will, muß sie das zustän
dige Rechtsmittel rechtszeitig bei dem gehörigen Gericht anbringen.
Mit Rücksicht auf die Art der Entscheidung und dcn Gegenstand des Prozes
ses und der Beschwerde, kann dies Rechtsmittel ein verschiedenes sein. Bon diesen
gegen das erste Erkenntniß zulässigen Rechtsmitteln, also
s) von dem der Restitution;
d) von dem des Rekurses;
c) von dem der Appellation;
6) von den im Jnjurienprozeß vorkommenden Rechtsmitteln der weitern Ver-
theidigung, der Aggravation und dem Milderungs - und Niederschlagungsgesuch,
von denen das erste und das letzte auch gegen den, Prozeßstrafen festsetzenden,
Thcil der Erkenntnisse zulässig sind,
wird in diesem Titel die Rede sein. Das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde
kann zwar in einzelnen, jedoch nur wenigen Fällen auch gegen das erste Erkennt
niß eingewendet werden. Dasselbe wird jedoch erst im folgenden Titel abgehandelt,
da es meist nur gegen Erkenntnisse Ilter Instanz stattfindet.')
') Die von den Rcchtslehrern gewöhnlich gewählte Eintheilung in ordentliche und
ausserordentliche Rechtsmittel ist durch das Gesetz selbst nicht begründet. Will
man diese Eintheilung einer sistematischen Unterordnung wegen gelten lassen; so
wird als unterscheidendes Merkmal aufzustellen sein, daß jene gegen noch nicht
rechtskräftige, diese gegen rechtskräftige Erkenntnisse zustehen. Zu jenen gehören
dann Restitution, Appellation, Revision, und die im Jnjurienprozeß zulässigen
Rechtsmittel. Dagegen werden Rekurs und Nichtigkeitsbeschwerde zu dcn ausser
ordentliche» zu zählen sein. Die Erekutionsfähigkeit der Erkenntnisse ist durch
aus kein sicheres unterscheidendes Merkmal, da sehr häufig nicht rechtskräftige
Erkenntnisse cxckutionsfähig sind.
S86
Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.
Von der zur Einlegung der Rechtsmittel gestatteten Frist.
Z. 185. Zur Einlegung der Rechtsmittel ist in der Regel eine Frist gesetzt,
deren Versüumniß den Verlust des Rechtsmittels zur Folge hat, und welche durch
richterliche Verfügung niemals verlängert werden kann.') Demgemäß müssen
I. das Rechtsmittel der Restitution, und alle drei im Jnjuricnprozeß vorkom
menden Rechtsmittel binnen 10,Tagen angebracht werde». Ausnahmen sind
1) hinsichtlich der Restitution s) im eigentlichen Merkantilprozeß, wo nur 24-
stündige Frist gestattet ist; K) bei Amortisation verlorner Pfandbriefe, Staats-
schuldscheine, Bank- oder Seehandluugsobligarioncn oder andrer öffentlichen auf
jeden Inhaber lautenden Papiere. Hier können die gleichzeitig präkludieren un
bekannten Inhaber oder andre Berechtigte binnen 4 Wochen nach geschehe
nem Aushange das Rechtsmittel der Restitution einwenden.
2) Hinsichtlich der Agravation. Wenn im Jnjuricnprozcß dem Kläger das Ur-
tel in einem Termine publizirt wird, so muß er dies Rechtsmittel, sofern es
zulässig, bei Verlust desselben sofort anbringen. — z. 224, Anh. zur A. G.
L>. — 15, Tit. 34. §. 21, Tit. 3«. ß. 12« fg. 13» fg. Anh. §. 388,
Tit. 51, I. A. G. O. — 8. 7, 8 Gef. vom 5. Mai 183«. Verordn. vom 16.
Juni 1819 GS. S. 157. — V. vom 7. Juni 1821 GS. S. 96. Z. 21 des
Ges. vom 14. Decbr. 1833. ,
II. Zur Einwendung der Rechtsmittel des Rekurses und der Appella
tion ist in der Regel eine Frist von 6 Wochen (42 Tagen), und für den lan
desherrlichen Fiskus, für Land- und Stadtgemeindcn, privilegirte Korporationen,
unter Vormundschaft stehende Personen, und für alle die, welchen die Rechte der
Minderjährigen beigelegt sind, eine Frist von zwölf Wochen (84 Tagen) gestat
tet. Ausnahmsweise ist jedoch diese Frist
1) im Wechselprozcß auf zehn Tage;
2) in den von der Hauptsache getrennt verhandelten Arrestprozcssen auf drei Tage;
3) im eigentlichen Merkantilprozeß auf 24 Stunden; und
4) in Bau fachen, wenn von einem schon wirklich angefangene» Bau die Rede ist,
dessen Fortsetzung oder Kassirung vom Ausfall des Prozesses abhängt, auf drei
Tage beschränkt. Dagegen wöhrt
5) im Konkurse und er bscha fr lichen Liquidationsprozeß die Appellations«
frist bis zu dem Behufs Regulirung der Appellationen anzusetzenden Termine,
und es kann noch in diesem Termine, wenn er auch nach Ablauf der 6 und
12wöchentlichen Frist anstände, die Appellation eingewendet werden. Steht
jedoch dieser Termin vor Ablauf der Axpellationsfrist an; so bleibt dem betref
fenden Interessenten die Befugniß, noch bis Ablauf der 6 resp. 12wöchentlichen
Frist die Appellation einzuwenden.
') Es fragt sich: ob, wenn Jemand während des Laufs des Fatale stirbt, dieses
gegen die Erben zu Ende laufe oder ob diesen die Deliberationsfrist zu statten
komme. Dies leztere muß als richtig erachtet werden, da die Bestimmung des Z.
38S, Tit. 9, 1. A. L. R.: wornach der Erbe während der Deliberationsfrist auf For
derungen der Erbschaftsgläubiger sich einzulassen, und Prozesse, die von Erblasser
«der gegen ihn angestellt worden, fortzusetzen nicht schuldig ist, nicht ausdrücklich
aufgehoben worden. Demgemäß wird die dem Erblasser gestattete Frist, wenn sie
beim Tode noch nicht abgelaufen ist, durch die Deliberationsfrist unterbrochen, und
läuft erst nach Ablauf der letzteren zu Ende. Sind unter den Erben Minorenne,
so wird für diese darnach bei den Rechtsmitteln g. 185, II. eine 12wöchentliche
und die Deliberationsfrist gerechnet wkrden müssen,
287
DK nach §. 34, Tit. 14. §. 16, I. 16 A. G. O. und 5. l. 14 A. L.
R. dem Fiskus und einigen anderen Personen gestattet gewesene Rechtswohlthat der
Wiedereinsetzung in dcn vorigen Stand gegen die zur Einwendung von Rechtsmit
teln versäumte Frist findet nicht mehr statt. — §. 21, 22 Ges. vom 14. Decbr.
1833 GS. S. 302. — §. 7, Ges. vom 5. Mai 183». — Art. 13. Verlar, vom
6. April 1839 GS. S. 126. — §. 34, Tit. 27. K. 63 fg. Tit. 29, Z. 9 fg.
Tit. 3«j K. 34 fg. Tit. 42; Z. 1»2, 183 Tit. 5«, I. A. G. O. Rro. 43 Jnstr.
vom 7. April 1839 GS. S. 149.
Beginn der Frist.
Z. 186. Der Lauf der gesetzliche» Frist zur Einlegung der Rechtsmittel beginnt
mit der Behändigung des Erkenntnisses, Bescheides zc. an die Partei oder deren
gemäß K. 183, II. Rro. 1 bis 3 legitimieren Bevollmächtigten, bei Litiskonsorten
aber in Bezug auf jcden einzelnen mit Behändigung der ihm zugefertigten Aus
fertigung, oder Abschrift des Tenors nebst Benachrichtigung, und wenn dieselben De
putate ernannt haben, mit Zustellung der Entscheidung an diese. >) Der Tag
der Behändigung wird niemals mitgerechnet. — Wenn jedoch
1) gemäß §. 183, III. b. e. 6. ein Aushang an der Gcrichtsstelle die Insinuation ver-
trit; so läuft die Frist in Bezug auf die, der Person oder dem Aufenthalte
nach unbekannte, Partei erst von Ablauf des für den öffentlichen Aushang be
stimmten vierzehntägigen Zeitraums.
2) Wenn die Partei im Publikationstermin oder nach dessen Abhaltung erklärt,
daß sie die Zustellung einer Ausfertigung des Erkenntnisses nicht verlange, so
läuft die Frist vom protokollarischen Vermerke oder dem Eingange der desfal-
sigen Eingabe; und
3) wenn die Partei die Annahme des Urtels, oder die Ertheilung eines Empfang
scheins verweigert, so beginnt sie von dieser durch den Boten angezeigten
Weigerung.
4) In Bagatellsachen endlich beginnt die Restitutionsfrist mit dem angcstandcncn
Termin, in welchem das mit der Borladung verbundene Mandat wegen Nicht
erscheinens des Beklagten in die Kraft eines Kontumaziqlerkenntnisses überge
gangen ist. — Z. 3-6 u. 9 des Ges. vom 5. Mai 1838. — Res. vom 2«.
April 1S39 I. W. B. S. 15S.
Zweiter Abschnitt.
Vom Rechtsmittel der Restitution (reslitutio in integrum, Wiederein
setzung in den vorigen Stand).
Fälle in denen es stattfindet,
z. 138. Das Rechtsmittel der Restitution kommt zur Anwendung,
1) wenn gegen einen, der gehörig erfolgten und bescheinigten Vorladung ungeachtet
im Klagebeantwortungstermin nicht erschienenen Beklagten Kontumazialer-
kenn^niß abgefaßt, oder in Bagatellsachen, wenn die Borladung in Kraft eines
Kontumazialerkenntnisses übergegangen ist;
2) gegen Purisikationsresolutionen, welche wegen Ausbleibens im Termin zur Ablei
stung eines rechtskräftig erkannten Eides in contnmsciam abgefaßt worden sind;
Z) gegen Präklusionserkenntnisse, wenn nemlich bekannte oder unbekannte Gläubiger
oder Berechtigte wegen Ausbleibens in dem zur Anmeldung ihrer Ansprüche an
gesetzten Termine ihrer Ansprüche ganz oder in Bezug auf gewisse Gegenstände
für verlustig erklärt (vrsscluöirt) sind. — A. G. O. I. 14 §. 69 fg. 5« §. 167
fg. 51 §. 3«, 37, 89 Nro. 3, Z. 106, 114, 117 fg. — Gef. vom 1. Juni 1833
Z. 69 GS. S. 37. — Cab.-Ord. vom 17. October 1833 Nro. 5 GS. S. 119. —
W. vom 4. März 1834 Z. 15 GS. S. 39. — V. vom 23. März 184« z. 1
GS. S. 1«2.
Begründung des Restitutionsgcsuchs, und Verfahren ^. wenn es
gegen Kontumazialurtel angebracht wird.
Z. 139. I. Gegen die wegen Ausbleibens des Beklagten im Klagebeantwor
tungstermin abgefaßten Kontumazialbescheide oder in Kraft des Kontumazial
urtel« übergegangenen Vorladungen im Bagatellprozesse steht dem Beklagten in
allen Prozessen wcgen Aivilansprü'chen, ohne Rücksicht auf das Prozeßobjckt, das
28S
Rechtsmittel >» «eftituri« zu. — Die im Wechselprozeß ergangenen Kontu
mazialbescheide bilden die einzige Ausnahme. Gegen diese ist Restitution nicht zu-
lassig. — X. G. O. I. 14 z. 73. Sit. 27, z. 19.
II. In Betreff der Frist, und der Behörde, bei welcher eS anzubringen, gilt
da« j. 185—187 hinsichtlich desselben Gesagte.
Uk. Da« Restitutionsgesuch kann schriftlich eingereicht, oder zu Protokoll ge
geben werden. Eine blosse Anmeldung reicht nicht aus. Es gehört vielmehr, ausser
der rechtszcitigen Einreichung, zur Begründung desselben, daß zugleich
1) erhebliche Ursachen, wodurch Beklagter der ergangenen Vorladung Folge zu lei
sten, verhindert wordcn, angegeben, und entweder sofort bescheinigt, oder doch
Bescheinigungsmittel darüber angezeigt; daß ferner
2) die zur vollständigen Einlassung auf die Klage und zu deren Beantwortung er
forderlichen Data angegeben, und
Z) dem Kläger alle bisher verursachten, und im Kontumazialbescheid festgesetzten
Kosten wirklich baar erstattet werden. Sind diese Kosten «der eine Quittung
des Klägers darüber, dem Rcstitutionsgcsuche nicht beigelegt, so muß, indem
darauf wegen der Sache selbst verordnet wird, zugleich die Exekution wegen der
Kosten selbst verfügt werden. Den zum Armenrechte sich qualifizirenden Beklag
ten ist jedoch gestattet, daß sie diese Kosten dem Gegner später ersetzen. — §. 71
u. 72, Tit. 14, I. A. G. O.
IV. Der prozeßlcitende Richter prüft das eingereichte Restitutionsgcsuch. Bei
kollegialischcn Gerichten steht diese Prüfung und der Bortrag darüber im Kolleg!«
dem Dezernenten zu. Ergibt sich
1) daß es erst nach Ablauf der Restitutionsfrift (§.185,186) eingegangen, so muß
es ohne Weiteres zurückgewiesen werden. Eben so ist
2) das Restitutionsgesuch nicht zuzulassen, wenn der Beklagte nicht darüber, daß im
Kontumazialbescheide die zum Grunde der Klage liegenden Thatsachen für ein
geräumt angenommen worden, sondern darüber, daß der Richter die in dem Be
scheide festgesetzten Folgen daraus hergeleitet hat, sich beschwert. Der Kontu
mazialbescheid erlangt in diesem Falle die Kraft eines eigentlichen Urtels.
3) In Possessoriensachen ist dem Erforderniß unter III. Nro. 1 nur dann ge
nügt, wenn Naturbegebenhciten «der andre unabwendbare Zufälle es dem Be
klagten unmöglich gemacht haben, den Termin in Person oder durch einen Be
vollmächtigten abzuwarten, und wenn derselbe zugleich nachweist, daß es ihm
ohne das geringste Verschulden von seiner Seite unmöglich gewesen sei, das ein
getretene unabwendbare Hinderniß vor dem Termine anzuzeigen. Fehlt also ein
solcher Nachweis, so muß die Zurückweisung des Gesuchs erfolgen.
4) Hat in andern Sachen der Beklagte im Restitutionsgesuch zwar die Klage, we
nigstens in der Hauptsache, gehörig beantwortet, jedoch keine erheblichen Ursa
chen, wodurch er verhindert worden, der Vorladung Folge zu leisten, angegeben;
so hängt es von der Erklärung des Gegners ab, ob er die Anberaumung eines
Jnftruktionstermins und die weitere Verhandlung noch in der ersten Instanz zu
lassen wolle oder nicht. ') Im letzten Falle ist das Reftitutionsversahren nicht
einzuleiten.
') In einem solchen Falle ist daher der Gegner vorerst zu fragen, ob er die Resti
tution zulasse. Ist die Sache appellabel und dazu angelhan, daß im Falle der
Appellation Termin zur Erwiderung auf die Appellationsbeschwerden oder deren
Instruktion anberaumt werden müßte; so muß Termin zu jener Erklärung und
Instruktion, «vevtuel aber zu letzterem Zweck angesetzt werden. — Nach dem
Verfahren dl« Ges. vom 9. Februar 1817 im Großherzogthum Posen muß das
Restitutisnsgesuch mit Beilagen doppelt eingereicht werden. Liegt nun der Fall
L90
ö) Hat der Beklagte die zur Beantwortung der Klage erforderlichen Data und
Nachrichten, wenigstens in der Hauptsache, nicht sogleich beigefügt; so kann das
Restitutionsgesuch ebenfalls nicht zugelassen werden. Neue Frist- und Proroga»
tionsgcsuche zur Einreichung der Antwort auf die Klage finden nicht Statt.
Nur wenn in Bagatellsachen das von einer rechtsunkundigen Partei
schriftlich «»gereichte Restitutionsgesuch hinsichtlich der Klagebeantwortung, oder
in sonst etwas unvollständig ist, kann die Vervollständigung durch protokollari
sche Vernehmung erfolgen. — 74, 78. Anh. 125, Tit. 14. Anh. §. 2l4, Tit.
S1, 1. A. G. O. — Res. vom 4. Juni 1814. Jahrb. 4, S. 4. Gräff 2, S. 119.
V. In allen den Fällen, in denen nach Vorstehendem die Restitution zurück
gewiesen wird, muß, da durch das Restitutionsgcsuch Unzufriedenheit mit dem
Urtel ausgesprochen ist, die Sache im Appellationsverfahren eingeleitet wer
den, in sofern das Rechtsmittel der Appellation mit Rücksicht auf die im 4tcn Ab
schnitt d. T. enthaltenen Vorschriften zulässig ist. Die Verhandlung geschieht dann
gemäß dieser Vorschriften, und bei dem darnach kompetenten Richter. Ist demgemäß die
Sache in zweiter Instanz verhandelt worden; so steht dem Kläger dennoch später frei,
darauf anzutragen, daß in erster Instanz erkannt werde. Wenn in diesem Falle die
Verhandlung einer in erster Instanz vor das Untergcricht gehörenden Sache beim
Obergcricht erfolgt ist; so muß die Abfassung des Erkenntnisses erster Instanz beim
Obergericht geschehen. > ) — Hat der Beklagte bei der Verhandlung in der Appella
tionsinstanz Gegenforderungen angemeldet; so muß er, in sofern nicht nach dem
Antrage des Klägers in erster Instanz erkannt wird, damit zur besondcrn Verhand
lung verwiesen werden. Doch erfolgt diese Verhandlung bei dem Gerichte, bei wel
chem die Hauptsache schwebt, in sofern nicht ein Fall vorliegt, in welchem überhaupt
die Rekonvention an einen andern Richter gewiesen ist. ^)
Ist eine Sache, in welcher das eingereichte Restitutionsgesuch zurückgewiesen
wird, nicht appellabelz so behält das Kontumazialurtel unumstößliche Kraft. Nur
in dem unter IV, Nro. 2 bezeichneten Falle muß der Beklagte zum Rekurse verstat
tet werden, wenn er solchen erhebt, da in diesem Falle der Kontumazialbescheid die
Natur eines wirklichen Erkenntnisses hat. — Z. 26, 28, 74, 78, Anh. Z. 124—128,
Tit. 14, I. A. G. O.
VI. Wenn dagegen das Restitutionsgesuch für begründet erachtet, oder vom
Kläger gemäß IV, Nro. 4 in die Zulassung gewilligt wird; so erfolgt die Verhand
lung der Sache in erster Instanz und in der Prozeßform, zu welcher die Sache sich
eignet. Bei der Verhandlung müssen auch, in soweit es ohne besonderen Aufenthalt
unter IV. Nro. 4 vor; so wird dennoch Termin im mündlichen Verfahren zur
Verhandlung über das Restitutionsgesuch und evevt. zum Verfahren in Appel»
latorio angesetzt. Bewilligt Kläger die Restitution nicht, so wird durch blosse
Resolution des Gerichts der Verklagte mit dem Rcstit.- Gesuch abgewiesen, und
das Appellationsverfahren sofort eingeleitet. — ß. 64 fg. des gedachten Ges.
Der Grund dieser Abweichung liegt darin, weil sonst dem Untergcricht die Prü
fung und Beurtheilung der vom Obergericht veranlaßten Instruktion zustehen
würde, und leicht Kollisionen erwachsen könnten.
Fälle der Art, in denen der Richter der Hauxtsache nicht kompetent ist, sind:
1) wenn der Rekonvcntionsanspruch vor das f,,r„m rei sit,ie gehört, der Klä
ger kein Ausländer, und die Hauptklage nicht beim Realrichtcr angestellt ist;
2) wenn die Gegenforderung gesetzlich vor ein Spczial-Forum gehört, und der
Prozeß vor dem gewöhnlichen Richter verhandelt wird, oder umgekehrt;
Z) wenn der Richter der Hauptsache findet, daß die an sich vor einen andern
inländischen Richter gehörige Gegenforderung eine weitläufige Instruktion er
fordern dürfte, die bei diesem schleuniger und billiger, als bei ihm, würde er
folgen können, und er um deshalb die Widerklag« an dm ordentlichen Rich
ter verweist.
291
geschehen kain, z«r »ler)«Mg des angeschuliigten Ungehorsams «„gegebenen
Umstände zugleich untersucht werden. Nach Abschluß der Sache erkennt der Rich
ter, welchem in erster Instanz die Abfassung de« Urtels zukommt, nach Lage der
Akten, wie sich die Sache durch Berbandliinz auf das Rcstitutionsgcsuch herausge
stellt hat. Die« Erkenntniß ist als das erste in der Sache anzusehen, und den ge
gen ein solche« erste« Urtel zulässigen Rechtsmitteln unterworfen.') — Ergibt sich
bei Abfassung dc« Erkenntnisses, daß die Restituticnsgründc nicht gerechtfertigt wa
ren; so kann Beklagter, selbst, wenn er in der Hauptsache ein obsicgliches Urtel er
langt, wegen seiner Geringschätzung der richterlichen Verfügungen mit 5 bis 20 Thlr.
Gcldbusse oder verkäitiiißmässiger Gefängnißstrafe belegt «erben. — §, 75 —77, Anh.
z. 125 c>. a. O.
VN. Bringt in einem Prozesse, in welchen, ein Rcstitittionsgcsuch vom Be
klagten angebracht und zugelassen ist, Kläger das Rechtsmittel der Appel
lation cm, indem er behauptet, daß aus den in c-ynlumacism für richtig ange
nommenen Thatsachen noch mehr zu feinem Vorthcile folge, als der Richter im Kon
tumazialbescheide festgesetzt hat; fo muß die Appellation des Klägers ausgesetzt blei
ben, bis, nach der auf das Restitutionsgcsuch crftlgtcn, Verhandlung erkannt ist. —
Dagegen behält ein Kontumazialbescheid, wenn er auf das Restituticnsgcsuch des
Beklagten in Bezug auf diesen aufgehoben worden, gegen den Kläger, wenn er
gegen diesen nachtheilige Festsetzungen enthält, und von demselben durch ei» Rechts
mittel nicht angefochten ist, unumstößliche Kraft. 2) — z. 79 a. o. O. — Res. vom
». Dccember t3Z4. Mannkopf Era. A. G. O. 2, S. ?«. Gräff, Kock, zc.
Erg. I». S. 283.
S. wenn e« gegen Purifikationsrcsolutionen erhoben ist;
Z, ISO. I. Gegen Purifikationsresolutionen, welche wegen Ausblei
bens in dem zur Ableistung eines rechtskräftig erkannten Eides in contumsoism
abgefaßt sind, ist da« Rechtsmittel der Restitution zulässig, der Eid mag durch daS
erste, oder das zweite, oder daS dritte Urtel zuerkannt sein. — Das Restitution?-
gesuch muß innerhalb zehn Tagen, vom Tage der Zustellunq der Puriffkationsreso-
lution ab gerechnet, angebracht werden.
Zur Begründung des Gesuchs gehört wesentlich
1) das Erbiete» zur Ableistung de« Eides, und
2) die Angabe der Ursachen, durch welche das Erscheinen in dem anberaumt
gewesenen Termine verhindert worden ist, so wie der Bescheinigungsmit
tel hierüber nach Vorschrift der Bestimmung Z. 189, III. Nro. 1, oder eine
Bescheinigung der Einwilligung des Gegners in die Zulassung zur
Restitution. — Z. I, 2 des Ges. vom 28. März 184« GS. S. 102.
II. Wird das Gesuch begründet befunden, so setzt das Gericht, unter Mitthei-
lung des Gesuchs an den Gegner, einen Termin zur Ableistung des Eides an. Eine
Verlegung dieses Termins ist nur zulässig, wen» klar erhellet, daß Naturbcgebenhei-.
ten oder andere unabwendbare Zufälle dem zur Eidesleistung Vorgeladenen das Er
scheinen unmöglich machen. — Wird
I) im Termin der Eid geleistet, so spricht daS Gericht mit Aufhebung der Kontu-
mazialresolution die für den Fall der Eidesleistung erkannte Folge durch einen
1) An« einem Kontumazialurtel findet während der Nestltutionsfrift, und wenn
ein Reftitutionsgesuch angebracht und zugelassen ist, während des ganzen Ver
fahrens und bis zur rechtskräftigen anderweitcn Entscheidung keine Erckution statt.
Die Bestimmungen des Z. 198 gelten jedoch auch hier.
Ist also der vom Kläger eingeklagte Anspruch im Kontumazialurtel herabgesetzt,
so kann, wenn Kläger dag gen kein Rechtsmittel ergreift, derselbe im Reftitu-
tien«,erfabren nicht mehr geltend machen, als im Kontum.-Urrel festgesetzt ist.
1V«
LS2
Bescheid aus, die Kosten des früher zur Eidesleistung anberaumt gewesenen
Termin« und der Kontumazialresolution fallen aber dem Jmploranten zur Last.
2) Bleibt die Partei, welche schwören soll, auch in diesem Termine aus, oder
leistet sie den Eid nicht, so ist durch einen Bescheid die Zurückweisung deS
Restitutionsgesuchs und die Aufrechthaltung der in oontumsvism ergangenen
Purifikations-Resolution auszusprechen. Ein ferneres Restitutionsgesuch findet
nicht statt. — Z. 3—5 a. a. O.
III. Den Bescheid über die Restitution faßt eben so, wie die Purifikationsre-
solution selbst, in allen Fällen dasjenige Gericht ab, welches in der ersten In
stanz erkannt hat. — §. 6 a. o. O. ^
L. wenn es gegen Präklusionserkenntnisse gerichtet ist.
19t. I. Durch das gegen Präklusionserkenntnisse angebrachte Rechtsmittel
der Restitution wird die Erhaltung der durch die ?rselusoris gefährdeten Rechte
bezweckt. Dasselbe findet gegen Präklusionserkenntnisse aller Art > ) Anwendung. Aus
geschlossen ist es nur
1) im Diffamations - und Provokationsprozesse, wenn bis Ablauf der
letzten präklusivischen Frist und selbst im anberaumten Termin Provokat sich
weder gemeldet, noch die wirklich erfolgte Anstellung der Klage bescheinigt hat,
und demnächst das dem Provokaten ein ewiges Stillschweigen auferlegende Prci-
klusionsurtel abgefaßt ist;
2) in dem Falle, wenn ein an Werth nicht die Summe von hundert Thalern oder
mehr erreichender gefundener Gegenstand dem Finder allein, oder diesem und
der Ortsarmenkasse zugeschlagen wird, weil der Verlierer sich weder gemeldet,
noch den Verlust mit einer deutlichen Beschreibung der Sache in den Zeitungen
der Provinz, in welcher der Zuschlag erfolgt, vor dem Zuschlage öffentlich be
kannt gemacht hat. 2) — z. 49—56, Tit. 9, I. A. L. R. — Z. 28, Tit. 32,
I. A. G. O.
II. Zur Begründung des Restitutionsgesuchs ist nur nöthig, daß es in-
') Dahin gehören z. B. I. die im Konkurs- und erbschaftlichen Liquidations-
prozeß gegen ausgebliebene Kreditoren ergangenen Präklusionserkenntnisse; —
z. 167, Tit. 50. K. 89, Tit. 51, I. A. G. O.
2. die Präklusion unbekannter Lehnsstamms - oder Fideikommißinteressenten ;
8. 52, 30, 37 a. a. O.
3. die Präklusion unbekannter und aufgebotener Realinteressenten z — §. 106
a. a. O. — §. 15 Ges. vom 4. März 1834 GS. S. 39.
4. die Präklusion der zu einer gefundenen Sache Berechtigten in einzelnen
Fällenz — §. 5«, 52, 55, Tit. 9, I. A. L. R.
5. die Präklusion unbekannter Interessenten beim Aufgebot von Spezialmas
sen nach erfolgter Subhastationz — V. vom 21. Oktober 1838. §. 1« GS.
S. 489.
6. die Präklusion unbekannter Gläubiger eines Verschwenders; — S. 278,
Tit. 51, l. A. G. O.
7. die Präklusion unbekannter und aufgebotener Inhaber eingetragener Po
sten, oder verlorner auf einen gewissen, oder auf jeden Inhaber oder auf Ordre
lautender Urkunden. — Z. 114, 115 fg. Anh. K. 385 fg. Tit. 51 a. a. O. ,c.
2) Schulz (die Lehre von den Rechtsmitteln :c. S. 171) führt noch mehre Fälle
nemlich die auf, wenn unbekannte Erben, Agnaten, Handlungs - oder Sozictätsgläu-
biger, öffentliche Bau- oder Kassengläubiger und unbekannte Depositalinteref-
ftntcn nach erfolgtem Aufgebot ihrer Rechte für ganz oder doch in einem gewis
sen Grade für verlustig erklärt sind. Doch kann in diesen Fällen, weil das Ge
setz nicht speziel von der Zulässigkeit des Restitutionsgesuchs spricht, dasselbe nicht
für ausgeschlossen erachtet werden. Es kommen vielmehr die allgemeinen Grund
sätze von Präklusionsttkenntnissen zur Anwendung, und darnach muß es zuge
lassen werden.
S98
nerhalb der im §. 186, I. hinsichtlich diese« Rechtsmittels vorgeschriebenen Frist an
gebracht wird. Demnächst werden die schon bekannten Interessenten damit bekannt
gemacht, und falls sie die im Rcstitutionsgesuche angemeldeten Rechte nicht anerken
nen, erfolgt deren Erörterung im Wege des Prozesses und unter Berücksichtigung
der für jeden speziellen Fall gegebenen besonderen Borschriften. — §. 167 fg. Tit.
SO, §. 178, «it. 51, I. A. G. O. — V. vom 16. Juni 1SI9 §. 1«, 12 GS. S. 1S7.
Dritter Abschnitt.
«om Rechtsmittel ve« Rekurse«, l)
FSlle in denen der Rekurs stattfindet.?)
§. 192. Das Rechtsmittel des Rekurse« steht zu gegen richterliche Ent
scheidungen etiler Instanz mit Einschluß der Agnitions- und Purifikationt-
resolutionen
1) in allen Prozessen der Unter- und Obergerichte einschließlich der Possessorien-
prozesse, wenn da« Objekt der Beschwerde 50 Thlr. nicht übersteigt, gleich viel,
ob der Gegenstand des Prozesses selbst ein Bagatell- oder ein größeres Objekt
ist. Bei Berechnung der Beschwerdesumme kommen die Borschriften des z. 69
(S. 126 fg.) zur Anwendung. Wenn mehre Personen als Kläger oder Be
klagte in einem Prozesse zugelassen worden sind, so wird die Frage: ob der
Rekurs oder die Appellation zulässig? unter Berücksichtigung des Gesammtbe-
trages der Forderungen oder Leistungen der mehren Streitgcnossen «) beantwor
tet. — Nicht zulässig ist der Rekurs nur
g) gegen Adjudikationserkenntnisfe im nothwendigen Subhastationspro-
zeß und
b) gegen Kontumazialbescheide; jedoch auch hier mit Ausnahme des Fal
les, wenn blos darüber, daß der Richter die in dem Bescheide festgesetzten
Folgen aus den für eingeräumt zu erachtenden Thatsachen hergeleitet hat,
nicht aber darüber, daß diese Thatsachen für eingeräumt angenommen sind,
Beschwerde geführt wird. In diesem Falle hat der Kontumazialbescheid die
Natur eines Erkenntnisses, und läßt daher den Rekurs zu;
2) wegen unrichtiger Entscheidung des Kostenpunktes,^) wenn in der Hauptsache selbst
kein Rechtsmittel zulässig ist, oder eingelegt wird.
3) Dieses Rechtsmittel ist ferner auch in dem Falle zulässig, wenn bei Exekutionen
>) Derjenige, welcher den Rekurs einlegt, wird Rekurrent, der Gegner aber Jm-
plorat genannt.
2) Hier ist nur vom Rekurs gegen Entscheidungen der Gerichtsbehörden die Rede.
In Betreff der gegen Verfügungen andrer Behörden zulässigen Rekurse gelten
andre Bestimmungen.
») Of. S. 298, Anm. S.
«) In Betreff der Kosten gelten jetzt folgende Grundsätze:
1) Gegen Entscheidungen erster Instanz über den Kostenpunkt, gleichviel, ob sie
die gerichtlichen oder aussergerichtlichen Kosten betreffen, ist, wenn in der
Hauptsache ein Rechtsmittel angebracht wird, die Beschwerde zugleich mit
diesem Rechtsmittel anzubringen. Wird nicht in der Hauptsache, sondern
nur über den Kostenpunkt Beschwerde geführt; so geschieht dies im Wegc
des Rekurses.
2) Die Beschwerde über die in Ilter Instanz erfolgte Entscheidung über den
Kostenpunkt kann nur mittelst des in der Hauptsache eingewendeten Rechts
mittels der Revision oder der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden. Wird
«94
auf Unterlassung in Folge Übertretung de« Verpflichteten n«h d«- zur Feststel
lung der Übertretung nöthig gewordenen Beweisaufnahme die darauf gesetzte
Strafe durch Erkenntniß festgesetzt worden. Auf die Höhe der Straft resp. des
Beschwerdeobjekts kommt es hier nicht an. — Art. 1. Nro. 2 u. 3 der Deel,
vom 6. April 1839. — Nro. 22 Inst, vom 7. April 1839 GS. S. 126 fg.
142. — Res. vom 26. Oktober 1839 I. M. B. S. 354. — iz. 1« des
Gesetz, vom 21. Juli 1843 GS. S. 299. — Cabinets- Ordre vom 23. No
vember 1839 GS. .S. 336. — Res. vom 1. December1839 I. M.B. S.401.—
Res. vom 2. Januar 1841 I. M. B. S. 42. — V. vom 4. März 1834 g. 1«
GS. S. 33.
Rekursgründc; und in welcher Form das Rckursgesuch einzureichen.
Z. 193. I. Der Rekurs ist begründet:
2) wenn wesentliche Mängel bei der Instruktion vorgefallen, oder offenbar erhebliche
Thatsachen übergangen sind;
2) wenn gegen die klare Lage der Sache, oder gegen klare Rechte gesprochen ist;
3) überhaupt dann, wenn das Urtel einen Nechtsgrundsatz verletzt, dieser möge nun
auf einer ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes bcruhn, oder aus dem Sinne
und Zusammenhange der Gesetze Hervorgehn; und
4) wenn das Urtel einen solchen Nechtsgrundsatz i» Fällen, für welche er nicht be
stimmt ist, i» Anwendung bringt.
Das Rckursgesuch muH also eins dieser Momente enthalten, wenn es nicht durch
den Rekursrichter sofort als unbegründet zurückgewiesen werden soll. — §. 18, Tit.
26, I. A. G. D. — Art. 1 Nro. 2 der Declar. vom 6. April 1839.
II. Eine bestimmte Form ist für das Rckursgesuch nicht vorgeschrieben.
Es muß innerhalb der §. 185, II. bestimmten Frist bei dem Gericht, bei welchem
das erste Erkenntniß ergangen ist, entweder schriftlich eingereicht, oder zum Proto
koll gegeben werden.') Wenn Rekurrent sich auf dem Gericht dazu meldet, kann
die protokollarische Riederschreibung nicht verweigert werden.. Eine blosse Anmel
dung des Rekurses ohne Angabe des Rckursgrundes hat keinen Essckt. — Ges.
vom 21. Juli 1843 GS. S. 294. — Res. vom 14. Juni 1841 I. M. B. S. 206.
Verfügung auf das Rckursgesuch; Verfahren und Entscheidung.
§. 194. I. Die Prüfung, Einleitung, und definitive Entscheidung
der Rekursgcsuche, dieselben mögen gegen Erkenntnisse, Agnitions- und Purifikations-
resolute der Untergerichte, der Kreisjustizräthe, der Kommissarien für Bagatellsachen,
oder der Deputationen und Abtheilungen der Obergerichte eingelegt worden sein,
steht derjenigen Abtheilung des betreffenden Obcrgerichts zu, in wel
cher die Mcmorialien in gewöhnlichen Zivilprozcssen zum Vortrag kommen. 2) Nur
1) beim Obcrlandcsgcricht zu Posen sind sie der zweiten Abtheilung überwiesen, und
ein solches Rechtsmittel in der Hauptsache nicht eingelegt, so ist gegen den i»
der Ilten Entscheidung ausgesprochcnen Kostenpunkt gar keine Beschwerde zu
lässig (Art. 1 Deel vom 7. April 1839).
3) Betrifft die Beschwerde nur die Festsetzung der gerichtlichen oder aussergc-
richtlichc» Kosten, resp. die Höhe derselben: so findet kein Rechtsmittel, son
dern der Weg der Beschwerde an die dem festsetzenden Gerichte vorgesetzte
Aufsichtsbehörde statt. — §. 28, Tit. 23. K. 2, Tit. 14, I. A. G. O.
Die im Circ. Res. vom 26. Februar 1836 (Jahrb. 47, S. 317) zusammen
gestellten Grundsätze sind zum Theil nicht mehr anwendbar.
Der Umstand, daß das Rekursgesuch falsch bezeichnet wird, z. B. als Nich
tigkeitsbeschwerde, Appellationsbericht :c. ist gleichgiltig. — Ref. vom 10. Juni
1841 I. M. B. S. 218.
2) Also beim Kammergcricht dem Znsnuktionssenat, bei den Oberlandcsgerichten zu
2) in dem Kalle, wenn gegen ein, «sn der sonst zur Entscheidung der Rekurft kom
petenten Obergcrichtsabthcilung abgefaßtes Erkenntniß, der Rekurs ergriffen ist,
gebührt die Prüfung, Einleitung und Entscheidung demjenigen
Senat oder Kollegio, welches erkannt haben würde, wenn das Rechtsmittel
der Appellation gegen das betreffende Erkenntniß eingelegt wäre. ')
Geht demnach ein Rekursgesuch beim Prozcßrichter ein, so muß er eS in allen
Fällen, in denen es rcchtszcitig eingereicht ist, dem Rekursrichtcr nebst den Akten
zustellen. 2) — Untcrgerichtc und Kreisjustizräthe fügen zugleich einen motivirten
Bericht bei. — Res. «cm 16. Oktober 1«39 I. M. B. S. 34«. — Res. vom 14.
September 1842 I. M. B. S. 307.
II. Der beim Rckursrichter ernannte Dezernent trägt die Sache, wie andre
Memorialien, im Kollegio vor. Wird nun
1) der Rekurs für unzulässig, oder unbegründet gefunden, so wird er durch blosse
Verfügung zurückgewiesen, ->) in dieser Verfügung des eingegangenen Berichts, in
sofern solcher erstattet ist, und der erfolgten Einsicht der Akten Erwähnung ge-
than, und die Zurückweisung dem Richter erster Instanz unter Rücksendung der
Akten bekannt gemacht.
2) Wird er für zulässig erachtet; so wird dem Gegentheil das Rekursgesuch in Ab
schrift zugcfertigt mit der Aufforderung, seine Gegenerklärung binnen 14 Tagen
xräklusivischer Frist bei der verfügenden Behörde einzureichen. — Liegt eine der
g. 185, II. Rro. 1 —4 genannten schleunigen Prozeßakten vor; so wird zur Ein?
reichung der Gegenerklärung nur die daselbst zur Einrcichung der Rekursschrift
vorgeschriebene kürzere Frist bewilligt. — (5ab,-Ord. vom 8. August 1832 Nro.
3 c. cl. GS. S. 199. — Deel, vom 6. April 1839 Art, 14.
III. Neue Thatsachen oder Beweismittel werden im Rckursverfahrcn nicht be
rücksichtigt. Es ist ein blosses Dcdukkionsvcrfahrcn. Wenn jedoch au« den Akten
sich ergibt, daß bei der Instruktion Mängel vorgefallen, oder erhebliche Thatsachen
übergangen sind; so wird vorerst die Ergänzung der Instruktion verfügt. Ist dazu
ein Termin nöthig, zu welchem die Parteien zu erscheinen haben, so werden diesel
ben unter der nach Maasgabe des AxpellationsverfahriNs vorgeschriebenen Warnung
vorgeladen. Im Termin selbst wird, wenn ein oder der andre Thcil nicht erscheint,
in conlumgcism verfahren. Handelt es sich daher »m Ableistung eines für er
heblich erachteten Eides, so erfolgt in coiitumscinm dessen Rcrmirung und die
weitere Veranlassung Behufs dessen Ableistung. Sind Parteien nur über Thatsa
chen zu befragen, und dieselben zu instruiren, und beide erscheinen nicht, so erfolgt
demnächst das Erkenntniß nach Lage der Akren. — K. l«, Tit. 26, I. A. G. O. —
Res. vom 17. März 1843 I. M. B. S. 9«. ß. 49, B. vom I. Juni IM.
Königsberg, Jnsterburg, Maricnwcrdcr, Cöslin, Hamm und Arnsberg dem Zi
vil-Senate, bei den Oberlandesgerichren zu Stettin, Ratibcr, Breslau, Glogau,
Frankfurt, Magdeburg, Halbcrstadt, Naumburg, Paderborn und Münster dem
ersten Senate, und beim Oberlandesgericht zu Bremberg dein Plenum. — Res.
vom 16. Oktober 1839.
>) Wenn also gegen ein vom Obcrlandcsgcrichtskollcgio zu Bremberg abgefaßtes
Erkenntniß der Rekurs erhoben wird; so gebührt die Prüfung und Entscheidung
dem Oberappellationsgericht zu Posen.
2) Dem Richter Iter Instanz steht durchaus keine Prüfung des Rekursgesuchs in
materieller Hinsicht zu.
Der Fall der Cab.-Ord. vom 8. August 1832 Nro. 3., in welchem der Rckursrichter
ohne Erfordcrung der Akten das bei ihm eingegangene Rekursgesuch als unzulässig
zurückweisen konnte, kann nicht mehr vorkommen. Denn reicht eine Partei bei ihm
das Rekursgesuch unmittelbar ein, so muß er es sofort dem Richter erster Instanz
zustellen, damit die Einreichungsfrist gewahrt werde; und diese« reicht es nebst Akten
zurück. Ist der erste Richter das Obergericht selbst, so. kommt das Gesuch zu den
Akten, und mit diesen in Bortrag.
296
IV. Nach erfolgter Ergänzung der Instruktion, oder nach Eingang der Ge
genausführung evont. nach Ablauf der dazu gestellten Frist wird ein besonderer Re
ferent ernannt, welcher auf Bortrag der Sache die Entscheidung in Form eines Be
scheides abfaßt, und die Zufertigung an die Parteien oder die Sendung an das Ge
richt Iter Instanz zur Zufertigung veranlaßt. — Ist der Rekurs gegen ein vom
Kommissarius oder einer Deputation des Obergerichts abgefaßtes Erkenntniß einge
legt worden, und sind die damit beauftragten Beamten zugleich Mitglieder der mit
der Erledigung des Rekursgesuchs beauftragten Behörde; so haben sie sich jeder
Mitwirkung bei der Entscheidung über den Rekurs zu enthalten. — Res. vom 16.
Oktober 1839 unter Nro. II. IN. I. M. B. S. 340.
V. Über die zur Abfassung des Bescheides vor einen Referenten gelangenden
Rekurssachen muß eine besondre Spruchkontrolle geführt, und deren Ergebniß bei
Einreichung der vierteljährigen Referententabellen in der Art, wie dies hinsichtlich
der summarischen und Bagatellsachen erster Instanz geschieht, angezeigt werden.') —
Nro. II. und III. Res. vom 16. Oktober 1839.
VI. Durch Einlegung des Rekurses wird die Vollstreckung des Erkenntnisse«
nicht aufgehalten. Doch kann der Rekursrichter nach Befinden der Umstände die
Sistirung des Vollzugs des Urtels anordnen. — Cab.-Ord. vom 8. Aug. 1832 Nro. 3, 6.
Verfahren beim Zusammentreffen des Rekurses und der
Appellation.
K. 195. Wenn in einem und demselben Prozesse das Rechtsmittel des Rekur
ses mit dem der Appellation zusammentrifft; so sind zwei Fälle zu unterscheiden.^)
I. Wird in einem Prozesse, in welchem mehre aus verschiedenen Geschäften
herrührende Forderungen den Gegenstand desselben ausmachen, von einer oder auch
von beiden Parteien bei dem einen Streitpunkt die Appellation, bei dem andern
der Rekurs eingewendet; so erfolgt zunächst die Erörterung und Entscheidung über
das Rechtsmittel der Appellation.») Das Rekursverfahrcn aber bleibt bis nach Er
ledigung jenes Rechtsmittels ausgesetzt.
II. Treffen dagegen die beiden Rechtsmittel in einem Prozesse über mehre,
«us einem und demselben Geschäfte hervorgegangene Streitpunkte, oder auch bei ei
nem und demselben Streitpunkte zusammen; so zieht die Appellation den Rekurs
dergestalt nach sich, daß dieser wie eine eigentliche Appellation behandelt, darüber
') In das nach Nro. 46 der Jnstr. vom 7. April 1839 (oben Z. 171, II.) zu füh
rende Protokollbuch kommen dergleichen Bescheide nicht, da bei ihnen der Grund
der dort enthaltenen Kontrolle wegfällt.
') Von einem Zusammentreffe» des Rekurses mit dem Rechtsmittel der Nichtig
keitsbeschwerde, wovon Art. 4 der Deel, vom 6. April 1839 sprach, kann nun
in Folge der Cab.-Ord. vom 23. November 1839 nicht mehr die Rede sein, da
jetzt Rekurs auch in Nichtbagatellsachen zulässig.
») Hier mögen zwei Beispiele erlaubt sein: Zu I. Kläger beansprucht in einem
Prozesse s<1 psss. auf Grund eines Kaufvertrags ISO Thlr. und zu psss. 1 2
aus einem Miethsvertrag 60 Thlr. Im ersten Urtel wird scl 1 nur 90 Thlr.,
sck 2 nur 4V Thlr. zugesprochen. Run ergreift Kläger hinsichtlich deö ersten
Passus wegen der abgesprochenen 60 Thlr. die Appellation, in Betreff der s<Z '2
abgesprochenen 2V Thlr. den Rekurs; hier wählt auch Beklagter wegen der
Verurtheilung zu 40 Thlr. den Rekurs. Die Verhandlung in Betreff der Re
kurse bleibt ausgesetzt, und es erfolgt vorerst die Erörterung und Entscheidung
der Appellation.
Zu II. Es klagt Jemand blos aus einem Kaufgeschäft 160 Thlr. ein, und
es werden 110 Thlr. zugesprochen. Hiernächst wendet Kläger wegen der abge
sprochenen 40 Thlr. den Rekurs, Beklagter aber wegen Verurtheilung zu 110
Thlr. die Appellation ein. In diesem Falle werden beide Rechtsmittel nach den
Vorschriften über das Appellationsverfahren «erhandelt, und vom AppellationS-
richter wird über beide zugleich in Einem Urtel erkannt.
297
gleichzeitig, jedoch in getrennten Akten, «erhandelt, und durch dasselbe »«m Xppellari«»s-
richter abzufassende Erkenntnisse entscheiden wird.
Wird die angebrachte Appellation vor Entscheidung zurückgenommen; so trit da«
gewöhnliche Rekursverfahren , und die Entscheidung durch den Rekursrichter ein. —
§. 9, V. vom 14. Decbr. 1833 GS. S. 302. — Deel, vom 6. April 1839. Art.
4 GS. S. 126. — Eob.-O. «om 23. Novbr. 1839. GS. S. 336. — Res. vom 10.
Rovbr. 184« I. M. B. S. 385.
Gerichtskosten und Mandatariengebühren.
§. 196. I. Was die Kosten der Rekursinstanz betrifft, so werden
1) dieselben dem Rekurrenten zur Last gelegt, wenn das Rechtsmittel als unzulässig
oder unbegründet verworfen wird.
2) Erfolgt dagegen eine Abänderung des ersten Erkenntnisses; so werden die Kosten
dieses Erkenntnisses niedergeschlagen, es wird hinsichtlich der übrigen Kosten «-
ster Instanz »ach Maasgabe der Entscheidung über die Hauptsache erkannt,
und die Kosten des Rekursverfahrens werden kompensirt.
II. An Gcrichtskosten werden, ausser den von der Salarien-Kasse verauslagte»
Porto» und andern Auslagen, wozu jedoch Copialien nicht zu rechnen sind, liquidirt,
1) wenn das Rekursgesuch ohne Mittheilung an den Gegner zurückgewiesen wird,
ein Pauschquantum von 3 bis 6 Sgr.
2) Wird die Sache nach Mittheilung des Rekursgesuchs an den Gegner durch
Entsagung, Vergleich, oder Ancrkenntniß beendigt; so kommen von jedem ange
fangenen Thaler der in die Rekursinstanz gediehenen Summen 1^ Sgr. in An
satz. Doch ist der mindeste Satz dieses Pauschquanti 6 Sgr.
3) Wird die Sache nach vorheriger Mittheilung des Rekursgesuchs durch einen Be
scheid des erkennenden Richters erledigt; so kommen von jedem angefangenen
Thaler der in die Rekursinstanz gediehenen Summe 3 Sgr., und wenn hiernach
das Pauschquantum weniger als 9 Sgr. betragen würde, 9 Sgr. an Kosten in
Ansatz, ohne Rücksicht darauf, ob eine Gegenerklärung eingegangen ist oder nicht. —
Res. vom 29. Juni 1836. Jahrb. 47, S. 556. — Geb.-Tare vom 9. Octobr.
1833. III. Nro. 1. s. b. c. Nro. 5. — Res. vom 6. Juli 1839 Nr«. 1—Z
I. M. B. S. 2S2.
III. Die Gebühren der Justizkommissaricn für Anfertigung des Rekurige-
suchs und dessen Beantwortung sind mit Rücksicht auf die bei Nichtigkeitsbeschwer
den stattfindenden Grundsätze auf 1j Sgr. von jedem angefangenen Thaler einschließlich
der Copialien festzusetzen. Jedoch können sie nach Umständen auf einen geringem
Betrag bestimmt, und sie müssen sogar ganz abgesprochen werden, wenn ein Justiz-
kommissar einen offenbar grundlosen Rekurs angebracht, und verfolgt hat, ohne zu
den Akten den Nachweis zu bringen, daß er das Gesuch auf ausdrückliche« Verlan
gen der Partei und gegen seine eigne Ansicht eingelegt hat. — Res. vom 6. Juli
1839 Schlußsatz. — Art. 12 der Deel, vom 6. April 18Z6.
Vierter Abschnitt.
Zvom. Rechtsmittel der VppeNation.
Dessen Aulässigkeit und Unzulässigkeit,
z. 197. I. Das Rechtsmittel der Appellation findet in allen Fällen statt, in
welchen der Gegenstand der Beschwerde unschätzbar ist, oder nach Gelbe te»
' ) Derjenige, welcher das Rechtsmittel der Appellation ergreift, heißt Appellant,
der Gegner Appell«.
298
Uchnet die Summe von 50 Thlr. übersteigt. > ) Was bei Einlegung des Rechts
mittels unter den. Parteien nicht mehr streitig ist, kommt daher nicht in Anrech
nung. Bei Berechnung des Beschwerdeobjekts kommen die Vorschriften des ß. 69
(S. 126 fg.) zur Anwendung. Grundgercchtigkeitcn gehören auch in Betreff des
Rechtsmittels der Appellation zu den Gegenständen, welche nach Gclde nicht abzu
schätzen sind. Damit bei Grundgercchtigkeiten für den Fall einer theilwciscn Aber
kennung oder Zuerkennung hie Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zweifelhaft werde;
ist die Vernehmung der Parteien über deren Werth schon in erster Instanz, so weit
es geschehen kann, auf die einzelnen in Anspruch genommenen Rechte zu richten. ^)
Sind mehre Forderungen in einem Prozesse streitig; so werden
1) die aus einem und demselben Hauptgeschäft entspringenden Ansprüche, die Ge
genstand der Beschwerde sind, zusammengerechnet, und darnach die Appellabilität
beurtheiltz dagegen ist, wenn
2) die verschiedenen Forderungen auf verschiedene Geschäfte sich gründen, die Zuläs
sigkeit des Rechtsmittels nach jeder einzelnen Forderung zu beurtheiien. Nur
bei Einklagung eines Saldo findet die 69, I. beregte Ausnahme statt.
In allen Fällen, in welchen mehre Personen als Kläger oder Beklagte in einem
Prozesse zugelassen worden sind, ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach dem Gc-
sammtbetrage der von den mehren Streitgenossen oder deren Gegner als Gegenstand
der Appellation geeigneten Forderungen oder Leistungen zu beurtheilen.») — §. 2, 8,
» der Berord. vom 21. Juli I84Z GS. S. 297. — Anh. Z. 109 A. G. O. —
Art. 1 Ges. vom 6. April 1839 GS. S. 126. — Res. vom 11. Januar. 1844
I. M. B. «. 2«.
II. Ausgeschlossen ist das Rechtsmittel der Appellation
1) in allen Fällen, in denen das Objekt der Beschwerde 50 Thlr. nicht übersteigt;
oder in sofern die Beschwerde blos den Kostenpunkt betrifft;
Der Z. 2Z, Tit. 22 der Proz.-Ord. bildet keine Ausnahme. Das Rechtsmittel
der Appellation ist daher auch dann bei cincm Objekte über 50 Thlr. zulässig,
wenn bei nicht geschehener Leistung einer zuerkannten Handlung oder Sache der
Berechtigte sein Interesse liquidirr, und es sich um dessen Festsetzung fragt.
«Z In dem Res. vom 15. Mai 1»44 (I. M. B. S. 12«) wird der Fall erwähnt,
wenn Jemand auf Wegräumung mchrer in der Mauer des Hauses angebrachte
Wandschränke klagt. Es ist zugleich die Frage aufgestellt: ob hier der Gegen
stand des Prozesses eine GrundgcrechtigZeit oder ein zu leistendes Factum sei?
Ohne Rücksicht auf einen speziellen Fall läßt sich diese Frage nicht genau be
antworten. Ist die Mauer, in welcher die Wandschränke sind, gemeinschaftliches
Eigenthum beider Theile, dann kann von einer Grundgerechtigkeit nicht die Rede
sein; eben so wenig, als wenn dieselbe dem Beklagte» allein gehört. Dagegen
wird dies anders sein, wenn die Mauer alleiniges Eigcnthum des Klägers ist,
und Beklagter behauptet, daß er ein Recht auf Erhaltung der Wandschränke in
der fremden Mauer erlangt habe.
«) Mit Rücksicht auf §. 1« des Gef. vom 21. Juli 1843 (GS. S. 299) und
Z. 14 g, Tit. 14, I. A. G. O. gilt demnach folgendes beim Vorhandensein meh
rer Streitgenossen:
s) Ergreifen die mehren Kläger oder Beklagte auch nur zum Theil die Appel
lation, so ist die Zulässigkeit darnach zu beurtheilen, ob sowohl der Streit
gegenstand, derentwegen sie appelliren, als der der übrigen nicht appelliren-
den Streitgenossen, in soweit diese noch später der Appellation beitreten kön
nen, wenn jene ein günstigeres Urtel erlangen, zusammengerechnet eine ap-
pellable Summe bildet.
b) Appellirt der Gegner mehrer Streitgenossen; so ist die Appellabilität nach
den den Appellationsbeschwerden unterworfenen Streitobjekten aller Appella-
ten zu beurtheilen.
In welchem VcrhSltniß die Streitgenossen sonst zu einander stehen, ob der
Streitgegenstand, welcher dieselben berührt, theilbar sei, oder nicht u, s. w., dar
auf kommt es nicht an. — tt. auch §. 199, I.
2) in Jnjurienprozessen; de«gl. gegen Purifitati«»sr«s,lutto«e«z
3) in Betreff der im ersten Urtcl einer Partei zuerkannten Prozeßftrafe», si«
seien Geld- oder Gefängnißstrafen oder dcr Verlust des Rechts, einen nothwen-
digen Eid leisten zu können (H. 17«, V.);
4) in Possessorienprozeßsachen;
5) gcgen die in »othwcndigcr Sub Hastation ergangenen Adjuditatiooöurtel ,
6) gegen die im Diffamations - und Provokationsprozeß dchnitiv abge
faßten Praklusionscrkenntnissc.
7) In Prozessen auf Wahn- und BlödsinnigkcitSerklärung steht d« Ber-
wandten des Prcvokaten gegen das zu ihrem Nachtheil ergangene Urtel Kin
Rechtsmittel zu. Dem Kurator des Provokaten dagegen stehen die gewöhnli
chen Rechtsmittel zu Gebote. '
8) Wegen blosser Jnzidentpu nktc, welche die Instruktion der Sache betreffen,
und in dem Urtel mit entschieden sind, kann nur alsdann appellirt werden, wenn
zugleich das aus solcher Entscheidung mithersiiessende Erkenntniß in der Haupt
sache angefochten wird. — Art. 1 Verlar, vom 6. April 1639. — Z. S, N».
Tit. 14. z. 1«. Tit. Zt. §. 14, Tit. 34. K. «, Tit. 38. j. 60, Tit.
62. j. 2S, Tit. 32, l. A. G. O. — K. Ä des Ges. vom S. M« 18SS GS.
S. 275.
III. Dem Richter steht die Befugniß zu, in Fallen, in welchen di« Apfttl-
larion, dem Gegenstande »ach, sonst zulässig sein würde, solche dennoch zu ver
werfen, wenn die Entscheidung ganz unzweifelhaft und die Appellation offenbar nur
zum Vcrschleif der Sache eingewendet worden ist.') — Z. III, Anh. z. A. B. O.
IV. Verwirft der Richter erster Instanz eine bei ihm angemeldete Appellation
als unzulässig; so steht dem Appellanten dagegen binnen 4 Wochen die Beschwerde
(Rekurs) an die diesem Richter unmittelbar vorgesetzte Behörde offen. Die Letzte»
prüft den Vcrwerfuiigsgnmd, allenfalls nach Erforderung der Akten, und verfügt
das Röthige. Gegen diese Verfügung sindct kein weiteres Rechtsmittel statt. Läßt
Appellant vier Wochen verstreichen, ohne gcgen die ZurückweisungSverfügung Rekurs
einzureichen; so wird das Urtel erster Instanz rechtskräftig und eS ist später kein
Rekurs, auch kein andres Rechtsmittel mehr zulässig. — H. 4 K., Tit. 14, l. A. ».
O. — Res. vom 5. März 1642 I. M. B. S. 177.
V. Ist in erster Instanz vo» einer AuseinandersetzungSbchörde erkannt; dem
nächst aber in Ilter Instanz auf dem tz. 5, (S. Iii) vorgeschriebenen Weg« ausge-
mittelt, daß der Prozeß vor die ordentlichen Gerichte gehöre; so ist derselbe in den
höheren Instanzen von den Gerichten fortzusetzen und zu entscheiden, okne daß es
einer nochmaligen Entscheidung in crftcr Instanz durch das kompetente Gericht be
darf. — Cab.-Ord. vom 12. April 1844 GS. S. 119.
Wirkung dcr Appellation in Bezug auf die Volistreckbarteit dss
ersten Urtels.
§, 198. I. Wen» das Rechtsmittel dcr Appellation eingewendet und zuMas
se» uird; so muß die Vollstreckung des ersten Urtels iu der Regel ausge
setzt bleiben. Die Appellation hat mithin in der Siegel Suspensiveffekt.?)
Doch betrifft diese Wirkung immer nur die Ansprüche, in Betreff deren das Rechts-
mitttl ergriffen ist. Dagegen ist der rechtskräftig gewordene Thcil des ersten Er-
>) Dies wird namentlich bci Agttitioiiörcsolutioncn in der Regel dcr Fall sei» «irjs-
sen. Doch ist in Betreff derselben das Rechtsmittel dcr Appellation nicht un
bedingt ausgeschlossen.
2) Der Gegensatz ist Dcvolutweffctt, wenn nemlich lrctz des Rcchrsmittels das erste
Urtel vollstreckt wird.
300
kenntnissei, der Einwendung des Rechtsmittels hinsichtlich anderer Punkte ungeach
tet, «ollstreckbar. Es versteht sich aber von selbst, daß, wenn in einem aus mehren
Punkten, oder Forderungen und Gegenforderungen bestehenden Prozesse auch nur
gegen Entscheidungen über gewisse Präjudizialfragen appellirt worden ist,
von denen die Bestimmung einzelner Punkte dergestallt abhängt, daß, wenn bei
den Präjudizialfragen das erste Urtel zum Besten des Appellanten geändert würde,
auch bei den einzelnen Punkten anderweite Bestimmungen zu seinem Vortheile von
selbst eintreten müßten, alsdann bei der Berechnung der erekutionsfähigen Summe
dergleichen einzelne Posten, wenn auch darüber nicht ausdrücklich uud besonders ap
pellirt wäre, dennoch nicht mit in Anschlag kommen dürfen. — Z. 5, 1«, l. 14 A. G. O.
II. Der Apellation ungeachtet ist die Bollstreckung des ersten Urtels zulässig:
^. wenn Jemand verurtheilt ist, dem andern Alimente zu geben. Doch darf er
bis zur rechtskräftigen Entscheidung, und gleichviel, wenn auch das Ute Urtel ihn
davon entbände, nur die im ersten Urtel zuerkannten, vom Tage der angemeldeten
Klage laufenden, Alimente zahlen. >) — Ist die Verpflichtung zur Alimentenzah
lung von einem erkannten Eide abhängig; so bleibt die Alimentenzahlung bis zur
Eidesleistung ausgesetzt.
L. Wenn Gefahr beim Verzuge ist, dergestalt, daß aus genauer und sorgfäl
tiger Erwägung der obwaltenden Umstände sich findet, daß durch längeren Ausschub
der Exekution dem Appellaten ein wichtiger und unersetzlicher Schaden zugefügt wer
den würde. Wenn in diesem Fall Appellat, der Appellation ungeachtet, auf Exe
kution dringt; so muß Appellant entweder
s) dem Erkenntnisse Gnüge leisten, oder
d) die etwa streitige Summe «der Sache gerichtlich niederlegen, oder
o) wegen künftiger Befolgung des Urtels, wenn dasselbe in den weitern In
stanzen bestätigt würde, hinlängliche Sicherheit, wofür jedoch blos eidliche
Kaution nicht zu achten, bestellen. — Behauptet Appellant aus nicht unerheblichen
Gründen, daß ihm aus der Vollziehung des Erkenntnisses ein beträchtlicher Scha
den bevorstehe, dessen Ersatz er vom Appellaten, wenn das Erkenntniß in den fol
genden Instanzen geändert würde, nicht erhalten zu können Gefahr laufe; so muß
der Richter in einem besondern, ausserhalb des Appellationsverfahrens, und mög
lichst nahe zu bestimmenden Termine die Parteien gegen einander hören, und dann
durch eine Resolution festsetzen,») in wiefern dennoch mit der Exekution entweder
nach dem ganzen Umfange des Erkenntnisses, oder unter gewissen schicklichen, die
Den Alimenten sind Altentheilsprästationen gleichgestellt. Anders ist es dagegen
bei Pensionen und bei Emolumentenforderungen aus Bedienungen. Hier hat
das Erkenntniß Suspensiveffekt. — Sind auf Grund des ersten Urtels Alimente
gezahlt, im zweiten Urtel dagegen die Alimente des ersten Urtels herabgefetzt
oder ganz aberkannt, so können die gezahlten Alimente weder durch Kompensa
tion mit späteren Leistungen, noch durch Exekution ohne Weiteres zurückverlangt
werden. Es ist deshalb vielmehr Klage und besonderes Erkenntniß nöthig. —
§. 19, Tit. 49, I. A. G. O. — Res. vom 2«. Oktober 1S24 und vom 1. März
1834. Jahrb. 24, S. 307. 43, S. 104. — Res. vom 14. December 1827.
Mannkopf Erg. z. A. G. O. II. S. 1«. Res. vom 12. Januar 1827.
GrSfs, Koch ic. Erg. III. S. 272. Zweifelhaft ist, ob der Devolutiveffekt des
ersten Erkenntnisses auch den Erben oder Zessionarien des ursprünglich berech
tigten Alimentenforderers zu Statten komme. Dies muß aber bejat werden, da
die Bevorzugung der Alimente an dem Anspruch selbst klebt, und ohne Rücksicht
bewilligt ist.
») Gegen diese Resolution ist zwar eine Beschwerde (Rekurs) an die vorgesetzte Be
hörde des verfügenden Richters zulässig. Doch können auf diese Beschwerde nur
in formeller Beziehung Mängel gerügt werden, d. h. das Resolut darf nicht in
materieller Beziehung abgeändert werden, sondern die Aufsichtsbehörde darf nur
prüfen, ob der Exekutionsxichter die vorstehend sub II. ertheilten Vorschriften
301
Gefahr des Schaden« oder Verluftes auSschliessenben MaaSgabe» zu «»fahren,
oder der Appellat zuförderst zur Kautionsleistung anzuhalten, oder der Appellation
die völlige Wirkung (Suspensiveffekt) beizulegen sei.
Eine solche Resolution gilt jedoch nur als Interimistikum bis zum Urtel Nter
Instanz. Sur näheren Bestimmung des in solchen Fällen stattfindenden richterli
chen Ermessens ist noch angeordnet:
1) daß eine gänzliche Entsetzung aus dem wirklichen Besitze während der Appel
lation in der Regel nicht stattfinde z e« märe denn von dem Besitze eines Rech
te« die Rede, au« dessen fernerer Ausübung dem Appellanten ein unwieder
bringlicher Schade bevorstände,
2) daß, wenn der Nachtheil, welchen Appellant au« einer während der Appellation
erfolgenden Vollstreckung de« ersten Uttels bei einer in der Folge zu seinem Be
sten erkannten Abänderung des'elben zu besorgen hat, nicht mit hinlänglicher
Gewißheit nach Velde geschätzt werden kann, keine Exekution stattfinde;
3) daß hingegen, sobald eine solche Schätzung nach Gelbe geschehen kann, der Appellat
in der Regel zu hören sei, wenn er gegen baare Niederlegung dieser Geldsum,
me auf die Exekution dringen will. — §. 6—8, Anh. Z. 112, «it. 14, I. A.
G. O. — Res. vom 24. Jan. 1805. Mathi«, Bd. 1, S. 334.
III. Ausserdem sind durch das Gesetz noch folgende spezielle Fälle be
zeichnet, in welchen theils wegen Dringlichkeit der Sache, theils zur Abwendung sonst
unvermeidlicher Nachtheile dem ersten Urtel während der ferneren Instanzen Boll-
ftreckbarkeit inwvhnt. — Diese Fälle find:
1) wenn in Prozessen zwischen Herrschaft und Gesinde jene zur Abschaffung
des letztern durch Urtel für befugt erachtet ist. In einem solchen Falle muß die
Instruktion in der Appellationsinstanz zugleich auf die AuSmittelung des In
teresse gerichtet werden, welches das Gesinde dann fordern kann, wenn die Herr
schaft mit der behaupteten Entlassungsbefugniß rechtskräftig abgewiesen werden
sollte. — Dagegen hat die Appellation volle Wirkung, wenn das Gesinde zur
Fortsetzung des Dienstes verurtheilt ist. — Anh. §. 1l3, z. A. G. O.
2) Erkenntnisse, welche in Folge der im Mandatsprozeß gegen das erlassene
Mandat erhobenen Einwendungen ergangen, sind trotz der Appellation vollstreck
bar, dieselben mögen nun auf Zurücknahme des Mandat« oder aus Vollftrek-
kung der Exekution lauten. — Z. 14, Jnstr. vom 24. Juli 1833.
3) In Prozessen wegen der §. 77, II. Rro. 1 (S. 137) bezeichneten Gegenstände
(den früheren Exekutivprozeßsachen) hat die Appellation ebenfall« Devo
lutiveffekt. — 8. 4«, B. vom 1. Juni 1833 GS. S. 37. — «es. vom I.
Septbr. 1835. Jahrb. 44, S. 89.
4) Gleiches gilt in Betreff der im Wechselprozeß ergangenen, §. 33, 34 Anh.
§. 186, Tit. 27, I. A. G. O. — Res. vom 5. Aug. 1836. Jahrb. 48, S. 22«.
5) so wie hinsichtlich der, auf die in der Exekutionsinstanz erhobenen Ein
wendungen abgefaßten Erkenntnisse. — Z. 40, Tit. 24, I. A. G. O. — Exek.«
Ges. vom 4. März 1834 §. 6 GS. S. 31.
6) In Prozessen auf Wahn- und Blödsinnigkeit«« und Prodigalitats-
Erklärung haben die vom Provokaten resp. dessen Kurator eingewendeten
Rechtsmittel nur die Wirkung, daß die Anordnung der zur Sicherung des Ver
mögens des Provokaten nöthigen Sicherheitsmaßregeln erfolgt, und daß e« da
bei bis zur rechtskräftigen Entscheidung, selbst wenn in Ilter Instanz da« erste
Uttel zu seinen Gunsten geändert wird, verbleibt. — Nur dann, wenn Provokat,
'gehörig befolgt hat, und kann evevt. denselben zur Ergänzung de« Verfahren«
anweisen, ohne sich jedoch mit der Festsetzung selbst befassen zu dürfen. — «es.
vom 24. Januar 1SS4. Jahrb. 43, S. 1ZS. «räff S, «. 166.
Ms Xnmxkdung d« Rechtsmittel« neue, erheblich scheinende Umstönbe zur Ableh
nung der ihm, den bisher verhandelte» Akten zufolge, zur Last fallenden Tat
sachen anführt und sofort bescheinigt, oder doch durch bestimmte Beweismittel
unterstützt, findet eine Ausnahme statt. — ß. 8, 25, 28 fg. Tit. 38, I. A. G. O.
7)JnUnterthanenprozessen hat das erste Urtel Devolutiveffekt
«) bei Klagen auf gänzlichen Erlaß der Dienste; das erste Erkenntnis) ist hier
Interimistikum?
d) bei Exmissionöprozcssen, wenn der Beklagte nicht Eigentümer, und
aus Gründen, welche in einem angerichteten und ferner zu besorgenden Ruin
der Wirthschaft und des Jnventanums beruh», aus Exmission erkannt ist.
Diefe muß auf Antrag dann sofort erfolgen. — z. 8V g, 91, Tit. 41 a. a. O.
V> Bei Grenzstreitigreiten niuß das erste Urtel als Interimistikum, des ein
gelegten Rechtsmittels ungeachtet, vollstreckt werden, und bis zur rechtskräftigen
Entscheidung zur Norm dienen. — §. 25, Tit. 42 a. a. O.
S) In Pachtprozessen erlangt,
,) bei Klagen auf Zahlung von Pachtgeldern das erste Erkenntniß die Kraft
eines Jnterimistizi. Wird in wter Inst anz das erste Urtel abgeändert, so
bleibt die Sache in der Lage, in welcher sie sich zur Zeit der Publikation
des zweiten Urtels befand, bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Die Exe
kution aus dem ersten Urtel wird daher, in soweit sie noch nicht vollstreckt
ist, und die in zweiter Instanz abgeänderte Summe betrifft, suspcndirt.
d) Bei Klagen auf Exmission des Pächters hat, wenn wegen schlechter Wirth
schaft auf Exmission erkannt ist, das ergriffene Rechtsmittel Suspensiveffekt.
Ist dagegen auf Sicherheitsmaßregeln für den Verpächter erkannt, so wird
das Urtel in dieser Beziehung, trotz der Appellation, in Vollzug gebracht. —
Ist wegen andrer Ursachen, als schlechter Wirthschaft, auf Exmission erkannt,
so müssen die zur Sicherstellung des Verpächters dienenden Maasregeln ver
anlaßt werden. Sind dergleichen Sicherungsmaßregeln nach der besonde
ren Lage der Umstände nicht möglich, und ist voraus zu sehen, daß die In
struktion und Aburtelung der Appellatorii einen solchen Seitraum erfordern
werde, daß innerhalb desselben dem Verpächter ein unwiderbringlicher Räch-
theil erwachsen könnte; so muß, der Appellation ungeachtet, mit Exmission
des Pächters verfahren; zugleich aber eine gerichtliche Administration des
Gutes oder Grundstücks vom Amtswegen angeordnet werden.
«) In Prozessen auf Rückgewähr des Pachtgrundstücks wegen abgelaufe
ner Pachtzeit*) hat das erste auf Räumung lautende Erkenntniß in allen
Fällen, wo die Rückgewahr aus andern Ursachen, als wegen eines auszu
übenden Rückbehaltungsrechts, verweigert wird, Devolutiveffekt, und der zur
Räumung verurtheilte Pächter muß, der Appellation ungeachtet, exmittirt
werden. — Wird jedoch die Räumung wegen eines Zurückbehaltungsrechts
verweigert; so muß der über dieses Recht schwebende Streit als Arrestsache
behandelt und entschieden werden. Die Exmission bleibt jedoch bis zur rechts
kräftigen Entscheidung dieses Punktes ausgesetzt. — Z. 11, 12, 41, 55, Anh.
Z. 299-301 Tit. 44, I. A. G. O.
Miethsprozessen hat das Rechtsmittel der Appellation stets Devolutiv
effekt; so daß während derselben mit der erkannten Im- oder Exmission ver
fahren werden muß. — §. 63 a> s. O.
^ Darauf kommt cS übrigens nicht an, ob die Pachtzcit wegen Ablauf der Zeit,
oder, weil eine kontraktische Bedingung, z. B, in Folge nicht gezahlten Pacht
zinses ze. eintrit, von deren Eintreten das Ende der Pacht abhängt, beendigt
«ird. — «. Res. vom 25. Febr. 1837. Jahrb. 49, S. 197. — Res. vom , ,
I«« IS«. Thenn« Z», T. S70>
303
11) Jn Moratoriensachen bot die Appellation de« Provokanten stttk Ke«
voluriv-Effekt. Ist derselbe zum Moratorio vcrstattet, sind dabci jedoch zugleich
Sicherhcitsmnßrcgeln angeordnet, so niüssen auch diese der Appellation ungeach
tet in Ausführung gebracht werden. Im Übrigen aber hat die Appellation der
Provokaten volle Wirkung (Suspensiveffekt). — §. 27—Zt, 87, 89, »it. 47 a. a. O.
12) Bei der Provokation auf die Rechtswchlthat der Guterabtretung (ces-
si« bonorum) hat die Appellation immer Devolutiveffekt. Ist t>aher durch
das erste Urtel Provokant zur Rcchtswohlthat »erstattet, und die Provokaten
oppellirenj so kann wölkend der Instruktion, und bis nicht in Iltcr Instanz
etwas andres erkannt ist, gegen den Gemeinschuldner nicht mit Personalhast
und Observation verfahren werden. Dagegen können die Gläubiger dies troj
der Appellation des Provokanten beantragen, wenn dieser in erster Instanz ab
gewiesen ist. — 2tt -2«, Kit. 48 a, a. O.
Zulässigkeit und Wirkung des Rechtsmittel« der Appellation kn Be
zug auf Litiskonsorten, Adzitanten, Litisdenunzianten
»nd Interventen.
Z. 199. I. Ergreifen in einem Prozesse, in welchem mehre Personen als Klä
ger oder Beklagte zugelassen worden, nicht alle, sondern nur einer oder einige der
selben gegen ein ihnen nachtheiliges Erkenntniß das Rechtsmittel der Appellation;
so können noch später nach Ablauf der Appellationsfrist, und selbst noch nach Pu
blikation des Appellationsurtcls die übrigen Mitkläger oder Mitbeklagte der Appel
lation beitreten,') Die in zweiter Instanz ergangene günstigere Entscheidung kommt
ihnen in Bezug auf den Gegner ebenfalls zu Gute. Nur zum Nachtheil ihrer Li
tiskonsorten, welche das Rechtsmittel ergriffen Naben, können sie sich der günstigern
Entscheidung nicht bedienen. Wenn also z, B. in Konkurs oder Liquidationsprozes
sen die vorhandene Masse zu ihrer aller Befriedigung nicht hinreicht, so muß der
Appellant seinen Anthcil rorznglich vor den übrigen Konsorten erhalten. — In An
sehung der Kosten müssen dergleichen später beitretende Litiskonsorten so angesehen
werden, als wenn sie gleich Anfangs Mitappellanten gcwefen wären. — §. 14»,
14 K, Tit. 14, I. A. G. O. Z. 1« des Ges. vom 21. Juli 1843 GS. S. 299.
II. Eben so kommt das vom Adzitaten, Litisdenunziaten oder akzessorischen
Jntervenienten auf eingewendete Appellation crstrittenc günstigere Erkenntniß dem
Adzitanten, Litisdenunzianten oder Interventen zu Statten, wenn diese sich auch
beim ersten Erkenntnisse beruhigt hatten. — z. 15, Tit. 14. Z. 1, Tit. 15. Z. 31,
Tit. 17, Z. 9, Tit. 13, I. A. G. O.
In wiefern Appellat von dem durch de» Gegner eingewendeten
Rechtsmittel zu seinem grösserem Vortheil Gebrauch machen könne.
Z. 200. Als Grundsatz gilt: daß die Partei, welche sich beim ersten Urtel
beruhigt, in Folge der vom Gegner eingewendeten Appellation niemals eine für sie
günstige Abänderung des ersten Erkenntnisses erwarten darf, dies selbst dann nicht,
wenn durch die in zweiter Instanz vcrcmlaßte neue Untersuchung die Beschaffenheit
und der Zusammenhang der Thatsachcn anders, oder vollständiger, zum Theil selbst
zu Gunsten des Appellaten, entwickelt worden, oder wenn der Appcllationsrichter
die Sache aus einem andern Gesichtspunkte betrachten und dafür halten sollte, daß
') Darauf kommt es nicht weiter an, ob diese mehren Kläger oder Beklagte in
Bezug auf ein und denselben Anspruch Litiskonsorten sind oder Nicht. Auch auf
die in Geinäßhcit der tz. 36, 37, Tit. 1. Prcz. O. (oben z. 17, S. 33) zu
Einem Prozesse verstatteten mehren Kläger oder Beklagte findet die Bestim
mung §. 199, l> Anwendung. — N. oben Z. 192, «ro. 1 «nd j. 197, I.
S«4
d« «st« «ichter die Gesetze nicht richtig «klärt ober angewendet habe. Findet der
AppellationSrichter, daß nach der jetzt entwickelten wahren Lage der Thatsachen oder
nach richtiger Erklärung und Anwendung der Gesetze, der Appellant in der Haupt
sache weniger erhalten, oder mehr zu zahlen oder zu leisten haben würde, als in
der ersten Instanz erkannt ist; so muß er blos das erste Urtel bestätigen.
Damit jedoch in diesem Falle eine Partei, welche vielleicht selbst mit der wah
ren Lage der Thatsachen nicht vollständig bekannt gewesen, und daher, «der sonst
«m« Abneigung vor Prozessen, sich bei dem zum Theil ungünstigen Urtel in Hoff«
nung der schnelleren Beendigung der Sache beruhigt hat, an ihren wesentlichen
Rechten durch die vielleicht aus moralisch-löblichen Beweggründen unterbliebene Ein,
Wendungen der Apellation nichts verlieren möge; so ist ausnahmsweise einer
Partei die spätere Nachholung der Appellation noch dann gestattet, wenn durch
eine in zweiter Instanz vom Appellanten veranlaßte neue Instruktion die Beschaf
fenheit und der Ausammenhang der bei dem Prozesse zum Grunde liegenden That-
sache auf eine andre vollständigere Art und zwar zum Besten des Appellaren sich
entwickelt hat. Dieser kann in diesem Falle noch vor dem Abschluß der Sache in
Ilter Instanz darauf antragen, daß auf den Grund der neuen Instruktion das Ur
tel erster Instanz, der nunmehrigen wahren Lage der Sache gemäß, zu seinem Vor
theile geändert werde. Doch kann Apxellat niemals auf neue und weitere Instruk
tion antragen, sondern er muß die nachgeholte Appellation blos aus den bisherigen
Verhandlungen rechtfertigen. — §. 11, 12, Tit. 14, I. A. G. O.
Appellationsanmeldung und Appellationsbericht.
z. 201. I. Eine bestimmte Form ist für Anbringung des Rechtsmittels der
Appellation nicht vorgeschrieben. Auch die blosse Anmeldung bei dem Richter
erster Instanz innerhalb der §. 135, II. vorgeschriebenen Frist wahrt das Rechts
mittel. Eine Anmeldung desselben ist aber schon als vorhanden anzunehmen, wenn
Appellant seine Unzufriedenheit mit einem Erkenntnisse, gegen welches die Appella
tion zuständig, dem gedachten Richter schriftlich < ) oder durch protokollarische Erklä
rung zu erkennen gibt. Der Richter muß in einem solchen Falle jedesmal, gleich
viel, ob die Anmeldung vollständig ist, oder nicht, gemäß der folgenden Vorschriften
das Weitere zur Einleitung des Appellationsverfahrens verfügen. 2)
Wollständig aber ist die Appellationsanmeldung dann, wenn Appel
lant im schriftlichen «der protokallarischen Gesuch seinen Willen, das Rechtsmittel
der Appellation zu ergreifen, erklärt, zugleich die Beschwerdepunkte bestimmt und
deutlich angibt, und den Antrag, wie er in Ilter Instanz erkannt wissen wolle,
anführt. ') — g. 16, 2S, 28, 33, Tit. 14, I. A. G. O. — Verord. vom 21. Juli
1843 GS. S. 294.
«) Ob Appellant das Gesuch selbst geschrieben oder nicht, ob er es unterkreuzt oder
unterschrieben, oder durch einen andern hat anfertigen und einreichen lassen, ist
gleichgiltig. Wenn nur sein Wille, sich beim Erkenntnisse nicht beruhigen zu
wollen, zu entnehmen ist.
2) Wenn die Partei einen Bevollmächtigten oder Rechtsbeistand hat, so muß der
selbe, wenn die Partei appelliren will, sich bemühen, von ihr Behufs Einrei
chung einer »ollständigen Appellationsanmeldung und des Berichts die nöthlgen
Data zu erlangen. Er muß ihr deshalb mit den nöthigen Belehrungen und
Gutachten an die Hand gehen, und die erforderliche Anleitung geben, welche
Rachrichten noch nöthig, und in welchem Umfange sie zu ertheilen. — Ls. Z. 16,
fg. Tit. 14, l. A. G. O.
») Die Angabe: ob neue Thatsachen oder Beweismittel vorkommen, ist nicht mehr
nothwendiges Erforderniß, da jetzt beim Nichterscheinen des Appellanten im Recht-
sertigungötermln und wenn Appellationsbericht auch nicht schriftlich eingereicht
ist, jedesmal Vpruchvorlegung erfolgt. Früher war jene Angab? um deshalb
303
II. Zu einem vollständigen Xppellationsbericht gehört die genaue Ans
gäbe der Appellationsbeschwerden und die Beifügung der zur Unterstützung derselben
dienenden Gründe. Kommen mehre Beschwerden vor, so müssen dieselben gehörig
abgesondert, und jedem die denselben unterstützenden Gründe unmittelbar beigefügt
werden. Kommen neue Thatsachcn vor, so müssen dieselben vollständig und deut
lich auseinandergesetzt und durch Beweismittel unterstützt werden. Diese sind be:
stimmt angegeben, und wenn sie in Urkunden bestehen, dieselben im Original oder
in Abschrift beizulegen; falls sie aber nicht sogleich herbeigeschafft werden können, ist
der Ort, wo sie sich befinden, genau anzugeben. — §. 19, 21, Tit. 14, 1. A. G. O. —
§. 1! der V. vom 5. Mai 1838 GS. S. 273. . .
Bemerkung über den Gang der nachfolgenden Vorschriften.
§. 2«2. Das Verfahren in der Appellationsinstanz ist verschieden, je nachdem
der Prozeß in erster Instanz
I. nach den Vorschriften der A. G. O. (§. »9—172 S. 156 fg.) oder
II. nach dem Gesetz vom 1. Juni IM (§. 77—88, S. 137 fg.) oder
III. im Großherzogthum Pofen nach der Verord. vom 9. Februar 1817 (Z. 173—182)
«erhandelt und entschieden ist. - .
Einige bei besondern Prozeßartcn vorgeschriebenen Abweichungen werden bei Ab
handlung dieser Prozeßakten (Tit. 10 und 11> vorkommen.
Welches Verfahren zur Anwendung kommt, wenn das Rechtsmittel der Appel
lation mit dem des Rekurses in ein und demselben Prozesse zusammentrifft, davon
ist bereits z. 195 die Rede gewesen.
') Läßt ein Justizkommissar das verspätete Nachbringen der Schriften sich zur Ge
wohnheit werden; so soll er dahin verwarnt werden, daß sein Benehmen dem
Ehef der Justiz angezeigt werden solle. Dies ist dann zu thun, wenn die War
nung fruchtlos bleibt. — Anh. z. 121, Tit. 14, I. A. G. O.
314
bis zu deren Beendigung das Deduktion sverfahren zu siftiren, demnächst aber
wie zu Nro. 2 zu verfahren. — Anh. §. 122 a. a. O.
Von Abfassung de« Appellationserkenntnisses.
Z. 209. I. D« Abfassung des zweiten Erkenntnisses erfolgt durch den daz«
verordneten Appellationsrichter. Bei diesem werden zwei Referenten ernannt.
Jeder derselben faßt selbstständig eine Relation ab. Die Mittheilung der Relativ«
des einen an den andern findet nicht statt. Nur die Folgeordnung des Vortrag«
in seiner Relation bei weitläufigen Sachen, oder den Umstand, daß er da, wo eK
zulässig, nur in Betreff der Formalien, oder über einen Präjudizialpunkt referirt
Habe, kann der erste Referent dem zweiten offen mittheilen. — Wird ein Auskulta-
tor oder Referendar zum Referenten ernannt; so muß ihm ein Korreferent zugeord
net, ausserdem aber noch ein Mitglied des Kvllegii als zweiter Referent bestellt wer
den. Der Korreferent erhält dann die Relation des Auskultators oder Referendars
zur Einsicht und Prüfung; der zweite Referent muß selbstständig referiren. — g. 66,
Tit. 14, !. A. G. O. §. 14, 24, S7, Tit. 4, Hl. das. g. 23 V. vom 14. Decbr.
1833 GS. S. 3«2. — Jnftr. vom 7. April 1839 Nro. 44 GS. S. 1S0.
N. Bei Beschlußnahmc hinsichtlich des abzufassenden Appellationserkenntnisses
müssen bei Vermeidung der Nichtigkeit mindestens fünfstimmfähige Mit
glieder des Kvllegii gegenwärtig sein. Nur bei den standesherrlichen Obergerich
ten gnügt die Anwesenheit von drei Richtern zur Giltigkeit eines Erkenntnisses
zweiter Instanz. — ß. 5, Nr. 4 V. vom 14. Decembr. 1833. — z. 41 Jnftr. vom
3«. Mai 182« GS. S. 81. — Cab.-Ord. vom 8. Mai 1841 GS. S. 86.
III. Hinsichtlich der Form und de« Inhalts der Relationen, des Vortrags der
Sache im Kollegio, deren Berathung, Erlangung de« Beschlusses, der Abfassung des
Erkennntnisses selbst, und der Nachtragung des Beschlusses ins Protokollbuch kom
men die für die erste Instanz gegebenen Vorschriften Z. 164—169 und Z. 171 auch
hier zur Anwendung. Dabei sind noch folgende besondere Bestimmungen zu
berücksichtigen !
1) Findet der Appellationsrichter beim Vortrage der Sache a) wegen eines oder des
andern auf Thatsachen beruhenden Umstandcs noch etwas zu erinnern, zu er
gänzen, oder näher suszumitteln ; oder b) bemerkt er, sei es von Amtswegen
oder auf Anzeige einer Partei, einen bei der Instruktion gegen die Prozeßvor
schriften begangenen Fehler und Verstoß; oder e) liegt der Fall vor, wo Appel
lant keine neuen Thatsachen oder Beweismittel, wohl aber Appellat zur Unter
stützung des ersten Erkenntnisses neue Umstände oder Beweismittel angeführt
hat, auf welche es wesentlich ankommt, weil sonst nach der Instruktion erster
Instanz da« erste Urtel zu Gunsten des Appellanten geändert werden müßte;
oder c>) erachtet der zweite Richter einen vom ersten Richter verworfenen und
daher nicht näher ins Licht gesetzten Umstand für erheblich; — so muß vor Ab
fassung des Erkenntnisses durch ein Resolut das Erforderliche deshalb angeord
net werden. Nach Maasgabe dieses Resoluts besorgt das Kollegium, welchem
die Instruktion obliegt, vorerst das Nöthige, und befördert hierauf die Akten
von Neuem zum Appellationsrichter Behufs Abfassung des Erkenntnisses. —
z. 41, 42, 63, 64, Tit. 14, I. A. G. O.
2) Ist in Betreff der Appellabilität oder hinsichtlich andrer von dem Wertbe des
Streitgegenstandes abhängigen Wirkungen die Höhe des Streitobjekts bestritten,
dasselbe aber schon gemäß §. 69, II. Nro. 6 (S. 167) u. Z. 197, I. gewürdigt;
so kann eine wiederholte Abschätzung oder die Einziehung eines neuen Gutachtens
n«r auf Antrag, und nur vom erkennenden Richter höherer In
stanz veranlaßt werden, dessen Ermessen alsdann überlassen bleibt, welches Ge
315
wicht auf die etwa «cranlaßten neuen Ermittelungen zu legen ist. — §. 9 des
Ges. vom 21. Juli 1843 GS. S. 299.
3) Über einen in erster Instanz wirkKch vorgekommenen und vom ersten Richter
übergegangenen, folglich stillschweigend verworfenen Einwand darf der AppellationS-
richter unter dem Borwande, daß alsdann die Parteien eine Instanz verlieren
würden, zu erkcniien sich nicht weigern, noch die Abfassung des Urtels deshalb
aufholten. — Anh. §. 123, Tit. 14, I. «. G. O.
4) Über einen im ersten Erkenntniß zum besondern Verfahren ssck 5epsrstnm) ver
wiesenen Klage- oder Widcrklageanspruch kann im Appellationsrrkenntniß in der
Regel nicht erkannt werden. Findet der Appellationsrichtcr, daß der erste Rich
ter über einen Widcrklageanspruch, welchen er »6 sepsrstum verwiesen hat,
harte erkennen müssen, weil wirklich eine u neig entliche, mit der Konvention
zugleich zu erörternde und zu entscheidende Widerklage vorlag; unb daß dies
unrichtige Verfahren auf die Entscheidung der Konvention oder auf die rechtliche
Wirkung des Urtels über die letztere Einfluß habe; so ist der Appellationsrichter
berechtigt und verpflichtet, auf den Antrag des Verklagten den Richter er
ster Instanz zur Abfassung eines Nachtrags oder ergänzenden Urtels anzuweisen,
und bis Abfassung die Entscheidung in der Konvention auszusetzen, «der doch bei
Abfassung des Appellationserkenntmsscs auszusprechen, daß die Vollstreckung nach
Höhe des scl »ep»rswm »erwiesenen Betrages der Gegenforderung bis zur Er
ledigung des Separat! auszusetzen. Unzulässig ist jedoch in solchem Fall, daß
der Appellationsrichtcr das erste Erkenntniß in der Konvention aufhebt, und
eine nochmalige anderweite Instruktion und Entscheidung in erster Instanz an
ordnet. — Res. vom 20. Decmbr. 18Z7. Jahrb. 50, S. 502. GrSff 12,
S. 129.
5) Behauptet eine Partei im Wcge der Appellation die Nullität des ersten Urtels,
und gründet sich
s) die Nullität darauf, daß die Entscheidung angcblich auf ein falsches Doku
ment, oder auf die Aussage bestochener Zeugen gestützt sei; so erkennt der
Appellationsrichter auf Grund der nach Beschaffenheit der Umstände veran-
laßten neuen Instruktion in der Hauptsache, und e« bedarf keiner Annulli-
rung des Uttels.
I)) Wird die Nullität auf einen Fehler in Ansehung der persönlichen Qualifika
tion der Parteien, oder auf einen bei der Instruktion vorgefallenen Verstoß
gegründet; so ist zu unterscheiden s,) ob dem in erster Instanz vorgefallenen
Verstösse ohne erheblichen Nachthcil dessen, welcher darunter gelitten hat, in
der zweiten Instanz noch abgeholfen werden kann, und der Appellant nicht
ausdrücklich darauf anträgt, daß in dieser Sache nochmals in erster Instanz
erkannt werde. In diesem Falle verfügt der Appellationsrichtcr das Nöthige
wegen Beseitigung des Verstosses und etwaniger Instruktion des Appellatorii,
und erkennt hierauf in zweiter Instanz. — bd) Kann aber dem vorgefalle
nen Verstösse in zweiter Instanz nicht abgeholfen werden,') «der besteht der
Appellant darauf, daß in erster Instanz erkannt werde; so muß der Appel
lationsrichtcr auf die Nichtigkeit des ersten Urtels erkennen, und die Haupt
sache zur Instruktion und Entscheidung in die erste Instanz verweisen. —
K. 9 u. 11, Tit. 1«, I. A. G. O.
6) Dem Appellationserkenntnisse müssen jederzeit vollständige Gründe beigefügt wer
de«. Die blosse Bezugnahme auf die Gründe des ersten Urtels ist unzulässig.
') I. B. wenn in erster Instanz ein zum Richteramt nicht Qualifizirter sich als
Richter aufgeworfen, und erkannt hat.
316
Mängel in dieser Hinsicht können durch die Nichtigkeitsbeschwerde gerügt wer
den. — §. 5, Nro. 9. V. vom 14. Decmbr. 183S GS. S. 302. — Nro. 17
Jnstr. vom 7. April 1839 GS. S. 14«. ,
Rücksichten bei Bestimmung des Kostenpunktes und von Sukkum-
benz- und andern Strafen.
S. 210. I. Das Appellationsurtel muß auch in Betreff der Prozeßkosten
die nöthige Bestimmung enthalten. Wird nun
1) das erste Urtel in zweiter Instanz lediglich bestätigt; so müssen auch die Kosten
der Appellationsinstanz dem Appellanten zur Last gelegt werden. Hat jedoch,
obwol Appellant keine neuen Thatsachcn oder Beweismittel angebracht hat, auf
Antrag des Appellaten die Instruktion neuer Thaisachen oder die Aufnahme
von Beweismitteln in zweiter Instanz erfolgen müssen, weil fönst, wenn dies
nicht geschehen wäre, eine Abänderung des ersten Urtcls zu Gunsten des Appel
lanten erwartet werden konnte (Z. 209, III. Nro. 1K); so sind, trotz der Be
stätigung des ersten Urtels, die Kosten der Appellationsinstanz zu kompensiren,
oder auch vom Appellaten allein zu tragen, wenn er die Schuld der unterbliebe
nen Beibringung dieser neuen Umstände bei der ersten Untersuchung nicht von
sich hat ablehnen können. In Betreff der Kosten erster Instanz bleibt es dann
bei der im ersten Urtel ausgesprochenen Entscheidung. — Z. 1, §. 6, 9, Tit. 23,
I. A. G. O.
2) Wird das erste Urtel gänzlich abgeändert; so werden die Kosten beider Instanzen
kompensirt, wenn in zweiter Instanz keine neue Untersuchung stattgefunden hat.
Wird es aber nur theilweise abgeändert; so müssen die Kosten beider Instanzen
verhältnißmässig verthcilt werden. Dies gilt auch, wenn beide Theile appellirt
haben, und in Betreff des einen Appellanten bestätigt, in Betreff des andern
abgeändert wird. — §. 3, Nro. 2. z. 6, 11 a. a. O.
3) Wird hingegen das erste Urtel auf Grund einer vom Appellanten in Antrag ge
brachten neuen Untersuchung abgeändert; so muß a) wenn Appellant bei dieser
Untersuchung die Schuld, daß die neuen Thatsachen oder Beweismittel nicht in
erster Instanz angegeben und untersucht worden, von sich nicht abgelehnt hat,
derselbe der günstigeren Entscheidung ungeachtet die Kosten der zweiten Instanz
tragen. Hat aber b) Appellant jene Schuld abgelehnt; so werden diese Kosten
kompensirt. Ergibt sich jedoch c) bei der Untersuchung in der Appellationsin-
stanz, daß nicht nur die neuen Thatsachen oder Beweismittel in erster Instanz
ohne Schuld des Appellanten zurückgeblieben sind, sondern auch, daß Appellat
deren Beibringung auf irgend eine Art geflissentlich verhindert habe; so muß
Letzterer die Kosten der Appellation tragen. — In Betreff der Kosten erster In
stanz ist es in diesen Fällen (s—e) so zu halten, wie geschehen fein würde, wenn
diese neuen Thatsachen oder Beweismittel schon in erster Instanz wären beige
bracht und aufgenommen worden. — S. 7, 8 a. a. O.
4) Wird ein Untergerichtserkenntniß in Folge einer Nullität vom Appellationsrich
ter aufgehoben (S. 209, III. Nro. 5), damit nochmals in erster Instanz erkannt
werde; so muß der Unterrichter die Kosten erster Instanz tragen, und in Betreff
der Appellationekosten kommen die für die erste Instanz gegebenen Borschriften
zur Anwendung. — §. 6 a. a. O.
II. Derjenigen Partei, welche gegen ein Urtel ohne Grund appellirt hat, muß
bei dessen Bestätigung eine Sukkumbenzstrafe im zweiten Erkenntniß ausgelegt werden.
Diefe ist bei Prozeß-Objekten von 50 bis 100 Thlr. auf 1 Thlr., bei Gegenstän
den von 100 bis 20« Thlr. auf 2 Thlr., bei Gegenständen von 200 bis 500 Thlr.
auf 4 Thlr., bei grösseren Gegenständen auf ö Thlr., und wenn das Objekt des
317
Prozesses 2000 Thlr. übersteigt, auf l« Thlr. festzusetzen. — Im Unvermögtnsfall
ist eine verhältsnißmäßige Freiheitsstrafe zu substituiren. >) — Z. 49 a. a. O. —
Geb.-Taxe vom 3. August 1815 für Oberg. Absch. 1 Nro. 22.
III. Findet der Appellationsrichter, daß Appellant das Rechtsmittel aus blos-
ser Schikane, und nur zum Berschleif der Sache eingewendet hat; so muß er dies
an ihm ausser der Sukkumbenzstrafe, noch mit einer nach Verhältniß de« Streitge-
genstandes abzumessenden, öl) Thlr. Geld oder 4 Wochen Gefängniß nicht überstei-
genden Strafe ahnden. — K. 5V, Sit. 23, I. A. G. O. — jj. 35 des Str.-R.
rr
Appellationsverfahren im summarischen Prozeß.
Verfügung auf die Appell« tio nsanmeldung und Rechtser»
tigungstcrmin.
z. 2ll. l. Im summarischen Prozeß, einschließlich der in Folge Einwendungen
zum summarischen Prozeß umgewandelten Mandatsprozesse, reicht zur Einwendung
des Rechtsmittels ebenfalls die blosse Anmeldung aus. Von Justizkommissarien muß
diese schriftlich und vollständig eingehen. Das Anmeldungsgesuch ist dann, wie die
übrigen Schriftsätze, von denselben doppelt einzureichen. Formmängel in dieser Hin
sicht werden an den Justizkommissarien mit Ordnungsstrafen geahndet. — §. 41,
7« des Ges. vom 1. Juni 1833. — Res. vom 3. August 1839 I. M. B. S. 2«S.
II. Enthält die Anmeldung der Appellation nicht die bestimmte Angabe der
Beschwerdepunkte, die Angabe der zu deren Unterstützung dienenden Beweismittel,
die Vorlegung der Abschriften der in Bezug genommenen Urkunden, und einen be
stimmten Antrag; so ist Appellant in Person, oder falls er einen Anwalt hat, zu
dessen Händen, zur Rechtfertigung der Appellation vor einen Deputirten des Ge
richts vorzuladen, 2) und dem Appellaten unter abschriftlicher Mittheilung der An
meldung davon Nachricht zu geben.»)
Die an den Appellanten ergehende Vorladung muß enthalten:
t) in einer Seitenrubrik:
die Aufschrift „Vorladung des Appellanten zur Rechtfertigung der Appel
lation," sonst alles, wie bei der Vorladung zur Klagebeantwoxtung;
2) im Kontexte:
s) die Bestimmung des Termins, Nennung des Deputirten und Bezeich
nung des Gerichtslokals;
b) die Aufforderung, in Perfon oder durch einen Bevollmächtigten zu er
scheinen, alles, was er zur Rechtfertigung der Appellation anzuführen habe,
vorzutragen, und über die ihm vorzuhaltenden Gegenstände sich bestimmt zu
Z) Die Sukkumbenzstrafen werden erst nach Rechtskraft de« Urtels vollstreckt. Dem
Juftizminister steht die Befugniß zu, die Sukkumbenzstrafen in geeigneten und
auch in solchen Fällen zu ermassigen oder niederzuschlagen, wenn für den Un
vermögensfall eine Gcfängnißstrafe substikuirt worden ist. — Lk. Z. 49, Tit. 23
Proz.-O. — Eab.-Ord. vom 3t. Januar 1835. Jahrb. 45, S. 225.
') Die Ansehung des Termins ist notbig, um dem Verfahren dadurch einen festen
Gang zu geben, und Verzögerungen zu vermeiden, welche durch bewilligte Fri
sten nach dem Verfahren der A. G. O. herbeigeführt werden. — Lk. Res. vom 3.
August 1839.
») Das Res. vom 3. August 1839 will keine Prorogation dieses Termins zugelassen
haben. Dies läßt sich auch rechtfertigen, da Appellant nicht nur die Appella
tionsfrist, sondern auch die Frist von Anmeldung bis zum Rechtfertigungstermin
frei, und somit ausreichende Zeit zur Begründung der Beschwerden hat.
St8
nM«n, weil er später mit Seine« muck, Beschwert« und keiner neum That-
sache zur Unterstützung feiner Appellation werter werde gehört werden;
e) die Androhung, und zwar ss) wenn die Appellationsbeschwerden in der
Anmeldung bestimmt angegeben worden sind:
daß, wenn er im Termine nicht erscheinen sollte, angenommen werden
Wörde, daß er sich lediglich auf die Verhandlungen der ersten Instanz:
beziehe;
lik) wenn daselbst die Beschwerden nicht bestimmt angegeben find:
daß, wenn er im Termine nicht erscheinen sollte, angenommen werden
würde, daß er auf die Appellation verzichte. Z. 41, 42, des Ges. vom
1. Juni 1833. — Z. 46 der Jnstr. vom 24. Juli 1833. — Cab-Ord.
vom 1«. Juni u. Ref. »em 15. Juni 1844 I. M. B. S. 147.
III. Das in der Vorladung angedrohte Kontumazialverfahren trit ein, wenn
Appellant im Termine, falls er Vormittags ansteht, bis 12 Uhr, und falls er
Nachmittags ansteht, bis 5 Uhr nicht erscheint, > ) und die Appellationsrechtfertigung
auch nicht schriftlich bis dahin eingegangen ist. Trit darnach Kontumazialverfahren
ein, so wird auf dem vom Dcputirtcn im Termin über das Nichterscheinen aufge
nommenen Vermerk, je nachdem die Warnung unter II. 2. e. g« oder die unter
bd gestellt war, sofortige Absenkung der Akten an den Appellationsrichter zum
Spruch, oder Aktcnweglegung angeordnet. Vom ersteren erhalten die Parteien
Nachricht. ^)
Geht eine schriftliche, alle unter Nro. II. bezeichnete Eigenschaften enthaltende
Rechtfertigungsschrift vor dem Termine ein; so ist sogleich das weitere Verfahren
einzuleiten, ohne daß es noch erst der Abhaltung des Termins bedarf. — Z. 42 d.
Gef. vom 1. Juni 1333. — Res. vom 3. August 1839 I. M. B- S. 285.
IV. Erscheint Appellant im Termin, so muß die Rechtfertigung vollständig
zu Protokoll genommen werden. Appellant muß daher
1) bestimmt angeben, worüber er sich beschwert. Die einzelnen Beschwerdcpunkte
müssen speziel angezeigt werden. Die blosse Anführung, daß er sich durch
den ganzen Inhalt des Erkenntnisses verletzt fühle, gnügt nicht. Reue Beschwer
depunkte dürfen nach dem Rechtfertigungstermine nicht mehr aufgestellt werden.
2) Er muß die zur Begründung der Appellation dienenden Thatsachen und Ein
wendungen, vollständig anführen. Nach dem Rechtfertigungstermin iß er z>»
Angabe neuer Thatsachen nicht mehr befugt. Nur dann, wenn in der Beant
wortung des Appellaten neue faktische Behauptungen vorkomme», steht dem
Appellanten ausnahmsweise zu, im Termin zum mündlichen Verfahren auch
seinerseits neue Umstände oder Beweismittel zu deren Widerlegung anzuführen,
und deren Aufnahme zu verlangen.
3) Er muß ferner etwanige Beweismittel angeben, und die in Bezug genommenen
Urkunden abschriftlich beifügen. Doch kann er Beweismittel noch bis zur Be
weisaufnahme anführen, und der Eideszuschiebung kann er sich »och bis» zum
Abschluß der Sache bedienen.
") Dieser Termin ist in jedem Falle zu verfügen, gleich viel, ob der Appellat durch
einen Justizkommiffarius vertreten wird, oder nicht.
Termin dieselbe schriftlich nebst Duplikat überreichen. Des Eingangs vor dem Ter
min ungeachtet muß dieser abgehalten werden. ' )
Erscheint für Appellanten Niemand zur Terminsstunde, so trit das nach I.
angedrohte Kontumazialverfahren ein.
IV. Erscheint auch Appellant; so muß unter den Parteien die Sühne ver
sucht, und falls beim Mislingen des Versuchs Parteien erklären, daß sie auf münd
liche Verhandlung verzichten, diese Erklärung zu Protokoll genommen werden. Z. 47,
48 Jnstr. vom 24. Juli 1833. — §. 45, 7« B. vom 1. Juni 1833. — Cab.-Ord.
vom 18. Oktobr. 1837.
Weitere Veranlassung auf das Beantwortungsprotokoll, und Ab
fassung des Erkenntnisses.
K. 213. I. Haben sich Parteien im Termin zur Beantwortung der Appellation
nicht verglichen; so werden die Akten sofort nach Abhaltung des Termins an das
Gericht zweiter Instanz befördert; es sei denn, daß die Aussetzung der Verhandlung
bis zur Erledigung eines Editionspunktes verfügt wäre. Den Parteien wird die
Absendung, der Akten unter Mittheilung einer Abschrift der Beantwortung an de»
Appellanten, bekannt gemacht. — Z. 47, V. vom 1. Juni 1833. z. 48, Jnstr. vom
24. Juli 1833.
II. Die Akten werden 1. beim Appellationsrichter, wenn beide Parteien im
Beantwortungstermin auf mündliche Verhandlung verzichtet, und darauf angetragen
haben, daß sogleich Sxruchvorlegung erfolge, ohne Weiteres zur Ernennung der
Referenten vorgelegt. Ein Verzicht auf mündliche Verhandlung, welcher nach dem
Beantwortungstermin eingeht, »erdient keine Berücksichtigung.
2. Dagegen gehen die Akten, im Falle ein giltiger Verzicht 2) auf mündliche
Verhandlung nicht vorliegt, an die zur mündlichen Verhandlung der Avpellations-
fachen verordnete Deputation. Hier ernennt der Dirigent derselben einen Referen
ten, und bestimmt den Termin zur mündlichen Verhandlung. Zu diesem werden
die Parteien oder ihre Vertreter unter der Warnung vorgeladen:
daß, im Fall beide Parteien nicht erscheinen, auf die Akten, wie sie lie
gen, erkannt; im Fall aber nur eine der Parteien nicht erscheint, das
Kontumazialverfahren dahin stattfinden würde, daß alle von dem Nicht-
erschienenen in zweiter Instanz vorgebrachte, streitige, mit schriftlichen
Beweisen nicht unterstützte Thatsachen für nicht angeführt erachtet, und
alle von dem Gegentheil angeführte Thatfachen, denen noch nicht aus
drücklich widersprochen worden, für zugestanden, so wie die vom Gegen-
theile beigebrachten Urkunden für anerkannt angesehen werden sollen. —
z. 48, 49. V. vom 1. Juni 1833. — Res. vom 6, Mai und vom 29.
' ' Juni 1835. Jahrb. 45, S. 457, 463.
III. Die Deputation, vor welcher die mündliche Verhandlung in der Appella
tionsinstanz erfolgt, muß einschließlich des Dirigenten aus mindestens fünf stimm
fähigen Mitgliedern bestehen. — In der Sitzung schickt der Referent dem
Bortrage der Parteien eine schriftliche Darstellung der bisherigen Verhandlungen
voraus. «) Diese Darstellung kommt sodann zu den Akten. — Die fernere Verhand-
1) Er ist nöthig, weil die Sühne versucht werden soll, und die Parteien sich zu er
klären haben, ob sie auf mündliche Verhandlung verzichten. Doch ist es nicht
grade Pflicht des Deputirten, auf Erklärung wegen des Verzichts zu dringen.
2) Der von Einer Partei erklärte Verzicht gnügt niemals.
») Dieser schriftliche Vortrag wird verlesen. Er ist wie ein guter mündlicher Bor
trag einzurichten, und auch beim Vorlesen muß der Vorlesende dahin trachten,
daß der Zuhörer die Präzision und Deutlichkeit des mündlichen Vortrags nicht
vermisse. Die schriftliche Darstellung muß sich deshalb auf eine kurze und ge?
321
Handlung geschieht nach Maasgabe der Bestimmungen §, 83, (S. 147). Auch in
Betreff des Aushangs, der Leitung des Verfahrens, dcr Sorge für Erhaltung der
Ruhe und Ordnung, dcr Aufnahme des Protokolls, der Fassung des Beschlusses, der
Terminsvcrlcgung, und überhaupt, in soweit für das Verfahren in zweiter Instanz
nicht besondre Vorschriften ertheilt worden, sind die für die erste Instanz gegebenen
Bestimmungen (Abschn. 4, Tit. 6) zur Richtschnur zu nehmen. — §. 49, 53 d. V.
vom 1. Juni !833. — Jnstr. vom 24. Juli 1833 §. 4«.
IV. Befindet sich das Gericht erster und zweiter Instanz am nämlichen Orte;
so dürfen die Bevollmächtigten erster Instanz auch beim Appellationsiichter für ihre
Machtgeber auftreten. Gleiches gilt, wenn zwar beide Gerichte nicht an demselben
Orte ihren Sitz haben, die Justizkommissarien aber, deren sich die Parteien in erster
Instanz bedient haben, am Orte des Obergerichtssitzes wohnen, und die Parteien
deren Beibehaltung für die zweite Instanz wünschen. ') — §. 52 d. B. vom 1. Juni
1833. — Res. vom 22. April 1836. Jahrb. 47, S. 558.
V. Wird von beiden Thcilen appellirt, so ist über beide Appellationen gleich
zeitig zu verhandeln,?) und darüber in Einem Urtel zu erkennen. — §. 5« V.
vom 1. Juni 1833.
VI. Erachtet im Falle unter II. Nro. 1 dcr Appellationsspruchrichtcr die Sache
zum Erkenntniß nicht angcthan, vielmehr noch eine Beweisaufnahme (z. B, die Ab
nahme eines zugeschobenen erhebliche» Eides) für nöthig; so ordnet er die Aufnahme
dieses Beweises durch ein Resolut an. Nach erfolgter Bewcisaufiiahme gehen so
dann die Akten an die Deputation zur mündlichen Schlußverhandlung zweiter Instanz. «)
Wird in Folge des im Audienztermin von der Deputation gefaßten Beschlusses
Beweisaufnahme nöthig; so erlaßt die Deputation die zur Erledigung des beschlos
senen Beweisresoluts erforderlichen Verfügungen. Sie kann Eide, welche im Be-
weisrcsolut zu normiren sind, von den am Orte oder in dcr Nahe wohnenden Par
teien in ihrer Sitzung abnehmen. Sonst und in Betreff andrer Beweismittel kann
sie den Auftrag dem Gericht erster Instanz oder einem andern richterlichen Beam
ten, selbst einem Kommissarius aus ihrer Mitte crthcilen. ^) — Res. vom 20. Fe
bruar 1836. Jahrb. 47, S. 313. — Res. vom 3. Aug. 1833. Jahrb. 41, S.463.
Res. vom 13. Juli 1838. Jahrb. 52, S. 182.
VII. Das Appellationserkcnntniß wird
1) in den Fällen, wenn gemäß K. 211, III. wegen Ausbleibens des Appellanten im
Rechtfertigungstermin Spruchvorlegung erfolgt, und wenn im Termin zur Be
antwortung der Appellation beide Thcile auf mündliche Verhandlung verzichtet
haben, (hier mit Ausnahme des Falles Nro. VI.), vom ordentlichen Appcllations-
richter nach Vorschrift des Z. 209 abgefaßt.
Fünfter Abschnitt.
Von den in Jnjurienprozessen u«d gegen ZSerurtheilung«« z«
Prozeßfirafen zulässigen Rechtsmitteln.
Die besondern Arten dieser Rechtsmittel und deren Zulässigreit.
§. 216. I. In Jnjuricnprozessen sind gegen die in erster Instanz ergehenden Er
kenntnisse nicht die Rechtsmittel der Restitution, des Rekurses und der Appellation,
sondern das Milderungs- undNiederschlagungsgesuch, das Rechtsmittel der
weiteren Vertheidigung, und das Aggravationsrechtsmittel zulässig.
1. Das MilderungS- und Niederschlagungsgesuch ist nur dem Be
klagten (rcsp. Widerbeklagten) und zwar dann gestattet, wenn er vorläufig frei
gesprochen, oder zu einer Strafe vcrurthcilt ist, welche fünfzig Thlr. oder vier Wo
che» Gefängniß nicht übersteigt. Nur, wenn s) die erkannte Strafe 5 Thlr. Geld
busse nicht übersteigt, oder K) wenn Beklagter dem Bauer-, oder dem gemeinen
Bürgcrstande angehört, und die gegen ihn principslilsr oder eventuel') erkannte
Straft höchstens vier und zwanzigstündigcS Gefängniß beträgt, kann Beklagter we
der dieses noch überhaupt ein Rechtsmittel einwenden.
2. Das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung steht ebenfalls nur
dem Beklagten, und zwar dann zu, wenn die gegen ihn erkannte Straft fünfzig
Thaler in Velde oder vierwöchentliches Gefängniß übersteigt.
Durch Einlegung dieser beiden Rechtsmittel wird die Freisprechung von Straft,
oder deren Ermässigung bezweckt.
3. Das Rechtsmittel der Aggravation dagegen gebührt dem Klüger und
zwar dann, wenn der Beklagte von Strafe freigesprochen, resp. Kläger abgewiesen,
oder wenn nach dessen Meinung die erkannte Straft zu milde ausgefallen ist, der
Kläger aber die Bestrafung des Beklagten, oder eine härtere, als die erkannte
Straft ausgesprochen haben will. — Nur dann, wenn Kläger zum gemeinen Bür
ger- oder zum Bauerstande gehört, und wegen leichter wörtlicher Beleidigung ge
klagt hat, kann Kläger weder dieses noch überhaupt ein Rechtsmittel gegen das er
gangene Erkcnntniß einwenden.
Alle diese Rechtsmittel (1—3) müssen innerhalb der z. 185, 186 gestattete»
Frist' angebracht werden. Füt die am Sitze des Gerichts nicht wohnhafte Parteien
läuft jedoch die IDtägige Frist erst mit dem Tage, an welchem die Erklärung der
Parteien nach dem gewöhnlichen Lauft der Posten beim Gericht eingehen kann. Die
Seit, welche zur Übcrfendung des Gesuchs an das Gericht nothwcndig ist, wird da
her nicht mitgerechnet. Dic Einwendung derselben bewirkt Aussetzung der Straf
vollstreckung. — Z. 4, 15. 16 Anh. K. 217—223, Tit. 34, I. A. G. O. — §. 8,
Ges. vom 5. Mai 1838 GS. S. 275. — Art. 1 Nro. 4 Deel, vom 6. April 1839
GS. S. 126. — Res. vom 6. Mai 1837 Koch, Grass ,c. Erg. z. A. G. O. I.
') A. B. wenn der Beklagte nach dem Urtcl zwischen 4 Mr. Geld» oder 5 Taaen
Gesangnißftraft die Wahl haben soll; so steht ihm das Milderungsgesuch zu,
324
S. 723. — Res. vom 7. Marz 183«. Hinschius Wochenschr. S. 469. — Res.
vom 26. August 1843 I. M. B. S. 27«.
II. Wegen erkannter Prozeßstrafen steht dem Bestraften
1) gar kein Rechtsmittel zu, wenn die erkannte Strafe nur fünf Thlr. oder
weniger beträgt. Der Bestrafte hat nur die Bcfugniß, gcsuchswcise beim Rich
ter erster Instanz um Milderung oder Niederschlagung der Strafe unter Anfüh
rung der dafür sprechenden Gründe zu bitten. Findet der Richter das Gesuch
begründet; so verfügt er die Niederschlagung oder Milderung der Strafe sofort.
Sonst bescheidct er den Bittsteller abschläglich, und es bewendet dabei.
2) Beträgt die Strafe mehr als fünf Thlr., oder besteht sie in Gefängnißstrafe; so
steht dem Bestraften ein Milderungs- und Niederschlagungsgesuch zu,
welches er innerhalb vier Wochen nach der Urtelspublikation beim ersten Rich
ten anzubringen hat. Findet dieser das Gesuch begründet; so kann er ohne Wei
teres selbst die Milderung oder Niederschlagung der erkannten Strafe verfügen.
Erachtet er aber das Gesuch für unbegründet; so muß er dasselbe nebst den
Akten dem in Strafsachen in zweiter Instanz erkennenden Richter zur Entschei
dung zustellen.
3) Ist Jemand wegen frevelhaften Lciugncns oder vorsätzlicher Unwahrheit für un
fähig zur Leistung von nothwendige» Eiden erklärt; so muß er ») wenn er in
der Hauptsache das zulässige Rechtsmittel ergreift, zugleich durch das
selbe die Aufhebung dieser Strafe herbeizuführen suchen. Ergreift er aber K)
nicht das in der Hauptfache sonst zuständige Rechtsmittel; so steht ihm im Be
treff jener Unfähigkeitserklürung das Rechtsmittel der weitcrn Verthei-
digung innerhalb 10 Tagen zu.
Dem Gegner steht um deshalb, weil nach seiner Meinung die erkannte
Prozcßstrafc zu milde, oder weil gar nicht auf Prozcßstrafe erkannt ist, und er
solche in Betreff des andern Thcils beantragt, kein Rechtsmittel zu. — §. 3 Nro.
3, Tit. 14. Z. 54, Tit. 23, I. A. G. O.
Verfahren und Entscheidung 1) auf das Milderungs- und
Niederschlagungsgesuch;
K. 217. I. Das Milderungs- und Niedcrschlagungsgcsuch muß innerhalb der
gesetzlichen Frist beim Richter erster Instanz schriftlich eingereicht, oder zu Protokoll
gegeben, und es müssen die Gründe zur Unterstützung desselben angeführt werden.
Auf neue tatsächliche Umstände wird dabei nicht Rücksicht genommen, in sofern sie
zncht sogleich bei Anbringung des Gesuchs bescheinigt worden sind. Nur, wenn gc-
Len ein im Jnjurienprozeß ergangenes Kontumazialcrkenntniß das Mildcrungsgesuch
Angebracht wird, und Beklagter darin behauptet, daß das Sachvcrhältniß in der
Klage unrichtig vorgetragen worden, und er keine Beleidigung sich habe zu Schul
den kommen lassen; oder wenn in diesem Falle Beklagter andre neue Thatfachcn
«der Beweismittel zu seiner Entschuldigung anführt; muß die Instruktion und Be
weisaufnahme auf da« Milderungsgefuch erfolgen. — §. 15 u. Anh. K. 23«, Tit.
34. 8> 3, Nro. 3, Tit. 14, 1. A. G. O. — Res. vom 27. Januar 184« I. M. B. S. 44.
II. Das rechtszeitig eingegangene Gesuch wird im Jnjurienprozeß dem
Kläger unter Bewilligung einer kurzen präklusivischen Frist zur Gegenausfü'hrung mit-
zetheilt. Falls aber bei einem gegen ein Kontumazialurtel angebrachten Milderungs-
gesuch Instruktion und Beweisaufnahme nöthig, erfolgt diese beim Richter erster Jn-
jtanz, und Kläger wird dabei und beim Abschluß der Sache gewöhnlichermassen zugezogen.
Bei den wegen erkannter Prozeßstrafen eingereichten Milderungs- und
Niederschlagungsgesuchen bedarf es keiner Mittbeilung und Gegenausführung. —
Zsnh. §. 22t, 23« Tit. 34, I. A. G. O.
325
III. Nach Beseitigung des nach Nro. II. Röthigen oder nach erfolgter Prä
klusion werden die Akten dlin in Strafsachen in zweiter Instanz erkennenden Rich
ter eingereicht. Hier wird die Sache im gewöhnlichen Memorialien-Vortrage mir
erörtert, und das Erforderliche durch eine Resolution festgesetzt. Diese wird sodann in
Ausfertigung ncbst den Akten dem ersten Richter zur Publikation gesendet. — g. 7
„. a. O. — Res. vom 4. Juli 1«34. Jahrb. 44, S. »4. — §. 1^4 und » des
Ges. vom 5. Mai 183« GS. S. 273. — Res. vom 16. Juni IM I. M, B. S. 223.
IV. In der Resolution wird zugleich das Nöthige in Betreff des Kostenpunk
tes bestimmt. Bei Zurückweisung des Gesuchs, oder falls nur Milderung der Strafe
oder vorläufige Freisprechung erfolgt, müssen die Kosten zweiter Instanz immer dem
Beklagten zur Last gelegt werden. Auch wenn er gänzlich freigesprochen wird, muß-
er die Kosten der letzten Instanz tragen. Doch hat in diesem Falle der Richter
hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz zu bcurthcilen, ob Gründe zu deren Nie
derschlagung vorhanden sind, was sodann in der Resolution ausgesprochen wird. —
Dcclar. vom 6. Oktober 1«1 GS. S. 224.
2) beim Rechtsmittel der weiter» Vertheidigung;
K. 218. I. Das Rechtsmittel der weiter» Vertheidigung, welches ebenfalls
beim Richter erster Instanz schriftlich oder zu Protokoll angebracht werden muß,
kann durch Angabe neuer Lhatsachen oder Beweismittel, ohne Einschränkung, be
gründet werden. Über dieselben ist sodann unter den Parteien zu instruiren und
der Beweis aufzunehmen. Nach Abschluß der Sache kann hierauf Beklagter eine
förmliche Vcrtheidigungsschrift einreichen oder einreichen lassen. Werden
bei Einwendung des Rechtsmittels keine neuen Thatsachen oder Beweismittel ange
bracht; so wird das desfallsige Gesuch, und im andern Falle die etwa eingegan
gene Vcrtheidigungsschrift dem Kläger abschriftlich mitgctheilt, und ihm eine kurze
präkiusivische Frist zur Gcgcnausführung gestattet. Nach Eingang der Gegenaus-
führung oder nach Ablauf der bewilligten Frist erfolgt die Absenkung der Akten an
den in Strafsachen des Richters erster Instanz in zweiter Instanz erkennenden Richter.
Hat ei» zur Leistung der nothwcndigen Eide für unfähig Erklärter um des
halb das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung angebracht; so bedarf eö bei de»
mir demselben vorzunehmenden Verhandlungen nicht der Zuziehung des Gegentheils,
auch nicht der Mitthcilung der Schriftsätze zur Gcgenausführung. — Anh. H. 220,
Anh. z. 223 und §. 15, Tit. 34. — §. 90—95, Tit. 35, I. A. G. O.
II. Beim zweiten Richter erfolgt die Ernennung eines Referenten, und der
Vortrag der Sache, wie andrer Strafspruchsachcn. — Auch in Betreff des Kosten
punktes wird Beschluß gefaßt, und es gilt auch hier das §. 217, IV. Bestimmte. —
Das beschlossene Erkenntniß wird sodann in Ausfertigung ncbst den Akten dem
Richter erster Instanz zur Publikation zugefertigt. Ein ferneres Rechtsmittel findet
dagegen nicht statt. — §. 96, Tit. 35 a. a. O. — Res. vom 16. Juni 1839 I.
M. B. S. 223.
3) beim Rechtsmittel der Aggravation.
8. 219. I. Dieses Rechtsmittel muß innerhalb der K. l«5, 186 u. 216 bestimmten
Frist angebracht, oder doch angemeldet werden. Erfolgt die blosse, jedoch rechtszei
tige Anmeldung, so wird dem Kläger eine kurze präklusivische Frist zur Einreichung
einer Deduktion bestimmt. Beim Nichteingang binnen der gestellten Frist werden
die Akten zum Spruch befördert.
Geht die Deduktion ein, so erhält Beklagter Abschrift und cine gleichmassige
präklusivische Frist zur Gcgcndcduktion. Nach deren Eingang oder »ach Ablauf der
Frist werden die Akten ebenfalls zum Spruch befördert.
32«
Neue Thatsachen oder Bcwcismittcl wcrden nicht berücksichtizt, da ein blosses
Deduktionsverfahren stattfindet.
Das Erkcnntniß wird von demjenigen Obcrgericht abgefaßt, welches auf ein
vom Beklagten eingelegtes Rechtsmittel erkannt haben würde. Beim Königl. Kam
mergericht erkennt auf das gegen ein Urtcl der Sivildeputation eingewendete Aggra- >
«ationsrechtsmittel der Jnfiruktionsfenat.
Das Erkcnntniß nebst den Akten wird dem ersten Richter zur Publikation zu
gefertigt. — Anh. Z. 224 A. G. O. — Deel, vom 9. Oktober 1831 Nro. 3 GS.
S. 224. — Res. vom 13. März und 7. April 1834. Jahrb. 43, S. 539, 541. —
Eirc.-Res. vom 3«. Dccember 1798 Z. 1« N. C. E. lom X. S. 1851. Rabe 5,
S. 261. — Cab.-Ord. vom 31, Aug. 1840 I. M. B. S. 306.
II. Ergreift gleichzeitig der Kläger das AggravationsrcchtSmittel, und der Be
klagte das Milderungsgcsuch oder das Rechtsmittel der wettern Vcrthcidigung gegen
ein und dasselbe Erkcnntniß; so wird über beide zugleich verhandelt und demnächst
in Einem Urtel darüber erkannt. — Eab.-Ord. vom 25. März 1834. Jahrb.
41, S. 567.
III. Die Kosten des Aggravationsrcchtsmittels fallen,
1) wenn das erste Erkcnntniß bestätigt wird, dem Kläger zur Last;
2) wenn es abgeändert wird, und <->) Beklagter in erster Instanz völlig frcigehno-
chcn war, wcrden sie kompcnsirt z wenn aber b) Beklagter in erster Instanz schon
bestrast oder nur vorläufig freigesprochen war, müssen sie dem Beklagten allein
aufgelegt werden. — Cab.-Ord. vom 6. Oktober 1831 GS. S. 224.
Achter Titel.
Bon den gegen das zweite Erkenntnis zulässige« Rechtsmitteln.
Allgemeine Bemerkungen.
§. 220. Wen» das zweite Erkcnntniß einen offenbaren Jrrthum in Worten,
Zahlen oder Namen, oder eine Undeutlichkeit, oder eine Zweideutigkeit enthält; so ist
deshalb kein Rechtsmittel zulässig; es bedarf dessen zur Berichtigung des Jrrthums,
der Undeutlichkeit oder Zweideutigkeit nicht. Vielmehr kann diese Berichtigung durch
eine nachzusuchende Deklaration des Erkenntnisses erfolgen. Die Deklaration er-
theilt stets der Richter, welcher das zu dcklarirende Erkcnntniß abgefaßt hat, und
zwar in Gemäßheit der Bestimmung des §. 184, Nro. 3.
Liegt ein andrer Grund der Unzufriedenheit mit einem zweiten Erkenntnisse
vor; so muß dessen Abänderung im Wege des etwa zulässigen Rechtsmittels gesucht
werde». Solche gegen das zweite Urtel zuständige Rechtsmittel find:
1) das Rechtsmittel der Revision;
2) das der Richtigkeitsbeschwerde; und
3) das im Jnjurienprozesse im Falle der auf die Aggravation erfolgten Straf
schärfung dem Beklagten zustehende Rechtsmittel der weitern Ber-
theidigung.
Bon diesen Rechtsmitteln wird in diesem Titel die Rede sein.
Bei welchem Gericht, und binnen welcher Frist diese Rechtsmittel
angebracht werden müssen.
Z. 221. I. Die gegen ein zweites Erkenntniß einzuwendenden Rechtsmittel
müssen ebenfalls bei dem Richter angebracht werden, welcher das Erkenntniß
erster Instanz abgefaßt hat. Ist in erster Instanz vermöge genereller oder
spezieller Substitution statt vom instruircndcn, von einem andern Gericht erkannt;
327
so muß bei diesem dos Rechtsmittel angebracht werben. Geschieht dies irrthü'm-
lich bei jenem oder einem andern inkompetenten Gericht; so muß sofort das Ge
such an den ersten erkennenden Richter gesendet werden, da erst durch die bei diesem
erfolgende Präsentation der Lauf der Frist unterbrochen wird. — K. 2 de« Ges. vom
21. Juli 1843 GS. S. 294. — Res. vom 23. November 1844 I. M. B. S. 254.
I!. Durch die versäumte Anbringung des Rechtsmittels bei dem gehörigen
Richter innerhalb der gesetzlichen Frist geht das Rechtsmittel verloren. Diese Frist
beträgt
1) bei dem in Jnjuriensachen auf das in Folge Aggravation ergangene Erkenntniß
zulässigen Rechtsmittel der weitern Vertheidigung — zehn Tage;
2) bei dem Rechtsmittel der Revision und dem der Nichtigkeitsbeschwerde sechs
Wochen, und für den landesherrlichen Fiskus, Land- und Stadtgcmcinden, pri-
«ilegirte Korporationen, und unter Vormundschaft stehende Personen, so wie die
jenigen, welchen die Rechte der Minderjährigen beigelegt sind, zwölfWoche». —
Ausnahmsweife ist für die letzte» beiden Rechtsmittel eine kürzere Frist gestattet,
»nd zwar beträgt dicfe s) im Wcchfelprozeß nur zehn Tage; b) in Ar
rests« che», welche nicht mit der Hauptfache zugleich verhandelt werden, drei
Tage; c) im eigentlichen Merkantilprozeß vier und zwanzig Stun
den; und in Baufachen, wenn von einem schon wirklich begonnenen Bau die
Rede ist, dessen Fortsetzung oder Kassirung vom Ausfalle des Prozesses abhängt,
für die allein zulässige Nichtigkeitsbeschwerde— zehn Tage.
Eine Restitution gegen die versäumte Frist findet in allen Fällen nicht statt. —
B. vom 14. December 1833. Z. 21, 22 GS. S. 302. — Deel, vom 6. April
1839 Art. 13, 14 GS. S. 126. — A. G> O. I. Tit. 27, §. 24. Tit. 29.
§. 63 fg. Tit. 30, §. 43. Tit. 42, §. 149.
M. Was dm Laus dieser Fristen betrifft; so kommen hier die Bestimmungen
K. 186, I. ebenfalls zur Anwendung. Im Zweifel, ob Revision oder Nichtigkeits
beschwerde stattfinde; ist die Vorschrift z. 86, II. zu beobachten. — K. ö, 6, 9 des
Ges, vom S. Mai 1838 GS. S. 27S fg.
Erster Abschnitt.
Bom Rechtsmittel der Revisiou. >)
Fälle in denen die Revision zulässig ist.
Z. 222. Das Rechtsmittel der Revision findet nur gegen Appellationser
kenntnisse statt, und zwar I. ohne Rücksicht darauf, ob die ersten beiden Erkennt
nisse gleichlautend sind, oder nicht, in allen Fällen, in welchen die Rcvisionsbe-
schwerdc Familien- oder Standcsverhültnisse, Ehrenrechte,?) Ehege
löbnisse oder Ehesachen, allein oder in Verbindung mit anderen daraus herge
leiteten Ansprüchen, zum Gegenstande hat. Dabei ist jedoch folgendes zu bemerken:
1) Unter Standesverhältnisfen sind hier ausser den „Familienverhält
nissen" nur solche persönliche Zustände zu verstehen, welche an und für sich
1) Derjenige, welcher das Rechtsmittel der Revision einwendet, wird Revident, der
Gegner Revise genannt.
2) Das Recht der Theilnahme an einer Privatgesellschaft ist als ein Ehrenrecht in
diesem Sinne nicht anzufehn. Plen.-Beschl. des Geh. Ob.-Trib. vom 4. De
cember 1843 I. M. B. 1844 S- 60.
328
betrachtet, Gegenstand einer privatrcchtlichen Entscheidung sein können. Es ge
hören hiehcr Streitigkeiten
») über Wahn- und Blödsinnigkcits - und Prodigalitätserklärun
gen, in soweit das Rechtsmittel der Revision hierbei nicht durch Gesetz be
sonders ausgeschlossen ist; (cÄ Z. 223, Nro. 7.)
b) über Todeserklärungen, in sofern solche kontradiktorisch verhandelt wer
den, und dann zur Ergreifung des Rechtsmittels der Appellation und der
Revision Anlaß geben können;
«) über die Annahme an Kindesstatt;
ei) über die Rechtmässigkeit der Kinder in den Fallen des Absch. 1 Tit. 2, II.
A. L. R.z
e) über die Beilegung der Rechte der ehelichen Geburt in den Fällen der
§. 592—600 das.
f) über die Rechte einer geschiedenen, für den unschuldigen Theil er
klärten Ehefrau in den Fällen der Zz. 1035—1037z Z. 1042—1049, K.1055
—1057, Tit. 1, II. A. L. R.
2) Dem unter I. gebrauchten Ausdruck: „Familien - oder Standesverhält
nisse" ist jedoch keineswegs die Ausdehnung zu geben, welche aus der im K. 6,
Tit. 1, I. des A. L. R. ') enthaltenen allgemeinen Definition von „Stand"
abzuleiten fein möchte. Insbesondre können diejenigen Standcsverhältnisse, welche
hauptsächlich eine staatsrechtliche Bedeutung haben, z. B. ob Jemand von Adel,
Mitglied einer Stadtgemcinde u. s. w. sei? an und für sich kein Gegenstand
eines Rechtsstreits sein, vielmehr nur im Verwaltungswege oder durch unmit
telbare Königliche Entscheidung festgestellt werden.
3) Familien- oder Standesverhältnisfe, Ehrenrechte, Ehegelöbnisse
oder Ehesachen können nur alsdann Gegenstand einer Revisionsbcschwerde
sein, wenn hierüber in der Urtelsformel selbst eine dispositive Be
stimmung ausgesprochen ist. — Ist z. B. durch zwei gleichlautende Er
kenntnisse Jemand mit dem Intestaterbrecht, welches er auf einen bestimmten
Verwandschaftsgrad stützt, abgewiesen, oder als Kirchenpatron zur Lieferung der
Baumaterialien für die Pfarrgebäude verurtheilt worden, ohne daß über das
Werwandschaftsverhältniß oder das Patronatrecht selbst erkannt ist; so findet das
Rechtsmittel der Revision nicht Statt. In solchen Fällen ist blos über Vermö
gensrechte entschieden; eine dagegen erhobene Revisionsbeschwerde kann daher auch
nur das Vermögen betreffen. Darauf, ob die Ausmittelung des Verwandfchafts-,
oder Patronatsvcrhältnisses während des Rechtsstreits erfolgt ist, und das Re
sultat derselben einen Grund für die Entscheidung des Richters dargeboten hat,
kommt es nicht an.
4) Wenn in Ehescheidungssachen der auf Trennung der Ehe lautende Theil
des Erkenntnisses rechtskräftig geworden ist, und der Gegenstand der Beschwerde
darin besteht: wer von den Eheleuten und in welchem Maasse für
den schuldigen Theil zu erachten sei; so findet die Revision statt. Denn
diese Frage: hat nicht allein auf die Vcrmögmsvcrhältnisse Einfluß; sondern es
sind davon auch der Stand und Name der Ehefrau, und das Recht auf Er
ziehung der Kinder, und andre rechtliche Folgen abhängig. — Beschränkt sich
aber der Antrag des Revidenten auf die erfolgte oder unterbliebene Anerkennung
einer Eheschcidungsstrafe oder den Betrag derselben; so ist die Revisionsfähig-
keit nach Nro. II. zu beurtheilen.
') Z. 6, Tit. 1, I. A. L. R.: Personen, welchen vermöge ihrer Geburt, Bestimmung
oder Hauptbeschäftigung gleiche Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft beigelegt
sind, mache» zusammen Einen Stand des Staats aus.
32»
Dieselbe» Grundsahe entscheiden über die Revisionöfahigkeit, wenn Eheschei-
dungs - und Sponsalienprozcsse von den Erben des einen oder andern TheilS
fortgescbt werde». — §. 1, der B. vom 14. December IM GS. S. 302. —
Jnstr. vom 7. April 1«39 Nro. 1—3 GS. S. 136 fg. — ß. 73« fg. 766 sg.
«it. 1, §. 92 fg. Tit. 2, II. «. L. R.
II. Betrifft dagegen die Rcvisionsbcschwerde lediglich das Vermögen, so
ist die Revision nur dann zulässig, wenn die beiden ersten Erkenntnisse
ganz oder zum Theil verschiedenen Inhalts sind, und wenn zugleich
der dieser Verschiedenheit unterliegende Gegenstand der Beschwerde
über fünfhundert Thalcr betrögt, oder in Gclde nicht abzuschätzen
ist. — Der Theil der Erkenntnisse, in Betreff dessen beide Uttel übereinstimmen,
kann daher nicht Gegenstand der Rcvisionsbeschwcrde sein. Wenn z. B. Kläger in
erster Instanz völlig, in zweiter Instanz theilweisc abgewiesen, oder wenn er in
erster Instanz unbedingt abgewiesen worden, in der zweiten aber ihm oder dem
Verklagten ein Eid auferlegt wird, von dessen Ableistung oder Nichtableistung die
Bestätigung des ersten Erkenntnisses, im entgegengesetzten Falle aber eine Abände
rung zu seinen Gunsten abhängig ist; so kann Kläger nicht zur Revision »er
stattet werden, weil in beiden Fällen die Beschwerde gegen das zweite Erkenntniß
nicht darauf gerichtet werden kann, daß dasselbe günstiger für ihn ausgefallen sei,
sondern nur denjenigen Theil der Entscheidung zum Gegenstände haben könnte, den
ihm weder das erste, noch das zweite Erkenntniß zugesprochen haben , worin also
beide übereinstimmen. — Ebenso ist die Revision unzulässig,') wenn der Beklagte
in der ersten Instanz vcrurtheilt worden, und das Erkenntniß in zweiter Instanz
theilweisc zu seinen Gunsten ausgefallen ist.
In allen diesen Fällen würde die Beschwerde nicht auf die Verschiedenheit der
Ansichten der beide» Richter, welche zu seinem Vorthcil eine theilweisc Abänderung
herbeigeführt hat, sich gründen, sondern auf die GleichmWgkeit ihrer Entscheidung
für den Theil des Erkenntnisses, den er geändert wisse» will. Die Entscheidungs-
gründc können zwar in beiden Erkenntnissen durchaus verschiede» sein; darauf kommt
es aber nicht an, weil das Rechtsmittel der Revision nur gegen den entscheidenden
Theil des Erkenntnisses, d. h. die Worte der Erkcnntnißformcl, nicht gegen die Aus»
führung desselben gerichtet werden kann. — K. 2, V. vom 14. December 183Z. —
Nro. 4 d. Jnstr. vom 7. April 1839.
Bei Berechnung des Bcschwcrdcobjekts komme» auch hier die Vorschriften des
Z. 69 (S. 126 fg.) zur Anwendung. Das, was unrcr den Parteien nicht mehr
streitig ist, kommt ebenfalls nicht in Betracht. — Insbesondre ist hier noch zu
berücksichtigen :
1) Grundgcrcchtigkci tc» (mit Ausnahme der §. 223, Nro. 3 bezeichneten) sind
als ei» das Rechtsmittel der Revision zulassender Streitgegenstand zu betrachten,
wenn dies nach ihrem Wcrthc für einen der streitenden Thcile der Fall sein
würde. 2) Hiernach ist auf den Werth für denjenigen der streitenden Theilc, der
den Werth höher angibt, Rücksicht zu nehmen. Eine Ermässigung seiner An
gabc kann auf eingeholtes Gutachten von Sachverständigen (S. 69, II. Nro. 6)
durch eine Festsetzung des Richters erfolgen. Im zweifelhaften Falle ist jedoch
das Rechtsmittel zu gestatten.
2) Auch der Rwisionsrichter hat die Bcfugniß, auf Antrag einer Partei eine
wiederholte Abschätzung oder die Einholung eines neuen Gutachtens zu veran
lassen. Seinem Ermessen bleibt dann überlasse», welches Gewicht auf die etwa
veranlaßt«« neuen Ermittelungen zu legen ist.
1) Versteht sich hier von selbst, für den Beklagten.
2) D. h. für den, gegen welchen in zweiter Instanz nachtheiliger erkannt ist.
330
3) In allen Fällen, i» welchen mehre Personen als Kläger «der Verklagte in einem
Prozesse zugelassen worden sind, ist die Auläfsigkeit des Rechtsmittels der Revi
sion (gleich dem der Appellation Z. 197, I.) nach dem Gesammtbetrage der For
derungen oder Leistungen der mehren Strcitgenossen zu beurtheilen. Es kommen
daher bei Berechnung des Beschwerdeobjekts nicht blos die Beschwerdcsummen
der Revidenten, sondern auch die aller Streitgenossen, in soweit diese noch spä
ter und selbst nach ergangener dritter Entscheidung der vortheilhafter für ihre
Streitgenossen ausgefallenen Revision beitreten können, in Betracht. — Ges. vom
21. Juli 1843 GS. S. 297 fg. — K. 14«, Tit. 14, I. A. G. O.
Fälle, in denen das Rechtsmittel der Revision unbedingt ausge
schlossen ist.')
§. 223. Die Revision ist gar nicht zulässig:
t) in Schwängerungssachen und den darauf gegründeten Alimentenforderun
gen, gleichviel, ob damit zugleich der Antrag auf Borbehalt oder Zuerkennung
des Erbrechts für das uneheliche Kind verbunden ist oder nicht. Nur, wenn es
sich darum handelt, ob der Geschwächten oder dein Kinde die Rechte ehelicher
Personen beizulegen, also damit ein Standes- oder Familienverhältnis, verbun
den ist, trit der Fall des §. 222, I. ein.
2) bei Provokationen auf die Rechtswohlthat der Güterabtrctung;
3) in Prozessen über nachstehende Grundgercchtigkeite» s) das Recht, auf
die Mauer eines andern zu bauen «der Balken zu lege»; I>) das Traufrecht,
sowie die Befugniß, Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund auszugiessen, oder
durch eine» Kanal über des Nachbars Grund zu führen; c) das Recht der
freien Aussicht auf des Nachbars Grund; cl) das Recht, über eines an
dern Grundstück zu gehen, oder zu reiten, oder zu fahren, oder daö
Vieh zu treiben; e) das Recht der Durchfahrt durch eines Andern
Thorwcg;
4) in Arrestprozesse», wenn der Streit darum geht: ob der verhängte Arrest
w eder aufzuheben, oder es dabei zu belassen sei, gleichviel, ob zugleich in der
Hauptsache erkannt, oder über die Zulässigkeit des Arrestes besonders gesprochen ist;
5) in Assekuranzstreitigkeitenz
6) im Diffamation sprozesse, das Erkenntmß mag die Verpflichtung des Be
klagten zur Anstellung der Klage, oder die Bestimmung des Zeitraums dazu,
oder die Präklusion aussprechen;
7) in Prodigalitätserklärungssachen, wenn der Antrag des Provokanten,
oder ein Gesuch des für einen Verschwender Erklärten um Wiederaufhebung der
Kuratel, in beiden ersten Instanzen verworfen ist;
8) in Pachtermissionsprozessen, mit Ausnahme des Falles, wenn entweder
Kläger ganz abgewiesen, oder auf völlige Exmission erkannt ist;
9) in Moratoriensachen und
1V) in den Prozessen, wo es sich um die Frage handelt: ob Konkurs zu er
öffnen sei. — Z. 3, B. vom 14. December 1833. — Nro. 6 Jnstr. vom 7.
April 1839. — Tit. 29, Z. öl, 63. Tit. 3«, Z. SS. Tit. 32, g. 22, 27. Tit.
38, Z. 33, 44. Tit. 44, Z. 43. Tit. 47, §. 26, 42, 94. Tit. S«, §. 19, I.
A. G. O. — Tit. 22, §. SS—79, I. A. L. R.
') Wenn die Entscheidung ganz unzweifelhaft, und die Ergreifung des Rechtsmit
tels offenbar nur zum Verschleif der Sache geschieht; so kann der Richter das
eingewendete, sonst mit Rücksicht auf das Objekt zulässige Rechtsmittel der Re
vision zwar durch Dekret verwerfen. Doch muß, wenn die Partei sich hierbei
nicht beruhigen will, das Rechtsmittel zugelassen werden. — Res. vom 30. De
cember 1822. Jahrb. 2«, S. 280.
Z31
Anmeldung dcs Rechtsmittels der Revision und Verfahren.
§. 224. I. Das Rechtsmittel der Revifion ift durch die blosse rechtszeitige
Anmeldung beim gehörigen Richter gewahrt. Das Anmcldungsgesuch muß die
erklarte Unzufriedenheit aussprechen, und-zuglcich die Beschwerden deutlich und be
st i in mt anzeigen. Eine blos in allgemeinen Ausdrücken abgefaßte Angabe und na
mentlich die blosse Bezugnahme auf frühere Anträge ist nicht zulässig. ' ) — §. ö,
Tit. 15, t. A. G. O. — Res. vom 2«. Mai 1U23. Jahrb. 21, S. 27S.
U. Auf die eingekommene Rcvisionsanmcldung, welche dem Gegner unverzüg
lich bekannt zu machen, wird dem Revidenten eine präklusivischc Frist von 14 Ta
gen bis 4 Wochen,^) nach der Weitläufigkeit und Wichtigkeit der Sache, zur Ein-
rcichung einer schriftlichen Ausführung seiner Beschwerden (Revisionsbericht,
Rcvisionsdcduktio») bewilligt. — Geht binnen der gestellten Frist der Rcvi-
sionsbericht nicht ein, oder hat Revident von vornherein oder später auf dessen
Einrcichung verzichtet, und auf die Akten, wie sie liegen, summittirtz so wird, ohne
Erforderung der Gcgcndcduktion von Seite» des Rcviscn, von Amtswcgcn mit Ak-
tcninrotulation und Sprucheinsendung verfahren. — Geht aber der Revisionsbericht
ein ; so wird derselbe dem Reviscn abschristlich mitgctheilt, und ihm eine gleiche prä
klusivischc Frist zur Einrcichung dcr Gcgcndeduktion gcstattct. Nach Eingang oder
Ablauf dcr Frist ist das Verfahren geschlossen. — Z. 6 a. a. O.
Hl. Auch nach Präklusion können die Parteien noch ihre Deduktionen nach
träglich einreichen. Dies muß jedoch stets bei dem Gericht geschehen, bei welchem
die Verhandlung in der Revisionsiiistanz erfolgt ift. — Geht auf diese Weise ein
Revisionsbericht ein; so muß cr schleunigst dem Reviscn, zur Gcgenausführnng bin-
ncn einer zu bewilligenden Frist, mitgcthcilt werden. Nach Eingang dcr Gegende
duktion oder nach Ablauf dcr Frist crfolgt die Nachsendung an das Geh. Ober.
Tribunal, in sofern die Akten benies dahin abgegangen sind.
Kommt auf diese Weise eine Schlußschrist ein, so wird sie ebenfalls den Ak
ten nachgeschickt.
Die Abfassung dcs Erkenntnisses darf aber durch dies nachträgliche DeduktionS-
verfahre» nicht aufgehalten werden. Gehen daher die Schriftsätze nicht zeitig genug
ein, so wird auf ihren Inhalt nicht Rücksicht genommen.
Nach tröge zum Revisionsbcricht, und zum Schlußbcricht werden nicht ange
nommen. — z. 2—s, Ii. V. vom II. Januar 1805 N. C. E. ?'om XI. Rro. I.
v. 1805. — Res. vom 6. Mai 1817 und 8. Mai ISIS. Jahrb. 9, S. 201, Bd.
11, S. 209. — Res. vom 4. Oktober 1834. GrSff, Koch :c. Erg. III. S. 29S.
Von Jnrotulatio» der Akten, und Einsendung an das Geheime
Obertribunal zum Spruch,
tz. 225. I. Die Aktcninrotulation ist in dritter Instanz jederzeit erforderlich.
Es ist daher bald nach Eingang der Deduktionen, odcr nach Präklusion in einem
anzusetzenden Termin mit Zuziehung der Bevollmächtigten
') Ein Res. vom 4. Jan. 1831 (Gr äff, Koch :c. Erg. III. S. 293) spricht sich
jedoch dahin aus, daß, obwol die Angaben der Beschwcrdepunkte bestimmt und
deutlich erfolgen müssen, in dcm Falle, wo eine einfache, klar zu übersehende
Verurtheilung ausgesprochen ist, die Revision zugelassen werden muß, wenn auch
dcr Verurtheilte nur allgemein erklärt, sich dabei nicht beruhigen zu können,
oder, sich dadurch beschwert zu fühlen, und das Rechtsmittel der Revision er
greifen zu wollen. Denn es würde hlcr auf eine blosse leere Form hinauslaufen,
wenn die Bestimmung dcs Erkenntnisses, welche allein dcr Gegenstand dcr Be
schwerde sein kann, in der Revisionsanmeldung wörtlich ausgedrückt werden müßte.
2) Von der zu gestattenden kürzeren Frist im Wechfelprozcß, und im Merkantilpro
zeß wird unten bei diesen Prozeßakten die Rede sein.
332
1) diese Jnrotulation vorzunehmen,
2) zu spezifiziren , welche Akten zu versenden, wobei auch die Manualakten überge
ben werden müssen, und
3) zu prüfen, welche Dokumente beizufügen und zu übersetzen, auch ob die Manda
tarien ihre Vollmachten eingereicht haben. Das Mangelnde ist demgemäß vor
Absenkung der Akten zu erledigen.
Wird hierbei etwas verabsäumt, so werden in Sachen, wo Justizkommissarien
zugezogen worden sind, diese deshalb in eine Strafe von fünf Thaler» genommen.
Auch haben sie die durch den Verstoß erwachsene» mehren Kosten zu tragen.
Sind die Parteien selbst erschienen, so trifft die Strafe und der Kostencrsatz
wegen des etwanigen Verstosses des Dezernenten. — S. 6 u. Anh. K. 132, Tit. 15,
I. A. G. O.— Ref. vom 9. März 1815. Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 295.—
Ref. vom 1«. März 1841 I. M. B. S. 123.
II. Nach Abhaltung des Jnrotulationstermins erfolgt die Absenkung der Akten,
Manualakten und sonstigen Beiaktcn unmittelbar an das Geheime Obcrtribunal.')
Dieses erkennt in allen Revisionssachen ohne Ausnahme. 2) Neue im Rcvisionsbe-
richt oder im Schlußbcricht vorkommende Thatsachen oder Beweismittel hindern die
Absenkung nicht, da nur der Revisionsrichter über deren Erheblichkeit und Zulässig-
keit zu entscheiden hat.
Schwebt das Revisorium in einer Sache, in welcher in der Appellationsinstanz
beim Obergericht verhandelt worden, beim Untergcricht; so muß dieses vor Absen
kung der Akten die Appellationsakten erbitten und beifügen.
In Wechsel- und eigentlichen Merkantilprozcssen muß bei Einreichung der Ak
ten an das Geh. Obertribunal, zur Beschleunigung der Entscheidung, die Prozeßart
auf dem Bericht und auf dem Kouvert «ermerkt werden. — tz. 6, 10 fg. Tit. 15.
K. 41, 44 Tit. 27. z. 4«, 43 Tit. 30, I. A. G. O. — 8. 2« V. vom 14. De-
cember 1833. — Nro. 48 Jnstr. vom 7. April 1839.
Wahl der Referenten beim Geh. Ober-Tribunal und Bcfchlußnahme
1) wenn eine Abänderung der früheren Erkenntnifse erfolgt;
z. 226. I. Beim Geheimen Obcrtribunal werden die Akten bei dem betref
fenden Senat zum Spruch vorgelegt, und hier zwei Referenten ernannt, von denen
jeder, und zwar einer nach dem andern, eine Relation abfaßt. Auch hier wird die
Relation des einen, dem andern Referenten nicht mitgetheilt. — z. 4, 7 Eab.-Ord.
vom 19. Juli 1832 GS. S. 192.
II. Der Vortrag der Relationen, und die Berathung über die Sache erfolgt
in der Sitzung des betreffenden Senats, und im Beisein von mindestens sieben
Mitgliedern, den Präsidenten eingeschlossen. Die Beschlußnahme geschieht nach
absoluter Stimmenmehrheit.^) Die Relation eines abwesenden Referenten wird
zwar verlesen, sein Votum bei Zählung der Stimmen aber nicht mitgerechnet. —
2 ) Die Einsendung erfolgt von allen Gerichten, mit Ausnahme des Kammergerichts
und des O.L.Gericht zu Frankfurt, mittelst Berichts. — Cab.-Ord. vom 3«.
September 1838 mitgetheilt im Ref. vom 5. Oktbr. 1338. Jahrb. 52, S. 517.
Im Bericht muß unter andern auch das Folium der Akten, wo sich die Verhandlung
über die Akteninrotulation befindet, angegeben werden. — Res. vom 10. März 1841.
2) Es erkennt in Revisions- und Nichtigkeitsbcschwcrdesachcn ausschließlich. Jedoch
in den zur dritten Instanz gelangenden Jnjuriensachen erkennt das Geh. Ob.
Trib. nicht. — Eab.-Ord. vom 29. August 1835 GS. S. 197.
») In Sachen, wo beim Appellationsrichter nur rcferirt worden, bedarf es nicht
der Mitfendung der Relationen. — Ref. vom 9. November 1830. Jahrb. 36, S. 315.
4) Bei Stimmengleichheit gibt sowol in diesem, als im Falle unter Nro. III. und
IV. die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. — Res. vom 30. December
1820. Jahrb. 16, S. 232.
333
Enthält ein Senat zu einer Sitzung wegen Krankheit, Tob ober Abwesenheit von
Mitgliedern nicht die vorgeschriebene Zahl; so ergänzt der Präsident dieselbe aus den
andern Senaten. — K. ö, 6 a. a. O.
III. Ergibt sich vor dem Vortrage der Relationen, daß die beiden Referenten
auf die Abänderung zweier gleichförmigen Erkenntnisse antragen, oder wird beim
Vortrage die Abänderung zweier gleichförmigen Erkenntnisse beschlossen; >) so wer
den ausser den beiden bereits gewählten Referenten, noch zwei andre Referenten, und
zwar aus jedem der ander» beide» Senate einer, gewählt, welchen die Akten zum
Refcrircn zugestellt werden.
Bei dem Vortrage der Sache müssen demnächst aber noch so viel Mitglieder
aus jedem der andern Senate, der Reihenfolge nach, vom Präsidenten zugezogen
werden, daß der Beschluß wenigstens von 13 Mitgliedern, den Vorsitzenden ein
geschlossen, berathcn, und von diesen »ach der Stimmenmehrheit gefaßt wird. —
Z. 7 der Eab.-Ord. vom 19. Juli 1832.
IV. Wird in einer Spruchsachc durch Stimmenmehrheit des betreffenden Se
nats beschlossen, von einem bisher behaupteten Rechtsgrundsatze, oder von der durch
ihn selbst, oder durch einen, andern Senat bis dahin befolgten Auslegung und An
wendung einer gesetzlichen Vorschrift abzugehen; so ist die dadurch zweifelhaft ge
wordene Rechtsfrage an das Plenum des Geh. Obertribunals zu bringen. — Das
Plenum entscheidet darüber auf den Vortrag zweier neuen, aus den andern Sena
ten gewählten Referenten, und seine Entscheidung dient in der vorliegenden Rechts
sache dem betreffenden Senate zur Norm. — Eab.-Ord. vom I. August 183ü Nro.
3, 4 GS. S. 219.
2) im Falle Ergänzung der Instruktion oder Beweisaufnahme
beschlossen wird;
§. 227. I. Findet der Revistonsrichtcr beim Vortrage der Sache, daß irgend
ein in den Akten erster oder zweiter Instanz bereits vorgekommener erheblicher Um
stand, entweder, weil ihn die vorige» beiden Richter für unerheblich angeschn haben,
gar nicht untersucht, oder doch nicht deutlich und vollständig genug auseinanderge
setzt worden ist; oder wird sonst ein bei der Instruktion der Sache vorgefallener
Fehler und Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften, welcher die Abfassung des
Dcsinitiverkenntnisses hindert, von Amtswcgcn oder in Folge Anzeige der Parteien
wahrgenommen; so muß der Revistonsrichtcr durch Resolution festsetzen: daß und
wie ein solcher Umstand »och näher ausgemittelt, oder einem solchen Mangel abge
holfen werden müsse. ^) ^ Mit diefer Resolution müssen die Akten an das instrui-
rcnde Gericht zurückgeschickt, und nach Maasgabe derselben das Nöthigc von diesem
veranlaßt werden. Nach geschlossener Instruktion erkennt nochmals der Richter
derjenigen Instanz, in welcher die anderweit instruirte Thatsache zuerst vorge
kommen ist, folglich, wenn sie erst in der zweiten Instanz gerügt worden, der Ap
pellationsrichter; und er entscheidet in diesem Erkenntniß ausdrücklich: in wiefern
>) Die Abänderung muß entweder das ganze Urtel oder doch einen die revisible
Summe enthaltenden Theile desselben betreffen. — L5. Eab,-O. vom 10. Mai
1826 GS. S. 43.
2) In dem Falle, wenn über die legitime Geburt eines während der Ehe gebornen
oder erzeugten Kindes gestritten wird, und über die Vollziehung des Beischlafs
unter den Eheleuten während der Konzcptionszcit des Kindes die Delation eines
Eides erfolgt, die Abnahme aber unterblieben ist, weil die Erheblichkeit «der Zu«
lässt'gkeit des Eides-Antrags bestritten worden , der Revistonsrichtcr aber die Ab
leistung des Eides nöthig findet, ist dies im Erkenntnisse selbst auszusprechen. —
Plen. Beschl. des Geh. Ob. Trib. vom 17. Juni 1844 I. M. B. S. 22«. —
Nach einem früheren Beschlüsse, welcher durch diesen abgeändert worden, sollte
die Abnahme des Eides vor der Desinitiv-Entscheidung angeordiist werden.
334
die Thatsache ausgemittelt st!, und was daraus bcn Rechten nach folge. Bon einem
solchen Urtel find alsdann wieder die ordentlichen Rechtsmittel zulässig. — z. 9,
Tit. 15, I. A. G. O.
II. Betrifft jedoch der Umstand, dessen nähere Untersuchung der Rcvisionsrich-
ter nöthig findet, nicht die Hauptsache, sondern nur einen Ncbcnpunkt,
z. B. den Zinsensatz oder den Tag, von welchem ab Zinsen laufen, oder nur die Ko
sten, oder den Zahlungstermin zc.z so muß in der Hauptsache das Rechtliche erkannt,
zugleich aber im Urtel festgesetzt werden: ob und worüber eines solchen Ncbenpunk-
tes wegen noch eine nähere Instruktion zu veranlassen, und darauf nochmals in einer
der früheren Instanzen zu sprechen sei.
Gleiche Bewandniß hat es, wenn mehre abgesonderte Punkte in die Rcvisions:
Instanz gediehen sind, und nur bei einem oder etlichen derselben eine nähere Unter
suchung nöthig gefunden wird. Hier wird nur in Betreff der letztern die nähere
Untersuchung im Revisionsurtel mit angeordnet, und hinsichtlich der übrigen sogleich
definitiv erkannt. — §. 9 das.
3) im Falle neue Thatsachen und Beweismittel in dritter Instanz
vorkommen.
Z. 223. Auf neue Thatsachen oder neue Beweismittel, welche in den beiden
ersten Instanzen gar nicht vorgekommen sind, darf der Revisionsrichter keine Ent
scheidung gründen. Wenn daher solche auch in der Revisionsinstanz noch angebracht
rosrden, so muß er die Entscheidung lediglich nach der in erster und zweiter Instanz
ausgemittelten Lage der Sache abfassen. — Nur ausnahmsweise finden neue That
sachen und Beweismittel in dritter Instanz in sofern Berücksichtigung, als der Re
visionsrichter dann die Sache in eine frühere Instanz zur Instruktion und Entschei
dung zurückverweist. In dieser Hinsicht sind folgende Fälle zu unterscheiden:
1. Wenn der Revisionsrichter eine in den vorigen Instanzen unerörtert geblie
bene Thatsache für erheblich erachtet, und gemäß z. 227 die Instruktion derselben
anordnet; so müssen bei dieser Instruktion auch die erst in dritter Instanz hin
sichtlich jener, für erheblich erachteten, Thatsache angeführten neuen Umstände und
Beweismittel berücksichtigt und aufgenommen werden.
2, Wenn der Revident zur Unterstützung oder Widerlegung einer in den vori
gen Instanzen wirklich zur Instruktion gezogenen Thatsache neue Beweismittel an
führt; so muß
^. der Revisionsrichter die Rückweisung der angegebenen neuen Beweismittel zur
Aufnahme derselben in der Instanz, wo die Thatsache selbst zuerst vorgekm-
men ist, allemal verordnen, wenn die Thatsache an sich erheblich ist, und in
den vorigen Instanzen gar kein Beweis darüber, blos aus Mangel an Beweis
mitteln, hat aufgenommen werden können.
War aber in den vorigen Instanzen eine Beweisaufnahme erfolgt, und es wer
den in der Rcvisionsinstanz «) Zeugen vorgeschlagen; so ist »») darauf keine
Rücksicht zu nehmen, sobald die streitige Thatsache eine eigene Handlung
der Partei ist, und dieselbe nicht etwa schon in den vorigen Instanzen sich, we
nigstens im Allgemeinen, darauf, daß Zeugen darüber vorhanden wären, bezo
gen hat. db) Ist dagegen eine solche wenigstens allgemeine Beziehung in
den Akten der vorigen Instanz vorhanden, oder betrifft die streitige Thatsache
nicht die eigne Handlung der Partei; so bleibt es dem Ermessen des Re-
visionsrichtcrs anheimgcstellt: in wiefern nach Beschaffenheit des bereits aufge
nommenen Beweises noch Gründe vorhanden sind, von der Abhörung der neuen
Zeugen eine vollständigere Aufklärung der Wahrheit zu hoffen, und also die
Rückweifung der Sache zur Aufnahme des neuen Beweismittels zu veranlassen. —
j>) Eben so ist es zu halten, wenn das neue Bewsismittel in Urkunden bp
SS5
steht, welche der Revisionsbeduktion sogleich beigelegt sind. Dann muH der
Revisionsrichter nach dem Inhalt, und der äusseren, auf die Glaubwürdigkeit Ein:
fluß habenden. Form dieser Urkunde» in Vcrglcichung mit dem in voriger In
stanz bereits aufgenommenen Beweise glcichmössig beurtheilen: in wiefern eine
Rückweifung stattfinde oder nicht. Blosse Beziehungen auf Urkunden, die nicht
sofort beigelegt werden, verdienen gar keine Rücksicht.
Wird demgemäß (.^ und IZ) eine Beweisaufnahme angeordnet; so muß der
die Instruktion leitende Richter diese zugleich darauf richten:
woher es komme, daß diese Beweismittel erst in der dritten Instanz an«
gegeben worden?
Der hierüber von der Partei beizubringende, mehr oder weniger gcnugthuende
Nachweis Hot nicht nur auf die künftige Beurtheilung der Glaubwürdigkeit des
neuen Beweismittels, besonders wenn es Zeugen sind, erheblichen Einfluß; son
dern es muß auch im künftigen Urtel wegen des Kostenersatzes an den Gegen-
theil, wegen Vergütung des demselben aus diesem Verzuge entstandenen Scha
dens, ingleichcn wegen der Strafen muthwilliger Schikanen und Verschleppun
gen das Erforderliche festgesetzt werden. (N. §. 17«, IV. V. K. 210.)
3. Wenn eine ganz neue Thatsache angegeben wird, worauf ein, vom bisherigen
ganz verschiedener, Klagegrund gebaut wcrdm soll; so wird blos nach Lage der bis
her verhandelten Akten erkannt, und der neue Klagegrund zur bcsondcrn Ausfüh
rung verwiesen. Ein deshalb ausgesprochener Vorbehalt wirkt niemals Kompensa
tion der Kosten. Wird aber auch dieser Borbehalt nicht ausgesprochen, so ist es
den Rechten der Partei unschädlich.
4. Sind neue Thatsachcn blos zur Unterstützung eines unverändert bleibenden
Klagegrundcs angeführt, z, B, neue Besitzhandlungen zur Begründung der behaup
teten Verjährung; so ist darauf gar keine Rücksicht zu nehmen.
5. Gleiches gilt, wenn der Beklagte neue, auf Thatsachcn sich gründende Ein
wendungen erst in dritter Instanz aufstellt. Nur, wenn diese Einwendungen zu den
noch in der Erekutionsinftanz zulässigen Einreden der Zahlung, der Kompensation,
des Erlasses und des Vergleichs gehören; so ist in der Hauptsache zu erkennen, und
der Einwand zur Verhandlung in erster Instanz zurückzuweisen.
Findet der Revisionsrichter die nach Rro. 1—5 angebrachten neuen Umstände
oder Beweismittel, auch an sich betrachtet, unerheblich; so muß er sie im Urtel
ausdrücklich verwerfen. Einer Untersuchung der neuen Thatsachen bedarf es auch
dann nicht, wenn der Richter, ohne Rücksicht darauf, schon in den bisherigen
Verhandlungen hinlängliche Gründe findet, das vorige Erkcnntniß zum Vortheil des
Revidenten abzuändern. — §, l«—1« und §. 2«, Tit. 15, I. A. G. O. §. 36,
Tit. 24 das.
Entscheidung über den Kostenpunkt, und von den Sukkumbenzftrafen.
§. 229. I. Das Revisionsurtel muß sich ebenfalls über den Kostenpunkt aus
sprechen. Die Kosten aller Instanzen sind
1) zu kompensiren, wenn in der Hauptsache die ersten Urtel abgeändert werden;
ferner, wenn beide Theile revidirt haben, und entweder in Betreff Beider bestä
tigt oder abgeändert wird. Die Kosten der Revisionsinstanz sind
2) dem Appellanten aufzulegen, wenn eine Bestätigung der frühern Urtel erfolgt.
Dagegen muß
3) eine verhaltnißmässigc Verthcilung sämmtlichcr Kosten in Gemäßheit des §. 170,
IV. s und b stattfinden, wenn mehre Punkte in die Revisionsinstanz gediehen,
und in. Betreff derselben thcils Bestätigung, thcils Abänderung erfolgt; sowie,
wenn von beiden Theilen revidirt worden, und nur in Ansehung des einen
Theils abgeändert, in Betreff des andern Theils aber bestätigt wird.
336
4) Wird ein erst in der Rcvisionsinstanz angebrachter neuer Umstand zur andcrwci-
ten Untersuchung verwiesen; so muß diese Untersuchung in erster Instanz alle
mal auf Kosten desjenigen, der sich mit diesem Anbringen verspätet hat, erfol
gen. — 8. 10—12, Tit. 23, I. A. G. O.
II. Werde» in dritter Instanz die früheren Erkenntnisse in irgend einem
Theilc abgeändert; so fallen auch die in zweiter Instanz erkannten Sukkumbenzgel-
der weg. Sind dagegen beide erste Erkenntnisse gleichlautend, und werden diese Er
kenntnisse auch in dritter Instanz bestätigt, so muß dem Revidenten auch im dritten
Urtel eine Sukkumbcnzstrafe von zwanzig Thlr. aufgelegt werden. — H. 49, Tit.
23, I. A. G. O. Geb.-Taxe für Ob. G. vom 23. August 1815 Abs. I. Nro. 22. —
Res. vom 13. Mai 1833. Jahrb. 41, S. 475.
III. In Betreff andrer Strafen gilt in dritter Instanz dasselbe, was für die
Appcll.-Jnstonz nach §. 21«, III. vorgeschrieben ist. — z. 5«, Tit. 23, I. A. G. O.
Entscheidungsgründe; Protokollbuch und Spruchrepertorium.
§. 230. I. Alle Rcvisionserkcnntniffe müssen mit Entscheidungsgründen ver
sehen, und mit diesen ausgefertigt werden. — K. 8, Cab.-Ord. vom 19. Juli 1832
GS. S. 129.
II. Jede Entscheidung ist in das Protokollbuch des Senats, bei welchem
erkannt ist, einzutragen. Kommen in einer Sache Rechtsfragen zur Sprache, welche
unter den Parteien streitig, oder sonst bei Bearbeitung der Sache Gegenstand einer
näheren Erörterung gewesen sind, so wird die hinsichtlich dieser Rechtsfragen be
schlossene Entscheidung auf den schriftlichen Antrag eines Referenten,
oder auf den Beschluß des Senats in dessen Spruchrepertorium
s) nach der Reihenfolge der Titel und Paragraphen der Gesetzbücher, sowie einzel
ner Gesetze oder Verordnungen, und
b) nach alphabetisch:,,- Ordnung der Rechtsgegenstände
eingetragen. — Die Rcpertorien der einzelnen Senate sind durch gegenseitige Über
tragung stets vollständig, jeder Senat also in fortlaufender Kenntniß von den Be
schlüssen der beiden andern, in Beziehung auf die Entscheidung streitig gewesener
und zur nähern Erörterung gediehener Rechtsfragen, zu erhalten.
Ist die Entscheidung gemäß z. 22S, IV. durch das Plenum des Geheimen Ober
tribunals erfolgt; so wird sie jedesmal in das Protokollbuch des ersten Senats und
in sammtliche Spruchrepertorien eingetragen. — Nro. 1, 2, 4 d. Cab.-Ord. vom 1.
August 1836 GS. S. 218.
Publikation der Revisionserkenntnisse; Deklarationsgcsuche und
nachträglicher Beitrit zur Revision.
Z. 231. I. Der Revisionsrichter sendet die für die Parteien und zu den ge
richtlichen Akten bestimmten Ausfertigungen des Urtels nebst den Abschriften für die
Mandatarien demjenigen Richter, bei welchem die Verhandlung der Revisionslnstanz
erfolgt ist. Hier wird das Urtel in der g. 183 vorgeschriebenen Art den Parteien
zugefertigt. — Ist dieser Richter ein Unterricht«, so muß er eine einfache Abschrift
des Erkenntnisses dem Appcllationsrichter senden, und falls er von diesem die Ap-
xellationsakten erbeten hatte, diese beifügen.
Hat der Revisionsrichter im Urtel die Sache in eine frühere Instanz zurückge
wiesen, und eine neue Instruktion angeordnet, (Z. 228); so muß der Richter, wel
chem die Sache überwiesen ist, bald nach Publikation des Urtels einen Termin an
beraumen, in welchem zuförderst der Allegant über die angebrachte neue Thatsache
oder das Beweismittel, genau und vollständig vernommen, sodann aber mit der wei
teren Instruktion verfahren werden muß. Auch der Gegner kann in diesem Falle
337
neue Gründe und Beweismittel zur Widerlegung der neuen Tatsachen oder Be
weise anführen. — Z. 24, Z. 19, «it. 15, I. A. G. O. - Nro. 47, 43 der Jnstr.
«om 7. April 1839 GS. S. 151.
II. Deklarationsgesuche gegen Rcvisionscrkenntnisse müssen innerhalb vier
Wochen nach deren Publikation und zwar immer beim instruirenden Gericht an
gebracht werden. Dieses vergleicht da« Deklarationsgesuch sorgfältig mit dem Er
kenntnisse. Findet es
1) dasselbe offenbar unbegründet, und nur auf Vereitelung oder Verdrehung
de« Erkenntnisse« abzielend; fs bescheidct eö den Bittsteller über den Ungrund
des Gesuchs.
2) Findet es aber die Sache irgend zweifelhaft, so vernimmt eS beide Parteien
oder deren Mandatare in einem kurz anzuberaumenden Termine über das Gesuch
näher, und sendet dieses, das Protokoll und die Akten dem Geheimen Obertri
bunal zur Entscheidung über das Deklarationsgesuch. — g. 26—28, Tit. 15, I.
«. G. O.
III. Hat in Fällen, in denen mehre Personen als Kläger oder Beklagte in
Einem Prozesse zugelassen worden sind, nur einer oder einige dieser Streitgenossen
das Rechtsmittel der Revision ergriffen, und ein günstigeres Urtel erstritten; so kön
nen die übrigen Streitgenossen noch nach Publikation des Rcvisionsurtcls der für
ihre Mitgenossen günstiger ausgefallenen Revision beitreten. Doch darf dieser Bei-
trit, wie dies auch in Betreff des Rechtsmittels der Appellation Z. 199 vorgeschrie
ben, nicht zum Nachthcile der ursprünglichen Revidenten gereichen. — g. 14 s, Tit.
14, z. 1, Tit. 15, l. A. G. O. — §. 10 des Ges. vom 21. Juli 1843 GS. S. 299.
Vom Zusammentreffen der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde.
Z. 232. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1) Trifft das Rechtsmittel der Revision und das der Nichtigkeitsbeschwerde in einem
Prozesse über mehre aus verschiedenen Geschäften herrührende Streitgegenstände
zusammen, dergestalt, daß bei einem oder einigen derselben die Revision, bei an,
dern aber die Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet worden; so wird über beide
Rechtsmittel gleichzeitig, jedoch in getrennten Akten, verhandelt, und es wird
darüber durch ein und dasselbe Erkenntniß entschieden.
2) Treffen dagegen beide Rechtsmittel in einem Prozesse über mehre aus
einem und demselben Geschäfte hervorgegangene Streitpunkte,
oder auch bei einem und demselben Streitgegenstand zusammen,
gleichviel, ob eine Partei oder beide Parteien die Rechtsmittel ergreifen; so zieht
in allen diesen Fällen das Rechtsmittel der Revision das der Nichtigkeitsbeschwerde
nach sich. Dieses Rechtsmittel wird daher als eigentliche Revision betrachtet;
die Nichtigkeitsbeschwcrdeschrift vertrit die Stelle des Revisionsberichts, und es
sinken überall und selbst hinsichtlich der Entscheidung auch in Betreff der Nich
tigkeitsbeschwerde die Vorschriften über das Rechtsmittel der Revision Anwendung.
Wird nach Einleitung des Rechtsmittels die Revision zurückgenommen, so daß
die Kumulation wegfällt; so muß die Nichtigkeitsbeschwerde nur als solche und
nach den im folgenden Abschnitt enthaltenen Vorschriften behandelt werden. —
§, 9 b. Ges. vom 14. December 1833. — Art. 4 d. Declar. vom 6. April 1839.
2S
3S8
Zweiter Abschnitt.
«om Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde.')
Zulässigkeit dieses Rechtsmittels.
Z. 233. I. Das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde setzt jedesmal voraus,
daß gegen das Urtcl, gegen welches eine Partei dasselbe einwenden will, kein an
dres Rechtsmittel zulässig ist. 2) Namentlich findet es statt
1) gegen Entscheidungen erster Instanz
a) in nothwcndigcn Subhastationen') bei Objekten im Wcrthe von mehr als
50 Thlr.; 4)
d) in Possessoricnprozesscn, hier jedoch nur dann, wenn das Prozcßobjekt 5« Thlr.
im Wcrthe übersteigt, und nicht die Restitution eingewendet werden kann;
(«f. §. 189)
e) gegen Purisikationsrcsolutioncn, in sofern der Bcschwerdcpunkt 5V Thlr. nicht
übersteigt, und nicht gemäß §. 19« die Restitution zusteht; 5)
g) gegen Kontumazialbescheide im Falle des Z. 23S Nro. 1 ;
2) gegen Entscheidungen zweiter Znstanz, in allen Fällen, in welche» nicht Revision
gestattet ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung eine blosse
Agnitionsresolution, oder ein wirkliches Erkcnntniß, oder eine Purifikationsreso-
lution ist, wenn im letzten Falle nur nicht die Restitution eingewendet werden
kann. Auch ist es gleichgiltig, ob der Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde 5« Thlr.
nicht erreicht, oder übersteigt. Auch in dem Falle ist dieses Rechtsmittel zuläs
sig, wenn die Nichtigkeitsbeschwerde nach Z. 236, Nro. 5 darauf gegründet wird,
daß der Richter zweiter Instanz die Appellation zugelassen habe, ungeachtet die
selbe wegen Mangels der appellablen Summe hätte zurückgewiesen werden müs
sen. — Cab.-Ord. vom 22. December 1841 GS. 1842 S. 16. — §. 4—«,
V. vom 14. December 1833. — Art. 1, 2 Dcclar. vom 6. April 1839. —
Nro. 21, 22 Jnstr. vom 7. April 1839. — Cab.-Ord. vom 23. Novembcr
1839 GS. S. 126.
II. Ausgeschlossen ist das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde
5) in Jnjuriensachen, in denen dem Beklagten gar kein Rechtsmittel zu steht, oder
in denen nur ein Milderungs- und Nicdcrschlagungsgcsuch zulässig ist.«)
2) hinsichtlich aller Entscheidungen erster Instanz, mit Ausnahme der unter I. Nro. 1
bezeichneten;
S) hinsichtlich der Entscheidungen zweiter Instanz, wenn dagegen in Betreff des Bc-
schwerdeobjekts die Revision zulässig;
z) Der das Rechtsmittel Einwendende heißt Jmplorant, der Gegner Jmplorat.
s) War gegen das Erkcnntniß ein andres Rechtsmittel, z. B. die Restitution zwar
zulässig, die zur Anbringung desselben gestattete Frist ist jedoch vergeblich abgelau
fen; so kann die Nichtigkeitsbeschwerde in keinem Falle Platz greifen.
s) Freiwillige Subhastationen werden als Handlungen der freiwilligen Gerichtsbar
keit betrachtet. Von Rechtsmitteln kann daher bei denfelben nicht die Rede sein,
da ein Erkenntniß nicht abgefaßt wird.
4) Die Cab.-Ord. vom 22. December 1841 will die Nichtigkeitsbeschwerde gegen
Entscheidungen erster Instanz, in sofern das Objekt 5« Thlr. nicht übersteigt,
überhaupt nicht zugelassen wissen. Diese Bestimmung muß daher auch auf
Subhastationen Anwendung finden.
5) Gegen Agnitionsresolutioncn erster Instanz und gegen Kontumazialbescheide ist
mit Ausnahme des Falles §. 236, Nro. 1 die Nichtigkeitsbeschwerde niemals zu
lässig. Denn gegen erstcre ist, falls sie mehr als 50 Thlr. betreffen, die Ap
pellation, sonst der Rekurs, gegen Kontumatial-Befcheide aber die Restitution
zuständig. Schulz (Rechtsmittel z. 198, S. 12«) ist andrer Ansicht.
k) Im Allgemeinen ist also in Jnjuriensachen die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig.
Die hier bezeichneten Ausnahme-Fälle ergeben sich naher aus S. 216 bis 219,
339
4) in Bezug auf die Rcvisionserkenntnisft;
5) in allen Fällen, in welchen die Beschwerde nur de» Kostenpunkt allein betrifft;
in Ansehung dessen kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur zugleich mit der Haupt
sache eingewendet werden;
6) wegen erkannter Prozcßstrafen; und
7) in Fällen, in denen nach Borschrift der Gesetze kein förmliches Erkcnntniß, son
dern nur eine Resolution abgefaßt ist. >) Doch finden hier die unter I, hinsicht
lich der Agnitions- und Purifikationsrcsolutionen angegebenen Ausnahmen statt.
Ist eine Entscheidung irrthümlich, statt in Form eines Erkenntnisses, in Form
einer Resolution, oder umgekehrt, ergangen; so entscheidet nicht die irrthümliche
Bezeichnung, sondern das wahre Rechtsverhältnis, über die Aulässigkeit der Nich
tigkeitsbeschwerde. — Rro. 15 und 23 Jnstr. vom 7. Aprjl 1839.
Von wem, innerhalb welcher Frist, und bei welchem Gericht das
Rechtsmittel einzuwenden sei.
§. 234. l. Zur Einlegung des Rechtsmittels der Nichtigkeitsbeschwerde ist die
jenige Partei befugt, welche sich durch die ergangene Entscheidung für beein
trächtigt hält. Auch der Adzitat und Litisdenunziat haben gleiche Befugniß.
Gegen Adjudikationsbeschcide in nothwcndigcn Subhastationen kann sie
eingewendet werden
1) vom Bieter, welcher den Zuschlag für sich verlangt hat, und behauptet, daß
ihm und nicht dem Adjudikatar das Grundstück hätte zugeschlagen werden müssen;?)
2) vom Adjudikatar, wenn er behauptet, daß ihm der Zuschlag nicht, oder un
ter andern, als den im Adjudikationscrkenntnisse ausgenommenen, Bedingungen
hätte ertheilt werden sollen;
3) von jedem dritten Subhastationsinteressenten, namentlich vom Extra-
hentcn, vom Schuldner resp. Eigenthümcr des Grundstücks, und von allen aus
dem Hypothekenhuch ersichtlichen Real- und Vorkaufsberechtigten, oder falls ein
solches nicht eristirt, von den mittelst Aufgebots zugezogenen Realinteressenten.
II. Haben von mehren Streitgenossen nur einer oder einige das Rechtsmittel der
Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet; so können die übrigen Streitgenossen ebenso,
wie nach K. 231, III. hinsichtlich der Revision vorgeschrieben, noch später bei
treten. — Z. 4, 19 Ges. vom 14. Dccember 1333. — Art. 2 Dcclar. vom 6.
April 1839. — Nro. 36 Jnstr. vom 7. April 1839. — K. 7, 9 Ges. vom 4.
März 1834 GS. S. 39. — §. 1« Ges. vom 21. Juli 1843 GS. S. 299. —
Res. vom 6. August 1836. Mannkopf A. G. O. II. S. 87.
ZU. In Betreff der Fragen : bei welchem Gericht, und innerhalb welcher Frist
das Rechtsmittel anzubringen sei? kommen die Vorschriften des z. 221 zur
Anwendung.
Hat die Verletzung einer ProzeHvorschrift (Z. 236) stattgefunden, die da
durch benachthciligte Parte! «her, obwol davon unterrichtet, dennoch die Verletzung
i» der zunächst stattgefundcnen Prozeßverhandlung, (es sei dies eine Prozeßschrift, Z)
^ >) Dahin gehört namentlich auch der Fall, wenn gegen eine im Mandatsprozeß
erlassene Verfügung nicht rechtszeitig Einwendungen erhoben werden.
2) Hieraus folgt, daß den Lizitanten, welche bei der Lizitation nicht freiwillig ab
getreten find, sondern den Zuschlag für sich verlangt haben, der Adjudikations-
bescheid pubiizirt werden muß, wenn auch der Zuschlag an sie nicht erfolgt ist.
s) »Eine jchriftliche Eingabe, womit der Mandatar des Jmplorantcn nach Publika
tion des beschwerenden Urtels die zur Jnformationseinzichung ihm mitgcthcilten
gerichtlichen Akten zurückreicht, ist als eine Prozcßschrist in diesem Sinne nicht
anzusehn. — Plen. Beschl. des Gel,. Ob, Trib. vom 4. Septbr. 1843 I. M,
Sl. M4 S. lS0.
8«
340
oder ein Termin) nicht gerügt; so soll dies als eine stillschweigende Entsagung an-
gesehn, und die Nichtigkeitsbeschwerde nicht weiter zugelassen werden.
Verletzungen dieser Art, die vom erkennenden Richter begangen werden, und
nur erst durch Einsicht des ergangenen Urtels entdeckt werden können, brauchen nicht
in der Publikationsverhandlung gerügt zu werden, weil sonst die Nichtigkeitsbe
schwerde gleich bei der Publikation angebracht werden müßte. — Nach der Publi
kation des Erkenntnisses können aber innerhalb der Einlegungsfrist andre Prozeß
handlungen vorkommen; es kann z. B. eine Nichtigkeitsbeschwerde angebracht sein,
und der Jmplorant innerhalb der gesetzlichen Frist eine zweite wegen einer in der
ersten nicht gerügten Verletzung einer Prozeßvorschrist anbringen wollen; es können
Verhandlungen nothwcndig werden über die Exekution, über die Leistung eines auf
erlegten Eides; über die Frage: von wem der Eid anzunehmen sei, wenn derjenige,
welchen das Erkenntniß dazu verstattete, unterdessen verstorben ist; über die Zuläs-
sigkeit eines andern angemeldeten Rechtsmittels u. dgl. Hat der Verletzte in sol
chen Verhandlungen die von dem erkennenden Richter durch Verletzung einer we
sentlichen Prozeßvorschrift begangene Nichtigkeit nicht gerügt; so ist dies für eine still
schweigende Entsagung anzusehn, eben so, als wenn die während des Laufes des
Prozesses und vor dem Erkenntniß vorgekommene Verletzung in der unmittelbar
darauf stattgefundenen Prozeßverhandlung ungerügt geblieben ist.
Hieraus folgt zugleich, daß die Anbringung neuer Nichtigkeitsgründe, welche
auf Verletzung einer Prozeßvorschrift beruhen, nach Einreichung der Nichtigkeitsbe
schwerdeschrift nicht weiter zulässig ist. — Z. 6. Ges. vom 14. December 1833. —
Nro. 2«, 3« der Jnstr. vom 7. April 1839.
Dritter Abschnitt.
«on den im JnjurienprozeH in dritter Instanz zulässigen
Rechtsmitteln.
K. 24S. I. Wenn auf das vom Kläger in Jnjuriensachen eingewendete Rechts
mittel der Aggravation (ß. 219) das zweite Urtel zum Nachtheile des Beklagten
härter ausfällt, als das erste; so steht dem Beklagten gegen dies zweite Erk»ntniß
das Milderungs- und Niederschlagungsgesuch oder das Rechtsmittel der weiteren
Vcrtheidigung zu, je nachdem mit Rücksicht auf die Strafhöhe das eine oder andre
zulässig ist (g. 21S, l. Nro. 1. 2). Das Rechtsmittel muß binnen 1« Tagen bei
Verlust desselben beim Richter erster Instanz angebracht werden. Auch hier wird
die zehntägige Frist von Behändigung ab, den Tag der Behändigung nicht mit ge
zählt, gerechnet. Bei auswärtigen Beklagten kommt aber ausserdem die Frist nicht
in Anrechnung, binnen welcher, von Behändigung ab, Beklagter nach dem gewöhn
lichen Lause der Posten das Anmcldungsgesuch dem erste» Richter zusenden konnte. —
Anh. K. 218—22« und §. 15, Tit. 34, 1. A. G. O. — Res. vom 26. August 1843
I. M. B. S. 27«.
II. Der erste Richter verhandelt auf das eingewendete Rechtsmittel in der
8Z. 217 und 218 vorgeschriebenen Art, und sendet dann die Akten dem verordneten
'Spruchrichter') zur Entscheidung.
') Beim Kammergericht erkennt in dieser dritten Instanz, in den in erster Instanz
vom Kammergericht entschiedenen Sachen, der Appellationssenat (Cab.-Ord. vom
31. August 184« I. M. B. S. 3«6); — im Bezirke sämmtlicher weftphälischen
Oberlandes-Gerichtc, wenn in erster und zweiter Instanz das Obergericht er
kannt hat, — das O. L. Gericht zu Halberstadt (Cab.-Ord. vom 29. August
1835 GS. S, 197); — im Bezirk der Regierung zu Wernigerode und des O.
L. G. zu Magdeburg, wenn die Regierung zu Wernigerode oder der Krim.-Senat
zu Magdeburg in der Aggrsvat.-Jnstanz erkannt hat, — der zweite Senat de?
23 ^
362
Nl. Die Kosten der dritten Instanz tragt jedes Mal der Beklagte. Was die
übrigen Kosten betrifft, so muß
«)'»«>n das «rste Erkenntniß wieder völlig hergestellt wird, es bei der in diesem
«rtel hinsichtlich der Kosten erster Instanz ausgesprochenen Bestimmung bewen
den; und die Kosten zweiter Instanz fallen dem Aggravanten zur Last.
d) Wird dagegen das erste Urtcl nicht völlig wiederhergestellt, so muß Beklagter
auch die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen. — Res. vom 7. Mai
tsSS I. M. B. S. ISS.
Neuser Titel.
einzelnen nur in besonderen Fällen vorkommenden
Prozetzhandltmgen.
^. Won Agitationen, Litisdenunziationen und Nominationen.
1. Von Amtswegen zu veranlassende Adzitationen.
z. 246. Im ordentlichen Prozeß hat der Richter die Pflicht, die Wahr
heit der streitigen Thatsachen von Amtswegen zu erforschen, und alle dazu beitra
genden Mittel anzuwenden.') Er kann daher, wenn er es zur Erreichung dieses
Endzwecks nöthig findet, denjenigen, welcher vor dem Kläger oder dem Beklagten
die streitige Forderung inne hatte, oder die streitige Sache oder das Recht befaß,
(den Vormann) zur Instruktion von Thatsachen, worüber derselbe vermutblich nä
here und zuverlässigere Auskunft, als die Parteien, geben oder die etwa zur Er
forschung der Wahrheit erforderlichen Mittel anzeigen kann, mit vorladen. Da
bei ist der Richter weder an einen bestimmten Zeitpunkt in der Instruktion gebun
den, noch kommt es darauf an: ob der Vormann der nächste oder der entferntere
sei? noch: ob der Hauptpartei an ihn der Regreß zustehe oder nicht? 2)
Bei Vorladung und Veranlassung zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen
stehen dem Richter gegen den Adzitaten die hinsichtlich der Jeugen K. 131, III, §.133
und Z. 139 vorgeschriebenen Zwangsmaßregeln zu, und Adzitat ist in so weit zur
Abgabe der Erklärungen verpflichtet, als nach diesen Borschriften Zeugen zum Znig-
m'ß angehalten werden können.
Ein solcher Adzitat wird dadurch jedoch nicht in den Prozeß verwickelt; seine
Zuziehung hört vielmehr auf, sobald er dem Richter die erforderte Auskunft nach
seiner Wissenschaft gegeben hat. «) — Erklärt jedoch die Partei, welcher künftig ein
Regreß gegen einen solchen Adzitaten zustehen würde, auch nur noch im Verneh-
müngötermine selbst, daß sie von diesem Regresse Gebrauch zu machen gedenke, und
also verlange, daß Adzitat sie im Prozesse vertrete; so muß diese Erklärung dem
Adzitaten bekannt gemacht werden. Dann geht die Anfangs nur von Amtswegcn
O. L. G. zu Magdeburg (Cab.-O. vom 8. August 1836 GS. S. 22«); —
und in der ganzen Provinz Preussen das Tribunal zu Königsberg. (Eab.-Ord.
vom 22. December 1838 GS. f. 1839 S. 26).
?) JmBagatell-, im summarischen und im Prozesse de<Ges. vom 9. Februar 1817,
in denen dem Richter eine solche Pflicht nicht obliegt, finden daher Adzitationen
von Amtswegen nicht statt.
2) Eine solche offizielle Adzitation kann unter andern auch Anwendung finden in
Bezug auf den Vormund, wenn zur Führung der Prozesse der Kuranden ein
besondrer Litiskurator bestellt ist, und vom Vormunde bessere Auskunft, als von
jenem, zu erwarten steht. — Lk. Res. vom 8. April 1839 I. M. B. S. 143.
"5>'n solcher Adzitat ist also Jnformationszeuge. 65 §. 139, S. 225.
der wesentlichsten Mteund in dem nach dem
Gesetz von Gerichten).
Im «cagemeinen.
Die Funktionen des Dczcrncntc,Mischen Prozeß,
und Referenten sind getrennt.
Satzschriften brauchen nur in eins' summarischen Prozeß,
gereicht zu werden.
Juftizkommissarien werden unteferfahren werden Justizkommissarien für
sprechen der Nachbringung der Vollnia"» ohne Vollmacht oder schriftlichen
der Parteien zugelassen. 'gelassen. Für andere Termine gelten
n der A. G. O.
Der Deputirte verhandelt ohne Pr? d« Verhandlungen in den vor dem
zenden Terminen bedarf es keines Pro«
Die Termine wahren, wenn sieMiine beginnen, wenn in der Vorladung
stehen, bis 12 Uhr, und, wenn sie NMmmt ist, des Morgens « Uhr. So
sehr sind, bis 5 Uhr. Erst mit Ablauf trit gegen den Nichterschienenen Kon
tnt gegen den Ausgebliebenen Kontum<> Hinsichtlich andrer Termine gilt
ntlichcn Prozeß Gesagte.
In« Besondre s) in erster
l Auf die vollständige Klage erfolg'Ndige Klage wird sofort Termin zur
Klagebeantwortung und in nicht dem Kollegio anberaumt,
ten Sachen zugleich zur Instruktion vor ^ ,
Den Klagebeantwortungsterk'rmm setzt der Genchtsdirigent an.
vutirre ein. ^ . ^ „
Die Klagebeantwortung muß nneryalb der m der Borladung dazu be
nommen werden, selbst wenn ein dicsclgcreicht werden. Geht sie ein, und Be
haltendes Schriftstück eingeht. Ansna« Termin nicht, so erfolgt nicht Kontum.-
Magcr muß sich darauf auslassen, und da«
)ren wird i"
Zur Verletzung des ersten Telsgesuchen kommt es auf das Prozeßob-
Angabe des Verlegungsgrundes, in sodet dieses nach der A. G. O. eine schleumqe
erheblich erscheint. Bei ferneren Verleimen dabei die für diese gegebenen Grund-
der Grund ausserdem bescheinigt werdexrschriften des ordevtlichen Prozesses zur
Aufdas VcrlegungsgesnchverfAlichen Prozeß.
Die Instruktion geschieht vor de« dem Gerichtskollegio in Anwesenheit von
»itgliedern mündlich und öffentlich.
ES findet kein Aushang der Tern dieses Verzeichnisses erfolgt 24 Stunden
Termine.
Das Nichterscheinen im Infrrum des Klägers im ersten Audienztermin
bereits mit dem Klagkbrcmtwortungstung ; des Beklagten, wenn die Klage
tton begonnen, hat Instruktion in » ist/ Kontumazialcrkenntniß, sonst aber
^?lge. ren Audienzterminen überhaupt Kontu-
Kur Folge.
Der Beweisaufnahme geht dfnahme geschieht auf Grund des im Au-
" " ' ^ Kollegio gefaßten Beschlusses.
Verfahren des Ges. vom 9. Februar 1817
r Prozeß. (im Großherzogthum Posen).
Eide erfolgt vor der De Die Abnahme solcher Eide kann vor dem Kollegio so«
lls mindestens 8 Tage nach fort nach Akzeption und Normirung erfolgen.
>rtsetzung der Instruktion Wie im summarischen Prozeß mit dem Unterschiede,
rfolgt in der Sitzung durch daß hier das Kollegium beschließt.
dieser wird sogleich pu-
Thatsachen und Beweismittel kann der Beklagte mit
c Unterstützung der Klage Bewilligung des Gegners im ganzen Laufe der Instruk
Anleitung der Klage, neue tion, ohne dessen Bewilligung aber für diese Instanz nur
beruhn, nach dem Klage- in der Klagebeantwortung und so zeitig anbringen, daß
eweismittcl, mit Ausnahme der Gegner sich im Audienztermin darüber erklären kann.
Regel nach Publikation des
für diese Instanz an-
Desgl. nicht gestattet.
,s Urtel erfolgt in der Re- Wie im summarischen Prozeß.
!N Verfahren nach Vortrag
oder ihre Vertreter.
erfolgt in der Sitzung, in Wie im summarischen Prozeß.
irch demnächstige Zustellung
') Erkennt Kläger an, daß er sich nur an den Nominalen halten könne, formirt
aber wegen Einleitung der Sache gegen diesen keine Anträge, so wird die ange
brachte Klage weggelegt.
37V
gehe, erklärt, er hernach weder den Nominanten deshalb in irgend eini
gen Anspruch nehmen, noch dem zwischen diesem und dem Kläger ergan
genen Urtel und dessen Vollstreckung etwas entgegensetzen könne.
1) Bekennt Nominat sich hierauf zum Eigenthum der streirigen Sache, und will in
dieser Qualität sich mit Kläger einlassen; so wird g) wenn Kläger damit ein
verstanden ist, s») die Sache, in sofern Nominat derselben Gerichtsbarkeit un
terworfen ist, beim bisherigen Prozeßrichter, bd) falls aber Nominat einer an
dern Gerichtsbarkeit unterworfen ist, beim kompetenten Richter fortgefetzt, und
Nominat darf sich nicht weiter in der Sache einlassen. — b) Räumt aber Klä
ger nicht ein, daß er an den Nominalen sich zu verweisen, und den Nominanten
aus der Sache zu lassen schuldig sei; so muß darüber, sowie in Betreff der
Hauptsache zwischen dem Kläger und dem Nominanten verhandelt, und die
Nomination als ein Präjudizialeinwand (exceptio litis lm!t«e) gemäß Z, 11«,
Nro. 8 zunächst zur Verhandlung gezogen werden.
2) Erklärt sich Nominat gar nicht, oder dahin, daß ihn die Sache Nichts angehe,
so muß in der Sache zwischen dem Kläger und dem Nominanten verhandelt
werden. Wird nun demnächst, falls der Klageanspruch begründet ist, oder be
gründet wird, Beklagter resp. Nominant darnach verurtheilt; so trit gegen den
Nominalen die obige in der an ihn erlassenen Verfügung angedrohte Folge ein. —
§. 36—39. §. 41, Tit. 17, l. A. G. O.
IV. Bei der Nomination muß der Kläger dem Nominanten die Kosten er
statten. In wiefern er sich aber deshalb an den Nominalen halten könne, ist von
dem Richter, je nachdem sein Jrrthum in der Person des eigentlich Beklagten ver
schuldet «der unverschuldet war, zu bestimmen. Hat der Nominant selbst den Klä
ger zu einem solchen Jrrthum verleitet; so muß er demselben die Kosten des No-
minationsprozesses ersetzen. — z. 19, Tit. 23 a. a. O.
S. Von Interventionen.
§. 251. Wenn Jemand an eine Sache oder Befugniß, worüber zwei Parteien
niit einander im Prozesse befangen sind, ein Recht oder ein Interesse zu haben be
hauptet, und damit vor Gericht ouftrit; so ist eine Intervention vorhanden.') Diese
Zann sein
I. eine Prinzipal-Intervention (interventio prineipslis), wenn Jemand be
hauptet, daß die streitige Sache, Befugniß oder Forderung weder dem Kläger noch
dem Beklagten, sondern ihm selbst gebühre; oder
II. eine akzessorische Intervention (interventio aceessori»), wenn Jntervc-
«ient für sich selbst keinen dergleichen Anspruch macht, sondern seine Absicht blos
dahin geht, dem einen oder dem andern Theile wegen des ihm mit selbigem bei der
Esche zustehenden gemeinschaftlichen Interesses zu afWren.
Zu I. Die Prinzipalintervention ist
4) in der Regel ein ganz besonderer Prozeß, in welchem Jntervenient als Kläger,
die beiden im Hauptprozesse verwickelten Parteien aber als Beklagte, anzusehen
sind. Der Richter des Hauptprozesses ist auch der Richter des Jnterventions-
xrozesses. Die Jnterventionsklage wird, wie jede andre Klage geprüft; und
wenn sie vollständig und begründet ist, wird darauf die Einleitung des Prozes
ses in derjenigen Prozeßform verfügt, zu welcher sich die Sache mit Rücksicht
auf das Klageobjekt eignet. Beträgt daher dieses nur S0 Thlr. oder weniger;
') Auch bei Immobilien ist die Intervention zulässig. — Res. vom 6. Juli 1837.
Jahrb. 5«, S. 110.
37!
so wird der JntervtNtionsprozeß im BagateUverfahren verhandelt. >> (tt. §. 77,
II. N». 6.)
Der demgemäß vom Hauptprozesse ganz abgesondert zu verhandelnde
JnterventionSprozefi kann die Instruktion de« Hauptprozesse« nicht aufhalten.
Wird in diesem Beklagter noch vor Beendigung de« JnterventionsprozesseS
rechtskräftig verurtheilt: so muß das Erkenntniß, allenfalls durch Exekution
vollstreckt werde», und Jntcrvenient kann nur in soweit dagegen Einspruch thun,
„nd auf Deposit!«» oder Sequestration der streitigen Sache oder Summe an
trage», oder KautionSbestellung fordern, als ihm gesetzlich die Befugniß, Arrest
anzulegen, zusteht. 2 ) — §. 1—5, «it. 18, 1. A. G. O. — Rcs. vom 5. März
1823; vom 1. November 1833 und vom 21. April 1834. Jahrb. 21, S. 276.
Bd. 42, S. 313. Bd. 43, S. 532.
2) Ausnahmsweise kann der Richter in dem Falle, wenn ein Prinzipalintervenient
sich noch vor dem im Hauptprozesse anstehenden Klagebeantwortungstermin bei
den Akten meldet, und den Grund seiner Intervention vorträgt, nach Maasgabe
dieses Wortrag«, zur Bermeidung mchrcr Prozesse über denselben Gegenstand,
den Jntervcnicnten zur Verhandlung des Hauptprozesses zulassen. «) Er muß
dann den Jntervcnicnten anweisen, ^) daß cr mit derjenigen Partei, mit wel
cher seine Rechte und Behauptungen in Rücksicht des andern «Heils am meiftm
übereinkommen, gemeinschaftliche Sache mache, und nur diejenigen Thatsache»,
worauf cr sein spezielles, von beide» Parteien widersprochcnes Recht gründe»
will, besonders mit ihnen ausführe, ^) Wenn z, B. ein Testamentserbe vom
einem angeblichen Intestaterben belangt wird, und ein andrer angeblicher Inte
staterbe sich dabei als Jntcrvenient meldct; auch beide, Kläger und Jntervenient
die Ungiltigkeit des Testaments behaupten, unter sich aber, wegen ihrer Ver-
wandschafr mit dem Erblasser oder wegcn des Grades derselben streitig sind; so
muß der Richter den Jntervenuntc» anweiscn, daß cr in Ansehung des Punktes
der Ungiltigkeit des Testaments, mit dem Kläger gegen den Beklagten gemein
schaftliche Sache mache; seine Legitimation aber, sowol gegen den Kläger als ge
gen den Beklagten, in sofern Beide ihn für den nächsten Intestaterben nicht an
erkennen wollen, besonders ausführen.
Eben so kann, wenn Mehre zu gleicher Seit ein Retraktrccht auf ein Grund
stück ausüben wollen, und sowol mit dem Besitzer darüber: ob der Retrakt über
haupt stattfinde? als unter sich darüber: wer von ihnen zu dessen Ausübung vor
züglich berechtigt sei? streiten, der Richter diese mehren Interessenten, besonders, in
1) Das Streitobjekt wird, wenn bei den im Wege der Exekution erwachsenden
Jnterventionsstreitigkciten der Werth der in Anspruch genommenen Sachen hö
her als die Forderung ist, nach dieser; wenn aber die Forderung grösser ist,
„ach dem Werth der Sachen bestimmt. — Res. vom 6. Juli 1832. Jahrb. 39,
S. 385.
2) Verlangen mehre Gläubiger des Eigenthümers gepfändeter Sachen die Befrie
digung aus denselben, so kann der unter diesen Gläubigern entstehende Priori
tätsstreit den Verkauf der gepfändeten Sachen nicht aufhalten. Es kann viel
mehr dadurch nur die Deposition des Erlöses begründct werden. t!>. Res. vom
19. Juli 1839 I. M. B. S 264. Anders ist es, wenn Jemand das Eigen
thum der beim Schuldner gepfändeten Gegenstände in Anspruch nimmt. Davon
wird beim Exekutionsverfahren die Rede scin.
s) Dies gilt auch vom summarische» und vom Bagatellprozeß, da das Gesetz vom
1. Juni 1833 keine spezielle Ausnahme enthält, cr. Res. vom 22. Mai 1837
Gräff, Koch ,c. Erg. III. S. 373.
«) Der Jntervenient wird dadurch nicht verpflichtet, den Hauptprozeß mitzuführen,
und der einen Partei beizustehen. Er erlangt dadurch nur die Befugniß dazu.
Will er die Assistenz ablehnen, so kann er es jederzeit.
5) Diese Ausführung geschieht dann im besonder» Prozesse.
372
sofern ihr Anspruch auf einerlei Rechtsgrund beruht, anweisen, gegen den Besitzer
gemeinschaftliche Sache zu machen, und den Anspruch wider ihn in Einem Prozesse
auszuführen. Dagegen kann das streitige Vorzugsrecht unter ihnen selbst , in einem
zweiten Prozesse nach Art eines Prioritätsstrcits erörtert und durch Ein Erkennt-
mß entschieden werden. > )
Zu II. Die akzessorischen Interventionen sind sowol im ordentlichen,
als im Bagatell-, im summarischen und im Prozesse des Gesetzes vom 9. Februar
4817 zulässig; und zwar können sie
im ordentlichen Prozesse in jedem Stadio der ersten Instanz bis zum Ab
schluß der Sache, und selbst noch in zweiter Instanz angebracht werden;
2) im Bagatell- und summarischen Prozeß sind sie in so weit zuzulassen,
als der Gang der Hauptsache dadurch nicht aufgehalten wird; und
3) im Prozesse des Gesetzes vom 9. Februar 1817 muß die Anbringung
so zeitig geschehen, daß den beiden Hauptparteien vor dem in der Sache anste
henden Termine, es mag der erste oder ein folgender sein, von der Intervention
Nachricht gegeben werden kann. Ist dies nicht möglich, oder die Hauptsache
schon geschlossen, so wird die Intervention zurückgewiesen.
Zur Anbringung einer akzessorischen Intervention gehört, daß das den
Jntervenienten bei der Sache berührende Interesse angegeben, und cinigerinassen be
scheinigt wird, auch daß der Jntervenient bereit ist, einer der beiden Parteien im
Prozesse zu assiftircn. Mit dieser Partei also muß derselbe bei Verhandlung ge
meinschaftliche Sache machen. Er wird demnächst dabei so zugezogen, wie es hin
sichtlich des Litisdenunziaten nach Z. 249 der Fall ist. Er muß jedoch den Prozeß
in derjenigen Lage annehmen, in welcher er sich zur Zeit, wo die Intervention an
gebracht wird, befindet. Bei der Instruktion und Verhandlung kann er die. zur
Unterstützung und Vertheidigung der Rechte der Partei, welcher er assiftirt, die
nenden Thatsachen und Beweismittel in gleicher Art und mit derselben Wirkung,
wie diese Partei, anbringen.
Dem Jntervenienten steht auch die Anbringung des Rechtsmittels der Appel
lation zu, selbst wenn er im ersten Urtel nicht erwähnt wäre.
Nach rechtskräftig entschiedener Sache kann auf die akzessorische Intervention
nicht mehr Rücksicht genommen, und noch weniger die Vollstreckung des Urtels da
durch aufgehalten werden. — 7—11, Sit. 17, I. A. G. O. — Res. vom 20.
November 1820. Jahrb. 1«, S. 233. Gr äff 2, S. 145.
O. Von der Widerklage (Rekonvention).
Begriff und Arten der Widerklage.
K. 252. Eine Widerklage liegt vor,
I. wenn in Folge eines Prozesses und bei Beantwortung der desfalsigen Klage
Beklagter zugleich Gegenansprüche zur Verhandlung in demselben Prozesse
anbringt (uneigentliche Widerklage);
1) Es versteht sich wol von selbst, daß diese beiden Prozesse zu gleicher Zeit schwe
ben und entschieden werden können.
») Die uneigentliche Widerklage hat viel Ähnlichkeit mit dem Einwände der Kom
pensation. Doch walten zwischen beiden vielfache Unterschiede ob. Durch die
Kompensation ist der Anspruch des Klägers, in so weit derselbe die Forderung
des Beklagten erreicht, erloschen. Durch die Widerklage soll er erst durch Fest
stellung der Gegenforderung, in so weit sie gleichartig sind, beseitigt werden;
zur Kompensation sind nur eigne, fällige, und gleichartige Forderungen geeignet;
es können also auch Ansprüche, die aus verschiedenen Geschäften herröhren, und
welche daher sonst nur zur eigentlichen Widerklage geeignet wären, zur Kom
pensation gestellt; dagegen können durch die uneigentliche Widerklage Ansprüche
373
ll. wen» Beklagter in Folge der gegen ih» angebrachre» Klage und unter
Bezugnahme auf den schon schwebenden Prozeß die zur Verhandlung in diesem nicht
geeigneten Gegenansprüche gegen Klager durch besondre Klageanträge geltend
zu machen sucht (eigentliche Widerklage).
Der wesentliche Unterschied zwischen beide» ist also, daß in jenem Falle die
Widerklage mit der Hauptklage in einem und demselben Prozesse verhandelt wird;
daß aber im zweiten Falle beide Klagen besondere Prozesse bilden. F. 1 fg. Tit.
t«, I. A. «. O.
I. Bon der uneigcntlichen Widerklage.
§. 253. I. Gegenstand der uneigcntlichen Widerklage können sein
1) alle aus einem und demselben Geschäfte oder derselben Handlung
mit der Hauptklage entsprungenen Ansprüche des Beklagten, gleich viel, ob diese
Ansprüche grösser oder geringer, als die vom Kläger eingeklagten, und ob s»
mit diese» gleichartig find, oder nicht?') Auch die Verbindlichkeit zu einer Un
terlassung kann Gegenstand der Widerklage sein;
2) in Prozessen unter Kausleuten, welche in laufender Rechnung oder sonst
in fortgesetztem Verkchre mit einander gestanden haben, auch die aus verschiede«
nen Geschäften entspringenden Gegenansprüche, sofern nicht einzelne Posten, son
dern ein Rechnungssaldo, eingeklagt worden. — In allen andern Hallen müssen
Gegenansprüche, welche nicht aus derselben Handlung, oder aus demselben Ge
schäfte mit dem Gegenstände der Klage entsprungen sind, im Wege der eigent
lichen Widerklage geltend gemacht werden.
Aber auch in den unter Nro. 1 und 2 gedachten Fällen wird vorausgesetzt, daß
entweder beide, Klage und Widerklage, zu keiner schleunigen Prozeßart, oder daß
Heide zu ein und derselben schleunigen Prozeßart gehören. Die Widerklage kann da
her zur Verhandlung in ein und demselben Prozesse mit der Hauptklage nicht zu
gelassen werden, wenn entweder nur die Klage, oder nur die Widerklage zu einer
der Tit. 10, Nro. 3 bis 6 zu erwähnenden Prozeßakten oder zum Mandatspro
zesse gehört.
, "Wird in einem Bagatellprozesse eine uneigentliche Widerklage über einen Ge
genstand von mehr als 50 Thlr. angebracht, so hört der Prozeß auf, Bagatellsache
zu sein, und die Verhandlung erfolgt in derjenigen der Tit, 6, Absch. 4 bis 6 ge
dachten Prozeßformcn, zu welcher sich demnächst die Sache eignet.
Gehört eine im summarischen Prozeß angebrachte Widerklage mit Rücksicht auf
ihren Gegenstand zum ordentlichen Prozeß; so erfolgt die Verhandlung hiernächst
in dieser Prozeßform. Gleiches gilt hinsichtlich des Prozesses des Ges. vom 9.
Febr. 1817. Wird im ordentlichen Prozeß eine Widerklage angebracht, deren Gegenstand
sonst den summarischen oder den Prozeß des Ges. vom 9. Februar 1817 fordert; so
wird die Verhandlung im ordentlichen Prozesse fortgesetzt. — §. 1—S, 9, Tit. 18,
jeder Art, auch nicht gleichartige, geltend gemacht werden; der Einwand der
Kompensation kann höchstens die Höhe der eingeklagten Forderung erreichen;
durch die uneigentliche Widerklage können auch grössere Ansprüche erlangt wer
den; der Kompensationseinwand kann noch in zweiter Instanz angebracht wer
den, während die uneigentliche Widerklage in zweiter Instanz nicht mehr zu
lässig ist u. s. .w.
") Auch in Jnjurienprozessen kann eine solche Widerklage angebracht werden. Ist
Kläger Student, und Beklagter, der Nichtstudent ist, bringt wegen Beleidigunge«
die Widerklage an; so muß nach vollständig verhandelter Sache das Gericht die
Akten dem Universitäts-Senat zustellen. Dies faßt das Resolut gegen den Stu
denten ab. Beruhigt sich dieser dabei nicht, so ^erkennt demnächst das Gericht
über die Klage und Widerklage zugleich. — Res. vom 12. Mai 1312. Jahrb. 1,
S. 56. Gräfs 2, S. 14S.
374
l. A. G. O.— Res. vom 15. April 1636. Gr äff, Koch :c. Erg. III. S.371. —
§. 59 Gef. vom 1. Juni IM. — z. 3, 4, Ges. vom 9. Februar 1S17.
U. Die uneigentliche Widerklage muß
1) im ordentlichen Prozeß bei der Vernehmung des Beklagten über die Haupt
klage, und
2) im summarischen, Bagatell- und im Prozesse des Ges. vom 9. Fe
bruar 1817 spätestens mit der Klagebeantwortung angebracht werden.
Zur Begründung derselbe» ist erforderlich, daß die der Gegenforderung zum
Grunde liegenden Thatsachcn vorgetragen und auseinandergesetzt und die Beweis
mittel darüber angegeben werden. — Ist sie zur Verhandlung in demselben Pro
zesse mit Rücksicht auf die Bestimmungen unter Rro. 1. geeignet, so erfolgt diese
Verhandlung mit der Hauptsache zugleich in denselben Terminen und in denselben
Protokollen. Im summarischen Prozesse wird jedoch vorerst diese Widerklage dem
Kläger zur Beantwortung innerhalb einer ihm zustellenden Frist von 14 Tagen,
welche nach Umständen verlängert, und namentlich in schleunigen Prozessen auch
verkürzt werden kann, mitgetheilt unter- der Warnung, daß sonst der Inhalt der
Widerklage für eingeräumt erachtet werden solle. Erst nach Eingang dieser Beant
wortung oder fruchtlosem Ablauf der Frist wird demnächst Termin zur mündlichen
Verhandlung angesetzt.
Steht aber der Verhandlung der Widerklage in demselben Prozesse ein Hin-
derniß entgegen, weil entweder eine eigentliche Widerklage vorliegt, oder eins von
beiden, Klage oder Widerklage, zu einer schleunigen Prozeßart gehört; so muß die
Widerklage zum besondern Prozesse verwiesen werden. — S. 1^5, Tit. 18, I. A.
G. O. — ß. 59 Ges. vom 1. Juni 1833. — Z. 3 u. 4 Ges. vom 9. Febr. 1817.
Die Anordnung dessen: ob eine mit der Klagebeantwortung angebrachte Wider
klage mit der Hauptsache in ein und demselben Prozesse zu verhandeln sei? geschieht
durch blosse Verfügung, und i» sofern diese Frage im Bagatell-, summarischen oder
dem Prozesse des Ges. vom 9. Februar 1817 bei der mündlichen Verhandlung zur
Sprache kommt, durch Beschluß der Deputation, rcsp. des Kollegii. Sollten jedoch
in einem oder dem andern Falle die tatsächlichen Umstände, von welchen die Be-
urtheilung dieser Frage abhängt, durch vorläufige richterliche, von Amtswegen zu
erlassende, Verfügungen nicht sofort hinlänglich auseinander gesetzt werden können,
sondern zur Erörterung derselben eine nähere Untersuchung und förmliche Instruk
tion nöthig sein ; so muß dieselbe eben so, wie Z. 95, II. Nro. 1, b (S. 167) hin
sichtlich der dilatorischen Einwendungen vorgeschrieben, zur Instruktion der Haupt
sache mit verwiesen werden, i) — 8- 2«, I. 18 A. G. O.
III. Ueber beide, die uncigentliche Widerklage und die Hauptklage, wird in
Einem Urtel erkannt. Wenn daher auch die Forderung eher, als die Gegenfor
derung, oder umgekehrt, durch die Instruktion ausgemittelt wäre, so kann dennoch
erst, nach erfolgter Beweisaufnahme hinsichtlich der andern, erkannt werden. Das
Erkenntniß muß sich aber über die ganze Gegenforderung des Beklagten mit er
strecken, und also, sofern sie mehr betrüge, als die Forderung des Klägers, diesen
auch zur Zahlung der übersteigenden Summe verurtheilen , gleich viel übrigens, ob
die Gegenforderung durch förmliche Widerklage, oder als blosser Einwand geltend
gemacht worden. 2) — z. 5 und 6 a. a. O.
1) Ist demnächst im Urtel die Widerklage sc! »«si.irstum verwiesen, der zweite
Richter findet aber, daß dieselbe eine uneigentliche, und daher zur Verhandlung
und zum Erkenntniß in demselben Prozesse mit der Hauptklage geeignet sei; so
findet wegen Anordnung eines Rachtragserkenntnisses oder Anordnung der Dc-
position das z. 209, III. 4 deshalb Vorgeschriebene statt. — Res. vom 2«. Der.
1837. Jahrb. 5«, S. 502. Gräff 12, S. 129.
2) Erklärt Beklagtex ausdrücklich, daß er nur Behufs Kompensation den Gegenan-
375
IV. Die uneigenlliche Widerklage kann zwar in der Regel dem Kläger nur
in der Qualität, in welcher er klagt, und in Bezug auf gegenseitige For
derungen entgegengesetzt werden. Doch ist auch gegen einen Zessionar« die unei-
gcntliche Widerklage dann zulässig, wenn der Zedent ohne Zuziehung des Schuld:
ncrs die eingeklagte Forderung zedier hat, und dem Schuldner aus demselben Ge
schäft oder Handel, woraus die zcdirte Forderung entstanden, Gegenforderungen an
den Zedenten zustehen. Der Schuldner kann in diesem Falle dergleichen Gcgenfor«
derungcn auf Höhe der eingeklagten Forderung, jedoch nicht auf eine höhere Summe,
durch Widerklage geltend machen. > ) — Zur Vermeidung einer Vervielfältigung der
Prozesse steht jedoch in einem solchen Falle dem Beklagten, wenn er eine größere Ge-
genforderung aus demselben Geschäfte oder Handel an den Zedenten hat, frei, we
gen diefer übcrfchicssenden Summe den Zedenten zur Instruktion de« Prozesses mit-
rorladcn zu lassen. Er muß jedoch diese Vorladung noch vor Eintrit des Jnstruk-
tionstermins nachsuchen, da sonst der Zedent zur Einlassung nicht verpflichtet ist.
Geht der Antrag auf Vorladung des Zedenten rechtszeitig ein, so muß Zedent, auch
wenn er nicht derselben Gerichtsbarkeit unterworfen wäre, sich auf die Widerklage einlas
sen. Auch Kläger kann nicht widersprechen. Demnächst wird gegen den Beklagten,
den Zessionar und den Zedenten in Einem Urtcl erkannt. — §. 7, 8, a. a. O.
ll. Von der eigentlichen Widerklage.
§. 254. I. Die eigentliche Widerklage begründet einen ganz neuen Prozeß.
Sie ist zulässig,
1) wenn Jemand, welcher verklagt ist, a» den Kläger Gegenforderungen macht, die
aus einem andern und verschiedenen Geschäfte, als die im Hauptxrozcssc einge
klagten Forderungen, entstanden sindji) (Ausnahme Z. 253, l. Nro. 2)
2) wenn Forderung und Gegenforderung zwar aus einerlei Handlung oder Ge
schäft herrühren, in erster Instanz jedoch wegen der Forderung Kontuma-
zialurtel ergangen ist, Beklagter seine Gegenforderung erst bei Instruktion des
gegen das Kontumazialurtel eingewendeten Rechtsmittels der Appellation an
bringt, und Kläger darauf beharrt, daß in zweiter Instanz erkannt werde.
(§. 1«9, V.) — z. 9, 1«, 12, Tit. 19 ; Anh. ß. 128 zu §. 77, Tit. 14, I. A. G. O.
II. Die eigentliche Widerklage muß in derselben Art, wie jede andre Klage,
aufgenommen, resp. angefertigt und begründet werden. Nur daß darin bei dem
Punkte wegen des Gerichtsstandes der Umstand, daß derselbe durch die Konven
tion (Haupkklage) begründet werde, bemerkt wird. — Wenn daher bei Gelegenheit
der protokollarischen Aufnahme der Klagebeantwortung sich herausstellt, daß die vom
Beklagten durch Widerklage dem Klagcanspruche entgegenzustellende Gegenforderung
aus einem verschiedenen Geschäfte sich hcrschreibt; so muß der Deputirte die Wi
derklage gehörig und vollständig zum besonder« Protokoll niederschreiben. — §. 11,
Tit. 19 a. a. O.
III. Demnächst wird auf die Widerklage wegen Einleitung derselben in
spruch geltend mache, so versteht es sich von selbst, daß in der Rekonvention
nur so viel, als die Klage betrifft, zuerkannt werden darf, da sonst ultra pe-
titum erkannt würde.
i) Nur in Betreff der im Hypothckenbuch eingetragenen Forderungen kann der
Schuldner die gegen den Zedenten ihm zustehende» Gegenforderungen im Pro,
zesse mit dem Zessionar nicht geltend machen, wenn die Session gegen Entgelt
geschehen ist, Schuldner dem Zessionar vor der Zession von den Einwendungen
keine Kcnntniß gegeben hat, und dieselben auch nicht ins Hypothekenbuch bei der
betreffenden Post eingetragen sind. — <X H. 422 fg. Tit. 2«, I. A. L. R.
!) Darauf: ob die Ansprüche der Konvention und Rekonvention gleichartig sind
oder nicht, kommt es auch hier nicht an.
376
gleicher Art, wie auf andre Klagen, »ach Maasgabe ihrer Qualität verfügt. Die
fernere Verhandlung erfolgt ganz abgesondert von dem Hauptprozesse, ohne daß sic
durch diesen irgend aufgehalten, und ohne daß durch die etwanige Zurücknahme der
Klage des Hauptprozesses') eine Änderung in der Behandlung und Fortsetzung der
Rekonvention veranlaßt wird. Auch die Entscheidung geschieht durch ein besonderes
Erkenntniß. — Der Widerbeklagte kann nach Maasgabe des K. 253 im Wider
klageprozesse eine uneigentliche Rekonvention anbringen, und diese wird dann in dem
selben Prozesse verhandelt. (lieeonvevtio re«oiivsnti«n!s).
Auch die Vollstreckung desjenigen Urtels, welches in einem der beiden Prozesse,
der Konvention oder der Rekonvention, zuerst ergeht, kann in soweit es rechtskraf
tig ist, durch den Vorwand, daß der andre Prozeß noch nicht entschieden sei, nicht
abgewendet werden. Der zuerst rechtskräftig Verurtheilte kann vielmehr von der
Exekution durch Deposition oder Sicherstellung sich nur dann befrein, wenn er im
noch schwebenden Prozesse einen Arrestschlag begründet. — K. 12—15 a. a. O.
IV. Die Wirkung der eigentlichen Widerklage ist lediglich die:
daß der Kläger in der Regel bei dem Gerichte, wo er geklagt hat, als
Widerbeklagter Recht zu nehmen verbunden ist, wenn er auch sonst einen
andern Gerichtsstand hätte. 2)
Wenn jedoch die Widerklage diese Wirkung hervorbringen soll, muH nothwcndig
die Gegenforderung
s) im Falle unter Nro. I. 1 noch vor, oder spätestens in dem zur Instruktion der
Konvention bestimmten Termine, und
K) im Falle Nro. l. 2 spätestens bei Instruktion der Appellationsinstanz angemel
det sein.
Hat Beklagter sich damit verspätet, so muß er die Gegenforderung im Gerichts
stande des Klägers geltend machen.?)
Aber auch unter dieser Voraussetzung (s und I,) findet die Prorogation des
Gerichtsstandes dann nicht statt:
1) Wenn die Widerklage blos auf Vidikation des Eigenthums eines unbe
weglichen Grundstücks oder auf Auswitterung gewisser dem Beklagten an
einem Grundstück zustehender Pfand - oder Servitutsrechte gerichtet ist.
Dann gehört die Widerklage vot den Richter der Sache <Z. 30, S. 52 fg.).
s) Hat jedoch der Beklagte, neben dem Realanspruche an das Grundstück, zu
gleich ein persönliches Recht an den Kläger; so kann er dies Letztere im
Gerichtsstande der Konvention geltend machen. Ist ferner b) der Kläger ein
Ausländer, und der Beklagte hätte an denselben wegen eines ausserhalb Lan
des belegenen beweglichen oder unbeweglichen Gutes einen Realanspruch, so muß
er sich auf diese Gegenforderung beim Richter der Konvention schlechterdings ein
lassen. Ist endlich «) die Konvention auf den Grund eines Rcalanspruchs im
Gerichtsstande der Sache angestellt; so kann der Beklagte eine gegen den
> ) Doch wird vorausgesetzt, daß zur Zeit der Zurücknahme der Hauptklage die Wi
derklage bereits eingeleitet war. Erst durch die ergangene Vorladung des Wi
derbeklagten wird das Forum begründet. Ist aber die Hauptklage vor Einlei
tung der Widerklage zurückgenommen, so fällt auch der Grund zur ferneren
Konstituirung des Widerklage-Forums weg.
2) Wenn ein Gerichtsherr bei seinem Gerichtsamte gegen Eingesessene klagt, so muß
er sich bei diesem auf die von den Beklagten angebrachten Widerklagen ebenfalls
einlassen. — Res. vom 19. Mai 1837. GrSff, Koch :c. Erg. III. S. 374.
>) Wenn Widerkläger den anfänglich erhobenen Rekonventionsanspruch nicht ver
folgt hat, und nach abgeurtelter Konvention wieder aufnimmt; so ist der Ge
richtsstand der Rekonvention ebenfalls nicht begründet. — Res. vom 26. No
vember 1S33. Jahrb. 42, S. 314. -
377
Kläger ihm zustehende persönliche Forderung i» eben demselben Gerichtsstande
durch Rekonvention ausführen.
2) Wenn die Gegenforderung gesetzlich vor ein besonders privilegirtes Ge
richt (forum Privilegium csusse, cs. §. 33, S. 57 fg.) gehört; so muß
Beklagter mit deren Ausführung an dieses verwiesen werden. Eben so muß,
wenn Jemand in einem privilegirten Gerichtsstande eine Gegenforderung, die
ihrer Qualität nach vor die ordentlichen Gerichte gehört, anbringen will, der
Richter der Konvention denselben an diesen ordentlichen Gerichtsstand verweisen.
3) Wenn der Richter der Konvention findet, daß die an sich vor einen andern in
ländischen Gerichtsstand gehörende Gegenforderung eine weitläufige Instruk
tion erfordern dürfte, die im ordentlichen Gerichtsstände mit weniger Aufent
halt und Kosten, als bei ihm, würde erfolgen können; so steht ihm frei, den
Beklagten resp. Widerkläger damit an den ordentlichen Gerichtsstand des Klä
gers zu verweisen. — Z. 17, l8, Tit. 19, Anh. 8. 128 zu §. 77, Tit. 14, 1. A. G. O.
V. In allen Fällen, in denen die Widerklage zulässig sein soll, muß Kläger
in derselben Qualität, in welcher er geklagt hat, wieder belangt werden. Dem
nach kann z. B. ein Beklagter, welcher von einem Vormunde in Vertretung seiner
Pflegebefohlenen belangt wird, gegen den Kläger wegen einer Forderung, die ihm
dieser fü» seine Person schuldig ist, keine Widerklage anstellen; gegen eine kla
gende Gemeinde kann aus den Schulben einzelner Mitglieder ebenfalls keine Rckon-
vcntion stattfinden; und einem Handlungsgenossen, der Namens der Sozietät klagt,
können nur solche Forderungen, die dem Beklagten gegen die ganze Sozietät zuste
hen, entgegengestellt werden.
Gegen einen Kläger, welcher als Zessionar eines Dritten klagt, kann der Be
klagte wegen der ihm gegen den Dritten als Zedenten aus andern Geschäften zuste
henden Forderungen keine Rekonvention anstellen; er muß vielmehr den Zedenten
deshalb besonders belangen. Ist jedoch die Gegenforderung so beschaffen, daß sie ge
setzlich cine Kompensation gegen den Zedenten bewirken kann; und ist die Zession
ohne des Schuldners Zuziehung erfolgt: so ist dieser befugt, dergleichen Gegenfor
derung auch gegen den klagenden Zessionar, zwar in einem Separatprozcsse, aber
vor eben dem Richter, vor welchem die Konvention schwebt, auszuführen, und der
Zessionar muß sich daselbst aus die Gegenklage einlassen. Doch findet die Gegen
klage wider den klagenden Zessionar nur auf Höhe der in der Konvention einge
klagten Summe statt. Ist die Gegenforderung des Beklagten an den Zedenten hö
her, so muß er den überschiessendcn Betrag gegen diesen besonders einklagen; oder,
wenn Zedent unter dem Gcrichtszwange des Konventionsrichters steht, ihn nach
Maasgabe des §. 2S3, IV. zu der wider den Zessionar angestellten Rekonvention
mit vorladen lassen. Ist Zedent ein Ausländer, welcher im Inland« keinen ordent
lichen Gerichtsstand hat; so muß der klagende Zessionar sich auf Gegenforderungen
des Beklagten an den Zedenten, wenn dieselben auch von verschiedener Art und zur
Kompensation nicht geeignet wären, jedoch nur auf Höhe der zedirtcn und einge
klagten Summe, vor dem Richter der Konvention einlassen. — §. 17, 18, Tit. 19 a. a. O.
VI. Auch bei Entscheidung der Frage: ob die Widerklage vor de» Richter
der Konvention gehöre oder nicht? gilt das Z. 253, II. hinsichtlich der Bestimmung
dessen: ob die Gegenforderung in demselben Prozesse mit der Hauptklage zu ver
handeln sei oder nicht? Gesagte. — Z. 2V a. a. O.
0. Von den Ursachen, durch welche der Gang des Prozesses gehemmt,
oder die Aktenweglegung herbeigeführt werden kann.
§. 255. Jeder Prozeß soll, sobald die Klage ein Mal eingeleitet ist, ohne Un
terbrechung bis zu Ende geführt werden. Ausnahmsweise kann jedoch ein Prozeß
I, unterbrochen werden 1) durch den Tob einer Partei; 2) durch Justi
tien; 3) durch Krieg; 4) durch Abwesenheit einer Partei; 5) durchKom-
pctenzkonflikt und 6) durch unterlassene Bestellung der Kaution.
Er kann auch
II. während seines Laufes seine Endschaft erreichen 7) durch Ausbleiben
des Klägers im Termine und 8) durch Zurücknahme der Klage (Litis-
renunziation).
Zu I. Wenn eine Partei während des Prozesses stirbt; so muß
dennoch das Gericht dafür sorgen, daß dadurch der Prozeß so wenig, als möglich,
aufgehalten werde. Hat der Verstorbene einen Bevollmächtigten gehabt, so muß die
ser in der Regel de» Prozeß auch Namens der Erben fortsetzen, da die Prozeß-
«ollmacht durch den Tod des Machtgebers nicht erlischt. In wie weit aber den
noch Unterbrechungen eintreten können, ergibt folgendes:
s) wenn die verstorbene Partei keinen Bevollmächtigte» gehabt hat, so muß der
Prozeßrichter, sobald er vom Ableben Kcnntnift erlangt,
ss) die etwa bekannten Erben vom Prozesse benachrichtigen,- und ihnen den
ferneren Betrieb, nach der alsdann vorwaltenden Lage der Sache, in einem,
mit Einrechnung der Ueberlegungsfrist, > ) zu bestimmenden verhältnißmässigcn
' Zeiträume, ausdrücklich aufgeben. Während der Ueberlegungsfrist' sind die
Erben nicht schuldig, die von ihrem Erblasser oder gegen ihn angestellten
Prozesse fortzusetzen. Während dieser Frist können daher gegen sie keine
Kontumazialfolgen eintreten, und der Prozeß muß unterdessen, falls die Er
ben während der Zeit die Fortsetzung nicht selbst betreiben, sistirt werden.
Ist Erblasser kurz vor oder bald nach Publikation des ersten oder zweiten
Erkenntnisses gestorben; so wird den Erben, ausser der zur Einlegung des
Rechtsmittels der Appellation oder Revision zuständigen Frist, auch noch
die Ueberlegungsfrist zu Gute gerechnet.
KK) Sind die Erben unbekannt, so muß die Deliberationsfrist abgewartet, und
alsdann vom Berlassenfchaftsrichtcr ein Nachlaß-Kurator bestellt werden, der
dm Prozeß fortsetzt, und die nöthige Information aus den Nachlaßpapierrn,
und von den Personen, deren sich Erblasser zur Besorgung seiner Angelegen
heiten gewöhnlich bedient hat, cinzuziehn bemüht sein muß.
cc) Ist das Erbrecht streitig, und es findet sich noch keiner der Prätendenten km
Besitze der Erbschaft; so muß in gleicher Art ein Verlassenschaftskurator be
stellt, und durch diesen die Sache fortgesetzt, jedoch von ihm über den Be
trieb derselben mit den vorhandenen Erbschaftsprätendcnten Rücksprache ge
nommen werden. Ist hingegen der Besitz der Erbschaft durch den gehörigen
Richter einem der Prätendenten aus gesetzlichem Grunde 2) eingeräumt wor
den ; so ist dieser Besitzer zur Fortsetzung des Prozesses für legitimirt zu ach
ten, und den übrigen Prätendenten steht nur frei, sich als Jiktervenienten
bei der Instruktion zur Wahrnehmung ihres Interesse zu melden (Z. 2S1).
Der Richter der Erbschaft muß sie deshalb , in sofern ihre Ansprüche und
der schwebende Prozeß ihm bekannt sind, von letzterem benachrichtigen,
d) Hat der Verstorbene zwar zur Führung des Prozesses Jemand bevollmächtigt
?) Jedem Erben steht frei, die Erbschaft anzutreten, oder ihr zu entsagen. Zur
Erklärung darüber kommt ihm eine sechswöchentliche Frist, nach erlangter Wis-
ftnschsft, ynd wenn sein Aufenthalt über 4v Meilen vom letzten Wohnort de«
Erblassers entfernt ist, eine Frist von S Monaten zu Gute. Dies ist die Ueber
legungsfrist. — cf. z. 383 fg. Tit. 9, I. A. L. R.
2> S. M weil er beim Mangel eines Testaments sich als nächster Intestaterbe le
gitimirt hat, «der weil er in einem nicht offenbar ungiltigen Testament als Erbe
'eingesetzt ist.
379
gehabt, diesem fehlt es jedoch zur Fortsetzung des Prozesses an der nötbigen
Information; so muH der Bevollmächtigte dieselbe von den bekannten Erben
«der dem Vcrlasscnschaftskurator einholen, und dabei muß auf die Uebcrlegungs-
frift gemäß ,1 Rücksicht genommen werden. Den Erbe», welchen der Bevoll
mächtigte sofort nach der über den Tod des Machtgebers erlangten Kenntniß
vom Prozesse Nachricht geben muß, steht frei, die Vollmacht zu widerrufen, und
wenn sie die« thun, muß ebenfalls die Ucbcrlegungsfrist abgewartet werden, ehe
gegen die Erben mit Kontumazialfolgen verfahren werden kann,
c) Wird über eine gewisse individuelle Sache, oder ein Grundstück gestritten, die
nach dem Tode des bisherigen Besitzers einem Dritten, welcher nicht zugleich
dessen Erbe wird, (suecessori singulsri) anheimfallen, z. B. wenn der Prozeß
über Pertinenzstücke oder Gerechtigkeiten eines Lehn - «der Fidcikommißgutcs,
welches sich an den Lehnsherrn, Agnaten, ober Fideikommißbesitzer erledigt, ge
führt worden ist; so muß derselbe in einer vcrhältnißmässigcn Frist sich erklären:
ob und wie er den Prozeß fortsetzen wolle; auch den OfsizialassistcnteH oder Be
vollmächtigten des vorigen Besitzers mit anderweitiger Information und etwa-
Niger Vollmacht versehen. — §. 1-^7, Tit. 2«, I. A. G. O. — §. 38«, Tit. 9,
I. A. L. R. — <^f. auch oben z. 4», Nro. 2, S. 9«.
Au 2. Wenn bei dem Gerichte, wo ein Prozeß schwebt, wegen gegenwär
tiger Kriegsgefahr, oder wegen andrer Ursachen ein gänzlicher Stillstand
in den Geschäften (justitium) entsteht; oder wenn durch dergleichen Kriegsläufte
oder andre Landplagen die Kommunikation zwischen dem Wohnorte der Partei und
dem Sitze des Gerichts auf eine Zeitlang gänzlich unterbrochen wird; so muß der
Prozeß sistirt «erden. Nach gehobenem Hinderniß muß der Richter die Parteien
zur unverzüglichen Fortsetzung von Amtswegen auffordern.
Zu dergleichen Hemmnissen gehören insbesondre ansteckende Krankheiten
dann, wenn derentwegen Häuser, Straßen und Gegenden abgesperrt werden. Zum
Nachtheil der in solchen, mit den Gerichtsbehörden ausser Kommunikation gesetzte«
Häusern, Straßen und Gegenden befindlichen Personen kann keine Kontumazialbe-
stimmung, und keinerlei Präklusion wegen versäumter Fristen erlassen werde». Ge
gen unbekannte Interessenten ist zwar eine solche Präklusion ferner zulässig. Es
steht jedoch Jedem, welcher sich innerhalb der durch die Ediktalzitation bestimmten
Frist auch nur theilweise an einem gesperrten Orte befunden hat, bis zur Ausschüt
tung der Masse, oder sonstigen Beendigung des Verfahrens, worin die Präklusion
ergangen ist, die Restitution zu, und es bleiben auch nachher seine Rechte gegen alle
vorbehalten, welche in Folge der Präklusion zu seinem Nachtheile eine Zahlung er
halten, oder ein Recht erlangt haben. Jedoch muß ein solcher Anspruch bei Ver
lust desselben, binnen 6 Monaten nach Aufhebung der Sperre, geltend gemacht wer
den. — Z. «, Tit. 20, I. A. G. O. — Eab.-O. vom 12. Juli 1831 Nro. Z GS.
S. 156. — Cab.-Ord. vom 25. Juli 1831 GS. S. 157.
Zu 3. Während des Krieges ^ können
s) gegen Personen, die in wirklichen Militairdicnsten stehen, oder sonst in Folge
ihres Amts oder Berufs der Armee folgen müssen, wegen Forderungen, die vor
dem Kriege entstanden sind, keine Klagen angenommen, sondern der»
Von 1792 ab bis 1313 ergingen eine Anzahl Verordnungen, welche die Mili-
tairprozesse von Zeit zu Zeit suspendirten. Die Cab,-Ord. vom 2V. März 1816
(GS. S. 110 fg.) hob dagegen die Suspensionen der Militairprozesse auf. —
Das Verfahren in den suspcndirt gewesenen und wieder hergestellten Militair-
Prozessen ist durch das Res. vom 29. Juli 1795 geregelt, und dies hat durch
Res. vom 3«. März 1809 allgemeine Anwendbarkeit erlangt, — N, C. C. lym.
fX. S. 2543. Rabe Bd. 3, S. 101. -
380
gleichen Prozesse müssen bis zur Wiederherstellung des Friedens ausgesetzt wer
den. Auch könne» wahrend dieser Zeit keine Ediktalladungen mit der
Wirkung einer Präklusion ergehen. Vielmehr muß, wenn dergleichen Ediktalla-
dung auf Andringen der dazu berechtigten Interessenten auch wirklich ergangen
ist, dennoch den Militairpersonen in dem darauf abzufassenden Pröklusionsurtel
ihr Recht bis nach wiederhergestelltem Frieden ausdrücklich vorbehalten werden,
d) Die bei entstehendem Kriege schon schwebenden Prozesse der Militair
personen werden mit ihren Assistenten oder Bevollmächtigten fortgesetzt. Muß
jedoch die prozeßführende Partei ihr Standquartier verlassen, und weiset der Ver
treter durch seine Manualaktcn nach, daß ihm bei irgend einem Umstände Informa
tion nöthig sei; so kann deshalb wider eine solche Partei nicht in contumscisiu
verfahren, sondern der Prozeß muß bis zu ihrer Rückkunft suspendirt werden,
c) Wenn dagegen der Krieg noch nicht wirklich ausgebrochen ist, sondern
nur noch Rüstungen und Anstalten obwalten; auch die Truppen zwar die ge
wöhnlichen Standquartiere verlassen haben, aber noch in Kantonnirungen oder
Grenzkagern stehen; so findet noch keine Sistirung der Prozesse, auch kein Vor
behalt bei den auf Ediktalladungen ergehenden Praklusionserkenntnissen statt.
Wenn aber unter solchen Umständen bei einem ordinairen Zivil- oder bei einem
Konkurs- oder Liquidationsprozcß eine Militairperson, es sei als Kläger, Be
klagter, Litisdenunziat, oder Liquidant, oder sonst, ein bekanntes Interesse hat;
so müssen die Jnstruktions-, so wie alle übrigen Termine in solchen Prozessen,
bei welchen eine Militairperson zugezogen werden soll, dergestalt geräumig,
daß ihr die gehörige Zeit zur Bestellung eines Bevollmächtigten, und zur Ver
schling desselben mit der nöthigen Information übrig bleibt, bestimmt, auch,
wenn diefe Information wegen Abwesenheit und Entfernung der Partei von ihr
nicht zu erhalten ist, von Zeit zu Zeit, und nötigenfalls bis zu ihrer Rückkehr
in das Standquartier, verlegt werden,
ch Vertrit in diesen Fällen (s K c) die abwesende Militairperson die Stelle des
Beklagten; so ist Kläger in den Fällen, wo Sistirung des Prozesses, oder
Aussetzung der Klage, oder Terminsverlcgung erfolgt, befugt, die zur Abwen
dung des ihm aus dem Verzuge etwa bevorstehenden unwiederbringlichen Nach
theils erforderlichen intermistischen Verfügungen, z. B. die Eintragung einer Pro
testation auf die Güter des Abwesenden, die Einziehung eines zur Deckung sei
ner Zinsen erforderlichen Thcils der Revenuen in das gerichtliche Depositum, die
Verkümmerung der ausstehenden Schulden u. f. w. (in sofern die streitige For
derung zum Arrestfchlage sich eignet) auszubringen. — Z. 9—12, Tit. 20, 1. A. G. O.
Zu 4. Eine Suspension des Prozesses findet auch statt, wenn 'eine in
Konigl. Militair- oder Zivildienst stehende Partei in öffentlichen
Angelegenheiten ausserhalb Landes geschickt wird, und vor ihrer Abreist
ihren Assistenten oder Bevollmächtigten zur Instruktion der Sache nicht mit hin
reichender Information versehen hat.
Doch gilt die Vorschrift in diefem Falle nur von Prozessen, welche sich auf
Geschäfte bezichen, die weitläufig und zusammengesetzt sind, und zu deren zweckmäs
siger EntWickelung umständlichere und genauere Nachrichten erfordert werden. Wird
ein solcher Abwesender blos wegen eines von ihm selbst kontrahirten Darlehns, oder
einer dergleichen Waarenschuld belangt; so kann seine Abwesenheit ihn gegen Ein
lassung darauf nicht schützen, sondern den Richter allenfalls nur zur billigen Ver
längerung der Termine und Fristen bewegen. — Auch versteht sich die Wohlthat der
Suspension nur von solchen Parteien, die nur eines einzelnen Geschäfts wegen, oder
nur auf eine gewisse bestimmte Zeit verschickt werde») und deren Rückkehr also,
38 l
nach beendigtem Geschäfte oder verlaufener Zeit, mit Sicherheit zu erwarten ist.
Dagegen findet die Suspension nicht statt
») in Bezug aus Personen, welche an einem ausserhalb Landes gelegenen Orte sich
längere Zeit hindurch aufhalten, und sich in gewisser Art daselbst sirircn müsse»,
z. B. Gesandte, die an fremden Höfen residircn;
K) wenn der Abwesende sich derselben nicht bedienen will;
e) wenn er von der in Ansehung seines Dienstes ihm vorgesetzten Instanz zurücke
gerufen wird, und seine Rückkunft aus eigner Bewegung verzögert;
6) wenn Kläger solche Umstände nachweisen kann, woraus sich ergibt, daß
der Abwesende, seiner Entfernung ungeachtet, Zeit und Gelegenheit habe, seine
eignen Angelegenheiten zu besorgen, z. B. wenn er andre Prozesse führt, Güter
kauft, oder andre Geschäfte vornimmt, welche sonst ohne seine unmittelbare Thcil-
nahme nicht Fortgang haben könnten. — Z. 13—16 a. a. O.
Zu 5. Bon Sistirung des Prozesses bei Kompetenzkonflikten ist Z. S
(S. 16) die Rede gewesen.
Zu 6. In wie weit die unterlassene Bestellung einer Prozeßkau-
tion die Sistirung des Prozesses herbeiführen kann; wird aus Z. 256 sich erge
ben. — §. 17 a. a. O.
Au 7. In welchen Fällen die Prozeßakten aus dem Grunde, weil Kläger
im Termin ausgeblieben, weggelegt werden, davon ist oben im sechsten Titel
abgehandelt worden. Ein solcher Kläger kann hiernächst jedoch die Sache wieder
fortsetzen. Meldet er sich dazu
s) innerhalb vier W o ch e n nach abgelaufenem Termine, unter Anführung wahr
scheinlicher Ursachen, warum er den Termin weder abwarten, noch in Zeiten des
sen Verlegung suchen können: so wird die Sache sofort rcassumirt, ein neuer
Jnstruktions- (resp. Audienz-) Termin dazu anberaumt,») und der Kläger bloS
zum Ersätze der Kosten des vorigen, durch sein Ausbleiben fruchtslos gewordenen
Termins angehalten. ?)
d) Meldet Kläger sich erst später als 4 Wochen nach dem Termin; so ist
sein Reassumtionsgesuch als ein neuer Prozeß anzusehn und zu behandeln. —
Ein solcher Kläger muß daher nicht nur, ehe ihm das anderweite rechtliche Ge
hör verstattet wird, dem Gegentheile alle bisherigen Kosten bezahlen, sondern cS
1 ) Dies ist auch im summarischen Prozesse der Fall. — Res. vom 10. April 183S.
Grafs, Koch :c. Erg. III. S. 379.
2) Der Umstand, ob Jemand binnen 4 Wochen oder nach vier Wochen die Reas-
sumtion beantragt, ist ins Besondre hinsichtlich des WerthftempelS und der Ko
sten von Einfluß. Im ersten Falle kommt der bereits bei der Akten-Reposition
verwendete Werthstempel bei Reassumtion zu Gute, und die Mandatarien der
Parteien können im ferneren Verfahren nicht zum zweiten Male Jnformations-
und Prokuragebühren (diese für die betreffende Instanz) liquidiren. Im letzten
Falle kommt im neuen Verfahren der Werthftempel ohne Rücksicht auf den be
reits früher verwendeten in Ansatz, und die Mandatarien liquidiren von Neuem
alle Gebühren. — Im Bagatellprozeß wird das halbe Pauschquantum vom Klä
ger eingezogen, gleichviel ob er innerhalb oder nach vier Wochen Reassumtion
nachsucht. Geschieht dies jedoch innerhalb vier Wochen, so wird demnächst bei
Beendigung des Prozesses das bereits eingezogene halbe Pauschquantum in An
rechnung gebracht, und Kläger kann, wenn Beklagter in alle Kosten verurthcilt
ist, dasselbe erstattet verlangen. — Meldet sich Kläger nach vier Wochen; so
kommt nach Beendigung des Verfahrens das früher erhobene halbe Pauschquan
tum nicht in Anrechnung. — Res. vom 5. Juni 1841 I. M. B. S. 201. —
Auch auf die Kompetenz kann der Umstand: ob die Reassumtion innerhalb vier
Wochen oder nach vier Wochen nachgesucht wird, dann von Einfluß sein, wenn
der Beklagte inzwischen einen andern Gerichtsstand erlangt hat.
382
bleibt auch richterlichem Ermessen anHeim gestellt: in wiefern ihm Zuvörderst
noch eine Kaution wegen Fortsetzung der Sache abzufordern sei. — Z. 13—20 a. a. O.
Zu 8. Gleiche Bewandniß hat es, wenn Kläger im Laufe des Prozesses dem
selben entsagt, ohne zugleich sich seiner Forderung zu begeben. Ist in beiden Fäl
len (7 und 8) dem Beklagten daran gelegen, die Sache mit dem Kläger bald aus
zumachen, und gegen die Wiederholung seiner Ansprüche künftig sicher zu sein; so
kann er im Wege des Provokations- und Diffamationsprozesses (Tit. 10, Absch. 7)
denselben anhalten, den Prozeß fortzusetzen, «der dem eingeklagten Ansprüche aus
drücklich zu entsagen, i) — z. 21 a. a. O.
Wenn Jemand im Fortgange der Sache dem Prozesse entsagt, so muß er dem
Gegner die bis dahin aufgelaufenen Kosten erstatten; ausser, wenn die §. 170, IV.
Nro. 1 s und b bestimmten Umstände obwalten.
Gleiche Bewandniß hat es, wenn Jemand dem ergriffenen Rechtsmittel ent
sagt. 2) Dann muß er dem Gegner die in dieser Instanz erwachsenen Kosten er
statten. Wegen der Kosten voriger Instanz bleibt es beim Urtel. — Z. 20, Tit.
28 o. a. O.
L. Von ProzeMutionen.
z. 256. l. Bon den Fällen, wo eine Kaution Gegenstand des Prozesses
ist, z. B. wenn gegen einen Nießbraucher, oder den fideikommissarischen Besitzer, oder
gegen Jemand wegen zu besorgenden Schadens, auf Kautionsbestellung geklagt wird,
soll hier nicht die Rede sein. In diesen Fällen hat das Kautionsgesuch die Natur
einer Klage, und es wird auf dieselbe, wenn sie begründet, die Einleitung ver
fügt. — Hier wird vielmehr von den beiläufig bei Gelegenheit eines Prozesses
geforderten Kautionen gesprochen. Solche Kautionen können gefordert werden:
1) bei Reassumtion eines bereits weggelegten Prozesses (csutiones äs Iiis pro^
seqiievS») ck. Z. 255 zu Nr«. 7 und 8.
2) im Arrestprozesse z (egutiolies 6e ^ugiest« 5olvengo) von denselben wird im
lOten Titel 5ten Abschn. die Rede sein; und
3) zur Deckung des Beklagten in Betreff der durch den Prozeß zu besorgenden
Kosten. Bon den Kautionen der dritten Art wird in Folgendem gesprochen. —
z. 14, 15 Tit. 21, I. A. O.
II. In der Regel kann jeder Beklagte vom Kläger wegen der auf den Pro
zeß zu verwendenden und ihm demnächst zu erstattenden Kosten Sicherheitsbestellung
(Kaution) verlangen, und dies selbst dann, wenn Kläger sich sonst zum Armenrccht
qualifizirt. Ausgenommen sind
2) gewisse Sachen und zwar
s) Klagen auf laufende«) Alimente, auf Besoldungen, Lcchn oder Deputat;
6« veritst« schwört, Z. 167, II. Nro. 4 (S. 265). Liegen daher solche beson
dre Grunde des Verstorbenen nicht vor; so muß der Eid stets den Erbe» zu
gesprochen werden. — Uebrigens muß, wenn das den Eid aussprechende Urtel
im Audienztermin abgefaßt worden, hiernächst zur Entscheidung über den Streit:
ob die Erben des Verstorbenen <Z« iznorsvtig schwören sollen? wieder Au
dienztermin vor deniselben Kollegio nsp. der Deputation angesetzt werden.
1) Das etwa zustehende -Rechtsmittel kann nur von der Partei eingewendet wer
den, welcher der Eid nicht zuerkannt ist.
2) Z. B. durch Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Z. 92—97, Tit. 6, I.
A. L. R.); durch widerrechtliche Beraubung der persönlichen Freiheit (§. 134
das.); durch unrechtmässige Arrestlegung (ß. 137 fg. das.); durch EindrSngung
in die Verwaltung einer fremden Erbschaft (Z. 457 fg. Tit. 9 a. a. O.) u. s. w.
388
gebe», ober sonst richterlichen Befehlen und Erkenntnissen Folge zu leisten; be
harrlich und widerrechtlich sich weigert, und daraus einem Andern ein Nach-
theil erwachsen ist;
S) wenn ein von der Rechnungslegung befreit gewesener Bormund gleichwol aus
irgend einem rechtlichen Grunde') dazu für schuldig erklärt wird, und eine or
dentliche Rechnung nicht ablegen kann «der will, auch die Substanz des Ver
mögens des Pflegebefohlenen nicht ausgemittelt werden kann. — 8. 9—12, Tit.
22, I. A. G. O. — §. 878, 879, Tit. 18, II. A. L. R.
II. Sind die unter Nro. I. bezeichneten Erfordernisse vorhanden; so ist der
Würdigungseid, ohne Rücksicht auf das Verhältniß der Parteien zu
einander, zulässig, so daß ihn das Kind gegen seine Aeltern, der Unterthan ge
gen seine Obrigkeit, der Geringere gegen den Höheren schwören kann. — Auch ge
gen die Erben dessen, welcher einem Andern widerrechtlich Schaden zugefügt hat,
in sofern dieselben überhaupt zum Schadensersatze verbunden sind (cf. S. 32 Anm.),
kann dieser Eid stattfinden. — Selbst der Bürge haftet für den durch einen solchen
Eid gegen den Hauptschuldncr ausgemittelten Betrag. Doch darf er den Werth
der bcsondern Vorliebe nicht «ertreten, wenn nicht die Bürgschaft auch darauf aus
drücklich 2) mit gerichtet war. — §. 13 bis 16, Kit. 22, I. A. G. O.
III. Zur Ableistung des Würdigungseides werden alle die verstattet, von de
nen andre nothwendige Eide geleistet werden können (ß. 167, II.). Ein solcher Eid
kann daher auch von Vormündern, ingleichen einem Erben des Beschädigten gelei
stet werden. Wer zu einem nothwendigen Eide für unfähig erklärt worden; wird
nur dann zum Würdigungseide gelassen, wenn sein Gegner sich eines Betruges oder
einer vorsätzlichen Beschädigung schuldig gemacht hat.
Eine Zurückschiebung des Würdigungseides findet nicht statt; adch kann, wenn
ein Mal darauf erkannt worden, das Gewissen nicht mehr mit Beweis vertreten
«erden. — I. IS, 17 a. a. O.
IV. Was das Verfahren bei Verhandlung über einen solchen Ei-
5 es punkt betrifft, so muß,
1) wenn Jemand schon bei Beginn des Prozesses sich zum Würdigungseide
für berechtigt hält, derselbe die, seine desfalsige Behauptung begründenden, That-
fachen, so wie die Umstände, wodurch das nach seinem Antrage von ihm eidlich
zu erhärtende Quantum, als der Sache gemäß, dargestellt werden soll, gleich
bei Aufnahme der Klage gehörig anzeigen. Alsdann muß die Frage sowol we
gen Sulässigkeit des Eides überhaupt, als wegen Bestimmung des dadurch zu
erhärtenden Quanti bei der ferneren Verhandlung untersucht und erörtert, auch
da, wo Deduktionen zulässig, darin das Rechtliche darüber ausgeführt, und so
dann über beide Fragen erkannt werden. Wird der Würdigungseid für zuläs
sig erachtet, so muß im Urtel die Eidesformel nebst der Entscheidung für den
sen einer Sache, die derselben in der Meinung ihres Besitzers einen Vorzug vor
allen andern Sachen gleicher Art beilegen. — g. 112—115, Tit. 2, I. A. L. R.
Beim Werth der besonderen Vorliebe findet kcinc Rücksicht auf den sonstigen
Werth gleicher Sachen statt. Soll dagegen nicht der VKrth der besondern Bor
liebe beschworen werden, so kann der richterlich festzufetzende Werth den doppel
ten Betrag des von Sachverständigen angegebenen mittleren Werths von Sachen
gleicher Art nicht übersteigen. — Z. 94 fg. Tit. «, I. A. L. R.
>) In dieser Art muß also im Erkenntniß die Norm des Eides ausgesprochen, und
darin der zu beschwörende Betrag aufgenommen werden.
2) Die Manifestirung gerichtlicher Jnventarien ist dann nöthig, wenn der Erbe nicht
innerhalb 24 Stunden nach dem Tode des Erblassers, oder nachdem ihm das
Ableben bekannt geworden, die Siegelung und Inventur nachgesucht hat. §. 441,
Tit. S, I. A. G. O. — Kinder des Erblassers können, wenn sie als Legatare
von ihm bedacht worden, als solche den Manifestationseid nur dann fordern,
wenn der Erbe Benesizialerbe geworden, und ihnen vom Legat Abzüge machen
will. Behaupten sie jedoch, daß sie im Pflichtteil verlegt sind, so können sie
als Pflichtheilsberechtigte vom Erben de» Manifestationskid fordern. ^- Res.
vom 4. Mai M« I. M. B. S. 155.
391
7) die Ehegatten, die erwachsenen im Hause lebenden Kinder, und die Dienstboten
eines solchen Gcmcinschuldners;
8) die, bei welchen auf eine Forderung Arrest angelegt worden, wenn deren Betrag
ungewiß ist;')
9) die, welche Abschoß oder Abzug zu entrichten schuldig ist;
10) die, welche bei einer Erbtheilung etwas einwerfen müssen;
11) die, welche einen Schatz gefunden haben; §. 28, 29 a o. O. — ferner
12) die gerichtlich zur Inventur Beauftragten , wenn sie bei Anfertigung des In
ventars den gesetzlichen Vorschriften nicht völlig nachgekommen sind; — Z. SS,
Tit. 5, III. A. G. O.
13) der, welcher ein Spezialmoratorium nachsucht; — Z. 14, Tit. 47, I. A. G. O.
14) der, welcher zur Vcrmögcnsabtrctung vcrstattet werden will; — §. 43, I. 43
a. a. O.
15) der Verlierer eines Instruments bei dessen Aufgebot; — §. 113, Tit. 51 a. a. O.
16) der Versicherte hinsichtlich dessen, ob er in dem Falle, wenn zur Zeit der ge
zeichneten Police das versicherte Schiff oder Gut bereits verunglückt oder be
schädigt war, davon bereits Nachricht hatte; — §. 2200, 2201, Tit. 8, II. A. L. R.
17) derselbe hinsichtlich dessen, daß ihm ein ausländisches Verbot, in Folge dessen
die versicherten, auf Transport befindlich gewesenen Waaren eonfiszirt worden,
unbekannt gewesen; — ß. 2214 a. a. O.
18) der für Feuerschaden Versicherte über seine Kenntniß von etwa geretteten oder
aufgefundenen, versichert gewesenen Sachen, wenn ihm der Versicherer die volle
Versicherungssumme gezahlt hat. — Z. 2331 fg. a. a. O.
II. Wenn von Jemanden die Ableistung des Manifestationseides gefordert wird, und
er sich dessen weigert; so muß der, welcher darauf anträgt, in der Regel eine ordentliche
Klage anstellen. Diefe muß gehörig instruirt, über die Verbindlichkeit zur Ableistung
des Eides ordentlich erkannt, die Norm desselben 2) im Urtel bestimmt, nvd nach
dessen Rechtskraft Termin zur Eidesleistung angesetzt werden.
Ausnahmsweise bedarf es jedoch keines Prozesses und resp. Erkenntnisses
1) in den Fällen I. Nro. 4, 5, 6 und 7 und
2) wenn die Verbindlichkeit, Rechnung abzulegen, oder in Ermangelung eines ge
richtlichen Jnventarii eidliche Spezifikation zu übergeben, feststeht, und es sich
blos darum fragt: ob der Manifestationseid darüber gefordert werden könnte? —
z. 30, 31, I. 22 A. G. O.
III. Sur Ableistung eines Manifestationscides über Verzeichnisse und Rechnun
gen kann eher nicht geschritten werden, als bis dieselben dem Gcgentheile vorgelegt,
er mit seinen Ausstellungen darüber gehört, und der Grund oder Ungrund dieser
Erinnerungen ausgcmittelt worden. Erst wenn dieses geschehen ist, und der andre
Theil es noch verlangt, muß der Maniftstationseid geschworen werden. — Dieser
Eid muß allemal das Versprechen enthalten:
wenn sich in der Folge ergeben sollte, daß etwas ausser Acht gelassen sei,
davon noch getreulich Anzeige zu leisten.
Der Beweis des Meineides findet hier also nur in sofern statt, als etwas wissent
lich verschwiegen worden ist. — Z. 32, 33 a. a. O.
1) Hier ist aber nur der Gläubiger dieser Forderung, d. h. der ErequenduS gemeint,
nicht aber der, welcher die zu arrestirende Forderung schuldet. Dies geht aus
dem Ausdruck „Forderung" hervor. In Bezug auf Kiefen hätte sonst der Aus
druck „Schuld" gebracht werden müssen. — Res. vom 3l. Januar 1840 I.
M. B. S. 65.
2) Ist blos diese Norm Gegenstand des Streits, so muß dennoch, wenn der Streit
nicht gütlich beseitigt werden kann, durch Erkcnntniß die streitige Norm festge
stellt werden. — Ref. vom 14. Septbr. 18S0. Gräff, Koch:c.Erg.III.S.384.
392
IV. Weigert sich Jemand, welcher, st! es in Folge eines Erkenntnisses ober in
den Fällen II. Nro. 1 und 2 ohne ein solches, zur Ableistung eines Manifestations
eides schuldig ist; so finden die wegen Bollstreckung eines auf Leistung von Hand
lungen lautenden Urtcls gegebenen Vorschriften Anwendung. — Z. 34 a. a. O.
V. Aus der eidlichen Bestärkung eines Verzeichnisses oder einer Rechnung,
worin ein Dritter als Schuldner aufgeführt worden ist, kann gegen diesen niemals
ein Beweismittel der Schuld entnommen werden.
Eben so können die, welche in einer solchen, Spezifikation oder Rechnung als
Gläubiger aufgeführt sind, dadurch allein ihren Anspruch nicht begründen. 2) — Ist
jedoch der Anspruch gegen den selbst, welcher den Manifestationseid geschworen hat,
gerichtet; so muß er, wenn er demselben noch Einwendungen entgegen setzen will,
zugleich einen bei der Aufnehmung des Verzeichnisses zc. vorgefallenen Jrrthum
nachweifen. — §. SS, 36 a. a. O.
Vom Eide für Gefährde Hursmenwm cslunmise).
Z. 261. I. Der Eid für Gefährde so« der Schikane einer Partei bei Edi
tionsgesuchen, oder bei deren Streben, die Bemühungen des Richters in Ausmitte
lung der Wahrheit zu vereiteln, oder doch zu erschweren, und den Prozeß in die
Länge zu ziehen, Einhalt thun. ») Dieser Eid findet also statt:
1) wenn eine Partei von einem Dritten die Edition einer Urkunde fordert. Hier
hängt es vom Dritten ab, den Eid vom Editionssucher zu verlangen;
2) wenn ein auf wahrscheinlichen Gründen beruhender Verdacht sich äussert, daß
eine Partei entweder mit ihrer Wissenschaft von einer gewissen Thatsache, oder
mit Angabe der Mittel zur Entdeckung der Wahrheit geflissentlich zurückhalte;
oder daß sie auf entfernten, nicht anders, als mit grossem Zeitverluste und Ko-
.sten herbeizuschaffenden Beweismitteln ohne Roth bestehe; oder daß sie blos zum
Verschleife der Sache Verlängerungen der Fristen und Prolongation der Ter
mine nachsuche. — §. 37, Tit. 22. Z. 102, Tit. 10, I. A. G. O.
Vom ersten Falle war oben Z. 118 (S. 194) die Rede. Vom zweiten Falle
wird hier gesprochen werden.
II. Sobald ein dergleichen Verdacht (I. Nro. 2), es sei vor, oder im Jnstruk-
tionstermine, in erster oder zweiter Instanz, sich äussert, ist der Richter befugt,
der Partei zu dessen Ablehnung diesen Eid abzufordern. Der Gegner ist, ausser dem
Falle eines Editionsgesuchs darauf anzutragen nicht berechtigt. — Zunächst hat der
Deputirte die Pflicht, wenn nach seiner Meinung ein dergleichen Verdacht der Schi
kane vorliegt, der Partei. die Ursachen dieses Verdachts vorzuhalten, und sie zu be
deuten, daß sie denselben durch den Eid für Gefährde werde ablehnen müssen. Be
harrt sie dennoch auf ihrer Erklärung oder ihrem Antrage, so muß er ihr, wenn
die Partei freiwillig den Eid leisten will, denselben abnehmen, im Weigerungsfalle
') Der in Folge dessen zulässige Personalarrest kommt auch gegen Beamte und
auch gegen Schuldner von Gerichtsko.sten, ohne Rücksicht auf ihren Nahrungs
stand, zur Anwendung, wenn dieselben den Manifestation seid zu leisten weigern. —
Res. vom 15. December 1823 und vom 2«. August 1835. Jahrb. 22, S. 177.
Bd. 46. S. 119.
2) Deshalb, weil dies Verzeichnis! für den Schuldner Nichts beweist, muß derselbe
> ' auch, wenn er durch Anweisung von Aktivforderungen sich gegen den Personal-
arreft schützen will, den Nachweis der Exigibilität und der Liquidität führen. —
Res. vom 5. Januar 1830. Gräff, Koch :c. Erg. III. S. 383.
») Dieser Eid ist fast unpraktisch geworden. Er war auch nur von Bedeutung da,
wo es sich um die von Amtswegen zu betreibenden Ausmittelungen handelte. Die
neuere Gesetzgebung, welche davon nach Möglichkeit abgeht, ignorirt demnach auch
den Kalumnieneid ganz.
393
aber die Sache in Bortrag geben. Der Dezernent trägt sie dem Kollegio vor.
Erkennt dieses die Partei der Schikane für verdächtig; so wird ihr der Eid durch
eine Resolution, bei welcher es dann schlechterding« bewendet, auserlegt, und in der
selben sowol die Eidesformel, > ) als die Folgen der Nichtleistung bestimmt. — Lei
stet eine Partei
s) den Kalumniencid nicht, so ist die Wirkung davon, nach Verschiedenheit der Ver
anlassungen, weshalb er gefordert wird, zu bestimmen. Es wird also z. B. der
tatsächliche Umstand, über welchen die Partei mit ihrer Wissenschaft und Be
weismitteln zurückhält, wenn sie ihn selbst angegeben hat, für nicht angebracht,
wenn er aber vom Gegentheil angeführt worden, für richtig und zugestanden
angenommen; aus die vorgeschlagenen entfernten Beweismittel wird nicht wei
ter geachtet; die gesuchte Prorogation verweigert, und in conwmsciam ver
fahren u. f. w.
K) Leistet sie ihn, und findet sich im Verfolge des Prozesses dennoch, daß die Par
tei wirklich schikanirt habe; so soll sie bei einer vorsätzlich gemachten Schikane
gleich andern Meineidigen, sonst nach Befinden anderweit ernstlich bestrast wer
den. — §. 39—42. z. 44, Tit. 22, I. A. G. O.
III. Dieser Zwischenpunkt darf die Instruktion der Hauptsache niemals auf
halten, vielmehr dieselbe sowol während des Vortrags im Kollegio, als während der
Abnahme von der etwa abwesenden Partei, so viel als möglich, fortgesetzt werden. —
§. 43 a. a. O.
IV. Bei Abnahme dieses Eides find, gleich wie bei Abnahme der 8. 258—260
gedachten Eide die Vorschriften g. 149—154 zu berücksichtigen. — Z. 45 a. a. O.
II. Von Aufnahme deö Beweises zum ewigen Gedächtniß.
§. 262. I. Die Aufnahme des Beweises muß in der Regel in dem Stadio
des Prozesses erfolgen, in welchem dies nach Z. 75; Z. 86; §. 130 Nro. 1 und 2
und Z. 181 vorgeschrieben ist. Ausnahmsweise kann jedoch dann,
wenn eine wahrscheinliche Gefahr vorhanden ist, daß bis
zu der Zeit, wo die Klage angestellt, oder bis zu dem Zeit
punkte des Prozesses, in wekhem bei dessen ordentlichem
Laufe die Beweisaufnahme erfolgen würde, das aufzuneh
mende Beweismittel verloren gehen möchte,
derjenige, welcher sich dieses Beweises später bedienen will, die Aufnahme desselben,
es sei durch Zeugen oder Okularinspektion, 2) schon vor Anstellung der Hauptklage,
oder falls diese bereits angebracht ist, doch früher, als gewöhnlich, beantragen. (Be
weisaufnahme zum ewigen Gedächtniß). — 1, Tit. 33, I. A. G. O.
II. Wird die Aufnahme des Beweises zum ewigen Gedächtniß vor Anstel
lung des Prozesses nachgesucht, so muß
1) der desfalsige Antrag
s) falls der künftige Beklagte denselben zur Erhaltung seiner Beweis- und
Vertheidigungsmittel formirt, in dem von diesem gegen den vermuthlichen
Kläger angestrengten Diffamationsprozeß angebracht, und auch
?) Eine umfassende Eioesnorm- läßt sich dafür nicht geben, da die Fälle sehr ver
schieden sein können. Gewöhnlich wird dieser Eid in der Art zu normiren sein:
Ich N. N. schwöre :c. daß mir kein andres Mittel, als (hier ist der An
trag der Partei genau anzugeben) zur Ausmittelung der Wahrheit übrig
bleibt, und daß ich dasselbe nicht aus Schikane ergreife zc.
2) Nach gemeinem Rechte ist nach Annahme der Rechtslehrer auch in Betreff von,
Urkunden Beweis zum ewigen Gedächtniß zulässig. Das preussische Gesetz er
wähnt dessen nicht. In derPraxis wird die Rothwendigkeiteines solchen Urkundenbe-
weises sich wohl auch schwerlich herausstellen, dg Urkunden aufbewahrt werden können.
394
hier erledigt werben. Provokant ist hier der künftige Beklagte, Provokat
der künftige Kläger
d> Will aber der künftige Kläger Beweisaufnahme zum ewigen GedZcht-
niß beantragen; so muß er in der Regel im persönlichen Gerichts
stande des Provokaten, oder auch bei dem Gerichte, unter welchem
das Streitobjekt gelegen, sein desfalsiges Gesuch schriftlich oder zu Protokoll
anbringen. Provokat ist aber hier derjenige, welcher, wenn die Hauptklage
sogleich angestellt werden könnte, die Stelle des Beklagten darin übernehmen
würde, selbst wenn es, wie z. B. bei Lehnen und Fideikommißen, noch un
gewiß ist: ob bei der erst künftig anzustellenden Hauptklage, dieselbe Person
als Beklagter anzusehn sein wird.
2) Zur Begründung eines solchen Gesuchs ist erforderlich, daß
s) die Thatsache selbst, worüber der Beweis aufgenommen werden soll, bestimmt
angezeigt; daß
b) erhebliche Ursachen, warum der Hauptprozeß noch nicht angestellt werden
könne; so wie
e) wahrscheinliche Gründe der Besorgniß, daß bis dahin und bei längerem Auf
enthalte das Beweismittel verloren gehen möchte, angeführt, auch diese Gründe,
in sofern sie auf Thatsachen beruhn, und nicht notorisch sind, durch glaub
würdige Atteste oder andre Mittel näher bescheinigt werden.
S) Der Richter prüft das Gesuch sorgfältig: ob es an und für sich zulässig
und mit dm gesetzmäßigen Erfordernissen versehen sei.
^.Findet sich, daß entweder die angegebene Ursache, warum der Prozeß noch
nicht anhängig gemacht werden kann, ganz unstatthaft 2) und unerheblich,
oder daß die Besorgniß von dem bevorstehenden Verlufte des Beweismittels
ohne Grund und unbescheinigt ist; so muß Provokant mit dem Gesuch durch
Verfügung unter Anführung der desfalsigen Gründe ab- und dahin ange
wiesen werden, die Anstellung der Hauptklage selbst zu bewirken, oder abzuwarten.
S. Ist dagegen beim Gesuche an und für sich Nichts zu erinnern, so wird die
Beweisaufnahme angeordnet,
s) Kann diese vom verfügenden Oiichter selbst geschehen; so wird sofort Termin,
je nach den Umständen, zur Einnahme des Augenscheins unter Ernennung und
Borladung der etwa nöthigen Sachverständigen, oder zur Vernehmung der
Zeugen unter Borladung derselben, angesetzt; zugleich aber das Provokations-
gesuch dem Provokaten mitgetheilt, ihm vom Verfügten Nachricht gegeben,
und derselbe zu einem (noch vor dem zur Beweisaufnahme anstehenden,) an
zuberaumenden Termin vor einen Deputirten vorgeladen, damit er etwanige
in der Sache selbst, namentlich gegen das vorgetragene SachverhSltnkß oder
gegen die Qualität der Beweismittel ihm zustehende Erinnerungen oder son
stige Erklärungen zu Protokoll geben könne. Wenn sich nun
ss) Provokat in diesem Termine nicht meldet, so wird darüber vom Depu
tirten ein Vermerk aufgenommen. Die Beweisaufnahme erfolgt aber dem
nächst nach Maasgabe des in der Provokation vorgetragenen Sachverhält
nisses. Meldet sich aber
.7' >
1) Das Ref. vom 1.8. Secember 1823 (G raff, Koch zc. Erg. IN. S. 715) spricht
sich allgemein dahin aus, daß dem Beklagten auch in andern Fällen der Antrag
auf Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnis; zustehe. Doch ist zu dieser An
nahme in den Gesetzen kein Anhalt zu finden.
2) Ist die Thatsache von der Art, daß sie keine Klage begründet, z. B. der An
spruch aus einer Spielschuld herrührend; so muß das Gesuch zurückgewiesen
werden. — N. Res. vom 29. Juli 1635. Gr äff, Koch ,e. Erg. UI. S. 716.
SS5
1,1,) Provokat, st muß ihn dcr Dcputirte vernehmen. r<) Räumt Provokat
die Thatstche, st wie sie vom Provokanten vorgetragen worden, klar und
deutlich ein, st hat es dabei sein Bewenden, und dcr Beweisaufnahme be
darf es nicht weiter. /?) Ist er aber dcr Thatstche nicht geständig, erklärt
er vielmehr ««) die Thatstche selbst für unerheblich, oder die vom Provo
kanten angeführten Gründe der vorläufigen Beweisaufnahme für unstatt
haft; st wird er zwar mit den desstlsigen Einwendungen zu Protokoll
vernommen, jedoch darüber kein Prozeß, noch Erkcnntniß zugelassen, viel
mehr mit Aufnahme des Beweises selbst weiter verfahren, da die Provo
kation bereits nach dem Obigen sorgfältig geprüft worden, und dem Pro-
vokatcn, dem seine Einwendungen für den Hauptprozeß vorbehalten blei
ben, kein wesentlicher Nachtheil daraus erwachsen kann. — /?,?) Bestehn die
Erklärungen des Provokatcn darin, daß er gegen das vom Provokatcn vor
getragene Sachverhöltniß etwas zu erinnern, demselben etwas beizufügen,
oder daran etwas zu berichtigen habe; st muß dcr Deputirte dies zu Pro
tokoll nehmen, die tatsächlichen Umstände dabei auseinandersetzen, und in
Zusammenhaltung derselben mit der vom Provokatcn vorgetragenen Er
zählung den Streitstand über die streitige Thatstche reguliren (§. 107), da
mit demnächst bei Aufnahme des Beweises selbst auf beiderlei Angaben ge
hörig Rücksicht genommen werden könne. — //) Hat endlich Provokat Ein
wendungen gegen die Qualität der Beweismittel, insbesondre gegen die
Person des Zeugen; so müssen die Thatstchen, auf denen dieselben beruh«,
gehörig auseinandergesetzt, Provokant darüber vernommm, und wenn Par
teien darüber nicht einig sind, die nähere Untersuchung, in sofern Pro-
vokat es verlangt, gemäß 5. 14l, I. mit Aufnahme des Beweismittels
zugleich, verfügt werden. Ueber dergleichen Berwerfungsurstchcn findet jedoch
kein besondres Erkenntniß statt; sondern so, wie Provokant bei
künftiger Verhandlung der Sache von den durch vorläufige Beweisauf
nahme ausgemittelten Thatstchen Gebrauch macht, kann ebendaselbst ein
Gleiches auch Provokat mit den vorläufig untersuchten Einwendungen ge
gen die Qualität des Beweismittels thun.
!>) Kann die Beweisaufnahme nicht durch den «erfügenden Richter selbst, sondern
muß sie durch einen auswärtigen Kommissarius oder durch ein zu requirirendes
andres Gericht erfolgen^ st muß zuvörderst der nach Vorschrift sud s für den
Provokatcn anzusetzende Termin abgewartet, in diesem, nach der gemäß ss
und KK geschehenen Verhandlung, ein Sach- und Streitstand nach Maasgabe
des Z. 107 entworfen, und hierauf der Auftrag oder die Requisition zur Auf
nahme des Beweises unter Mitthcilung des Strcitstandcs gewöhnlichermaßen
erlassen werden.
4) Wenn in der Provokation eine st nahe und dringende Gcsthr des Verlustes des
Beweismittels bescheinigt wird, daß mit dessen Aufnahme unverzüglich, und ohne
erst die Erklärung des Provokatcn abzuwarten, verfahren werden muß; so muß
die Beweisaufnahme erfolgen, dennoch aber Termin zur Vernehmung des Pro
vokatcn angesetzt, und darin nach den Vorschriften unter Nro. 3 verfahren wer
den. Diese Vernehmung kann den Nutzen haben, daß bei Berichtigung oder Er
gänzung des SachverlMnisseS durch den Provokatcn demnächst der noch lebende
oder noch anwesende Zeuge über die desstlsigen umstände vernommen werden,
oder daß Provokat etwanige Erinnerungen gegen die Qualität des Beweismit
tels angeben, und daß deren vorläufige Untersuchung erfolgen kann.')
') In solchen dringenden Angelegenheiten sind auch in Provinzen, wo Kreisjustiz-
räthe fungiren, auf Anmelden einer Partei, diese zur Aufnahxne d« Beweises
3S6
6) Ist d!e nachgewiesene, im Verzuge obwaltende Gefahr des Verlustes des Beweis
mittels so dringend, daß Provokant sein Gesuch nicht beim kompetenten Richter
(II. Nro. 1) rechtszeitig anbringen könnte; so kann jeder Richter, in dessen Ge
richtsbezirke der zum ewigen Gedächtniß abzuhörende Zeuge betroffen wird, diese
Abhörung sofort verfügen. Er hat jedoch bei Bereidung desselben dem Provo-
katen einen Assistenten, und zwar, wo möglich, einen Rechtsverständigen zuzu
ordnen; und muß auch dem Provokaten von der ganzen vorgefallenen Verhand
lung umständliche Nachricht schleunigst ertheilen. — K. 2—22 a. a. O.
III. Schwebt bereits derProzeß, und es wird, bevor sonst Beweis auf
zunehmen sein würde, die Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beantragt; so ist
zur Begründung des Gesuchs die Angabe und Bescheinigung von Umständen, welche
den Verlust des Beweismittels besorgen lassen, hinreichend. Wird das Gesuch be
gründet gefunden; so wird wegen Aufnahme des Beweises sofort das Nöthige ver
fügt, und zugleich Termin zur Vernehmung des Provokaten darüber angesetzt. Im
Termine wird nach Maasgabe der Bestimmungen II. Nro. 3 und 4 verfahren. —
Z. 23—25.
IV. Die Aufnahme der Beweismittel selbst erfolgt nach den Vorschriften g. 129
—141 und Z. 157, und unter Berücksichtigung der Bestimmung Z. 132, I.
Vom aufgenommenen Protokolle erhalten beide Theile Abschriften. Das Ori
ginal wird in der Registratur des Gerichts aufbewahrt, und dem Provokanten dar
über Rekognition ertheilt.
Bei der demnächst zur rechtlichen Erörterung gelangenden Hauptsache muß der
Richter Behufs Ausmittelung der darin vorkommenden Thatsachen von jenen Be
weisprotokollen Gebrauch machen. Es wird demnächst auch deren Beweiskraft, so
wie serner geprüft und beurtheilt, ob der etwa noch vorhandene Zeuge noch näher
und umständlicher, unter Verweisung auf den bereits geleisteten Eid, zu vernehmen
sei? — §. 26, 27, 29 a. a. O.
V. Die Aufnahme des Beweises zum ewigen Gedächtniß geschieht allemal auf
Kosten des Provokanten, welcher jedoch, wenn er künftig in der Hauptsache ein ob-
siegliches Urtel erhält, auf de» Ersatz derselben anzutragen berechtigt ist. — §. 2S a. a. O.
Zehnter Titel,
»on einigt« besonderen Prozeßarten.
Erster Abschnitt.
Bon der RuMtats ° und der ReMutionsklage.
Einleitende Bemerkungen.
§. 263. Die Nullitäts- und die Restitutionsklage sind die einzigen Mittel,
durch welche in gewissen Fällen Erkenntnisse, gegen welche Rechtsmittel nicht mehr
eingewendet werden dürfen, umgestossen werden können. Diese Klagen fetzen also
immer einen bereits rechtskräftig entschiedenen Prozeß voraus. Sie sind keine
Rechtsmittel, sondern haben die Natur anderer Klagen, und begründen einen neuen
zun, ewigen Gedächtnisse ermächtigt. — §. 4, Nro. ö Ges. vom SV. Rovembr.
18SS. GS. S. 29S.
3S7
Prozeß. Ist ein Erkenntniß, dessen Nullität behauptet wirb, noch nicht rechtskräf
tig, so muß diese Nullität im Wcge des zustehenden ordentlichen Rechtsmittels aus
geführt werden. Von dem Falle, in welchem die Nullität durch Einwendung des
Rechtsmittels der Appellation geltend gemacht wird, ist oben g. 209, III. Nro. 5
(S. 315) die Rede gewesen. Wird bei Einwendung des Rechtsmittels der Revision
Nullität des Urtelö behauptet; so steht die Prüfung dessen: ob der angeführte Nuls
litätsgrund erheblich, und daher die Beweisaufnahme darüber erfolgen solle, oder ob
er nicht erheblich sei? dem Rcvisionsrichter zu. Dieser erkennt im letzteren Falle im
der Hauptsache. Im ersten Falle aber erkennt er auf die Nullität des früheren
Urtels, und verweist die Sache selbst in diejenige Instanz zurück, in welcher der,
die Nullität begründende, Verstoß vorgefallen ist. — z. 1, 9, 11, Tit. IS A. G. O.
I. Von der Nullitätsklage.
Zweck derselben, und Fälle und Gründe der Zulässigkeit.
Z. 264. I. Die Nullitätsklage hat zum Zweck, ein ergangenes Erkenntniß in
der Art anzufechten, daß sowol dies Erkenntniß, als das Verfahren, worauf sich
dasselbe gründet, für nicht eristircnd angesehen wird. — K. 8 a. o. O.
II. Diese Klage kann gegen Entscheidungen der Gerichtsbehörden
im Allgemeinen und ins Besondere auch gegen Erkenntnisse der General
kommissionen und Revisionskollegien, der geistlichen Gerichte, gegen
die des Geheimen Obertribunals und gegen schiedsrichterliche Urthcile
gerichtet werden. Sie ist auch gegen Erkenntnisse in fiskalischen Unter
suchungssachen zulässig.
Es wird dabei vorausgesetzt, daß gegen das angefochtene Erkenntniß entweder
von vornherein, oder wegen Ablaufs der Einlegungsfrist kein ordentliches Rechts
mittel zuständig. — Gegen Adjudikationsbescheide ist diese Klage niemals zulässig. —
§. 1 u. 2 a. a. O. — Res. vom 17. Juli 182«. Jahrb. 16, S. 5«. Gräff
Bd. 2 S. 141. — Res. vom 27. April 1822. Jahrb. 19. S. 214. Gräff Bd.
2, S. 138. Entscheid, de« Geheim. Obertrib. vom 7. November 1834. Gräff,
Koch :c. Erg. III. S. 303 sck 3.
III. Die Nullitätsklage findet nur in folgenden 4 Fällen statt:
1) Wenn das Urtel ex tslss csuss gegeben, d. h. wenn eine Partei lediglich, ober
doch hauptsächlich
s) auf Grund einer falschen Urkunde; oder
d) nach den Aussagen bestochener Zeugen abgewiesen «der verurtheilt worden ist.
Au s. Zu den Urkunden gehören auch Karten und Vermessungsrcgister. —
Will Provokant die Nullität auf die Behauptung einer falschen Urkunde gründen,
so muß er nachweisen können, entweder
a) daß diejenige Urkunde, auf welche die Entscheidung ganz «der doch hauptsächlich
gestützt ist, falsch und unrichtig, d. h. daß sie falsch gefertigt, «der daß ihr In
halt verfälscht sei, oder daß
b) eine Verwechselung der Urkunden stattgehabt, und die der Entscheidung zum
Grunde liegende einen ganz andern, als den Gegenstand dieses Prozesses betrifft.
Wird nur behauptet, daß die fragliche Urkunde zwar an und für sich richtig
sei, aber sich auf ein ganz anderes und verschiedenes Geschäft, als woraus der Pro
zeß entstanden ist, beziehe; so kann aus diesem Grunde das Urtel nicht angefochten
werden. Es steht dem vermeintlich Verletzten nur frei, seine Gerechtsame aus die
sem andern Geschäfte wider den Gegner geltend zu machen, und dieser kann dann
von jener Urkunde nicht zum zweiten Male Gebrauch machen.') Sind ferner Kar-
') Der Hauptgrund dessen, warum in diesem Falle die Nullitätsklage nicht zulässig
ist, liegt wohl darin, daß die auf ein anderes Geschäft angewandte Urkunde in
SS
398
ten oder Zeichnungen in Grenz« oder andern Prozessen den Parteien an Ort und
Stelle vorgelegt, und von ihnen ausdrücklich siir richtig anerkannt worden; so kann
auf die Behauptung, daß dieselben dennoch falsch seien, eine Nullitätsklage nicht ge
gründet werden.
Zu b. Unter bestochenen Zeugen werden hier alle diejenigen verstanden, welche
durch Geschenke an Geld oder Geldeswerth, durch die Hoffnung irgend eines zu er
langenden Gewinnes oder Vorthcils oder durch Besorgniß eines ihnen bevorstehenden
Schadens und Verlustes zur wissentlichen ') Ablegung eines falschen Zeugnisses er
weislich 2) vermocht worden sind.
Vermag Provokant nur Zeugen über das Gegenthcil dessen zu nennen, was
auf Grund von Zeugenaussagen im Prozesse als wahr angenommen worden; oder
produzirt er nur Urkunden, aus denen das Gegenthcil des Inhalts der, der Ent
scheidung zum Grunde gelegten, Zeugenaussagen hervorgeht; so ist dadurch die Nul
litätsklage nicht begründet, weil durch solche Beweise die Entscheidungsgründe, wenn
Vielleicht auch in Zweifel gezogen, doch nicht als falsch herausgestellt werden können. —
Z. 2, Nro. 1 a. a. O. §. 27 des Ges. vom 14. Dec. 1833. — Z. 138« des Strafrechts.
Sie findet ferner statt:
wegen Inkompetenz des Richters, und zwar
s) wenn Jemand, welcher mit gar keiner Jurisdiktion versehen, oder wenn er
auch damit versehen wäre, doch zur Justizverwaltung nicht vorschriftsmäßig
bestellt und vereidet ist, s) sich in einer Prozeß-Sache als Richter angegeben,
und in dieser Eigenschaft erkannt hat;
1,) wenn ein inkompetenter Richter in Fällen, in denen durch Landesgesctze die
Prorogation des Gerichtsstandes ausdrücklich verboten ist, erkannt hat. Dies
ist ins Bcfondere der Fall bei Ehescheidungsprozessen , in denen nur das Ober
gericht sresp. das betreffende geistliche Gericht) kompetent ist;
«) wenn dem Gerichte, das in einer Sache erkannt hat, die Befugniß nicht zu
steht, über Gegenstände und Geschäfte, als die im betreffenden Prozesse be
fangenen sind, zu erkennen.
<Z) Liegen zwar nicht vorstehende (sä s bis e) Fälle vor, der Richter, welcher
der Regel einen gleichen Gegenstand betrifft, als der Prozeß, in welchem sie zur
Stütze der Entscheidung dient; dem Provokanten also, der die Urkunde selbst
anerkennen muß, ein wesentlicher Nachtheil nicht entsteht; z. B. Beklagter pro
duzirt in einem Prozesse zur Beseitigung des gemachten Gcldanspruchs eine Quit
tung über Zahlung einer Summe. Bei Entscheidung wird angenommen, daß
die quittirte Summe auf die eingeklagte Forderung gezahlt sei, und Kläger in
soweit mit der Klage abgewiesen. Später nach der Rechtskraft des Urtels be
hauptet er, daß diese Quittung über eine aus einem ganz andern Geschäfte ihm
zustehende Summe laute; so kann er zwar nicht die Nullitätsklage anbringen,
er kann jedoch diese aus dem andern Geschäfte ihm zustehende SUmmc einkla
gen, und hier kann der Gegner sich nicht wieder auf jene Quittung berufen.
^) Ein aus Fahrläßigkeit begangener Meineid begründet nicht die Nullitätsklage.
Der Verletzte wird jedoch in der Regel eine EntscheidungMage begründen können.
2) Es ist nicht gerade nothig, daß der oder rcsp. die Zeugen in einer Krim.-Unter-
suchung des Meineides überführt sind, da auch auf andere Weife, z. B. durch
ein von dem Zeugen giltig und rechtsverbindlich auf dem Sterbebette abgegebe
nes Bekenntniß: daß er wissentlich und in Folge Bestechung einen Meineid be
gangen, der geforderte Nachweis geführt werden kann. Auch muß für den Fall
einer Untersuchung nicht immer die ordentliche Strafe des Meineides erkannt
sein. Auch bei ausserordentlichen Strafen kann möglicherweife der geführte Be
weis von der Art sein, daß er im Nullitätsverfahren ausreicht, um die Nulli
tätsklage für begründet zu erachten.
s) Im ersten dieser beiden alternativ verbundenen Fälle ist es gleichgiltig, ob der
inkompetente Richter die richterliche Qualifikation hat oder nicht? Im zweiten
Falle darf er sik nicht haben, da sonst die Nullitätsklage nicht zulassig.
399
in einer Cache erkannt hat, ist in derselben aber bennech weder an und für
sich, noch durch freiwillige Prorogation (Z. ISO, Tit. 2 der Proz.-Ord.) kom
petent; so muß die Beschwerde führende Partei durch das etwa zuständige
ordentliche Rechtsmittel die Inkompetenz rügen. Dem Richter fernerer In
stanz steht alsdann frei, nach Befinden der Umstände in der Sache selbst zu
erkennen, oder sie unter Aushebung des vom inkompetenten Richter abgefaß
ten Erkenntnisses an den kompetenten Richter erster Instanz zur Instruktion
^ und Entscheidung zu verweisen.')
Ist die Inkompetenz eines solchen UrtelS (suli 6) durch das zuständige ordent
liche Rechtsmittel, oder falls ein solches nicht zulässig, durch die Nichtigkeitsbeschwerde
oder im Wege des Rekurses nicht gerügt worden ; so kann die verletzte Partei we
gen angeblicher Inkompetenz des Richters dasselbe nicht anfechten. 2) — z. 2, Nro. 3.
K. 7 «. o. O. — §. 161, 164, Tit. 2 der Proz.-Ordn. — Kab.-Ord. v«m 25. Febr.
1833 GS. S. 24. — Z. 1 der Verordn. vom 28. Juni 1S44 GS. S. 184. —
X«. 3. ««. S der Deelar. vom 6. April 1839. — Res. vom 23. Aug. 18l9.
Jahrb. 14, S. 26. GrSff Bd. 2, S. 141.
Die Nullitätsklage ist ferner zulässig:
3) wenn s) Jemand, der gesetzlich ohne Bormund oder Curator vor Gericht zu han
deln unfähig ist, ohne den Beistand eines solchen gehörig bestellten Vormundes
oder Curators bei dem Prozesse als Partei zugelassen worden; ferner
K) wenn mit Jemanden, der zu gerichtlichen Verhandlungen eines Beistände«
nothwendig bedarf, ohne Zuziehung eines solchen Beistandes die Verhandlung
aufgenommen worden; so wie ferner
c) in Fällen, in welchen die obervormundschaftliche Genehmigung zur GIltigkeit
der Verhandlungen gesetzlich erforderlich ist, (§. S«1 fg. Tit. 18. Th. I. A.
L. R.) und nicht bei- oder nachgebracht werden kann.
Wenn der gewesene Pflegebefohlene, oder der des Beistandes bcnöthigt Ge
wesene, die damaligen Verhandlungen zu einer Zeit, wo er über sein Vermö
gen frei und ohne Beistand verfügen kann, ausdrücklich, oder stillschweigend
(Tit. 4, Th. I. §. S3 fz. A. L. R.) genehmigt, so fällt der Grund der
Nullitätsklage weg. — Z. 2 Nro. 4 a. a. O.
4) Diese steht endlich einer Partei zu, welche im Prozesse durch einen gar nicht Be
vollmächtigten oder durch einen mit falscher oder ungiltiger und unkräftiger
Vollmacht Versehenen vertreten worden. Genehmigt diese Partei die mit dem
ohne allen Auftrag oder mit falscher oder unkräftiger Vollmacht aufgetretenen Be
vollmächtigten gepflogenen Verhandlungen ; oder zeigt sie für den Fall, daß ihr das
Urtcl selbst publizirt, und gehörig behändigt worden, dem Gericht den Umstand,
daß sie von einem gar nicht oder nicht gehörig Beauftragten vertreten worden,
nicht binnen 4 Wochen nach erfolgter Kenntnißnahme mit dem Antrage auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an; oder ergreift sie gegen dies Urtel
das etwa zuständige ordentliche Rechtsmittel; Z) so findet die Nullitätsklage nicht
mehr Anwendung. — K. 2, Nro. 5 a. a. O.
1) In diesem Falle findet der Z. 263 Anwendung.
2) Nach K. 7 und 14 Tit. 16 der Proz,-Ord. konnte Fiskus in dem Falle, >vcnn
er das von einem inkompetenten Richter abgefaßte Erkenntniß durch Versäum-
niß des zuständigen Rechtsmittels hatte rechtskräftig werden lassen, binnen 4
Jahren vom Tage der Publikation angerechnet, Restitution nachsuchen. Durch
dies Rechtsmittel, welches bald Restitution, bald Nullitätsklage genannt wird,
wurde er noch zu den versäumten Rechtsmitteln «erstattet. Die neuere Gesetzge
bung (Art. 13 der Deklaration vom 6. April 1839) hat diesen Ausnahmefall des
I. 7, Tit. 16 der Prozeß-Ordnung aufgehoben, und Fiskus ist in Bezug auf
die Nullitätsklage den übrigen Parteien ganz gleich gestellt,
-) Lk, oben S. S44 Anm. l. ' 5
4«o
Wann, wo, und wie ist die Nullitätsklage anzubringen.
Z. 26S. I. Die Anbringung dieser Klage ist an keinen Betrag des Streit
objekts, und an keine andre Zeit, als an die Verjährungsfrist der ordentlichen per
sönlichen Klagen, gebunden. >) — Z. 1l> a. a. O.
II. Die Nullitätsklage muß, mit Ausnahme der Z. 264, IN. Nro. 2 s, d
und « genannten Fälle, bei demjenigen Gerichte, vor welches die Instruktion des
Worprozesses gehörte, und in den Fällen Z. 264, III. Nro. 2 a, K und e bei dem
Obergerichte der Provinz, in welcher der Vorprozeß geschwebt hat, angebracht wer
den. — §. 3 a. a. O.
III. Die Anbringung geschieht so, wie die jeder andern Klage, entweder schrift
lich oder zum Protokoll. Zu ihrer Vollständigkeit werden die bei jeder andern
Klage vorgeschriebenen Erfordernisse (oben §. 51 fg.) vorausgesetzt; ins Besondere
müssen die Thatsachen, woraus die vermeintliche Nullität hergeleitet werden soll,
und die Beweismittel zur Feststellung dieser Thatsachen genau angegeben sein.
Ist die Klage mangelhaft, so muß in einem dazu anzusetzenden Termine die
Vervollständigung erfolgen. Ist sie auf einen andern, als die Z. 264, III. ange
führten gesetzlichen Gründe gestützt, oder ergibt sich aus den Borakten klar, daß die
zur Begründung derselben angeführten Thatsachen falsch sind; so ist sie ohne Wei
teres durch Verfügung zurückzuweisen. Dem Zurückgewiesenen steht gegen diese
Verfügung nur der Weg der Beschwerde bei der, dem verfügenden Gericht unmit
telbar vorgesetzten Behörde offen. — §. 4 a. a. O.
Verfügung auf die vollständige Nullitätsklage; Verfahren, Er-
kenntniß, Rechtsmittel und Kostenpunkt.
§. 266. I. Wird die Klage für vollständig erachtet, so erfolgt deren Instruk
tion. Diefe hat jedcch nur die Ausmittelung der vorgegebenen Nullität zum Ge
genstände. Die Hauptsache darf damit nicht vermischt werden.
Die Instruktion und Entscheidung geschieht auf die Art, wie dies bei andern
Prozessen im Tit. 6 vorgeschrieben ist. 2) — z. 4 «nd ö a. a. O.
II. Findet der erkennende Richter die vorgeschützte Ursache der Nullität ungc-
gründet; so weist er den Jmploranten mit der Klage im Erkenntniß ab. Erachtet
er aber das angefochtene Verfahren und Urtel wirklich für null, so muß dieß im
Erkenntniß ausdrücklich ausgesprochen und darin zugleich die anderweitige Instruk
tion in der Hauptsache angeordnet werden. «) Doch erfolgt dieselbe erst bei erlang
ter Rechtskraft des UrtelS. — Z. 6 a. a. O.
III. Diese im Urtel auszusprechende Nullität erstreckt sich jedoch nur auf den
Zeitpunkt, wo sie vorgefallen ist, zurück. Auf vorhergehende Verhandlungen kann
sie nicht ausgedehnt werden. Ist also z. B. die Nullität erst in zweiter Instanz
Vorgefallen, so bleibt das Verfahren und Erkenntniß erster Instanz giltig, und im
5) Dies ist die Frist der Verjährung durch Nichtgebrauch; und zwar in der Regel
die 30jährige; für den Fiskus, Kirchen, und diesen gleich Berechtigten die 44jäh-
rige, und in Bezug auf Ansprüche, welche in Folge des Gesetzes vom 13. März
1838 in kürzerer Frist verjähren, diese kürzere Verjährungsfrist (Z. 546 und
«29, Tit. 11 Th. 1 A. L. R. und §. 10 des Ges. vom 31. März 1838 GS.
S. 251). Diese kürzere Frist läuft jedoch nur gegen denjenigen, welcher gegen
ein abweisendes Erkenntniß die Nullitätsklage anbringt. Der zu einem nach
dem Ges. vom 31. März 1838 in kürzerer Frist verjährenden Anspruch Verur-
theilte kann die Nullitätsklage während der ganzen Verjährungsfrist der gewöhn
lichen Klagen anbringen.
s) Der Prozeß wird, wenn nur Bagatellobjekt vorliegt, im Bagatell-, sonst in der
Regel im Verfahren nach der A. G. O. verhandelt werden müssen.
s) Daß die Bestimmung über die anderweite Instruktion der Hauptsache im Urtel
selbst, und nicht in einer bloßen Nebenverfügung auszusprechen sei, ist wohl un
zweifelhaft, und ergibt sich ins Besondere daraus, daß „ach Z. S, Tit. 1t) dex
401
Urtel wirb nur das zweite Erkcnntniß für null erachtet, und die Instruktion deS
Appellatorii angeordnet. — §. 9 a. a. O.
IV. Gegen das, gleich viel, ob für «der wider den Kläger ergangene Erkennt-
niß sind die in Prozessen gewöhnlichen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmit
tel, also auch die Nichtigkeitsbeschwerde, zulässig. — Ausserordentliche Rechtsmittel
hindern jedoch nicht den Beginn der im Urtel angeordneten Instruktion der Haupt
sache, da dergleichen Rechtsmittel nur gegen rechtskräftige Erkenntnisse zuständig
sind. — z. 6 a. a. O. — Erkenntn. d. Geh. Obertrib. vom 7. November 1834.
Entsch. Bd. 2, S. 2l9.
V. Die Kosten des Nullitätsvcrfahrens in erster Instanz muß allemal Pro
vokant tragen. Ergibt es sich jedoch, daß Jmplorat an der vorgefallenen Nullität,
z. B. durch Verfälschung des Dokuments, Bestechung der Zeugen u. s. w. selbst
Schuld hat; so muß derselbe dem Jmploranten die Kosten erstatten. Findet sich
hingegen bei der Untersuchung, daß ein Dritter daran Ursache sei, z. B. welcher
sich, ohne überhaupt mit Gerichtsbarkeit versehen zu sein, des Richteramts ange
maßt; der sich fälschlich für den Bevollmächtigten des Jmploranten ausgegeben; der
Richter, der ohne hinlänglich bescheinigte Behändigung in ecmtumscism erkannt;
der Gerichtsbote, welcher von der Behändigung falsch berichtet hat, zc.z so hat eS
zwar dabei, daß Jmplorant die Kosten der Untersuchung, ohne Theilnehmung des
Jmploraten, tragen müsse, sein Bewenden; der Richter aber muß in dergleichen Fäl
len von Amtswegen dafür sorgen, daß der Schuldige deshalb zur Verantwortung
gezogen, und den Parteien allen Schaden, folglich auch dem Jmploranten die Ko
sten der neuen Untersuchung, zu erstatten angehalten werde.
In den ferneren Instanzen kommen in Betreff des Kostenpunktes die allgemei
nen gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung.
VI. Wird auf die eingereichte Nullitätsklage ein früheres Urtel für null crach^-
tet; so muß im Urtel zugleich auch darüber: wer die Kosten des vorigen Prozesses zu.
tragen habe? nach Maasgabe der Vorschriften Z. 170, IV. befonders mit erkannt,
und vorzüglich darauf Rücksicht genommen werden: in wiefern der eine oder andre
Theil daran, daß die vorigen Urtel null gewesen, mehr oder weniger Schuld gehabt
habe. — z. 12, 13, 1« Tit. 23, I. A. G. O.
VII. Der, welcher ohne hinlänglichen Grund ein Urtel als null anficht, soll,
ausser dem Kostenersatze, in eine Geldbusse von 50 bis 300 Thlr. verurtheilt, oder
wenn er unvermögend ist, mit verhältnißmässigem Gefängniß oder Strafarbeit be
legt; auch diefe Verordnung jedem, gleich beim ersten Anmelden, zur Warnung be
kannt gemacht werden. — z. 29, Tit. 16, I. A. G. O.
Wirkung der Nullitätsklage in Bezug auf die Vollstreckbarkeit des
angefochtenen Erkenntnisses.
Z. 267. Ein ergangenes rechtskräftiges Urtel wird, auch wenn dagegen eine
Nullitätsklage angebracht worden, fo lange, allenfalls durch Exekution, in Vollzug
gesetzt, bis es rechtskräftig für null erachtet ist. Deposition oder Kautions-Bc-
stellung befreit nur unter denjenigen Umständen von der Exekution aus einem sol
chen mittelst Nullitätsklage angefochtenen Urtel, unter welchen die Anlegung eines
Arrestes gestattet wird.
Proz.-Ordn. der erkennende Richter dies anordnen, daß aber dennoch die In
struktion der Hauptsache erst bei erlangter Rechtskraft des die Nullität aus
sprechenden Urtels vor sich gehen solle. Die dem Urtel sonst beigegebene Reben
verfügung ist eine sofort zu realisirende Anordnung. Würde nun einem Urtel
in einer Nullitätssache die Anordnung der Instruktion in der Hauptsache als
bloße Nebenverfügung beigegeben, so würde sich diese nicht sofort realisiren las
sen, da der Beginn dieser Instruktion von der Rechtskraft des Urtels abhängt.
402
Nur in dem einen Falle, wenn nemlich die Nullitätsklage darauf gegründet wird,
baß der angebliche Bevollmächtigte, mit welchem verhandelt worden, keine Vollmacht
gehabt, und sich in den Akten weder eine Vollmacht, noch irgend ein Vermerk dar
über, daß und wie er seinen Auftrag wenigstens vorläufig bescheinigt hat, vorfindet,
bleibt die Erckution aus dem Urtel ausgefetzt, bis über die vorgeschützte Nullität
rechtlich entschieden ist. — z. 1« a. a. O.
u) Schulz (Rechtsm. S. 230 Anm.) nimmt an, daß 'diese Restitution auch gegen
noch nicht rechtskräftige Erkenntnisse zulässig sei. Doch ist aus den A 12, 17,
19, Tit. 16 Proz.-Ord. das Gegentheil deutlich zu entnehmen.
2) Daraus folgt, daß Minorenne, welche noch unter väterlicher Gewalt stehen, diese
Restitution nicht nachsuchen können. Ist aber beim Leben des Vaters die Ein
leitung einer Vormundschaft nöthig, (es. S. 21 Anm. 1), so steht auch solchen
Minorennen die Restitution zu. Eine andre Ansicht ist ausgesprochen in einem
Urtel vom 6. Juli 183« in Simons R. S. Bd. 3, S. 396.
«) Streitig ist: ob den Minorennen auch dann, wenn sie in einem Konkurse als
unbekannte Gläubiger präkludirt sind, gegen die Präklusoria diese Restitution zu
stehe oder nicht? — Dies Letztere muß jetzt um so mehr als das Richtigere an
genommen werden, als nach Art. 13 der Deel, vom 6> April 1839 wegen ver
säumter Frist die Restitution nicht mehr zulässig , wenn auch in dem bezogenen
Gesetze diese Restitutionsklage nicht ausdrücklich erwähnt ist.
403
sohlenen selbst, fall« tt inzwischen der Vormundschaft entlassen worden, alt
vom Vormunde oder Kurator, «gleichen von seinen Erben nachgesucht
werden. — K. 12—14 a, a. O. — Res. «om 6. Marz 1836. Gr äff, Koch zc.
Erg. III. S. 307.
II. Sur Begründung dieses Reftitutionsgesuchs gehört der Nachweis,
daß dem Provokanten durch einUrtel, «der eine Verfügung,
gegen welche er restituirt werden will, ein erheblicherRach«
theil widerfahren, und daß dieser Rachtheil im Prozesse
und in der angefochtenen richterlichen Bestimmung selbst
seinen Grund habe.
Der Umstand, daß der Provokant den Prozeß verloren hat, enthält für sich
allein keine Verletzung. — Die Reftitutionsklage ist nicht zulässig!
1) wenn die angebliche Verletzung darin besteht, daß Provokant, resp. seine Bertre-
ter, die Frist zur Einlcgung des gegen ein ergangenes ErKnntniß zuständigen
Rechtsmittels versäumt haben, und nun die Verstattung zu diesem Rechtsmittel
verlangt wird ; > ) (cs. Z. 185 Schluß; S. 221, II.)
2) wenn die dem Provokanten widerfahrene Verletzung in dem Geschäfte selbst, wel
ches der Anlaß oder Gegenstand des Prozesses ist, ihren Grund hat, und das
Geschäft an sich mit den gesetzniässigcii Erfordernissen der Willigkeit versehen ist; und
S1 wenn in Rücksicht der Zuziehung des Vormundes «der hinsichtlich der obervor-
mundschaftlichcn Mitwirkung eine Nullität vorgefallen ist, da in diesem Falle die
Nullitätsklage zusteht. — §. 13, Tit. 16, I. A. G. Ö. — g. 21 des Gef. vom
14. December 1833. — Art. 13 Declar. vom 6. April 1839 GS. S. 131. —
Res. vom 1«. August 1829. G raff, Koch zc. Erg. III. S. 306.
III. Die Restitutionsklage dieser Art muß innerhalb vier Jahren von
dem Tage an gerechnet, da das Urtel oder die Verfügung, gegen welche Resti
tution nachgesucht wird, behändigt worden, bei Verlust des Rechts zu deren An«
bringung, eingereicht werden. — §. 13, 14 Tit. 16, I. A. G. O.
IV. Die Anbringung muß bei dem Richter derjenigen Instanz erfol
gen, in welcher die Verletzung vorgefallen ist.
Erscheint die Reftitutionsklage gemäß Rro. II. gehörig begründet; so muß, da
der Ausweis der erlittenen Verletzung von der Erörterung der Hauptsache unzer:
trennbar ist, die Untersuchung des Grundes der Restitution zugleich und unter
Einem mit der anderweitigen Instruktion der Hauptsache vor sich gehen, und über
beide zugleich erkannt werde». >) — Z. IS a. a. O. — Res. vom 22. April 1836.
Gräff, Koch :c. Erg. III. S. 303.
V. Durch diese Restitution wird das Urtel nicht immer durchgängig, sondern
nur in Ansehung desjenigen Theils, Punktes oder Umstandes, wodurch Jmplorant
»erletzt ist, aufgehoben; alle übrigen damit nicht verbundenen Punkte bleiben unvers
ändert stehen. — §. 16 a. a. O. — Art. 13 Declar. vom 6. April 1839.
2. Von der Restitutionsklage wegen neu aufgefundener Urkunden
(liest, «x instrum. voviter roperlis).
K. 27«. I. Diese Restitutionsklage ist dann zulässig, wenn eine Parter
nach ergangenem Erkenntniß neue Dokumente gefunden hat, deren sie, im vorigen
>) Gleiches gilt auch von dem Falle, wenn der Vertreter des Provokanten zwar
ein Rechtsmittel, jedoch nicht das zuständige gewählt hat. — «25. Erk. des Geh.
Ob.-Trib. vom 7. Juni 1839. Ullrich Bd. 6, S. 41S.
2) Gegen diese Urtel, in sofern sie in in den ersten beiden Instanzen ergehen, sin«
den offenbar die sonst gestatteten Rechtsmittel zu. Ist die Restitution nur gegen
eine Verfügung nachgesucht, so versteht es sich von selbst, daß das Gesuch durch
blosse Verfügung, gegen welche nur der Weg der Beschwerde gestattet ist, erledigt wird.
404
Prozeß sich zu bedienen ohne ihre Schuld verhindert worden; und zwar findet sie
in diesem Falle sowol dann statt, wenn aus den Urkunden neue Thatsachen hervor
gehen, als auch dann, wenn dieselben eine Thatsache betreffen, die zwar schon im
ersten Prozesse vorgekommen ist, damals aber in Ermangelung andrer Beweismittel,
oder wegen deren Unzulänglichkeit nicht hat ins Licht gesetzt werden können. Ist
jedoch über eine solche Thatsache ein Eid vom Gegentheile äs veritste geschwo
ren, und auf dessen Grund die Thatsache für wahr angenommen, oder als unwahr
verworfen worden; so findet dagegen keine Restitution statt; sondern dem Jmplo-
ranten steht blos frei, den Gegenthcil allenfalls des Meineides zu überführen. Wird
dies bewerkstelligt, so folgt von selbst, daß dem Beschädigten zum Ersätze alles des
sen, was er durch das Verbrechen des Gegners verloren hat, durch den Richter
verholfen werden muß. — Z. 12, 23, 24 a. a. O.
II. Diese Restitutionsklage muß
1) innerhalb zehn Jahren, vom Tage des publizirten rechtskräftigen Urtels
gerechnet, bei Verlust derselben, und
2) binnen acht Wochen nach Auffindung der Urkunden bei Vermeidung
der Nro. V, 2 d. zu erwähnenden Folgen
angebracht werden. Die zehnjährige Frist s<Z 1 ist nach den Grundsätzen der Ver
jährung durch Nichtgebrauch zu beurtheilen. ') Nach diesen Grundsätzen wird da
her auch bestimmt, in wie weit, nach Ablauf der zehnjährigen Frist eine Restitu
tionsklage dennoch begründet werden könne? Dies ist namentlich auch dann anzu
nehmen, wenn Provokant den Beweis dafür antrit, daß er blos durch Hinterlist
und Gefährde des Gegners, oder auch eines Dritten, an der früheren Auffindung
dieser Urkunden verhindert worden sei. — Z. 18, 19 a. a. O.
III. Zur Begründung derselben gehört:
Z) daß die aufgefundenen Urkunden selbst produzirt werden;
2) daß bestimmt angezeigt wird, auf was für Art und Weife Provokant erst neu
erlich zu deren Besitz gekommen sei;
3) daß dieser sich zur eidlichen Erhärtung: daß er vor der rechtskräftigen Entschei
dung von diesen Urkunden Nichts gewußt habe; oder (wenn ihm deren Existenz
an und für sich bekannt gewesen), daß er dieselben, alles angewandten Fleisses
ungeachtet, im vorigen Prozesse nicht habe herbeischassen können, erbietet; 2) und
4) daß der Inhalt der Urkunden so beschaffen sei, daß dadurch die Lage der Haupt
sache verändert, und eine von den vorigen abweichende Entscheidung begründet
werben könne. — Z. 17 a. a. O.
IV. Die hiernach zu begründende Restitutionsklage ist bei dem Richter, wo
der vorige Prozeß in erster Instanz instruirt worden, schriftlich oder zu Protokoll
«nzubringen. Hiernächst wird darauf, wie auf jede andre Klage verfügt. Wird
ihre Zulässigkeit zweifelhaft gefunden; so wird darüber nach Verhandlung mit den
Parteien durch Erkenntniß entschieden. Wird dieselbe für zulässig erachtet; fo muß
die Instruktion sowol auf diejenigen Thatsachen, wodurch JMplorant nachweisen
will, daß er die Urkunden erst neuerlich aufgefunden hat, als auf die Hauptsache
gerichtet werden. Doch muß die Untersuchung in Ansehung dieser letztern blos bei
dem Punkte, auf welchen die neuen Urkunden Beziehung haben, stehen bleiben. —
Dabei versteht es sich von selbst, daß auch der Gegner zur Unterstützung des vori
gen UrtelS neue Instruktion verlangen, und deshalb auch seinerseits neue Beweis-
>) Darnach wird z. B. diese Frist durch Anmeldung der Klage beim ungehörigen
Richter schon unterbrochen, wenn sie nur innerhalb Jahresfrist beim gehörigen
Richter angebracht wird.
2) Dies Erbieten zu dem bezeichneten Eide ist zur Begründung der Restitutions
klage wesentlich nöthig. — dl. Hinschius in der Jux. W. 1SS5 S. 401.
403
mittel, ohne Einschränkung, beibringen kann. — §. 18 u. 25 a. a. O. — Res. vom
3t. Juli 183S. Gräff, Koch zc. Erg. III. S. 308.
V. Wird nach beendigter Instruktion vom erkennenden Richter
1) gefunden, daß es, der neuen Urkunden ungeachtet, bei den vorigen Erkenntnissen
zu belassen sei; so erfolgt die Abweisung des Provokanten. Des unter III.
Nro. 3 erwähnten Eides bedarf es dann nicht.
2) Wird dagegen die Lage der Sache durch die beigebrachten Dokumente derge
stalt verändert gefunden, daß eine andre, dem Jmploranten vortheilhaftere,
Entscheidung daraus folgt; so muß auf Ableistung des nach Nro. III. 3 be
schriebenen Eideö >) (jui-smeotum noviter repertorum) und zugleich, was
nach dessen Erfolge in der Hauptsache Rechtens ist, erkannt werden. Ist je
doch bei der Instruktion zugleich ausgemittelt
s) daß Provokant die neuen Urkunden schon im Vorprozesse besessen und damit
geflissentlich und vorsätzlich zurückgehalten, oder
d) daß er die Dokumente schon länger als acht Wochen vor der geschehenen An
meldung in Händen gehabt habe;
so ist zwar, falls der zehnjährige Zeitraum (II) noch nicht verstrichen ist, in der
Hauptfache das Rechtliche zu erkennen; Jmplorant muß aber zugleich, nach
Beschaffenheit der Umstände und richterlichem Ermessen, mit nachdrücklicher, dem
Gegenstande der Sache und dem Grade seiner Verschuldung angemessenen, Geld-
busse unnachsichtlich belegt werden. Im Falle zu s muß Provokant ausserdem
dem Gegner alle Kosten des vorigen Prozesses erstatten, und ihm für alle aus der
Zurückhaltung entstehenden Schäden vollständig gerecht werden. — §. 21, 22
Tit. 16, I. A. G. O.
VI. In jedem Falle hat der, zu dessen Nachtheil ein vorhin ergangenes
rechtskräftiges Urtel blos auf Grund neu aufgefundener Urkunden abgeändert wird,
bis zum Jnstruktionstermine in der Restitutionssache,») der Rechte und Vor
theile eines redlichen Besitzers sich zu erfreuen. Ausgenommen sind nur
die Fälle, wenn Jmplorat zugleich überführt wird, daß er entweder den Jmploran
ten an der früheren Auffindung der Urkunden geflissentlich verhindert, «der daß er
den Inhalt der Urkunden gewußt, und dennoch die daraus erhellenden Thatsachen
im Vorprozesse wider dies sein besseres Wissen gegen den Richter abgcläugnet habe. —
Z. 22 a. a. O.
3. Von der Restitutionsklage wegen neu zu verhörender Zeugen.
§. 271. I. Wegen vorgeblich neu aufgefundener Zeugen ist die Resti
tution in der Regel nicht, und ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn
Jmplorant diese Zeugen bei einer im beendigten Prozesse bereits vorgekommenen
Thatsache schon damals bestimmt angezeigt hat, ihre Vernehmung aber blos um
deshalb unterblieben ist,«) weil entweder
') Die Folgen der Nichtleistung dieses Eides sind die unter s und b angeführten,
nicht aber Abweisung mit der Rcstitutionsklage; denn es ist durch die Nichtlei
stung des Eides als ausgemittelt anzunehmen, daß Provokant die Dokumente
im Vorprozesse besessen. Jene Folgen können daher im Urtel für den Nicht-
schwörungsfall angedroht werden.
2) Gegen dies Urtel finden die gewöhnlichen Rechtsmittel statt.
») Sonst begründet schon die Klagsbehändigung bösen Glauben. Hier ist um des
halb eine spätere Frist bestimmt, weil dem Beklagten vorerst die Urkunden vor
gelegt werden müssen, ehe er sich von der Möglichkeit der Abänderung eines
rechtskräftigen Urtels überzeugen kann.
«) Ist demnach die Vernehmung aus dem Grunde unterblieben, weil Jmplorant
die Zeugen zu spät genannt hat; so findet Restitution nicht statt.
40«
g) dem Jmploranten der Aufenthalt derselben unbekannt gewesen j oder
b) weil der auswärtige Richter, unter welchem sie damals gestanden, die wegen
Abhörung an ihn ergangene Reauisition nicht hat befolgen wollen (ck. K. 132,
IV. S. 213);
0) weil wegen Abwesenheit, oder anhaltender Krankheit (z. B. .Wahnsinn) die Ab
hörung damals nicht erfolgen konnte. — K. 26 a. a. O.
II. Das Restitutionsgesuch muß auch in den Fällen zu I. a — c innerhalb der
Z. 270, Nro. II. erwähnten 10jährigen Frist, und binnen 8 Wochen von
der Zeit gn gerechnet, da Jmplorant vom Aufenthalt der Jeugen Wissenschaft er
langt hat, oder wo ihm bekannt geworden, daß deren Abhörung nunmehr erfolgen
kann, angebracht werden, widrigenfalls die Z. 270, Nro. II. und V. 2 gedachten
Folgen eintreten. — Z. 26 u. 27 a. a. O.
III. Jmplorant muß sich mit diesem Gesuch bei dem Gericht melden, wo
die Instanz, in welcher er die Zeugen zuerst namhaft gemacht hat, instruirt worden
ist. Das Gericht muß den Gegentheil sowol über die Gründe des Gesuchs, als was
er gegen die Zeugen etwa zu erinnern habe, vernehmen, die Abhörung nach Maas
gabe des in den Akten regulirtcn Sach- und Slreitstandes verfügen, und nach Ver
nehmung die Instruktion der Hauptfache gewöhnlichermassen fortsetzen und abschlies-
fen. (of. Tit. 6) §. 26 a. a. O.
IV. Das Erkenntniß über die Frage: ob durch die Jeugenaussagen die Abän
derung des vorigen Uttels bewirkt werde oder nicht? und im ersten Falle über die
Hauptsache selbst, gebührt demjenigen Gericht, welches in der Instanz, wo die Jeu
gen zuerst benannt worden, zu sprechen hat. Gegen das ergehende Erkenntniß fin
den je nach der Instanz, in welcher es gesprochen, die gewöhnlichen Rechtsmittel
statt. — §. 27 a. a. O.
') Das blosse Stillschweigen über den Verbleib der Urkunde» hat mithin nicht diese
Folgen.
40?
daran, daß dem Jmploranten im vorigen Urtel cinc Verletzung zugefügt wor
den, mehr oder weniger Schuld gehabt habe. — §. 14—16, Tit. 23, I. A. G. L.
III. Derjenige, welcher ohne hinlänglichen Grund gegen ein rechtskräftiges
Urtel Restitution nachsucht, soll im künftigen Urtel ausser dem Kostcnersatze in eine
Geldbusse von 50 bis 300 Thlr., oder, falls er unvermögend, in verhältnißmassige
Gefängnißstrafe verurtheilt werden. Diese Verordnung ist dem Provokanten beim
ersten Anmelden zur Warnung bekannt zu machen, — §. 29, Tit. 16. A. G. O.
Zweiter Abschnitt.
Von der Kündigungsklage.
§. 273. Eine Kündigungsklage kann angestellt werden
I. in der blossen Absicht, sich eine Bescheinigung über geschehene Aufkündigung
eines Kapitals zu verschaffe»;
II. in der Absicht, einen Exekutionstitel (Vergleich, Agmtions- oder anderes Er-
kenntniß) zu erlangen, um bei fruchtlosem Ablauf der Kündigungsfrist unverzüglich
Exekution suchen zu können. Der Richter muß daher bei eingegangenen undeutli
chen Kündigungsklagen, oder bei Aufnahme derselben zunächst nach der Absicht des
Klägers forschen, damit demgemäß die fernere Einleitung der Sache erfolge.
Zu l. Im ersten Falle, wo blosse gerichtliche Kündigung beabsichtigt wird,
entsteht darüber kein Prozeß. Zur Begründung des Gesuchs sind daher die wesent
lichen Erfordernisse einer Klage nicht durchaus nothwendig. Es gnügt, wenn dar
aus die Hohe und der Grund der Schuldforderung und die Absicht der gerichtlichen
Aufkündigung hervorgeht. Bei den ins Hypothekenbuch eingetragenen Forderungen
ist ins Besondre, wenn das Kündigungsgcsuch bei demselben Richter, bei welchem
sich das Hypothekenbuch befindet, eingeht, die Beibringung des Hypotyckendokuments
nicht erforderlich, vielmehr ausreichend, daß der Richter sich durch Einsicht des Hy-
xothekenbuchs und der Grundakten überzeuge, daß die betreffende Forderung auf den
Namen des Jmploranten im Hypothckenbuche eingetragen stehe, und daß keine An
zeige einer bereits erfolgten Zession oder Verpfändung der Forderung und Zinsen
zu den Grundakten eingegangen ist.
Auf ein blosses Kündigungsgesuch hat der Richter Nichts weiter zu thun, als
daß er das Gesuch dem Schuldner zu seiner Nachricht und Achtung zufertigt, und
für die Herbeischaffung eines richtigen Bchändigungsscheins sorgt, diesen aber hier-
nächst dem Gläubiger zum Gebrauche zustellt.')
Die Kosten der gerichtlichen Kündigung trägt Jmplorant. In wie weit er vom
Schuldner Erstattung verlangen kann, hängt von dem Inhalt des zwischen beiden
obwaltenden Vertrages ab.
Zu ll. Die eigentliche Küiidigung^klage, mittelst deren Jemand einen Exeku
tionstitel sich erwerben will, ist in Betreff aller Kapitalsfsrderungen zulässig, welche
erst nach Ablauf der später sich endenden Kündigungsfrist fällig sind, ohne Rücksicht
darauf, ob dieselben auf schriftliche Urkunden sich gründen oder nicht.
Die Klage ist, wie jede andre Klage zu begründen, nur mit dem Unterschiede,
daß im Antrage die Verurtheilung zur Zahlung des Kapitals mit Ablauf der Kün
digungsfrist verlangt wird, — Ist die Klage vollständig und begründet; so wird
Dritter Abschnitt.
Bom Wechselprozeß.
Fälle, in denen er zulässig,
ß. 274. Der Wechselprozeß findet nur statt
1) aus eigentlichen, sowol trockenen als gezogenen Wechseln,') welche mit den ge-
setzmässigen Erfordernissen versehen, 2) und von solchen Personen ausgestellt sind.
2) Selbst aus einem in fremdet Sprache ausgestellten Wechsel ist, wenn derselbe
nur sonst die gehörigen Erfordernisse hat, Wechselklage zulässig. — Res. vom 27.
März 1817. Jahrb. 11, S. 221. — Der Nachweis dessen, daß die Firma, un
ter welcher der Beklagte sich verpflichtet hat, nicht gehörig bekannt gemacht sei,
gehört nicht zur Begründung der Klage. — Res. vom 31. Januar 1835.
2) Dabei kann mit der Klage auf Sicherstellung ein Arrestgesuch verbunden werden,
wenn Kläger es zu begründen vermag. — Res. vom 22. April 1840 I. M.
B. S, 15ö.
411
oder wegen fehlender Rcmesse verweigert wird, der Zahlungstag aber »och
nicht eingetreten ist;
i) wenn in der Zwischenzeit zwischen der Akzeptation des Wechsels bis zum
Verfalltage sich in der Person des Akzeptanten solche Umstände ereignen,
welche gesetzlich einen Arrcstschlag begründen;
wenn ein Wechsel nach aufgenommenem Proteste verloren geht, und Kla
ger sich durch bcglaubte Abschrift des beim Proteste aufgenommenen Pro»
tokolls zu legitimiren vermag. — §. 4, 5 I. Tit. 27 A. G. O. — Cab.-
Ord. vom 3. Januar 1816 GS. S. 93. — Bestat.-Urk, vom 12. März
1825 §. 5. GS. S. 42. — K. 73«d, 114«, 1158, 1171 fg. 8S1 fg.
1175, 1074 fg. 1085, 1179 fg. l. 8 A. L. N.
Verfügung auf die Wechsclklagc, und Vorladung der Parteien.
Z. 276. I. Jede Wechsclklagc wird vom Dezernenten im Kollegio gewöhnlichere
»lassen vorgetragen. Nur wenn Gefahr im Verzuge vorwaltet, und die Zulässig:
Kit des Wechselprozesses sowol in Ansehung der Beschaffenheit der zur Begründung
der Wechselklage beigebrachten Dokumente, als in Ansehung der persönlichen Fähig
keit des Beklagten, sich wechselmässig zu verpflichten, ganz klar und keinem Beden,
kcn unterworfen ist, muß der Vorgesetzte des Gerichts die Wechselladung sofort, und
ohne erst eine Sitzung abzuwarten, verfügen. — §. 8, I. 27 A. G. O.
II. Findet das Gericht auf jenen Vortrag die Wechselklage, sei es wegen Man«
gel der Wechselfähigkcit Seitens des Beklagten, oder wegen Mangelhaftigkeit der
Urkunden nicht zulässig; so muß es den Kläger durch Verfügung mit der Wech
selklage ab-, und zur Ausführung seines Anspruchs im sonst zulässigen Verfahren
verweisen. ' ) Dem Beklagten steht gegen diese Verfügung der Weg der Beschwerde
offen. Er kann aber auch in dem sonst zuständigen Prozeßverfahren nachweise»,
daß ihm ein wirkliches Wcchselrecht gegen Beklagten zustehe, und daß die Zweifel
des Richters ungegründet oder unerheblich waren. Hat er diesen Nachweis hinrei
chend geführt, so muß, wenn auch die Sache nicht im Wechselprozesse instruirt wor
den, dennoch wechselmässig erkannt werden. — §. 9, 10, I. 27 A. G. O.
III. Wird die Wechselklaze für zulässig erachtet, so erfolgt die Einleitung
des Wechselprozesses und Anberaumung eines Termins und zwar:
1) wenn der Gegenstand der Klage 5« Thlr. nicht übersteigt, vor dem Bagatell-
kommissarius ;
2) sonst aber im Großherzogthum Posen vor dem Kollegio in Gemößheit des Ges.
vom 9. Februar 1817; und in andern Provinzen vor einem zu ernennende»
Deputirten.
Zum Termin werden beide Theile vorgeladen, Kläger unter der Androhung der Ak-
tenweglegung, Beklagter unter der Warnung:
daß bei seinem Ausbleiben in contumsoisV wider ihn ver
fahren, und er zur Bezahlung der eingeklagten Summe
wechselmässig verurtheilt werden würde.
1) Wird aus einem bereits ergangenen rechtskräftigen Wcchsclerienntnisse von Neuem
im Wechselprozesse geklagt, so darf die Klage blcs aus dem Grunde, weil nur
im Mandatsprozcsse geklagt werden kann, durch Verfügung nichr zurückgewiesen
werden. — Res. vom 13. März 1835 Gr« ff, Koch :c. III. S. 571.
2) Die Frage: ob im entgegengesetzten Fall ein Wechselprozeß auf Antrag des Klä
gers in einen andern Prozeß umgewandelt werden könne? ist von den Rechts«
lehrern verschieden beantwortet. Die Bejahung der Frage dürfte wol das
Richtigere sein, da eine Umwandlung der schleuniger« Prozeßakten in die weni
ger schleunigen fast durchweg gesetzlich gestattct ist, und in der Wirklichkit sich
selten Schwierigkeiten dabei finden werden.
412
Der Vorladung an Beklagten wird Abschrift der Klage und deren Beilagen beige«
fügt. Sie ergeht,
s) wenn Beklagter am Orte, wo das Gericht seinen Sitz hat, sich aufhält, durch
blosse Dekretsabschrift,
d) wenn aber Beklagter ausserhalb dieses Orts wohnt, schriftlich unter des Gerichts
gewöhnlicher Unterschrift.') — 8. 11—14 a. a. O. — g. 1, 25, 27, Ges. vom
9. Februar 1817 GS. S. 37. — Res. vom 8. Dccember 1834. Jahrb. 44,
S. 365 l«f. Z. 71, V. S. 130).
IV. Der Termin muß übrigens
1) wenn Beklagter zu den Kaufleuten oder zu denen gehört, welche vermöge eines
Zertifikats zum Wechselausstellen qualifizirt sind, nicht leicht über 24 Stunden,
oder doch höchstens nicht über drei Tage hinaus angesetzt, und
2) wenn sich seine Wechselfähigkeit blos auf seine Eigenschaft als Besitzer üblicher
Güter, oder als Generalpächter Königlicher oder Prinzlicher Aemter gründet,
ebenfalls fo nahe als möglich, anberaumt, jedoch dabei auf die Beschaffenheit der
Umstände, und besonders auf die Entfernung des Wohnorts des Beklagten von
dem Sitze des Gerichts gehörige Rücksicht genommen werden. — z. 12, 1.27 A.G.O.
V. Die Behändigung der Vorladung geschieht auf die Z. 57—59 vor
geschriebene Art. Namentlich gnügt es, wenn die Insinuation der an den Beklag
ten gerichteten Vorladung in dessen Laden, Komtoir, Schreibstube oder gewöhnlichen
Behausung geschieht, wenn er auch daselbst in Person nicht zugegen wäre; da jeder
mit Wechselgeschäften sich Abgebende bei Entfernung aus seinem gewöhnlichen Auf
enthaltsort einen, mit Information und Vollmacht zur Besorgung solcher Angelegen
heiten Versehenen, zurücklassen muß.
Der Bote muß unverzüglich entweder schriftlich, oder dem Deputirten zum Pro
tokoll die Art und Weise der geschehenen Behändigung auf seinen Amtscid anzei
gen. — z. 13 u. 15 a. a. O.
VI. Die Termine in Wechselsachcn können auf Antrag des Beklagten 2) nicht
verlegt werden, den einzigen Fall ausgenommen, wenn klar erhellet, daß Naturbe
gebenheiten, oder andere unabwendbare Zufälle es dem Beklagten unmöglich machen,
den Termin persönlich, oder auch nur durch einen Bevollmächtigten
abzuwarten, s) — Z. 16 a. a. O.
Verhandlung im Termin.
Z. 277. Im Termine wird,
l. wenn Beklagter nicht erscheint, dies und der Antrag des Klägers zu
Protokoll vermerkt, und, falls die Vorladung gehörig bchändigt ist und der Antrag
des Klägers darauf lautet, vom Bagatellkommissarius und im Großherzogthum Po
sen vom Gerichtskollegio sofort, sonst aber in der nächsten ordentlichen, oder deshalb
besonders anzusetzenden ausserordentlichen Sitzung Kontumazialurtel abgefaßt, darin
das der Klage zum Grunde liegende Dokument für anerkannt erklärt, und Be
klagter zur Bezahlung wechselmässig verurtheilt.
Die für das Wechselverfahren in Naumburg gegebenen speziellen Vorschriften
siehe Anm. bei Z. 281, V.
2) Daß auf Antrag des Klägers Termine verlegt werden können, versteht sich wol
von selbst, da die auf Beschleunigung des Wechselprozesses gegebenen Vorschrif
ten lediglich zu Gunsten des Klägers ertheilt sind.
») Die Anbringung einer Litisdenunziation ist auch im Wechselprozeß in so weit
gestattet, als dadurch kein Aufenthalt in der Instruktion entsteht. Dies erge
ben, da hinsichtlich der Litisdenunziation für den Wechselprozeß besondre Bestimmun
gen fehlen, die allgemeinen Vorschriften Z. 247 fg. In einem Res. vom 22. Mai
1806 (Rabe 8, S. S95) wurde in Bezug auf dm Beklagten das Gegentheik an
genommen.
413
U. Erscheint Beklagter, in Person oder durch einen Bevollmächtigten; so
muß vor Allem der Wechsel nebst den etwa dazu gehörigen Protesten u. s. w. in
Gemäßheit der Vorschrift K. 124 (S. 203) zur Anerkennung oder Dissession vor
gelegt werden.
^. Erkennt Beklagter den Wechsel nicht an, erbietet er sich vielmehr
zur Dissession; so wird, wenn
1) Beklagter in Person anwesend ist, und Kläger s) ihn zum Diffessions«
eide läßt, dieser Eid ihm sofort abgenommen,') und damit das Verfahren ge
schlossen, d) Wenn aber Kläger ihn zu diesem Eide nicht verstatten; vielmehr
die Richtigkeit der Hand durch Zeugen oder Verglcichung der Handschrist dar-
thun will; so muß mit Aufnahme des Beweises nach §. 125 und K. 126 verfah
ren, 2) und zwar den Parteien dazu die nöthige Seit verstattet, in der Sache
selbst aber demnächst gleichwol wechselmässig erkannt werden.
2) Ist dagegen Beklagter nicht in Person, sondern durch einen Be
vollmächtigten erschienen, und dieser entschuldigt
s) das Ausbleiben des Beklagten durch eine vor Behöndigung der Klage unter,
nommene Reise; so kann Kläger ss) darauf bestehen, daß der Bevollmäch
tigte des Beklagten dahin schwöre:
daß nach den vom Beklagten ihm anvertrauten, oder sonst in seinen Hän
den befindlichen Büchern, Korrespondenz und andern Skripturen, und
nach den ihm bekannten Dispositionen seines Prinzipals, ihm hon der
Ausstellung, Akzeptation oder Jndossirung des eingeklagten Wechsels Nichts
vorgekommen sei, er ihn daher für unrichtig halte, und gewiß glaube, daß
sein Prinzipal denselben diffitiren werde.
Leistet der Bevollmächtigte diesen Eid; so steht es alsdann in der Wahl des
Klägers, ob er den Termin bis zur Surückkunft des Beklagten, deren «hn-
geführen Zeitpunkt der Bevollmächtigte angeben muß, verlegen lassen wolle;
«der verlange, daß der Wechsel dem Beklagten nachgeschickt werde. Im letz
ten Falle muß der Bevollmächtigte einen Ort namhaft machen, wohin die
Nachsendung geschehen könne; und das Gericht dieses Orts muß requirirr
werden, den Wechsel dem Beklagten zur Rekognition oder Dissession vorzu
legen. — Will aber der Bevollmächtigte vorstehenden Eid nicht schwören,
oder verweigert er die Anzeige eines Orts, wo die Vorlegung an den Prin
zipal geschehen könne; so kann auf die von ihm etwa offerirtc Dissession keine
Rücksicht genommen, sondern der Wechsel muß in cootumscism für rekognos-
zirt geachtet werden. — dli) Will Kläger den Bevollmächtigten zu diefcm Eide
nicht lassen; so steht ihm frei, die Richtigkeit der Hand- und Unterschrift
durch Zeugen oder Verglcichung der Handschrift nach Maasgabe der Be
stimmung Nro. 1 nachzuweisen. Ist dieser Nachweis hinlänglich beigebracht
worden; so muß vorläufig auf gerichtliche Niederlegung oder annehmliche
>) Der Diffessionseid wird in Gemäßheit des 8- 124, II. (S. 203 fg.) normirt.
Nur bei Dissession des Akzepts wird er, da der Bezogene oder dessen Prokurist
ihn eigenhändig geschrieben haben muß, dahin zu normiren sein:
daß weder Verklagter, noch sein Prokurist den Akzept selbst geschrieben habe.
2) Ein von einem vereideten Mäkler atteftirter Wechsel kann nicht eidlich diffitirt
werden. (S. 1378, II. 8 A. L. R.). In wie weit in Bezug auf den Beweis
durch Vergleichung der Handschrift Beschränkungen statt finden, ist oben §. 126, 1.
Vorgeschrieben. Demnach findet in Bezug auf die blosse Unterschrift des Wech
sels die Vergleichung gar nicht; wenn der Unterschrift auch der Karakter oder
Wohnort beigesetzt ist, nicht gegen die Erben des Wechselbeklagten; wenn aber
mehre Worte oder Zeilen beigefügt sind, mit voller Wirkung statt. — Z. 919—
SU, II. s A. L. R., . , - . - . :
87
Sicherftellung der eingeklagten Summe erkannt, und dies Trkenntniß in das
Vermögen des Beklagten vollstreckt werden.
d) Ist Beklagter wegen bescheinigter Krankheit ausgeblieben; so muß mit
Abnahme des Diffessionseides, in sofern es nach Maasgabe des «nter Rro. 1
Gesagten darauf ankommt, in seiner Behausung verfahren werden. Wird
jedoch der Beklagte vom Deputirten fo krank befunden, daß dergleichen Hand
lung von ihm mit Bewußtsein und Ueberlegung nicht vorgenommen werde»
kann; so muß die Eidesabnahme bis zu seiner Besserung ausgesetzt, oder,
wmn die Krankheit in anhaltende» Wahn- oder Blödsinn ausartet, ihm ein
Kurator bestellt, und gegen diesen die Sache fortgesetzt werden.
«) Ist Beklagter, in dessen Ramen ein Bevollmächtigter die Diffession anbietet,
ohne alle scheinbare Ursache a»sgeblieben; so muß auf die angegebene
Diffession gar nicht geachtet, sondern der Wechsel in contumseism für re-
kognoszirt angenommen werden.
L. Erkennt Beklagter den Wechsel an; so muß er vernommen werden:
ob und was er entweder gegen die Form und Wechselkraft des Instruments, oder
gegen die Forderung selbst einzuwenden habe. — §. 17—25, I. 27 A. G. O.
") Nach der Ansicht des ersten Senats des O. L. G. zu Frankfurt und des Geh.
Ob. Trib. kann das auf die Separatinstruktion ergehende Erkenntniß auf Auf
hebung des rechtskräftigen wechselmässigen Erkenntnisses gerichtet werden, und
zwar ohne gleichzeitige Entscheidung über den Anspruch selbst. — Der zweite
Senat des O. L. G. zu Frankfurt hält dagegen das Verlangen des Klägers,
das Wechselerkenntniß im Wege des ordentlichen Prozesses umzustossen, für un
statthaft, weil' die exepti« rvi jucZicstge zerstörend entgegen stehe. Jur. Woch.
für 1839 S. 333. Central-Bl. 1839 S. 58.
42S
2) Letzt«« findet such ba«n statt, wenn der Wechselbeklagte gar keine der im Se«
paratprozeß geltend zu machenden Einwendungen oder Gegenforderungen im
Wechselprozeß gerügt hat. — §. 52—54, I. 27 A. G. O.
Vierter Abschnitt.
«erfahren in Handlung« », in Merkantil» und in
Mssekuranzsachen.
I. Vom Handlmigsprozesse überhaupt.
§. 283. I. Die zwischen Kaufleuten aus ihren Handlungsgeschäften entstehen
den Streitigkeiten werden in derjenigen der S. 54 (S. 103) erwähnten Prozeßfor
men verhandelt, zu welcher sie sich mit Rücksicht auf die Natur und Beschaffenheit
des Prozeßgegenstandes eignen.') Die hauptsächlichste bei diesen Prozessen gewöhn
lich vorkommende Besonderheit ist die:
daß ausser den richterlichen Personen bei Verhandlung mei
stens, und selbst beiEntscheidung derselben bisweilen, Sach
kundige fungiren. — §. 1 u. 3, I. 30 A. G. O. Res. vom 2. Juni
1835. Jahrb. 45, S. 455. — Res. vom 6. Decembcr 133S. Jahrb. 4«,
S. 454.
II. An gewissen Orten bestehen entweder für immer, oder für gewisse Zeiten
besondre zur Verhandlung und Entscheidung von dergleichen Prozessen angeord
nete Gerichte, bei denen ausser den richterlichen Personen auchKaufleutc oder andre
dergleichen Sachverständige mit Sitz und Stimme angestellt sind. <M S. 33, Rro.
S u. 4 S. 53 fg.) Bei diesen Gerichten hat es bei den für dieselben ertheiltcn
Reglements und Instruktionen sein Bewenden. — Z. 2 a. a. O.
III. Da, wo besondre Handlungsgerichte nicht bestehen, muß ebenfalls, sobald
aus der eingegangenen Klage oder Klagcbeantwortung sich ergibt, daß es bei der
Sache auf genauere Kenntniß des kaufmännischen Verkehrs; der Art, die Geschäfte
zu verhandeln und abzuschliesscn z der bei Führung der Bücher und Rechnungen
üblichen Methode; und auf andre dergl. Handlungsüsancen , Gebräuche und Ge
wohnheiten ankommt, dem Gerichtsdcputirten bei Instruktion der Sache ein in sol
chen Angelegenheiten geübter und erfahrener Kaufmann, welcher auch sonst wegen
seiner Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit in gutem Ansehn steht, als Gehilft jedesmal
beigegeben werden. (6f. Z. 9S, S. 16« fg.). Ob nun gewisse Personen als bestän
dige Beisitzer ein für alle Mal zu verpflichten und zuzuziehn, oder ob in jedem ein
zelnen Falle solche aus der Kaufmannschaft des Orts, allenfalls auf den Vorschlag
der Aeltestcn der Kaufmannschaft zuzuziehn und zu verpflichten, hängt von den an
jedem Handlungsplatzc getroffenen Bestimmungen ab. — Bei Verhandlung mit den,
selben ist besonders folgendes zu berücksichtigen:
I) der Sachkundige muß bei der ganzen Instruktion, wo es erforderlich, nament
lich bei Regulirung des Sachstandes; bei Prüfung der vorkommenden Waaren-,
und Geld-, auch andrer Rechnungen; bei Erörterung der unter den Parteien
In vielen Fällen wird, sofern nicht Bagatcllobjekt vorliegt, der summarische Pro
zeß Anwendung finden (mit Ausnahme des Großherz. Posen, wo das Versah
ren der V. vom 9. Februar 1817 eintrit). In gewissen Fällen, z. B. wegen
Schifffracht, Warte- und Liegegeldern u. dgl. wird jedoch besondre Beschleuni
gung eintreten müssen. — Res. vom 10, Januar 1818. Jahrb. 11, S. IS. —
z. s Ver. vom 1. Juni 1833.
428
streitige» Thatsachen, aus der zwischen ihnen geführten Korrespondenz: bei Prü,
fung der Bücher in Ansehung ihrer Richtigkit, Ordnung und Ucbereinftimmung ;
sowie der dagegen etwa gemachten Ausstellungen, zugezogen, und auf seinen
Rath und sein Gutachten dabei Rückficht genommen werden.
2) Am Schlüsse der Instruktion muß der Gerichtödeputirte den sachkundigen Bei
sitzer mit seiner Meinung und seinem Gutachten über die Sache selbst, in sofern
sie auf einem wirklichen Handlungsverkchr beruht, zum Protokoll besonders ver
nehmen, und dabei dahin sehen, daß derselbe dies Gutachte» deutlich, bestimmt,
auf die wirkliche Streitfrage passend, und mit Gründen unterstützt, abgebe.
3) Der erkennende Richter muß auf dies Gutachten, in sofern es mit vernünftigen,
der Sache gemässcn, und aus kaufmännischer Wissenschaft und Erfahrung her
genommenen Gründen versehen ist, bei Entscheidung der Hauptsache achten.
4) Kommt es auch noch in zweiter Instanz auf solche Punkte an, zu deren rich
tigen Erörterung kaufmännische Kenntniß und Erfahrung gehört; so muß dem
anderweit ernannten Deputirten auch ein andrer kaufmännischer Beistand beige
geben, dieser eben so, wie in erster Instanz (Nro. 1 u. 2), zugezogen, und
am Schlüsse der Instruktion zur Abgabe eines Gutachtens veranlaßt werden.
5) Findet der Appellat.-Richter beim Vortrage der Sache, daß die Gutachten der
beiden in erster und zweiter Instanz zugezogenen Sachverständigen über einen zu
ihrem Geschäft gehörigen Punkt, auf den es bei der Entscheidung wirklich an
kommt, von einander abweichen, oder sich gar widerspreche.«; so liegt
s) der Grund davon entweder darin, daß die Lage der Sache selbst durch die
neue Untersuchung und die dabei erst zum Vorschein gekommenen oder näher
entwickelten Thatsachen verändert worden ist. Dann erkennt der Richter,
und nimmt auf das Gutachten des zweiten Sachverständigen die gehörig«
Rücksicht; oder
b) bei unveränderter Sachlage hat die Verschiedenheit der Gutachten ihren
Grund in einer wirklichen Verschiedenheit der Meinungen und Behauptungen
über das, was im angegebenen Falle den Handlungsgebräuchen und Gewohn
heiten gemäß sei. Dann muß durch Resolut die Gegeneinanderstellung der in
beiden Instanzen zugezogenen Sachkundigen veranlaßt, und angeordnet wer
den, daß durch Erklärung über die gegenseitigen Meinungen und angeführten
Gründe und durch gegenseitige Erläuterungen eine Ucbereinftimmung erlangt,
oder doch wenigstens die Sache so genau und umständlich, als möglich, aus-
> einander gesetzt werde; daß aber, wenn keine Ucbereinftimmung erreicht wor
den, die Akten nebst beiden Gutachten und Gegcneinanderstellungsverhand-
lung einem Dritten erfahrenen Kaufmann vorzulegen, und von ihm, als
Obmann, ein anderwcitcs, ebenfalls mit Gründen unterstütztes, Gutachten
einzufordern. Auf dieses ist demnächst bei Abfassung des Erkenntnisses vor
zügliche Rücksicht zu nehmen.
6) Einseitig von den Parteien eingeholte und beigebrachte Atteste, sogen. Parere'S,
können zwar der Erläuterung wegen zu den Akten verstattet werden; verdienen
aber nicht gleiche Rücksicht mit den, unter Direktion des Richters, aus den vorge
legten Akten abgestatteten Gutachten vereideter Sachverständigen. — §. 4—8 a. a. O.
Fünfter Abschnitt.
«om Verfahren bei ZivU'Wrrefle».
Begriff und Eintheilung der Zivilarrcste.
g. 288. I. Die Absicht der Arrestlegung ist die Sichcrstellung einer For
derung, welche der angebliche Gläubiger zu verlieren besorgt,?)
wenn dem Schuldner über das Objekt des Arrestes die freie Dispo
sition verbliebe.»)
Auch wegen bereits rechtskräftig feststehender Forderungen kann Arrest in sofern
ausgebracht werden, als der zu arrestirende Gegenstand nicht sofort Exekutionsobjekt
sein kann.«) — Das Rückbehaltungsrecht ist eine Art des Arrestes, und es ist,
wenn über die Statthaftigkeit dieses Rechts Streit entsteht, nach den Vorschriften
dieses Abschnitts zu beurtheilen. 5) — §. 1, I. 29 A. G. O. — Res. vom 29. März
und 12. April 1802 und vom 15. Septbr. 1804. Neues Arch. 2, S.'417 fg. 428.
Bd. 3, S. 286 fg.
II. Der Arrest kann sein
1) ein Personalarrest, wenn das Objekt die Person des angeblichen Schuld
ners ist; und
2) ein Realarrest, wenn es Sachen, Gelder, Effekten oder Aktivfordcrungen des
selben sind. — Z. 1, I. 29 A. G. O.
Gegen wen kann Arrestschlag ausgebracht werden?
z. 289. I. Ein Arrestschlag findet nur gegen den Schuldner selbst, nicht
gegen den statt, welcher dessen Gerechtsame wahrnimmt. Demzufolge kann
1) wider einen Bormund, Kurator, Vorsteher oder Administrator wegen der Ver
bindlichkeiten derjenigen, deren Stelle sie vertreten; ferner gegen Faktoren, Hand
lungsbedienten und Dienstboten aus Geschäften, die sie im Namen ihrer Herr
schaft betreiben, weder Personalarrest verfügt, noch eine Verkümmerung der
ihnen zugehörigen Effekten gestattet werden. Haben jedoch dergleichen Personen
>) Dies geschieht durch blosse Verfügung (cf. V. Rro. i). Ueberhaupt wird, wenn
ein Arrest vor der Hauptklage ausgebracht wird, darauf nur verfügt, und falls
die Anlegung geschieht, Kläger zur Anbringung der Hauptklage unter Stellung
einer Frist angewiesen, und die Warnung beigefügt, daß bei Nichtanbringung
der Hauptklage innerhalb der Frist auf Andringen des Arrestaten der Arrest
aufgehoben werde.
>) Doch werden diese nicht von Amtswegen, sondern nur auf Antrag ermittelt und
erkannt.
») Zur Begründung einer Jnjurienklage wegen grundlosen Arrcstgesuchs wird aber
immer der Nachweis der vorhanden gewesenen Absicht zu beleidigen vorausge
setzt. — ck. Res. vom 8. Februar 1806. Rabe 8, S. 47l.
«) Bei Realarresten wird demnach der Richter nur in subsi<jium verhaftet sein.
s) Ist diese Kaution nach dieser Vernehmung festgesetzt, so kann später keine hö
here Kaution gefordert werden. — Res. vom 26, Juli 1S34, Gräsf, Koch ,c.
III. S. 6S4,
Stündet ist, muß der den Arrest verhängende Richter wegen vorschristswWg«
Verhandlung der Hauptsache das Erforderliche im Wege des Mandats-, Baga-
teil-, summarischen, ordentlichen oder dem Prozesse des Ges. vom 9. Febr. 1817,
je nach der Natur dcr Hauptforderung, sofort verfügen.')
2) Gehört aber die Hauptsache vor einen andern, als den Arrest-Richter; so muß
dieser, nach der gemäß Reo. II. vorgenommenen Regulirung, dem Richter in der
Hauptsache von seiner Verfügung ungesäumt Nachricht geben; ihm die Verhand
lungen und andere Aktenstücke, bcwandten Umständen nach, im Originale oder
abschriftlich mittheilen, und die Parteien zur wcitern Betreibung der Sache und
Beobachtung ihrer Nothdurft an diesen verweisen. — Gleiches gilt selbst in dem
Falle, wenn ein Inländer gegen einen Ausländer die Hauptklage im Auslande
angestellt hat, demnächst aber ein schleuniges Arrestgesuch im Jnlande aus dessen
hier befindliches Vermögen anbringt. Der inländische Arrestrichter muß nach
geschehener Regulirung des Arrestes die Sache dem ausländischen Richter der
Hauptsache abgebe». Im Jnlande wird die Sache nur dann verhandelt und
entschiedcn, wenn der Inländer der im Auslande angebrachten Klage entsagt.
Der den Arrest verhängende Richter darf nach Abgabe weder in der Haupt-
noch in der Arreftsache weiter verfügen. Er muß lediglich die Auftröge oder
Ansuchen des in der Hauptsache kompetenten Richters, gleich viel, ob dieser un
tergeordnet, oder vorgesetzt, oder von gleichem Range ist, abwarten, und densel
ben nachkommen. Jedoch muß er dahin sehen, daß weder mit der verkümmer
ten Sache, noch mit der bestellten Kaution, irgend eine den Parteien nachthei
lige Veränderung und Verfügung von einem oder dem andern Theile eigenmäch
tig getroffen werde. — ß. 41—44 a. a. O. u. Anh. Z. 193 das.
V. Der Richter der Hauptsache muß nach Eingang der Arrestakten den ange
legten Arrest ebenfalls prüfen. Findet er
1) daß der vorige Richter bei dessen Anlegung offenbar widerrechtlich verfahren sei;
so muß er den ohnehin durch blosse Verfügung angelegten Arrest auf das erste
Anmelden des Attestaten, oder auch von Amtswcgen wieder aufhebe». Findet
sich dagegen
2) zu ein« solchen Verfügung kein hinlänglicher Grund; so muß die Verhandlung
dn Hauptsache, nach der Anweisung unter IV. Rro. 1, der Natur der Forde
rung gemäß, unverzüglich eingeleitet werden. — §. 45, 46 a. a. O.
S) Ist das Arrcstgesuch nicht mit der Hauptklage, sondern besonders angebracht; so
muß bei Anlegung des Arrestes dem Arrcstsucher zugleich ein nach den Umstän
den zu bestimmender Zeitraum, innerhalb dessen er die Hauptklage, bei Strafe
der Aufhebung des Arrestes anbringen muß, gesetzt werden. Ist der Arrestrich
ter nicht kompetenter Richter der Hauptsache; so benachrichtigt er bei Absenkung
der Arrestakten gleichzeitig den Richter der Hauptsache davon (IV. 2). Leistet
der Arrestsucher der Anweisung keine Folge; so muß, auf Anhalten des Attesta
ten, die Verkümmerung sofort wieder aufgehoben werden. — Z. 74 a. a. O.
U.
Vom Verfahren bei ordentlichen und gewöhnlichen Arresten.
Begründung des gewöhnlichen Arrestes und Verfügung darauf,
tz. 294. I. Wird ein ordentlicher und gewöhnlicher Attest ausgebracht; so muß
die Anlegung desselben nicht anders, als nach vorhergehender summarischer Prüfung
der Beschaffenheit der Forderung selbst, und der Umstände, woraus die Besoxgniß
') Steht das Kapital ausser dem Arrestaten noch Andern zu; so kann wider den
Willen der Letztern das Dokument nicht zum Depositorio genommen, auch dar
auf der Arrest nicht nvtjrt werden, — Cl. Res. vom 2S. August 1833. G r ö ff ,c.
III S5 ««« . . "
442
weglcgung in Betreff der Hauptsache gemäß §. 25S zu 7; es muß auch der Arrest
auf des Arreftaten Anmelden sofort aufgehoben werden.
Sucht Kläger Terminsverlegung nach; so darf dem Antrage in der Regel
nicht,') und ausnahmsweise nur dann statt gegeben werden, wenn es dem Kläger
durch äussere unabwendbare Zufälle ganz unmöglich gemacht worden ist, den Ter
min persönlich, oder auch nur durch einen Bevollmächtigten, abzuwarten. — Z. 56
—57, I. 29 A. G. O.
II. Ausser dem unter I. bemerkten Falle kann auf blos einseitigen Antrag des
Arreftaten der ein Mal angelegte Arrest nicht aufgehoben, Arrestat muß vielmehr
mit seinen Anträgen zum Jnstruktionstermin verwiesen, und im künftigen Haupt-
urtel zugleich darüber mit erkannt werden:
ob es bei dem verhängten Arreste bis zum gänzlichen Austrage der Sache
und erfolgender Befriedigung des Klägers zu belassen, oder ob derfelbe
wieder aufzuheben sei?
Eben so muß in der Regel, wenn Arrestat die Aufhebung des Arrestes gegen Kau
tion nachsucht, und der Arreftsucher sich den Antrag nicht freiwillig gefallen läßt,
die nähere Untersuchung und zugleich die Prüfung der Annehmlichkeit der offerirten
Kaution im Jnstruktionstermin vorgenommen, und darüber im Haupturtel zugleich
erkannt werden. — Z. 58, 59 a. a. O.
III. Gegen die im Haupturtel zugleich über den Arrest enthaltene Entscheidung
steht das Rechtsmittel der Appellation zu, gleichviel, ob darin der Arrest für gerecht
fertigt geachtet, oder auf dessen unbedingte, oder nur auf Wiederaufhebung gegen
Kautionsbestellung erkannt ist. Wenn aber der Gegenstand der Beschwerde 50 Thlr.
nicht übersteigt, so kann nicht die Appellation, sondern der Rekurs eingewendet wer
den. Die Frist zur Anbringung dieser Rechtsmittel ist die 1S5, II. bestimmte
von 6 und resp. 12 Wochen.
Ist die Appellation zugelassen; so muß der Arrest bis zum erfolgenden Appcl-
lationsurtel liegen bleiben, wenn auch im ersten Urtel auf desselben Aufhebung er
kannt wäre. Es ist aber in diesem Falle die Instruktion des Appellatovii, wel
ches, wenn auch in der Hauptsache appellirt ist, 2) diese und die Arrestsache zugleich
betrifft, ganz vorzüglich zu beschleunigen. — z. 6« a. a. O. — §. 21, 22 des Ges.
vom 14. December 1S33.
IV. Revision ist über die Frage: ob der verhängte Arrest wieder aufzuheben,
oder eö dabei zu belassen sei? nicht zulässig, vielmehr bewendet es in Ansehung die
ses Punktes bei der Festsetzung des Appellationsurtels, wenn gleich in der Haupt
sache die Revision statt fände, und wirklich eingewandt würde. — Z. 61, I. 29 A. G. O.
V. Sobald der Arrest durch rechtskräftiges Urtel unbedingt aufgehoben ist,
muß der Richter die erforderlichen Verfügungen wegen wirklicher Aufhebung dessel
ben sofort erlassen. »Z
Ist aber die Aufhebung blos gegen Sicherstellung erkannt; so müssen diese Ver-
1) Beklagter, für welchen Verlegungen Nachtheil und Verlegenheiten bringen wür
den, muß gegen dergleichen und gegen etwanige Schikanen des Klägers geschützt
-werden. In Bezug auf Verlegungsgesuche des Beklagten kommen die sonstigen
gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung.
») In dieser Weise kann der Schluß des Z. 6«, I. 29 A. G. O. nur verstanden
werden. Wenn Grävell annimmt, es könne die Appellation in Betreff des
Arrestes nur mit der Appellation in Betreff der Hauptsache zugleich eingewen
det werden, so widerspricht dies dem Anfange des Z. 60 gradezu, da darnach
Appellation hinsichtlich des Arrestes allein ausdrücklich zugelassen wird.
Zn den Fällen Z. 294, III. Nro. 2. 0. 6 muß daher die Löschung des Ver-
Merks in dem Hypothekenbuch resp. den DeposMbüchern von Amtswegen betrie
ben werden.
fügungcn erst dann ergehen, wenn Arrestat durch vollständige Berichtigung der Kau
tion dem Erkenntnisse Gnüge geleistet hat. — K. 62 das.
Ii) wenn die Entscheidung des Arrestes vor Entscheidung der
Hauptsache verlangt wird;
§. 296. I. Hält Arrestat in einem besondern Falle es allzu bedenklich und
nachtheilig, die Entscheidurg der Frage: ob es beim Arreste zu belassen, oder selbi
ger wieder aufzuheben sei? bis zum Haupturtel auszusetzen, so steht ihm frei, auf
besondres Gehör und Erkenntnis, über die entweder unbedingt, oder gegen
Kaution zu erlangende Aufhebung des Arrestes anzutragen, — z. 63 das.
II. Der Richter prüft dies Gesuch. Findet er, daß dem Arrestaten ein
erheblicher Nachtheil von der längeren Aussetzung dieses Punktes wirklich bevorsteht;
besonders, wenn aus den Umständen sich im Voraus entnehmen läßt, daß der Ab
schluß der Hauptinstruktion sich, wegen Weitläufigkeit der Sache, und der vielen
aufzunehmenden auswärtigen oder entfernten Beweismittel, in die Länge ziehen
dürfte; so muß er einen nahen Termin zur Untersuchung der Frage: ob der Arrest
während des Hauptprozesses wieder aufgehoben werden könne oder nicht? anberaumen,
und in diefem Termine die vom Arrestaten angeführten Gründe näher auseinander
und zugleich die Beschaffenheit der von ihm allenfalls angebotenen Kaution in ge
höriges Licht setzen. Auf die Hauptsache kann dabei nur so weit, als es zur Be-
urtheilung der Liquidität') oder Illiquidität der Forderung des Klägers unum
gänglich nothwendig ist, Rücksicht genommen, und auf Thalsachen, die der eine oder
andre Theil anführt, ohne beim Widerspruche des Gegners sie sofort in eben dem
Termine darthun zu können, soll dabei gar nicht geachtet werden.
Bei Beurtheilung der vom Arrestaten angebotenen Kaution sind die unten im
18ten Abschn. wegen Beurtheilung der Sicherheit in Moratoricnsachen gegebenen
Vorschriften zu befolgen. — Z. 64 das.
III. Auf die vorläufige Untersuchung muß das Erkenntniß sofort abg»
faßt, und unverzüglich den Parteien zugefertigt werden. — §. 63 das.
IV. Gegen dies Erkenntniß findet in Bezug auf appcllable Gegenständes die
Appellation statt, gleich viel, ob darin der Arrest für gerechtfertigt erachtet, cdcr
unbedingt, oder gegen Kaution aufgehoben wird. Jedoch muß auch in den letzten
beiden Fällen der Arrest bis nach Entscheidung in zweiter Instanz liegen bleiben. —
§. 66 das.
V. Das Verfahren in der Appcllationsinstanz ist besonders abgekürzt. Dem
zufolge müssen
1) vom Appellanten die Appellationsbeschwerden binnen drei Tagen nach Zuferti-
gung des Urtcls schriftlich oder zum Protokoll beim Richter erster Instanz angebracht;
2) vom Appellatcn muß ebenfalls binnen 3 Tagen schriftlich oder zu Protokoll dar
auf geantwortet; dann müssen
3) die Akten sofort zum Appcllationsrichter befördert, und im Bericht muß zugleich,
daß sie eine Arrestsache betreffen, bemerkt werden.
4) Der AppellationSrichter ist schuldig, binnen 8 Tagen das Urtel abzufassen, und
dem Richter erster Instanz zur Publikation zu senden.
VI. Revision ist nicht zulässig. Doch ist Nichtigkeitsbeschwerde gestattet,
und es muß diese binnen 10 Tagen nach Behändigung des zweiten UrtelS ange«
>) Grövell (Kommentar S. 42 Anm.) nimmt an, daß in Folge einer Wortver-
wechsclung statt „Verität" Liquidität gesagt sei. Doch dürfte diese Annahme
nicht zu rechtfertigen sein. ,
») Bei nicht appellablen Gegenständen ist Rekurs zulässig. Die Fristen i» Bezug
auf denselben sind gleich den Appellat.-Lristen.
444
bracht werben. Gleiche Frist wird zur Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde btt
willigt. — Z. 66—63. Art. 14 der Declar. vom 6. April 1839.
VII. Während der Verhandlung und Entscheidung über den Arrest muß die
Instruktion der Hauptsache ihren ununterbrochenen Fortgang behalten. In dersel
ben können auch nach rechtskräftiger Entscheidung über den Arrest beide Theile in
Betreff des letzteren ihre ferneren Rechte ausführen. — z. 68, 69, I. 29 A. G. O.
') Diese Entschädigungsklsg« wird allein dadurch, daß ein ausgebrachter Arrest durch
Urtel aufgehoben ist, nicht begründet werden können. Attestat wird «lelmchr
nachzuweisen haben, daß Arrestsucher bei Nachsuchung vorsätzlich oder aus ver
tretbarem Versehen einen nicht zulässigen Arrest rechtfertigte. Dies liegt in der
„«.rw5«.WM...,
448
und er kann dabei, nach vorgängiger richterlichen Ermässigung, zu« eidlichen Be-
ftärkung des erlittenen Schadens und entgangenen Gewinns gelassen werden. —
Z. 80 a. a. O. — §. «2—97. 132—135, I. 6. A. L. R.
II. Ein rechtmässig angelegter Arrest dagegen hat die Wirkung
1) in Bezug auf arrestirte Sachen, daß
s) so wenig der Eigenthümer, als der Inhaber der verkümmerten Sache sich
darüber irgend einer für den Arrestanten nachtheiligen Verfügung anmassen
darf;') vielmehr die Sache als ein bei ihm niedergelegtes Depositum auf
bewahren muß;
d) daß der dritte Inhaber der verkümmerten Sache, wenn er sich mit dieser
Aufbewahrung nicht befassen will, sie zur gerichtlichen Verwahrung überlies
l fern kann; und
c) daß die durch den Eigenthümer oder Inhaber der verkümmerten Sache vor
genommene Veräusserung oder Verpfändung derselben in Ansehung des Ar
restsuchers null und nichtig ist, und die Sache von dem, welcher sie eigen-
thums- oder pfandweise an sich gebracht hat, unentgeltlich zurückgefordert
werden kann. Sollte jedoch nachgewiesen werden können, 2) daß der Erwer
ber von dem Arrestschlage keine Wissenschaft gehabt habe; so kann der Ar
restsucher die Herausgabe nur gegen Vergütung des gezahlten Kaufgeldes
oder Pfandschillings fordern, und er hat sich dies selbst beizumessen, daß er
nicht die gerichtliche Verwahrung der Sache beantragt hat.
2) hinsichtlich arreftirter Forderungen, daß
s) der Schuldner dieser Forderungen, vom Augenblicke der Zustellung«) des Ar
restbefehls ab, weder ohne Vorwissen und Genehmigung des Gerichts Zah
lung darauf leisten, noch mit Forderungen gegen den Arrestaten, die erst
nachher aus seinen, des Schuldners, eignen freien Handlungen^) entstanden
sind, kompensiren darf; und daß daher
b) die dem zuwider geleisteten Zahlungen in Ansehung des Arreftsuchers für
nicht geschehen, und Kompensationsrechte in Betreff desselben für nicht ent
standen anzusehen. Doch hemmt . '.
0) der auf ein zinsbares Kapital gelegte Arrest nicht den Zinsenlauf; sondern
der Schuldner muß, wenn er sich von der ferneren Zinsenzahlung befreien
will, die an sich zahlbare») Schuldpostins gerichtliche Depositum abliefern.—
Z. S1 bis 86, I. 29 A. G. O. ,
IN. DerArrestschlag begründet unter mehren Gläubigen kein Vorzugsrecht; ausser,
1) wenn ein Fremder mit einem inländischen Gläubiger konkurrirt, und in der Hei
math des Fremden der Arrest einen Vorzug ertheilt;»)
,) Wählen Gläubiger des Arrestaten die arrestirte Sache als Erekutionsobjekt; so
kann zwar, in sofern nicht dritte interveniren, der Verkauf veranlaßt, der Er
lös muß jedoch zum Depositum genommen und der Arrest notirt werden. Das
Vorzugsrecht wird dann, falls nicht der Arrestsucher der judikatmässigen Forde
rung den Vorzug freiwillig zugesteht, durch Prioritätsstreit entschieden. — Res.
vom 24. April u. 6. Juni 1S40 I. M. B. S. 153 u. 205.
2) In der Regel wird die Vermuthung dafür sein, daß der Erwerber von dem Ar
reste Nichts gewußt habe, in sofern die Arrestlegung nicht auf eine in die Au
gen fallende Weise geschehen. Daß Erwerber seinen guten Glauben jedesmal
nachzuweisen habe, ordnet diese Gesetzstelle nicht an.
s) Bei Depositalarresten beginnt die Wirkung mit Zustellung des Mandats an den
ersten Kurator. — §. 46«, II. Dep. O.
«) Andre Gegenforderungen z. B. die ihm aus einer später zugefallenen Erbschaft
erwachsen, sind zur Kompensation auch gegen den Arrestanten geeignet.
») Kündbare Kapitalien mithin nach vorausgegangener Kündigung.
») Der Grund des Vorzugsrechts ist die Retorsion. Jenes kommt daher niemals
dem Fremden gegen den Inländer, sondern nur diesem gegen den Fremden zu statten.
449
2) . wenn bei entstanbcncm Konkurs ein Gläubiger die Person des Gemeinschuldners,
oder zur Masse gehörende Effekten durch rechtszeitigen Arreftschlag in Sicherheit
gebracht hat; >) und
3) wenn die auf Kredit bestellte» Maaren zwar noch vor Konkurseröffnung, aber
doch zu einer Zeit ankommen, da der Gemeinschuldner sich schon für zahlungs
unfähig erklärt, und seinen Gläubigern eine Behandlung, es sei gerichtlich oder
aussergerichtlich , angetragen hat.
Auch das Retentionsrecht verliert durch Konkurseröffnung seine Wirkung. ») —
8. «7 a. a. O. — K. 484 u. 307, Tit. s« das. — §. SS«, I. 2« A. L. R.
Sechster Abschnitt.
»SM Possefforienprozesse (possessorium summsrissimum^) einschließlich
der sog. Spoliensachen).
Zulässigkeit desselben; Begründung der Klage und
Verfügung darauf.
§. 300. I. Der Possessorienprozeß hat lediglich die Erhaltung des faktischen
Besitzes einer Sache oder eines Rechts, 5) oder die Wiedererlangung des ver
lorenen Besitzes zum Zweck. Derselbe findet daher nur statt 1) wenn Jemand im
Besitze einer Sache oder eines Rechts beunruhigt, und 2) wenn er dieses Besitzes
neuerlich °) heimlicher oder gewaltsamer Weise entsetzt worden ist. — §. I, 1V, !.
31 A. G. O.
Dem Gläubiger muß dann, wenn seine Forderung nicht anderweit zur Hebung
kommt, eine die Hälfte seines Ausfalls erreichende, jedoch den Betrag des der
Masse verschafften BortheilS nicht übersteigende, Belohnung vorweg gezahlt wer
den. — §. 48ö, l. 5« A. G. O.
2) Der Absender kann nemlich durch Arrestlegung auf die abgesendeten Waaren sich
diese erhalten, und, falls eine Behandlung nicht zu Stande kommt, sie zurück
nehmen. — Z. 307 a. a. O.
«) Nicht aber beim blossen erbschaftl. Liquidationsprozeß. Auch gilt dies nicht vom
Rückbehaltungsrecht des Bermiethers und Verpächters an den Jnvekten und Jl-
laten, da dies Recht die Natur eines Pfandrechts hat.
4) Dieser Ausdruck schreibt sich aus dem gemeinen Recht her, wo neben dem »um-
msrium oder oräinsrium poss. wegen dessen zu langsamen Verfahrens sich
noch ein summ3ris»imuin ausbildete. Das preuss. Recht hob jenes auf.
») Die Rechtslehrer streiten darüber, ob auch wegen persönlicher Rechte das Pos
sessorium zulässig sei. Dies muß man annehmen, da die A. G. O. allgemein
von Rechten, ohne Rücksicht auf dingliche oder persönliche, spricht. Läßt sich bei
einem Rechte eine gewaltsame, heimliche oder bittweise Störung der Ausübung
gar nicht denken ; so wird freilich auch die Possessorienklage nicht möglich sein. —
Nach dem Ref. vom 26. Aug. 1836 (Gräff, Koch lc. III. S. 703) sind Pos-
sessorienklagen auf Grund eines Dienstvertrages zwischen Herrschaft und Gesinde
nicht zulässig.
«) Ein entsetzter Pächter kann nur binnen 6 Monaten auf Besitzeinräumung kla
gen. §. 45, l. 44 A. G. O. Doch kann man diese Frist nicht auf andre Fälle
analog anwenden, wie dies die Ref. vom 28 Septbr. 1821, vom 30. April 1827
und vom 10. November 1837 (Gräff, Koch ,c. III. S. 704 fg.) wollen. Auch
kann man den Begriff „neuerlich" nicht auf die Verjährungsfrist ausdehnen,
wie einige Rechtslehrer wollen. Dies widerspräche der Wortbedeutung dieses
Ausdrucks. Es muß vielmehr in jedem einzelnen Falle mit Rücksicht auf den
Gegenstand des Streits und die obwaltenden Umstände beurtheilt werden: ob
ein neuerlicher Besitz gestört oder entrissen sei?
4M
ZI. Meldet sich ein PsssesftneMöger > ) bei Gericht?) zur Klageaufnahme; so
muß er an einen sofort zu ernennenden Deputirten gewiesen werden, und dieser muß
unverzüglich die Klage aufnehmen. Zu deren Begründung gehört
^l) die nähere Angabe de« Thatsachen: daß Klager sich wirklich Motzt im
ruhigen u>« ungestörten Besitze «) befunden habe, und daß und wodurch er vom
Beklagten darin gestört, oder dessen heimlich oder mit Gewalt entsetzt worden
ist. Thatsachen, welche blos das Recht zum Besitze, oder den Titel desselben be
treffen, gehören nicht zur Begründung;
2) die sofortige Beibringung der über die erheblichen Thatsachen zu t vor
handenen und hinter dem Kläger befindlichen Beweismittel, oder doch nä
here Angabe des Beweises. Bringt Kläger Zeugen über den Besitz oder
die Störung schon bei Klageaufnahme zur Stelle; so muß der Deputirte sie so
fort, jedoch nicht eidlich, vernehme», liie aber bedeuten,, daß sie gewärtigen müß
ten, in der Folge zur eidlichen Bestärkung ihrer Angaben aufgefordert zu wer
den. — ß. 2, 4 a. a. O. , ^ -
III. Die zum Protokoll genommene, oder auch schriftlich eingegangene Klage
muß unverzüglich zum Vortrag befördert werden. Ist sie begründet, so erfolgt
schleunig ein Termin zur Klagebeantwortung, Instruktion und zugleich zur Beweis-
- aufnähme, und zwar
^V. wenn die Sache sich zum Lokaltermin eignet, vor dem dazu zu ernennenden
Kommissario z '
V. wenn dics nicht der Fall, bei Objekten von öV Thlr. oder weniger vor dem
Kommissario für Bagatellsachen, bei grösseren Gegenständen im Großherzogthum
Posen vor dem Gerichtskollegio, in andern Provinzen aber vor dem Deputirten.
Zu diesem Termin werden vorgeladen
^) der Beklagte unter abschriftlicher Mittheilung der Klage. In der Borlas
dung wird ihm aufgegeben
<s) bei bescheinigter Klage: daß er bei einer verhältnißmäfsigen, nam
haft zu machenden Strafe sich aller ferneres Störungen ent
halte, auch die etwa abgcpfändeten Stücke, gegen Bezahlung des Pfand -
und Futtergeldes, sofort, mit Vorbehalt seines Rechts, zurückgebe; — oder,
wenn Kläger seinen Besitz mit Nichts bescheinigt Hat: daß er bei Strafe
sich, bis zur Untersuchung, des streitigen Besitzes und aller
dahin gehörenden Handlungen und Verfügungen enthalte; —
oder, wenn Kläger dem Beklagten den Mitbesitz einräumt, und die Klage be
scheinigt ist: daß er dem Kläger de» behaupteten Mitbesitz serner
gestatte; wenn sie nicht bescheinigt ist: daß er die Sache schlechter
dings in der Lage, worin sie sich gegenwärtig befindet, lasse; «)
> ) Jeder Inhaber, also selbst der unentdeckte Räuber ober Dieb, kann die Posfesso-
rienklage anstellen. Wendet Beklagter gegen einen solchen ein, daß Kläger ihm
die Sache räuberisch oder diebisch entrissen; so ist dies jedoch ein zu berücksich
tigender Einwand.
») Der persönliche Richter des Beklagten, und bei den auf Immobilien sich bezie
henden Störungen der Richter der Sache sind diejenigen, bei welchen die Klage
anzubringen. In Provinzen, wo Kreisjuftizräthe angestellt sind, müssen diese in
den vor das betreffende Obergericht gehörenden Poffessoriensachen sich der Ver
handlung unterzieh«, wenn Kläger sich an sie wendet. — Berord. vom 30. No
vember t63S. §. 4. Nro. 4 e. GS. S. 2S7.
») Beim possess. summ, über den Besitz negativer Rechte bedarf eS nicht des
direkten Beweise« einer wirklichen Besttzausübung in kürzerer Zeit vor der Stö
rung; sondern es gnügt schon die Bermuthung eines älteren Besitzes. — Erk.
des Geh. O. Trib. vom 19. November 1836. Ulrich n. Arch. t«Z7 S. !03.
-«) Wenn die Possessorien«««,« nicht schon angestellt ist, oder angestellt werden kann.
451
b) daß er im Termin persönlich oder durch einen zulässigen, mit Vollmacht
«ersehenen Bertrctcr erscheine, und die Beweismittel, und namentlich auch
die Zeugen, wodurch er entweder die Angaben des Klägers widerlegen, «der
sonst zu seiner Bertheidigung gereichende Thatsachen darthun will, entweder
zum Termin mitbringe, oder sie zeitig vor dem Termin, nach Namen, Ka-
rakter und Aufenthalt, anzeige, damit sie zum Termin mit vorgeladen wer«
den können; auch wird
>:) die Warnung beigefügt, daß bei seinem Ausbleiben in contumscism ge
gen ihn erkannt werden wurde.
2) der Kläger. Demselben wird, wenn er den behaupteten Besitz mit Nicht?
bescheinigt hat, unter Androhung einer verhältnißmässigen Strafe ebenfalls an
befohlen, daß er sich, bis zur Untersuchung, des streitigen Besitzes und aller da
hin gehörigen Handlungen und Verfügungen enthalte; und die Warnung beige
fügt, daß beim Ausbleibe» die Akten auf seine Kosten weggelegt werden;
3) die vom Kläger benannten Zeugen, es wäre denn, daß der Kläger über
nommen hätte, sie zur Stelle zu bringen, oder daß aus ihrer vorläufigen nach
II, Nro. 2 geschehenen Abhörung sich ergeben, daß ihnen Nichts zur Sache Ge
höriges bekannt sei. — §. S—1V a. a. O.
ZV. Ist an beide Theile der Befehl, sich de« Besitzes bis zur Untersuchung
zu enthalten, ergangen; so wird einem benachbarten Gerichtsbedienten der Auftrag
ertheilt, darauf zu wachen, daß beide Parteien dem Befehle nachkommen. — Z. 5 das>
so ist die Erlassung des Mandats nicht zulässig. — Res. vom 14. April 1S27.
Gräff, Koch ,c. III. S. 7VS.
452
zugleich den Grund oder Ungrund der ihnen gemachten Ausstellungen möglichst
ins Licht zu setzen sich bestreben. , ., i
«!) Steht durch Augeständniß oder durch Beweis der neueste Besitz des Klägers fest ;
Beklagter behauptet hingegen, daß derselbe dazu auf eine offenbar unredliche oder
soust fehlerhafte Weise gelangt sei; so muß mit Aufnahme der Instruktion und
des Beweises über diese Fehler des Besitzes ebenfalls, jedoch nur, soweit es nach
WZaasgabe der Borschrift zu 2. g u. K sofort und ohne Aufenthalt geschehen
kann> verfahren werden.') Z. 11—14, Tit. 31. Anh. z. 76, Tit. 10 a. a. O.
II. Rechtliche Deduktionen finden niemals statt. Die Akten werden
sofort nach beendigter Verhandlung zum Spruch vorgelegt, sofern nicht im Audienz
verfahren, oder vom Bagatellkommissarius, noch im Termin erkannt wird. Das
Erkenntniß muß ganz vorzüglich beschleunigt werden. — Z. 15, Tit. 31 a. a. O.
III. Im Erkenntniß wird nur die Frage wegen des Besitzstandes ent
schieden. Andre Punkte, z. B. das Recht zum Besitz, Ersatz des durch Besitzent
setzung oder Störung entstandenen Schadens 2) u. s. w. werden zur besondern Ver
handlung verwiesen. Demnach wird im Urtel blos, nach der durch die Instruktion
entwickelten Lage der Sache und nach Vorschrift der Gesetze, bestimmt:
in wiefern dem Kläger der entzogene Besitz wieder einzuräumen; oder
er darin zu schützen, und Beklagter zur Bestellung einer Kaution gegen
fernere Beeinträchtigungen anzuhalten; oder ob, bei nicht deutlich genug
erhellendem Besitzstande, oder wegen bescheinigter Fehler des Besitzes, die
streitige Sache in gerichtliche Verwahrung «der Verwaltung zu nehmen;
oder was sonst interimistisch, mit Vorbehalt des Rechts der Parteien in
der Hauptsache, zu verfügen sei? — Z. 16, 17 das.
IV. Gegen dies Erkenntuiß ist niemals das Rechtsmittel der Appel
lation zulässig. Doch kann im Possessorienprozeß
Z) gegen einen Kontumazialbescheid Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gemäß Z. 189 in dem Falle nachgesucht werden, wenn Naturbegebenheiten
«der andre Zufälle es dem Beklagten unmöglich gemacht haben, den Termin in
Person oder durch einen Bevollmächtigten abzuwarten, wobei aber Beklagter zu
gleich den Nachweis führen muß, daß es ihm ohne das geringste Verschulden van
seiner Seite unmöglich war, das eingetretene unabwendbare Hinderniß vor dem
Termine anzuzeigen.
2) Rekursgesuch nach Maasgabe der 192—196 ist dagegen in dem Falle,
wenn das Beschwerdevbjekt 5l> Thlr. an Werth nicht übersteigt, und
3) Nichtigkeitsbeschwerde nach Maaögabe des Tit 8. Abschn. 2 dann, wenn
dieser Gegenstand mehr als S« Thlr. beträgt, auch gegen Possessorienerkenntnisse
zulässig. Auch
4) mittelst Nullitätsklage können dieselben angefochten werden. — g. 18 und
Anh. Z. 214 a. a. O. — Res. vom 24. Juli 1818. Jahrb. 12, S. 20. Res.
vom 16. August 1817. Gräff, Koch zc. III. S. 709. — Z. 4. V. vom 14.
December 1833. — Jnstr. vom 7. April 1839 Nro. 21, II. — Res. vom 5.
März 1842 I. M. B. S. 177. . .' .
V. Der Spruch in der Possessoriensache dient in Betreff des Besitzstandes als
Ist die Gewahrsam oder der Besitz Jemanden mit Gewalt entrissen worden; so
müssen ihm dieselben, ohne Rücksicht auf ein besseres Recht dessen, der die Ge
walt verübt hat, wiedergegeben werden. Eben dieses findet statt, wenn Jemand
die Sache oder das Recht heimlich, durch Lift, oder vittweise vom vorigen Be
sitzer an sich gebracht hat. — K. 146, 147, I. 7. A. L. R.
2) Bei Geltendmachung des Schadens gnügt da« Possessorienurtel allein nicht zur
Begründung der Klage. Kläger muß vielmehr sein Befitzrecht näher nachweisen.
403
Interimistikum bis dahin, wo das erste Erkcnntniß in dcr Hauptsache selbst
(über das Recht zum Besitz) ergeht. Der erste erkennende Richter der Hauptsache
muß demnächst, wenn er wegen des Besitzstandes eine Acnderung nöthig findet, da«
Erforderliche darüber in dem Haupturtel ausdrücklich festsetzen. Bei dieser Fest
setzung hat es sodann, bis die Hauptsache rechtskräftig entschieden ist, sein Bewen
den. — §. l«, I. Zl «. G. O.
VI. Erstreitet der, welcher den Possessoricnprozeß verlor, in der Hauptsache ein
besseres Recht zum Besitz; so muß ihm der Gegner, trotz des im Possessorienprozcß
erhaltenen obsieglichcn Urtels, wegen der Schäden oder entbehrten Nutzungen nach
gesetzlichen Bestimmungen gerecht werden. Dagegen kann dcr, welcher in dcr Pos-
sessoriensache In die Kosten vcrurthcilt ist, deren Vergütung auch dann nicht fordern,
wenn er im Hauptprozesse obsiegt. — Z. 19 daf.
Siebenter Abschnitt.
»om Diffamation«' und Provokationsprozeffe.')
Einleitung und Begriffsbestimmung.
§, 302. Es steht in der Willkühr jeder Partei: ob und wann sie klagen
Wolle? Zwang findet in dieser Hinsicht in der Regel nicht statt. Ausnahmsweise
kann jedoch der Richter zur Klage in einzelnen durch das Gesetz besonders gebote
nen Fällen auffordern. Die Nichtbeachtung dieser Aufforderung hat demnächst ^. bis
weilen zur Folge, daß der Aufgeforderte zwar nicht sein ganzes Klagerccht, aber
fein Vorzugsrecht, oder sein Recht an eine gewisse Sache oder Person verliert. Da
hin gehören
1) das Aufgebot der Realinteressenten im Subhaftationsprozeß beim Mangel eines
Hupothekenbuchs, oder, wenn der Brsitztitel auf den Schuldner nicht berichtigt ist;
2) das Aufgebot einer bei der Kaufgclderbelegung gebildeten Spezialmasse;
3) die öffentliche Vorladung der Nachlaßgläubiger im erbschaftlichen Liquidationspro
zeß, sowie der unbekannten Gläubiger im Konkurse;
4) die öffentliche Vorladung unbekannter Erben, sowie die fernern im l7ten Abschn.
erwähnten öffentlichen Aufrufe.
Von allen diesen Fällen wird weiter unten die Rede sein.
S. In zwei Fällen hat aber die Nichtbeachtung der gerichtlichen Aufforderung
den Verlust des Klagcrechts selbst ganz oder theilweise zur Folge. Dies ist beim
Diffamation - und beim Provokationsprozeß dcr Fall.
1) Eine Diffamation sklage kann der anbringen, gegen welchen sich Jemand
an desselben Person, Grundstücke oder sonstiges Vermögen gewisser Rechte und
Ansprüche, oder sonst gewisser Prärogativen und Befugnisse rühmt, die ihm je
ner nicht zugesteht,
2) wenn dagegen Jemand gegen die Forderungen des Andern Einwendungen hat,
von welchen er besorgt, daß dieselben, «der die darüber vorhandenen Beweis
mittel, bei längerem Verzuge des Gläubigers mit Anstellung seiner Klage, ganz
verloren gehen, oder doch in dcr Ausführung erschwert werden möchten; so kann
tr im Wege der Provokationsklage den Gläubiger zur Anstellung seiner
Klage anhalten lassen. — Z. t, 2, 34, 35, l. 32 A. G. O.
') Diese aus zwei Stellen des 6«r,i. jur. 5ust. herausgefundenen Klagen des ge«
meinen Rechts sind auch in die A. G. O. übergegangen. Jene Stellen sind I.
5 Loci, cle igonuis msnuiuissis; und I. 28 O. 6e
454
I. Vom Diffamationsprozesse.
Begründung der Klage und Verfügung darauf.
§. 303. I. Berühmt sich Jemand, einen gewissen Anspruch an einen Andern zu
habe», den dieser nicht einräumen will; so kann Letzterer auf doppeltem Wege ncmlich
1) dadurch, daß er gegen denselben in der Hauptsache auflrit, und die Unrichtigkeit
und Ungiltigkeit des behaupteten Anspruchs rechtlich auszuführen sucht (durch
die Negatorienklage); oder auch
2) durch die Diffamationsklage den sich Rühmenden') zum Schweigen zu
bringen suchen. — §. 2, 3 a. a. V>
II. Die Diffamationsklage muß im ordentlichen persönlichen Gerichts
stände des Diffamanten, wenn aber dieser ein Ausländer?) ist, bei demje
nigen inländischen Richter, vor welchen die rechtliche Ausführung der Haupt
sache gehören würde, auf die gewöhnliche Weise schriftlich, oder mündlich zum Pro
tokoll angebracht werden.
Zur Begründung gehört
1) die nähere Angabe der eigentlichen Beschaffenheit der Diffamation, ->) und
2) die Angabe der Beweismittel darüber. Bestehen diese in Urkunden, so müssen
sie der Klage im Original oder abschriftlich beigelegt, oder es müssen die nöthi-
gen vorläufigen Verfügungen wegen deren Herbcischaffung nachgesucht werden. —
§. 4 u. ö das.
III. Ist die Klage vollständig; so wird dem Provokaten
1) unter abschriftlichcr Mittheilung der Klage aufgegeben, binnen
einer zu setzenden verhältnißmäsfigen Frist, oder spätestens in dem am End
punkte dieser Frist anzuberaumenden Termin sich zu erklären: ob er den gerühm
ten Anspruch zu haben vermeine, und denselben innerhalb eines anderweitcn,
durch richterliches Ermessen nach den Umständen zu bestimmenden Zeitraums im
ordentlichen Wege Rechtens ausführen wolle; oder ob er es auf rechtliches Ge
hör und Erkenntniß über die Diffamationsklage ankommen zu lassen gemeint sei?
2) Er ist ferner anzuweisen, daß er, wenn er letzteres wolle, in Person oder
durch einen zulässigen Bevollmächtigten im Termin erscheinen, und sich auf die
Klage einlassen müsse; und
3) wird der Vorladung die Warnung beigefügt, daß er beim ungchor«
samen Ausbleiben in contumaciam der Diffamation für geständig, und, die
gerühmte Klage innerhalb eines gewissen Zeitraums anzustellen, für schuldig gc.
') In der Folge wird der sich Rühmende nach den Bezeichnungen der A. G. O.
Diffamant und resp. Provokat, der Kläger aber Provokant genannt werden.
2) Auch dieEinwohner der teutschen Bundesstaten sind in diesem Betracht, als Aus
länder anzusehn. — Res. vom «. Oktober 1819. Jahrb. 14, S. 212. Art. 7
des Abkommens vom 8. u. 25. Juni 1824 GS. S. 15«. Res. vom 13. Juni
t«36. Grü'ff zc. III. S. 712.
») Daß Diffamat durch die Diffamation selbst an seinem guten Rufe, Kredite u.
s. w. einen Rachtheil erleide, wie dies Grävell (Komm. S. 204 fg.) voraus
setzt, ist zur Begründung der Diffamationsklage nicht wesentlich nöthig. Das
Rühmen muß jedoch in Betreff eines Anspruchs geschehen, welcher gar nicht
vorhanden. Ist Diffamant schon wirklich im Besitz des Rechts (Servitut, Pri
vilegium :c.), welches Provokant nicht anerkennt; so ist nicht vom blossen Rüh
men die Rede, die Diffamationsklage daher nicht zulässig. Eben so findet diese
auch da nicht statt, wo das gegen den Provokanten behauptete Recht oder der
Anspruch wirklich besteht, aber zur Zeit noch nicht fällig ist. Auch gegen den,
welchem Lehn- oder Wiederkaufsrechte unstreitig zustehen, ist eine Diffamations
klage zum BeHufe der Präklusion mit diesen Rechten nicht zulässig. — Res. vom
17. November 1S34. Mannkops A> G. O> ll. S. 710.
455
achtet, in dessen Entstehung aber ihm c!n cwigcs Stillschweigen damit auferlegt
werden würde.
Der Termin selbst wird übrigens, wenn der gerühmte Anspruch ein Bagatell-
objekt ausmacht, vor dem Kommissarius für Bagatellsachen, sonst im Großhcrz.
Poscn vor dem Kollegio, und in den übrigen Provinzen vor dem Deputirten
angesetzt. — §. S—8 a. a. O. — K. 1 de« Ges. vom 9. Kebruar 1817. — Jnstr.
vom 24. Juli 18SS K. SS.
Verfahren im Termin; Erkenntniß und Rechtsmittel,
j. 304. I. Erscheint nun 1. der Provokat im Termin nicht, und ist
auch keine Erklärung gemäß Rro. 2 und 3 von ihm eingegangen; so ergeht auf
die darüber aufgenommene Verhandlung Koittumazialurtel, in welchem die Kosten
dem Provokaten auferlegt werden. Die Zustellung desselben an die Parteien erfolgt
gewöhnlichermassen. (j. ISS.)
2. Erklärt dagegen Provokat »or oder im Termin zum gerichtli
chen Protokoll, «der sonst in einer mit gerichtlichem Glauben vers«he-
nen Schrift, daß er einen Anspruch zu machen nicht begehre; so bedarf es keines
ferneren Prozesses; sondern es wird eine Resolution dahin ausgefertigt:
daß dem Provokaten dieser seiner Erklärung gemäß, der Anspruch, zu des
sen rechtlicher Ausführung er provozirt morden, nicht zustehe, und ihm
deshalb ein ewiges Stillschweigen aufzulegen sei.
Die Kosten werden darin dem Provokanten als Ertcahentcn auferlegt. Hat jedoch
Provokat seine Erklärung erst im Termin abgegeben; so muß er die Terminskosten
allein tragen. — Diese Resolution hat die volle Wirkung eines Urtels, und sie wird
dem Provokanten in Ausfertigung, dcm Provokaten in Abschrift gemäß K. 18S zu-
ge fertigt. — Ist die vom Provokaten eingegangene Erklärung nicht erwähntcrmas-
sen beglaubigt; so muß in der Sache weiter, allenfalls in coulumscism (Rro. l)
verfahren werden.
3. Erklärt Provokat, daß er die gerügte Klage innerhalb des bestimmten
Zeitraums anstellen wolle; so bedarf es ebenfalls keines weiteren Prozesses, sondern
es wird eine Resolution dahin abgefaßt:
daß Provokat, dieser Erklärung gemäß, schuldig sei, die sich angemaßte
Klage innerhalb der bestimmten Frist anzustellen, widrigenfalls ihm da
mit ein cwigcs Stillschweigen auferlegt werden solle.
Diese Resolution, deren Zustellung, wie andre Urtcl erfolgt, hat ebenfalls die voll«
Wirkung eines rechtskräftigen UrtelS. Die Kosten werden auch in diesem Falle vom
Provokanten als Ertrahenten vorgeschossen, der aber den Ersatz derselben in dem
hierneichft entstehenden Hauptprozesse fordern kann. Wcnn Provokat sich jedoch erst
^ im anstehenden Termin erklärt; so muß er die Terminekosten allein tragen.')
4. Läßt sich Provokat auf die Klage wirklich ein, und
s) begnügt er sich lediglich damit, die Diffamation zu läugnen, ohne sich darüber:
ob er dergleichen Anspruch wirklich habe, oder nicht? weiter auszulassen; so muß
mit Aufnahme der über die Diffamation angegebenen Beweismittel und fodann
mit Abfassung des Erkenntnisses verfahren werden. Schriftliche Deduktionen sind
niemals zulässig. Erachtet nun ss) der Richter die Diffamation hinlänglich be
scheinigt, so muß er den Provokaten in den Kostenersatz und dahin verurthei-
len: die gerühmte Klage innerhalb der nach den Umständen zu be
stimmenden Frist beim kompetcten Gericht anzustellen, widrigen»
") Hieraus geht hervor, daß, wcnn in den Fällen Nro. 2 und 3 die gedachte Er
klärung vor dem Termin eingeht, es der Abwartung des Termins nicht bedarf,
sondern die Resolution sofort abgefaßt werde» muß.
456
falls ihm ein ewiges Stillschweigen damit auferlegt werden
würde. Ist dagegen bb) die Diffamation nicht bescheinigt, so wird Provokant,
unter Verurtheilung in die Kosten, abgewiesen,
b) Erklärt Provokat, daß er den gerügten Anspruch allerdings zu haben vermeine;
behauptet aber zugleich, daß er deshalb entweder gar nicht, oder doch nicht in
der gesetzten, sondern erst in einer längern, bestimmten oder unbestimmten Frist
klagen dürfe; i) so kommt es auf die Thatsache der Diffamation, wenn sie auch
geläugnet wäre, nicht weiter an. Vielmehr muß Provokat blos über die Gründe
jener Erklärung, so wie Provokant mit seiner Erwiderung darauf gehört,, und
die dabei vorkommenden Thotsachen müssen so weit ins Licht gesetzt werden, als
erforderlich ist, um dem Richter die nöthigen Data zu verschaffen, woraus er
die Weigerung des Provokaten, die Klage überhaupt anzustellen, rechtlich beur-
theilen, oder einen verhältnißmässigen Zeitraum zur Anstellung dieser Klage fest
setzen könne. HiernSchft wird, ohne ferneres Verfahren, erkannt. Ist dabei sa)
die Verbindlichkeit des Provokaten zur Anstellung der Klage überhaupt streitig;
so muß der Richter nach gesetzlichen Vorschriften darüber, wie gewöhnlich, spre
chen. Soll aber bb) nur der Zeitraum, innerhalb dessen die Klage anzustellen
sei, festgesetzt werden; so muß ihn der Richter nach Bewandniß der Umstände
und pflichtmässigem Ermessen dergestalt bestimmen, daß zwar auf der einen Seite
Provokant nicht ohne Roth in Ungewißheit und Verlegenheit bleiben dürfe; auf
der andern aber auch Provokat mit Anstellung der Klage, wenn dieselbe be
sonders Grundstücke und gewisse daran prätendirte Rechte, oder weitläufige, ihrer
Natur nach verwickelte, Fideikommiß- oder sonstige Familienangelegenheiten be
trifft, nicht übereilt, vielmehr ihm die zur Vorbereitung und zur Beschaffung
der Nachrichten und Beweismittel hinlängliche Zeit gelassen werde.
Gestattet der Richter dem Provokaten eine längere Frist, als Provokant an
trägt, und ergeben die Verhandlungen, daß Provokant auf Beschleunigung der
Klage um deshalb dringt, weil er bei längerem Verzuge den Verlust seiner Be
weis- und Vertheidigungsmittel besorgt; so muß der Richter bei Erlaß des die
längere Frist bestimmenden Urtels zugleich anordnen, daß in der Zwischenzeit der
Beweis des Provokanten gemäß Tit. 9, §. 262 zum ewigen Gedächtniß aufge
nommen werde. — K. 9 bis 21, I. 32 A. G. O. ,
II. Ist gemäß 7. Nro. 1 Kontumazialbescheid ergangen; so findet dagegen
nach Maasgabe des Z. 189 das Rechtsmittel der Restitution statt. In
den Fällen unter I. Nro. 2, 3 u. 4 «. ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. 2)
Dagegen ist in den Fällen Nro. 4d., es betreffe nun das Erkenntniß die streitige
Schuldigkeit des Provokaten, die Klage anzustellen, oder die Bestimmung des Zeit
raums dazu, die Appellation gestattet.^) Die Frist zu deren Anbringung ist
die gewöhnliche (Z. 185, II. 18S). Das Verfahren in der Appellationsinstanz muß
aber besonders beschleunigt werden. Revision ist niemals zulässig; jedoch die
Richtigkeitsbeschwerde nicht ausgeschlossen. — Z. 17, Z. 9, 22 a. a. O.
Wirkung des Diffamationsurtels und Verfahren Behufs wirklicher
Präklusion.
z. 3«S. I. Steht durch Resolution «der rechtskräftiges Erkenntniß iH. 304, I.
1) Z. B. wenn der Anspruch erst in der Folge fällig wird, oder von einem unbe
stimmten noch nicht eingetretenen Ereigniß abhängt.
«) Gegen die gemäß §. 304, Nro. 2 u. 3, I. abgefaßten Resolutionen ist selbst auf
Grund der Jnstr. vom 7. April 1839 Nro. 23 die Nichtigkeitsbeschwerde nicht
zulässig.
») Vorausgesetzt, daß der Beschwerdegegenstand 50 THIr. übersteigt, da sonst nur
Rekurs gestattet werden könnte.
457
Nro. 1, Z u. 4) fest, daß Provokat die angemaßte Klage innerhalb eines gewissen
Seitraums anzustellen schuldig sei, und läßt derselbe diesen Zeitraum, ohne der An
weisung Folge zu leisten, verstreichen; so kann Provokant nunmehr auf wirkliche
Präklusion des Provvkaten damit antragen. — Der Antrag muß bei
demselben Richter, welcher die Schuldigkeit zur Anstellung der Klage festsetzte, ge«
schehen, und durch ein Attest des Gerichts, bei welchem geklagt werden sollte, dar
über, daß die Klage wirklich nicht eingekommen sei, begründet werden. — Z. 23,
24 a. a. O.
II. Dem Provokaten wird darauf eine endliche präklusivische Frist, innerhalb
deren er die Klage wirklich anstellen müsse, und zugleich ein Termin bestimmt, in
welchem er die Befolgung dieser Auflage durch ein Attest des Gerichts,- bei welchem
geklagt werden soll, nachzuweisen habe'). Wenn nun
1) Provokat innerhalb der präklusivischen Frist, oder auch im Termin selbst, erheb
liche Ursachen, warum er an Anstellung der Hauxtklage ohne seine Schuld noch
immer verhindert worden, nachweist; so muß der Richter, wenn er namentlich
auf einen, der, Z. 304, l. Nro. 4. b. bd. beschriebenen, weitläufigen, verwickelten,
und in entfernte Zeiten zurückgehenden Realansprüche ankommt, den Provokan
ten über die beantragte Verlängerung der Frist und deren Ursachen kurz und
summarisch zum Protokoll hören, und hierauf erkennen. Erachtet er s) dai
Verlängerungsgesuch für begründet; so setzt er im Urtel fest: wie
lange dergleichen Verlängerung dem Provokaten noch zu statten
kommen solle. Hält er b) die Ursachen der gebetenen Verlänge
rung für unerheblich; so faßt er sofort das Präklusionsurtel dahin ab:
daß dem Provokaten mit dem gerühmten Ansprüche, und der des
halb sich angemaßten Klage nunmehr ein ewige« Stillschweigen
aufgelegt werde.
In beiden Fällen unter s und b ist gegen das Urtel, welches übrigens, wie
jedes Urtel den Parteien zugefertigt wird (Z. 183), Appellation zulässig.
Doch muß das Verfahren zweiter Instanz besonders beschleunigt werden. Gegen
das Appellationsurtel ist Revision nicht gestattet, die Nichtigkeitsbeschwerde
jedoch nicht ausgeschlossen.
2) Meldet sich dagegen Provokat weder vor, noch in dem anberaumten Termin, und
bescheinigt auch die wirklich erfolgte Anstellung der Klage nicht; so muß ohne
ferneren Verzug das, dem Provokaten ein ewiges Stillschweigen auf,
, erlegende, Präklusionsurtel abgefaßt, und den Parteien zugefertigt wer
den. Gegen dasselbe ist kein Rechtsmittel zulässig.
3) Ist die im Falle unter Nro. 1. s zugestandene verlängerte Frist fruchtlos ver
laufen; so muß der Richter des Provokationsprozesses auf eine darüber gesche
hene, nach Nro. I. bescheinigte Anzeige des Provokanten das PräklusionS-
erkenntniß wirklich abfassen, und den Provokaten zu dessen Publikation
vorladen. 2) Wird auch im Publikationstermin selbst die erfolgte Anstellung der
Klage nicht bescheinigt, so verfährt der Richter ohne den geringsten ferneren
>) Weist Provokat dies nach, so wird hiervon dem Provokanten Nachricht gegeben,
und die Sache bleibt auf sich beruhn. Ein den Provokanten abweisendes Er-
kenntniß kann nicht abgefaßt werden. Dagegen kann, wenn Provokat seine Klage
angestellt, später aber wieder zurückgenommen hat, Provokant unzweifelhaft von
Neuem auf Abfassung des Präklusionsurtels antragen. — 65 Res. vom 20. Juni
1837. Mannkopf A. G. O. II. S. 7V7.
s) Diefer Publikationstermin ist nöthig, da auf den bescheinigten Antrag des Pro
vokanten sofort, und ohne Termin das Prüklusionserkenntniß abgefaßt wird, dem
Provokaten durch jenen Termin also noch Gelegenheit gegeben werden muß, die
den Antrag des Provokanten begründenden Anführungen zu widerlegen.
458
Verzug mit der wirklichen Eröffnung des PräklusionSurtelS, gegm welches eben
falls kein Rechtsmittel zulassig ist. ' ) — §. 25—29 das.
Achter Abschnitt.
Bon Depositionsklagen.
K. 308. I. Durch eine rechtmässige gerichtliche Deposition der schuldigen Summe
oder Sache wird der Schuldner und dessen Bürge, so wie durch wirkliche Zahlung
oder Uebergabe, von der Verbindlichkeit frei. — Auch bei unbeweglichen Sachen hat
die rechtmässige Uebergabe zur gerichtlichen Aufsicht und Verwahrung die Wirkung,
daß der Verpflichtete dadurch seiner Verbindlichkeit entledigt werde. In beiden
Fällen muß mithin, wenn die bezeichneten Folgen eintreten sollen, die Deposition
rechtlich begründet, d. h. die Zahlungs - oder Leistungszeit muß eingetreten, der Ver
pflichtete aber aus erheblichen Gründen, und ohne sein Hinzuthun, verhindert sein,
pflichtmassig an den Berechtigten oder dessen legitimirten Vertreter zu zahlen oder
zu leisten.
Fälle solcher Verhinderung können hauptsächlich eintreten:
1) wenn die Zahlung oder Uebergabe wegen eines in der Person des Berechtigten
sich findenden Hindernisses, namentlich weil dieser oder sein Bevollmächtigter zur
Ersüllungszeit am Orte der Erfüllung nicht zu finden, oder weil er oder sein
Bevollmächtigter zum Empfange der Zahlung oder Uebergabe nicht gehörig legi,
timirt ist, ») nicht erfolgen kann;
2) wenn der Berechtigte die Annahme der Zahlung oder Uebernahme der Sache aui
einem unerheblichen «der doch zweifelhaften Grunde verweigert, namentlich »)
. wenn der Schuldner die Richtigkeit des Grundes des Anspruchs zum Theil läug-
net, und der Gläubiger den anerkennenden Theil desselben, auch mit Vorbehalt
seines Rechts wegen des streitigen Ueberrestes nicht annehmen will; K) wenn
einer von mehren nur auf ihren Antheil verpflichteten Schuldnern den seinigen
dem Gläubiger anbietet, und dieser die Annahme verweigert. — Z. 213, 2lS,
216, 218—220, 234, I. 16 A. L. R.
II. Ein demgemäß unterstütztes Gesuch um gerichtliche Verwahrung oder Auf-
1) Z. B. wenn der Bürge gegen den Gläubiger wegen eingetretener Zahlungszeit
oder sonst aus Befreiung von der Bürgschaft dringt.
2) Beim Diffamationsprozcß ist ein Zwang zur Anstellung der etwa gleichzeitig zu
ständigen Negatorienklage nicht zulässig. — <2s. Res. vom 25. August 1S34.
Gräff, Koch zc. III. S. 714.
») Dahin gehört auch der Fall, wenn der letzte Inhaber einer Sache den, von
welchem der Gewahrsam auf ihn übergegangen, nicht kennt, und die Legitima
tion des, als letzten Besitzer sich gerirenden ihm zweifelhaft ist. Z. 167, 168, l.
7 A. L. R.; ferner, wenn die Zession einer Forderung unter einer aufschieben
den oder auflösenden Bedingung geschehe», und Schuldner vor ausgemachter
Sache zahlen muß oder will; K. 417, 418, I. II das., ferner, wenn der Wech
selinhaber vor der Zahlung gestorben, und die Erben dem Schuldner Legitima
tion nicht vorlegen können. H. 892 fg. II. ö das. ,e.
4S«
ficht muß beim Gerichte des Zahlungs- resp. Leistungsorts >) angebracht werden.—
z. 214 a. a. O.
III. Das Gericht muß 1. in dem Falle, wenn der Depositionssucher bei sei
ner Vernehmung beharrlich versichert, daß er weder den Gläubiger, noch seinen Be
vollmächtigten, aller angewendeten Bemühungen ungeachtet, habe finden können, die
Deposition, jedoch mit Vorbehalt der Rechte des Gläubigers, veranlassen;
2. es muß dagegen, wenn Deposition um deshalb gesucht wird, weil der Gläu
biger die Annahme verweigert, oder weil der Verpflichtete die Legitimation des zur
Zahlungszeit am Zahlungsorte gegenwärtigen Gläubigers oder seines Bevollmächtig
ten bezweifelt, vorerst schleunigen Termin zur Vernehmung des Gläubigers oder
dessen Bevollmächtigten über die vorgeschützte Ursache der verweigerten Annahme,
resp. über die bemängelte Legitimation ansetzen, und dazu auch den Verpflichteten
vorladen.
Können im Termin die Gründe für oder wider die Rechtmässigkeit 2) der De
position nicht sofort klar gemacht werden; so muß der Richter die Deposition auf
Gefahr des unterliegenden Theils gestatten. — Z. 217, 221—231 a. a. O.
IV. Im Mangel einer Einigung zwischen den Parteien wird in beiden Fäl
len III. Nro. 1 u. 2 da, wo es zur Deposition kommt, die Sache zum prozessua
lischen Verfahren eingeleitet, und über die Depositionsgründe verhandelt und er
kannt. Schwebt jedoch in Betreff der Verbindlichkeit selbst ein Prozeß; so gehört
die Verhandlung über die Depositionsgründe in diesen Hauptprozeß, wenn derselbe
auch vor einem andern, als dem Depositionsrichter, schwebte; und es muß in sol
chem Falle das Erkenntniß über die Rechtmässigkeit oder Unrechtmössigkeit der De
position bis zum Urtel in der Hauptsache ausgesetzt werden. Gegen die Entschei
dung über das Depositionsgesuch finden die gewöhnlichen Rechtsmittel statt. —
K. 224, 225 a. a. O.
V. Wird die Deposition 1. für gerechtfertigt erachtet; so hat dies, vorausge
setzt, daß dieselbe wirklich geschehen ist, zur Folge, daß s) die Gefahr der gerichtlich
niedergelegten Sachen) auf den Gläubiger übergeht; und b) daß der Schuldner
vom Tage der Präsentation seines Gesuchs von Aögcrungszinsen, Konventionalstrafe,
und andern nachtheiligen Folgen des Verzuges frei wird. Erfolgt aber
2. die Verwerfung des Depositionsgesuchs, weil Gläubiger die Annahme aus recht
mässigen Ursachen verweigert hat; oder weil die gegen die Legitimation erhobenen
Zweifel unerheblich sind; oder weil die Versicherung des Deponenten, daß er am
Zahlungsorte weder den Empfänger, noch dessen Bevollmächtigten vorgefunden, wi
der besseres Wissen abgegeben; so vertrit die Deposition nicht die Stelle der Zah
lung oder Uebergabe, dieselbe ist vielmehr auf Gefahr und Kosten des Schuldners
geschehen.
3. Die nur zum Tbeil geschehene Niederlegung der Schuld kann die Stelle
der Zahlung nur dann vertreten, wenn der Gläubiger Abschlagszahlungen anzuneh
men verbunden gewesen wäre. — Z. 22S—232, 217 a. a. O.
i) Sind an diesem Orte mehre Gerichte, so hat der Schuldner unter denselben die
Wahl. Hat die Deposition bei einem inkompetenten Gericht stattgehabt; so ist
keine rechtmässige Deposition vorhanden.
») Daraus folgt, daß, wenn die Unrechtmössigkeit der Deposition klar erhellt, daö
Depositionsgesuch ohne Weiteres durch Verfügung zurückgewiesen werden muß.
Bornemann (System 3, S. 607) ist andrer Ansicht.
») Nur die wirklich erfolgte Deposition, nicht aber schon das Anerbieten der Erfül
lung, befreit den Schuldner vom Zufalle, der die zu übergebende Sache trifft.
Bornemann (Rechtsgeschäfte S. 334 und System Bd. 2, S. 269 fg.) be
hauptet das Gegentheil.
461
VI. Will dcr Schuldner wegen noch streitiger Gegenforderungen seine Schuld
dcponiren, so kann er nur unter den Erfordernissen eines Arrestschlages zugelassen
«erden. Die Deposition geschieht dann beim Richter des Arrestes, und bei Ver
handlung darüber kommen die Vorschriften des 6ten Abschn. d. T. zur Anwen
dung. — §. 22S a. a. O.
Neunter Abschnitt.
»om «onfiskationsprozeß.
Einleitung.
Z. 309. Die Konfiskation des Vermögens trit stäts als Strafe für ein
Vergehen oder Verbrechen ein. > ) Sie wird daher in der Regel durch ein Straf,
erkenntniß ausgesprochen. Sie betrifft entweder nur gewisse Vermögensstücke, wie
dies bei Kontrabande, bei Soll- und Akzisedefraudationen , bei Jagdkontraventio-
nen u. s. w. der Fall ist; oder das ganze zeitige und künftige Vermögen, wie beim
Hochverrath und Landeiverrath erster Klasse.
Nur in zwei Fällen wird im Wege des Zivilprozesses vom Zivilrichter auf völ
lige Vermögenskonfiskation erkannt. Dies geschieht, 1. wenn ein hiesiger Unterthan,
der sich in dem Alter von 17 bis 25 Jahren 2) befindet, die hiesigen Staaten er
weislich oder vermuthlich in der Absicht, um sich der Militairpflicht zu entziehen,
gänzlich verlassen hat.»)
Wirkliche Deserteurs, d. h. solche Flüchtlinge, welche bereits den Eid als Sol
daten geleistet haben, ingleichen solche, welche schon aufgehoben, oder zur Einrangi-
rung beordert, obwol noch nicht vereidet Hnd, gehören jedoch nicht hierher, da über
dieselben von den Kriegsgerichten geurtheilt wird. Nur die Vollstreckung der gegen
die Deserteurs auf Konfiskation lautenden Erkenntnisse gehört demnächst vor den
kompetenten Zivilrichter.
2. Diesem steht ferner das Erkenntniß gegen ausgewanderte Königl. Vasallen ^ )
zu, wenn auf Vermögenskonfiskation gegen sie um deshalb angetragen ist, weil ihre
Auswanderung ohne Erlaubniß des Staats geschehen ist. — Gegen andre als KS«
1) Deshalb trit auch nicht die 44jährige, sondern die Verjährung der Verbrechen
ein, also bei blossen Geldstrafen die 5jährige, bei gänzlicher Vermögenskonfisko-
tion die 20jährige. Das Gegentheil scheint auszusprechen das Res. vom 9. No,
vember 1821 v. K. Ann. 5, S. 993.
2) Wenn ein in dem bezeichneten Alter Befindlicher austrit, so spricht die Vermu»
thung immer dafür, daß er sich in dcr Absicht, sich der Militairpflicht zu entziihen,
entfernt, da Jeder Inländer in diesen Jahren seiner Militairpflicht gnügen, oder
das Unfähigkeitsattest erlangen muß. Nur die Familienglieder der Stande?«
Herrn sind von der Militairpflicht frei.
») Gegen Militairpflichtige, welche vor Publikation des Gesetzes vom 15. Septbr.
1813 und vor erreichtem 25tcn Lebensjahre ausgetreten sind, findet die Vermö-
genskonfiskation nicht statt. Andern, welche in dem Alter von 17 bis 25 Jah
ren ausgetreten, find derselben jedoch unterworfen, wenn sie auch bei Anstellung
der Konfiskatisnsklage bereits das 25te Lebensjahr überschritten hatten. — Res.
vom 19. Januar 1829 v. K. Ann. 13, S. 177. Gutachten des Geh. Ob. vom
13. April 1835. Hinschius 1840 S. 687 fg.
4) Das Ref. vom 4. April 1803 (Rabe 7, S.41S) bezeichnet als „schlcsische Va
sallen" alle adeliche und bürgerliche Rittergutsbesitzer, deren Söhne, Unbegüterte
von Adel wegen ihres persönlichen Nexus, Frauenzimmer adelichen Standes,
und die Besitzer nttermöfsiger ScholtisM.
3«
462
«igl. Vasallen kann weg« verbotenen Auswandern« ' ) nur auf Geldstrafe bis öS Thlr.,
und in sofern sie Nach einem Staate ausgewandert sind, in Bezug auf welchen Ab
fahrtsgeld erhoben wird, ausserdem auf den vierfachen Betrag des entzogenen Ab-
fahrtsgeldes erkannt werden. — K. 1—3, 4«, I. 36 A. G. O. — K. 95, 103,
285, 319 Str. R. — z. 139—141, II. 17 A. L. R. — Berord. vom 15. Septem
ber 181« GS. S. 175.
Vom Verfahren gegen ausgetretene Militairpsiichtige.
Bei welchem Gericht, von wem, und in welch-er Art und Weise die
Konfiskationsklage anzubringen nnv zu begründen sei.
Z. 310. I. Der Konfiskationsprozeß gegen ausgewanderte Militairpflichtige muß
allemal bei demjenigen Landesjustizkollegio, in dessen Bezirk der Mi
litairpflichtige vor seiner Auswanderung den Wohnsitz hatte, angestellt werden. —
§. 4, I. 36 A. G. O.
II. Zur Begründung der Konfiskationsklage gehört
Z) die nähere, mit Beweismitteln unterstützte Angabe, daß Provokat ohne Genehmi
gung des Staats die hiesigen Lande verlassen, oder daß wenigstens die Bermu-
thung dafür vorliege; so wie
2) der Nachweis, daß derselbe zur Zeit der Entfernung im militaZrpflichtigen, als«
in dem Alter von 17 bis 25 Jahren sich befand. Ist der Beklagte zur Zeit
der Klage noch minderjährig; so wird sein Bormund mit belangt.
Die Vermuthung dessen, daß Jemand die hiesigen Lande verlassen habe, ist
dann als vorhanden anzunehmen, wenn Jemand ohne Erlaubniß der Staatsbe
hörden, oder zwar mit Erlaubniß derselben, sei es nun mit Wanderpaß, Sesin-
deschein oder dergl., aber über die darin gestellte Frist hinaus, sich aus seinem
Geburts- oder bisherigen Wohnorte entfernt hat, Äber seinen Aufenthalt weder
der Obrigkeit, noch den Verwandten und Angehörigen, noch andern Zurückgeblie
benen Nachricht ferner zukommen läßt, und sein Aufenthalt von der Obrigkeit durch
Nachfragen bei andern Behörden, den Aeltern, Vormündern, «der Verwandten und
durch weitere Erkundigungen nicht ermittelt werden kann. ') — K. K—17 a. a. O.
III. Im Konfiskationsprozeß trit Fiskus als Kläger auf. Die Konfis
kationsklage muß daher von der betreffenden Königl. Regierung selbst oder durch
ihren Vertreter angebracht werden. Dies soll in der Regel in der Art geschehen,
daß die Königl. Regierung alle in ihrem Bezirk vorkommenden dergl. Klageföur
eines ganzen Jahres in Einer Klage zusammenfaßt. Dahin gehören aber nicht blos
1) Die Gesuche um Erlaubniß zur Auswanderung müssen bei der betreffenden Re
gierung angebracht werden.
2) Das Abfahrtsgcld besteht in der Regel m einer Abgabe von 10 vom Hundert
des auszuführenden Vermögens. Doch wird es in Bezug auf wenige Staaten
ausgeübt; namentlich nicht in Bezug auf die teutschen Bundesstaaten (nur von
. den Provinzen Preuffen und Posen wird es rückfichtkich der freien Städte: Frank
furt, Lübek und Bremen und von Privatberechrigten in diesen Provinzen auch
noch gegen Baden ausgeübt). Ferner findet kein Abfahrtsgeld Anwendung in Be
zug auf Frankreich, die Schweiz; Belgien; die Niederlande; Sardinien; Däne
mark; Neapel und Sizilien; Rußland und Polen ; die öftreichfthen Staatenz Eng
land; Spanien und dessen jetzige und vormalige Kolonren; Schweden und Nor
wegen; Toskana; Krakau; Parma; Piacenza nnd Quastslka; Moden«, Reggio und
Mirand«la;Lukka;demKirchenftaate; Portugal; Türkei; die nordaMerik.Freistcmten.
s) Der fiskalische Anwalt muß deshalb, auf Erfordern des Gerichts, eine iandräth-
liche Bescheinigung darüber beibringen, daß die feiires Aufenthalts wegen ange
stellten Nachforschungen fruchtlos gewesen. — Res. vom 22. August 1812. Jahrb.
1, S. 249. Res. vom 27. Jan. 1823. Grass zc. UI. S. 909. Res. vom
IS. Juni lSSS v. K. Ann. M, S. 452, ^ . «
463
Fälle, in denen der entwichene Militairpflichtige Vermögen zurückgelassen, sondern
auch unvermögende, weil auch das künftige Vermögen, z. B. ctwanige zu erwar
tende Erbanfälle konsiszirt werden. — Zieht es jedoch die König!. Regierung aus
dem Grunde, um die Sicherstellung des zurückgelassenen Vermögens zu veranlassen,
vor, gegen vermögende Provokaten die Klagen einzeln einzureichen; so müssen die
Gerichte gemäß §. 311, I. Nro. 2 die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln von Amts
wegen treffen, und die Vorladung der Beklagten selbst bis zum Eingang der, nach
Obigem periodisch zu gewärtigendcn, allgemeinen Klage aussetzen. Doch haben die
Regierungen die Befugniß, wenn sie es dem fiskalischen Interesse angemessen finden,
auf sofortige Separatinstruktion einer einzelnen Sache anzutragen. — Res. vom 8.
Januar und 3. Juni 1836. Jahrb. 47, 5S0. — Res. vom 7. März u. 13. Sept.
1827 v. K. Ann. 11, S. 275, 782.
IV. Wenn die Gerichte bei Anträgen auf Todeserklärung und den deshalb
angestellten Ermittelungen oder bei Erbtheilungen, bei Publikation von Testamenten,
oder bei andern gerichtlichen Verhandlungen wahrnehmen, daß ein Fall vorliegt, in
welchem ein Antrag auf Vermögenskonfiskation begründet werden könnte; so müssen
sie wegen Slcherstellung des zurückgelassenen Vermögens des Ausgetretenen sofort
das Nöthige von Amtswegen verfügen, und den Fall, wenn es ein Untergericht ist,
dem Kreislandrath, in Städten mit Polizeipräsidenten, aber diesem mit dem Ersu
chen, der Regierung Bericht abzustatten, wenn es ein Obergericht ist, der Regierung
unmittelbar mittheilen. — §. 25 u. Anh. §. 271, Tit. 36, I. A. G. O. — Res.
vom 14. November 1831 und 25. Juni 1834. Jahrb. 38, S.383. Bd. 43, S. 546.
V. Da die Strafe der Konfiskation dafür eintrit, weil ein Militairpflichtiger.
sich durch Entfernung ins Ausland seiner vaterländischen Militairpflicht entzogen
hat, so ist die Konsiskationsklage dann nicht zulässig,
1) wenn Beklagter vor Entfernung bereits seiner Militairpflicht genügt hat;?)
2) wenn er wegen Gebrechlichkeit oder sonst davon durch die betreffende Kantonkom-
Mission ausdrücklich für befreit erklärt;
3) wenn nachgewiesen ist, daß er wegen kleiner Statur zum Kriegsdienst nicht taug
lich war, 2) und
4) weim er erweislich, bevor der Konfiskationsprozeß anhängig wurde, gestorben.
Die gerichtliche Todeserklärung hindert die Anstellung der Konfiskationsklage
nicht. Fiskus trit dann vielmehr, trotz der Todeserklärung so lange an die Stelle
des für todt Erklärten, Behufs Erhebung seiner Erbschaften, bis die Interessenten
nachweisen, daß derselbe natürlichen Todes gestorben, oder daß er mehr als 70 Jahre
wäre, wenn er noch lebte. Weist Fiskus aber nach, daß der mehr als 70jährige
Entwichene beim Erbanfall noch lebte, so gebührt der Erbanfall dem Fiskus. —
§. 18-24, Anh. Z. 270, I. 36 A. G. O.
VI. Beim Antrag auf Vcrmögevskonfiskation und bei Vorladung des Ausge
tretenen ist übrigens in Fällen, wo der Aufenthalt des Beklagten in einem auswär
tigen Lande bekannt ist, auf die mit der Regierung dieses Landes etwa bestehende»
Verträge und Kartelkonvcntionen die nöthige Rücksicht zu nehmen. D« betreffen
den Verwaltungsbehörde steht frei, da, wo Reklamation des Ausgetretenen zulässig,
diese, oder den Konfiskationsprozeß zu wählen. Hat sie den Rcklamationsweg gc-
1) Dies gilt namentlich auch von Lsndwehrmäunern.
2) Das Res. vom 13. März 1815 will diesen Grund mit Rücksicht auf die jetzige
Militairverfaffung nicht mehr gelten lassen. Doch ist die Bestimmung des §. 2t,
Tit. LS, I. A. «. O. bis jetzt nicht aufgehoben, und mmz «och als bindendes
Gesetz anerkannt werden.
s) Die von der teutschen Bundesversammlung allgemein angenommene Kartelkon«
vention ist durch Puhl. Pat, v°m 12. März 1831 veröffentlicht; (GS. S, 41)
30*
464
wählt; so trit dennoch nach fruchtlosem Versuch desselben der Konfiskationsprozcß
ein. — §. 34, I. 36 A. G. O. — Res. vom 11. Juni 1793 und 14. August ISO«.
Rabe Bd. 6, S. 225 fg.
und unterm 15. Juni 1832 (GS. S. 177) und 29. Mai 1834 (GS. S. 177)
deklarirt.
1) IDarunter wird sowol das inländische als das ausländische verstanden. Anh.
8. 272 A. G. O.
s) Nach dem Res. vom 24. Mai 1833 bezieht sich dies jedoch nicht auf Vermögen,
welches der Verurtheilte später, wenn er zurückkehrt, sich erwirbt, v. K. Ann.
17, S. 544.
s) Ergehen von einem Militairgericht an Zivilgerichte Requisitionen wegen Sicher
stellung des Vermögens eines Deserteurs; so muß denselben unweigerlich Folge
geleistet werden, sofern nichts Ungesetzliches verlangt wird. — Res. vom 26. Mai 1841
I. M. B. S. 192.
465
bung !n die Jntelligenzblötter oder den Anzeiger des Amtsblatts') volle zwölf
Wochen frei bleiben. — §. 31—33, 35 a. a. O. — §. 2204, 2205, II. 8. Zl. L. R.
III. Die Anfertigung der Vorladung an den Beklagten erfolgt, wenn
sein Aufenthalt bekannt ist, auf die Z. 58, I. und 59, IV. (S. 11« fg. u. 114 sg.)
vorgeschriebene Art. Dort ist auch gesagt, was zum Nachweis der geschehenen Zu,
fertigung als ausreichend zu erachten.
Hält sich der vorzuladende Beklagte in Nordamerika an einem bekannten Orte
auf, so haben sich die Gerichte wegen der Uebermachung und Bescheinigung der Vor
ladung an den Gesandten in Hamburg zu wenden.
Ist der Ausgetretene in England, so muß die Vorladung durch Requisition des
Postamts zu Hamburg weiter befördert werden.
Befindet sich der Beklagte in Rußland, und ist sein Aufenthalt bekannt; so ge-
schieht die Behändigung der Vorladung an seine Verwandten. — §. 32 Anh. K. 273,
274, I. 36. «. G. O.
IV. Bei den dem Aufenthalt nach unbekannten Ausgetretenen geschieht die
Vorladung durch Ediktalladung. Sind Mehre vorzuladen, so ist die La
dung dieser Mehren zur Kostensparung in Eine Bekanntmachung zusammen zu fas
sen. Die Ediktalladung gcschicht in der §. 56, II. Nro. 4. s bis c vorgeschriebenen
Art und unter Berücksichtigung der 12wöchentlichen Frist bis zum Termin. In die
dort bezeichneten öffentlichen Blätter wird sie unter gleichen Modifikationen drei
Mal, und zwar 12 Wochen vor dem Termin, drei Wochen und 6 Wochen darauf
eingerückt. — §. 35, Anh. Z. 275 a. a. O.
V. Die Bekanntmachung des Termins an die etwa vorhandenen, dem Gericht
bekannten Aeltern, Vormünder, Ehegatten oder Geschwister des Beklagten, wird ge
gen Behändigungsschein auf die gewöhnliche Weise zugestellt. — Z. 32, 35 a. a. O.
Zehnter Abschnitt.
»o« Beefah«» gegen »erscho«ent. (Todeserklärungen.)
Wann, von wem und bei welchem Gericht die Hlage anzustellen.
Z. 314. I. Die Todeserklärung eines Mensche», dessen Leben und Aufenthalt
unbekannt ist, dessen Tod aber nicht festgestellt werden kann, ist in der Regel nö-
thig, wenn es sich
^, entweder um eine Rachfolge in sein Vermögen, oder
L. darum handelt, daß der Verschollene in Bezug auf die von Andern herrüh
renden Erb- und sonstigen Vermögensanfälle') Gleich - «der Rachberechtigten nicht
H S. B. in Bezug auf Zideikommisse, Lehne u. dgl.
463
ün Wege stehe. Ausnahmsweise wird eine förmliche Todeserklärung in folgenden
Fällen entbehrlich:
4) Kommt es darauf an: ob Jemand einen gewissen Erb« oder andern Anfall noch
erlebt habe; so wird vermuthet, daß ein Mensch, von dessen Leben oder Tode
keine Nachricht zu erhalten ist, nur siebzig Jahre alt geworden sei.
2) Zum Beweise des Todes ist hinreichend, wenn Jemand im Kriege eine schwere
Wunde erhalten hat, und innerhalb eines Jahres, nach geschlossenem Frieden,
von seinem Leben und Auftnthalte keine Nachricht eingegangen ist.
3) Gleiches findet statt, wenn das Schiff, auf welchem ein Mensch sich befand, gänz
lich untergegangen ist,') und drei Jahre nachher verflossen sind, ohne daß etwas
von feinem Leben und Aufenthalte bekannt geworden. 2)
4) In Berreff der in den Meyerfchen Listen, über die aus dem Feldzuge vom
Jahre 1812 im Russischen Reich zurückgebliebenen oder sonst in Rufsische Ge
fangenschaft gerathenen Militairpersonen, als todt Aufgeführten, gnügt zum
Nachweise des Todes ein, von einem Obergericht, oder von einem derjenigen
Untergerichte, bei welchen getreue Abschrift der Meyerfchen Liften verwahrt ist,
auf Grund derselben 'ertheilter Todtenschein. Ist in den Meyerfchen Listen
nicht der Tag des Todes, sondern nur das Jahr allein angegeben, so ist der
31. December des angegebenen Jahres als Todestag anzunehmen. Ist ausser
dem Jahr auch der Monat angegeben z so gilt der letzte Tag dieses Monats für
den Todestag. Geht aber daraus gar keine Zeit des Todes hervor; so soll der
31. December 1814 als der Todestag angenommen werden.
Es ist jedoch hierbei überall die in Rußland übliche Zeitrechnung zu verste
hen, und darnach der Todestag zu berechnen, da solche in den Meyerschen
Nachrichten zum Grunde gelegt worden.
5) Ist der wirklich erfolgte Tod einer aus den Kriegen von 1806 bis 1815
nicht zurückgekehrten Militairperson durch einen über alle Einwendung
erhabenen Zeugen, auf den Grund eigner Wahrnehmung, bekundet; so soll
der Beweis dieses Todes für vollständig geführt erachtet werden, wenn derje
nige, welcher bei der Beweisführung das nächste Interesse hat, diefe Bescheini
gung noch durch einen Eid dahin bestätigt:
daß er von dem Abwesenden und dessen Leben und Aufenthalt seit dessen
Verschwinden, oder wenigstens seit dem 20. November 1315 keine Nach
richten erhalten habe. — Z. 34—33, I. A. L. R. — Ges. vom 22. Mai
, 1822. GS. S. 143. Res. vom 17. September 1832. Jahrb. 4«, S. 155.
II. Zum Antrage auf Todeserklärung eines Menschen sind zunächst seine be
kannten nächsten Verwandten berechtigt. Wollen diese nicht darauf antra
gen, oder sind keine Verwandten des Verschollenen bekannt; so muß die Vormund
schaftsbehörde den Abwesenheitsvormund zum Antrage auf Todeserklärung
anweisen.«) — §. 3 Anh. §. 282, Tit. 37, I. A. G. O.
>) Der Nachweis des Schiffsuntergangs muß überzeugend sein. Ist nicht das
Schiff, sondern nur ein einzelner Mensch darauf untergegangen; so liegt dieser
Fall nicht vor. — <«s. Res. vom 17. Septbr. 1832.
s) Die Vermuthung ist hier dafür, daß der Vermißte mit dem Schiff, und unter
Nro. 3 dafür, daß er im Kriege umgekommen. Der Todestag wird daher auf
den Tag des Schiffsuntergangs und rcfp. des beendigten Kriegs festgefetzt wer
den müssen.
») Die Wahl und Verpflichtung eines Abwesenheitsvormundes ist in der Regel schon
früher, und namentlich dann nöthig, wenn die Besorgung und Erhaltung des
zurückgelassenen Vermögens es fordert. Ist dies nicht so dringend, so wird ein
Jahr, binnen welchem vom Abwesenden keine Nachricht eingeht, abgewartet. Hat
jedoch der Abwesende einen Bevollmächtigten zurückgelassen, so besorgt dieser die
469
III. Die Verhandlung und das Erkenntniß im Todeserklärungsprozeß gehört
vor dasjenige Gericht, unter welchem der Verschollene zuletzt innerhalb der
Königl. Lande wohnhaft gewesen, und wenn er noch nirgends einen Wohnsitz hatte,
vor den Richter der Abstammung. > ) Ist der Abwesende noch im minderjährigen
Alter aus dem Gerichtsstande der Herkunft in einen andern Gerichtsstand gebracht,
und daselbst über ihn, oder über sein zurückgelassenes Vermögen eine Vormundschaft
angeordnet worden; so kann die Todeserklärung im Gerichtsstande der geführten
Vormundschaft verfügt werden.
Im Großherzogthum Posen jedoch gehören alle Todeserklärungsprozesse vor das
Obergericht. — §. Z, I. 37 A. G. O. — II. Nro. Z Ges. vom 16. Juni 1834.
Von der Todeserklärung der aus den Kriegen von 1806 bis 1S15
nicht zurückgekehrten Personen.
§. 315. Kann bei Personen, welche an einem der in den Jahren 1806 bis
1815 geführten Kriege Theil genommen haben, seitdem aber »ermißt werden, ihr
Tod nicht auf eine der §. 313, I. Nro. 2, 4, 5 erwähnten Arten nachgewiesen «er
den z so muß ihre Todeserklärung durch Erkenntniß erfolgen. Doch kommt bei der
gleichen Personen, sie mögen nun als wirkliche Militairpersonen (Kombattanten) am
Kriege Theil genommen, oder als Kricgsbeamte, Knechte, Schanz- und andre Ar
beiter, oder als Ehefrauen, Kinder und Gefinde der Militairs, oder in irgend einem
andern Verhältnisse der Armee gefolgt sein, folgendes vereinfachte Verfahren zur
Anwendung:
1) Zum BeHufe des Nachweises: daß Provokat in irgend einem Verhältnisse der
Armee gefolgt sei, muß der die Todeserklärung ertrahirende Interessent zuför
derst ein Attest der Ortsobrigkeit darüber beibringen. ? ) Doch kann dieser
Nachweis dann, wenn das Attest der Ortsobrigkeit nicht zu erlangen sein möchte,
auch durch jede andre Beweisführung geliefert werden.
2) Sodann muß der Ertrahent eidlich bekräftigen, daß er von dem Leben und
Aufenthalt des Abwesenden seit dessen Gefangennehmung oder Verschwinden im
Kriege keine Nachrichten erhalten habe.
3) Auf den Grund dieses gelieferten Beweises spricht das Gericht die Todeserklä,
rung des Verschollenen durch ein kostenfreies ^) Erkenntniß aus, ohne daß es
einer öffentlichen Vorladung desselben und sonstiger Förmlich
keit des Verfahrens gegen Verschollene bedarf.
4) Der Tag der Rechtskraft des gedachten Erkenntnisses <) wird als der Todestag
des Verschollenen, und in denjenigen Rheinprovinzen, worin das französische Recht
noch gilt, als Tag der definitiven Einweisung der Erben in den Besitz angese-
hen. Die Ehefrauen der Verschollenen in den lctzrgedachten Provinzen erhalten
Angelegenheiten, und, nur wenn die Vollmacht gekündigt oder sonst aufgehoben
wird, oder Fälle vorkommen, auf die sie nicht lautet, muß ein Vormund bestellt
werden. — z. 19 fg. II. 18 A. L. R.
1) ck. z. 2«, S. 37.
2) Nach dem Res. vom 17. Dccember 1829 (GrSff, Koch :c. III. S. 926) sol
len Provokanten, wenn sie nicht diese, sondern eine schwierigere Beweisführung
wählen, nicht gehalten sein, den Nachweis zu führen, daß ihnen jene Beweis
führung nicht möglich sei. — Doch sind die Worte des Gesetzes dem entgegen.
») Die Kostenfreiheit erstreckt sich nicht nur auf das Erkenntniß, sondern auf alle
vor und nach demselben wegen der Todeserklärung erforderlich gewesenen gericht
lichen Verhandlungen und Verfügungen. — Res. vom 7. Oktober 1834. Jahrb.
44, S. 339.
«) Das Res. vom 16. April 1839 (I. M. B. S. 143) hält das Urtel dann für
rechtskräftig, wenn es vierzehn Tage lang öffentlich ausgehangen hat.
4M
durch die Todeserklärung zugleich das Recht, die Trennung der Ehe durch de»
Beamten des Iivilstandes aussprechen zu lassen. — Ges. vom 3. Aug. 182»
GS. S. 93.
Vom Verfahren bei Todeserklärung andrer Personen,
z. 316. I. Andre als die in vorstehenden §Z. bezeichneten Personen könne»
H m der Regel erst dann für todt erklärt werden, wenn von ihrem Leben oder
Tode binnen zehn Jahren keine Nachricht eingegangen ist. Der zehnjährige
Zeitraum läuft s) bei den während der Großjährigkeit Verschollenen von dem
Tage, da die letzte Nachricht eingegangen z oder wenn gar keine Nachricht ein
gegangen, von der Zeit an, da der Abwesende sich entfernt hat, oder vermißt
worden ist; b) bei den vor erreichter Großjährigkeit Verschollenen vom Tage, wo
sie großjährig geworden; e) wenn aber die Abwesenheit eines Verschollenen erst
bei Gelegenheit einer ihm zugefallenen Erbschaft bekannt wird, und kein frühe-
' rer Zeitpunkt, wo er vermißt worden, ausgemittelt werden kann, vom Todes
tage des Erblassers.
2) Ist das Alter, in welchem der Abwesende vermißt worden, nicht bekannt, wol
aber eine gegründete Vermuthung, daß er damals noch minderjäh
rig gewesen fei; so muß, ehe mit Todeserklärung verfahren wird, ein fünf
zehnjähriger, Zeitraum abgewartet werden.
3) Ist der Abwesende erst nach dem fünf und sechzigsten Jahre seines Alters ver
schollen; so kann er nach Verlauf von fünf Jahren für todt erklärt wer
den. — §. «23, 823—833, II. 18 A. L.
Ik. Der Gxttahent der Todeserklärung (Z. 314, II.) kann die Klage schriftlich
oder zu Protokoll anbringen. Klagt der Abwesenheitsvormund; so muß er Autori-
sstion des Vormundschaftsgerichts beifügen. — 8-5, I. 37 A. G. O. — K. 826,
II. 18 A. L. R.
^ »I. Ist die Klage gehörig begründet; so erfolgt Ediktalladung des Verschol
lenen selbst, sowie zugleich der von ihm etwa zurückgelassenen unbekannten Erben
und Erbnehmer. — Nur, wenn seit Entfernung des Abwesenden, oder seit der letz
ten von ihm eingegangenen Nachricht, und falls er bei Entfernung minderjährig,
ftit seinem zurückgelegten vier und zwanzigsten Lebensjahre vierzig Jahre ver
flossen, kann auf Antrag des alsdann vorhandenen nächsten Verwandten die To
deserklärung erfolgen, ohne daß es dazu einer öffentlichen Vorladung des Verschol
lenen oder der etwanigen unbekannten Erben bedarf.
Was 1. den Inhalt der Ediktalladung betrifft; so kommt in Ansehung
ihrer vollständigen aber gedrängten Fassung die Bestimmung K. 56, II. Nro. 2 (S. 106)
zur Anwendung. In ihr ist aufzunehmen,
«) der Grund des Erlasses und Bezeichnung des Verschollenen;
K) ein auf neun Monate in der Art hinauszurückender Termin, baß der neun-
- monatliche Seitraum erst vom Zeitpunkte der ersten Einrückung in die Jntclli-
genzblätter, resp. in den Anzeiger des Amtsblatts, zu laufen beginnt;
c) die Anweisung, daß die Vorgeladenen sich vor oder im Termin schriftlich oder
persönlich melden;
g) die Warnung, daß sonst der Provokat für todt erklärt, die mitvorgeladenen
unbekannten Erben aber mit ihren Ansprüchen an dessen Nachlaß präkludirt
werden würden.
Ist das zurückgelassene Vermögen des Verschollenen, gering, und namentlich we
ttiger als IM Thlr.; so sollen zur Kostensparung, in sofern die Interessenten nicht
e.in Andres ausdrücklich bitten, mehre Verschollene in Einer Ediktalladung zusam
men vorgeladen werden. Die Interessenten können deshalb i» Bezug auf kleinere
471
Untergerichte bei diesen oder beim Obergerichte beantragen, daß düseS die gemein
schaftliche Vorladung der zu verschiedenen Untcrgerichten gehörende« Verschollenen
unter Einem versiigc.
2. Behufs Veröffentlichung der Ediktalladung ist wesentlich nothwendig:
») der neunmonatliche Aushang an der Gerichtsstelle gemäß z. 56, II. 4».
b) die sechsmalige Einrückung von Monat zu 1 > Monat in die Jn-
telligcnzblätter der Provinz, und da, wo solche nicht erscheinen, in den Anzeiger
des Amtsblatts der Provinz, so daß von der letzten Bekanntmachung bis zum
Termin noch l ,> Monat frei bleiben. Im Uebrigen gilt auch hier das g. 56,
U. 4 K Gesagte.
e) Dagegen ist zwar die Einrückung in die Seitungen nicht dergestalt
wesentlich, daß beim Mangel die Abfassung des Uttels unterbleiben müßte.
Doch kann das Gericht s») eine sechsmalige Einrückung in gleichen Zwischen
räumen, wie unter b, in eine Zeitung der Provinz, in welcher das Gericht sei
nen Sitz hat, unter den K. 56, Ii. 4«. erwähnten Umständen veranlassen; und
e«i soll sogar dl>) eine dreimalige Einrückung von Bierteljahr zu Vierteljahr,
so daß von der letzten Einrückung bis zum Termin 3 Monate frei bleiben, in
eine Zeitung derjenigen Königl. Provinz, in welche oder nach deren Gegend der
Verschollene vcrmuthlich oder nachrichtlich sich hingewendet hat, so wie in eine
ausländische Zeitung, unter Berücksichtigung des tz. 56, II. Nro. 4 e Gesagten,
anordnen. >) — Z. 6, 11 1. 37 «. G. O. — Anh. §. 59, 6« I. 7 a. a. O. —
Res. vom 1«. März 1S29. Jahrb. 33, S. 137. — Res. vom 24. Januar 1834.
Jahrb. 43, S. 120.
IV. Ausserdem wird zum Termin auch de« Ertrahent Behufs Verneh
mung und Eidesleistung, 2) und der vermuthliche nächste bekannte Erbe
des Verschollenen, falls er nicht Extrahcnt ist, zur etwanigen Berichtigung des Le-
gitimationspunktcs vorgeladen.
Endlich muH von Einleitung des Verfahrens, vom Untcrgericht dem Land
rath und in Städten mit Polizeipräsidenten diesem, vom Obergericht aber
der Königl. Regierung Behufs Wahrnehmung des fiskalischen Interesses für
den Fall, daß kein Erbe sich legitimiren sollte, Kenntniß gegeben, und, wenn die
Umstände einen strafbaren Austrit vermuthen lassen, müssen zugleich diese Umstände,
mitgetheilt werden. — K. 7, 8, 10, I. 37 A. G. O.
V. Im Termin verhandelt der Dcputirte,
1) falls der Verschollene nicht erscheint, auch keine Nachricht von sich gegeben hat,
dagegen aber Ertrahent auf Todeserklärung beharrt, :>) mit dem nächsten
Erben über seine Legitimation, sofern diefe noch nicht aus den Akten
hervorgeht, oder in der Zwischenzeit seit Erlaß der Vorladung sich eine Vera»,
derung in der Person des bekannten nächsten Erben ereignet hat; vernimmt
K) den Extrahenten nochmals:
ob er wirklich innerhalb der gesttzmcissigen bestimmten Zeit (l.), und ins
besondre seit der veranlaßten öffentlichen Vorladung, von dem Abwesen
den, dessen Leben und Aufenthalte keine Nachricht erhalten habe?
und läßt ihn c) diese seine Angabe eidlich bestärken.
2) Meldet sich aber der Abwesende persönlich oder schriftlich, so muß das
ganze Verfahren aufhören; und wegen seiner Legitimation, wegen Hexausgabe
Elfter Abschnitt.
«pm Verfahren bei Erklärung eines Menschen als Blödfinnigen
oder Berfchwender.
Einleitung. ' .
Z. 317. Die Erklärung eines Menschen als Blödsinnigen oder als Verschwen
der kann hauptsächlich um deshalb nöthig werden, weil derselbe, obwol großjährig,
seinem Vermögen selbst nicht gehörig vorzustehen vermag, er einen natürlichen Ver
treter und Vormund s) nicht hat, oder dessen Interesse mit dem seinigen kollidirt,
und er auch nicht fähig ist, einen Bevollmächtigten sich selbst zu wählen, mithin
eine Bevormundung nöthig wird; und bei Wahn? und Blödsinnigen ins Besondre
auch um deshalb, weil ihre Unterbringung in eine für Gemüthskranke bestimmte
öffentliche Anstalt geschehen so«.«)
>) D. h. in Bezug auf die unbekannten Erben und die Kosten des Verfahrens.
2) Bei Kombination mehrer Todeserklärungsprozesse wird hinsichtlich der Mehren
Provokaten auch in Einer Verhandlung «erhandelt und Ein Erkenntniß abge
faßt. Sollte jedoch die eine oder andre Sache bedeutend aufgehalten werden; so
muß dieselbe abgesondert, und in den andern zum Spruch reifen Sachen er
kannt werden. — Res. vom 4. Juni und 9. Juli 1829 Gräff, Koch tc. III.
S. 929.
«) Die unter väterlicher Gewalt stehenden Personen, so wie verheirathete Frauen
bedürfen in der Regel keines Vormundes. Gegen solche wird daher eine Blöd-
sinnigkeits- oder Prodigalitätserklärung selten nöthig werden.
«) Die Aufnahme eines Gemüthskranke« in eine Irrenanstalt Behufs Heilung kann
nur auf Requisition des Gerichts oder einer Polizeibehörde erfolgen. Dabei
wird nicht grade vorausgesetzt, daß des Kranken Zustand bereits Gegenstand
eines Blödsinnigkeitserklärungsprozesses sei. Doch muß den Gerichten von jeder
Aufnahme eines Gemüthskranken in die öffentliche Irrenanstalt, und über dessen
Zustand oder über die einer Gemüthszustands-Untersuchung entgegenstehenden
Bedenken Mittheilung geschehen. Dn persönliche Richter muß, sofern der Krank
Bevor eine großjährige Person wegen Wahn- oder Blödsinns, oder wegen Ver-
schwendung, unter Vormundschaft gestellt wird; muß nach vorhergegangener Unter
suchung durch Erkenntniß festgestellt sein: daß dieselbe in dem Austande, wo ihm
die Befugniß, über ihre Person, Handlungen und Güter frei zu verfügen, benom
men werden muß, sich wirklich befinde. — Nur auf ausdrückliche, zum Besten des
Pflegebefohlenen geschehene, Anordnung des Vaters, kann die Vormundschaft bis auf
sechs Jahre über den gesetzlichen Volljährigkeitstermin fortgesetzt werden. — Wünscht
nicht der Vater, sondern ein andrer Erblasser solche Verlängerung der Vormund
schaft; so muß das vormundschaftliche Gericht von Amtswegen näher prüfen: ob
gesetzmässige Ursachen dieselbe nothwendig machen. Für gesetzmässige Gründe sind
in diesem Falle nur solche zu achten, welche hinreichen würden, auch einen Volljäh
rigen, als Verschwender, unter Vormundschaft zu setzen. Eine erhebliche Gemüths-
schwäche, wen» gleich selbige noch nicht bis zu einem solchen Grade gestiegen wäre,
der die Anordnung einer neuen Vormundschaft nothwendig machen könnte, kann
dennoch die auch nur von einem Fremden angeordnete Fortsetzung derjenigen, welche
bisher wegen minderjährigen Alters angeordnet war, auf die Dauer von 6 Jahren
über den Volljährigkeitstermin rechtfertigen.
In allen Fällen aber, in denen eine Verlängerung der Vormundschaft, es sei
nach Anordnung des Vaters, oder nach dem Befinden des Richters für nöthig er
achtet wird, kann dem Pflegebefohlenen das rechtliche Gehör dagegen nicht versagt
werden. Doch wird während des Prozesses die Vormundschaft fortgesetzt.
Die über die Großjahrigkeit hinaus verlängerte Vormundschaft muß in vorste
henden Fällen jedesmal öffentlich bekannt gemacht werden. — §.1, I.38A. G. O. —
§. 698-704, II. 18 A. L. R.
!. BlSdsinnigkeitserklärimg.
Antrag, Verfahren und Erkenntniß.
§. 318. l. Der Antrag, Jemanden für mahn- oder blödsinnig zu erklären,
kann sowol von den Verwandten desselben, als von Amtswegen durch einen
fiskalischen Bedienten gemacht werden. — §. 2, I. 38 A. G. O.
II. Die Untersuchung gehört nicht vor das vormundschaftliche Gericht, son
dern vor den ordentlichen persönlichen Richter des Jmploraten. Im
Großherz. Posen gehören jedoch die Prodigalitätserklärungen durchweg vor das
Obergericht. — §. 3 a. a. O. — II. Nro. 3 Ges. vom 16. Juni 1834.
III. Der Antrag selbst muß durch bestimmte Angaben von Thatsa-
chen und Beweismitteln unterstützt, und einigermassen bescheinigt sein. Er
scheint der Antrag begründet; so muß
1) vom Prozeßrichter selbst ') dem Jmploraten vor allen Dingen ei» besondrer
Kurator zur Wahrnehmung seiner Gerechtsame bestellt, und dazu Jemand aus-
nicht in väterlicher Gewalt oder eine verheirathete Frau ist, sofort die Vermö-
genskuratel einleiten. Die Frage aber: ob der Prozeß einzuleiten, «der ob er
zur Vorbeugung von Nachtheilen, die eine Untersuchung des Seelenzustandes bei
der Aussicht einer baldigen Wiederherstellung sowol in Bezug auf die Heilung,
als auf die sonstigen Verhältnisse für den Geisteskranken haben kann, noch aus
zusetzen, muß er in Erwägung nehmen, und das Weitere deshalb anordnen,
selbst in dem Falle, wenn der Geisteskranke unter Aufsicht eines Vaters oder
Ehemannes steht. — Res. vom 16. Februar 1839 I. M. B. S. 1«2. — Res.
vom 3. Februar 184« I. M. B. S. 69. Kab.-Ord. vom S. April 1804
Gräff 2, S. 369.
") Nicht vom Vormundschaftsrichtkr, , .
474
gesucht werden, der, wo möglich, zu den Bekannten des Jmploraten gehört, in
keinem Falle aber irgend ein Interesse bei der Sache hat. l)
2) Alsdann muß das Gericht eine nähere Untersuchung des Gemütszustandes des
Jmploraten, wo möglich, an desselben Wohnorte, durch einen Deputirtcn mit
Zuziehung des Kurators, der Verwandten, und zweier promovirter Aerzte sks
Sachverständige, 2) veranlassen. «) Von diesen Sachverständigen wird der eine
vom Kurator, der andre aber von den Verwandten vorgeschlagen. Ein Arzt,
der weder als Fysikus, noch sonst gegen den Staat oder die Kommune in beson-
deren Pflichten steht, hat keine Verbindlichkeit, sich dergleichen Geschäften zu un
terziehen. Wenn der Kurator und die Verwandten, aller Mühe ungeachtet, kei-
nen Sachverständigen finden können, der sich zur Uebernehmung des Geschäfts
versteht, und hie Instruktion dadurch aufgehalten wird; fo muß das Gericht
Die Medizinalbehörde wegen Ernennung eines Sachverständigen requiriren. -
Können der Kurator und die Verwandten unter einander, und mit den Sach
verständigen, sich nicht vereinigen ; so gibt das einmüthige Gutachten der Letztern
den Ausschlag. Sind aber auch diese mit einander nicht einig; so muß
Z) der Richter entweder von Amtswegen einen dritten Sachverständigen «rnennen,
und mit Zuziehung desselben die Untersuchung wiederholen lassen; oder er muß
von den ersten beiden Sachverständigen schriftliche, mit Gründen unterstützte
Gutachten erfordern, und vom Rcgierungs-Medizinalkollegi« unter MittlMung
derselben und der Akten dessen sachkundiges Gutachten einholen.
4) Im Termin find ausser dem, was zur Feststellung des Wahn- oder Blödsinns
^n demselben vorgenommen wird, auch die zur Erkenntnis, und Beurtheilung je
ner krankhaften Gemüthszustände unerläßlichen Notizen über die früheren Kraick-
heits- und Lebensverhältnisse des Jmploraten zu Protokoll zu nehmen. — Sä—7,
Anh. 8. 234 fg. I. 38 A. G. O. — Res. vom 18. März 1831 und 8. Mai
1835. Jahrb. 37, S. 115. Bd. 45, S.467. — Res. vom 12. September 1834.
Jahrb. 45, S. S2. — Res. vom 9. April 1838. 'Inemis für 1838 S. 359.
IV. A«f die demgemäß vorgenommene Ermittelung erkennt hiernächst
Has Gericht, und erklärt, falls die Sache dazu sngethan, den Provokaten durch
förmliches Erkenntniß für mahn- oder blödsinnig. Gegen dasselbe wird den Ver
wandten kein Rechtsmittel verstattet. Dem Kurator über steht das Rechtsmittel
drr Appellation und gegen das zweite Urttl das Rechtsmittel der Revision offen, «r
mag diese Rechtsmittel aus eigner Bewegung, oder auf Verlangen feines Pftegebe-
5) Ein solcher K»rat«r steht dem Beklagten nur im Blödsinnigkeitserklärungspro-
zesse bei. Au andern Geschäften, namentlich zu Vermögensverwaltung, ist der
selbe nicht legitimirt. — Lk. Res. vom 24. Oktober 1836 und vom 6. Dccmbr.
1796. Gräff, Koch :c. III. S. 933.
2) Wundärzte erster Klasse können als Sachverständige nicht zugezogen werden. —
Res. vom 18. März 1331 und 8. Mai 1835. Jahrb. 37, S. 115. Bd. 45,
S. 467.
«s) An der Gerichtsftelle sollen Gemüchszuftsndsnntersuchungen in der Reg« nicht,
sondern entweder am Wohnort des Kranken, oder doch an solchen Orten vor
sich gehen, wo sich sowol der zu prüfende Kranke, als der untersuchende Arzt, in
der bei diesem Geschäft »öthigen Ruhe befinden. — Res. vom 12. Sept. 1834.
Jahrb. 45, S. 92.
») Für die Kosten kommt zwar das Vermögen des GemüthskranZen auf; wenn
dieser aber arm, und auch keine kostenpflichtigen Verwandten vorhanden sind, so
muß die Salarienkasse, und bei Palrimonialgerichten der Gerichtsherr dafür
auskommen. Krcisfysizi ttqnidiren dabei nicht als solche, fondern als Sachver
ständige. — Res. vom 5. Deeember 1823. Jahrb. 22, S. 198. — Res. vom
25. März 1833. Jahrb. 41, S. 22s. —.««s. vom 22. I»« 18« I. M. p.
V. 2SV.
47S
fohlenen cinwcildcn. Doch gilt während derselben das erste Erkenntm'ß als Inte
rimistikum. >)
Einer öffentlichen Bekanntmachung des Erkenntnisses bedarf es nicht. — Z. s,
Anh. §. 286, I.. 38 A. G. O. — Res. vom 3«. Juni 183S. Jahrb. 45, S. 46«.
V. Während der Instruktion des Prozesses Muß der Richter jederzeit für
Sicherstellung des Vermögens des Provokaten Sorge tragen. — Anh. j. 234,
I. Z« A. B. O.
VI. In allen Fällen, in welchen der Gemüthszustand eines Menschen ärztlich
untersucht wird, müssen die Gerichte noch vor Spruchvorlegung Abschrift der des-
falsigen Verhandlung und der ärztlichen Gutachten dem Regierungsmedizinalkollegio,
und in Berlin dcm Polizeipräsidio, mittheilen. Werden die Akten, bevor dies ge
schehen, zum Spruch vorgelegt, so muß der Referent es noch vor Abfassung des
Erkenntnisses nachholen. — Res. vom 20. Januar ISIS u. 21. April 1826. Jahrb.
II, S. 49. 27, S. 283. — Res. vom 3. Januar 184« I. M. B. S. 23.
VII. Die Aufhebung der Vormundschaft über Wahnsinnige oder Blöd
sinnige erfolgt, ohne daß es dazu eines förmlichen Erkenntnisses bedarf, durch das
Bormundschaftsgericht nach sorgfältiger Untersuchung und Feststellung dessen, daß
dieselben zum völlig freien Gebrauch ihres Verstandes wieder gelangt sind. 2) Bei
dieser Untersuchung muß, ausser dem Bormunde ein von dem Gericht ernannter
Sachverständiger und die anwesenden nächsten Verwandten, oder in deren Erman
gelung, ein dem Pflegebefohlenen besonders zu bestellender Kurator, zugezogen wer
den. — §. 815—817, II. 18 A. L. R. — Res. vom 31. Oktobtt 1831. Jahrb.
S8, S. 303.
II. Prodigalitätserklärung.
Klage und Verfügung darauf.
S. 319. I. Die Verwandten eines Verschwenders, und besonders die,
welchen bei erfolgender Verarmung seine Ernährung obliegen würde, haben zunächst
die Befugniß, desselben Prodigalitätserklärung zu beantragen. Ein Gericht, welches
bei einem seiner Gerichtseingcscssenen einen dergestalt leichtsinnigen und ausschwei
fenden Gebrauch seines Vermögens wahrnimmt, daß es die gesetzlichen Merkmale
eines Verschwenders für vorhanden,«) und die Erklärung dazu für erforderlich er
ächtet, muß daher vor Allem den gedachten Verwandten von diesen Umständen Nach
richt geben, und ihnen ben Betrieb der Sache überlassen.
Sind keine Verwandten vorhanden, oder dem Gericht bekannt, oder überlassen
die vorhandenen dem Gericht das weitere Verfahren; so muß dasselbe einen Justiz-
kommissarius beauftragen : daß er unverzüglich nähere Erkundigung hinsichtlich des
als Verschwender Verdächtigen einziehe, und nach Befund der Umstände das Weitere
nachsuche. Der beauftragte Justizkommissar muß sich sodann alle Mühe geben, thcils
von den Verwandten des Verdächtigen über die ihm bedenklich scheinenden Umstände,
theils von andern Mit dem Verdächtigen in näherer Verbindung und Bekanntschaft
stehenden Personen, oder durch die sonst etwa vorhandenen, an sich erlaubten, jedoch mit
möglichst wenigem Aufsehn verknüpften Mittel über das Betragen und die Wirthschafts-
1) Wird gegen eine aktive Militairperson der Prozeß eingeleitet; so muß der Mi-
litairbehörde sowol darüber, als über den Ausfall des Erkenntnisses Nachricht
gegeben werden. — Res. vom 16. Oktober 1826. Jahrb. 2«, G. 296.
2) Findet das Bormundschaftsgericht das eingeholte ärztliche Gutachten nicht über
zeugend, oder trit diese mit der Meinung eines zweiten Arztes oder der Ver
wandten in Widerspruch; so ist jenem unbenommen, ein Gutachten vom Med!«
zinalkollegio zu erbitten. — Res. vom 17. Oktober 1S4« I. M. B. S. 3S8.
>S) S. 24, Am». 2.
47«
föhrung de« Provokaten sichere Nachricht einzuziehn, und die nöthigen Data zur
Beurtheilung dessen: ob derselbe nach Vorschrift der Rechte zur Prodigalitätserklä
rung wirklich qualifizirt sei? zu sammeln. Hält er nach reifer und pflichtmässiger
Erwägung die Sache dazu angethan; so muß er unverzüglich beim Gericht seine
Anträge formiren. — z. 9—13, I. 3« A. G. O. — Res. vom 19. November 1829.
Jahrb. 34. S. 47«.
II. Die Prodigalitätsklage gehört demnach in der Regel vor den persön
lichen Richter des Provokaten, und nur im Großherzogthum Posen gehören alle
dergl. Prozesse vor das betreffende Obergericht. :,
Sie kann übrigens schriftlich oder mündlich zu Protokoll angebracht werden.
Zur Begründung des Klageantrages gehört, daß
s) die Gründe, warum Provokant auf Prodigalitätserklärung antragen zu müssen
glaubt, umständlich angeführt;
d) spezielle Thatsachen und Umstände einer unbesonnenen und verschwenderischen
Wirthschaft angegeben; und
0) diese Thatsachen, nach der Natur derselben, gehörig bescheinigt werden. — Die
Angabe blos allgemeiner und unzuverlässiger Gerüchte begründet nicht den An
trag. — 8. 9, 14, I. 38 A. G. O. -
III. Die Klage muß im Kollegio vorgetragen, alle Umstände müssen reiflich
und genau erwogen, und bei schriftlichen Provokationen der Justizkommissarien, al
lenfalls auch deren Manualakten und Jnformationsprotokolle, mit vorzüglicher Sorg
falt geprüft werden. Wird die Klage zur näheren Untersuchung für geeignet ge
funden; so wird Provokat, unter abschriftlicher Mittheilung derselben, zu einem
möglichst nahen Termin vor einen Deputirten unter der Warnung vorgeladen, daß
beim Ausbleiben
die angegebenen Thatsachen in «ontumseism für zugestanden erachtet,
und er für einen Verschwender erklärt werden würde.
Zugleich erfolgt auch die Vorladung des Provokanten. — §. 15, IS u, 18 a. o. O.
Weiteres Verfahrenz Sicherheitsmaßregelnz Erkenntnißz Rechts
mittel und Urtelsvollstreckung.
§. 32«. I. Wenn nun im Termin
1) Provokat sich nicht meldet; so nimmt der Deputirte über das Ausbleiben
einen Vermerk auf. Auf Grund desselben ergeht hiernächst gemäß der nach §. 319,
III. gestellten Warnung Kontumazialurteil, welches gewöhnlichermassen publizirt
wird (g. 183). Dagegen steht Restitution und Appellation zu.
2) Meldet sich Provokat; so muß der Deputirte ihn über die Thatsachen und
Umstände der Klage Punkt für Punkt vernehmen; ihn befragen, wie und wo
mit er diese auf Verschwendung und üble Wirthschaft schliessenden Data abzu
lehnen und zu entschuldigen gedenke; und was er etwa, wegen seines künftigen
ordentlichen und regelmässigen Betragens dem Staate und seiner Familie für
Versicherung zu geben im Stande sei. Läßt sich derselbe bei dieser Vernehmung
s) die Prodigalitätserklärung gefallen; so wird dieselbe vom Gericht durch Re
solution gemäß Z. 93, III. 1 festgesetzt, d) Einigt er sich mit den klagenden
Verwandten über gewisse Maasregeln, wodurch den Besorgnissen einer fernern
Verbringung seines Vermögens vorgebeugt werden kann; so ist dieses ein Ver
gleich, welcher dem Gericht zur Bestätigung vorgelegt, von diesem aber nicht
anders bestätigt werden muß, als wenn es findet, daß die verabredeten Maaß-
regeln nicht nur an sich zweckmässig, sondern auch so beschaffen sind, daß dadurch
kein Dritter, oder gar das Publikum überhaupt, gefährdet werde.
c) Widerspricht aber Provokat der Prodigalitätserklärung, und läugnet ex
477
die Richtigkeit oder Erheblichkeit der zu ihrer Begründung angegebenen That-
fachen; so muß mit fernerer Instruktion nach Tit. 6, Abfchn. 5 verfahren wer
den. — §. IS—19, 24 a. a. O.
II. Werden schon in der Klage, oder auch im Fortgange der Instruktion solche
Handlungen des Beklagten bescheinigt, welche die Beschuldigung der unordentlichen
und verschwenderischen Lebensart unterstützen; so muß der Richter, auf den Antrag
des Provokanten vorläufige und interimistische Verfügung treffen, durch
welche dem ferneren Vermögensverfalle während des Prozesses so weit vorgebeugt
werde, als geschehen kann, ohne durch öffentliche Bekanntmachung dem guten Na
men und Kredit des Beklagten, der sich gegen den wider ihn streitenden Schein doch
noch rechtfertigen könnte, einen unwiederbringlichen Nachtheil zuzufügen. Dem
nach kann
1) der Veräusserung und weiteren Verpfändung seiner Grundstücke oder eingetra
genen Forderungen durch Bemerkung einer Proteftation im Hypothekenbuche
vorgebeugt ;
2) wegen andrer ausstehenden Kapitalien können Inhibitionen an die Schuldner
erlassen z
3) Juwelen und Kostbarkeiten, die nicht zu seinem täglichen Gebrauch bestimmt sind,
können ihm abgefordert, und in gerichtliche Verwahrung genommen, und
4) in einzelnen Fällen können die, von denen bekannt wird, daß sie in Verträge mit
ihm sich einlassen wollen, wegen des schwebenden Prodigalitätsprozesses gewarnt
werden. — §. 2«, 21 a. a. O.
Schließt Jemand mit dem Angeklagten Verträge, obwol er weiß, daß dieser be«
reits wegen Verschwendung gerichtlich belangt sei; so kann er, wenn demnächst die
Erklärung als Verschwender erfolgt, au« den Verträgen kein Recht erlangen.
Die, nach angebrachtem Antrage auf Prodigalitätserklärung, vom Provokaten
errichteten Testamente können nur in so weit angefochten werden, als die Verwand
ten des Provokaten vorher diesen, unter Aufnahme eines Notariatsinstruments, des
halb verwarnt haben, als sie im Testamente nicht die Hälfte des nach den Regeln
der gesetzlichen Erbfolge ihnen Zukommende erhalten, und demnächst die rechtskräf
tige Erklärung als Verschwender erfolgt. — §. 16, 1. 5. §. 28, 32, 33, 1. 12 A. L. R.
III. Ist es gemäß I. Nro. 2 e zur Instruktion gekommen; so müssen bald
nach deren Abschluß die Akten, ohne Zulassung von schriftlichen Deduktionen, zum
Spruch vorgelegt, und die Abfassung des Erkenntnisses muß vorzüglich beschleu
nigt werden. — §. 23, I. 38 A. G. O.
IV. Gegen das Erkenntniß findet die Appellation in Ansehung beider
Theile statt. Das Verfahren in Appellatorio ist das Tit. 7, §. 201—21« ange
ordnete. Appellirt Provokat, so muß die Instruktion ganz vorzüglich beschleunigt
werden, und sind besonders dem Provokanten und Appellaten Prorogationen und
Nachfristen nicht ohne sehr erhebliche, hinlänglich bescheinigte Ehehaften zu gestat
ten. — §. 24, 27 a. a. O.
V. Das Rechtsmittel der Revision steht 1. dem Provokaten immer
zu, wenn das zweite Urtel die Prodigalitätserklärung ausspricht, gleich viel, ob eS
darin das erste bestätigt, oder dahin abändert;
2. dem Provokanten aber nur dann, wenn das Appellationsurtel die im ersten
Urtel ausgesprochene Prodigalitätserklärung aufhebt. Gegen zwei gleichlautende Er
kenntnisse kann Provokant nicht revidiren.') — Z. 28, 29, 33 a. a. O.
VI. Das Rechtsmittel der Appellation hat in Bezug auf den Provokanten
die volle Wirkung, in Bezug auf den Provokaten aber Devolutiveffekt, so
') Die Nichtigkeitsbeschwerde wird ihm dagegen zustehen.
478
büß es hier die Vollstreckung des auf Erklärung als Verschwender lautenden ersten
Erkenntnisses nicht aufhält. Demgemäß muß der Richter sogleich nach dessen Eröffnung
1) durch öffentlichen Aushang an ordentlicher Gerichtsstelle und am Wohnorte des
Provokaten, oder statt dessen bei einem andern vom Richter nach Bewandniß der
Umstände, der Art des vom Provokaten bisher betriebenen Berkehre oder der
Gegend, wohin er bisher seinen gewöhnlichen Ab- und Zugang gehabt hat, zu
wählenden Gerichte; ferner durch dreimalige Einrückung in die Zeitungen und
Jntelligenzblätter, resp. den Amtsblattsanzeiger der Provinz, — die Prodigali
tätserklärung bekannt machen. Ist Provokat ein Kaufmann; so wird ausser
dem dieselbe auf der Börse bekannt gemacht, und der Kurator muß angewiesen
werden, die auswärtigen Handlungskorrespondcnten davon zu benachrichtigen.
2) Der Richter muß auch dem vormundschaftlichen Gericht, wenn dies ein von
ihm verschiedenes Kollegium ausmacht, Abschrift des Erkenntnisses zufertigm, da
mit dieses wegen Bestellung eines Jnterimskurators, wegen Verkümmerung der
ausstehenden Kapitalien, Beschlagnahme des übrigen Vermögens, und sonst das
Erforderliche nach Maasgabe der Vormundschaftsordnung verfügen könne.
Eine Ausnahme von vorstehender Vorschrift Nro. 1 u. 2 findet nur dann
statt, wenn Provokat sogleich bei Anmeldung der Appellation neue erheblich schei
nende Umstände zur Ablehnung der ihm nach den Akten der ersten Instanz zur Last
fallenden Khatsachen anführt, und sofort bescheinigt; oder doch Beweismittel dar
über bestimmt angibt. Alsdann kann der Richter nach reiflicher Erwägung der Um
stände der Appellation die volle Wirkung beilegen. Doch hat es nicht nur wäh
rend derselben bei der Vorschrift Z. 32V, II. sein Bewenden; sondern es soll auch
ein Vertrag, den Jemand mit dem im ersten Urtel als Verschwender Erklärten ab
schließt, dann, wenn in der Folge die Prodigalitätserklärung rechtskräftig wird, für
den Provokaten allemal unverbindlich sein.') Der andre Kontrahent kann dann,
wenn er auch der Wissenschaft vom vorhandenen Erkenntnisse nicht überführt wer
den könnte, nicht Erfüllung des Vertrages, fondern nur Schadloshaltung für das
darauf Gegebene oder Geleistete fordern.
Bei den nach Vorstehendem getroffenen Verfügungen bewendet es bis zur
Rechtskraft des Erkenntnisses, wenn auch das zweite Urtel das erste ändern sollte.
Wird die Prodigalitätserklärung rechtskräftig ausgesprochen, und die Anordnungen
«nter 1 und 2 waren in dem bemerkten Ausnahmefall unterblieben; so müssen diese
Anordnungen sofort nach eingetretener Rechtskraft getroffen werden. — Wird dage
gen Provokat rechtskräftig entbunden, während früher die Verfügungen unter 1 und
2 erlassen worden; so hört nicht nur die Jntcrimskuratel sogleich auf; sondern es
muß auch öffentlich bekannt gemacht werden, daß Provokat sich gegen die ihm Schuld
gegebene Verschwendung hinlänglich gerechtfertigt habe, und also sein Kredit wieder
hergestellt werde. — §. 28—34 a. a. O.
') Das A. L. R. nimmt im Z. 15, Tit. 5, I. erst mit der öffentlichen Bekannt
machung dem Prodigus die rechtliche Selbstständigkeit, während dies nach der
> A. G. O. bereits mit Publikation des ersten die Prodigalitätserklärung auS«
sprechenden Urtel eintrit. Der A. G. O. gebührt der Vorzug, theil« weil sie jün
ger, theils weil ihre Vorschrift den allgem. Rechtsregeln mehr entspricht.
479
nur eine anhaltende, durch zwei Jahre erprobte Besserung kann zur Begründung
eines solchen Gesuchs nachgelassen werden.
Geht nun ein Gesuch um Aufhebung ein, so muß die Bormundschaftsbchörde
ei sorgfältig prüfen. Hält sie dasselbe
!. für unerheblich; so muß Bittsteller mit Gründen abschlSglich beschicken
werden.
, N. Scheint das Gesuch nicht ganz unerheblich; so müssen sowol der Ku
rator, als die nächsten Verwandten darüber mit ihren Erklärungen vernommen
werden. Sind die Verwandten
1) der Meinung, daß die vom Bittsteller beigebrachten Proben seiner Besserung für
hinreichend zu achten, die Prodigalitätserklärung daher zu widerrufen sci; und findet
s) das Vormundfchaftsgcricht auch für sich selbst kein Bedenken dabei; so kann
die Prodigalitätserklärung sofort wieder aufgehoben, und das Nöthige des
halb öffentlich bekannt gemacht werden. Hält jedoch
b) das vormundschaftliche Gericht dies für bedenklich; so muß es mit Ausfüh
rung der von den Verwandten beigebrachten Gründe, und der denselben ent
gegen stehenden Bedenken an die ihm unmittelbar vorgesetzte Behörde berich
ten, bei deren Vorbescheid««», es dann ebenfalls sein Bewenden hat.
2) Tragen die Verwandten auf Abweisung des Gesuchs an, und findet
s) das vormundschaftliche Gericht durch die von ihnen angeführten Gründe sich
bewogen, diefcm beizutreten; so wird hiernächst die Abweisungsverfügung
ausgefertigt, bei welcher es alsdann sein Bcwcnden hat. Will aber
Ii) das Vormundschaftsgericht gegen den von allen oder doch von einem Ver
wandten erklärten Widerspruch die Prodigalitätserklärung aufheben; so muß
es den bisherigen Pflegebefohlenen durch schriftliches Dekret autorisiren, sich
bei dem kompetenten ordentlichen Gericht zu melden, und dort im Wege der
Klage auf nähere Untersuchung anzutragen. — Dabei muß ihm entweder
sein ordentlicher Kurator, oder, wenn dieser seinem Gesuche selbst widerspräche,
ein besonders dazu bestellter Kurator beistehen. Der widersprechende Ver
wandte ist dabei als sein Gegner zu betrachten, und zwischen diesem unl>
dem Pflegebefohlenen die Sache zu verhandeln. Wird nun
g») im darauf erfolgenden Urtel aus Aufhebung der Prodigalitätserklärung,
gesprochen; so muß es dabei sein Bewenden haben, und findet dagegen,
kein Rechtsmittel statt.
KK) Wird aber Provokant mit seinem Gesuche abgewiesen; so ist dagegc»
die Appellation zulässig. Wird a) auf dicfe das erste Urtel bestätigt, so
muß eS dabei sein Bewenden haben. Wird cs aber b) zum Vorthcil
des Provokanten geändert; so kann Provokat das Rcchtsw'^cl der Re-.
Vision einlegen. — §. 35—44 a. a. O.
Zwölfter Abschnitt.
»on «oenmtthschastliche« Prsztssen.
Werfahrenl,, wenndcrzumVormundeBcstimmteAblchnungsgründe
geltend macht; so wie II., wenn Mehre um das Amt des
Vormundes streiten;
S. 322. gu den Fällen, in denen es bei Führung der Vormundschaften hin
sichtlich des Vormundes zu prezessualischen Verhandlungen und zum Erkenntniß oder
doch zu Resolutionen kommen kann, ist
I. zu zählen, wenn der zum Vormunde Bestimmte vor ober im Verpflichtung^
termin anzeigt, daß er aus Ursachen, durch die er gesetzlich von Uebernahme dieses
Amts befreit zu werden glaube, ') dies ablehnen müsse.
In solchem Falle muß der das Amt-Ablehnende durch einen Deputirten, und
falls er auswärts und entfernt wohnt, von einem requirirten oder beauftragten
Richter «der Kommissario über die Tyatsachen, worauf er sein Entschuldigungsge
such gründet, näher vernommen, und von ihm die sofortige Bescheinigung dieser
Thatsachen verlangt werden. Auf dies Protokoll muß das Kollegium unverzüglich
«ine mit Entscheidungsgründen zu versehende Resolution abfassen, darin festsetzen:
in miefern die Entschuldigung erheblich, und also Provokant von Ueber-
nahme der Bormundschaft zu entbinden, oder in wiesern er dazu, der
Einwendung ungeachtet, anzuhalten sei,
^ und diese Resolution dem Vormunde eröffnen.
Will Provokant bei derselben sich nicht beruhigen; so muß er spätestens in
drei Tagen nach Eröffnung dies zum Protokoll anzeigen, und das, was er zur
Unterstützung seines Gesuchs oder zur Widerlegung der ergangenen Resolution etwa
beizubringen hat, näher ausführen. Dann werden beide Verhandlungen demjenigen
Kollegio zugesendet, an welches vom Gericht, bei welchem der Vormund bestellt wer
den soll, die Appellationen in Prozeßsachen gehen. Besteht dies Kollegium aber zur
Hälfte oder grossentheils aus Mitgliedern, welche bei Abfassung der frühern Reso
lution mitgestimmt haben; so müssen die Akten dem für alle Fälle oder für, den
speziellen Fall substituirten Obergericht zugesendet werden. — Das Kollegium, wel
chem hiernach die Entscheidung auf den Rekurs des Provokanten zukommt, muß
die Sache in der nächsten Sitzung vornehmen, die Entschuldigungsursachen noch
mals genau prüfen, und entscheiden:
ob es bei der früheren Resolution zu belassen, oder dieselbe abzuändern sei?
Bei der darüber ebenfalls in Form einer Resolution abgefaßten Anordnung, die
dem Vormundschaftsgericht binnen 8 Tagen zuzustellen, muß es lediglich bewenden.
Werden die Entschuldigungsgründe verworfen, und ist durch den daraus in der
Bevormundung entstandenen Aufenthalt dem Pflegebefohlenen ein Schade entstanden ;
so muß der Weigernde denselben vergüten. Doch steht dem Vormunde, ohne daß
ihm jene Resolutionen entgegenstehen, zu, in dem hierauf gegen ihn angestrengten
Megreßprozesse näher auszuführen, daß seine angebrachten Entschuldigungsursachen
wirklich gegründet und erheblich gewesen sind. Erhält er in diesem Prozesse ein ob
siegendes Urtcl, so wird er nicht nur von der Vertretung frei, sondern er kann auch
auf Entlassung von der auf Grund .der vorläufigen Resolutionen übernommenen
Bormundschaft antragen. §. 1—10, Tit. 39, 1. A. G. O. — z. 204, II. 18 A. L. R.
II. Sind mehre Personen darüber: welcher von ihnen die Vormundschaft über
einen Pflegebefohlenen gebühre? streitig, und melden sich deshalb beim Vormund
schaftsgericht; so muß dieses sämmtliche zu einem nahen Termin vor einen Depu
tirten vorladen. Hier wird Jeder von ihnen über den Grund seines Verlangens
") Befreiung können verlangen Personen, welche daö 60. Lebensjahr zurückgelegt ha
ben; die Väter von 5 noch in ihrer väterlichen Gewalt oder Pflege besindlichen
Kindern; die, welche schon 2 mit wirklicher Vermögensverwaltung verknüpfte,
oder zwar nur eine, aber mit sehr vielen und wichtigen Geschäften verbundene
Vormundschaft haben; ordentliche Lehrer bei Schulen, Gymnasien, und Univers
sitaten, sowie Geistliche, mit deren Amt eine Seelsorge verknüpft ist, in sofern
die Pupillen nicht ihren Verwandten oder Amtsgenossen angehören; wirkliche
Militairs; Röthe an Kollegien; Dirigenten und Bürgermeister; Königl. Do-
maincnpächter und Beamte; Verwalter Königlicher oder andrer öffentl. nicht un
bedeutender Kassen tt. — §. 208, fg. U. 18 A. L. R.
481
und seines Vorzugsrechts ') vernommen, und bann vom Gericht durch Resolution
festgesetzt: welchem von ihnen die Vormundschaft aufzutragen sei.
Will ein abgewiesener Kompetent sich bei dieser Entscheidung nicht beruhigen;
so steht ihm dagegen der unter Nro. I. beschriebene Rekurs, bei welchem jedoch der
Vorgezogene gehört werden muß, zu. Inzwischen aber muß Letzterer als Interims«
kurator verpflichtet, und zu Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten an«
gewiesen, und zugelassen werden. — §. N, 12, I. 39 A. G. O.
M. wenn Vormünder des Amts entsetzt, «der IV. gegen dieselben
Defekte geltend gemacht werden sollen.
§. NS. III. Wenn ein Vormundschaftsgericht entweder selbst wahrnimmt, oder
ihm von glaubwürdigen Personen, besonders von Mit- oder Ehrenvormündern, Ver
wandten ic. angezeigt wird, daß ein unter seiner Aussicht stehender Vormund sich
eines unredlichen, oder doch nachlässigen, unachtsamen, und der Person, oder dem
Vermögen des Pflegebefohlenen zum Nachtheile gereichenden Betragens verdächtig
mache; so muß es zuförderst über de» Grund dieses Verdachts durch den Reben -
oder Ehrenvormund, oder, wenn solcher nicht vorhanden, durch einen Offizialanwalt
nähere Erkundigungen anstellen. Bestätigt sich dadurch der Verdacht; so muß eS
die den Vormund verdächtigenden Thatsachen nebst Beweismitteln in einem Schrift
satz zusammenstellen lassen. — In diesem kann der Name des Denunzianten, wenn
solcher nicht genannt sein will, übergangen werden, da die Richtigkeit seiner Angabe
schon vorläufig geprüft worden.
Der Schriftsatz wird dem verdächtigen Vormunde mitgetheilt, und derselbe zur
Erklärung und Verantwortung zu einem nahen Termin vor einen Deputirten vor
geladen. Im Termine, dessen Verlegung nicht statt findet, müssen ihm die ihn ver
dächtigenden Thatsachen und Umstände Punkt für Punkt vorgehalten, und er um
ständlich darüber befragt werden: wie er sie abzulehnen, und sich zu vertheidigen
gedenke. Hat Provokant seine fernere Zuziehung bei der Sache nicht abgelehnt; so
wird auch dieser über die Verantwortung des Vormundes gehört. Erklärt
1) der beschuldigte Vormund bei dieser Vernehmung, daß er die Vormundschaft nie
derlegen wolle; so bedarf es Seitens des Vormundschaftsgerichts keiner ferner«
Untersuchung. Diefes hat dann nur dafür zu sorgen, daß unverzüglich ein an
drer Vormund bestellt; der abgehende zur ungesäumten Abgabe der Schlußrech
nung und zur Ausantwortung des hinter ihm befindlichen Vermögens angehal
ten; bei dieser Gelegenheit die von ihm zu vertretenden Defekte ausgemittclt,
der Pflegebefohlene deshalb sicher gestellt, und demselben zu seiner Entschädigung
verholfen werde. Finden sich dabei Anzeigen einer vom Bormunde begangenen
Unredlichkeit und Untreue, die eine fiskalische oder Kriminaluntersuchung begrün
den würde; so muß das Vormundschaftsgericht beim kompetenten Richter die
Einleitung derselben beantragen.
2) Widerspricht aber der Vormund seiner Entlassung, und lü'ugnct die ihm gemach
ten Beschuldigungen ; so muß der Deputirte die abgeläugneten Thatsachen mög
lichst ins Licht zu fetzen bemüht sein. Doch findet dabei keine förmliche Beweis
aufnahme statt, sondern es ist nur von den im Termin zur Stelle gebrachten,
oder in der Nähe und ohne Zeitverlust zu erlangenden Mitteln zur Aufklärung
der Sache Gebrauch zu machen. Nach geschlossener Untersuchung müssen die
Akten dem Vormunoschaftsgcricht zur Abfassung einer Resolution vorgelegt, und
diese muß bald eröffnet werden. — Findet das Vormundschaftsgericht, daß durch
') Ein Vorzugsrecht bei Wahl des Vormundes haben die vom Erblasser im Testa
ment Ernannten; die Mutter, so lange sie Wittwe bleibt; Blutsverwandte der
Kinder und sunftgenossen. — z. 1?S, sg. IS «. «, R.
482
die vorläufige Untersuchung die den Bormund verdächtigenden Umstände nicht
hinlänglich zu seiner Rechtfertigung aufgeklärt worden; so müssen,
s) zur Abwendung alles besorglichen Nachtheils vom Pflegebefohleium, die nach
den Umständen möglichen und zweckmässigen Verfügungen, durch Ansehung
eines Nebcnvormundcs, abgeänderte Vertheiluug der Administration unter die
etwa schon bestellten mehren Vormünder, Eintragung oder Erhöhung der
Kaution, Erlaß von Inhibitionen an die Schuldner, Pächter oder Wirth«
schafter, und andre dergl. Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei welchen
es in allen Fällen , blos mit Borbehalt der Beschwerde an die dem Vor
mundschafsgericht unmittelbar vorgesetzte Behörde, bewendet,
d) Hält aber das Vormundschaftsgericht die Maasregeln nicht für ausreichend,
sondern auch für nöthig oder zweckmässig, daß auf gänzliche Entlassung oder
gar auf Remotion des Vormundes gedrungen werde ; so muß es, ausser An
ordnung der Maasrcgeln zu », dann, wenn ss) die vorhandenen Anzeigen
auf vorsätzliche Untreue und Unredlichkeit folgern lassen, beim kompetenten
Gericht die Einleitung der fiskalischen oder Kriminaluntersuchung gegen den
Wormund veranlassen. Liegen dagegen bb) nur schuldbare Rachlässigkeit und
begangene grobe Versehen vor; so muß dem Pflegebefohlenen ein Kurator
zugeordnet werden, welcher mittelst Zivilklage auf Entfernung des Vormun
des anträgt. Dieser Zivilprozeß ist bei dem im Bezirke, wo die Vormund
schaft schwebt, mit Zivilgerichtsbarkeit versehenen Gerichte zu verhandeln und
zu entscheiden. Dabei kommen die Borschriften des ordentlichen Prozesses
zur Anwendung, und es sind die gewöhnlichen Rechtsmittel zulässig.
Sind die Mitglieder des Vormundschaftsgcrichts zugleich sämmtlich oder
doch zur Hälfte Mitglieder des Prozeßgerichts; so kommen wegen Abgabe
des Prozesses an das substituirte Gericht die Bestimmungen §. 34, Rro. 4
(S. 64 fg.) zur Anwendung. — K. 13—2S g. q. O.
IV. Wenn das vormundschaftliche Gericht bei der Administrationsrechnung')
«Ines Vormundes Ausstellungen und Erinnerungen zu machen hat; so muß es die
selben dem RechnungSlcger vor dem Abnahmctermin mittheilen; im Termine ftlblt
ihn mit seiner Beantwortung und Ausführung darüber vernehmen, und sodann durch
Resolution festfetzen:
welche Erinnerungen für erledigt zu achten sind, oder bei welchen dem
Vormunde eine Vertretung, und auf wie hoch, zur Last falle.
ZSeruhigt sich aber der Vormund dabei nicht, und erkennt er die gezogenen Defekte
nicht an; so muß entweder der Rebenvormund oder ein Verwandter, welcher von
der Sache Kenntniß hat, oder allenfalls ei» dem Pflegebefohlenen zu bestellender
Litiekurator vom Vormundschaftsgericht zur Einklagung der Defekte den erforderli
chen Auftrag und Information erhalten. Die Klage wird im ordentlichen Gerichts-
') Eine Anleitung zur Rechnungsführung für Vormünder ist vom Juftizminister
unterm 18. März 1843 crthcilt. I. M. B. 1843 S. 88 u. Beil. Im K> IS
derselbe» heißt es: Gegen die Rechnung des Vormundes dürfen nur folche Erin
nerungen aufgestellt und verfolgt werden, welche die Richtigkeit derselben, die
Vollständigkeit der Einnahme, wie der beigebrachten Beläge und die Zuläfsigkeit
der berechneten Ausgaben betreffen. Mängel in der Form können nur in sofern
Gegenstand der Erinnerungen werden, als aus der Rechnung die Ausgaben und
Einnahmen nicht deutlich zu übersehen sind; Jrrthümer in Verthcilung der Ein
nahmen und Ausgaben auf die einzelnen Interessenten, in so weit sich der Vor
mund dadurch nicht verantwortlich gemacht hat, und wenn durch die Bermögens-
übcrsicht ihre Ausgleichung erfolge» kann, bilden keine Erinnerungen , sind viel
mehr blos nachrichtlich in die Revifionsverhandlungen aufzunehmen, durch denn
Mittheilung sie zur Kenntniß des Vormundes kommen.
stände des Vormundes angeftcUt, und es kommen die für den Rcchnungsprozeß g«
gebenen Borschristen (Absch. 15) zur Anwendung. — K. 2S, 27 a. «. O.
Dreizehnter Abschnitt.
Verfahren in Grenz» und Bauprozessen.
5. Grenzsachcn. Aufnahme der Klage und Verfügung darauf.
8. 324. l. Jeder Besitzer eines Grundstücks kann,
1) wenn die Grenzen desselben verdunkelt') und ungewiß geworden sind, auf deren
Wiederherstellung und
2) wenn eine Verdunkelung dieser Grenzen zu besorgen ist, auf deren Erneuerung
bei Gericht antragen, und die Grenznachbarn vorladen lassen. Wollen die Nach
barn gütlich sich nicht dazu verstehen, oder ist eine Einigung über die Grenze
selbst nicht zu erlangen; so kann Ertrahent im prozessualischen Wege auf Wie
derherstellung oder Erneuerung der Grenze antragen. Eben so ist
Z) ein Klageantrag auf Wiederherstellung der Grenze dann gestattet, wenn eine
Grenzverrückung statt gehabt hat. -) — §. I, l. 42 A. G. O. — Z. 372, 383,
388, I. 17 A. L. R.
II. Eine auf Bestimmung oder Wiederherstellung einer streitigen oder zweifel
haften Grenze gerichtete Klage kann schriftlich eingereicht, oder zu Protokoll gege
ben werden.») Bei Aufnahme derselben ist t. hauptsächlich dahin zu sehen, daß Klü
ger die Gegend und Stellen, wo die Grenze streitig ist, und den Punkt, von wo,
und den, bis wohin Streit obwaltet, deutlich und bestimmt angebe;
2. daß er gleichergestalt den Grcnzzug, so wie ihn der Gegner verlangt, mit mög
lichster Deutlichkeit und Bestimmtheit beschreibe; und
3. die Mittel, wodurch er die Richtigkeit der von ihm angegebenen Grenze wahe
zu machen gedenkt,' gchön'g anzeige, auch, wenn sie in Urkunden bestehen, dieselben
vor allen Dingen herbeischafft. Besonders muß Kläger
4. angehalten werden, alle ihm bekannten, in den Dokumenten aufgeführten, oder
bisher gewöhnlich dafür angenommenen Grenzzeichcn anzuzeigen: ob erste« noch vor-
') Grenzen sind verdunkelt, wenn keine von beiden Thn'len dafür anerkannte, hin
längliche Merkmale vorhanden sind. §. 37S, I. 17 A. L. R. — Daraus also,
daß ein oder andrer Grenznachbar bei seinem Grundstücke die in altern Regi
stern oder Vermessungen angegebene Quantität nicht mehr zu haben angibt, folgt
noch keine Verdunkelung der Grenzen. — Z. 376 das,
l) Wer aus Eigennutz, und um seines Vortheils willen, Grenzsteine oder andre
zur Bestimmung der Privatgrenzen gesetzte Zeichen wegreißt, verrückt, oder sonst
verändert, der soll um den doppelten Betrag des dadurch gesuchten Vortheils
bestraft werden. §. 1403 Str. R. Ist daher die Grenzverrückung mittelst eines
solchen Vergehens veranlaßt; so erfolgt die Feststellung und Ermittelung der rich
tigen Grenze in der Regel im Wege der fiskalischen Untersuchung.
») Bei gutshcrrlich-bäuerlichen Regulirungen und Gemcinheitsthcilungcn gehören
Grenzstreitigkeiten, und zwar nicht blos unter den Interessenten der Auseinan
dersetzung, sondern auch derselben mit den Nachbarn, zur Kompetenz der Aus-
einandersetzungsbchördc (Gencralkommission und resp. Rcgicrungsabth.), in so
weit dies zur Feststellung des Gegenstandes der Auseinandersetzung erforderlich
ist. Auch auf Darstellung besserer Grenzzügc, sowol zwischen den Hauptparteicn,
als unter ihnen und andern bei dem Gegenstand der Auseinandersetzung selbst
nicht betheiligten Personen, können jene Behörden ihre Bernnttelung ausdehnen;
doch kann den unmittelbaren Thcilnchmcrn in dergl. Nebcngeschäften die Aus
einandersetzung wider ihren Willen nicht aufgedrungen werden. — §. 7, 8, V.
vom SO. Juni IM GS. S. SS.
484
Händen sind, oder nicht, anzugeben; und sich bestimmt zu erklären: welche von den
jenigen Grenzzeichen, die, so viel er weiß, der Gegner dafür angibt, von ihm für
bekannt angenommen, oder in Abrede gestellt werden. Weicht die Angabe des Klä
gers vom Inhalt der Urkunden ab; so muß
6. Kläger darauf aufmerksam gemacht werden: wie er die Abweichung rechtlich
zu vertheidigen, und die Wahrheit der behaupteten Thatsachen zu beweisen gedenke?
6. Sur Förderung der Deutlichkeit und Vermeidung aller Mißverhältnisse muß
in allen Verhandlungen bei Beschreibung und Bezeichnung der Grenze, ein und
eben derselbe Grenzpunkt unter derselben Benennung beibehalten, und dazu, wenn
der Grenzzug auf Dokumente gegründet wird, derjenige, welcher darin angegeben
wird, gewählt; hingegen blos alle Relativbenennungen und Bezeichnungen, welche ohne
Lokalbesichtigung ganz unverständlich sind, sorgfältig vermieden werden.
7. Ist die Grenze an mehren Stellen streitig; fo müssen diese verschiedenen Punkte
genau und sorgfältig gefondert, und so deutlich und bestimmt auseinander gesetzt
werden, daß in der Folge keine Verwechselungen, Dunkelheiten, Zweideutigkeiten oder
Lrrthümer entstehen. Endlich muß
8. der Klage jedesmal eine ungefähre Zeichnung der Gegend, worauf beiderlei
Grcnzzüge deutlich bemerkt sind, beigefügt werden. — z. 1—6. z. 22, I. 42. z. 9,
I. 41 A. G. O.
III. Kann der die Klage aufnehmende Deputirte sich aus den Angaben des
Klägers keinen klaren und vollständigen Begriff vom streitigen Grenzzuge machen;
so kann, wenn die Sache von Wichtigkeit ist, auf gebührende Anzeige, er selbst oder
ein auswärtiger Richter mit Aufnahme der Klage an Ort und Stelle beauf
tragt werden. — Z. 7, I. 42 a. a. O.
IV. Die Klage wird vom Gericht geprüft, und falls sie vollständig befunden
wird, die fernere Instruktion sofort auf Lokalkommission gerichtet. — Au
dem hiernächst vor einem Gerichtsmitgliede oder einem beauftragten auswärtigen
Richter anzusetzenden Lokaltermin wird nun
Z) der Beklagte unter abschriftlicher Mittheilung der Klage vorgeladen, und ihm
aufgegeben, daß er im Termin gehörig vorbereitet in Person oder durch einen
zulässigen Bevollmächtigten erscheine; und daß er, wenn noch vor dem Termin
eine richterliche Verfügung, es sei wegen Herbeischaffung einer Urkunde, wegen,
Vorladung gewisser nicht am Orte befindlicher Zeugen, oder sonst erforderlich
wäre, dem Gericht zeitig vor dem Termin zur weiteren Verfügung anzuzeigen
habe. Als Warnung wird beigefügt, daß beim Nichterscheinen Kontumazialer-
kenntniß folgt.
2) Kläger wird dazu unter der Warnung der Menweglegung ebenfalls vorgeladen.
3) In Fällen, wo das Objekt des Streits von einigem Umfange und Erheblichkeit
ist, muß dem Kommissario jedesmal ein zu dergleichen Geschäften ein für alle
Mal verpflichteter, oder zur gegenwärtigen Verhandlung besonders zu vereiden
der Feldmesser beigegeben werden. — Z. 8—12 a. a. O.
V. Das Gericht muß nach Möglichkeit, auch von Amtswcgen dafür sorgen,
daß alle etwa vorhandene Mittel zur Findung der Wahrheit noch vor dem Termin
herbeigeschafft werden, damit sie im Termin zur Hand sind, und kein Aufenthalt
lei Instruktion entsteht.
Sind daher die streitigen Grenzen weitläufig und von grossem Umfange, so
daß durch deren Aufnahme, wenn sie im Lokaltermin geschehen sollte, der Kommis
sion ohne Nutzen Zeitverlust und Auftnthalt entstände; so steht dem Gericht frei,
sofort nach Eingang der Klage und vor verfügter Lokalkommission unter deren Aus
setzung, die Vermessung zu veranlassen; und beiden Theilen aufzugeben, daß sie dem
48S
Feldmesser den Grenzzug, den jeder behauptet, nebst den vorgeblichen Grenzmalen,
gehörig anweisen sollen. »
In solchem Falle beginnt demnächst beim Lokaltermin der Kommissarius damit,
daß er den Parteien die aufgenommene Karte zur Erklärung vorlege, und wo noch
Zweifel und Erinnerungen dagegen vorkommen, dieselben mit Zuziehung des Felds
Messer« bei der Lokalbesichtigung prüfe und berichtige. — §. 11, 21 a. a. O.
VI. Betrifft der obwaltende Grenzstreit zugleich mit eine Landesgrenzez
so darf wegen Untersuchung und Regulirung der Sache, ohne Vorwissen und Mit
wirkung des Departements der A. Ang. Nichts vorgenommen werden. — 8. 33 a. a. O.
Verhandlung im Termin; Aufnahme der Karte; Regulirung des
Interimistikums, und Abschluß der Instruktion.
K. 325. I. Im Lokaltermin muß der Kommissarius
1) zuvörderst dem Kläger den in der Klage beschriebenen Grenzzug vorlegen, den
selben mit ihm nochmals durchgehen, und, wo es nöthig ist, berichtigen.
2) Dann muß er den Gegner besonders vornehmen; ihm den klägerischen
Grcnzzug, »ach der bei den Akten befindlichen ohngefähren Zeichnung, ebenfalls
vorlegen; ihm denselben Schrit für Schrit zergliedern; wo die Grenzlinie nach
seiner Behauptung anders gehen solle, ihn deutlich und bestimmt angeben lassen;
die Abweichungen im Protokoll genau bemerken; allenfalls eine zweite ohnge-
fähre Zeichnung des streitigen Grenzzuges, nach den Angaben des Beklagten,
fertigen lassen; solchergestalt den eigentlichen streitigen Ort näher bestimmen;
übrigens aber den Beklagten sowol mit seinen Einwendungen wider die Beweis
mittel des Klägers, als über die Beweismittel, die er selbst zur Unterstützung
des von ihm behaupteten Grenzzuges angeben könne, gehörig vernehmen.
I) Hiernächst muß er sich, mit Zuziehung beider Theile, der von ihnen etwa vor
geschlagenen Zeugen, und des Feldmessers auf die Grenze verfügen; dort gemäß
§. 157 (S. 249) den Augenschein einnehmen; sich die streitigen Stellen
und Grenzzeichen von den Parteien anweisen lassen; den ganzen Grenzzug jeder
Partei von Ort zu Ort, nebst den darauf angegebenen Grenzzeichen, deutlich
und umständlich ins Protokoll eintragen; die streitigen Hügel und Steine auf
graben lasse», und was darunter gefunden worden ist, sorgfältig anmerken; dm
Feldmesser zur Aufnahme der streitigen Gegend instruire»; beiden Theilen auf
geben, demselben bei der Vermessung und Aufnahme der von Jedem behaupteten
Grenzzüge, die von Jedem dafür ausgegebenen Grenzzeichen zur Eintragung in
die Karte, genau und bestimmt anzuweisen; die anwesenden Zeugen auf die
Streitörter und Grenzmahle aufmerksam machen; und demnächst nach dem In
halte des aufgenommenen Protokolls, die dabei gefundenen Abweichungen von
den ohngefähren Zeichnungen der Parteien genau bemerken, und allenfalls durch
einen von ihm selbst gefertigten Abriß noch mehr erläutern, damit er davon bei
Abhörung der Zeugen, oder sonst bei fernerer Instruktion der Sache, bevor die
Karte des Feldmessers cingekommen ist, Gebrauch machen könne.
4) Ist hierdurch der Streitort, und der eigentliche Grund der gegenseitigen Behaup
tungen bestimmt und richtig ausgcmittclt, und alle dabei vorkommenden That-
sachen gehörig auseinandergesetzt; so muß mit Regulirung des Sach- und Streit
standes, welche bei mehren Streitpunkten (Nro. 5) auf jeden der streitigen Oerter
oder Züge besonders zu richten ist, und mit Aufnahme des Beweises nach Vorschrift
Tit. 6, Z. 112—153 verfahren werden. Besonders muß bei Abhörung der
Zeugen mit vorzüglicher Aufmerksamkeit dahin gesehen werden, daß dieselben ihre
Aussagen deutlich, positiv, und so, daß sie keine blos individuellen, dem künftigen
Urtelsfasser unverständlichen Beziehungen enthalten, abgeben; auch nicht etwa
486
verschiedene Oerter von ähnlicher Lage oder Benennung mit einander verwech
seln. Wenn es nach den Umstanden möglich, und um mehre Deutlichkeit und
Zuverlässigkeit in die Aussagen der Zeugen zu bringen, erforderlich wäre, müssen
dieselben an Ort und Stelle sofort abgehört, und nachher nur ihre Vereidung
zu Hause nachgeholt werden.
6) Sind mehre Streitpunkte; so hat der Kommissarius bei Vernehmung der Par«
teien über jeden einzelnen Streitort ein besondres Protokoll aufzunehmen, und
jedem Protokoll die über den betreffenden Punkt sprechenden Beweismittel, als
Urkunden, Vermerk über den Augenschein, Zeugenvernehmungen, beizufügen.
Sind Zeugen über mehre Strcitorte zu vernehmen; so wird der Vermerk hin
sichtlich der Generalfragen und der Vereidung dem SpezialProtokoll über den
ersten Punkt ihrer Vernehmung, ihre Aussagen hinsichtlich der einzelnen Punkte
aber den Protokollen über diese einverleibt, und hier auf das erste Protokoll Be
zug genommen. Urkunden über mehre Punkte werden dem Protokoll über den
Punkt, wo sie zuerst nöthig sind, beigefügt, und in den andern Protokollen wird
darauf Bezug genommen. — Ausser den Spezialprvtokollen muß ein General
protokoll über Eröffnung der Kommission, Berichtigung des Legitimationspunk
tes, Sühne, und über den Fortgang des Geschäfts von einem Sag zum andern,
aufgenommen werden. ,
S> Der zugezogene Feldmesser muß die Grenze aufnehmen. Ist die Karte fertig, so
wird sie den Parteien zur Erklärung vorgelegt: ob die von ihnen gegenseitig an
gegebenen Grenzlinien, Mahle, oder Seichen darauf richtig bemerkt sind; oder
was sie deshalb, oder sonst bei der Karte etwa noch zu erinnern haben. Kom
men Erinnerungen vor; so wird die Karte an Ort und Stelle nochmals «vi-
dirt. Ueberhaupt muß eine Wiederholung der Okularinspektion so oft geschehen,
als es, um die Sache in ein vollkommen deutliches Licht zu setzen, nöthig ist.
Wird die Karte erst nach der Zeugenvernehmung fertig z so muß der Kommis
sarius, wenn die Zeugen bei ihren Aussagen Grenzzeichen, oder andre merkwür
dige auf der Karte noch nicht bemerkte Stellen angegeben haben, für deren
Nachtragung, so wie dafür sorgen, daß die Buchstaben, womit solche Punkte be
zeichnet sind, am Rande des Protokolls vermerkt werden.
7) Ueberhaupt muß der Kommissarius dahin sehen, daß die Bezeichnungen nach Zah
len oder Buchstaben überall unverändert bleiben, damit den Verirrungen, vor
gebeugt werde, welche leicht entstehen könne», wenn die vorläufigen Handzeich
nungen, und die etwa in mehrer Anzahl vorhandenen Karten in diesen Stücken
von einander abweichen. — Z. 13—18, 22, I. 42. §. 42, 43, l. 41 A. G. O.
II. Die Sühne muß unter den Parteien wiederholt, und auch am Schlüsse
der Kommission versucht werden. Schlägt der Versuch fehl; so müssen beide Theile
ernstlich angewiesen werden, bis zum erfolgenden Erkenntnisse Alles in dem, bei der
öokalkommission vorgefundenen Zustande zu lassen; sich im derzeitigen Besitzstände
nicht zu beunruhigen; sich gegenseitig alles Gebrauchs und aller Benutzung der Oer
ter, wo auch der neueste Besitz streitig geblieben ist, vor der Hand gänzlich zu ent
halten, und das Urtel, welches möglichst beschleunigt werden solle, ruhig abzuwarten.
Kann die Benutzung des Streitorts während des Prozesses füglich weder dem
einen Theile, noch beiden gemeinschaftlich überlassen werden; so muß Kommissarius
wegen der einstweilige» Benutzung desselben durch einen Dritten, mit Vorbehalt des
Rechts beider Theile, solche Verfügungen treffen, daß künftig dem obsiegenden Theile
die inzwischen erhobenen Rutzungen vergütet werden können. — §. 19, 2« 1. 42 A. G. O.
III. Deduktionen sind zulässig, Sie müssen entweder im Lokaltermin zu Pro
tokoll gegeben, oder in einer zu bewilligenden Präklusivfrist eingereicht werden. Nach
Eingang «der Präklusion muß unverzüglich Spruchyorlegung erfolgen. — §. 23 g. a. O.
487
Erkenntniß; Rechtsmittel und demnächstige Berichtigung der
erkannten Grenze,
ß. 326. I. Bei Abfassung des Erkenntnisses im Streit wegen Wiederherstellung
verdunkelter Grenzen muß
1) vorzüglich auf die vorhandenen Urkunden gesehen, und nach dem Inhalte dersel
ben beurtheilt werden: ob die von einem oder dem andern Theile angegebenen
Grenzzeichen dafür wirklich zu achten sind. Doch ist zur Erklärung oder Er
gänzung des Inhalts der Urkunden, ingleichen bei gänzlichem Mangel derselben
oder der darin angegebenen Grenzzeichen auch auf die Aussagen glaubwürdiger
Zeugen Rücksicht zu nehmen.
2) Sind die vormaligen richtigen Grenzen gar nicht auszumitteln gewesen; so muß
das streitige Stück unter die Grcnznachbarn gctheilt werden. Bei dieser Thei-
lung ist hauptsächlich auf das Berhältniß des bisherigen Besitzstandes der Par
teien Rücksicht zu nehmen. Ist auch kein dergleichen ruhiger Besitzstand vorhan
den; so muß durch eine grade Linie, von dem letzten bis zum nächstfolgenden
unstreitigen Grenzzeichcn, die Grenze berichtigt werden. — Ist jedoch ausgemit-
tclt, daß bei dem letzten unstreitigen Grenzzeichcn die Grenze von der graben
Linie abgegangen sei, und der eigentliche Punkt, bis wohin diese Abweichung sich
erstreckt hat, kann nicht mit rechtlicher Gewißheit bestimmt werden ; so wird das
streitige Stück zwischen den beiden Grenznachbarn gleich getheilt. — §. 377—
382, I. 17 A. L. R.
II. Gegen das erste Urtel, welches, wie jedes andre Urtel zugefertigt wird
(§. 183), ist bei Bcschwerdegegenständen im Werth von mehr als 50 Thlr. die
Appellation,') sonst derRekurs, zulässig. Dabei kommen die Borschriften Tit. 7,
Absch. 3 u, 4 zur Anwendung.
Wird zur Instruktion des Appellatorii eine neue Lokalkommisston erforderlich;
so muß dazu ein andrer Kommissarius, als der die erste Instanz instruirt hat, er
nannt werden.
Wenn eine Partei in zweiter Instanz behauptet, daß die in erster Instanz auf
genommene Karte unrichtig sei; so muß sie genau und bestimmt angeben: worin
diese Unrichtigkeit bestehen solle; und alsdann muß der neuen Kommission ein an
drer Feldmesser beigegeben, der vorige aber zugleich jedesmal zugezogen werden, da
mit er den neuen Feldmesser bei seiner Operation kcntrollire, die vorige Vermessung,
wo es nöthig, rechtfertige; wenn aber wirklich ein Verstoß vorgefallen wäre, der
selbe mit seiner Beistimmung auf der ersten Karte berichtigt werde. — §. 25—28, 1.
42 A. G. O. — Res. vom 1. Mai 1834. Jahrb. 43, S. S47.
III. Hinsichtlich der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde gelten
die Bestimmungen des achten Titels. — §. 29, I. 42 A. G. O.
IV. Wird Appellation eingewendet; so gilt das erste Urtel als Interi
mistikum, so, daß beide Theile, bis zum rechtskräftigen Austrage der Sache, sich
wegen der Benutzung des streitigen Flecks, und sonst überall nach den Festsetzungen
desselben zu achten schuldig sind. Bei sehr weitläufigen und an mehren Stellen strei
tig gewesenen Grenzen kann das Gericht einem Kommissario die Regulirung des
Jnterimistiz« auf Grund des ersten Uttels, auftragen.
Auch, wenn das Appcllationsurtel am erste» Erkenntnisse etwas ändert, bleibt
') Das Objekt der Grenzstrcitigkeite» läßt sich i» der Regel nach Geld abschätzen.
Es besteht
s) hauptsächlich in dem Werth derjenige« Fläche, welche zwischen dem streitigen
Grenzzuge liegt;
b) nebenbei im Werth der davon vielleicht gezogenen Nutzungen, und
c) in den Kosten der Wiederherstellung der allen Grenzen. . .. ,^
488
es nach Anbringung der Revision bei dem auf Grund des ersten Urtels regulirten
Jnterimistiko so lange, bis auch in dritter Instanz erkannt ist.
Steht aber der streitig gewesene Grenzzug rechtskräftig fest; so müssen Par
teien angewiesen werden, denselben durch gemeinschaftlich zu setzende Grenzsäulen,
Haufen oder Steine, dem ergangenen Urtel gemäß, unverzüglich zu reguliren. Ist
die Sache weitläufig und wichtig, oder können sie sich nicht einigen; so müssen sie
sich dazu eine anderweite gerichtliche Kommission erbitten, welche dann einen förm
lichen Grenzrezeß, mit deutlicher und umständlicher Beschreibung aller gesetzten
Mahle, und Seichen, auch mit genauer Bemerkung der Weite derselben von einander,
ausnehmen und vollziehen muß.
Der Richter muß dafür sorgen, daß die Grcnzberichtigung der Entscheidung ge
mäß wirklich erfolge, und, wie es geschehen, zu den Akten nachgewiesen werde. Sind
die Parteien darin säumig, so muß sie der Richter von Amtswegen dazu auffordern.
Lehnen sie aber diese gerichtliche Grenzberichtigung ausdrücklich ab; so muß der Rich
ter sich dabei beruhigen. — S. 25, 26, 29—31 a. a. O.
V. Die Kosten der nach dem Urtel vorzunehmenden Grenzberichtigung wer
den in der Regel von beiden Theilen zur Hälfte getragen. Nur, wenn die eine
Partei zu diesen sämmtlichen Kosten »crurtheilt ist, muß sie dieselben allein überneh
me. — §. 32 a. a. O.
II. Verfahren in schleunigen Bausachen.
§. 327. I. Hier ist nur von schleunigen, d. h. von solchen Bausachen -
die Rede, in denen es sich um einen schon wirklich angefangenen Bau
handelt, dessen Fortsetzung oder Kassirung von dem Ausfalle des
Prozesses abhängt. >) In andern Fallen, z. B. wenn noch vor angefangenem
Bau über die Befugniß dazu, oder die Art, denselben zu führen; oder wenn nach
Vollendung desselben über einen dem Nachbar daraus erwachsenden Nachtheil, und
die ihm desfalls gebührende Schadloshaltung z oder wenn zwischen dem Bauherrn
und Baumeister über Berechnung oder Bezahlung der Baukosten Streit entsteht; zc.
kommen nicht die hier folgenden, sondern lediglich die im Titel 5 bis 8 gegebenen
Vorschriften zur Anwendung. — z. 35, 42 I. 42 A. G. O.
II. Eine schleunige Bauklage muß, wenn Kläger sich zur Aufnahme bei
Gericht meldet, ^) unverzüglich von dem zu ernennenden Dcputirten aufgenommen
werden. Eben so schleunig muß die Verfügung auf die Klage erfolgen. Wird diese
zugelassen; so muß Beklagter noch auf denselben, spätestens auf den folgenden Tag
durch den Gcrichtsdiencr mündlich vor den Deputirten vorgeladen, von diesem mit
seiner Antwort gehört und sodann der Sach- und Streitstand mit den Parteien
regulirt werden. Hiernächst muß der Deputirte unter Zuziehung vereideter Sach
verständigen, den Augenschein einnehmen; von diesen, wo es zur Erläuterung der
Äache nothwcndig ist, einen ordentlichen Riß, sonst aber nur eine ohngefähre Zeich
nung, sowie ein umständliches Gutachten, zum Protokoll oder schriftlich einfordern;
die über die streitigen, und durch Augenschein nicht auszumittelnden Thatsachen etwa
vorhandenen Zeugen ordentlich abhören, und die Instruktion abschliessen.
Die Vorladung der Sachverständigen und Zeugen veranlaßt der Deputirte unmit-
1) Dies Verfahren findet auch Anwendung in Vorfluthsachen und namentlich auch
wegen des Wasserstaues bei Mühlen und Verschaffung der Vorfluth. §. 5
des Ges. vom 15. November 1811.
2) In Provinzen, wo Kreisjustizräthe fungiren, gehören dergl. Bausachcn vor die
selben; die Entscheidung darin bleibt dem Obergericht, wenn nicht beide Theile
auf die Entscheidung des Kreisjustizraths provoziren. — Z. 4 Nro. 4 V. vom
3«. November 1833 GS. S. 297. — Cab.-Ord. vom 18. Jan. 1834. Jahrb.
43, S. 14«.
489
tclbor, ohne Rückfrage beim Kollegio. Schriftliche Deduktionen sind nicht zulässig.
Die Spruchvorlegung muß sofort nach Abschluß der Instruktion erfolgen, und das
ErKnntniß alle Mal vorzüglich beschleunigt werden. — §. 34—37 a. a. O.
' III. Gegen das Urtel steht die Appellation mit voller Wirkung zu.
Sie muß jedoch innerhalb drei Tagen bei Verlust derselben angemeldet; sie
muß vom ersten Richter, wenn es auch der Unterrichtcr wäre, entweder sofort, oder
in einem, nach Beschaffenheit der Umstände, so nahe als möglich zu bestimmenden
Termine, mit Zuziehung des Appellaten, zum Protokoll instruirt, wenn dazu eine
nochmalige Lokalbesichtigung entweder von einer Partei beantragt, oder auch vom
Richter nöthig befunden würde, dieselbe einem andern Deputirten, und andern Sach
verständigen, als in erster Instanz waren, aufgetragen, und demnächst die ge
schlossenen Akten, ebenfalle ohne weitere Deduktionen, dem Appellationsrichter ein
gesendet werden.
Sind die in beiden Instanzen zugezogenen Sachverständigen über einerlei Ge
genstand verschiedener Meinung; so müssen sie gegen einander gestellt, und entweder
zum Einverständniß gebracht, oder wenigstens dahin, daß jeder von ihnen die Gründe
seiner Meinung, und die, warum er des Andern Meinung verwerfe, deutlich und
bestimmt angeben müsse, angehalten werden. — §. 38, 39 a. a. O.
IV. Der erkennende zweite Richter muß im vorstehenden Falle beiderlei Gut
achten gegen einander halten, und allenfalls, wenn es dabei auf wissenschaftliche
Grundsätze der angewandten Mathematik, und insonderheit der Baukunst ankommt,
noch von einem dritten Sachverständigen ein Gutachten über die eigentliche Streit
frage einfordern. — Z. 39 a. a. O.
V. Revision ist nicht zulässig. Die Nichtigkeitsbeschwerde, welche jedoch den
Bollzug des rechtskräftigen Urtels nicht aufhält, muß innerhalb 10 Tagen ange
bracht und binnen gleicher Frist- beantwortet werden. — Art. 14 Verlar, vom 6.
April 1839. — §. 3 Verord. vom 14. Decembcr 1833.
Vierzehnter Abschnitt.
Bom Verfahren in Pacht > und Miethsachen.
Anordnung dieses Abschnitts.
H. 328. Pacht und Miethe kann verschiedenartige Klagegründe zwischen den
Kontrahenten hervorrufen. In den meisten Fällen wird der desfalsigc Prozeß ledig
lich nach den Vorschriften der ersten 9 Titel verhandelt werden. Einige besondere
Bestimmungen kommen nur zur Anwendung:
1) bei Klagen eines Pächters auf Wiedereinsetzung in die ihm eigenmächtig entris
sene Pacht.') Pächter kann dann nemlich innerhalb sechs Monaten nach erfolg
ter Pachtentsetzung im Possessorienprozcß die Wiedereinsetzung verlangen, und
die Verhandlung und Entscheidung geschieht darin nach den Vorschriften des
sechsten Abschnitts (§. 30«, 301). Nach Verlauf der sechs Monate kann er aber
nur eine Schadensklage anstellen. — Z. 44, 45, l. 44 A. G. O.
2) bei Klagen auf Zahlung von Pachtsummen, wenn Pächter Kompensations- oder
Vemissionsforderungen entgegensetzt ;
A) bei klagen gegen einen der üblen Wirthschaft beschuldigten Pächter auf Räu
mung oder auf Veranlassung vorkehrender Maaßregeln z
") Die Kreisjustizröthe sind zur Verhandlung dieser Prozesse in gleicher Art, wie
hinsichtlich der Bauklagen, kompetent. — B, vom SO. November 1SZ3, §. 4,
490
4) bei Klagen auf Ruckgewöhr eines Guts wegen beendigter Pacht; und
5) bei Klagen auf Einräumung oder Berlassung von Miethsröumen. — Von dm
Prozessen zu 2 bis 4 wird in folgenden KZ. die Rede sein. — Z. 1, 2, 1. 44 A. G. O.
I. Verfahren bei Klagen auf Zahlung von Pachtgeldern, wenn Be
klagter Kompensations- oder Remifsionsforderungen entgegensetzt.
K. 329. Klagen auf Zahlung von Pachtgeldern bis zur Höhe von fünfzig
Thaler begründen den Bagatellprozeß, und die Verhandlung und das Erkenntniß.
erfolgen nach Tit. 6, Absch. 3.
Sind grössere Pachtsummen Gegenstand der Klage; so kann die Sache, wenn
das Sachverhältniß der Klage einfach ist, im summarischen, und im Großherzogthum
Posen im Verfahren der Verordn. vom 9. Febr. 1817, sonst muß sie aber im or
dentlichen Prozeß eingeleitet werden. Wird in jenem Falle die Sache hiernächft
wtitkü'ufig und verwickelt; so ist sie ebenfalls zum ordentlichen Prozeß zu verweisen.
Besonders verwickelt und weitläufig können solche Prozesse durch Kompensa
tions- und Remissionsansprüche des Pächters werden. Für solche Fälle nun gelten,
theils zu Gunsten des Verpächters, damit er nicht durch, vielleicht nur anscheinend
erhebliche, aber an sich grundlose Forderungen des Pächters in Verlegenheit komme,
theils zur grösseren Uebcrsichtlichkeit und zmeckmässigeren Bearbeitung der Wache,
nachstehende besondere Vorschriften:
I. Die Instruktion der Sache selbst muß an Ort und Stelle erfolgen,
wenn durch Zusammenhaltuug der Klage und der Klagebeantwortung sich ergibt,
daß eine Lokalkommission erforderlich ist, namentlich, wenn sich abnehmen läßt, daß
es bei der Sache auf Lokalumstände, auf Besichtigung, und überhaupt auf solche
Beweismittel ankommen werde, welche an Ort und Stelle zur Hand und in der
Nähe befindlich sind. Wegen Ernennung des Kommissarii, Beiordnung etwa no-
thiger Sachverständigen u. f. w., gelten die für den ordentlichen Prozeß in dieser
Hinsicht gegebenen Vorschriften. Wegen Separation der Protokolle bei mehren nicht
durchaus konnexen Punkten gilt das Z. 325, I. 5 Gesagte. — 3—7, I. 44 A.
G. O. — Res. vom 9. Mörz 1839 I. M. B. S. 114.
II. Ist aus Klage und Klagebeantwortung zu entnehmen, daß der Pächter
der an sich liquiden Forderung des Verpächters solche Kompensationsansprü'che ent
gegengesetzt, welche eine weitläufige Erörterung und Beweisaufnahme voraussetzen
lassen; so muß das Gericht zugleich bei Veranlassung der weitern Instruktion')
4) einen nahen Termin zur Anlegung eines vorläufigen Liquidi vor dem Deputirten
der Sache anberaume«. Dieser Termin kann auf einseitiges Gesuch des Päch
ters nicht verlegt werden.
2) Im Termin muß der Deputirte mit den Parteien oder deren Vertretern, und
gegen einen Ausgebliebenen in oonlumscigin sowol die Forderungen des Ver
pächters, als die Gegenforderungen des Pächters, Punkt für Punkt durchgehen,
und bei einem jeden derselben auseinandersetzen : ob und wie viel dabei vorläufig,
und interimistisch als liquid anzunehmen, oder was zur näheren Erörterung zu
verweisen sei?
3) Als liquid soll das angenommen werden, was entweder auf bereits abgege
benen Geständnissen der Parteien beruht; oder durch schriftliche, mit keinem
sichtbaren Mangel behaftete Beweismittel bescheinigt ist. Wenn bei irgend einem
Punkte zwar fo viel klar wäre, daß dem Liquidanten desfalls eine Forderung
zustehe, die Ausmittelung des eigentlichen Betrags aber noch einer näheren Er«
^ In Prozessen zwischen Erbverpöchter und Erbrachter kommen diese Beftimmun-
^ gen nicht zur Anwendung. — Res. vom 4. Juli 1S2S. Gr äff, Koch ,c, lll.
S> 966, > ., ,
491
ortcrling bedürfe j so muß der Jnstruent die Parteien öber ein dabei vorläufig,
mit Vorbehalt ihres Rechts, anzunehmenden Mittelquantum zu vereinbaren su
chen; oder, wenn dies nicht zu erreichen stünde, zu dessen vorläufigen ungefähren
Bestimmung die nöthigcn Data aus den gegenseitigen Angaben der Parteien,
und durch sorgfältige Kombinirung der übrigen obwaltenden Umstände, einzusam
meln bemüht sein.
4) Im Termin muß auch die Sühne versucht werden, damit der Prozeß, wo
möglich, durch Vergleich beseitigt werde.
6) Ist ein Vergleich nicht zu Stande gekommen; so muß auf das gemäß 2—4 auf
genommene Protokoll in nächster Sitzung auf Vortrag des Dezernenten, und
nach Erwägung der einzelnen Punkte das Liquidum durch vorläufige
Resolution festgesetzt werden.
6) Gegen diese Resolution findet kein Rechtsmittel statt; sondern sie hat die
Kraft eines Jntcrimistizi, welches so lange gilt, bis das erste Urtel ergeht. Der
Verpächter > ) kann also das, was ihm hiernach zukommt, vom Pächter auch wäh
rend des Prozesses, und vor erfolgendem Haupturtel fordern, und allenfalls auf
dessen erekutivische Beitreibung dringen. — Doch macht dergl. interimistisches
Liquidum der Hauptsache kein Präjudiz; sondern bei Instruktion dieser Letztern
müssen die bei der vorläufigen Berechnung als liquid angenommenen Punkte,
gleich den übrigen, mit zur Erörterung gezogen, und zum förmlichen Definitiv-
erkenntnisse eingeleitet werden. — Z. 16—23, I. 44 A. G. O.
III. Werden vom Pächter dem erhobenen Ansprüche des Verpächters Remis
sionsforderungen, sei cS wegen angeblicher Gewährsmängel, 2) „der wegen
erlittener Unglücksfälle entgegengesetzt, und Verpächter stellt sowol den Grund der
Befugniß zu einer solchen Rcmissionsforderung, als den liquidirten Betrag in Ab
rede; so fragt es sich:
j) ob der vorgegebene Remissionsfall von der Art sei, daß dessen Untersuchung
schleunig erfolgen muß, weil sonst die Möglichkeit zur Feststellung der eigent
lichen Beschaffenheit desselben verloren ginge, wie z. B. bei Hagelschaden. Liegt
ein solcher Fall vor; so muß die Untersuchung auf das Anmelden des Pächters,
und auf dessen Kosten, sofort und weil das Gctraide noch auf dem Halm steht,
verfügt werden. Dem Verpächter wird von dieser Verfügung und dem anste
henden Termine Nachricht gegeben, um selbigen beizuwohnen, und seine Nothdurft
dabei zu beobachten. Erscheint er nicht, so behält die Untersuchung dennoch ihren
Fortgang. Der Kommissarius muß dabei den Vorfall, worauf Pächter die Rc
missionsforderung gründen will, und dessen Umstände so genau und richtig, als
es nach der Natur und Lage der Sache möglich ist, in« Licht setzen; den Au
genschein vorschriftsmässig einnehmen; wenn es auf Abschätzung eines entstande
nen Schadens, z. B. der verhagelten Aussaat, des versandeten Wiesewachses u. s. w.
ankommt, dabei unparteiische Sachverständige zuziehen, dieselben an Ort und
Stelle führen; sich von Allem genau informircn lassen, und sodann ihre Angaben,
> unter der Bedeutung, daß sie sie erforderlichen Falls eidlich würden bestärken müs
sen, vollständig und getreu in sein Protokoll vermerken.
1) Sollte Pächter darnach eine Mehrforderung haben, so steht ihm aus der Resc-
lution keine Exekution zu. Denn das Liquidum wird nur zu Gunsten des Ver
pächters beschlossen. ^
») Wenn der Pächter die ihm im z. 623, I. 21 A. «. R. zur Pflicht gemachte
Anzeige eines entdeckten Gcwährsmangcls dem Verpächter nicht im Lauft des
Pachtjahrs leistet, so hat die Nichtbefolgung dieses Gebots nicht den Verlust des
Rechts auf Entschädigung für den Pächter zur unmittelbaren Folge. — Pl.-Besch.
. des Geh. Sb.-Tr. vom ZS. Mm ItM L. M. B. S. ISS.
Die Absicht dieser vorläufigen Untersuchung ist jedoch keineswegs eine ordent
liche Instruktion der Sache und der Remissionsforderung selbst zum Erkenntnisse,
sondern blos eine vorläufige und nachrichtliche Ausmittelung von der Lage der
Sache, ob z. B. die ganze Aussaat, oder der wie vielste Thcil derselben durch
den Hagelschlag getroffen worden. Es wird also auch auf diese Untersuchung
weiter Nichts verfügt, sondern sie dient blos dazu, daß, wenn in der Folge die
Remissionsforderung selbst zur Sprache kommt, bei Instruktion der Hauptsache
sowol, mittelst Kombinirung dieser Nachrichten, und der Ausdruschregister, Zeu
genaussagen, oder andrer Beweismittel, als bei der nach II. etwa erforderlichen
Festsetzung eines interimistischen Liquid! von den dadurch ausgemittelten Umstän
den und Nachrichten, so weit als nöthig, Gebrauch gemacht werden könne.
2) Waltet jedoch bei der Untersuchung der geforderten Remission keine Gefahr
ob; so muß s) wenn die Untersuchung der Existenz des Remissionsfalles mit der
Untersuchung des geforderten Remissionsbetrages in einer solchen Verbindung
steht, daß eine von der andern nicht füglich getrennt werden kann, >) die Unter
suchung zugleich darauf mitgcrichtet werden : wie viel die Remissionssumme betrage?
d) Ist dagegen die Untersuchung der Frage: ob Pächter überhaupt einen Nach
laß zu fordern berechtigt sei? von der Ausmittelung des Betrages ganz unab
hängig; so muß unterschieden werden:
«) ob über den Grund der Remissionsforderung selbst, oder wegen anderer zu
gleich mit diesem Punkte im Prozesse vorkommenden Forderungen ohnehin
eine Lokalkommission veranlaßt werden müßte, oder nicht? — Ist jenes der
Fall, so muß der Regel nach bei dieser Kommission zugleich der Betrag des
Remissionsanspruchs mit untersucht werden. Wenn also z.'B. darüber ge
stritten wird: ob Verpächter schuldig sei, einen durch Viehsterben entstande
nen Schaden zu vergüten; so muß, wenn ohnehin eine Lokalkommission ver
ordnet ist, bei dieser zugleich ausgemittelt werden: wie viel Häupter, zu wel-
, cher Zeit, und an was für Krankheiten sie gefallen sind, und wie viel also
der Schade des Pächters wirklich betrage? Doch kann in einem Falle, wenn
die Befugniß de« Pächters, Remission zu fordern, an und für sich sehr zwei
felhaft ist, die Ausmittelung der Remissionssumme aber mit beträchtlichen
Weitläufigkeiten und Kosten verbunden sein würde, der Richter selbst dann,
wenn auch wegen andrer Punkte eine Lokalkommission verordnet wird, den
noch nach wohlerwogenem Ermessen festsetzen, daß dieselbe auf Ausmittelung
des Remissionsbetrages nicht mit gerichtet, diese vielmehr bis zur rechtskräf
tigen Entscheidung über die Präjudizialfrage: ob ein Rcmifsionsfall vorhan
den? ausgesetzt werde. 2)
/?) Kann die ganze Sache, und auch die Frage: ob ein Remissionsfall überhaupt
vorliege? an ordentlicher Gerichtsstelle, ohne Lokalkommission, erörtert und
entschieden werden; so muß die Untersuchung des Remissionsbetrages, welche
an Ort und Stelle erfolgen müßte, jedesmal ausgefetzt werden, bis jene Frage
rechtskräftig entschieden ist. Nur, wenn beide Theile in einem solchen Falle
i) Z. B. wenn zwar klar ist, daß dem Pächter wegen erlittenen Viehsterbens Re
mission gebühre, Verpächter aber läugnet, daß so viel Häupter gefallen wären,
als nach den Festsetzungen des Kontrakts erforderlich sind, um ihn am Nachlasse
an der Pacht zu verpflichten. — Z. 30 a. a. O.
») Z. B. Pächter fordert wegen zu wenig gewährter Aussaat Remission. Verpäch
ter stellt in Abrede, daß er ihm überhaupt wegen Aussaat Gewähr zu leisten
schuldig; und die Ausmittelung des an der Aussaat fehlenden Betrages kann
ohne Vermessung eines ganzen Feldes nicht geschehen. Dann muß vor Allem
die Vertretungsverbindlichkeit erörtert, und darüber, allenfalls durch alle In
stanzen, erkannt werden, ehe mit Vermessung zu verfahren ist. — §. SS a. g. O.
493
darüber mit einander einlg sind, daß die Untersuchung des Grundes und des
Betrages der Forderung zugleich vorgenommen werde; muß diesem ihrem An
trage gemäß verfahren werden. — §. 26—34 a. a. O.
IV. Nach geschlossener Instruktion können schriftliche Rechtsaus füh-
rungen dann gestattet werden, wenn das Gericht nach Beschaffenheit der Umstände,
der Wichtigkeit der Sache, und der dabei etwa vorkommenden Rechtsfragen derglei
chen nöthig findet. — Z. 8 a. a. O.
V. Bei Abfassung de« Erkenntnisses muß
1) wenn bei der Sache mehre Punkte, z. B. mehre Kompensanda des Pächters, vor
kommen, zwar gemäß §. 171, II. 6 bei jedem Punkte die Entscheidung beson-
sonders festgesetzt, zuletzt aber nach geschehener Aburtelung aller einzelnen Posten
der Saldo, wie viel nemlich nach diesen speziellen Entscheidungen ein Theil dem
Andern auszuzahlen, oder gut zu schreiben habe, allenfalls mit Zuziehung eines
Kalkulators, berechnet und ausgedrückt werden.
2) Ist bei Remissionsforderungen zugleich der Betrag des Anspruchs mit untersucht
(III); so muß auch über diesen, wenigstens für den eventuellen Fall, mit er
kannt werden. Weist also auch der Richter erster Instanz den Pächter mit der
geforderten Remission überhaupt ab; so muß er dennoch zugleich erkennen: auf '
wie hoch sie bei Abänderung des Urtels in fernerer Instanz zu bestimmen sei,
da sonst der fernere Richter, falls er den Remissionsgrund anerkennt, über den
Betrag nicht entscheiden könnte.
Findet Verpächter sich über den eventuel erkannten Betrag beschwert; so
muß er die Appellation anmelden, und die Unterstützungsgründe seiner Appella
tion anzeigen. Die Verhandlung über diese Appellation bleibt jedoch ausgesetzt.
Erst, wenn der Appellat.-Richter in Betreff des Remissionsgrundes zu Gunsten
des Pächters erkennen will, ordnet er vorerst durch Resolut diese Verhandlung
an, und erkennt dann über beide Punkte. — §. 9 u. 35 a. a. O.
VI. Gegen die ergehenden Erkenntnisse finden die gewöhnlichen Rechts
mittel statt. Doch gilt das erste Urtel als Interimistikum, trit also im Falle Nro. II.
an die Stelle der bei Beginn der Instruktion abgefaßten Resolution, dergestalt, daß
Pächter sich nicht entbrechen kann, das darin festgesetzte Liquidum während des Prozes
ses, mit Vorbehalt seines Rechts, zu bezahlen. Mehr kann aber auch Verpächter
vor rechtskräftiger Entscheidung nicht verlangen. — Wird im zweiten Urtel das erste
Erkenntnis) geändert; so bleibt bei eingewendeter Revision die Sache in der Lage,
in welcher sie sich zur Zeit des publizirten Appellat.-Urtels befand. Die gegen den
Pächter aus dem ersten Urtel verhängte Exekution bleibt daher entweder ganz, oder
doch in Ansehung des abgeänderten Theils bis zum Revisionscrkenntnisse ausgesetzt. —
Z. 11, 12 a. a. O.
*) Die Taxatoren dürfen ohne gerichtliche Festsetzung niemals ihre Gebühren und
Auslagen unmittelbar von den Parteien oder deren Bevollmächtigten fordern«
m 16. Juni 1S52.
SS«
496
auf einem nach dem Augenscheine, besonderer Kunsttenntniß, Kunstgefühle it. sich
bestimmenden Arbitrio beruhet, sind wenigstens drei Taxatoren erforderlich, die
entweder über den anzunehmenden Werth sich vereinigen oder gewärtigen müs
sen, daß aus den verschiedenen zusammen zu rechnenden Angaben der Werth,
nach einem Durchschnitte, festgesetzt wird.
Auch auf die Ortsüblichkeit ist deshalb zu rücksichtigen.
In allen Fallen ist die Zuziehung auch nur Eines vereideten Taxators hin
reichend, wenn die Kosten der Zuziehung mehrer mit dem wahrscheinlichen Werthe
des Gegenstandes in keinem Verhältniß stehen möchten.
Zur Abschätzung besonderer Instrumente, neuer Viehracen oder andrer Ge
genstände, von deren Werth die Landwirthe nicht gewöhnliche Kenntnisse haben,
find andre Sachverständige, welche zu dergleichen Geschäften besonders ausgebil
det sind, zuzuziehn, und wenn die Parteien sich über deren Wahl nicht einigen
können, so ist die Generalkommission um deren Ernennung zu requiriren.
ö) Bei Vernehmung der Taxatoren über den Werth der abzuschätzenden Gegenstände
wird nach 8. 134 fg. und bei Bereidung nach Z. 129, III. Z. 150 fg. verfah
ren. — Die Parteien oder deren Beistände haben jedoch die abzuschätzenden Ge
genstände den Taxanten vorzuzeigen; auch ist ihnen zu gestatten, diese auf die
Umstände aufmerksam zu machen, welche auf die Bestimmung des Werths der
Sache Einfluß haben können.
7) Die aufgenommenen Taxen sind sofort den Parteien zur Erklärung vorzulegen.
Erheben sie Einwendungen dagegen, so sind dieselben ausführlich zu Protokoll
zu nehmen, und die Taxanten zur Erklärung darüber aufzufordern. Verbleiben
diese bei ihren Angaben, oder berichtigen sie die Taxe nicht zur Zufriedenheit
sämmtlicher Interessenten, und findet auch unter diesen eine Vereinigung nicht
statt; so>muß die Kommission die streitig gebliebenen Punkte aus dem Ueberga-
beprotokoll ausziehen, jeden derselben besonders erörtern, die Parteien darüber
hören, den Streitstand unter ihnen reguliren, die vorhandenen Beweismittel auf
nehmen, und jeden Punkt, so weit dies zur leichteren Uebersicht und zur Ver
meidung von Verwirrungen erforderlich ist, in einem besondern Protokolle zum
Desinitiverkenntnisse instruiren.
Einigen sich bei diesem Verfahren die Interessenten über die Aufnahme einer
neuen Taxe durch andre Sachverständige; so ist eine solche sofort zu verfügen.
Wird aber der Aufnahme einer solchen neuen Taxe von einem der Interes
senten widersprochen; so ist die Frage über die ZulMgkeit derselben: ob dieselbe
noch vor der Regulirung des Streitstandes zu verfügen, und welche Wirkung der
neuen Taxe beizulegen, wie in andern Prozessen, vom Richter zu entscheiden.
ö) Das nach Vorstehendem aufgenommene Inventar muß alsdann mit dem, bei
Uebergabe an den Pächter errichteten, durch die Kommission verglichen, und bei
jeder Rubrik das Mehr oder Weniger festgesetzt werden. Ist kein solches Ge
währsinventar errichtet worden; so müssen die erforderlichen Data hierzu, sowie
die Umstände zur Zeit der Uebergabe beschaffen gewesen, und wie es die für einen
solchen Fall gegebenen gesetzlichen Vorschriften (Z. 614 fg. I. 21 A. L. R.) mit
sich bringen, durch Vernehmung der Parteien, und Vereinbarung derselben dar
über, durch Abhörung der Zeugen und Sachverständigen, und durch Anwendung
der sonst etwa vorhandenen Beweismittel in möglichstes Licht gesetzt, und als
dann muß obgedachte Vergleichung vorgenommen werden.
S) Die von einem oder dem andern Theile angegebenen Verbesserungen oder Ver
schlechterungen müssen gleichergestalt untersucht und ausgemittelt werden: worin
die Forderung des Provokanten eigentlich bestehe, und was für Einwendungen
Provvkat ihr entgegensetze,? — Entsteht bei Weliorgtions- oder DeteriorationSs
49V
forderungen Streit sowok über die Berechtigung zum Anspruch selbst, als üb«
dessen Höhe; so kommen bei Verhandlung darüber die Vorschriften §> 329, III.
zur Anwendung.
10) Bei allen streitigen Punkten muß die Kommission die Sühne ernstlich «ersuchen,
und sich alle Mühe geben, die Parteien über das ganze Rückgewährsgeschäft,
und alle daraus entspringenden wechselseitigen Forderungen mit Vorhaltung der
darüber vorhandenen gesetzlichen Vorschriften (Z. 601 fg. I. 21 A. L. R.) gütlich
auseinanderzusetzen.
11) Schlägt der Sühneversuch fehl; so muß mit Ausziehung der einzelnen Streits
punkte, Erörterung derselben, Entwurf des Streitstandes, Aufnahme des Beweis
scs und Abschluß, in besondern Protokollen, gemäß der Vorschrift unter Nro. 7,
verfahren werden. Beim Schluß der Sache muß auch vom Oekonomieverstän-
digen über die streitig gebliebenen Punkte das Gutachten erfordert, und nach
Maasgabe der Bestimmung §. 129, I. entweder zu Protokoll erklärt oder schrifts
lich eingereicht werden. — §. 46—54, I. 44 A. G. O. — §. 6, II. 6 das. —
Jnstr. vom 16. Juni 1832. Jahrb. 40, S. 186 v. K. Ann. 16, S. 91.
V. Verweigert Pächter, von welchem der Verpächter wegen Abs
laufs der Pachtzeit >) Rückgewähr verlangt, diese
1) au« dem Grunde, weil ihm seiner Behauptung nach ein Zurückbehält
tungsrecht zusteht; so muß, bei der alsdann eintretenden Behandlung des
Streits als Arrestsache, 2) über die Zulässigkeit des Retentionsrechts jedesmal
ein besondere« Verfahren eröffnet, und darüber nach Vorschrift Z. 296, I. besons
dcrS erkannt werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Punktes in
den zulässigen beiden Instanzen ^) kann die Exmission des Pächter« nicht erfolgen.
2) Geschieht die Weigerung aus andern Ursachen,^) als wegen behaupteten
Zurückbehaltungsrechts, und wird Pächter hierauf in erster Instanz zur Räus
mung verurtheilt; so kann dies Urtel, der vom Pächter dagegen ergriffenen Ap«
pellation ungeachtet, zur Abwendung der dem Verpächter bevorstehenden Gefahr
im Verzuge, vollstreckt werden. — Z. 55 und Anh. §. 300 u. 301, 1. 44 A. G. O.
O. Will Verpächter dem Pächter seine in das Gut gebrachten Effekten
und Habseligkeiten zurückhalten;^) so bedarf es,
1) wenn der Fall sich vor geschehener Rückgewähr mit Sachen und Stücken,
die zurLandwirth schaft g e h ö r e n, ereignet, darüber keines Prozesses. Denn
der Pächter darf in keinem Falle vor beendigter Rückgewähr Jnventarienstücke
unter dem Vorwande, daß sie zum Superinventario gehören, vom Gute weg«
schaffen; und er kann zur Belassung derselben auf dem Gute oder zur Wieders
herbeischaffung durch Strafbefehle angehalten werden.
2) Will hingegen der Verpächter vor dem Erfolge der Rückgewähr auf Habses
ligkeiten des Pächters, die nicht zur Wirthschaft gehören, dasRücks
behaltungsrecht ausüben; so enthält der Antrag einen Arrestschlag, und es ist
dabei nach Vorschrift des 5ten Abschnitts (Z. 283 fg.) zu verfahren. Kommt
1) Gleich viel, ob die ausdrücklich bestimmte Pachtzeit abgelaufen, oder die Pacht
wegen nicht gezahlten Pachtgeldes der kontraktlich gestellten Bedingung gemäß
zu Ende sei. — Res. vom 29. März 1802. Rabe 7, S. 128. — Res.
vom 25. Febr. 1S37 u. 7. Juli 183«. Jahrb. 49, S. 197. 52, S. 191.
2) Es werden daher, wenn das Rückbehaltungsrecht begründet sein soll, die Erfors
dernisse eines Arrestes vorhanden sein müssen. — Of. K. 541, I. 2V A. L. R.
») Revision ist demnach nicht zulässig in Betreff dieses Retentionsrechts. — Res.
vom 5. März 1821. Jahrb. 17, S. 41. ^
«) S. B. unter dem Einwände der nicht gehörigen Kündigung, oder der stattgefuns
denen Prolongation.
«) D. h. sein Pfandrecht daran geltend machen.
3) das vom Verpächter .behauptete Zurückbehaltungsrecht erA be^i der Rückge^
währ zur Sprache; soniuß dasselbe von der nach ^, Nro. 1 angeordneten Kom
mission unter Einem mit erörtert werden; und wenn die Kommission die ge
schlossenen Akten einsendet, so muß daß Gericht durch eine vorläufige Resolution
bestimmen:
«b und auf was für Stücke dieses Zurückbehaltungsrecht bis zum Er
kenntnisse, durch welches der Grund desselben näher bestimmt wird, statt
finden solle. — §. 5S—53, l. 44 A. G. O. §. 606, I. 21 A. L. R.
II. Im vebrigen kommen in dergleichen Prozessen, so wie überhaupt
bei Streitigkeiten, welche nach bereits geschehener Rückgewähr hinsichtlich
des zu gering, oder zu viel, oder zu werthvoll zurückgewährten Inventars oder über
Meliorationen oder Deteriorationcn u. s. w. entstehen, die in den ersten 9 Titeln
enthaltenen Prozeßvorschriften zur Anwendung. — §. 46, 47, I. 44 A. G. O.
IV. Verfahren bei Klagen auf Einräumung oder Berlassung
von Miethsräumen.
Z. 332. Prozesse, welche zwischen dem Miether und Vermiether rücksichtlich
des Miethsverhöltnisses entstehen, werden in derjenigen Prozeßform verhan
delt, zu welcher sich die Sache mit Rücksicht auf den Prozeßgegenstand eignet; also
bei Gegenständen bis 50 Thlr. im Bagatellprozeß; bei grösseren Gegenständen
im Großherzogthum Posen nach dem Verfahren des Ges. vom 9. Februar
4317, in den andern Provinzen im summarischen Prozeß, und nur bei ver-
wickelteren Sachen im ordentlichen Prozeß.') In nachstehenden Fällen sind
jedoch folgende besondere Bestimmungen zu berücksichtigen:
L) Berührt der Streit zugleich die Frage:
in wiefern der Vermiether sich eines Rückbehaltungsrechts auf die einge
brachten Mobilien des Micthers anmassen könne?
so kommen die Vorschriften von Arresten (Abschn. ö) zur Anwendung. !) — Ueber-
haupt darf keinem Miether von den eingebrachten Effekten ein Mehres zurück
behalten werden, als zur Bezahlung der schuldigen Miethe nöthig ist. Entsteht
s) Streit über den Werth der Mobilien; so ist ohne prozessualisches Verfahren
eine Taxe aufzunehmen, und darnach festzusetzen, welche Effekten dem Ver
miether zur Sicherheit zu belassen.
I?) Künstlern und Handwerkern dürfen, in sofern sie and« Mobilien besitzen,
keine zur Ausübung ihrer Kunst oder ihres Handwerks erforderlichen Werk
zeuge und Sachen vorenthalten werden,
c) Auch wenn andre Mobilien nicht da sind, müssen die Gerichte sich bemühen,
den Vermiether in Güte dahin zu bringen, daß er dem Micther so viel au
Handwerkszeug lasse, als ihm zum Erwerb des nöthigen Lebensunterhalts
unentbehrlich ist.
2) Wird über die Einräumung oder Verlassung einer Wohnung, und über die Be-
fugniß zur Aufkündigung derselben gestritten, und steht der Räumungster
min so nahe bevor, daß Gefahr im Verzuge ist; so müssen
s) die Termine sehr nahe, und namentlich der Klagebeantwortuvgö- und Jn-
struktionstermin, wo möglich, auf den nächsten Gerichtstag angesetzt, und
1) In Provinzen, wo Kreisjustizräthe angestellt sind, gehört zu deren Kompetenz
die Verhandlung und Entscheidung in solchen Miethssachen, in welchen über die
Räumung einer Wohnung und über die Befuqniß zum Aufkündigen gelitten
wird. — §. 4, Nro. 4 o. Verordn. vom 30. November 1833 GS. S 293.
?) Das Prozcßobjekt wird in solch« Retentionssachcn dann, wenn die zurückbehal
tene Sache geringer ist, als die Forderung, nach jener, sonst nach dieser berech
net. — Res. vom 6. Juli 1832. Jahrb. 39, S. S«S.
b) Prorogationen nur wegen solcher EHehasten bewilligt werden, welche Extra-
hent sofort bescheinigt, und von denen erhellt, daß sie ihm ohne alles sein
Verschulden die gehörige Abwartung des Termins unmöglich machen; ferner sind
c) die vorgeschlagenen Zeugen, wenn sie zur Stelle gebracht sind, sogleich zu ve»
nehmen, sonst durch den Gcrichtsboten mündlich vorzuladen;
g) Deduktionsfristen niemals zuzulassen, und
e) die Erkenntnisse schleunigst abzufassen.
t) Die Appellation hat nur Devolutiveffekt. >) Es muß also, während derselbe»
mit der erkannten Im- oder Exmission verfahren; folglich die Instruktion
und das Erkenntniß in zweiter Instanz hauptsachlich auf die Auömittelung
und Feststellung des dem einen oder dem andern Theile daraus erwachsende»
Interesse gerichtet werden.
g) Auch Restitutionsgesuchc können die Bollstreckung des KontumazialerkenntnisseS
in schleunigen Miethssachen nicht aufhalten. Der Restitutionssucher muß
vielmehr sein etwaniges Interesse entweder im Wege der Appellation, oder
wenn er dies nicht will, in einem besondern Prozesse ausführen. 2)
K) Wird die mit Rücksicht auf §. 222 zulässige Revision eingewendet, und da?
erste Erkenntniß ist bereits vollstreckt; so muß es dabei bis zur rechtskräftig
gen Entscheidung verbleiben, und nur, wie im Falle unter s, über das zu
leistende Interesse zugleich mit erkannt werden. — Z. S9—64 u. Anh. §. 302
—304, I. 44 A. G. O. — Z. 5, 16 I. 26 das. — 9. 1 des Ges. vom 9.
Februar 1S17. — §. 6, Nro. S Vererb, vom 1. Juni 1SSS.
Fünfzehnter Abschnitt.
»on St«chnu«gss«chen.
!. Wenn der Streit nur die Pflicht zur Skechnungsle-gung, oder iie
Frist, für welche die Rechnung zu legen, oder ein« Zögerung bei
deren Legung betrifft.
§. 333. Betrifft ein Rechnungsprozeß
1) die Schuldigkeit, Rechnung zu legen, überhaupt; ober
2) den Termin, von oder bis zu welchem die Rechnung gelegt werden solle;
so sind diese Punkte Präjudizialfragen, welche nothwendig erst erörtert und eirk
schieden sein müssen, ehe von Abnahme der Rechnung und den Ausstellungen da«
gegen die Rede sein kann. Die Verhandlung dieser Präjudizialfragen erfolgt
dann, wenn die ganze Rechnung nur einen Gegenstand von 50 Thlr. oder we«
Niger beträgt, tm Bagatell-, sonst im ordentlichen Prozeß (Tit. 6, Absch. 5).
<iegt der Fall unter 2 vor; so kann jedoch in der Zwischenzeit, während der
Verhandlung über jene Präjudizialfrage mit der Rcchnungsabnahme für den
.>) Die Appellation setzt jedesmal appcllable Beschwerdesummc voraus. Bei Berech
nung derselben, inglcichen für die Revision, wird auf den Betrag der Miethe für die
Zeit, auf welche der MicthSvertrag nach der Behauptung des einen oder andern
Theils noch dauern soll, und in Fällen, wo eine solche Behauptung nicht aufge
stellt ist, auf den einjährigen Miethsbetrag Rücksicht genommen. Dagegen dient
bei Bestimmung der Kostenkolonne der einjährige Miethsbetrag, und wenn der
Prozeß einen kürzeren Seitraum der Miethe betrifft, der Micthsbctrag für diese»
zum Maasstab. — Ls. Res. vom 1. Dccbr. 1830 u. vom 5. Aug. IM. Jahrb.
36, S. 314. Bd. 4«, S. 225.
!) Hiernach ist in schleunigen Mitthsprozesse» Restitution nicht gestattet.
soo
Zeitraum, über welchen kein Streit obwaltet, «erfahren, und die Sache über die
dabei vorkommenden Erinnerungen in erster Instanz nach Vorschrift z. 334 bis
zum Spruch instruirt werden. Die Abfassung des Urtels bleibt jedoch dann bis
zur rechtskräftigen Entscheidung der Borfrage ausgesetzt.
I) Wird über Zögerungen eines Rechnungslegers, der seine Verbindlichkeit an
sich nicht ablü'ugnet, geklagt; so findet kein eigentlicher Prozeß statt; sondern der
Richter muß, nach vorhergegangener Vernehmung desselben, eine Frist zur Ab
gabe der Rechnung bestimmen, und wenn diese nicht inne gehalten wird, den
Rechnungsreger zu seiner Schuldigkeit durch Exekution anhalten. — §. 1—4,
I. 45 A. G. O.
Vom eigentlichen Rechnungsprozesse.
Z. 334. Entsteht über eine dem Rechnungsnehmer bereits abgelieferte und von
diesem nicht burchgehends für richtig angenommene Rechnung Streit; so findet
I. in dem Falle, wenn einer oder beide Theile die gerichtliche Ab
nahme der ganzen Rechnung verlangen,') nachstehendes Verfahren statt:
X. Zum Zweck der Rechnungsabnahme muß
1) entweder Rechnungsleger die Rechnung nebst Belögen sogleich dem Gericht über
geben, oder, wenn sie schon in den Händen des Rechnungsnehmers sich befindet,
dieser sie einreichen, und zugleich Rechnungsleger zur Einreichung der Beläge
> angehalten werden.
2) Sobald die Rechnung sammt den Belägen bei den Akten ist, wird sie dem Kal
kulator zur kalkulatorischen Prüfung vorgelegt, und zugleich Termin zur gewöhn
lichen Abnahme anberaumt.
3) Im Termin wird die Rechnung Post für Post mit Zuziehung beider Theile
durchgegangen, mit den Belägen verglichen , und der Rechnungsnehmer bei jeder
Post befragt: ob er diefelbe für bekannt annehme, oder ob und was er dabei
zu erinnern finde?
Eine ganz bestimmte Anbringung von Erinnerungen ist hier noch nicht er
forderlich, sondern es ist hinreichend, wenn Rechnungsnehmer nur so viel be
stimmt anzeigt: gegen welche Posten er sich die Beibringung von Erinnerungen
vorbehalte.
Dagegen muß er sich über die vorgezeigten Beläge wenigstens in so weit be
stimmt erklären: ob er sie für das, wofür sie ausgegeben worden sind, anerkenne;
«der ob und was er gegen ihre äussere Form und Richtigkeit einzuwenden habe.
4) Schon bei dieser Gelegenheit muß der Gerichtsdeputirte sich alle Mühe geben,
über die vom Rechnungsnehmer angefochtenen Posten, wenigstens über die min
der wichtigen, die Parteien zu vereinigen. Dem Gericht steht deshalb frei, wenn
Parteien nicht an der Gerichtsstelle, wol aber an einem dritten Orte persönlich
zusammengebracht werden können, schon die Rechnungsabnahme selbst zur Lokal
kommission zu verweisen. «
L) Ist solchergestalt die Rechnungsabnahme vollendet; so müssen aus dem Protokolle
die von der einen und der andern Seite ganz unwidersprochen gebliebenen Aus
gabe- oder Einnahmeposten, allenfalls durch einen Kalkulator, herausgezogen,
dieselben gegeneinander balanzirt, und so ein vorläufiges Liquidum 2) angelegt werden.
i) Ein Verwalter fremden Guts ist dann, wenn der Prinzipal mit Abnahme der
Rechnung säumig ist, die gerichtliche Abnahme auf Kosten des säumigen Prinzi
pals zu verlangen befugt. — z. 143, 144, I. 14 A. L. R.
>) Daß auf Grund dieses Liquidi Exekution verfügt werden könne, ist gesetzlich nicht
ausgesprochen, und die Unzulässigkeit derselben muß deshalb angenommen werden.
Dies nimmt auch an, das Kammerg. im Ber. vom 20. Aug. 1S12j das Res.
501
5) Zugleich aber muß dem Rechnungsnehmer eine nach den Umständen zu bestim
mende Frist gesetzt werden, binnen welcher er die vorbehaltenen besonderen Erin
nerungen über die einzelnen Posten zu Protokoll erklären oder schriftlich einrei
chen muß. — Au diesem Vchufe können ihm die bei Abnahme vorgekommenen
Beläge nach einem von ihm zu unterschreibenden genauen Verzeichnisse mit der
Weisung, sie mit den Erinnerungen zugleich zurückzugeben, verabfolgt werden.
Sind jedoch darunter solche Beläge befindlich, gegen deren äussere Form und
Richtigkeit er nach Nro. 3 Ausstellungen gemacht hat; so können ihm solche auf
Verlangen, nur abschriftlich mitgetheilt, und die Originale müssen in gerichtli
cher Verwahrung bleiben. — K. ö—14, I. 45 A. G. O.
L. Kommen Erinnerungen gegen die Rechnung ein; so müssen sie
vom Dezernenten sorgfältig geprüft werden: ob sie deutlich und bestimmt genug ab
gefaßt, und ob wegen der zusammenhängenden Angabe der dabei vorkommenden That»
fachen, und der darüber beizubringenden Beweismittel die allgemeinen Prozeßvor-
schriflen gehörig beobachtet sind. — Findet sich dabei Nichts mehr zu erinnern;')
so wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung einge
leitet. Demgemäß wird
1) unter Mittheilung der Erinnerungen an den Rechnungsleger, als Defektsten, ein
Termin zur deren Beantwortung und zur weitern Instruktion der Sache ent
weder an ordentlicher Gerichtsstelle, oder auswärts vor einem Kommissario, falls
dies (wie in der Regel bei Wirtyschaftsrechnungen) nothwendig erscheint, anbe
raumt; auch, wenn es nach Beschaffenheit der Umstände (z. B. bei Bau-, Wirth-
schafts- oder Kaufmannsrechnungen) erforderlich, ein Sachverständiger zugezogen.
2) Die Instruktion erfolgt nach Absch. 5 Tit. 6. Wird die Sache an Ort und
Stelle verhandelt; so nimmt der Kommissarius den Beweis ohne Rückfrage beim
Kollegio auf.
3) Am Schlüsse der Instruktion, und bei Gelegenheit des Versuchs der Sühne muß
der Deputirte, allenfalls mit Zuziehung eines Kalkulators, aus den verhandelten
SpezialProtokollen ausziehen: über welche Posten die Parteien nunmehr einig
sind, und wie viel dieselben betragen; ingleichen, über welche es eines richterli
chen Erkenntnisses noch bedürfe.
4) Rechtsausführungen finden in der Regel nicht statt. Nur, wenn bei einer oder
der andern besondcrn Erinnerung in der Instruktion wirklich zweifelhafte Rechts
fragen vorgekommen sind, kann Dcduktionsfrist bewilligt, und den Rcchtsbeistän-
den, wenn sie namentlich bei der Lokalverhandlung nicht gegenwärtig waren, die
Einsicht oder Verabfolgung der Akten zu diesem Bchufe bewilligt werden.
6) Bei Abfassung des Erkenntnisses ist wegen des am Ende desselben auszudrücken
den Liquidi die Vorschrift des Z. 329, V. Nro. 1. zu beobachten.
6) In Betreff der Aulössigkeit der Rechtsmittel und des Verfahrens in den ferne
ren Instanzen kommen die Bestimmungen Tit. 7 und 8 zur Anwendung.
7) Posten, in Betreff deren niemals Streit war, «der hinsichtlich deren das erste
Erkenntniß rechtskräftig geworden, sind des, bei andern Posten eingewendeten
Rechtsmittels ohngeachtet, der Exekution unterworfen. Doch muß bei Bestim
mung eines solchen, der Appellation ohngeachtet, zu bezahlenden Liquidi nicht
Klos auf die einzelnen Posten, sondern nur auf den ganzen Saldo Rücksicht ge
nommen werden, welcher sich ergibt, wenn die unstreitig feststehenden Einnahme-
«om 8. August 1825 (Gr äff, Koch zc. III. 97S fg.) und Grävel (Komm.
S. 564). Dagegen spricht das Res. vom 26. Januar 1824 (Gräff, Koch ,c.
III. S. 981) die Aulössigkeit aus.
') Mängel in der Hinsicht müssen daher vor Einleitung des Verfahrens vorerst be
seitigt werden.
5«2
und Ausgabepofte» gegen einander balanzirt werben. Auch ist auf solche, ins
Appellatorimn gediehene Posten, durch welche, wenn ein abänderndes Urtel er
folgte, der Saldo zum Bortheil des Appellanten sich vermindern würde, gehö
rig Bedacht zu nehmen. — K. 15—24 a. a. O. — g. 39, 44, 45, 1. 41 A. G. O.
L. Die eidliche Bestärkung der Rechnung soll in den Fallen, wo Rechnungsleger
gesetzlich dazu verpflichtet ist, nicht gleich im ersten Anfange der Rechnungsabnahme
verlangt; sondern sie soll bis zum Schlüsse derselben, und bis nach erfolgter Er
örterung der einzelnen Punkte und Erinnerungen ausgesetzt werden. Es wird also
erst im Urtel darauf erkannt, die Eidesform darin festgesetzt; wenn ausserdem noch
über einzelne Punkte Eide zu schwören sind, dieselben diesem Haupteide mit beige
fügt; und mit der wirklichen Abnahme vom Rechnungsleger, der Regel nach, erst
alsdann verfahren, wenn über die einzelnen Punkte rechtskräftige Urtel vorhanden
sind, und der Rechnungsnehmer oder Defektant auch dann noch darauf besteht. —
z. SS, I. 45 A. G. O.
II. Wird nicht grade gerichtliche Abnahme der ganzen Rechnung verlangt; sind
Vielmehr Parteien nur wegen einzelner Punkte oder Posten streitig; so muß Rech
nungsnehmer die Rechnung nebst seinen nach Nro. I. L eingerichteten Erinnerungen
dem Gericht übergeben, worauf sodann nach Borschrift L. und L. weiter verfahre»
wird. — K. 26 a. a. O.
Sechszehnter Abschnitt.
Bon Vrvsonberungen und Auseinandersetzungen.
l. Erbschaftliche Prozesse und zwar
1. über das Erbrecht und über die Erbquote;
g. 335. I. Die Nachlaßregulirung an sich ist kein Prozeß. Dieselbe braucht
nicht grade gerichtlich zu geschehen. Zur gerichtlichen Bornahme gehört vielmehr
der Antrag eines oder mehrer Interessenten. Bevor sie jedoch erfolgen kann, muß
ftstftelM:
wer Erbe sei? und zu welchem Antheile Jeder erbe?
Können mehre Interessenten über diese Borfragen sich nicht gütlich einigen; so muß
darüber durch Erkenntniß entschieden werden. Die Prozesse über beide Borfragen
können entweder vor dem erbschaftlichen Richter, oder vor dem ordentlichen persön
lichen Richter des Provokaten angestrengt werden. Bei Verhandlung und Entschei
dung kommen die Vorschriften der ersten 9 Titel zur Anwendung. Dabei ist nur
folgendes Besondre zu bemerken:
1) Wird über eine dieser beiden Vorfragen gestritten; ') so steht wahrend des Streits
den Parteien frei, diejenigen Verfügungen, welche die Gesetze an die Hand ge
ben, zur Abwendung aller Verdunkelung oder Verbringung des streitigen Nach
lasses, oder zur Sicherstellung feiner eventuellen Ansprüche, beim Richter beson
ders nachzusuchen.
2) Ist das Erbrecht selbst nicht bestritten, jedoch nur eine geringere Erbquote, als
verlangt wird, von den übrigen Erbinteressenten zugestanden; so kann Provo
kant antragen, daß, während der Verhandlung dieser Vorfrage, die Erbsonde-
') Der Streit über die Frage: ob der Hinterbliebene Ehegatte nach dem Erbvertrage
abzufinden sei, oder nach dem Gesetz zu erben habe? betrifft die Bestimmung der
Erbquote, also eine Vorfrage. — Res. vom 16. August 1S4« I. M. B. S. LSS.
503
rung angelegt, und das ihm aus der Erbschaft Gebührende auf beide Falle, nein,
lich, wenn er die verlangte höhere Quote erstreiten, oder wenn eS nur bei der
geringeren, vom Gegner nachgegebenen verbleiben sollte, gehörig ausgemittelt werde.
Ueber beide Anträge zu 1 und 2 muß jedoch, von der Hauptsache abgesondert,
in besonderen Akten verhandelt werden.
Z) Wird einem Erbschaftsprätendenten sein Erbrecht überhaupt, und zugleich al
lenfalls die angesprochene Quote bestritten; so müssen in der Regel beide Punkte
zugleich instruirt und entschieden werden. Wenn jedoch der Streit über das Erb
recht selbst auf einer blosse« Rechtsfrage beruht, und dagegen die Ausmittelung
der Erbquote eine weitläufige Ausmittelung von Thatsachen erfordert; so kann
der Richter beide Punkte von einander absondern, und die Instruktion wegen der
Quote so lange aussetzen, bis über das streitige Erbrecht selbst rechtskräftig er«
kannt ist. — Z. 1—6, 8, 9, I. 36 A. G. O. — S. 125, I. 2 a. a. O. —
Res. vom 2Z. Februar 17S5, Gr äff, Koch «. III. S. 983. — Res. vom 1.
Februar 1833. Jahrb. 41, S. 215. — Ll. auch oben Z. 32.
II. Wenn Erben, deren Recht nicht bezweifelt wird, riber den Besitzer der
Erbschaft sich beschweren, daß er ihnen die zur Ausmittelung ihres Antheils erfor
derlichen Rachrichten vorenthaltez so bedarf es darüber keines förmlichen Prozesse« z
sondern dem Besitzer der Erbschaft wird aufgegeben, binnen einer nach den Umstän
den zu bestimmenden Frist das Inventar und seine Administrationsrechnung vorzu
legen. Hält er die Frist nicht ein, so muß er auf ferneres Andringen der unstreiti
gen Erben zu seiner Schuldigkeit durch Exekution > ) angehalten werden. Ist auch
die Exekution fruchtlos, so steht den Erben frei, ihr Interesse zu liqmdiren, und
sich zum Würdigungseide zu erbieten, wonächft gemäß z. 259 verfahren wird. —
§. 7, I. 46 A. G. v.
2. über die Erbthcilung.
z. 336. I. Die Erbthcilung selbst gehört', wenn dabei irgend ein Streitpunkt
zur richterlichen Entscheidung gestellt werden soll, er betreffe nun ^)
1) die Ausmittelung oder Feststellung der Erbschaftsmasse; oder
2) die Art der Theilung, ob sie z. B. durchs Loos geschehen, ob einem oder dem
andern Interessenten die Güter nach einer gewissen Taxe zugeschlagen werden
sollen u. s. w.; oder
3) die Berechnung der Antheile selbst, und deren Anweisung; vor den erb schaft
lichen Richter.«) Doch ist auch der persönliche Richter des Provoka-
tcn zur Verhandlung und Entscheidung eines solche« Prozesses kompetent. — j. 8,
12, I. 46. §. 122, 126, I. 2 A. G. O. — j. öS, II. 17 «. «. ».
II. Liegt ein Antrag auf gerichtliche Erbregulirung vor; so muß der Richter,
vorausgesetzt, daß das Erbrecht und der Antheil der einzelne» Erbintereffente« an,
erkannt, oder rechtskräftig ausgesprochen ist, 1) sogleich einen Tcrmin zur Sieguli»
>) D. i. die Exekution auf Leistung von Handlungen.
2) Wenn einer von de« Erbe» auf Eröffnung des crbschastl. Liqmdationsprozesse«
anträgt, so kann über den Widerspruch der andern Interessenten kein Prozeß
zugelassen werden; vielmehr muß dcr Richter den Antrag, wie jeden andern
Klageantrag, von Amtswegen prüfen, und darüber durch Verfügung entscheiden. —
Res. vom 8. Februar 184« I. M. B. S. 59.
») Wenn ein Ausländer Vermöge» im hiesigen Land« hinterläßt; muß, wmn je
ner im Auslande verstorben, die Reguttrung des inländischen Nachlasses vor dem
inlandischen Richter s) sofern Erblasser zugleich preussischer Untcrthan war,
stätö, und b) sobald dies nicht dcr Fall, jedesmal dann, wenn ein Erbe oder
Gläubiger darauf anträgt, erfolgen. — Res. vom 25. Oktober 1832. Gräff,
Koch zc. III. S. 982.
804
rung der Sache anberaumen, und dazu sowol den Provokanten, als die Miterben
«orladen.
2) Bei Bekanntmachung dieses Termins und Vorladung der Interessenten muß
das Gericht zugleich von Amtswegen alles das verfügen, was erforderlich ist, die
Sache ins Licht zu setzen, und die Instruktion zu erleichtern. Es ist also z. B. dem
Erben, welcher den Nachlaß im Besitz hat, aufzugeben: das gerichtliche oder Pri-
vatinventarium über den Nachlaß, und alle sonst zur Sache gehörigen Urkunden
und Briefschaften, mit zur Stelle zu bringen; dem Verwalter der ganzen oder eines
gewissen Theils und Zubehörs der Erbschaft ist die Beibringung seiner Kuratel -
oder Administrationsrechnung; dem Miterben, der etwas einwerfen soll, die Anfer
tigung eines genauen Verzeichnisses der Konferenda u. s. w. anzubefehlen.
3) Im Termine selbst muß der Deputirte durch gegenseitige Vernehmung der
Parteien zunächst auszumitteln suchen: i)
worauf es bei der Sache eigentlich ankommt; worüber die Interessenten
einig, oder was streitig ist, und wie hiernach die Sache zur baldigsten
gütlichen oder rechtlichen Endschaft am füglichsten eingeleitet werden dürfte?
Kennt hiernach der Deputirte die Lage und den Ausammenhang der Sache, so wie
die eigentlichen Streitpunkte; so muß er streben, durch Einigung die Sache beizu
legen, und die Erbsonderung in Güte zu Stande zu bringen. Wird
s) ein gütliches Abkommen unter den Interessenten in der Hauptsache erreicht, und
es bleiben nur einige Nebenpunkte streitig; so muß der Erbrezeß errichtet und
abgeschlossen, darin die Sache auf beide Fälle, wenn die Nebenpunkte so, oder
anders entschieden würden, regulirt; diese selbst aber sofort zum Definitiver
kenntnisse nach Borschrift Rro. III. eingeleitet werden,
b) Sind aber die Parteien über Hauptumstände und .Grundsätze der Theilung nicht
zu vereinbaren, und kann also ein Erbrezeß nicht entworfen werden; so muß
Jnstruent sein Bestreben darauf richten, wenigstens ein Interimistikum, wie es
bis zum völligen Austrage der Sache gehalten werden solle, zu regulirenz oder
die liquide und illiquide Masse von einander abzusondern, erster« sofort zu ver
theilen, und nur die letztere zur ferneren rechtlichen Erörterung auszusetzen. 2) —
8. 8—15, I. 46 A. G. O.
III. Wird die ganze Sache durch Einigung nicht abgemacht; so muß der Jn
struent die bei der allgemeinen Vernehmung ausgemittelten und bestimmten Gegen
stände des Streits, mit Zuziehung derjenigen Interessenten, welche jeder derselben
angeht, einzeln nach einander vornehmen, und beurtheilen: in wiefern sich dieselben
ihrer Natur nach, und nach Vorschrift der Gesetze
s) zu einer ordentlichen Instruktion zum Erkenntnisse, oder
b) zu irgend einer andern richterlichen Verfügung (V.) eignen.
Die Punkte zu s muß er sofort ordnungsmässig zum Erkenntnisse einleiten. Die
Art der Instruktion richtet sich nach der Natur des Objekts (Tit. 6. Absch. 3—6). »)
Der Jnstruent hat darauf Rücksicht zu nehmen. Er muß aber auch jedem derglei-
1) Bleibt ein Miterbe beharrlich aus, so sind alle Punkte, worauf es ankommt,
und worüber der Ausbleibende sich zu erklären unterlassen hat, nach vorgängiger
Instruktion durch ein Urtel festzustellen. — Ok. Res. vom 3. März 1833. Mann-
kopf A. G. O. III. S. 231.
2) Die zur immerwährenden Fortsetzung einer Fabrikanstalt gegebenen Fonds kön
nen niemals zur Erbtheilung kommen, sondern fallen demjenigen Erben zu, wel
cher die Fortsetzung der Fabrik übernimmt. — Anh. z. 305 zu z. 12, 1. 46 A. G. O.
») Streitpunkte, deren Gegenstand 5V Thlr. nicht übersteigt, können dann, wenn sie
von den übrigen getrennt, und ohne Beforgniß für Verwirrung, entschieden wer
den können, im Bagatellprozeß erledigt werden. — Res. vom 18. November 1833
I. M. B. S. SS6.
6«5
che» besonder» Punkte ein besondres Protokoll widmen, und Alles, was diesen Punkt
angeht, demselben unter gehöriger Beziehung auf das Hauptprotokoll iL. Z25, I. 5)
beifügen. Sind
1) die meisten und wichtigsten dieser Punkte von der Art, baß deren Instruktion
durch eine Lokalkommission am sichersten und geschwindesten bewirkt werden könnte;
so muß auf Antrag des Deputirten das Kollegium, nach Befund der Umstände,
Lokalkommission anordnen.
2) Gleiches geschieht, wenn nur ein oder etliche minder wichtige Punkte sich zur Lo,
kalkommission eignen, in Betreff dieser Punkte. Wahrend der Verhandlung über
diese muß aber beim Gericht selbst mit Instruktion der übrigen Punkte verfah
ren werden. Kommen
3) einige Streitpunkte vor, welche den übrigen ein Präjudiz machen, z. B. wenn
über die Schuldigkeit eines Miterben, etwas zur Masse einzuwerfen, und
zugleich über die Höhe dieses Konferendi gestritten wird; so müssen in der
Regel beide Punkte zugleich zum Desinitiverkenntnisse instruirt werden. Ist je
doch ein solcher eventueller Streitpunkt so beschaffen, daß dessen vollständige Er
örterung die Sache sehr weitläufig und kostspielig machen würde; so muß der
Deputirte deshalb beim Kollegio anfragen. Diesem aber steht frei, nach sorgfäl
tiger Erwägung der Umstände die Erörterung des eventuellen Punktes bis zur
rechtskräftigen Entscheidung des Präjudizialpunktes auszusetzen.') — Z. 16—20
a. a. O.
IV. Wenn sämmtliche Streitpunkte zu III. s spruchreif instruirt, und nochma
liger Sühneversuch fruchtlos erfolgt, auch das etwa erforderliche Deduktionsverfah
ren beseitigt ist; so geschieht die Abfassung des Erkenntnisses. Dabei muß über
sämmtliche streitige Punkte in Einem Urtel entschieden werden. Selbst über die
nur eventuell instruirten wird, allenfalls nach Maasgabe Z. 325, V. Nro. 2 nur
eventuell, erkannt. — §. 21, 22 a. a. O. §. 37, Tit. 13. Z. 35, «it. 44 a. a. O.
V. Wegen Einlegung der Rechtsmittel und Verhandlung darüber kom
men die allgemeinen Vorschriften Tit. 7 und 8 zur Anwendung. — §. 23, 1. 46 A. G. O.
VI. Während der Zeit, daß die unter den Interessenten wirklich streitigen Punkte
instruirt und abgeurtelt werden, muß wegen derjenigen, wo unter ihnen selbst kein
Streit ist, sondern nur gewisse Verfügungen zur Aufklärung der Sache oder Fest
stellung der Masse erforderlich sind, z. B. wegen Vorladung der Erbschaftsgläubiger,
wegen Versteigerung der vorhandenen Mobilien und Effekten, wegen Abschätzung und
Subhastation des zur Masse gehörigen Guts, nach dem Antrage der Interessenten,
und der Anzeige des Jnstruenten das Nöthige vom Richter verfügt werden (oben
HI. b). — 8. 24 a. a. O.
VII. Ist nun nach Vorstehendem die Sache völlig auseinandergesetzt, und über
sämmtliche streitige Punkte rechtskräftig erkannt; so muß der Gerichtsdcputirte mit
Zuzichung eines Kalkulators 2) die Erbsonderung selbst entwerfen, den Plan dersel
ben den Parteien zur Erklärung vorlegen, und wenn er von ihnen anerkannt, «der
Siebzehnter Abschnitt.
»on öffentliche» «ufforberungen unbekannter Interessent««, s,
wie der etwanigen Berechtigten zu beweglichen und unbewegli»
eben Sachen, zu Forderungen, und zu verlornen Urkunden.')
I. Oeffentllche Aufforderung unbekannter Erben.
Z. 340. Die Ediktalladung unbekannter Erben kann nöthig werden:
wenn zu einer Erbschaft gar kein bekannter Erbe, und also
auch kein Ehegatte des Verstorbenen vorhanden ist. Das Verfahren in
solchem Falle ist folgendes:
1) Nach Ablauf dreier Monate vom Todestage des Erblassers, «der auch noch frü
her, wenn es die Umstände des Nachlasses erfordern, muß demselben ein Kurator
bestellt werden, der wegen Antritt der Erbschaft und Aufnahme des Inventars)
die Rechte des unbekannten Erben beobachtet, und wegen Verwaltung des Nach«
Hasses die Rechte und Pflichten eines Vormundes ausübt; jedoch den Nachlaß, so
viel als möglich, in der beim Tode des Erblassers befindlichen Lage erhalten muß,
und daher weder Grundstücke veräussern, noch sicher ausstehende Kapitalien auf«
kündigen, noch neue Geschäfte unternehmen, noch das bewegliche Vermögen, so
weit es nicht etwa bei längerer Aufbewahrung verderben, oder unverhältnißmäs,
fige Aufbewahrungskosten verursachen würde, in Geld umsetzen darf.
Der Kurator hat hauptsächlich auch die Pflicht, die Ausmittelung und Ent«
deckung des eigentlichen Erben möglichst herbeizuführen. Sind seine Bcniühun«
gen innerhalb dreier Monate nach Anordnung der Kuratel, oder binnen der vom
Richter, besonders mit Rücksicht darauf, daß die Erbschaft von Belang, und
der Erblasser nach den vorhandenen Nachrichten aus einem entfernten Lande ge»
bürtig ist, ober sonst Umstände vorhanden sind, welche eine längere Zeit zur Vor«
nähme der Erkundigungen Seitens des Kurators nöthig machen, verlängerte»
Frist fruchtlos; so muß
2) d« öffentliche Vorladung des unbekannten Erben und dessen Erben oder nächste»
Verwandten erfolgen. Als Warnung wird dieser Vorladung beigefügt:
daß der Nachlaß dem sich meldenden und lcgitimirenden Erben, beim Aus«
bleiben eines solchen aber dem Fiskö verabfolgt; und der nach erfolgter
Präklusion sich etwa erst Meldende nähere, «der gleich nahe Erbe alle seine
Handlungen und Verfügungen anzuerkennen und zu übernehmen schuldig;
von ihm weder Rechnungslegung, noch Ersatz der gehobenen Nutzungen
: zu fordern berechtigt, sondern sich lediglich mit dem, was alsdann noch
von der Erbschaft vorhanden wäre/ zu begnügen verbunden sein solle.
S) Die Vorladung erfolgt in der H. 316 vorgeschriebenen Art. Auch Fiskus, ver
treten durch die betreffende Königl. Regierung, wird vom Termin in Kenntniß
gesetzt, gleichviel, ob er Extrahent des Verfahrens ist oder nicht.
') Hier ist von öffentlichen Aufgeboten und Ediktalladungen nur in so weit die Re,
de> als nicht schon darüber bei andern Gelegenheiten , wie im §. 56 in Betreff
der dem Aufenthalte nach unbekannten Beklagten, im §. 311 und 313 in Betreff
ausgetretener Militairpflichtigen und Vasallen, und im §. 316 Hinsichts der Ver
schollenen gesprochen worden ; und als nicht später bei besondern Prozeßakten,
«M'e^nr Titel 11 von Vorladung unbekannter Konkurs- oder Liquidationsglau«
biger, und im Titel 12 vom öffentlichen Aufgebot bei Subhastationen deshalb
spezielle Borschristen vorkmmen.
»12
4) Der Kurator muß den Z. 66, II. Nro. 6 gedachten, mit Rücksicht auf die vorge
ladenen Erben zu modifizirenden Diligenzeid schwören. Weigert er sich dessen
beharrlich, so muß ihm die Kuratel abgenommen, und dem an seine Stelle zu
ernennenden Kurator ein Honorar aus stinem Vermögen festgesetzt werden.
5) Nach Beseitigung des Röthigen erfolgt Abfassung der Präklusoria. Hat ein Erbe
sich gemeldet, so wird diesem sein Recht vorbehalten. Hat keiner sich gemeldet,
so erhält Fiskus den Nachlaß.') — Z. 145-146. §. 152, ISS. Anh. z. 390,
/ I. 51 A. G. O. — §. 471-4S1. Z. 494 fg. Anh. z. 11, I. 9 A. L. R. —
Res. vom 18. Septbr. 1835. Jahrb. 46, S. 127. — Res. vom 21. December
1795. Rabe 3, S.216. Res. vom 11. Januar 1839 I. M. B. S. 58.
Ii. Wenn zwar bekannt ist, wer Erbe sei, wenn dessen Leben und
Aufenthalt aber binnen 3 Monaten, vom Todestage des Erblassers gerechnet,
nicht ausgcmittelt worden; so sind der Erbe und dessen nächste Verwandten
ebenfalls durch öffentliche Bekanntmachung zur Anmeldung beim Gericht, und zur
Wahrnehmung ihrer Gerechtsame aufzufordern. Der Zweck dieser Aufforderung ist
blvs, daß die Existenz der Erbschaft und die dem Erben und seiner Familie daran
zustehenden Rechte, so viel als möglich, zu deren Kenntniß gelangen sollen. Es bleibt
also auch die Art der Bekanntmachung, und wie dieselbe nach Bewandniß der Um
stände am zweckmcissigsten geschehen könne, dem vernünftigen Ermessen des Richters
Überlassen.
Ist dem Abwesenden nicht schon ein Vormund bestellt, so muß zugleich dem,
hinsichtlich des abwesenden Erben kompetenten, Bormundschaftsrichter zur Bestellung
eines Abwesenheitsvormundes Kenntniß gegeben werden. Dieser hat wegen Antritt
der Erbschaft und Verwaltung derselben die Pflichten andrer Vormünder, und n?e»
gen Todeserklärung die Vorschriften K. 314 bis 316 zu beachten. — Z. 147, I. S1
A. G. O. — I. 465—47« u. Anh. §. 1«, l. 9. A. L. R.
III. Ist in Fällen, in denen die gesetzliche Erbfolge eintritt, von einem oder
mehren Erben der Nachweis ihres Verwandschaftsgrades zum Erblasser zwar erfolgt;
es walten aber Vermuthungen ob, daß noch nähere oder gleich nahe
Verwandte vorhanden sind; so müssen diese Vermuthungen zwischen dem be
kannten Erben und dem entweder schon bestellten, oder noch zu bestellenden Verlas«
senschaftskurator näher erörtert werden. 2) Ob zu dieser Erörterung ausser dem
allgemeinen Aufgebote des Nachlasses (I.) noch eine besondre öffentliche Vorladung
der «ermuthlich noch vorhandenen näheren oder gleich nahen Verwandten M) erfor
derlich sei, bleibt nach Bewandniß der Umstände dem richterlichen Ermessen vorbehalten.»)
1) Ein allgemeines Aufgebot erfolgt, wenn die obwaltenden Vermuthungen nicht be«
') Auf solche Massen hat die Just. Qfsiz.-Wittwenkasse niemals Anspruch. Sie ge
hören dem Fiskus. — Res. vom 14. Juli 1SZ7. Jahrb. SO, S. 219.
619
betroffen worden, sich entfernt, und verbotene und abgabenpflichtige Gegenstände ohne
oder mit andern Sachen zurückgelassen hat; so wird hierüber,
1) wenn der Werth der Sachen über 5« Thlr. beträgt, eine öffentliche Bekannt
machung von der Provinzialzollbehörde > ) erlassen, und drei Mal von vier zu
vier Wochen in die amtlichen Blätter eingerückt. Meldet sich hierauf Niemand
binnen 4 Wochen nach der letzten Bekanntmachung; so werden die Sachen H«m
Bortheile der Staatskasse verkauft; dem Inhaber oder Eigenthümer bleibt aber
vorbehalten, seine Ansprüche auf Erstattung des Erlöses noch bis zum Ablauf
eines Jahres, von der ersten Bekanntmachung an gerechnet, geltend zu machen.
2) Beträgt der Werth der Sachen nicht über 50 Thlr. , s« bedarf es der öffentli
chen Bekanntmachung nicht. Der Berkauf kann alsdann, wenn sich binnen 4
Wochen nach der Beschlagnahme Niemand gemeldet hat, verfügt werden, und
. die einjährige Frist für den Eigenthümer oder Inhaber der Sache zur Geltend
machung seiner Ansprüche auf Erstattung des Erlöses wird vom Tage der Be
schlagnahme an gerechnet. — K. ö« des Ges. vom 23. Januar 183« GS. S. 9«.
VlII. Aufgebot eines Fundes und eines Schatzes.^)
§.347. Sowol der Fund, als der Schatz muß vom Finder unter bestimmter
Angabe dessen: wie und wo er zu dessen Besitz gekommen, der Gcrichtsobrigkeit des
Funds- nfp. des Entdeckungsorts angezeigt werden. Bei mehren Gerichtsobrigkei-
ten an diesem Orte hat unter ihnen der Finder die Wahl. Der Richter hat
1. die Pflicht der Aufbewahrung der gefundenen Sache resp. des
Schatze«. Jedoch kann er
») die Berwahrung, nach Bewandniß der Umstände und Beschaffenheit der Sache,
dem Finder selbst übertragen, wenn dieser eine unverdächtige und sichere Per
son ist. Er muß aber in allen Fällen die Beschaffenheit der Sache und ihre
Merkmale in den Akten verzeichnen, und dem Finder die Art der ihm iiber-
lassenen Aufbewahrung vorschreiben. Er muß ferner
d) Sachen, welche dem Verderben oder sonst einer beträchtlichen Verminderung des
Werths unterworfen sind, oder zu deren Aufbewahrung beträchtliche bis zur
Hälfte des Werthes ansteigende Kosten erforderlich wären, in einem kurzen
Termine zum öffentlichen Verkaufe ausbieten. Demnächst wird da«
Kaufgeld bis zum weiteren Auelrage der Sache in gerichtliche Verwahrung ge
nommen. Hat der Finder, vor dem Verkaufe, Futter für das gefundene Vieh,
oder andre nothwendige Ausgaben auf die Sache verwendet; so müssen ihm die
selben, nach Abzug der etwa gehabten Nutzungen, von dem Kaufgelde sofort er
setzt werde».
2. Ist binnm 8 Tagen nach geschehener Anzeige der Verlierer der Sache, resp.
der Eigenthümer des Schatzes, auf andre Art nicht ausgeforscht; so muß derselbe
öffentlich vorgeladen, und ein Termin zu seiner Anmeldung, bei Verlust sei
nes Rechts, bestimmt werden. — Meldet sich zu einem Schatze vor dem Aufgebot
Jemand als Eigenthümer oder als Erbe desselben, kann aber sei« Recht nicht bin
nen sechs Wochen vollständig nachweisen; so muß dennoch mit der öffentlichen Ver
ladung verfahren werden. Inzwischen bleibt dem Ansprechenden die wkitere Aus
führung seines Rechts auch während des Aufgebots vorbehalten.
>) Ein Einschreiten des Gerichts, wie es die A. G. O. I. öl Z. 179 fg. vorschrieb,
fällt daher jetzt weg. Nur wenn fiskal. Untersuchung gegen ein bestimmtes In
dividuum beantragt wird, treten die desfalsigen Bestimmungen em.
^) Unter Schätzen versteht man alle Sachen von einigem Werth, die über oder un
ter der Erde verborgen liegen, in sofern der Eigenthümer derselben unbekannt
ist. Falls der Eigenthümer nicht zweifelhaft, oder leicht zu entdecken ist, s« kann
nicht vom Schatz die Rede sein. — S. 74 ». 104, I. 9 V. L. R.
S20
Beim Schatze bedarf es jedoch keines Aufgebots, wenn aus dessen Beschaffen
heit selbst sich ergibt, daß derselbe schon seit Einem oder mehren Jahrhunderten
verborgen gewesen sei.') Der Richter muß aber die Umstände, woraus dieses er
hellen soll, jedesmal genau prüfen, und wenn es ein Unterrichter ist, vom vorgesetz
ten Landcsjustizkollcgio Vorbcscheidung ! ob mit dem Aufgebot verfahren werden soll,
«der nicht, einholen.
3. Da, wo öffentliche Vorladung nöthig ist, erfolgt
») förmliche Ediktalladung, und also auch Aushang an der Gerichtsstelle bei Gegen
ständen, die nach der Taxe über 200 Thlr. Werth sind. Im Uebrigen muß
d) bei Sachen von 200« Thlr. und drüber an Werth die Hmausrückung des Ter
mins auf sechs Monate, und sechsmalige Einrückung in die Jntelligenznachrich-
ten der Provinz erfolgen, es kann auch dreimalige Einrückung in eine Zeitung
geschehen; . ,
e) bei Gegenständen unter 200« Thlr. bis 2«« Thlr. an Werth muß der Termin
drei Monate hinaus-, und vier Mal in die Jntelligenzblärter eingerückt werden.
Eine 2malige Einrückung in die Zeitungen hängt von richterlichem Ermessen ab.
6) Bei Sachen, deren Werth unter 20« Thlr. und bis 5« Thlr. beträgt, wird
der Termin auf zwei Monate bestimmt, und die Bekanntmachung erfolgt drei
Mal in den Jntelligenznachrichten, nach Umständen auch 2 Mal in den Zeitungen.
«) Bei Sachen unter 5« Thlr. und über 1« Thlr. im Werth wird der Termin
auf 4 Wochen hinausgesetzt, und 2 Mal in den Jntelligenzblättern, nach Um
ständen auch ein Mal in den Zeitungen, bekannt gemacht, und
f) bei Gegenständen von I« Thlr. und weniger im Werth erfolgt die Hmausrückung
des Termins auf 14 Tage, und die Einrückung ein Mal in die Jntelligenzblätber.
Wo solche nicht erscheinen, treten an deren Stelle die Amtsblätter.
8) Bei Sachen von ZV Thlr. oder weniger am Werth kann dem Finder überlassen
werden, die Bekanntmachung selbst zu veranlassen, und den Verlierer «sp. Er-
genthümer anzuweisen, daß er sich beim Finder selbst melde. Doch muß dieser
nach Ablauf des Termins die gehörig geschehene Bekanntmachung dem Richter
nachweisen.
K) Sind Vermuthungen vorhanden, daß ein fremder Reisender oder sonst ein Ab
wesender die Sache verloren haben könnte, so sind die gesttzmässigen Fristen zu
verdoppeln. Die Zahl der Bekanntmachungen bleiben zwar dieselben; doch kann
in Fällen, wo, nach Verhältniß des Werths, die Einrückung in die Zeitungen
geschehen kann, dieselbe auch eben so oft, wie in die inländischen, in einer aus
ländischen Zeitung erfolgen. Dabei wird die Bestimmung z. S6, II. 4e berücksichtigt.
4. Hat weder vor, noch im Termin der Verlierer resp. der Eigenthümer oder
dessen Erbe sich gemeldet, und hat auch der Verlierer seinen Verlust, mit einer deut
lichen Beschreibung der Sache, noch vor dem Zuschlage nicht öffentlich in den Zei
tungen der Provinz, in welcher das aufbietende Gericht seinen Sitz hat, bekannt
gemacht; so muß der Zuschlag der Sache erfolgen, und zwar
^. bei gefundenen Gegenständen, '
s) wenn die Sache nur hundert Thaler oder weniger am Werth beträgt, an den
Finder;
b) bei Sachen von höherem Werths an den Finder und an die Ortsarmens
kasse, so, daß der Finder alsdann den Werth bis zu 100 Thlr. zum Voraus,
und vom Ueberreste des Werths die eine, die Armenkasse aber die andre Hälfte
erhält. Vor Theilung müssen aber die auf die Sache und das Aufgebot «er-
') Z. B. wenn die gefundenen Münzen zu solchen gehören, welche seit mehr als
100 Jahren nicht mehr kursiren.
521
«endeten Kosten vom Ganzen abgezogen werden. Sind am Orte mehre öffent
liche Armenkassen; so entscheidet der Bezirk, wo die Sache gefunden ist; und
wenn dieses nicht entscheidet, die persönliche Eigenschaft dcs Finders,
c) Streiten mehre um das Recht des Finders; so muH der eigentliche Finder ous-
gemittelt werden (g. 9—13, I. 9 A. L. R.Z. Bleibt darnach die Sache unent
schieden; so kommen die Rechte des Finders allen denen zu, welche, die Sache
in Besitz zu nehmen, sich zu gleicher Zeit bestrebt haben. — Die Mehren Fin
der können jedoch zusammen nur dm unter s und Ii bezeichneten Antheil erlangen.
L. Beim Schatze erfolgt dann, wenn der Eigenthümer nicht auszumilteln
ist, und der Schatz aus Sachen besteht, die vom gemeinen Verkehre nicht ausgenom
men sind, der Zuschlag
s) an denjenigen, welcher ihn auf seinem eignen Grunde gefunden hat;
K) zur Hälfte an den Finder, und zur andern Hälfte an den Eigenthümer
des Grundes, wo er gefunden worden, wenn der Finder ihn auf fremdem
Gute jedoch ohne besonderes Nachsuchen gefunden hat. Dies gilt in«
Besondre, wenn Gesinde oder Arbeitsleute bei ihren gewöhnlichen Verrichtungen
einen Schatz entdecken: ferner, wenn Jemand mit Bewilligung des Eigenthü-
mers auf fremdem Grunde nach einem Schatze gesucht und dergl. wirklich ent
deckt hat, wenn nicht durch besondre Abreden unter den Parteien deshalb ein
Andres bestimmt ist.
c) zur Hälfte an den Eigenthümer des Grundes, wo er gefunden worden,
zur andern Hälfte an den Fiskus, wenn der Finder ohne Bewilligung des
Eigenthümers auf fremdem Grunde Schätze gesucht und gefunden; wenn er bei
deren Nachsuchung vermeintlicher Aaubcrmittel, durch Geisterbannen, Zitiren der
Verstorbenen, oder' andrer dergl. Gaukeleien, es sei aus Betrug oder Aberglau
ben, sich bedient hat; endlich, wenn er bei deren Nachsuchung den zur Verhü
tung von Feuersbrünsten oder andern gemeinen Beschädigungen gegebenen Poli-
zeigesctzen entgegen gehandelt hat.
Der Eigenthümer sowol, als Fiskus haben das Recht, vom Finder, nach be»
wandten Umständen, die eidliche Angabe seines Funds zu fordern.
<I)Mehre Miteigenthümer eines Grundstücks, auf welchem ein Schatz
gefunden worden, nehmen an den Eigentbumsrcchtcn des Schatzes gemäß s—o
nach Verhältniß ihres Rechts auf das Grundstück selbst Theil. Ist er auf der
Grenze gefunden, so theilen die Gränznachbarn gleich. Darauf, ob er grade auf
der Mitte der Grenze gelegen, oder dcs Einen Grund mehr oder weniger be
rührt hat, kommt es nicht an. Ist jedoch der eine der Miteigenthümer oder
Grenznachbarn Finder; so gebühren ihm noch ausserdem die Rechte des Finders
auf die Antheile der übrigen Interessenten.
e) Bei getheiltem Eigenthum gebühren die Rechte des Eigenthümers am
Schatze dem nutzbaren Eigenthümer, also beim Lehne dem zeitigen Besitzer, beim
Fideikommiß dem Fideikommißbesitzer, beim Erbzinsgut dem Erbzinsmann. —
Dagegen hat der blosse Nießbraucher und der Erbpächter nicht diese Rechte. Der
Eigenthümer der blossen Oberfläche, oder eines darauf errichteten Gebäudes, dem
nicht zugleich der Grund und Boden zukommt, hat nur in Bezug auf die über
der Erde gefundenen Schätze die Rechte des Eigenthümers. Diese stehen, so
lange ein Grundstück nicht übergeben ist, noch dem Verkäufer zu, es müßte denn
die Gefahr der Sache bereits auf den Käufer übergegangen sein. Hat jedoch
der Käufer von dem auf dem Grundstück verborgenen Schatze Wissenschaft ge
habt, und es dem Verkäufer nicht angezeigt; so kann er in der Folge blos als
Finder angeschen werden.,
S. Meldet sich vor dem Zuschlage eines Fundes der Verlierer; st
522
muH er nachweisen, daß er dieselbe vorher besessen habe. Ist die Sache so beschaffen,
daß sie ihrer Natur nach von Sachen gleicher Art nicht unterschieden werden kann;
so muß der Ansprechende besonders nachweisen, daß die aufgebotene Sache grade die
verlorne sei. Der Finder muß auch dem vorigen blossen Inhaber die Sache verab
folgen. Entstehen erhebliche Zweifel über die Redlichkeit des Besitzers oder Inha
bers, so bleibt die Sache bis nach näherer Ausmittelung in gerichtlicher Verwahrung.
6. Wird die Sache dem Eigenthümer zurückgegeben; so muß er dem Finder die
auf die Sache und das Aufgebot verwendeten Kosten, nach Abzug der gehabten
Nutzungen, und, auf Verlangen, eine Belohnung im Betrage des zehnten Theils deS
Werths nach Abzug jener Kosten, und wenn dieser Werth 500 Khlr. übersteigt, den
zehnten Theil von SM Thlr., und Eins vom Hundert des Ueberrestes geben. Bei
zahmem Vieh beträgt die Belohnung aber nur das gewöhnliche Pfandgeld. Der
Belohnung geht der Finder jedoch verlustig, wenn er beim Funde drei Tage, und
beim Schatze 4 Wochen die nöthige Anzeige unterläßt, oder den Fund ablciugnet. —
§. 19-102, I 9 A. L. R.
IX. Oeffentliches Aufgebot der unbeweglichen Sachen.
Z. 348. I. Das Aufgebot von Grundstücken und solchen Grundgerechtigketten,
von welchen Hypothekenfolien angelegt werden können, muß immer im Gerichts
stände der Sache nachgesucht werden, und kann erfolgen
1) zur Erlangung der Präklusion unbekannter Realprätendenten,
namentlich auch in Bezug auf unbekannte Servituten, d. h. solche, die im Hy
pothekenbuche nicht eingetragen sind, gleichwohl aber den Nutzungsertrag des auf
gebotenen Grundstücks schmälern, und durch keine in die Sinne fallende Kenn
zeichen oder Anstalten angedeutet werden z > )
2) Behufs Beseitigung von Mängeln, welche bei der ersten Anlegung des
Hypothekenbuchs eines Immobile im Wege stehen; und
3) zum Zweck der Berichtigung des Besitztitels von einem Immobile, von welchem
das Hyp«theken«Folium bereits angelegt ist, wenn der Besitzer eines bereits ins
Hypothekenbuch eingetragenen Grundstücks sein Recht von einem Andern, als
dem zuletzt eingetragenen Besitzer herleitet, oder bei der Herleitung seines Rechts
von diesem Besitzer nachweift, daß derselbe gestorben oder rechtskräftig für- tod
erklärt worden ist.
II. Zum Antrage auf Veranlassung des Aufgebots in diesen Fällen ist nur
der Besitzer des Immobile ermächtigt. 2) Liegt jedoch ein Fall vor, in
welchem ein Grundbesitzer zur Berichtigung des Besitztitels nach Maasgabe der
Ordre vom 6. Oktober 1833 angehalten werden muß ; so ist die Hypvthekenbehkrde
befugt, einen Anwalt zu bestellen, welcher auf Kosten des Verpflichteten HaS Auf
gebot in Antrag bringt, und die Berichtigung des Besitztitels betreibt.
III. Zur Begründung des Antrags gehört,
1) daß der Besitzer durch ein Attest der Ortsbehörde nachweist, daß er das Grund
stück eigenthümlich besitze; oder daß er die Erwerbung des Eigenthums durch
eine öffentliche Urkunde bescheinigt;
2) daß der Besitzer einen Hypothekenschein, oder doch ein Verzeichniß der ihm be
kannten Realprätendenten übergibt, und zugleich gewissenhaft anzeigt! daß aus
ser diesen keine andre ihm bekannte Realforderungen vorhanden, und im Falle
1) Zur Ermittelung dessen: ob zu einem Erbbegräbnisse Erbberechtigte vorhanden
find oder nicht, findet dies Aufgebot nicht statt. — Res. vom 7. Deeember 1841
5. M. B. 1841 S/8.
52Z
zu I. Nro. 1, daß auch keine andre als die angezeigten Servituten ihm bekannt
sind; und
3) im Falle zu I. Nro. 3 noch ausserdem, daß entweder die Urkunde, durch welche
der zuletzt eingetragene Besitzer das Grundstuck veräussert hat, oder dessen Ein
willigung beigebracht oder der Nachweis geführt wird, daß der zuletzt eingetra-
gene Besitzer vor länger als einem Jahre verstorben, oder rechtskräftig für tob
erklärt worden ist.
IV. Au dem auf die Provokation anzuberaumenden Termin, wel
cher bei Gegenständen von 5000 Thlr. und weniger an Werth auf 3 Monate, und
bei Gegenständen von mehr als 5<XX> Thlr. im Werth auf 6 Monate hinausge
rückt wird, werden die unbekannten Realinteressenten') ediktoliter unterder War
nung vorgeladen:
daß die Ausbleibenden mit ihren etwanigen Realansprüchen auf das Grund
stück präkludirt werden sollen, und ihnen deshalb ein ewiges Stillschwei
gen auferlegt werden würde.
Sind Realinteressenten nur ihrem Aufenthalte nach unbekannt, so werden sie im
Proklama namentlich vorgeladen. — Die aus dem Hypothekenbuche ersichtlichen,
oder vom Ertrahenten angezeigten Rcalinteressenten erhalten Abschrift der Bekannt
machung zur Nachricht. Sind im Falle zu I. Nro. 3 vom Ertrahenten Eigen
thumsprätendenten angezeigt worden, welche aus dem Hypothekenbuche nicht
ersichtlich sind; so muß denselben der zur Anmeldung der Ansprüche anberaumte
sofern ihr Auftnthalt bekannt ist, durch besondre Erlasse, sonst aber durch
Aufforderung in der Ediktalladung mit der Verwarnung bekannt ge
macht werden:
daß, wenn sie sich nicht spätestens im Termine melden, und ihr Wider
spruchsrecht bescheinigen, die Eintragung des Besitztitels für den Ertra
henten erfolgen werde, und ihnen überlassen bleibe, ihre Ansprüche in
einem besondern Prozesse zu verfolgen.
V. Was die Veröffentlichung der Ediktalladung betrifft, so gnügt
1) bei Gegenständen bis 5V Thlr. der breimonatliche Aushang an der Gerichtsftelle
und in der Ortsgemeinde, wo das Grundstück belegen ist, an der Stelle, wo da
selbst polizeiliche Aushänge zu erfolgen pflegen. Zum Nachweise des letzteren
Aushangs gnügt die Anzeige des vereideten Boten, daß dieselbe erfolgt sei;
2) bei Gegenständen über 50 Thlr. bis einschließlich 50« Thlr. im Werth ausser
den beiden Aushängen zu 1 die einmalige Einrückung ins Jntelligenzblatt und
den Anzeiger des Amtsblatts, oder wo jenes nicht erscheint, in diesen allein;
Z) bei Gegenständen über 500 Thlr. bis 5««« Thlr. einschließlich im Werth der
Aushang an der Gerichtsstelle und die 3malige Einrückung von Monat zu Mo
nat in die Blätter zu 2;
4) bei Gegenständen von mehr als 5000 Thlr. im Werth der Aushang an der
Gerichtsstelle und sechsmalige Einrückung von Monat zu Monat in die Btötter
zu 2 und in eine inländische Zeitung.
VI. Melden sich im Termine Realprätendentenz so muß der Deputirte die
Ansprüche derselben zu Protokoll nehmen, und sie anhalten, daß sie so bestimmt, als
möglich, angeben, worin slkbige bestehen, und worauf sie sich gründen, weiter aber
auf eine Instruktion derselben sich nicht einlassen, vielmehr diese zur befondern Ver
handlung verweisen.
Melden sich keine Realprätendenten; so wird dies im Protokoll vermerkt.
') UebrigevS werden darunter sowol diejenigen, welche Eigenthums-, als die, welche
andre Ansprüche an das Immobile haben, verstanden. -> Lk. auch Res, vom
SV. September lS42 I. M. B. S. S2S. ^ "
524
In beiden Fällen wird bann das Protokoll nebst Akten zur Abfassung bes PrS-
klusionsurtels vorgelegt. Sind die gesetzlichen Vorschriften bei Borladung beobach
tet; so werden im Urtel gegen die ausgebliebenen Realprütendenten die angedrohten
Folgen ausgesprochen. Den aus dem Hypithckenbuche, oder der Anzeige des Er
trahenten bekannten, so wie denen, welche im Termin sich gemeldet haben, werden
ihre bekannten oder angemeldeten Rechte ausdrucklich vorbehalten.
VN. Gegen das Präklusionsurtcl ist nur das im Z. 191 erwähnte Rechtsmit
tel der Restitution zulässig. -
VIII. Im Falle zu I. 3 wird nach rechtskräftig erfolgter Präklusion der nicht
erschienenen, und nach Beseitigung des Widerspruchs der erschienenen Eigenthums
prätendenten die Besitztitelberichtignng für den Ertrahenten auf dessen Antrag be
wirkt, ohne daß es der Eintragung der Borbesitzer bedarf.
Es werden jedoch durch diese Präklusion diejenigen Hindernisse der Eintragung
des Besitztitels nicht beseitigt, welche sich aus der zweiten Rubrik des Hypotheken
buchs ergeben. — Z. 99-109, I. 51 A. G. O. — Cab..Ord. vom 9. Mai 1839
GS. S. 163. — Ges. vom 7. März 1845 GS. S. 16«. — V. vom 4. März
1834 betr. das Subh. Werf. — B. vom 2. December 1837 GS. S. 220.
X. Öffentliche Borladung unbekannter Inhaber von
Hypotheken-Posten.
K. 349. I. Ansprüche, welche in das Hypothekcnbuch eines Grundstücks einge
tragen sind, oder bei noch nicht rcgulirtcm Hypothekcnbuch in Folge der Bescheini
gung der Hypothckenbchörde: daß sie zur Eintragung angemeldet, und für eintra
gungsfähig erachtet worden, Realrecht erworben haben, sind zur Löschung im Hy,
pothekenbuch nur geeignet, wenn löschungsfähige Quittung des aus dem Hypothe
kenbuche ersichtlichen, oder sonst unzweifelhaften Inhabers der Post, und das dar
über lautende Hypothekendokument, (in sofern solches ausgefertigt istj, ') beigebracht
wird. Kann diesem nicht genügt werden; so muß, bevor Löschung erfolgen kann,
1) wenn löschungs fähige Quittung nebst Dokument, oder auch nur Quit-
.,, 'tung fehlt, vom Eigenthümer des verpfändeten Grundstücks aber Bezahlung
behauptet wird, und der Inhaber der Post unbekannt ist, die Ediktalladung die
ses Inhabers und seiner Nachfolger im Besitz erfolgen; und
2) wenn nur das Dokument fehlt; dieses öffentlich aufgeboten und amvrtisirt
werden.
Won dem ersten Falle wird hier, vom zweiten im z. 35« die Rede sein.
II. Die Ediktalladung der unbekannten Inhaber einer Hypothrkenpost kann
1) nur der Besitzer des verpfändeten Grundstücks, und blos dann beantragen,
wenn er Tilgung behauptet, und darüber weder beglaubte Quittung des un
streitigen letzten Inhabers vorzeigen, noch diesen Inhaber oder dessen Erben der
gestalt nachweisen kann, daß dieselben zur Qulttungslcistung aufgefordert wer
den könnten.
2) Zur Begründung des Antrags, welcher übrigens bei dem Richter, unter
welchem das verpfändete Grundstück gelegen ist, angebracht werden muß, gehört
s) die pflichtmässige und gewissenhafte Anzeige des Ertrahenten, daß ihm der
^, im Hypothekenbuche eingetragene Inhaber der F«rdcrung oder dessen Erben
oder Jessionarien, ihrer Existenz oder ihrem Aufenthalte nach, unbekannt sind;
d) die bestimmte Angabe, und die nach der Natur der Sache mögliche Beschei
nigung der zu deren Ausforschung angewandeten Bemühungen, und
') Ist über eine Post kein Hypothekendokument ausgefertigt, so gnügt zur bean
tragten Löschung die Quittung des unzweifelhaften Inhabers. — L5. Res. vo«
28. November 1786 und 26. December 1786. Rabe 1,,S. SS, 54H. . ,>
525
r) das Erbieten zur eiblichen Bestärkung Alles dessen.
Der Produktion des Originalinstrumcnts bedarf es nicht. >)
3) In die demnächst zu erlassende Ediktalladung muß der Name des einge
tragenen Gläubigers, die Beschaffenheit der Forderung und das Datum des In
struments ausgedrückt; die Vorladung aber o» diesen Inhaber, und dessen Er
ben, Zcssionarien oder die sonst in seine Rechte getreten sind, gerichtet werden.
4) Der Termin wird auf drei Monate hinausgerückt.
5) Der Besitzer des verpfändeten Grundstücks wird vom Termin in Kennt-
niß gesetzt, und zu demselben Behufs Leistung des Diligenzcides mit vorgeladen.
6) Wegen Insertion in die öffentlichen Blätter und wegen des Aushangs kom
men die Vorschriften §. 348, V. zur Anwendung. In Betreff der Einrückung
in eine auswärtige Zeitung gilt das §. 56, II. Nro. 4 c Gesagte.
7) Im Termin muß Ertrahcnt den ß. SS, II. Nro. 6 enthaltenen Diligenzeib
leisten.
8) Die Präklusoria wird gewöhnlichermassen abgefaßt und publizirt. — §. Itv—
114 Anh. z. 383, I. St A. G. O. — Res. vom 31. Mai 1817; vom 2. Fe
bruar 1821 ; vom 22. Decembn 1823. Jahrb. 9, S. 263. Bd. 17, S. 98.
Bd. 22, S. 210. — Res. vom 2. April 183« Gräff, Koch ,c. III. S. t145.
IX. Aufgebot und Amortisation verlorner Hypothckendokumcnte.
z. 350. I. Das öffentliche Aufgebot ist nur bei solchen Hypotheken» o-
kumenten nothwcndig, die nach ihrem Inhalte, und nach der Natur der Forde
rung selbst so beschaffen sind, daß darüber zu Gunsten eines Dritten verfügt wer
den konnte. Demnach bedarf es, z. B. des Aufgebots der über Altentheile^) oder
andre zur Zession nicht geeignete Rechte lautenden Hypothekendokumente nicht. Auch
ein blosser Hypothekenschcin braucht nicht aufgeboten zu werden, wenn das über die
Post lautende, mit dem Eintragungsvermerk verfchene, Dokument selbst vorhanden
ist, wenn nur kcin gegründeter Zweifel darüber obwaltet: daß das vorgelegte In
strument eben dasselbe ist, über welches der verlorne Hypothekenschein ausgestellt wor
den. Walten aber über diese Identität des Instruments erhebliche Zweifel ob; so
muß jener aufgeboten werden.
Sind Hypothekendokumente über Domaincnabgaben und Jnventarienkapitalien
bei den Behörden verloren gegangen; so soll es zur Amortisation derselben nicht des
öffentlichen Aufgebots bedürfen; sondern es gnügt, wenn von der betreffenden Regie
rung der §. 126 fg. I. 16 A. L. R. vorgeschriebene Mortifikationsschein und zugleich
ein Attest darüber ausgestellt wird, daß über die Forderung, welche Gegenstand des
Dokuments ist, zu Gunsten eines Dritten nicht verfügt worden sei. s) — Auf Grund
dieses Attestes und Mortifikationsscheins können in Stelle der verlornen Dokumente
1) Doch wird immer vorausgesetzt, daß das Dokument dann nicht zu ermitteln ist;
und daß man auch den Inhaber der Hvpothekenxost nicht erlangen kann. Ist
das Dokument zur Hand; so muß es beigebracht werden. Ist der unzweifel
hafte Inhaber zu erreichen, und das Dokument nicht zu finden; so kommt das
Verfahren des Z. 350 zur Anwendung.
2) Altentheile, welche in gewissen, zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Leistungeil
und Abgaben bestehen, können
s) aus den Grund des Todenfcheins der Ausgedinger gelöscht werden, wenn dies
im Ausgcdingcvcrtrag stipulirt ist;
Ii) sonst ist Quittung der Erben der Ausgedinger nöthig, in sofern nicht
c) wegen 4jährigen Ablaufs die etwanigcn Rückstände verjährt sind, und um
deshalb Löschung erfolgen kann. — Z. 7 Ges. vom 3t. März 1838. —
Res. vom 1«. Januar 184« I. M. B. S. 33. — Res. von, 3«. Oktober
1841 I. M. B. S. 343.
^) Besondre Bestimmungen in Betreff des Aufgebots der durch Brände zu Lyk,
Sä
326
mit Einwilligung des Schuldners neue ausgestellt, ingleichen die bereits abgelösten
Domainenabgabcn und bezahlten Jnventarienkapitalien, wenn zugleich die Ablösungs
urkunde oder Quittung in vorschriftsmassiger Form beigebracht wird, im Hypo
thekenbuche gelöscht werden. — 8. 115, 119, I. S1 A. G. O. — Cab.-O. vom 3.
Juli 1843 GS. S. 292. — Res. vom 14. Septbr. 1805. Rabe 8, S. 347. —
Res. vom 18. März 1837. Jahrb. 49, S. 252.
II. Da, wo hiernach das öffentliche Aufgebot nöthig wird, muß der Antrag
ebenfalls beim Richter des verpfändeten Grundstücks angebracht werden.
Zum Antrage selbst ist berechtigt
1) der Eigenthümer dieses Grundstücks, wenn der Inhaber der Post, worüber
das verloren gegangene Dokument lautete, bekannt und zur Quittungsleiftung
erbötig ist, oder bereits wirklich über jene Post quittirt Hätz und
2) der Gläubiger dann, wenn derselbe mit dem Schuldner darüber einig ist,
daß die Schuld noch vorhanden sei. — Z. 115, III. Anh. Z. 385, 1. 51 A. G. O.
III. Zur Begründung des Antrags muß eine bcglaubte Abschrift des
aufzubietenden Dokuments, welche aus den Jngrossationsbüchern oder den Hypothe
kenakten entnommen werden kann, beigebracht werden, und der im HypotheKnbuch
notirte Inhaber der Post muß sich zur Ausstellung des Mortifikationsscheins, und,
falls die Forderung bezahlt ist, zur Quittungsleistung, so wie in jedem Falle zur
Ableistung des Manifestationseides bereit erklären. Doch kann auch Mortifikations
schein und Quittung sofort dem Antrage beigelegt werden, wiewol die Beibringung
dieser beiden Dokumente bis nach dem Pröklusionsurtel ausgesetzt werden darf.
In Bezug auf den Stadtgerichtsbezirk von Loslau, wo im Jahre 1822 Hy
potheken-, Jngrossationsbücher und Hypothekenaktcn verbrannt sind, gnügt dann,
wenn in Folge dieses Brandes beglaubte Abschrift des zu amortisirenden Dokument«
nicht beigebracht werden kann, daß, ausser der Beobachtung der übrigen Förmlich
keiten des Aufgebots, die Forderung nach dem Inhalte des in den wiederhergestellten
Hypothekenbüchern des Stadtgerichts zu Loslau befindlichen Eintragungsvermerks,
durch Benennung des Gläubigers und Schuldners der Kapitalssumme, und des ver
pfändeten Grundstücks bezeichnet wird. — z. 116 Anh. §. 387 a. a. O. — Sab.-
Ord. vom 13. Mai 1844 GS. S. 116.
IV. In der öffentlichen Ladung muß das aufgebotene Instrument durch Be
nennung des darin aufgeführten Gläubigers und Schuldners, der Kapitalssumme,
ies verpfändeten Guts und des Dati der Ausstellung und Eintragung bezeichnet
werden, und die Borladung aller derer erfolgen, welche an die Post als Eigenthü-
mer, Zessionarien, Pfand- oder sonstige Briefsinhaber Anspruch zu machen haben. >)
Im Uebrigen kommen die Bestimmungen ß. 349, II. Nro. 4 u. 6 zur Anwendung. —
§. 116, 117, I. 51 A. G. O.
V. Der Manifestationseid muß vom Gläubiger, 2 ) welcher das Instrument
verloren zu haben angibt, gleich viel, ob dieser oder der Schuldner das Aufgebot
ausgewirkt hat, geleistet werden, und zwar dahin:
daß er dieses Instrument weder selbst besitze, noch wisse, wo es befindlich
sei, auch daß er selbiges nicht gefahrlicher Weise abhanden gebracht habe.
Z. 113, I. 51 A. G. O. — Res. vom 27. Juni 1842 I. M. B. S. 254.
Goldapp und Seidenberg vernichteten Hypothekendokumente sind ergangen durch
die Cab.-Ord. vom 13. Juni 1837 und vom 2«. Juli 1837 GS. S. 109, 13«.
1) Die Benachrichtigung des Hauptbankdirektorii fällt weg. — Cab.-Ord. vom 25.
Oktober 1837 GS. S. 157.
») Erben des Gläubigers können zu diesem Eide ebenfalls zugelassen werden. —»
cr. Res. vom 13. Mai 1836. Jahrb. 47, S, 602.
527
XU. Aufgebot «on Pfandbriefen') und deren KouponS.
§. 351. I. Behauptet der angebliche letzte Inhaber eines Pfandbriefs,
daß selbiger durch Zufall gänzlich verloren, oder vernichtet wor
den, so muß er
1) diesen Verlust, sobald er dessen inne wird, der Hauptdirektion des Kreditinstituts
anzeigen. Kann er dabei die vorgegebene gänzliche Vernichtung dergestalt dar-
thun, daß über die Richtigkeit seiner Angabe kein Zweifel und keine Ungewißheit
') Für da« Aufgebot der vom Schuldner gekündigten Pfandbriefe gilt nicht diese«,
sondern da« durch §. 3»7—39U de« Oflpr. Kreditsist. vom 24. Deeember IM»
(Anh. z. GS. S. 443) und durch die Sab.-Ord. vom 7. September 183U (GS.
S. 12«) angeordnete Versahren.
,) In Betreff der schlesischen Pfandbriefe sind nachstehende spezielle gesetzliche Vor
schriften zu berücksichtigen:
I. Eab.-Ord. vom 4. Jan. 1845 (GS. S. 99). Sie ordnet an: daß bei
dem nach §. 4« Eap. 4, III. de« schles. Landsch. Reg. vom 9. Juli 177« zu
veranlassenden Aufgebots- und Amortisat. - Verfahren über solche Pfandbriefe,
welche während der gesetzl. Verjährungsfrist nicht zum Vorschein kommen, die
Vorschr. Z. 110-119, I. 51 A. G. O. (oben z. 349) in Anwendung zu brin
gen sind. Es soll jedoch hierbei die Ableistung des §. 349, II. Nro. 7 vorge
schriebenen Diligenzeides von Seiten der das Aufgebot extrahirenden General-
landschaftsdircktion nicht bedürfen, sondern nach erfolgtem Aufgebot zur Abfas
sung des gerichtl. Plüklusionsurtels gnügen, wenn dieselbe amtlich bescheinigt:
daß der Pfandbrief innerhalb der gesetzl. Verjährungsfrist nicht zum Vorschein
gekommen, daß während dieser Frist bis zum Prüklusivtermine von Niemandem
ein Anspruch an den Pfandbrief angemeldet worden, und der etwanige Inhaber
des Pfandbriefs unbekannt sei.
II. §. 5« der V. vom «. Juni 1835 (GS. S. 101), welcher die Vorschrif
ten §. 351 auch auf die schlesischen Pfandbrief« K für anwendbar erklärt, jedoch
mit folgenden Abweichungen:
1) die darin den Hauptdirektionen der Landschaften übertragenen Geschäfte über
nimmt bei den Pfandbriefen K das Kreditinstitut.
2) Die öffentliche Bekanntmachung I. Rro. 3 geschieht durch die Jntelligcnzblät-
ter zu Berlin und zu Breslau.
3) Auf Ediktalzition kann erst, nachdem seit der Bekanntmachung der achte Zin«-
termin vorübergegangen ist, angetragen werden.
4) Dieser Antrag muß an das O. L. Gericht zu Breslau gerichtet, und zu dem
Ende von den Extrahenten
») eine Bescheinigung des Kreditinstituts, daß bis dahin sich Niemand mit
dem verlornen Pfandbrief gemeldet habe,
b) ein Exemplar der Jntelligenzblätter, welche die öffentliche Bekanntmachung
enthalten,
eingereicht werden, worauf da« Gericht die EdiZtalladung verfügt, und darknr
den etwanigen Inhaber des verlornen Pfandbriefs Ii auffordert, sich späte
stens bis zum zehnten Zinstermine zu melden, oder die Amortisation des
Pfandbriefs zu gewärtigen.
5) Die Ediktalladung geschieht
s) durch ein beim Oberlandesgericht, und in der Kasse des Kreditinstitut?
zu Breslau auszuhängendes Proklama,
K) durch dreimalige Einrückung in die Jntelligenzblätter zu Berlin, zu Bres
lau, und in derjenigen Provinz, in welcher der Pfandbrief verloren ge
gangen sein soll.
6) Vor Abfassung des Amortisationserkenntnisses muß stäts
g) derjenige Termin eingetreten sein, in welchem der Pfandbrief selbst zur
Empfangnahme neuer Jinskoupons hätte vorgezeigt werden müssen;
b) eine anderweite Bescheinigung des Kreditinstituts beigebracht werden , daß
auch im zehnten Zinstermin der Pfandbrief nicht prüsentirt worden.
7) Wegen verlorner oder vernichteter ZInskoupons der Pfandbriefe ö. ist ein
öffentliches Aufgebot und Amortisationsverfahren nicht zulässig; und eben so,
wenig eine Klage auf Zustellung andrer Kouxvnö an die Stelle jener.
34*
528
mehr übrig bleibt; so muß ihm ein neuer Pfandbrief von gleichem Werth auf
seine Kosten ausgefertigt werden.
2) Diesen Nachweis muß der Inhaber des angeblich vernichteten Pfandbriefs bei
der Jnstitutsdircktion selbst fuhren (es. jedoch V. Nro. IS, 16), welcher die Be-
urthcilung darüber allein zusteht, dergestalt, daß, wenn sie bei der Richtigkeit
und Vollständigkeit des Rachweises irgend Zweifel findet, und die Ausfertigung
eines neuen Pfandbriefs verweigert, Jmplorant sich dabei beruhigen, und die
förmliche Amortisation abwarten muß.
3) Behufs Amortisation muß der letzte angebliche Inhaber zunächst den Zufall, wo
durch der Pfandbrief verloren oder vernichtet worden, und daß er um diese Zeit
wirklich im Besitze desselben gewesen sei, bescheinigen. Alsdann muß das Publi
kum durch die Zeitungen und Jntelligenzblättcr der Provinz (wo diese fehlen,
an deren Stelle durch die Amtsblätter) von dem Vorfalle, unter genauer Be
schreibung des Pfandbriefs, und Benennung des sich angebenden Eigenthümers,
benachrichtigt, und, nachdem dieses geschehen, durch sechs Zinsenzahlungstermine
gewartet werden: ob sich Jemand mit dem fr. Pfandbriefe melden werde.
4) Kommt auch im sechsten Termine der Pfandbrief nicht zum Vorschein; so muß
») der angebliche Inhaber entweder den zur Verjährung eines Schuldinstruments
überhaupt gesetzlich erforderlichen Zeitraum, welcher mit der ersten Bekanntma
chung beginnt, abwarten, nach dessen Verlauf er, wenn inzwischen der Pfand
brief bei den Kassen des Instituts nicht zum Vorschein gekommen ist, die Aus
fertigung eines andern an dessen Stelle, ohne förmliches Aufgebot und Amorti
sation, verlangen kann ; oder b) er kann sofort die förmlicheEdiktalladung beantragen.
5) Der Erlaß dieser Ediktalladung geschieht von der Landschafts- oder Kreditdirektion.
6) In der Ladung wird der etwanige Inhaber des verlornen Pfandbriefs aufgefor
dert, sich spätestens bis zum achten Sinsenzahlungstermine zu melden, oder die
gänzliche Amortisation des Pfandbriefs zu gewartigen.
7) Die Bekanntmachung der Ediktalladung geschieht durch Aushang beim Landes-
justizkollegio, in dessen Bezirk das bepfandbriefte Gut liegt, und in allen Kassen
des Instituts, ferner durch viermalige Einrückung in die Zeitungen und Jntel-
ligenzblStter (resp. Amtsblätter, wo letztere fehlen,) der Provinz, durch 2malige
Einrückung in die Zeitungen einer benachbarten Königl. Provinz, und durch ein
malige Einrückung in eine ausländische Zeitung, doch in der Art, daß vom
Zeitpunkt der letzten Bekanntmachung bis zum achten Zinsentermine ein Zeit
raum von wenigstens drei Monaten verbleibt. Die unterlassene Einrückung in
die Zeitungen hindert jedoch nicht die Abfassung der Präkluforia.
L) Meldet sich auf diese Ladung, oder auch schon auf die erste nach Nro. 3 gesche
hene Bekanntmachung ein Inhaber des aufgebotenen Pfandbriefs; so muß die
Sache zwischen ihm und dem angeblichen Eigenthümer nach den im A. L. R.
vorgeschriebenen Grundsätzen') erörtert und entschieden werden.
V) Kommt aber auch im achten Zinsentermine der Pfandbrief nicht zum Vorschein,
so müssen die bis dahin verhandelten Akten demjenigen Landesjustizkollegio, in
dessen Departement das Gut, worauf der Pfandbrief eingetragen, belegen ist,
vorgelegt werden. Dieses prüft das beobachtete Verfahren, amortisirt, wenn es
dabei Nichts Wesentliches zu erinnern findet, den aufgebotenen Pfandbrief durch
Erkenntniß, und publizirt dies gemäß §. 133 durch 14tägigen Aushang.
1«)Nach Rechtskraft des Erkenntnisses, die anzunehmen, wenn sich binnen 4 Wo
chen nach dessen Aushang Niemand dagegen gemeldet hat, muß der Inhalt des
selben in den Zeitungen und Jntelligenzblättern lrcsp. Amtsblättern der Provinz)
Achtzehnter Abschnitt.
Bom »erfahren in Moratoriensachen. >)
Zweck; allgemeine Erfordernisse und Eintheilung der Moratorien.
§. 354. I. Die durch das Gesetz gebotene Rechtswohlthat des Moratorii, oder
Indults hat zur Absicht, einen Schuldner, welcher an sich noch des Vermögens ist,
seine Gläubiger zu befriedigen, den aber gewisse vorübergehende Umstände, ihmn so
fort baar und auf Ein Mal Zahlung zu leisten, verhindern, durch Gestaltung ciner
gewissen Nachsicht in den Stand zu setzen, daß er den Forderungen dieser seiner
Gläubiger, ohne seinen Ruin, Gnüge leisten könne. — z. 1, I. 47 A. G. O.
II. Wer ein Moratorium erlangen will, muß nachweisen:
1) daß er an und für sich hinlängliches Vermögen besitze, den Forderun
gen seiner Gläubiger ein Gnüge leisten zu können; dabei kommt in Betreff
von Verpflichtungen, welche er als Besitzer eines Grundstückes zu erfül
len hat, dieses Grundstück selbst dann in Betracht, wenn der Besitztitel davon
auf ihn noch nicht berichtigt ist;
2) daß Umstände vorwalten, die es ihm unmöglich machen, ohne seinen Ruin
sogleich prompte und baare Zahlung zu leisten;
3) daß gegründete Hoffnung und Aussichten vorhanden sind, daß er
durch Verstattung der gcbetenen Nachsicht in den Stand kommen werde, seine
Gläubiger zu befriedigen,?) und sich zugleich in seinem Nahrungsstande zu er
halten. — §. 3 a. a. O. — Res. vom 8. Oktober und 26. November 1811 u.
1«. Juli 1812. Jahrb. 1, S. 233 fg.
III. Unzulässig ist der Antrag auf Bewilligung eines Maratorii überhaupt:
1) in Bezug auf andre Verpflichtungen, als Geldzahlungen, namentlich, wenn der
Schuldner etwas thun, oder eine gewisse Sache herausgeben soll;
2) Wenn die Schulden das Vermögen übersteigen;
3) so lange ein Schuldner auf flüchtigem Fuß sich befindet, und sich nicht zur per
sönlichen Vernehmung gestellt;
4) wegen Wechselschulden wirklicher Kaufleute, und der ihnen in Bezug auf Wech
selverbindlichkeiten Gleichgestellten ; (ck. Anm. 1 s. c. d. S. 409.)
5) wegen der Schulden, hinsichtlich deren die unter 4 Genannten sich vertragswcise
der wohlverstandnen Rechtswohlthat des Indults ausdrücklich begeben haben;
6) wegen Pfandbriefen, die von der Landschaft dem Gutsbesitzer wegen mangelnder
Sicherheit gekündigt sind. — S. 2, 4, 5, 66, 97 Nro. 9 u. 10«, I. 47 A. G.
O. — Res. vom 26. Januar 1813. Jahrb. 2, S. 50.
IV. Beruft sich der Schuldner auf die Rechtswohlthat des Indults
1) gegen Einen Gläubiger, so betrifft dies Gesuch ein Spezialindult;
1) Das Moratorium ist aus dem römischen Recht auf uns übergegangen. Es ist
eine nur scheinbare Wohlthat; in den meisten Fällen aber in Bezug auf den
Gläubiger eine Hörte, und für den Schuldner selbst nachtheilig. Wie wenig es
in Teutschland bcliebt war, besagt das Sprichwort: O-uinquennellen (von der
5jährigen römischen Dauer) kommen aus der Höllen.
2) Die in Folge des Kriegsnothstandes der Jahre 1806 bis 1815 erlassenen speziel
len Jndultgesetze sind ausser Willigkeit gesetzt. Dagegen sind in neuerer Zeit
durch Cab.-Ord. vom 19. Aug. 1835 u. 23. Juni 1836 lGS. 1835 S. 184
1836 S. 203) einigen Landgemeinden in den schlesischen Kreisen Leobschütz, Ra-
tibor, Kosel und Strehlen, welche durch Ankauf von Rittergütern sich mit Schul
den belastet haben, bis zum 1. Januar 1843 gewisse Zahlungsnachsichten zugestanden.
s) Es wird hier jedoch nicht vorausgesetzt, daß diese Befriedigungsmittel noch aus
ser dm zur Sicherheit vfferjrten Gegenständen vorhanden sein müssen.
Sä«
2) geschieht es gegen mehre auf ihn eindringende Gläubiger; so ist von einem Ge-
neralindult die Rede. — §. 6, I. 47 A. G. O.
I. Von Verhandlung des Spezialindults.
Antrag; Verhandlung; Prüfung der Sicherheit; Erkenntniß und
Rechtsmittel.
Z. 355. I. Der Antrag auf Spczialindult muß vom Schuldner
1) in der Regel im Termine bei Einlassung und Antwort auf die Klage des Haupt-
Prozesses, oder doch spätestens bei Abschluß dcr Verhandlung erster Instanz, im
Mandatsprozesse aber innerhalb der im Mandate zur Anbringung der Einwen
dungen gestellten Frist, gemacht werden. — Wird die Hauptsache im ordentlichen
Prozeß verhandelt (Absch. 5, Tit. 6); so muß der Dcputirte den Beklagten, in
so fern er in Person und ohne Rechtsbeistand erschienen, und in so fern bei ihm,
nach seinen Aeusscrungen oder sonst, zeitiges Iahlungsunvermögen vorzuwalten
scheint, über sein Recht zur Nachsuchung des Spezialindults von Amtswegen belehren.
2) Rur in dem Falle, wenn Provokant zugleich nachweisen und bescheinigen kann,
daß die Umstände, welche ihn zur Berufung auf diese Rechtswohlthat nöthigen
und berechtigen, erst während des Laufs des Prozesses oder nach entschiedener
Sache eingetreten sind, kann auch noch später, und selbst nach Rechtskrast des
Urtels oder Mandats der Hauptsache, auf Spczialindult angetragen werden.
Doch wird in solchem Falle die Exekution nicht eher gehemmt, als bis dem Glau«
biger die gebührende Sicherheit bestellt ist. — ß. 7—9, I. 47 A. G. O. — Z. 7
des Ex. G. vom 4. März 1834. — Res. vom 7. Oktober 1833. 3«. Mai 1834
u. 10. November 1837. Gräff, Koch ,c. IN. S. 61«, S92.
II. Ausser den Z.'354, III. erwähnten Fällen ist der Antrag auf Spezialin-
dult nicht zulässig:
:>) wenn der Schuldner wegen desselben Anspruchs bereits Indult gehabt hat;')
b) nach Abschluß dcr Sache in erster Instanz, in sofern er nicht gemäß I. Nro. 2
begründet wird;
0) wenn Schuldner die Forderung des Gläubigers freventlich abgeläugnet hat; oder
wenn ersichtlich, daß das Moratoriengesuch ohne Noth aus blosser Schikane und
zum Verschleif der Sache angebracht wird. — Z. 48. S. 9. Z. 34, I. 47 «. G.
O. Res. vom 13. April 1821 Gräff, Koch :c. III. S. 992.
6) Wegen wechselmässiger Verpflichtungen andrer als der kausmännischen Wechsel-
schuldner; l>lso der Gutsbesitzer und GeneralpSchter). — 8. 66, I. 47 A. G. O.
III. Zur Motivirung des Antrags auf Spczialindult gehört, daß darin
die dafür sprechenden Gründe, ferner die Vorschläge: auf wie lange Schuldner die
gebetene Nachsicht ndthig habe, wie er die Forderung des Gläubigers unterdessen
sicher zu stellen, und wie er nach abgelaufener Befristungszcit demselben wirkliche
Zahlung zu leisten gedenke, umständlich angegeben werden.
Dieses Gesuch ist in einem besonderen Schriftsatz einzureichen, oder zum beson-
deren Protokoll zu geben. Die Verhandlung darüber erfolgt von der Hauptsache
getrennt. Diese behält ihren ununterbrochenen Fortgang. — §. 10, 11 a. a. O.
1) Dies liegt deutlich im H. 48 a. a. O. Koch nimmt an, daß bei hinzukommen
den neuen Umständen Indult zuständig, wenn auch bereits Spezialmoratorium
bewilligt war. — Recht, der Forder. I. S. 394.
») Ist ein Antrag auf Spczialindult offenbar unzulässig, so muß er durch Verfü
gung zurückgewiesen werden. Dies sprechen auch die Res. vom 6. Juli 18Z2
u. 17. Mai 1834 (Gräff zc. III. S. 993) aus. Die Ref. vom 2«. Aug. ISIS
und vom 2«. Januar 1832. <Jahrb. 14, S. 28 Bd. 39, S. 168) sind jedoch
gegen die Abweisung durch Verfügung.
541
IV. Die Provokation wirb zunächst dem Gläubiger, als Provokaten, zur Er«
klärung und Anbringung etmaniger Einwendungen vorgelegt, und nach Möglichkeit
versucht, ihn, wenn die offerirte Sicherheit annehmlich zu sein scheint, zur Zuge
stehung der erbetenen Nachsicht zu vermögen. — Bei den während des Hauptpro
zesses angebrachten Spczialmoratoriengesuchen hängt es vom Gläubiger ab, die Ver
handlungen über den Indult bis nach völlig abgeurteltcr Hauptsache ganz aussetzen
zu lassen. — §. lv, 1l o. a. O.
V. Kommt es zur Instruktion über den Spezialindult, so erfolgt die
selbe im ordentlichen Prozeß (Absch. 5, Tit 6). Dabei hat der Jnstruent sein Au
genmerk besonder« auf diejenigen Punkte zu richten, welche zur Feststellung oder Be
seitigung der im 8,. 354, II. aufgeführten Erfordernisse des Indults dienen. Was nun
^ die Erfordernisse zu Nrv. 2 u. 3, II. 8. 354 betrifft; so bedarf es deshalb
keines förmlichen Beweises, auch nicht weitläufiger Untersuchung. Es gnügt, wenn
der Schuldner solche Umstände, wodurch sein gegenwärtiges Zahlungsunvermögen
dem Richter wahrscheinlich wird, und das Mittel oder die Fonds, aus welchem er
nach Ablauf der Nachsichtszeit werde Zahlung Kisten können, nachzuweisen im
Stande ist.
Behauptet dessen ungeachtet der Gläubiger, daß ihn der Schuldner ohne Noth,
aus blossem Eigensinn oder Schikane hinhält; so steht ihm frei, einen Gegenstand
nachzuweisen, aus welchem er füglich ohne Ruin des Schuldners befriedigt wer
den könne. > )
L. Zum Nachweise der ZulSnglichkeit des Vermögen« (§. 354, II. Nro. t) sol
len alle nicht durchaus nothwcndige Weitläufigkeiten möglichst »ermieden werden.
Es gnügt, wenn Schuldner dem Gläubiger einen Gegenstand anweist, durch welchen
ihm für seine Forderung Sicherheit gewährt wird. Eine eidliche Vermögensspeziff-
kation darf dem Schuldner nur dann abgefordert werden, wenn Gläubiger darauf
dringt, und der Richter nach Beschaffenheit der Umstände sie für erforderlich erachtet.
Ausserhalb des preussischen Staats befindliche Güter, Hebungen, For
derungen und Bürgen, braucht sich jedoch ein inländischer Gläubiger zu seiner Sicher
heit nicht anweisen zu lassen. — Dagegen kann der Schuldner im Jnlande ge
legene Grundstücke, zu zahlende gewisse Hebungen und Forderungen, und hier woh
nende Bürgen, als Gegenstand der Sicherheit vorschlagen.
1) Bei Grundstücken wird «) deren Qualität, Werth und Sicherheit in der
Regel durch den Hypothekenschein, und ins Besondre der Werth durch den dar
aus sich ergebenden Kaufpreis nachgewiesen. Behauptet der Schuldner einen hö
heren, als den im Hypothekenbuch eingetragenen Werth; so muß er die« durch
Vorlegung der Pacht- oder Miethsverträge, oder durch mehrjährige Ertragsrech
nungen sofort dartyun. — Behauptet der Gläubiger einen geringeren, ihm
nicht hinlängliche Sicherheit gewährenden Werth; so muß er scheinbare Gründe
seiner Behauptung anführen; und dann liegt dem Schuldner ob, den bestritte
nen Werth auf vorstehende Art nachzuweisen.
b) Der Gläubiger muß mit der auf Grundstücke angewiesenen Sicherheit
sich dann begnügen, wenn sein Anspruch bei Landgütern-) innerhalb der ersten
>) Weist der Schuldner jedoch nach, daß der zeitige Verkauf der vom Gläubiger
vorgeschlagenen Gegenstände einem ganz ausserordentlichen, den theilweisen Ruin
gleich zu achtenden Verlust ihn aussetzen würde; dann wird nicht von eigensin
niger und unnöthiger Hinhaltung des Schuldners die Rede sein können. — Lk.
Res. vom 3. September 1807. Rabe 9, S. 78.
2) Darunter werden nicht blos Rittergüter, sondern überhaupt die, Ackerwirrhschaft
gewährenden, Grundstücke verstanden im Gegensatz zu städtischen, d. h, solchen
Grundstücken, welche in blossen Räumen bestehen. — Ls. auch Res. vom 6. Juli
1S4« I. M. B. S. 224.
S5
S42
zwei Drittheile, bei städtischen Grundstücken innerhalb der Hälfte de« nach a aus-
gemittelten Werths zu stehen kommt. — Ist aber notorisch, oder vom Schuld
ner nachgewiesen, daß seit Erwerb des Grundstücks Besitzungen der Art im
Preise beträchtlich gestiegen sind; so kann der Richter die Sicherheit für hinrei
chend annehmen, wenn sie auch die 2 Dritthcile, resp. die Hälfte, um etwas über
steigen möchte. Doch darf sich der Gläubiger bei einer über den ganzen Erwer-
bungsprcis hinausgehenden Sicherheit niemals beruhigen. , .,
2) Werden gewisse jährliche Hebungen, oder auch ausstehende Forde
rungen i) zur Sicherheit vorgeschlagen; so muß der Schuldner die darüber lau
tenden Urkunden vorzeigen. Sind dieselben ins Hypothekenbuch eingetragen, so
wird ihre Sicherheit nach den unter Nro. 1 entwickelten Grundsätzen geprüft.
Sind es keine hypothczirten Ansprüche, sondern nur Privatforderungen; so kön
nen sie dem Gläubiger nicht aufgedrungen; sie müssen ihm aber, wenn er sich
damit begnügt, verpfändet, oder zcdirt werden. . .
3) Der Werth angebotener beweglicher Unterpfänder wird im Zweifel durch
Sachverständige festgestellt, und ist s) bei Gold und Silber und andern derglei
chen Dingen, die einen festen Preis haben, auf das Ganze, b) sonst aber, nach
richterlichem Ermessen, auf zwei Drittheile oder die Hälfte, je nachdem der Preis
solcher Gegenstände mehr oder weniger wechselt, für hinreichend anzunehmen.
4) Bürgen müssen die Sicherheit durch Eintragung auf ihre Grundstücke inner
halb des nach Nro. 1 zu beurteilenden Werths bestellen. Unangesessenc Bür
gen ist der Gläubiger nicht anzunehmen schuldig. — §. 12—22 «. <>. ,O, ..^
VI. Die Entscheidung über den Spezialindult erfolgt nach abge
schlossener Instruktion , , ... - , >./, ..
^. zugleich in dem Urtel in der Hauptsache, in sofern diese trotz ihres ununter
brochene» Fortgangs oder sonst in erster Instanz noch nicht abgeurtelt ist;
L. im andern Falle aber durch besondres Urtel. , > , , ,,, :ü
Ist das Gesuch an sich nicht begründet oder der Fall unter II. e. vorhanden;
so muß die Zurückweisung erfolgen. Erachtet der Richter die Sache zur Erthei-
lung des Indults für geeignet; so muß er >, ,. (.«ni«, -
1) die Dauer desselben bestimmen, und dasselbe, wenn nicht besondre Umstände vor
walten, nicht leicht auf längere, als Jahresfrist) 2) bewilligen;, .l
2) die zur Sicherheit des Gläubigers etwa erforderlichen Modalitäten gehörig, also
festsetzen, daß die Schuld auf dem Grundstück eingetragen; die Forderung zedirt,
verpfändet oder mit Beschlag belegt ; die jährliche Hebung, so weit es zur Deckung
und Befriedigung des Gläubigers nöthig ist, diesem angewiesen, oder zum De
positum eingezogen; die beweglichen Pfänder dem Gläubiger, oder ebenfalls zur
gerichtlichen Verwahrung abgeliefert; vom Bürgen Kaution bestellt und ins Hv-
pothekenbuch eingetragen werden solle zc.z , - , >,^-,
3) über den Kostenpunkt entscheiden. Die über Verhandlung des Moratoriengesuchs
erwachsenen Kosten trägt der Schuldner (Provokant) in jedem Falle und nur
mit Ausnahme derer, welche durch blossen Eigensinn oder Schikane des Gläubi
gers entstanden sind. — Z. 24, 25, 34, 36 a. a. O.
VII. Gegen die Entscheidung über das Moratoriengesuch steht in Bezug auf
beide Theile Appellation zu. Appellirt der Gläubiger; so hat das Rechts
mittel volle Wirkung. Appellant kann jedoch darauf dringen, daß die gemäß VI.
^) Obligationen der Provinzialftände, der Kreisstände und der Städte können als
Sicherheitsobjekt nur dann aufgedrungen werden, wenn sie vom Landesherrn
ausdrücklich genehmigt worden. Aktien und dergl. werden ebenfalls nur in sofern
Sicherheit geben, als sie zur Annahme in Pupillendepositorien gesetzlich geeignet sind.
») Dies Jahr beginnt offenbar mit dem Tage der Rechtskraft des Uttels.
543
Rro. 2 erkannten Modalitäten seiner Sicherftellung während der Verhandlung zw«,
ter Instanz, mit Vorbehalt seine« Rechts und des künftigen E,ke„ntnisscö, in Voll
zug gebracht werden.
Appellirt der Schuldner weil er mit dem Antrage abgewiesen ist; so hat
s) wenn die Appellation die Abweisung mit dem Jndultgesuch allein betrifft, das
Rechtsmittel Devolutiveffekt. Die Exekution wird dahcr auf Andringen des
Gläubigers gegen den Schuldner verhängt, und bis zu einer ändernden Entschei
dung zweiter Instanz fortgesetzt. Doch soll das Appellationsversahren besonders
beschleunigt werden.
l>) Appellirt aber der Schuldner ««gleich in der Hauptsache und über die Versagung
des Indults; so richtet sich die Wirkung des Rechtsmittels nach der Beschaffen
heit der Hauptsache. In der Regel wird daher die Exekution unterbleiben.
Findet der Richter zweiter Instanz, daß
1) der Schuldner die Appellation ohne allen rechtlichen Grund, blos aus Schikane
und zum Verschleif der Sache ergriffen, oder
2> daß Schuldner die Forderung des Gläubigers ohne allen Grund in Abrede ge
stellt, und nach §. 17t>, V. die Strafe des frevelhaften Läugncns verwirkt hat; —
so muß er ihn der Rcchtswohlthat des Indults für verlustig erklären, wenn er
auch sonst sich dazu eignen würde. «
Z) Ergibt sich, daß der Schuldner das Moratoriengesuch ohne Roth aus blosser
Schikane und zum Verschleif der Sache angebracht; so erfolgt ausser der Ab
weisung nach Umständen noch die Verurtheilung in eine namhafte Geldstrafe.
Schuldner muß dann auch dem Gläubiger für das erwachsene Interesse aufkommen.
In Betreff des Verfahrens und der Kosten in der Appellationsinstanz kom
men die allgem. Vorschriften Tit. 7, Absch. 4 zur Anwendung. — z. 26—35, I.
47 A. G. O.
VIII. Revision ist niemals zulässig; jedoch Nichtigkeitsbeschwerde gestattet. —
§, 26 a. a. O. §. 3 u. 4 der V. vom 14. December 1833.
' ') Daraus folgt, daß bei Kapitalien, die zu weniger als den gesetzlichen Zinsen aus
stehen, Gläubiger während der Jndultszeit die höheren Verzugszinsen verlangen
kann. « Dahin hat sich auch das Geh. Ob.-Ärib. in einem Urtel vom I. 1SI4
ausgesprochen. ' JaM 3/ S. 32!.
35"
S44
seine Gläubiger auf deren Prüfung und Instruktion nach Z. 355, V. antragen. —
z. 43, 44 a. „. O.
III. Der rechtskräftig zugesprochene Spezialindult wird wiederaufgehoben
t) wegen Säumniß in Zinsenzahlung. Zeigt Gläubiger diese an; so wird
Schuldner zu einem nahen Termin zur Verantwortung und zum Zahlungsnach
weis vorgeladen. Bleibt er ans, oder weist im Termin die Zahlung der bis
zum letzten Zinsentermin aufgelaufenen Zinsen durch Quittungen oder auf andre
vollkommen glaubhafte Weise nicht nach;>) so wird er durch blosse, mittelst
Rechtsmittel nicht anfechtbare Resolution des Indults für verlustig erklärt, und
auf ferneres Andringen des Gläubigers mit Exekution wider ihn verfahren.
2) Wegen verminderter Sicherheit. 2) Behauptet der Gläubiger, daß sich
in dem zu seiner Sicherheit angewiesenen Gegenstand eine solche Veränderung
zugetragen, daß ihm derselbe die vorhin vom Richter für hinlänglich erkannte
Deckung nicht mehr gewähren könne, und bescheinigt dies gehörig; so wird der
Schuldner in einem nahen, niemals zu verlegenden Termin darüber,
und über die etwa anderweit zu bestellende Sicherheit gehört; die Sache nebst
den dabei vorkommenden thatsächlichen Umständen gehörig auseinander gesetzt,
und demnächst darüber:
ob Schuldner des Indults für verlustig zu erklären, oder dabei zu
schützen sei?
erkannt. — Gegen dies Urtel steht rücksichtlich beider Theile die Appellation zu.
Doch hat sie, wenn der Schuldner appcllirt, nur Devolutiveffekt, und die Ver
handlung und das Erkenntmß zweiter Instanz sind vorzüglich zu beschleunigen.
Revision ist nicht gestattet. — Z. 39-42, I. 47 A. G. O.
II. Von Verhandlung des General-Moratorii.
Provokation und Verfügung darauf.
H. 357. I. Das Gesuch um Generalindult muß beim persönlichen Richter
des Provokanten, wie jede andre Klage, schriftlich oder mündlich zu Protokoll an
gebracht werden. — Zur Begründung der Provokation gehört:
1) der Nachweis des wirklichen Zahlungsvermögens des Provokan
ten, durch Beifügung eines genauen Vermögensverzeichnisses, in
welchem
s) sowol das Aktivvermögen unter näherer Hinweisung auf die den angegebenen
Werth der Grundstücke darthuenden Hypothekenschcine, Kaufbriefe und andre
Urkunden; mittelst spezieller Angabe der jährlichen Hebungen und Forderun
gen, der Beschaffenheit, Zahlbarkeit und Sicherheit derselben; und falls Pro
vokant Kaufmann ist, unter Angabe des aus den Büchern und Inventuren «)
nachzuweisenden Bestandes und Werths des Waarenlagers, als
d) die scimmtlichen Schulden genau verzeichnet sind. Schuldpostcn, welche Pro
vokant entweder gar nicht, oder doch nicht vollständig anerkennen will, müs
sen im Verzeichnisse dennoch vermerkt, jedoch muß das nicht Anerkannte vor
der Linie angefetzt, und nur das Uebrigc ausgeworfen werden. Erfolgt die
1) Daraus folgt, daß, wenn er im Termin an den Gläubiger noch Zahlung leistet,
und dieser Zahlung annimmt, der Indult erhalten wird. Denn dann ist Zah
lung nachgewiesen. Andrer Meinung ist Grävcl Komm. S. 31.
2) Daß jedoch diese Verminderung der Sicherheit nicht durch den Gläubiger selbst
verschuldbar herbeigeführt sein dürfe, ergeben die Z. 35, l. 3. §Z. 35 fg. I. 14.
A 12« fg. I. 2« A. L. R.
s) Mit Rücksicht auf Kiefen Ausdruck kommt es also auf den zeitigen Verkaufspreis
der Woaren an.
S45
Aufnahme dcr Provokation zu Protokoll; so muß der Deputirte de» Provo-
kanten zur vollständigen Angabe der Schulden besonders anmahnen, und be
deuten, daß er durch Verschweigen von Gläubigern nicht nur in Bezug auf
diese, sondern rücksichtlich aller Gläubiger des Indults verlustig gehe.')
2) Es gehört ferner dazu die Anführung der Ursachen und Umstände, welche de»
Provokanten verhindern, seinen Gläubigern sofort baare Zahlung zu leisten; und
3) die Beifügung von Vorschlägen: auf wie lange er Indult suche, und wie er in
der Zwischenzeit die Mittel, seine Gläubiger »ollständig befriedigen zu können,
zu erlangen gedenke. — K. 46—SS, l. 47 A. G. O.
kl. Die Provokation wird vom ordentlichen Dezernenten geprüft und vorge
tragen. Ist sie
1) offenbar unzulässig <§. 354, III.), so erfolgt sofortige Zurückweisung mit
telst Verfügung. Ist sie
2) nur unvollständig; fo darf sie vor gehöriger Vervollständigung nicht eingelei
tet, es muß daher diese angeordnet werden. Ist
3) gegen dieselbe Nichts Wesentliches zu erinnern; so wird die Einleitung
des Moratorienprozefscs verfügt. — §. 54, 5S a. a. O.
III. Tritt Letzteres ei»; so wird
1) Termin zur Beantwortung und Instruktion im ordentlichen Prozeß
verfahren (Tit. 6, Absch. 5) anberaumt und derselbe zwar so nahe, als möglich,
eingerückt, dabei jedoch darauf gcrücksichtigt, daß die Vorladung allen, auch den
entfernteren, Gläubigern, behändigt werden könne, und dieselben noch die zur
Vorbereitung nöthige Zeit gewinnen. — Zum Termin werden vorgeladen
s) der Schuldner, resp. Provokant, mit der Weisung, alle zur Unter
stützung seiner Vermögenssprzisikation dienenden Dokumente, Rechnungen,
Bücher, Schuldurkunden und andern Nachrichten mit zur Stelle zu bringen,
und unter der Warnung der Weglegung seiner Provokation;
b) die sämmtlichen im Schuldenverzcichnisse aufgeführten Gläubiger, unter Mit
theilung der Provokation und der nöthige» Beilagen, und mit dem Be
deuten:
daß gegen die im Termin nicht erscheinenden anzunehmen, daß sie in das,
Gesuch des Provokanten willigen.
Haben mehre der Gläubiger gleiches Interesse; so werden sie zugleich zur
Wahl eines gemeinschaftlichen Bevollmächtigten aufgefordert, und ihnen dazu
ein JustizkommissariuS, besonders ein solcher, welcher schon den Meisten oder
Betheiligsten der bekannten Gläubiger bedient war, vorgeschlagen.
c) Eine Ediktalladung der unbekannten Gläubiger erfolgt in der Regel nicht, da
diesen das etwa zu bewilligende Moratorium nicht entgegen steht. Nur,
wenn Provokant und die Gläubiger darin einig sind, kann Ediktalladung er
folgen. Dabei wird dann dreimonatlicher Termin angesetzt und das Verfah
ren des Z. 5ö beobachtet.
2) In Betreff der Zustellung der Vorladungen an die Gläubiger und Be
schaffung der Bescheinigungen gelten die Vorschriften z. 57—59. An
mehre an Einem Orte Wohnende kann die Vorladung mittelst Umlaufs erfol
gen. Erbietet sich ein Gemeinschuldncr, welcher Kaufmann ist, die Bchcindigung
') Bei Prüfung des Zahlungsvermögens werden Schulden, für welche der Schuld
ner nicht persönlich verhastet ist, die vielmehr nur aus dem dafür verpfändeten
Grundstück zu tilgen sind, nur in Bezug auf den Werth dieses Grundstücks be
rücksichtigt. Sind sie also grösser, als dieser Werth, so kommt der Mehrbetrag
nicht in Betracht. Dagegen wird der Werth der Grundstücke, von denen der
Bcsitztitel auf den Schuldner noch nicht berichtigt ist, in Bezug auf die darauf
haftenden Schulden und Lasten berücksichtigt.
54«
an die, an auswärtigen Handelsplätzen befindliche» Gläubiger selbst zu besorgen ;
so kann ihm dies mit dem Bedeuten überlassen werden: daß Gläubiger, denn
gehörige Borladung er im Termin nicht nachweist, für, das Moratorium nicht
bewilligend, erachtet werden sollten.
3) Die gegen den Gemeinschuldner schwebenden Prozesse, so wie neue
Klagen gehen ihren Gang ungehindert fort. Doch werden durch Einleitung des
Jndultgesuchs alle exekutivifche Verfügungen beseitigt. Es werden mithin alle
verfügte Exekutionen und Subhastationen ') sistirt, und es dürfen bis Austrag
der Sache keine Auspfändungen, keine gerichtlichen Sequestrationen oder Im
missionen gegen den Gemeinschuldner verfügt werden. Rur folgende Ansprüche
müssen sowol im Laufe der Instruktion, als nach bewilligtem Indult bei Ver
meidung der sonst zulässigen Exekution gewährt werden:
s) kurrente Imsen der Kapitalien und zweijährige Rückstände;
I>) versessene und fortlaufende öffentliche Abgaben und gemeine Lastenz
«) Ansprüche einer öffentlichen Kasse;
c>) laufende jährliche Renten, Zinsen, Kanons, und andre dergl. Jemanden gegen
den Schuldner, oder aus seinen Gütern zustehende jährliche Hebungen;
«) laufende Alimente;
f) laufende Mieth- und Pachtzinsen von Grundstücken, die Schuldner inne hat;
nebst dem Rückstände des Jahres, in welchem auf Indult angetragen ist,
nicht aber früherer Jahre;
ß) kurrentes Gesindelohn und Deputat; ingl. Erziehungs- und Unterrichtskosten
der Kinder des Gemeinschuldners, mit gleicher Bestimmung wie zu f;
K) Schulden, welche daher stammen, daß Schuldner anveptrautes Gut »erzehrt
hat, und es also in Natur nicht zurückgeben kann;
i) wechselmässige Schulden der Kaufleute, und derer, welche mit, ihnen gleiche
Wechselrechte haben. (Ck. A»m. 1. s, e, 6 S. 409.)
4) Der Gemeinschuldner bleibt in der Verwaltung seines Vermögens.-)
Er darf jeboch
s) bei Verlust des Moratorii Nichts vornehmen, was zur Befriedigung des einen
Gläubigers, oder zur Gewährung einer besseren Sicherheit für denselben, oder
zu irgend einer andern Begünstigung, zum Nachtheile der übrige», führen würde.
l>) Er darf bei gleichem Verlust weder seine Grundstücke veräussern, noch Kauf
gelder dafür einziehn, noch sein Mobiliarvermögen, es sei auf welche Art es
wolle, vermindern, noch ausstehende Forderungen einziehn; noch Schenkungen
machen, oder auf irgend eine Art den Betrag seiner Schulden vermehren.
c) Forderungen kann der Schuldner zwar ausklagen, und die Zinsen davon er
heben. Wenn aber die Kapitalien selbst in der Zwischenzeit zahlbar werden,
muß er sie entweder selbst zum Depositum zahlen, oder vom Schultmer un
mittelbar dahin zahlen lassen.
,1) Ist der Gemeinschuldner Kaufmann; so darf er bei Fortsetzung seines Han
dels sich in keine neuen Geschäfte und Unternehmung««, welche irgend mit
Gefahr verknüpft sein könnten, einlassen. Er muß sich lediglich auf Versil
berung seiner Lager einschränken, über die Lösung richtige Rechnung halten,
und den Bestand treu aufbewahren. Ein im ordentlichen und gewöhnlichen
Lauft des Handlungsverkehrs gegebener und genommener Kredit ist jedoch für
eine unerlaubte Veränderung des Vermögenszustandes nicht zu achten.
1) Vorausgesetzt, daß nicht schon ein Meistbietender ein unabwendbares Recht auf
Zuschlag erworben hat; da dann zugeschlagen werden muß.
2) Die unter 4 und 5 angeordneten Maasregeln deuten schon auf den Konkurs hin, wel
chem der Gemeinschuldnkr nur durch Frist entgehe» will.
S47
o) Erachtet der Gemeinschuldner eine nach b bis ll in der Regel ihm untersagte
Verfügung für nothwendig, oder sich und seinen Gläubigern zuträglich; so
muß auf seine desfalfige Anzeige das Gericht die Gläubiger, resp. deren Kom-
munmandatar zur Erklärung darüber auffordern. Sind g«) sämmtliche Gläu
biger mit dem Antrage einig; so wird ihm deftrirt; bl,) sind sämmtliche
dagegen, so wird er ohne Weiteres verworfen; «c) widersprechen nur einige
Gläubiger, so muß der Gemcinschuldner gegen diese auf rechtliche Erörterung
und Entscheidung nach der Vorschrift Nro, 5 K antragen.
5) Dagegen muß das Gericht ») von Amtswegen auf die Grundstücke des
Kcmeinschuldners, so wie bei den etwanigen hypothezirten For
derungen desselben eine Protestation gegen alle zum Nachthcil seiner
gestimmten Gläubiger gereichenden Verfügungen insHypothckenbuch vermerken lassen.
d) Erachten die Gläubiger es für bedenklich, dem Gcmeinschuldner die freie
Vermögensverwaltung bis zur völligen Entscheidung über das Jndultgesuch zu
überlassen; so können sie beim Gericht die Anordnung derjenigen Maasregeln
beantragen, welche zur Erhaltung des Vermögens des Gemeinschuldners und so
mit zu ihrer Sicherheit, so wie zur Vermeidung nachtheiliger Dispositionen ab
zielen, ohne jenen der Administration völlig zu entsetzen, und seine Ausrechthal-
tung, als die Absicht des Jndultgesuchs, zu vereiteln. — Geht ein solcher An«
trag ein; so muß das Gericht zur Verhandlung darüber und zur Regulirung
des Jnterimistizi die Gläubiger und den Gemcinschuldner zu einem nahen Ter
min vorladen, und eine Einigung deshalb herbeizuführen suchen. Kommt es
nicht zur Vereinigung; so setzt das Gericht das Interimistikum durch eine Re
solution fest, gegen welche Appellation nicht zulässig. Bei deren Bcschlußnahme
muß es besonders die obwaltenden Umstände erwägen: ob dem Gemeinschuldner
bei Bewirthschaftung des Guts ein Aufseher zur Seite zu stellen; ob die Wirth-
schaftsbeamten oder Pächter dahin zu vereiden: daß sie die Revenücn, nach Ab
zug einer billigen Alimentationssumme für den Schuldner und seine Familie, an
den Aufseher oder zur gerichtlichen Verwahrung abliefern; ob die ausstehenden
Forderungen mit Beschlag zu belegen; und zahlbare zum Depositum cinzu-
ziehn; ob das zum täglichen Gebraucb des Schuldners nicht nöthige Mobiliar
zur gerichtlichen Verwahrung zu nehmen; ob bei Handlungen ein Aufseher zu
bestellen, ohne dessen Wissen Schuldner keine wichtigen Verfügungen treffen könne,
dem er die Verkaufsrechnungen vorlegen, und die Losungen nach Abzug eines
verhältnißmässigen Alimentationsquantums für den Schuldner und Familie abge
ben müsse u. s. w. — Z. 56-75. §, »7 Anh. tz. 307, Z«Z, 309, 1. 47A.G.O.
Instruktion des Generalindults, Erkenntniß und Rechtsmittel.
K. 358. I. In dem nach z. 357, Ilk. Nro. 1 angesetzten Termine muß
4) der Gemeinschuldner die von ihm zur Begründung seines Vermögensverzeichnis-
ses beizubringenden Dokumente, Rechnungen, Bücher, Schuldurkun
den und dergl. den erschienenen Gläubigern zur Einsicht und näheren
Prüfung vorlegen, und ihnen von seinem Verhalten seit Anbringung des
Jndultgesuchs, sofern seitdem ihm die freie Verwaltung seines Vermögens über
lassen war, Rede und Antwort geben.
2> Hiernächst haben sich die Gläubiger über das Jndultgesuch zu erklä
ren. Der Jnstruent muß ihnen dabei über die Lage der Sache und die ob
waltenden Umstände die nöthigen Erläuterungen geben.
3) Der Jnstruent muß nach Möglichkeit eine gütliche Einigung herbcizu,
' führen suchen. Kommt s) ein Vergleich zu Stande; so muß derselbe mit
allen Bedingungen, und den während der Dauer des Indults zur Sicherheit
°. i'' , !d -"Ii,',, -', - ,d> . '-,.,'.,,!-
548
der Gläubiger etwa verabredeten Modalitäten zum Protokoll niedergeschrieben,
und dies von sämmtlichen Erschienenen «ollzogen werden; das Gericht hat aber
demnächst das zum Vollzug der gestellten Bedingungen und Modalitäten Erfor
derliche ungesäumt zu verfügen. I)) Widersprechen aber sämmtliche oder auch
nur Ein Gläubigerz so muß die Sache zur rechtlichen Entscheidung verhandelt
werden. Der Beschluß der Mehrzahl der Gläubiger entscheidet Nichts. Der
Umstand, daß der grössere Theil der erschienenen Gläubiger für Bewilligung des
Indults ist, kann vielmehr nur in sofern in Betracht kommen, als dies für die
Erhaltung des Schuldners spricht, und der Richter dadurch bewogen werden kann,
denselben beim Vorhandensein der gesetzlichen Erfordernisse leichter zur Rechts-
wohlthat des Indults zu verstatten.
Haben Gläubiger, welchen gleiches Interesse beim Prozesse zusteht, bisher sich
über einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten noch nicht «ereinigt; so muß Jn-
struent sie dazu zu vermögen suchen.
4) Bei Instruktion der Sache muß der Deputirte besonders die möglichste Auf
klärung der Frage im Auge haben:
ob der Gemeinschuldner durch Verstattung des gebetenen Indults, ohne
wesentlichen Nachtheil der Glaubiger, aufrecht und im Nahrungsstande
erhalten werden könne?
Dabei kommen die Vorschriften Z. 355, V. jedoch unter Beobachtung nachstehen
der näherer Bestimmungen zur Anwendung:
s) Kann beim Streit über den Werth eines den Gläubigern als Gegenstand der
Sicherheit mit vorgeschlagenen Grundstücks derselbe aus den vorge
legten Hypothekenscheinen, Pachtkontrakten, Wirthschaftsrechnungen :c. nicht
mit hinlänglicher Ueberzeugung entnommen werden; so steht den Gläubigern
frei, auf gerichtliche Abschätzung anzutragen. Auf diese muß daher
der Gemeinschuldner sogleich bei Einreichung des Moratoriengesuchs provozi-
ren, wenn er besorgt, daß die Gläubiger den von ihm angegebenen Werth
des Grundstücks nicht für bekannt annehmen, und er denselben auf andre
Art nicht sofort hinlänglich nachzuweisen vermögen werde. Die Abschätzung
ist dann dergestalt zu beschleunigen , daß die Taxe den Gläubigern im Kon-
vokationstermine vorgelegt werden könne.
b) Buch schulden eines Kaufmanns werden in soweit berücksichtigt, als
Sachverständige sie auf Grund der eingesehenen Bücher für richtig und gut
erklären. Privatforderungen andrer Gemeinschuldner können auch beim Ge-
neralmoratorio nur in so weit zur Sicherheit angewiesen werden, als die
Schuldner Sicherheit zu bestellen bereit sind.
c) Beim Kaufmann ist auch das Waarenlager Gegenstand der Sicherheit,
Doch muß die Richtigkeit, Qualität, Verkäuflichkeit und der Werth durch
Sachverständige geprüft und beurtheilt werden.
6) Von Mobilien dienen nur Juwelen, Pretiofen und andre dergl. Sa
chen von Werth und zwar dann zur Sicherheit, wenn sie durch
Verpfändung oder Deposition den Gläubigern wirkliche Deckung verfchaffen.
Die dem Gemeinschuldner zum Gebrauch und zur Verfügung bleibenden Mo
bilien verdienen keine Rücksicht.
e) bei Beurtheilung der Sicherheit müssen auch die nach §. 359, 1. während der
Jndultszeit zu leistenden Zahlungen vom bereitesten Vermögen in Abzug ge
bracht werden.
f) Ausser der Sicherheit für die Kapitalsforderungen muß der Gemeinschuldner
den Gläubigern auch für etwanige Deteriorationen während der
Jndultszeit, und für die laufenden Zinsen, besondre Kaution «der Bürg«
349
schast bestellen. Kann er dies nicht; so muß er sich in der Disposition über
sein Vermögen, während der Moratorienzeit, solche Einschränkungen gefallen
lassen, welche auf Deckung der Gläubiger wegen der laufenden Zinsen, und
auf Sichcistcllllng der Vermögenssubstanz gegen alle nachtheilige Verminde
rung abzielen, ohne ihn deshalb der Administration gänzlich zu entsetzen.
Den Vorschlag solcher Modalitäten, deren K. 357, III. 5 b einige bei
spielsweise bezeichnet sind, muß Jnstruent dem Gemeinschuldner und den Gläu
bigern abfordern; ihnen allenfalls von Amtswcgcn dergl. nach Lage der Sache
vorschlagen; und wenn Parteien sich darüber nicht einigen können, alle auf
nähere Bcurthcilung derselben und richterliche Entscheidung darüber Einfluß
übenden Umstände vollständig aufnehmen, und deutlich auseinandersetzen,
g) Hat Provokant gegen einen oder den andern Gläubiger bereits früher Spe-
zial-Jndult erlangt; so muß er, wenn dieser auf den Generalindult sich nicht
einläßt, entweder nachweisen, wie er denselben nach Ablauf des Spezialindults
ohne Nachtheil der übrigen Gläubiger werde befriedigen können, oder sich gc-
fallen lassen, daß ihm der Generalindult nur auf die Dauer des Spezialin
dults gegeben wird.')
5) Der Streit zwischen dem Schuldner und einem Gläubiger über die Rich
tigkeit oder den Betrag der Forderung des Letzteren darf, wenn sie sich
darüber nicht gütlich einigen, nicht mit der Instruktion des Moratoriengesuchs
vermengt, sondern der Gläubiger muß zur bcscndern Klage verwiesen werden.
Doch wird er, wenn dcr Grund seiner Forderung wenigstens einigcrmassen be
scheinigt ist, zur Verhandlung des Moratorienprozesses zugezogen. — 8, öS, 75—
83, 98, 99 a. a. O.
II. Die Spruchvorlegung erfclgt sofort nach beendigter Instruktion. De
duktionen sind nicht zuzulassen. — Im Urtel muß, wenn Prcvokant zum General»
indult für qualisizirt erachtet wird,
1) die Dauer des Indults ftstgestellt, dieselbe jedoch nicht auf länger als l, 2,
höchstens 3 Jahre, vom Tage des rechtskräftigen Urtcls gerechnet, zugestanden
werden; (<F. jedoch I. Nro. 4 g); ferner sind darin
2) die, zur Sicherstellung der Gläubiger, wegen Erhaltung der Masse und
richtiger Bezahlung der laufenden Zinsen, nach Maasgabc I. 4k etwa erfor
derlichen Modalitäten festzusetzen; und
3) ist über den Kostenpunkt nach Vorschrift g. 355, VI. Nro. 3 zu entscheiden.—
z. 83—85. §. 95 a. a. O.
III. Gegen das ergangene Urtel ist die Appellation sowol rücksichtlich des
Gemeinschuldncrs, als rücksichtlich sammtlicher, so wie auch einzelner Gläubiger ge
stattet. Das Verfahren für die Appellat.-Jnstanz wird nach den Vorschriften Tit. 7,
Abfch. 4 geregelt. Es ist jedoch, besonders, wenn der Gcmeinschuldner appellirt,
besondere Beschleunigung empfohlen.
Was die Wirkung des Rechtsmittels in Bezug auf die Vollstreckbarkeit des
Urtels betrifft; so hat,
1) wenn alle oder einzelne Gläubiger appellircn, das Rechtsmittel volle Wir
kung, so, daß bis zum zweiten Urtel Alles in der bisherigen Lage bleibt. Doch
können Appellanten, der Appellation ungeachtet, auf sofortigen Vollzug der im
ersten Urtels zu ihrer mehren Sicherheit etwa erkannten Modalitäten antragen.
2) Dagegen hat die Appellation des Gemcinschuldners stäts Devolutiveffekt.
') Gläubiger, gegen welche der Schuldner zwar Spczialindult »achgesucht, mit de«
nen er sich jedoch auf Terminalzahlung verglichen hatte, müssen sich auf die
Provokation des Gen.-Indults einlassen, und gilt in Bezug auf dieselben die
Bestimmung zu g nicht. — Res. vom IS. Oktober 1822. Jahrb. 2«, S. 279.
55»
Appellirt er demnach g) deshalb, weil zur Sicherheit der Gläubiger gewisse Mo
dalitäten festgesetzt worden; so muß er sich diesen während der zweiten Instanz,
mit Vorbehalt seines Rechts dagegen, unterwerfen. Appellirt er b) deshalb,
weil er mit dem Moratoriengesuch gänzlich abgewiesen ist; so werden die bisher
gehemmt gewesenen Erekutionen fortgesetzt. Nur die förmliche Konkurseröffnung,
der Erlaß der Ediktalien, der Verkauf des etwa ausgepfändeten Mobiliars und
der Zuschlag der subhaftirtcn Grundstücke, bleiben bis zum Eingang des Appella-
tionsurtcls ausgesetzt.
Gläubigern, deren Forderungen noch nicht zur Exekution stehen, und welche
daher Gefahr laufen, daß ihnen während der Appellation die Objekte der Be
friedigung durch die fortgesetzten Exekutionen entzogen würden, können bei der
Exekution sich als Jntervenienten melden und antragen, daß das beigetriebene
Geld bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Jndultgesuch oder Eröffnung
des Konkurses in gerichtlicher Verwahrung bleibe. ' ) — K. 86—93 a. a. O.
I V. Revision ist nicht, aber Nichtigkeitsbeschwerde gestattet. — z. 94 a. a. O.
h. 4 Verord. vom 14. Dccember 1833.
V. Ist der Gemeinschuldner mit dem Jndultgesuch rechtskräftig abgewiesen;
so können die Gläubiger auf Eröffnung des Konkurses antragen. 2) — Lf. Tit. ll—
Z. 96, I. 47 A. G. O.
Wirkung des Generalindults, und Wiederaufhebung desselben.
359. I Der rechtskräftig bewilligte Generalindult schützt den Gemein-
fchuldner gegen Exekutionen aus Geldfordcrungen, in Bezug auf alle die Gläu
biger, welche zur Verhandlung über das Moratorium gehörig mit vorgeladen wor
den sind. Doch können solche Gläubiger während der Jndultjahre dem Schuldner
Kapitale in soweit kündigen, daß sie mit oder nach Ablauf der Jndultzeit fällig
werden; auch die noch nicht liquiden Forderungen gegen ihn einklagen, und die Sache,
jedoch nur bis zur Exekution, fortsetzen. Haben Personen, welche nicht mit kauf
männischen Rechten versehen sind, auch kein bürgerliches Gewerbe im Grossen betrei
ben, auf den Indult verzichtet; so steht ihnen dies nicht entgegen.
Der Generalindult schützt jedoch nicht
1) gegen die im Z. 357, III. 3s bis i verzeichneten,«) auch während der Indults-
jähre zu leistenden Ansprüche.^) Der unter s das. erwähnte zweijährige Zin
senrückstand ist vom Tage des bewilligten oder zuerkannten Indults zurückzurechnen;
2> gegen die im ß. 354, III. gedachten Ansprüche, bezüglich welcher kein Indult
zulässig ist;
3) gegen Gläubiger, welche bei Verhandlung des Indults nicht gehörig mit vorge
laden sind;
>) Die Erekutionssuchcr erlangen durch die Exekution die fünfte Klasse in Bezug
auf die ercquirten Gegenstände. Die Intervention wird, wenn in der Folge
dennoch Konkurs ausbricht, daher nur in sofern dem Jntervenienten nützen,
als er ein besseres Recht hat, oder als durch die Zinsen der deponirten Gelder,
oder durch diese selbst seine Forderung ganz oder theilweise ebenfalls gedeckt wirb.
2) Doch versteht es sich von selbst, daß Insuffizienz da sein muß, wenn die Einlei
tung des Konkurses erfolgen soll.
») Gegen Gerichtskosten schützt der Gen.-Jndult nicht. Schuldner muß, wenn er
deshalb frei werden will, das Unvermögen zu deren Zahlung nachweisen. — Res.
«dm 14. April 184« I. M. B. S. 136. Das Res. vom 26. November ISN
sprach das Gegentheil aus. Jahrb. 36, S. 349.
Gegen Fiskus kann, da die diesem zu leistenden Zahlungen zur öffentlichen Kasse
' fliessen, zwar kein General-, wohl aber ein Spezial-Jndult geltend gemacht
«erden. — cr. Res. vom 4. November 1SS6. Gr äff, Koch zc. III. S.
551
4) gegen Gläubiger, gegen welche der Gemeinfchuldncr ein Spczialmoratorium er-
stritten hatte, sobald dies zu Ende geht;
5) in Bezug auf Pachtkautionen, die ein Pächter vom Gemeinfchuldncr, wegen Ab
laufs der Pachtzcit wahrend der Jndultjahrc, zurückzufordern hat;
6) gegen Schulden, welche der Gemeinschuldncr erst nach Instruktion des Morato-
rienprozcsses gemacht hat. — z. 97. 99— 1«4 a.a.O. — Ref. vom 2S.
Februar 180«. R a b e 9, S. 149. — Ref. vom 14. April 184« I. M. B. S. 1 36.
II. Der Generalindult hört 1. mit Ablauf der Jndultsjahre von selbst
auf. Zahlt dann Schuldner nicht; so können Gläubiger, deren Forderung rechts
kräftig oder durch Anerkenntniß feststeht, sofort, und ohne nochmalige Klage, Exe
kution suchen.
2. Durch den Tod des Schuldners ist der Indult beseitigt. Die Erben
müssen zahlen oder auf Eröffnung des erbschaftlichcn Liquidationsprozcsses antragen.
3. Bei Säumniß in Zinsenzahlung trit das Verfahren des S. 356, III.
Nro. 1 ein, und Schuldner wird, wcnn er Zahlung der Zinsen nicht nachweist, des
Indults durch Resolution für verlustig erklärt.
4. Eben so wird, wenn während der Jndultsjahre sich in der Vcrmögenssub-
stanz des Gcmeinschuldners solche Veränderungen zutragen, daß dieselbe die
ehehin für hinlänglich erkannte Sicherheit nicht mehr gewähren kann, gemäß ß. 356,
III. Nro. 2 verfahren, und nach dem Ergebniß der Verhandlung die fernere Fort
dauer oder Aufhebung des Indults durch Urtel ausgesprochen.
5. Erstreiten Gläubiger, welche vom Gemeinschuldner nicht angezeigt, und da
her bei Verhandlung des Jndultprozcsscs nicht zugezogen sind, gegen ihn Forde-
rungenz so begründet dies die Vermuthung, daß er seine Gläubiger und das Ge
richt zu hintergehen gesucht habe. Dieses muß daher, bald nach erlangter Kennt-
»iß, allenfalls bei Exekutionsvcrfügungen, davon dem Kommunmandatar Nachricht
geben, und dieser, nach Rücksprache mit den Gläubigern, wenn auch nur einer es
verlangt, darauf antragen, daß der Gcmemschuldner des noch laufendenJndults ver
lustig erklärt werde. Erhellet nun,
g) daß dem Gemeinfchuldner dergl. Schuldpost bekannt gewesen, oder nicht ohne fein
grobes Versehen unbekannt sein konnte; so wie, daß die Schuld von der Art
und Beträchtlichkeit ist, daß für die übrigen Gläubiger die nicht unwahrschein
liche Besorgniß der Unzureichcndheit der ihnen angewiesenen Sicherheit entstehen
kann; so wird ohne weiteres prozessualisches Verfahren der Verlust
des Indults durch blosse Resolution ausgesprochen,
d) Dies kann jedoch nicht sofort erfolgen, wenn das unter s Gesagte nicht
vorliegt, Schuldner jene Gläubiger weder vorsätzlich, noch aus grober Fahrlässig
keit verschwiegen hat, oder wenn er behauptet, daß dadurch die den andern Gläu
bigern angewiesene Sicherheit nicht geschmälert werde. In diesen Fällen findet
die Vorschrift unter Nro. 6d statt.
6. Werden gegen den Gemeinschuldncr im Laufe der Jndultsjahre Forderungen
erstritte», welche erst nach Verhandlung des Jndultsprozcsses entstanden sind,
und kommt es wegen derselben zur Exekution; so muß,
s) wenn Schuldner Kaufmann ist, dem Kommunmandatar vom Erekutionsgesuche,
vor deren Vollstreckung, von Amtswegen Kenntniß gegeben werden. Die Gläu
biger können dann von ihm den Ausweis fordern, daß er die neue Schuld zum
BeHufe des Handels kontrahirt habe, und daß durch dieselbe und deren Bezah
lung das Kapital seiner Handlung nicht geschwächt werde. Führt er diesen Nach
weis nicht; so können sie ans Rücknahme des Indults antragen.
t») Ist er kein Kaufmann, und weist Schuldner zur Bezahlung der neuen Schuld
ss) einen zu der, den alten Gläubigern zur Sicherheit angewiesenen Vermögens
552
substanz nicht gehörigen Gegenstand an ; so wird der neue Gläubiger hieraus be
friedigt. Fehlt aber bb) ein solcher Gegenstand, und der neue Gläubiger sucht
seine Befriedigung aus der, Jenen zur Sicherheit angewiesenen, Vermögenssub
stanz; so muß den älteren Gläubigern hiervon Nachricht gegeben werden, und
sie können, wenn durch den Hinzutrit dieser neuen Schulden die ihnen angewie
sene Sicherheit geschwächt wird, auf Entziehung des Indults; falls aber
gar Unzulänglichkeit der Masse eintrit, auf Eröffnung des Konkurses
antragen.
7. Fällt dem Gemeinschuldner während der Jndultszeit ein solches neues Ver
mögen z», daß er dadurch zur Bezahlung sämmtlicher Gläubiger auch früher be
fähigt wird; so können diese auch vor Ablauf der Jndultszeit ihre Befriedigung
nachsuchen. — §. 101—113. §. 116, I. 47 A. G. O. — Res. vom 13, Septem
ber IMS. Grövel Kr. Ges. S. 3S1.
III. Der Bürge kann sich in der Regel mit dem, dem Hauptschuldner er-
theilten Indult schützen. Dies kann er jedoch nicht,
1) wen» er die Bürgschaft in der Art übernommen hat, daß der Gläubiger mit
Uebergehung des Hauptschuldners ihn sofort in Anspruch nehmen kann;
2) wenn der Hauptschuldner durch richterliches Erkenntniß zu längerem, als ein
jährigem Indult verstattet worden ist.
Muß darnach der Bürge den Gläubiger bezahlen; so bleibt ihm zwar der Re
greß gegen den Hauptschuldner. Er muß sich aber wegen des dem Hauptschuld»«
gestatteten Indults eben das, was die übrigen Gläubiger desselben, gefallen lassen. —
K, 114, 115 a, a. O. — Z. 299, l. 14 A. G. O.
Neunzehnter Abschnitt.
Wom Verfahren bei der Güterabtretung. Cessio donurum.j
Begriff und Zweck derfelben, und Begründung der Provokation.
z. 36«. I. Die Rechtswohlthat der Guterabtretung, welcher im Voraus niemals
giltig entsagt werden kann, besteht darin, daß der von einem oder mehren
Gläubigern gedrängte Schuldner, welcher wegen Mangel nn hinreichendem Vermö
gen zum Indult sich nicht eignet, sein ganzes Vermögen seinen Gläubigern zu dem
Zwecke abtritt,') damit
s) diese daraus, so weit es reicht, nach der in der Konkursordnung bestimmten
Rcihefolge ihre Befriedigung erlangen, und damit
d) der Schuldner dadurch sich von Personalhaft befreie. — §. 1—3, 31, 46, l.
48 A. G. O.
II. Die Rechtswohlthat der Güterabtretung fetzt voraus:
1) daß der darauf provozirende Gemeinschuldner wirklich durch Unglücksfälle in
die gegenwärtige Abnahme seines Vermögens gerochen sei;
2) daß er den Gläubigern wirklich sein gesammtes Vermögen getreulich an
zeige und überlasse;
3) daß er sich durch sein übriges Betragen des Schutzes und der Wohlthaten des
Staats, so wie des Mitleidens seiner Gläubiger, nicht unwürdig mache. —
z. 4 a. a. O.
') Insuffizienz ist zur Güterabtretung nicht nöthig. Auch bei ausreichendem Ver
mögen kann die Abtretung erfolgen. Konkurs wird dann freilich nicht eröffnet
werden können. Die Befriedigung der Gläubiger wird vielmehr im Exekutions
wege geschehen, sosern gerichtliches Verfahren dabei eintreten muß.
553
III. Darauf können daher keinen Anspruch machen:
1) Schuldner, welche durch übermässigen, für sich selbst oder ihre Familie getriebe
nen Aufwand, durch offenbar unbesonnene und tollkühne Unternehmungen, oder
gar durch begangene Uebelthaten, sich ausser Zahlungsstand gesetzt haben;
2) diejenigen, welche von ihrem Vermögen etwas verheimlicht, oder auf die Seite
gebracht haben; oder welche durch Aufstellung erdichteter Gläubiger und durch
Kollision mit denselben ihren wirklichen Gläubigern die ihnen dem Scheine nach
zedirte Masse ganz oder zum Theil wieder zu entziehen suchen;
3) die, welche durch Scheinverträge übcr Grundstücke, denen darin ein höherer Preis
beigelegt ist. Andre verleitet haben, ihnen einen höheren Kredit zu bewilligen, so
wie die, welche an solchen simulirten Verträgen als Mittelspersonen auf irgend
eine Weise Theil nehmen;
4) die, welche in den mit ihren Gläubigern geführten Spezialprozessm der Strafe
des frevelhaften Läugncns nach g. 170, V. durch Erkenntniß schuldig befunden sind ;
5) diejenigen, welche sich den Ansprüchen der Gläubiger und der ihnen sowol, als
dem Staate, von ihrem Betragen zu gebenden Rechenschaft durch die Flucht ent
ziehen wollen; und
S) die, welche zu einer Zeit, wo ihnen der gänzliche Verfall ihrer Umstände schon
vollkommen bekannt gewesen, dennoch durch Kontrahirung neuer Schulden, durch
Veräußerung ihrer Güter, durch Begünstigung einzelner Gläubiger, oder andre
dergl. Verfügungen etwas zum Nachtheil ihrer gesummten Gläubiger, oder eini
ger davon, vorgenommen haben, gesetzt auch, daß dergl. Unternehmungen ohne
den beabsichtigten Erfolg geblieben sind.
Wenn jedoch ein im Grossen handelnder Kaufmann zur Wiederherstellung sei
ner Angelegenheiten sich in eine Unternehmung eingelassen hat, von welcher er
sich, nach dem Gutachten der Sachverständigen, einen glücklichen Erfolg vernünf
tiger Weise versprechen können, und diese Unternehmung ohne seine Schuld mis-
lingt; so soll dergl. Zufall wider ihn als ein Grund, ihm die Wohlthat der Ab
tretung zu versagen, nicht angeführt werden können. — §. 5—7 a. a. O. —
8- 4 Publ. vom 20. Februar 1802. Rabe Bd. 7, S. öS.
IV. Die Provokation auf Verstattung zur Guterabtretung muß beim per
sönlichen Richter des Provokanten, im Großherzogthum Posen aber
im Gerichtsstande gemäß der Bestimmung Z. 35, angebracht, und kann
schriftlich eingereicht, oder einem erbetenen Deputirten zu Protokoll gegeben werden.
Zur Begründung gehört
1) eine genaue und bestimmte Angabe der Unglücksfälle'), und des daraus entstande
nen Verlustes, welche zugleich einigermassen bescheinigt werden müssen;
2) die Beifügung eines richtigen und genauen Verzeichnisses sowol des Aktivvermö
gens, als fammtlicher Schulden; und
3) das Erbieten zur eidlichen Erhärtung dieses Verzeichnisses.
Nimmt ein Deputirter die Provokation auf; so muß er, wenn aus den Erzäh
lungen des Provokanten oder sonst sich ein Verdacht einer strafbaren Nachlässigkeit
oder Unbesonnenheit ergeben sollte, ihn darauf aufmerksam machen, und vernehmen:
wie und wodurch er den Verdacht von sich abzulehnen im Stande sei. Er muß ihn
ferner bedeuten, daß er das Vermögensverzeichniß werde beschwören müssen, und
daß eine wissentlich darin begangene Unrichtigkeit ihn der Rechtswohlthat verlustig
mache; um ihn dadurch zur Angabe der wahren Lage der Sache zu vermögen. —
'") Partialverluste, welche für sich allein die Insuffizienz nicht herbeigeführt haben,
sind zur Begründung der Güterabtretung nicht geeignet. — Res. vom 13. Ok
tober 1SS7. Grafs, Koch zc. III. S. 1010.
554
§. S-13, I. 4S A. G. O. — Ges. vom 16. Zun! 1334. — Ref. vom 3«. Juni
1835. Jahrb. 45, S. 42«.
V. Die Provokation kann gcgc» sclmmtliche Gläubiger eines Gemein-
schuldners oder auch nur gegen einen einzelnen ihn drangenden Gläubiger ge
richtet werden. Letzteres wird, z. B. bei einem Beamten, welcher wechstlfähig ist,
und von einem Wechsclgläubiger mit Personalhaft bedroht wird, eintreten können,
da andre Gläubiger des Beamten gegen ihn das RM zur Personalhast nicht er
reichen. — Das Verfahren ist in beiden Fällen dasselbe, nur mit der Modifikation,
welche sich daraus ergibt, daß Provokant im letzteren Falle es nur mit Einem Gläu
biger zu thun hat. — Z. 46, 47, I. 4« A. G. O. — Z. 6—10 B. vom 3. Mai
1304 N. E. C. XI. Nro. 16. Rabe 8, S. 45.
Verfügung und Verhandlung auf die Provokation; Erkenntnis
und Rechtsmittel,
z. 361. I. Die eingegangene oder zu Protokoll erklärte Provokation wird, wie
jede andre Klage, geprüft. Ist sie durch einen Juftizkoinmissar angebracht, so wer
den dabei zugleich dessen Manualakten eingesehn. Findet sich
^. in der Provokation ein Mangel hinsichtlich der gesetzlichen Erfordernisse;
so"wird sie durch blosse Verfügung sofort verworfen.
L. Ist sie gehörig und gemäß Z. 36«, IV. begründet; fo wird sie
1) sofort den am Orte befindlichen Gläubigern, so wie den nach Inhalt der Akten
mit Vollmacht versehenen Vertretern der Gläubiger vorläufig in Abschrift mit-
getheilt, und es steht denfelben frei, unverzüglich auf Beschlagnahme des ange
zeigten Vermögens, so wie auf förmliche Konkurseröffnung anzutragen.
2) Ferner werden sammtliche > ) bekannte Gläubiger zu einem möglichst nahen Ter
min zur Erklärung darüber, und zur Anbringung der Einwendungen unter der
Warnung vorgeladen:
daß gegen die Ausbleibenden angenommen werden soll, sie bewilligten dem
Gemeinschuldncr die gesuchte Rechtswohlthat.
3) Provokant wird zum Termine persönlich 2) »nd mit der Androhung vorgela
den, daß sonst sein Gesuch weggelegt wird.
' 4) Sobald ein begründetes Güterabtretungsgesuch eingegangen, dar/ eben so, wie
während der Verhandlung über dasselbe, gegen den Provokanten kein Persos
nalarrest verhängt werden. Den Wcchselglä'ubigrrn allein steht frei, ihn in
zwischen unter Observation setzen zu lassen. Aber auch diese muß aufgehoben
werden, wenn entweder der Schuldner für die Sicherheit seiner Person bis zum
Austrage der Sache eine annehmliche Kaution durch Bürgen ») sofort bestellt;
oder wenn der mchrste^) Theil der Gläubiger, welche sich zu den Akten schon
gemeldet haben, darauf anträgt, und der Gemeinschuldner eidliche Kaution
dahin leisten will, daß er vor Austrag der Sache sich nicht eiitferncn werde. —
Z. 11—17, I. 48 A. G. O.
,) Also nicht blos die unter 1 bezeichneten, sondern alle aus dem Verzeichniß sich
2) «gebenden. ,
Sein persönliches Erscheinen ist nöthig, weil er auf Erfordern das Vermögens-
, verzeichniß manifeftiren muß.
») Daß Schuldner auch mit Pfändern, die ein Dritter dazu hergibt, Kaution des
stellen kann, versteht sich wohl von selbst.
«) D. h. also die der Zahl nach meisten, nicht die den Ansprüchen nach bedeutend
sten. Dabei werden Wechsel- und 'andre Gläubiger zugleich /berücksichtigt.
uebtigenS wird die Frage: ob Schuldner gegen reelle oder eidliche Kaution der
Observation zu entlassen, nicht durch Erkenntniß, sondern durch Uosse Serfügung
entschieden. — Res. vom 24. Januar ISIS. Grciff, Koch ,c. III. S. 101«.
655
II. Im Termin muß der Schuldner den erschienenen Gläubigern alle in sei
nen Händen befindlichen Nachrichten über seinen Vermögcnszustand, und die Beweis
mittel seiner Unglücksfälle vorlegen, uud das Vermögensverzeichniß auf Erfordern
eidlich bestärken. Sodann, und wenn die Gläubiger die nöthigcn Informationen
eingezogen haben, muß ihnen der Jnstruent ihre Erklärung über das Zessionsgesuch
einzeln abfordern. Sind
1) alle erschienenen Gläubiger darin einig, daß der Gcmeinschuldncr zur Rcchtswohl-
that zu «erstatten; so muß das darüber aufgenommene Protokoll sofort zum
Spruch vorgelegt, und der Gcmeinschuldner durch Urtel, auf Grund dieses Ein
verständnisses, der Rechtswohltbat für gcnußbar erachtet werden.
2) Findet sich von Seiten auch nur Eines, oder mehrer Gläubiger ein Widerspruch;
so müssen sie zur bestimmten und näheren Angabe der Gründe dieses Wider
spruchs, welche nur aus dem behaupteten Mangel der gesetzlichen Erfordernisse
K. 360, II bis IV. hergenommen sein können, angchalten werden. Die dabei
vorkommenden Thatsachen sind dann gehörig auseinander, und so viel ohne Ver
anlassung grosser Weitläufigkeiten und Kosten geschehen kann, ins Licht zu setzen,
und die Sache zum Definitiverkcnntnisse ordnungsmäsfig, und ohne Zulassung
schriftlicher Deduktionen, einzuleiten. — §. 18—21 g. a. O.
III. Wird in dem hierauf ergehenden Erkenntnisse Provokant mit seinem
Gesuche abgewiesen; so erfolgt die Publikation des Urtels sofort gemäß §.183.
Wird aber Provokant auf Grund der Einwilligung der Gläubiger (II. Nro. I),
' , oder wegen nachgewiesener gesetzmässiger Erfordernisse zur Rechtswohlthat verstattet;
so wird I. das Urtel nur dann sofort publizirt, wenn die Gläubiger, der Insuffi
zienz ungeachtet, der Konkurseröffnung widersprechen, und diese auf einen solchen
Widerspruch nach Vorschrift des folgenden Titels unterbleiben muß.
2. In andern Fällen dagegen bleibt die Eröffnung des Urtels bis nach dem im
eröffneten Konkurse abzuhaltenden Konnotationstermine ausgesetzt, und wird erst ver
anlaßt, wenn nach dessen Abhaltung die darin sich meldenden und bei dem »ach l.
und II. stattgehabten Verfahren nicht zugezogenen Gläubiger in einem nahen Ter
min darüber sich erklärt haben: ob und was sie gegen die Provokation zu erinnern
«der beizusetzen sinden. — 22—2S, 27 a. a. O.
. IV. Gegen das erste Erkcnntniß ist sowol in Bezug auf den Schuldner, als
die Gläubiger, Appellation zulässig.') Dies Rechtsmittel hat jedoch stäts De
volutiveffekt, und zwar, , .
1) wenn die Gläubiger gegen die ausgesprochene Verstattung zur Rechtswohlthat
appelliren, mit der Wirkung, daß während der Verhandlung zweiter Instanz und
bis zum zweiten Erkenntnisse, mit Personalhaft und Aufsicht gegen den Gemein-
schuldncr nicht verfahren werden kann;
2) wenn der Schuldner appellirt, mit der Wirkung, daß dieser, in sofern er nicht
für seine Person unverzüglich besondre Kaution durch annehmliche Bürgen be
stellt, während der zweiten Instanz zur Personalhast gebracht werden kann. — >
z. 26-28, I. 48 A. G. O.
V. Revision ist niemals zulässig; Nichtigkeitsbeschwerde jedoch nicht
ausgeschlossen. — Z. 3 und 4 Ges. vom 14. December 1833 GS. S. 304 fg. ,
VI. Für die Instruktion können auf den Theil des Gemeinschuldners keine
Kosten angesetzt werden. Die auf den Theil der Gläubiger fallenden Kosten sind
aus der Masse zu nehmen, in sofern sie nicht durch den in der Folge ungcgründet
') Auch einzelne Gläubiger können appelliren, und dadurch wird für die andern
Gläubiger, da sie sämmtlich Litiskonsorten sind, das Rechtsmittel erhalten. <Ls.
§. 199, S. 3«Z).
556
befundenen Widerspruch einzelner Gläubiger verursacht worden, und also diesen zur
Last fallen. — z. 30, I. 48 A. G. O.
Wirkung der Guterabtretung und Wicderaufhebung der
Rechtswohlthat.
K. 362. I. Die Rechtswohlthat der Guterabtretung schützt
1) gegen Personal Haft') in Betreff aller vor Verstattung zur Rechtswohlthat
entstandenen Schulden, gleich viel, ob es Wechselschulden sind, oder nicht, und
ob sie im Konkurse ganz oder zum Theil ausfallen.
2) Sie gewährt dem Schuldner, wenn er wieder zu besseren Vermögensumständen
gelangt, und dadurch an und für sich zur Abzahlung der ausgefallenen Anforde
rungen verpflichtet wird, den früheren Gläubigern gegenüber besondre Vor
th eile. Verlangt nemlich ein solcher Gläubiger unter richterlicher Beihilfe Nach
zahlung, so muß er
s) dem Richter wenigstens wahrscheinliche Thatsachen darüber: daß der Schuld
ner zu besseren Vermögensumständen gekommen sei, vorlegen. Ist darnach
der Antrag begründet; so muß der Richter den Schuldner darüber hören,
von ihm, auf Erfordern des Gläubigers, die Vorlegung seines gegenwärti
gen Vermögenszustandes, oder doch den Manifestationseid dahin:
daß er sich nicht in den Umständen befinde, seinen Gläubigern die im
Konkurs eingebüßten Summen ganz oder zum Theil nachzahlen zu können,
fordern, und nach verhandelter Sache sowol über die Schuldigkeit, nachzu
zahlen, überhaupt, als über den Betrag mit Borbehalt der gewöhnlichen
Rechtsmittel (tz. 361, IV. und V.) erkennen.
d) Dabei muß jedoch dem Schuldner das im zwanzigsten Abschnitt näher zu er
wähnende Kompetenzquantum gelassen werden. Auch darf er
c) mit den geforderten Nachzahlungen nicht übereilt, sondern es sollen ihm bil
lige Terminalzahlungen gestattet werden.
g) Dergleichen Gläubiger können bei der Nachzahlung zunächst nur das früher
ausgefallene Kapital und die zur Zeit der Güterabtretung rückständigen Zin
sen fordern. Die seitdem von den Rückständen laufenden Zinsen können sie
nur in sofern beanspruchen, als nach Abzug sämmtlicher nachzuzahlenden Po
sten, und der dem Schuldner gebührenden Kompetenz, noch etwas dazu von
dem neu erworbenen Vermögen übrig bleibt.
e) Damit, daß Schuldner noch andre vorzüglich zu berücksichtigende Gläubiger
habe, kann er sich gegen diese Nachzahlung nicht schützen. Es bleibt diesen
überlassen, ihre Rechte selbst, allenfalls durch Intervention, wahrzunehmen.
Entsteht aber durch Andringen andrer Gläubiger oder durch eigne Jnsolvenz-
erklärung des Schuldners über sein neues Vermögen wieder Konkurs; so
müssen darin die alten und die neuen Gläubiger gesetzlich klassisizirt werden,
und es können jene blos um deshalb, weil sie im früheren Konkurs Ausfälle
erlitten haben, kein Vorzugsrecht vor den neuen Gläubigern verlangen. —
Z. 32, 37—44 a. a. O.
II. Gegen neue Schulden, die Provokant erst nach Abtretung der Güter
gemacht hat, kann er sich mit der erlangten Rechtswohlthat nicht schützen. Viel
mehr muß er gegen neue Gläubiger aufs Reue Güterabtretung nachsuchen, und den
Antrag besonders begründen. — Eben so steht in dem Falle, wenn der Schuldner
nur gegen einen einzelnen Gläubiger die Rechtswohlthat nachgesucht, und in Folge
') Der dieser Rechtswohlthat nicht theilhaftige Konkursistr wird durch Hingeben sei
nes Vermögens von der Personalhaft nicht frei, abgesehen von den Strafen,
die ihn treffen, wenn er sich eines strafbaren Bankeruts schuldig gemacht bat.
557
der Einwilligung des Letzter« erlangt hat, dieselbe andern Gläubigern nicht ent
gegen. Ist sie aber dem Schuldner auf Grund seiner Qualifikation zuer
kannt; so kommt sie ihm auch gegen andre Gläubiger zu Statten.
Haben Erben eines alten Gläubigers die Forderung gegen den Schuldner aus
geklagt, und hat dieser bei Instruktion auf die gegen den Erblasser erhaltene Zulas
sung zur Güterabtretung sich nicht bezogen; so kann er in der Exekutionsmstanz
nur in gleicher Art, wie vorstehend gegen die neuen Gläubiger, von einem solchen
Einwände Gebrauch machen. — z. 34-36, 48, 49 a. a. O.
III. Gegen den zur Güterabtretung Berstatteten kann auf Wiederaufhc«
bung der Rechtswohlthat angetragen werden,
t) falls er gegen die Gesammtheit der Gläubiger sie erlangt hat, wenn diese neue
Umstände darthun können, woraus ein unredliches Betragen des Schuldners ge
gen seine Gläubiger erhellet;
2) falls er nur gegen einen Einzelnen der RechtSwohlthat durch richterliche Entschei
dung theilhaftig geworden, wenn andre Gläubiger nachweisen können, daß entweder
die Umstände sich verändert haben, «der daß bei der vorigen Instruktion etwas,
auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Rechtswohlthat erheblichen Einfluß
Uebendes, vom Schuldner verschwiegen, oder vom Richter übersehen worden ist.
In beiden Fällen wird über den Antrag verhandelt, und unter Vorbehalt der
Rechtsmittel (Z. 361, IV, V.) erkannt. — §. 33, 48 a. a. L.
Zwanzigster Abschnitt.
»PN ««Handlung der Gläubiger und von der RechtSwohlthat
der Kompetenz.
I. Verfahren bei Behandlung der Gläubiger.
H. 363. I. Die Behandlung der Gläubiger hat zum Zweck, den Gläubigern
eines Gemeinfchuldners, über dessen Vermögen bereits der Konkurs eröffnet ist, oder
welches dem Konkurs zu verfallen droht, zur theilweisen «der völligen Befriedigung
auf gütlichem Wege und unter Beseitigung des Konkurses zu «erhelfen. — Ausser«
gerichtlich kann ein Schuldner seinen Gläubigern nach Belieben Behandlungssorschläge
thun, und sich darüber mit ihnen zu vereinigen suchen.
Auch auf gerichtlichem Wege kann das Schuldenwesen einer Person mittelst Be
handlung der Gläubiger regulirt werden, und zwar
entweder im Laufe des Konkurses; dann wird nach den im Titel 11,
Abschn. 5 näher zu erörternden Vorschriften «erfahren; oder
L. noch vor Eröffnung des Konkurses, und dann ist Folgendes zu be
rücksichtigen:
1) Macht der Schuldner zugleich bei Anbringung des Gesuchs um Zulassung zur
Rechtswohlthat der Güterabtretung den Gläubigern Vorschläge, wie sie leichter
und schneller zu dem angebotenen Theile der Befriedigung gelangcn können, und
wie daher dem Konkurse vorzubeugen ; und der Deputirte findet, daß der Schuld
ner wirklich durch Unglücksfälle, und ohne sein Verschulden, in die mißliche Lage
gerathen sei, auch daß die gethanen Vorschläge weder übertrieben, noch sonst un
billig sind; so muß er sich alle Mühe geben, die Gläubiger zur Annahme dieser
Vorschläge zu vermögen. Doch findet gegen die Gläubiger kein Zwang statt ; vielmehr
darf, wenn auch nur Einer derselben die Vorschläge ablehnt, die Konkurseröffnung,
in sofern sonst nicht Hindernisse entgegen stehen, nicht aufgehalten werden.
2) Werden dergleichen Vorschläge von einem Dritten, der sich des Schuldners an
nimmt, noch vor dem Konkurse gemacht, und sind
858
s) sämmtliche Gläubiger über die Annahme derselben einig; so hat cs dabei le
diglich sein Bewenden, und der Richter ist mit der Konkurseröffnung von
Amtswegen zu verfahren nicht berechtigt,
b) Widersprechen aber mehre, oder auch nur Einer der Gläubiger; so muß «s)
in der Regel der Konkurs eröffnet, und die widersprechenden Gläubiger kön
nen zur Einlassung auf die Bchandlungsvorschläge nicht eher angehalten, noch
das Verfahren öder ihre Verbindlichkeit zum Beitrit eher eröffnet werde»,
als bis im Konkurse das Präklusionsurtcl ergangen, und dadurch susgemit-
telt ist, welch« und wie viele Gläubiger eigentlich zur Masse gehören, bb)
Gehört jedoch der Gemeinschuldner unter die Klasse derer, welche ausser dem
Orte, oder der Provinz, in welcher sie wohnen, keinen Verkehr zu treiben
pflegen; und ist also kein Grund zur Vermuthung vorhanden, daß er ausser
den bekannten Gläubigern noch andre habe, die erst durch Ediktalladung her-
bcigebracht werden könnten; und erbietet sich über dies der Gemelnfthuldner
zur eidlichen Erhärtung dessen, daß er alle seine Gläubiger richtig angezeigt
habe; so muß ausnahmsweise beim Widerspruch einzelner Gläubiger das förm
liche Konkursverfahren ausgesetzt werden, und es sind nur wegen Beschlag
nahme und Sicherung der vorhandenen Aktivmasse die nöthigen Verfügungen
zu treffen. Wegen Einleitung des Verfahrens über die Behandlungsvor-
schlöge, und über die Verbindlichkeit der widersprechenden Gläubiger, den Ein
willigenden beizutreten, kommen demnächst die im folgenden Titel Absch. 5
in dieser Hinsicht gegebenen Vorschriften zur Anwendung. — Werden die
Widersprechenden zum Beitrit rechtskräftig verurtheilt; so hat es bei dem
Inhalt des Vergleichs sein Bewenden, und es wird wegen Aufhebung des
Beschlags der Masse und sonst überall das Erforderliche Nach dem Inhalte
desselben verfügt. Werden aber die Behandlungsvorschlägc verworfen ; so muß
in eben dem Urtel, worin dies geschieht, zugleich die Eröffnung des Konkur
ses erkannt werden. — §. 1—l2, l. 49 A. G. O.
II. In allen Fällen, in denen ein bevorstehender Konkurs durch Vergleich, cs
sei gerichtlich oder aüssergerichtlich, beigelegt wird, muß der Gemeinschuldner, wenn
er später zu bessern Vermögensumständen gelangt, seinen Gläubigern die von ihnen
ihm erlassenen Summen nachzahlen 356, 1.) in sofern nicht das Gegcntheil aus
drücklich verabredet worden ist. — S. 13 a. a. O.
II. Verfahren bei Aussetzung der Kompetenz,
z. 364. Kompetenz werden diejenigen Mittel genannt, welche alle oder gewisse
Gläubiger im Falle des Konkurses oder bei Vollzug von Exekutionen dem Schuld
ner zu seinem künftigen Bedarf und Unterhalt gesetzlich zurücklassen müssen.
^. Zunächst sind alle Gläubiger verpflichtet, dem Schuldner das für ihn, seinen
Ehegatten und die bei ihnen lebenden Kinder nöthige Bettwerk frei zu lassen.
L. Sodann haben gewisse Gläubiger in Rücksicht auf das besondre zwischen
ihnen und dem Gemeinschuldner obwaltende Verhältniß die Pflicht, diesem, sofern
er sich zur Rechtswohlthat der Güterabtretung qualifizirt, aus dem
«uf sie kommenden Theile des Vermögens desselben als Kompetenz das zur noth-
Zmrftigen Kost, Wohnung, Kleidung und Geräthfchaft für ihn und seine Familie
Nöthige zu lassen, und der Gemeinschuldner kann gegen sie auf Gewährung dieser
Rechtswohlthat antragen.')
I. Die Personen, welchen eine solche Pflicht (S) obliegt, sind folgende?
") Der Antrag auf Gewährung der Kompetenz ist noch in der Erekutionsinfianz zu
lässig. Konkurseröffnung ist nicht grade nöthig. Auch im Erekutionsverfahrcn
kann das Kompetenzquantum ermittelt, und darnach die «nkniiön inedifizirt
werden. — L5 Res. vom S. Januar 1SS9 I. M. B. S. SS.
569
1) Verwandte in auf- und absteigender Linie u»tercina»der, worunter also
Stiefaltern und Stiefkinder nicht gehören;
2) Schwiegcrkinder gegen SchwicgerSltern in Ansehung der versprochenen Mitgäbe;
3) voll- und halbbürtige Geschwister unter einander;
4) Eheleute unter einander wegen des vor oder wahrend der Ehe schuldig Ge
wordenen, die Ehe mag noch bestehen, oder getrennt sein. Dagegen steht die
Kompetenz nicht zu s) wegen der nach aufgehobener Ehe kontrahirten Schulden;
und d) dem im Schcidungsurtel für schuldig Erklärten gegen dm unschuldigen
Jheil. Sind beide Theile für schuldig erklärt; so bleiben sie sich zur Kompe
tenz verpflichtet;
5) Handlung «genossen unter einander in Bezug auf Forderungen aus der Sozietät;
6) der, welcher aus einer giltigen Schenkung etwas zu fordern hat;')
7) Gläubiger, welche den gegen sie zur Guterabtretung bereit« ein Mal Zugelassenen
bei seinen besseren Vermögensumständen wegen des früheren Ausfalls in
Anspruch nehmen;
8) in gleicher Art Gläubiger, welche im Konkurse des Bürgen ihre Forderungen,
obwol sie damals schon wirklich vorhanden waren, nicht liquidirt haben, und
später den Bürgen in Anspruch nehmen;
9) ferner auch die, welche als Erben, Zession arien, oder auf andre Art an
die Stelle der unter 1 bis 8 Genannten getreten find. Ferner muß
10) einem verarmte» Kirchenpatron, wenn kein andrer Alimentationsverpflich-
teter vorhanden, aus den Kircheneinkünften, sofern diese die Unterhaltungs
kosten der Kirche und ihrer Anstalten übersteigen, Kompetenz gewährt werden.
11) PrSkludirte Erben müssen dem bisherigen redlichen Besitzer der Erbschaft,
der sie ««äussert hat, beim Anspruch auf Ersatz derselben Kompetenz lassen.
12) Der Beschenkte muß dem in Dürftigkeit gerathenen Geschenkgebcr sechs vom
Hundert von der geschenkten Summe oder dem Werths der geschenkten Sache
als Kompetenz jährlich gewähren.
13) Derjenige, welcher von einem Wahn- oder Blödsinnigen, oder einem Kinde be
schädigt ist, und von ihm Ersatz fordert, muß demselben jedenfalls den nöthigen
Unterhalt, und Kindern auch die Mittel zu einer standcsmässigcn Erziehung, las-
sm. — j. 14—17, I. 49 A, G. O. — Cab.-Ord. vom 13. Oktober 1«43 GS.
S. 336. — Z.389, I. 14. K. 595-597, II. 11. §. 494—499, I. 9. §. 112S,
I. 11. §. 41—43, I. 6 «. L. R.
II. Doch sind auch die unter II. Rro. 1—9, 11 u. 12 bezeichneten Personen
von Bewilligung der Kompetenz befreit, wenn
s) der Schuldner noch Kräfte, Mittel und Gelegenheit hat, sich auf eine feinem
Stande gemässe Art seinen Unterhalt selbst zu erwerben; oder
I>) wenn e« dem Gläubiger, fall« er dem Schuldner etwaö zur Kompetenz aussetze»
müßte; am nöthigen Unterhalt selbst gebrechen würde; oder
c) wenn der Schuldner gegen einen solchen Glaubiger der Rechtswohlthat der Kom
petenz ausdrücklich entsagt hat. — §. 17, I. 49 A. G. O.
III. Bei Aussetzung dieser Kompetenz im Konkurse kommt folgen
des Verfahren zur Amvendung:
1) Ist Streit zwischen dem Schuldner und Gläubiger über die Pflicht zur Aus
setzung der Kompetenz selbst, oder über deren Höhe; so müssen beide Theile mit
ihren Gründen und Anführungen zum Protokoll gehört, und sodann rechtlich dar
über erkannt , auch, wenn die Befugniß an sich klar ist, das Quantum, in ss
fern « nicht gesetzlich lxstimmt ist (I. Nro. 12), mit billiger Rücksicht auf den
') Hier ist von dem noch nicht verabfolgten, Nro. 12 aber von dem bcrcits gegebe
nen Geschenk die Rede. 9«
560
Stand, das Alter, und die Familie des Schuldners auf das eigne Bedürfniß
des Gläubigers, und auf den Betrag dessen, was derselbe aus der Masse davon»
tragen wird, vom Richter ermessen werden.
2) Gegen dergl. Erkenntniß stehen beiden Theilen die gewöhnlichen Rechtsmittel, je
doch nur mit Devolutiveffekt, offen.
3) Das gütlich oder rechtlich ausgemittelte Kompetenzquantum muß beim Vorhan
densein mehrer beitragspflichtigen Gläubiger auf das, was ein Jeder von ihnen
aus dem Konkurse zu empfangen hat, verhältnismässig verthcilt, und von deren
Hebungen ein solches Kapital zurückbehalten werden, als erforderlich ist, um von
dessen Zinsen dem Gemeinschuldner das gebührende Kompetenzquantum zu verschaffen.
Daraus folgt, daß bei Bestimmung der Kompetenz schon feststehen muß: ob,
und mit wie viel der dazu Verpflichtete zur Hebung bei der Masse gelangen
wird. Die Gläubiger brauchen sich daher mit dem Schuldner erst dann in ein
Verfahren über die Kompetenz einzulassen, wenn wenigstens im Allgemeinen zu
übersehen ist, daß die Masse bis auf sie hinreiche. — z. 18—21 a. a. O.
IV. Hört die Kompetenz auf; so fällt das nach III. Nro. 3 zurückbe
haltene Kapital an die Gläubiger nach Verhältniß ihres Beitrags zurück.
Dieselbe kann aber aufhören, 1) durch den Tod des Gemeinschuldners;
2) dadurch, daß er in eine solche Lage kommt, wo er derselben zu seinem Unter
halte ganz oder zum Theil nicht mehr benöthigt ist;
3) wenn er im Falle des Z. 362, III. Nro. 1 der erlangten Rechtswohlthat der
Güterabtretung wieder verlustig erklärt wird;
4) wenn der Gläubiger, welcher die Kompetenz hat aussetzen müssen, nach der Hand
selbst in einen solchen Verfall seiner Umstände geräth, daß er der ausgesetzten
Summe zu seinem eignen Unterhalt benöthigt ist. Erlangt in diesem Falle von
mehren Gläubigern der eine seinen Theil verabfolgt; so muß von den übrigen
mitverpflichteten Gläubigern der dadurch in der Kompetenz entstehende Ausfall
in sofern übertragen werden, als das Kompetenzquantum, vom Anfange an, nach
dem wirklichen Bedürfnisse des Schuldners bestimmt, und nicht etwa darum,
weil mehre Gläubiger dazu beigetragen hatten, reichlicher ausgemessen worden ist.
Ueber die Frage: ob die Kompetenz aufzuheben sei? muß den Parteien, auf
Verlangen, rechtliches Gehör im ordentlichen Wege des Prozesses gestattet wer
den. — Z. 22—26 a. a. O.
c. Den im Z. 29« Nro. 15—17 (S. 434 fg.) genannten Beamten, Pen-
sionairen und Militairpersonen müssen die daselbst als nicht arrestfähig be
zeichneten Gehälter und Pensionen i ) jederzeit frei bleiben, («f. die Alleg. das.)
v. Auch andre Personen, welchen eine Prcibende, oder gewisse jähr
liche Hebungen und Einkünfte,?) die an ihre Lebenszeit gebunden sind, zu
steht, können von Gläubigern, welche diese Revenüen zu ihrer Befriedigung wählen,
die Aussetzung einer Kompetenz aus denselben verlangen, vorausgesetzt jedoch, daß
der Schuldner kein anderweites Vermögen besitzt, und nach seinem Alter, Geschlecht,
Stande und übrigen Verhältnissen sich fein Brod nicht auf andre Art verdienen kann.
Hat demnach der Schuldner eine Besoldung oder Pension, welche gemäß l) ganz oder
theilweise ihm bleiben muß, so kann er nicht noch ausserdem die Aussetzung einer
Kompetenz fordern. — Solche kann aber namentlich auch beanspruchen eine Wittwe,
welche aus ihrer Ehestiftung Leibgedinge, Witthum oder Alimente zu fordern
') Jnvalidengnadengehalt und Wartegeld gehört ebenfalls dahin. Es beträgt unter
200 Thlr. Es kann daher nur wegen laufenden Alimenten bis auf die Hälfte
gekürzt werden. — l^s. Res. vom 9. Februar 1839 I. M. B. S. 83.
561
hat. Ferner kann ei» Vasall, dessen Lehngut in Sequestration geräth,
je nachdem die Schulden von ihm selbst gemacht, oder von seinen Borbesitzern auf
ihn übergegangen sind, auf den vierten od^r dritten Theil der LehnScinkünfte An
spruch machen.
Darauf, ob der Schuldner sich zur Rechtswohlthat der Güterabtretung quali-
sijirt habe, oder nicht, kommt es bei dieser Kompetenz (zu v) nicht an, da der Be
willigung derselben das eigne Interesse der Gläubiger») zum Grunde liegt.
Die Kompetenz zu L und 0 muß auf Ansuchen des Gcmeinschuldners sogleich
nach eröffnetem Konkurse 2) zwischen ihm und dem Kurator der Masse rcgulirt wer
de», und die Gläubiger müssen sich diese Regulirung gefallen lassen.
Entsteht Streit über die Höhe der Kompetenz; so muß zuförderst der Betrag
von den Einkünften des Amts (einschließlich der, allenfalls nach einem mehrjährigen
Durchschnitt vom Schuldner eidlich anzugebenden Emolumentc oder Akzidenzien), in-
glcichcn von der Präbendc, oder andern jährlichen Hebungen, so genau, als es nach
den Umständen der Sache, ohne grosse Weitläufigkeiten und Kosten zu verursachen,
möglich ist, ausgcmittelt, und sodann nach Vorschrift III. Nro. 1 u. 2 weiter ver
fahren werden.
Steht das Kompetenzquantum fest, so muß das Gericht dafür sorgen, daß die
Kasse, der Administrator, oder Empfänger, welcher das Gehalt oder die jährliche
Hebung zu entrichten hat, davon benachrichtigt, und mit der gehörigen Anweisung
versehen werde. — §. 27-34 a. a. O. — Z. 35« fg. I. 18 A. L. R.
Elfter Titel.
«SM «o»kurs< und vom «rbschaftlichen »iquidariAnsprozeß.
Begriffsbestimmungen.
tz. 365. Konkurs ist vorhanden, wenn das gesammte Vermögen eines Schuld
ners, welcher seinen Gläubigern nicht mehr vollständige Befriedigung leisten kann,
auf das Andringen derselben in gerichtlichen Beschlag genommen wird, um daraus,
so weit es hinreicht, diese Forderungen nach der in den Gesetzen bestimmten Ord
nung zu befriedigen.
Erbschaftlicher Liquidationsprozcß wird dagegen dasjenige vom Benc-
sizialerben beantragte Verfahren genannt, mittelst dessen derselbe alle, welche an den
ihm zugefallenen Nachlaß Anspruch haben, zu dem Ende vorladen läßt, daß die
Richtigkeit und der Betrag ihrer Forderungen ausgcmittelt, und zugleich die Ord
nung festgesetzt werde, in welcher sie aus dem Nachlasse, wenn derselbe zu ihnr voll
ständigen Befriedigung nicht hinreichend wäre, bezahlt werden sollen.
Konkurs fetzt mithin immer Unvermögen zur Deckung sämmtlicher Gläubiger,
und deren Andringen voraus, gleichviel übrigens, ob das Unvermögen einen noch
lebenden Schuldner, oder den Nachlaß eines bereits Verstorbenen betrifft, in sofern
hier die Erben nur nicht unbedingte Eiben ->) sind. — Beim erbschaftlichen Liqui-
>) Da das längere Leben und somit die Aussicht aus Bifeudigung des Gläubigers
dadurch gesicherter wird.
2) Liegt kein Konkurs vor, so wird die Regulirung des Kompetenzbetrages zwischen
dem Schuldner und dem andringenden Gläubiger allein vorgenommen. — Lt. Res.
vom 23. December 1842 I. M. B. 1843 S. 11.
-«) Sind die Erben nicht Benefizialerbcn, so kann nur Konkurs über ihr eignes
Vermögen, von welchem die Erbschaft einen Theil bildet, und in Folge des Se
parationsrechts gesondert werden kann, entstehen.
562
dationsprozcsse dagegen ist die Masse stäts eine Nachlaßmaffe, die nach dem Inven
tar entweder suffizient ist, oder deren Insuffizienz doch nicht klar vorliegt; auch dür
fen die Erben hier nicht unbedingte Erben sein. — §. 1—S, 1. 5«. Z. 53, l. 51 A. G. O.
I. Vom Konkurse. )
Erster Abschnitt.
Bon der Einleitung und der Wirkung des Konkurses.
Fälle der Konkurseröffnung,
z. 366. I. In Fällen, in welchen das Unvermögen eines Schuldners klar
und notorisch ist, muß der Richter den Konkurs auf Antrag auch nur Eines
Gläubigers, und dann, wenn der Gemeinfchuldner als Kaufmann >) oder Gc-
werbtreibender mit auswärtigen Gläubigern ausserhalb seines gewöhnlichen Wohnorts
wahrscheinlich in Verbindung gestanden hat, selbst von Amtswegen eröffnen. —
Klar Und notorisch aber ist das Unvermögen:
1) wenn der Schuldner sein Unvermögen selbst anzeigt, sich zur Abtretung seiner Güter
an seine Gläubiger erbietet, und die Verstattung zu dieser Rechtswohltyat bean
tragt. Die scheinbare Suffizienz im Inventar des den Gläubigern abgetretenen
Vermögens schließt die Konkurseröffnung, wenn die sonstigen Erfordernisse vor
handen sind, nicht aus. Vielmehr kommt es »»f den wahren Werth der darin
ausgeführten Gegenstände, und darauf an, ob der Eigenthümer im Stande ist,
feine sämmtlichen Gläubiger zu befriedigen; . ^ -
2) wenn der hinterlassene Erbe eines Gemeinschuldners der Erbschaft entsagt, diese
Entsagung nicht ausdrücklich zu Gunsten des auf ihn folgenden Erben ge
schieht, und auch kein Ehegatte des Verstorbenen im Besitze des Nachlasses bleibt. Z)
Ist ein Benesizialerbe, oder der überlebende Ehegatte im Besitze des Nachlasse«;
so kann die Konkurseröffnung niemals von Amtswegen eröffnet, vielmehr muß
immer der Antrag des Erben, Ehegatten, oder eines oder mehrer Gläubiger ab
gewartet werden. Hat jedoch der Erbe und der Ehegatte der Erbschaft entsagt;
so muß, wenn dieser dessen ungeachtet den Besitz des Nachlasses fortsetzt, der
Richter ein Verzeichniß desselben, und die Angabe der Noch unbefriedigten Gläu
biger erfordern. Letztere vorladen, und mit ihnen die Vertheilung des Nachlasses,
und besonders die Einziehung der etwa dazu gehörigen Forderungen rcgulircn;
3) wenn die Erben eines verstorbenen Schuldners ihrer Existenz oder ihrem Auf
enthalte nach unbekannt sind, und aus dem vom Nachlaßkurator aufgenommenen
>) Einen Massenkurator kann der Richter in solchen Fällen nicht sofort ernennen,
fondern er muß deshalb Antrage abwarten. — Ref. vom 20. April 1816.
Jahrb. 7, S. 185.
2) Es versteht sich von selbst, daß dies nur Beispiele sind. Ein fernerer dergl.
Umstand würde auch vorliegen, wenn Schuldner seinen Gläubigern ausscrgericht-
lich im Wege der Behandlung theilweise Befriedigung angeboten hätte.
564
Gläubigern behauptete Vermögensunzulänglichkcit für zugestanden geachtet, und
mit Eröffnung des Konkurses in covlumaeism würde verfahren werden.
Haben die Gläubiger ihre Behauptung mit sehr dringenden Gründen und
Vermuthungen unterstützt: so muß dem Provokaten in der Vorladung zugleich
anbefohlen werden, zum Termin ein richtiges Vermögensverzeichniß, so wie er
es werde beschwören können, nebst den zu dessen Begründung hinter ihm befind
lichen Urkunden, mit zur Stelle zu bringen, und dadurch die Zulänglichkeit sei
nes Vermögens auszuweisen.
3) Auch kann auf ein nach Vorschrift I. gehörig begründetes Gesuch, auf Ver
langen der Provokanten, zugleich der offene Arrest erlassen, und
auf die im Absch. 3 vorgeschriebene Art bekannt gemacht werden. — Doch ist,
wenn in solchem Falle später die Provokanten mit ihrem Gesuche rechtskräftig
abgewiesen werden, auf ihre Kosten dieser Arrest durch öffentliche Bekanntma
chungen wieder aufzuheben. — §. 13, 18. §. 21 a. a. O.
III. Erscheint 1) der Schuldner im Termine nicht, so wird, wie gewöhn
lich, ein Kontumazialbescheid abgefaßt, und der Konkurs dadurch, der ergangenen
Warnung gemäß, in L«ntum»c!sm eröffnet. >) — Bei Prüfung der geschehenen
Vorladung wird für gnügend erachtet, wenn die Borladung in der gewöhnlichen
Wchausung des Provokaten nach Vorschrift Z. 57, II. Nro. 2 und 3 behändigt worden.
2) Provozirt der Gemeinfchuldner im Termine auf das Moratorium;
so wird die Sache nach Vorschrift des 1«ten Titels 18ten Absch. (Z. 354 fg.) ge
hörig eingeleitet.
3) Erbietet er sich zur Abtretung des Vermögens; so bedarf es keiner wei
ter» Erörterung ; der Termin wird aufgehoben, und der Konkurs durch Verfügung eröffnet.
K 4) Widerspricht aber der Schuldner im Termin dem Antrage; so muß
er darüber, was er zur Widerlegung der Gründe und zum Ausweise der Zuläng
lichkeit seines Vermögens anzuführen hat, vernommen; die von beiden Seiten an
geführten Umstände der Sache müssen gehörig auseinander, und in ihr möglichstes
Licht gesetzt, und in dieser Weise die Frage: ob Konkurs zu eröffnen sei? zum De
finitiverkenntnisse ordnungsmössig, jedoch ohne Zulassung schriftlicher Deduktionen,
instruirt werden. — Z. 14—18 a. a. O.
IV. Gegen dies Erkenntniß steht beiden Theilen die Appellation mit «ol
ler Wirkung zu. Revision ist niemals zulässig. Jedoch findet die Nichtig
keitsbeschwerde statt. — Z. 19 a.a.O. — z. 3, 4 des Ges. vom 14. Dccbr.lM.
V. Während der Verhandlungen über die von den Gläubigern ange
tragene, und vom Schuldner widersprochen« Konkurseröffnung, bleibt den Erster«
unbenommen, in Ansehung ihrer liquiden, oder gar rechtskräftigen Forderungen für
die Sicherheit derselben durch spezielle Arrestschläge, oder Eintragung von Protesta
tionen auf die Grundstücke des Schuldners, oder Nachsuchung andrer dergl. Verfü
gungen, welche die Verbringung oder Verdunkelung der Masse zu verhüten abzielen,
Sorge zu tragen. 2) — Z. 2«, I. 5« A. G. O.
Vom Gerichtsstande des Konkurses und der SpezialProzesse.
§. 36 . I. Die Eröffnung und Leitung des Konkurses; die Untersuchung und
das Erkenntniß über die Forderungen sämmtlicher Gläubiger; die Obsorge für die
Ausmittelung und Herbeibringung der Aktivmassc; und die Vertheilung derselben
unter die Gläubiger, nach der gesetzmässigen Ordnung, gebührt
i) Die Rechtsmittel der Restitution und der Appellation sind hier nicht ausgeschlos
sen; sie müssen daher als zulässig erachtet werden.
Erekiitionsvollstreckungen selbst können sie nicht nachsuchen, da hierdurch andre
Gläubiger gefährdet würden.
565
demjenigen Richter, unter welchem der Gcmeinschuldner
seinen ordentlichen persönlichen Gerichtsstand hat.
Dies gilt auch in Betreff der Militoirpersonm.
Im Großhcrzogthum Posen treten jedoch in Betreff des Gerichtsstandes für
Konkurse ebenfalls die im §. 35 (S. 69 fg.) vorgeschriebenen Modifikationen ein.
Hatte der Gemeinschuldner unter zweierlei Gerichten einen festen
Wohnsitz; so gehört der Konkurs
1) dann, wenn eins derselben ein Ober-, das andre aber ein Untergericht ist, vor
das Obergerichtj uud
2) dann, wenn beide Ober- oder beide Untergcrichte sind, gebührt er vermöge der
Prävention dem von beiden, welches zuerst mit Eröffnung verfahren ist. — Z. 25,
26 a. a. O. Anh. §. 12 zu K. 48, I. 2 A. G. O.
II. Der Konkurs hat demnach zur Folge, daß mit dessen Eröffnung alle ge
gen den Gemeinschuldner beim^Konkurs - oder bei einem andern Richter
schon schwebenden Sp ezialprozesse sofort fistirt, und zum Konkurse
«erwiesen, so wie, daß alle an die Konkursmasse zu machenden An,
sprüche vor dem Konkursrichter erörtert werde» müssen. Ausnahmen
sind folgende:
1) Spezialprozesse, welche zur Zeit der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuld
ner in den höheren Instanzen schweben, werden nicht sistirtz sondern sie
müssen Behufs Feststellung der Richtigkeit des streitigen Anspruchs in der Lage,
in welcher sie sich befinden, in den höheren Instanzen fortgesetzt werden.
2) Prozesse, welche vor ein Spezialforum gehören (K. 33), werden in Ansehung
der Richtigkeit des Anspruchs in jedem Falle, sie mögen bei Eröffnung des Kon
kurses bereits anhängig sein, oder erst nachher entstehen, vor dem Spezialge:
richtsstande geführt und entschieden. — Doch muß der, welcher aus einem sol
chen speziellen Prozesse an den Gemeinschuldner etwas fordert, eben so, wie im
Falle zu t der Kläger, bei Konkursen sich melden, und seinen Anspruch zur ge
hörigen Klasse liquidiren. Hier wird dann auch der Ort, wo er aus der Masse
seine Befriedigung zu erwarten hat, erörtert, und im Klassifikationsurtel festgesetzt.
In beiden Fällen zu 1 und 2 wird jedoch, — vorausgesetzt, daß der des-
falsige Prozeß Vermögensrechte betrifft,') — nicht mehr der Gemeinschuldner,
sondern der Kontradiktor im Namen der Gläubiger zugezogen.
3) Auch Wechselprozesse können nach der Konkurseröffnung fortgesetzt, und neue
eingeleitet werden, in sofern der^Gemeinschuldner nicht zur Rechtswohlthat der
Güterabtretung »erstattet ist (Tit. 1«. Absch. l9. H. 360 fg.).
4) Die Sub Hastation der. dem Gemeinschuldner gehörenden unbeweglichen Sa
chen erfolgt immer beim Richter der Sache. Ist sie bei Eröffnung des Konkur
ses schon eingeleitet, so wird sie ungehindert fortgefetzt. — Bei Landgütern darf
jedoch der Termin zur Belegung und Vertheilung der Kaufgelder erst dann an-
^ beraumt werden, wenn im Konkurse der Liquidationstermin abgehalten, und der
Subhaftationsrichter davon benachrichtigt worden ist: ob sich in diesem Ter
min Kassen oder Anstalten wegen solcher Abgaben und öffentlicher und Gemein-
dclasten und Beiträge, oder Gläubiger mit solchen Lohn- und Soldansprüchen
gemeldet haben, welche den eingetragenen Gläubigern vorgehen.
5) Pfand- und Hupothckengläubiger sind von Einlassung auf den Konkurs
dann, wenn sie sich nur an das Pfand halten können oder wollen, frei, und sie
können den Konkurskurator, vom Konkurse getrennt, belangen. Sie erhalten
") Ist dies nicht der Fall, wie z. B. cei Ehescheidungsprozessen z so wird der Ge
meinschuldner ferner zugezogen.
566
demnächst auch ihre Befriedigung aus dem Pfände, resp. den Kaufgeldcm des
verpfändeten Grundstücks, abgesondert vom Konkurse. Wollen sie jedoch, bei
nicht vollständiger Befriedigung aus dem Pfände, oder den Kaufgeldern, Zah
lung aus der übrigen Masse suchen; so müssen sie sich deshalb im Konkurse
melden, und liquidiren. Sie sind dann, wie jeder andre Liquidant zuzuziehn.
6) In Betreff der Berg- und Schiffsgläubiger wird im Abschn. 7 und
7) hinsichtlich der inländischen Ansprüche an Auslander im Abschn. 6 die Rede sei». —
Z. 27-32, Anh. §. 318, 319, I. SO A. G. O. — Bcrord. vom 2«. Pecember
184« GS. 1841 S. 4 fg.
Vom Zeitpunkte der Konkurseröffnung und von der Einleitungs-
verfügung.
8. 369. t. Die Zeit des eröffneten Konkurses wird auf die Mittagsstunde des
jenigen Tages bestimmt, an welchem die Verfügung oder das Urtel, wodurch der
Konkurs ausgesprochen wird, den Interessenten eröffnet worden ist. >) Dies gilt
auch in dem Falle, wenn ein erbfchaftlichcr Liquidationsprozeß später in Konkurs
umgewandelt wird, hinsichtlich des die Umwandlung aussprechenden Dekrets oder Uttels.
Ist von dem auf Konkurseröffnung lautenden Urtel appellirt, und dies in
zweiter Instanz bestätigt; so gilt dennoch der Eröffnungstag des erste» Uttels.
22—24, I. S« R. G. O.
Sogleich bei Eröffnung des Konkurses müssen zugleich von Amtswegen
1) gemäß der Bestimmungen des dritten Abschnitts die nöthigsten Verfügungen ge
troffen, durch welche die Masse für die Gläubiger in sichern Beschlag genommen,
und dem Gemeinschuldner jede Verfügung sowol über die Substanz, als über
die Nutzungen derselben, verschränkt werde; und
2) die Gläubiger, welche sich schon gemeldet haben, und persönlich zugegen, oder
mit, am Orte sich aufhaltenden, Bevollmächtigten versehen sind, zu einem na
hen Termin Behufs Wahl eines Jntcrimskurators und Kontradiktors vorgela
den werden. Endlich
3) ist gemäß der Vorschriften des vierten Abfchn. Termin zur Anmeldung der An
sprüche (Konnotationstermin) zu verfügen. — §. «4, 98, 194, I. ö« A. G. O.
III. Bei Konkurseröffnung über das Vermögen Lebender muß der Dezernent
auch prüfen, und im Kollegio darüber Bortrag halten: ob Gründe zur Eröff
nung der Untersuchung wegen Bankeruts vorhanden sind. Wiesolches ge-
schehen, ist zu den Akten zu verzeichnen. Anh. §. 313 a. a. O.
Wirkung der Konkurseröffnung s) in Bezug auf die vor eröffne
tem Konkurse vom Gemeinschuldner getroffenen Verfügungen;
§. 370. Verfügungen, welche der Gcmeinschuldner vor eröffnetem Konkurse ge
troffen, und vollzogen hat, bleiben
I. dann, wenn derselbe zur Seit der Verfügung noch nicht über seine Kräfte
verschuldet war, in der Regel giltig. Ausnahmsweise können jedoch Gläubi
ger, deren Forderung älter, als die an zu fechtende Verfüg ung ist, 1) die
binnen Einem Jahre vor der Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner gemach
ten, auf blosser Freigebigkeit beruhenden-) Schenkungen in so weit widerrufen, als
>) Jetzt, wo die Publikation nicht mehr in früherer Art stattfindet, wäre die ge
nauere Bestimmung dieses Tages im Wege der Gesetzgebung wünschcnswetth.
Die meisten Gerichte nehmen bei Eröffnung des Konkurses durch Verfügung den
Tag dieser Verfügung als den maasgebmden an, indem die Publikation fingirt
wird. Dies läßt sich auch vollkommen rechtfertigen.
2) Zum Unterschiede von den belohnenden Schenkungen.
6«7
die geschenkte Sache sich zur Zeit des Widerrufs noch im Vermögen oder Nachlasse
des Geschenknehmers oder der Erben befindet, oder als dieselben durch den daraus
gelösten Werth noch wirklich reicher sind.
2. Gleiches gilt in Betreff der Schenkungen, welche der Gemcinschuldncr seinem
Ehegatten in den letzten drei Jahren vor Eröffnung des Konkurses ge
macht hat.
3. Oben bezeichnete Gläubiger können ferner, ohne zum Nachweise der zur Zeit
der Vertragsabschliessung schon vorhandenen Insolvenz des Gemeinschuldners ver
pflichtet zu sein, auch Kauf-, Tausch- und andre lästige Verträge anfechten, welche
der Gemeinfchuldncr über ihm gehörige bewegliche oder unbewegliche Sachen, Ge
rechtigkeiten, Niesbrauchsrcchte oder ausstehende Forderungen mit seinem Ehe
gatten, innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Konkurseröffnung, (gleich viel ob
vor oder nach geschlossener Ehe), oder mit einem seiner oder seines noch le
benden oder bereits verstorbenen Ehegatten, Verwandten in auf-
oder absteigender Linie innerhalb eines Jahres vor eröffnetem Konkurse er
richtet hat. Dabei steht den Gläubigern die Vermuthung zur Seite, daß die Kon
trahenten den Vertrag in der unredlichen Absicht, die Gläubiger des Schuldners zu
bevortheilen, geschlossen haben. Findet der Richter bei Erwägung aller vorliegen
den Umstände diese Vermuthung durch Gegenbeweis nicht entkräftet, so ist das Ge
schäft in Beziehung auf die anfechtenden älteren Gläubiger unverbindlich, und diese
sind berechtigt, den Gegenstand der Veräusserung zu ihrer Befriedigung zur Kon
kursmasse zu ziehen.
In Bezug auf Gläubiger, deren Forderungen vor der Konkurseröffnung be
reits unter Exekution standen, oder doch bereits eingeklagt waren, läuft diese drei»
und resp. einjährige Frist zu 1 bis 3 sogar von der Zeit zurück, wo das Exekutions
mandat erging, in Folge dessen bei der Exekution gegen de» Schuldner sich Vermö
gensunzulänglichkeit ergab; oder wo dem Erwerber die Behändigung der gerichtli
chen Bekanntmachung dessen geschah, daß ein gegen den Schuldner klagender Gläu
biger desselben Vcrmögcnsunzulänglichkeit bescheinigt habe, und die den Erwerber
begünstigende Verfügung des Schuldners künftig zu widerrufen oder anzufechten ge
denke. Vermögensunzulänglichkeit aber ist in jedem der drei folgenden Fälle an
zunehmen :
s) wenn bei der Auspfändung keine Erckutionsgegenstände vorgefunden worden, der
Schuldner auch auf Befragen solche Gegenstände nicht sofort nachweist, und der
Gläubiger den Manifestationseid fordert, dieser m«g geleistet oder verweigert werden ;
Ii) wenn schon früher eine Exekution gegen die Person, oder in das Vermögen de«
Schuldners fruchtlos gewesen;
c) wenn der Schuldner in einem zum Ausweis über die Lage seines Vermögens
anberaumten Termine, zu welchem er unter Androhung der Annahme seiner In
solvenz vorgeladen worden, ungehorsam ausbleibt. — ß. 49 a. a. O. — K. 1129 fg.
1165 fg. I. 11. 5. 312 fg. und Anh. §. 74, II. 1 A. L. R. §. 1—7 und 11,
13. Gef. vom 26. April 1835 GS. S. S3.
II. Geschah die Verfügung zu einer Seit, wo der Schuldner erweislich
bereits insolvent war; so ist sie,
1) in sofern sie zu Gunsten und zwar zur besseren Sicherstellung oder
Befriedigung eines Gläubigers vorgenommen worden, in der Regel
gilt ig, und dies selbst dann, wenn zur Zeit der Verfügung auf Konkurs be
reits angetragen war, und die Frage: ob dessen Eröffnung statt finde? verhan
delt wurde. Nur
g) wenn nach Maasgabe ß. 367, II. Nro. 3 schon während der Verhandlung
über diese Frage der offene Arrest erlassen worden, kann auch «in Gläubiger
568
des Gemeinschuldners, zu dessen Wissenschaft diese Verfügung gelangt ist, oder
der seine Wissenschaft davon eidlich abzulehnen nicht vermag, mit dem Gc-
mcinschuldncr zum Nachtheile der übrigen Gläubiger keine giltige Verfügun
gen treffen. Eben so kann der Schuldner über Grundstücke, in deren Hy
pothekenbuch nach tz. 367, V. eine Protcstation eingetragen worden, keine dm
andern Gläubigern nachtheiligc Verfügung zu Gunsten eines Gläubigers
vornehmen.
b) Auch mit dem Nachweise dessen, daß ein vor eröffnetem Konkurse vom Ge-
meinschuldncr befriedigter Gläubiger mehr erhalten habe, als er wirklich zu
fordern hatte, müssen die übrigen Gläubiger rechtlich gehört werden. Diesen
liegt jedoch der Beweis ob, da auch in diesem Falle die Vcrmutbung nicht
für zu viele Zahlung spricht.
Rechtskräftige vor der Konkurseröffnung zwischen dem Gemeinschuldner und
einem Gläubiger ergangene Erkenntnisse können von den andern Gläubigem
oder dem Kontradiktor, unter dem Vorwande neuer Einwendungen, nur in
dem Falle als nichtig angefochten werden, wenn der Gemeinschuldner ent
weder selbst nach den Gesetzen dazu berechtigt gewesen wäre, oder wenn er
sich erweislich betrüglicher Kollusionen mit dem Gläubiger, zu dessen Gun
sten das Urtel ergangen ist, schuldig gemacht hat.
Hat Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung einem Gläubiger etwas an Zah
lungsstatt gegeben, und ist dieses zur Zeit der Konkurseröffnung noch beim
Empfänger in Natur vorhanden; so können die übrigen Gläubiger darauf
antragen, daß er die an Zahlungsstatt erhaltene Sache gegen seine vollstän
dige Befriedigung an Kapital, Zinsen und Kosten zur Masse zurückgebe.
2) Vollzog der bereits über die Kräfte Verschuldete nicht mit einem Gläubiger, son
dern mit einem Dritten ein Geschäft; so ist dies,
g) falls es einen lästigen Vertrag, z. B. Kauf, Tausch und dergl. betrifft, «)
dann in der Regel giltig, wenn der dritte Kontrahent die Insolvenz des Ge-
mcinschuldners nicht kannte. Doch können Gläubiger, deren Forderung älter,
als der anzufechtende Vertrag ist, einen zwischen dem Gemeinschuldner und
seinen unter I. Nro. 3 genannten Verwandten >) innerhalb dreier Jahre vor
der Konkurseröffnung oder vor dem unter I. Nro. 3 gedachten Zeitpunkte
geschlossenen Vertrag stäts anfechten, wenn sie nachweisen, daß Gemeinfchuld-
ner beim Vertragsabschluß bereits insolvent war. Dabei kommt ihnen die
daselbst erwähnte Vermuthung zu Statten.
KK) Hat der Kontrahent aber die Insolvenz gewußt; so ist dergl. Ge
schäft in Ansehung der Gläubiger ungiltig, und diese können vom Kontra
henten, und sogar von einem dritten Erwerber, die an ihn gegebenen, zcdir-
ten, oder sonst veräusserten Sachen zurückverlangen. Der Mitkontrahent,
so wie der unredliche dritte Erwerber, müssen auch die inzwischen gezogenen
Nutzungen herausgeben, können aber Alles aus dem Geschäft zur Masse Ge
flossene, in sofern der Nutzen noch theilweise oder ganz in der Masse erweis
lich vorhanden, erstattet verlangen. Dem redlichen dritten Erwerber einer
solchen Sache, und ingleichen dem, welcher auf den Glauben des Hupothe-
kenbuchs sich in gerichtliche Verhandlungen über dieselbe redlicher Weise em-
'° - gelassen hat, bleiben aber seine Rechte vorbehalten. >)
>) Auf Seitenverwandte können diese Bestimmungen nicht ausgedehnt werde».
2) Diese Vorschriften (unter bl>) finden auch dann Anwendung, wenn die Insol
venz des Gemeinschuldners durch den mit ihm geschlossenen Vertrag entstanden
ist, und der fremde Kontrahent diese Wirkung des Vertrages gewußt hat. ^
Plen.-Besch. des Geh.-Ob,-Trib. vom 12. Juni 1843 I. M. B. S. 22«.
569
Ob der fremde Kontrahent um die Insolvenz des Gemeinschuldners ge-
wüßt habe, oder nicht, muß der Richter aus dem Hergange des Geschäfts
selbst, und den dabei obwaltenden, vorhergehenden, begleitenden oder nachfol
genden Umständen, z. B. aus dein offenbar unverhältnißmässigen Preise u.
s. w. beurtheilen.
IZ) Lag der Verfügung eine auf blosser Freigebigkeit beruhende Schenkung zum
Grunde, so kann diese von Gläubigern, deren Forderung älter als die Schen
kung ist, mittelst Nachweises der Insolvenz des Gemeinschuldners zur Zeit
der Freigebigkeit, nicht allein in den unter I. Nro. 1 u. 2 erwähnten Fäl
len, sondern jederzeit, wenn sie innerhalb dreier Jahre vor der Konkurseröff
nung gemacht ist, widerrufen, und das Geschenkte vom Geschenknehmer oder
dessen Erben zur Masse zurückgefordert werden.
Den hiernach widerruflichen Schenkungen ist in diesem Sinne gleich zu
achten, ss) wenn Gemeinschuldner innerhalb der gedachten Frist zum Besten
seiner Verwandten, Mit- oder nachgesetzten Erben, dem Anfall einer Erb
schaft, oder einem Vermächtnisse cntsagr hat; so wie,
tib) wenn er zum Ankaufe von Präbcnden oder Bedienungen für seine
Kinder oder Andre Verwendungen gethan, oder für sie Chargengebühren,
Stempel- oder Rekognitionsgelder entrichtet hat.
Das zum Zwecke der Ausstattung oder zum Brautschatz für die Kinder
oder auch für Fremde Gegebene hat jedoch nicht die Natur der Schenkung,
sondern eines lästigen Vertrages. — §. 43—57, I. 5« A. G. O. — §. 1046 fg.
1129—1133, I. 11 «. «. R. §. 4, S, 7, 13 Ges. vom 26. April 1835.
III. Es versteht sich von selbst, daß Pfand- und Hypothekenrechte, welcher auf
einer vom Gcmeinschuidner an einen Dritten rechtsverbindlich veräusserte» Sache
haften, durch die Veräusserung nicht verändert werden j und daß, wenn der Erwer
ber in den Fällen unter I. und II. sich den Widerruf freiwillig nicht gefallen läßt,
im Wege des Prozesses darüber verhandelt und erkannt werden muß. — Z. 58,
59, I. 5« A. G. O.
d) in Ansehung der nach eröffnetem Konkurse vom Gemeinschuldner
getroffenen Verfügungen;
§. 371. Der Gemeinschuldner verliert vom Tage des eröffneten
Konkurses an jede Befugniß, über sein gegenwärtiges Vermögen
ferner zu verfügen. Daraus folgt
l. daß alle nachher von ihm über fein in Beschlag genommenes Vermögen ge
troffenen Verfügungen, als z. B. Veräusserungen, Geldzahlungen und Erhebungen,
Quittungen, Schuldurkundcn, Einräumung von Sicherheit u. dgl. gänzlich null, un
kräftig und von keiner rechtlichen Wirkung sind.') Nur,
1) wenn aus dem vom Gemeinschuldner vorgenommenen Geschäfte etwas zur Masse
geflossen, und diese dadurch reicher geworden ist, muß sie dem andern Kontra
henten auf Höhe dieses Vortheils in gleicher Art, als wenn die Masse mit ihm
kontrahirt hätte, gerecht werden, da sie sich sonst mit dem Schaden des Drittm
bereichern würde. Wenn ferner
2) Gemeinschuldner an mehren Orten Vermögen besitzt, und an einem derselben, aus
serhalb des Sitzes des Konkursgerichts, ein von jenem vorgesetzter Disponent
oder andrer Generalbevollmächtigter vor der wirklichen Beschlagnahme dieses TheilS
>, des Vermögens in Ansehung desselben ein Geschäft vornimmt; fo soll die Giltig-
') Auch Rechtsmittel in Prozessen, welche die Masse betreffen, kann er nicht mehr
kinwenden. — Res. vom 1«. Juli 180S. Rabe 8, S. 32S.
57«
Zeit dieser Handlung eben so beurtheilt werden, als wenn sie vor der Konkurs«
cröffnung vorgenommen wäre.
S) Tilgt Jemand, der an den Gemeinschuldner etwas schuldet, nach der Konkurs
eröffnung, jedoch vor der ersten öffentlichen Bekanntmachung des offenen Arre
stes, seine Schuld dadurch, daß er an den Gemeinschuldncr baar zahlt, oder an
Zahlungsftatt wirklich etwas gibt; so ist diese Tilgung rcchtsgiltig. Gleiches gilt,
menn die Zahlung zwar nach der öffentlichen Bekanntmachung des offenen Ar
restes geleistet ist, der zahlende Schuldner aber der Kcnntniß hinsichts der Kon
kurseröffnung nicht öberfuhrt werden kann. Doch steht in diesem Falle den
Gläubigern der Masse frei, vom Zahler die eidliche Bestärkung dessen: daß ihm
die erfolgte Konkurseröffnung zur Zeit der Zahlung nicht bekannt gewesen sei,
zu fordern.
Die, nach der ihm geschehenen Bekanntmachung der Konkurseröffnung oder
nach BehSndigung eines besondern Zahlungsvcrbots, an den Gemeinschuldner ge
schehene Zahlung kann der Zahlende gegen die Masse nicht einwenden. — Über
haupt reicht bei einer, nach eröffnetem Konkurse an den Gemeinschuldner gesche
henen, Zahlung, dessen Quittung oder Empfangsbekcnntniß zum Nachweise der
Zahlung, niemals hin. Diese muß vielmehr auf andre Art dargethan werden.
4) Sind Verträge vor eröffnetem Konkurse mit dem Gemeinschuldner geschlossen;
und es entsteht um deshalb, weil der Zeitpunkt ihrer Erfüllung erst nach Kon
kurseröffnung eintritt, Zweifel: in wie fern dann noch Erfüllung von der Masse
gefordert werden kann, oder ihr geleistet werden muß; so ist die Sache nach den
gesetzlichen Vorschriften von Erfüllung der Verträge überhaupt, und in wie fern
die Verbindlichkeit dazu durch die Unmöglichkeit, oder durch veränderte Umstände
aufschoben werde, zu bcurtheilen. Dabei ist, wenn aus der Konkurseröffnung
eine Unmöglichkeit entsteht, zum Besten der Gläubiger anzunehmen, daß dieselbe m
Ansehung ihrer die Folge eines unabwendbaren Zufalls sei. Falls aber die Erfül
lung vom andern Kontrahenten wegen veränderter Umstände nicht geleistet werden
darf, sind die rechtlichen Folgen davon darnach zu bestimmen, daß diese Verän
derung sich in der Person des Gemeinschuldners zugetragen hat.
Wenn also der Gemeinschuldner noch vor eröffnetem Konkurse einem aus
wärtigen Korrespondenten Order, auf ihn zu trossiren, gegeben hat; so sind die
Gläubiger den nach Konkurseröffnung präsentirten Wechsel anzunehmen nicht
schuldig. — Wenn Gemeinschuldner Jemandem auf seinen eigenen Schuldner An
weisung gegeben hat, und dieselbe vor der Konkurseröffnung nicht wirklich be
zahlt ist; so bleibt die angewiesene Summe der Masse, wenn auch die Anwei
sung vom Assignaten bereits akzeptirt worden wäre. Ist jedoch der akzeptirende
Assignat Ausländerz so wird seine Aahlungsverbindlichkeit aus der Akzeptation,
und sein Recht, diese Zahlung der Konkursmasse des Assignanten entgegen zu
setzen, lediglich nach den Gesetzen seines Wohnorts beurtheilt. — tz. 34—40 a. a. O.
U. Aus obiger Regel folgt ferner, daß Gemeinschuldner nach eröffnetem Kon-
«Ktrse keiner Erbschaft und keinem Rechte,') welche ihm angefallen, wider
>den Willen der Gläubiger entsagen darf. War die Erbschaft
t) vor eröffnetem Konkurse ihm angefallen; so wächst sie der Masse zu, jedoch mit
Vorbehalt des den ErbschaftsglSubigern zukommenden Absonderungrechts.
'2) Ereignet sich der Anfall erst nach Konkurseröffnung; so müssen davon zufsrderst
alle Srbfchaftsschulden und Lasten abgezogen werden. Ist nun a) die Erbschaft
') Darunter können nur die durch Erbgangsrecht «der aus ähnlichem Grunde an
fallenden Rechte verstanden werden. Denn das, was Gemeinschuldner nach Kon
kurseröffnung durch Thätigkeit neu erwirbt, bleibt ihm, bis es etwa durch nach
gesuchte Beschlagnahme ihm entzogen wird.
57l
zu diesen nicht hinreichend; so muß der Konkurs-Kurator der Erbschaft entsa»
gen, und dann entsteht über letztcrc ein besondrer Konkurs. — K) Bleibt aber
etwas übrig; so bildet dies eine neue Masse, an welche sowol die im Konkurs
des Erben leer ausgehenden Gläubiger, als die, denen nach Konkurseröffnung der
Erbe schuldig geworden, als die im Konkurse mit den alteren Ansprüchen Prä-
kludirten, sich zu halten berechtigt sind. Ergibt sich dabei Unzulänglichkeit; so
muß ein besondrer Konkurs oder Liquidationsprozeß eröffnet werden, in ««lchem
die Ordnung bei Befriedigung jener altern und neuen Gläubiger lediglich nach
der Beschaffenheit der Forderungen und deren Verhältniß zu der neuen Masse
festgesetzt wird. — z. 41 a. o. O. Res. vom 17. Oktober 183«. Jahrb. 52, S. 49«.
c) rücksichtlich des Verhältnisses der Gläubiger zum Vermögen des
Gemeinschu ldners und d) in Ansehung des Zinsenpunktes,
tz. 372. I. Durch die Konkurseröffnung erlangen die Gläubiger, zusammen ge
nommen, ein allgemeines Pfandrecht auf den ganzen Inbegriff des Vermögens, wel
ches Gemeinschuldncr alsdann besitzt. Zur Masse werden daher auch die exekutions-
und arrcstfähigen (K. 290, Nro. 15—17) Besoldungen und Pensionen, Einkünfte
von Präbenden, und andre jährliche Hebungen gerechnet, wenn sie auch erst nach
der Konkurseröffnung fällig sind, sofern nur das Recht, sie zu fordern, schon zur
Zeit der Konkurseröffnung zum Vermögen des Gemeinschuldners gehörte. Aus die
sem allgemeinen Pfandrecht der Gläubiger folgt:
1) daß kein einzelner Gläubiger mehr befugt ist, durch einseitige, gerichtliche oder
aussergcrichtliche Handlungen etwas von der Masse an sich zu ziehen, oder sich
darin ein besseres Recht, als er vorher schon gehabt hat, zu verschaffen. Alle
dahin abzielenden Handlungen sind null und nichtig, und der Gläubiger muß
das aus der Masse etwa Entnommene ihr erstatten;
2) daß die Gläubiger Verbindlichkeiten, welche nur der Person des Gcmeinschuldners,
ohne Beziehung auf sein Vermögen, ankleben, zu erfüllen, oder ein Interesse des
halb zu leisten, nicht gehalten sind. Demnach kann ein vom Gemeinschuldncr
als Pächter abgeschlossener Pachtvertrag, wenn nicht Gläubiger und Verpächter
darüber einig sind, nicht fortgesetzt werden. Für diesen Fall finden vielmehr die,
auf den Todesfall des Pächters wahrend der Pachtzeit, erthcilten gesetzlichen
Vorschriften Anwendung.') g. 33. ß. 60-62, l. S« A. G. O.
II. Durch Konkurseröffnung wird der Zinsenlauf in Ansehung aller Forde
rungen gehemmt und unterbrochen. Nur
1) Faustpfandgläubiger erhalten aus dem Erlöse des Pfandes, so weit er reicht,
auch die während des Konkurses laufenden Zinsen, und
2) Hypothekengläubiger werden in Betreff dieser aus den Revenücn des verpfände
ten Grundstücks, und so weit sie hier damit nicht zur Hebung kommen, aus den
Kaufgeldern desselben an der Stelle des Kapitals befriedigt. — §. 152 a. a. O.
Drklar. vom 2«. Januar 182« GS. S. 34.
Vom sogenannten abgekürzten Konkursverfahren.
§. 373. Des förmlichen Konkursverfahrens bedarf es nicht, vielmehr findet zur
. Beschleunigung der Sache und zur Kostensparung ein abgekürztes Verfah
ren statt:
1) in Fällen, in denen die Masse nur aus verschuldeten Grundstücken, od« aus
') Bei Pachtungen währt die Pacht nach dem Tode noch ein Jahr, bei Miechm
ein halb Jahr. Diese Fristen werden daher beim Konkurse zur Anwendung
kommen, vorausgesetzt, daß kontraktlich nicht ei» Andres bestimmt ist. — §. ZSö,
672
verpfändeten Mobilien besteht. In diesen Fällen erhalten die Hypotheken« und
Pfandgläubiger aus dem Kaufpreise, und zwar bei Grundstücken im Wege der
Kaufgelderbelegung, bei Faustpfändern im Wege der gewöhnlichen Exekution,
ihre Befriedigung, und nur wenn etwas vom Erlös übrig bleibt, wird dasselbe
zur Konkursmasse genommen, und, in so fern die Fälle zu 2 und 3 vorliegen,
darnach verfahren. — Die Hypothekcngläubigcr erhalten jedoch, falls Konkurs
vorhanden, bei der Kaufgelderbelegung ausser dem Kapital und den laufenden,
aus den Revenüen nicht gedeckten Zinsen, nur zweijährige Sinsenrückstände;
2) in Fällen, in denen die Masse nur so gering ist, daß sie bei förmlicher Konkurs
eröffnung den Gläubigern durch die Kosten entzogen werden würde;
3) dann, wenn sämmtliche bekannte Gläubiger' darüber einig sind, daß die förm
liche Konkurseröffnung unterbleibe, und') der Gemeinschuldner
») entweder zu den Bewohnern des platten Landes gehört, und gar nicht, oder
doch nur mit einer höchstens 300 Thlr. werthcn Stelle angesessen war; auch
übrigens gar kein Gewerbe, oder doch nur ein solches, wozu in der Regel
kein auswärtiger Kredit erforderlich ist, betrieben hat;
d) oder wenn er zu den kleineren städtischen Besitzern, deren Besitzungen nicht
über 5<X> Thlr. am Werths betragen, oder zu den gemeinen Handwerkern
und Professionisten gehört; auch er in beiden Fällen gar kein oder kein sol
ches Gewerbe getrieben hat, das auswärtigen Kredit erfordert.
In den Fällen zu 2 und 3 wird die Masse versilbert ; die bekannten Gläubiger
werden unter der Warnung der Präklusion zur Liquidirung und zum Nachweis ihrer
Forderungen vorgeladen, und beim Ausbleiben namentlich präkludirt. Das Präklu-
sionsurtel kann bald nach abgehaltenem Liquidationstermin abgefaßt werden. Offe
ner Arrest, und Ediktalladung der unbekannten Gläubiger, findet nicht statt.
Die Bertheilung der Masse erfolgt unter die vorhandenen bekannten Gläubiger
nach der Ordnung, worüber sie sich entweder unter einander vereinigen; oder die bei
Nichteinigung durch ein Prioritätsurtel festgefetzt worden. Im Falle unter Nro. S
muß jedoch vier Wochen vor der wirklichen Bertheilung durch Aushang an der
Gerichtsstelle und einmalige Bekanntmachung in den Zeitungen der Provinz die be
vorstehende Bertheilung bekannt gemacht, und den zur Hebung kommenden Gläubi
gern ausdrücklich angedeutet werden : daß, wenn in der Folge unbekannte Gläubiger,
welche zur Zeit des ausgebrochenen Unvermögens des Gemeinfchuldncrs ein Vorrecht
vor ihnen auf die damals vorhandene Masse gehabt haben würden, sich melden
sollten, nach Berhältniß des Erhobenen würden gerecht werden müssen. — §. 5—7
Anh. §. 315, 31«, I. 5« A. G. O. — 8. 1, 10, 12 Ges. vom 28. December 184«. —
Res. vom 5. Oktober 1795 und vom 19. Sextbr. 1796. Rabe S, S. 154, 555.
Res. vom 13. Februar 1326. Jahrb. 27, S. 81.
Modifikationen, unter welchen die Vorschriften der Konkursord
nung bei nicht kollegialischen Untergerichten anzuwenden.
§. 374. Bei Untergerichten, die nicht kollegialisch formirt sind, kommt,
I. wenn die Aktivmasse nach einem ungefähren Ueberschlage die Summe von
200 Thlr. übersteigt, das hier abgehandelte Konkursverfahren ebenfalls zur
Anwendung. Mangelt es bei einem solchen Untergericht an einem Juftizkommissar
oder andrer tauglichen Perfon für das Amt des Kurators; so kann dazu der Ak-
tuarius, oder ein verständiger Wirthschaftsbeamter, oder Gerichtsschreiber, genom
men werden. Die Pflicht desselben ist, ausser den nöthigen Besorgungen wegen der
Aktivmasse, daß er aus den vorgefundenen Büchern, Rechnungen und Schriften des
') Au der Annahme Grävells (Komm. S. 141), daß dies „und" so viel wie
„oder" bedeute, ist kein Grund.
573
Gemelnschuldners, und aus den von diesem, falls er am Leben und gegenwärtig,
cinzujichenden Auskünften die nöthigen Nachrichten über die an die Masse liquidir-
ten Ansprüche sammelt, und dem Richter an die Hand gibt. Der Richter aber muß
nach diesen Nachrichten und den von den Gläubigern beigebrachten Dokumenten die
Richtigkeit ihrer Forderungen von Amtswcgen prüfen, und den Punkt der Priori
tät unter den Gläubigern ebenfalls von Amtswegen wahrnehmen.
Die Gläubiger können, wie im gewöhnlichen Prozesse, durch Justizkommissarien
oder andre zulässige Bevollmächtigte vertreten werden.
II. Beträgt aber die Aktivmasse eines in Konkurs verfallencn Bürgers
oder Dorfeingesessenen, welche keinen auswärtigen Verkehr betrieben ha
ben, nicht über 200 Thlr.; so bedarf es weder der Bestellung eines Kurators
oder Kontradiktors, oder Sequesters, noch besondrer Ediktalien, noch eines besondern
Distributionsurtels. Vielmehr ist das Verfahren folgendes:
1) Sobald mehre Gläubiger auf ihre Befriedigung dringen, und die Unzulänglichkeit
des Vermögens klar ist; so muß der Konkurs von Amtswegen eröffnet;
2) zugleich aber die Subhastation des zum Vermögen etwa gehörigen Grundstücks
angeordnet werden. Dabei erfolgt im Subhastationspatent die Vorladung der
unbekannten Real« und Perfonalgläubiger.
Z) Zugleich muß der Gemeinschuldner zur richtigen, allenfalls eidlichen, Angabe sei
ner Schulden, so wie seines Mobiliarvermögens und etwanigcr Forderungen an
gehalten, und wenn er verstorben oder abwesend, so müssen seine zurückgebliebene
Frau, erwachsene Kinder, und im Hause befindliches Gesinde über Borstehendes
vernommen werden. Das überflüssige Mobiliar wird verkauft, und die ausste
henden Forderungen werden eingezogen. Zugleich muß
4) der Richter die öffentlichen, Dominial- und Gemeindeabgaben zu ermitteln suchen.
5) Eine Sequestration des Grundstücks wird in der Zwischenzeit bis zur Subhasta
tion nicht eingeleitet. In der Regel bleibt der Gemeinschuldner gegen Abführung
der kurrenten Abgaben und Lasten im Besitz. Ist er verstorben oder abwesend,
oder machen andre Umstände seine Belassung in der Verwaltung bedenklich; so
wird die Bcwirthschaftung und Erhaltung des Grundstücks dem Magistrat oder
der Gutsherrschaft einstweilen übertragen,
6) Die bekannten Gläubiger werden zur Liquidation und Rechtfertigung ihrer For
derungen, so wie zur weiteren Regulirung der Sache, durch besondre Verordnung
vorgeladen.
7) Bald nach Verkauf des Grundstücks und der Kaufgelderbelegung entwirft der
Richter einen Plan, in welchem die zu vertheilende Masse zusammengestellt, und
angegeben wird, wie diese Masse unter die Gläubiger nach der Ordnung der
Priorität zu vertheile» sein möchte. Er legt diesen Plan den Gläubigern vor,
und erläutert ihn, wo es nöthig; sucht dieselben auch zur Einigung über die
Vertheilung der Masse zu vermögen. ») Vergleichen sich demgemäß die Gläu
biger, so wird blos das Präklusionserkenntniß gegen die aussengcbliebenen Gläu
biger abgefaßt, eröffnet, und im Uebrigen die Masse der Einigung gemäß ver
theilt. K) Kommt kein Vergleich zu Stande; so wird das Urtel abgefaßt, darin
auf Präklusion der ausgebliebenen Gläubiger erkannt; das Nöthige über die
Richtigkeit, den Betrag und die Priorität einer jeden angemeldeten Forderung
festgesetzt, zugleich aber bestimmt: welche Gläubiger, nach dieser Ordnung, bei
der vorhandenen Masse zur Hebung gelangen, wie viel jeder derselben zu de»
Kommunkosten beizutragen habe, wie viel er nach deren Abzug noch erhalte, und
auf welchen Theil der Masse er damit anzuweisen sei.
S) Durch die hiernächst nach diesem Urtel erfolgende Vertheilung wird der Kons
kurs beendet.
S7
674
y) Wirb 1« einem an sich zulässigen Falle gegen das nach Nrs. 7 abgefaßte Er»
kenntniß appellirt; so wird dennoch mit Vertheilung der Masse unter die übri
gen Gläubiger so weit, als deren Rechte durch ein zum Besten der Appellanten
erfolgendes Urtel zweiter Instanz keine Aenderung leiden können, verfahren.«)
Die Bertheilung der übrigen Masse bleibt dann bis zur Rechtskraft des Urtels
ausgesetzt. — 630—64«, I. 50 A. G. O. Ges. vom 28. Dcccmber 184«. —
Res. vom 1. Febr. 184t I. M. B. S. 84.
Zweiter Abschnitt.
Bon den im Konkurse sungirenden Personen.
Bom Amte und der Wahl des Kurators und Kontradiktors.
ß. 375. I. Zum Amt des Kontradiktors gehört nur die Allsmittelung
und Festsetzung der Passivmassc. Er hat also die Borladung der Gläubiger herbei
zuführen, alle angemeldeten Forderungen gehörig zu prüfen, und dahin zu sehen,
daß diese sowol in Ansehung ihrer Richtigkeit, als der ihnen nach der Priorität«»
ordnung zukommenden Stelle 2) ausgemittelt und ins Licht gesetzt werden.
Zum Amte des Kurators dagegen gehört die Obsorge für die Aktivmasse,
also deren Ausmittelung, Verwaltung, Einziehung und Versilberung. — S. 72, 73,
I. 5« A. G. O.
II. In der Regel wird das Amt Beider in Einer Person vereinigt,
«nd dazu ein beim Gericht fungirender Justizkommissarius gewählt. Bei sehr be
deutenden Massen, und zahlreichen Gläubigern kann jedoch ei» besonderer Kurator,
und ei» besondrer Kontradiktor bestellt werden. Zum Kontradiktor wird dann alle
Mal ein beim Gericht angesetzter Justizkommissar gewählt; zu Kuratoren können
auch andre taugliche und solcher Geschäfte kundige Personen angenommen werden.
Namentlich können auch bei einer sehr weitläufigen und zerstreut liegenden Masse,
z. B. wenn eine Handlung oder Landgüter dazu gehören, die Gläubiger darauf an
tragen, daß dem Hauptkurator sachkundige Assistenten, zur Verwaltung der Güter,
Z>cr Handlung u. s. w. als Nebcnkuratoren zugeordnet werden. Der Hauptkurator
behält dann die Aufsicht über das Ganze, und die Besorgung derjenigen speziellen
Angelegenheiten, zu welchen keine besondre Nebenkuratoren bestellt sind. — §. 69—
71 a. a. O.
III. Die Wahl des Kurators und Kontradiktors geschieht von den
Gläubigern. In dem nach §. 369, II. Nro. 2 angesetzten Termin wird vom Ge
richt unter Zuziehung der am Orte anwesenden oder vertretenen Gläubiger zunächst
«ur ein Interims-Kurator und Kontradiktor bestellt, und demnächst zu seinen Ob
liegenheiten mittelst Handschlags an Eidesstatt verpflichtet. Der Ausfertigung einer
förmlichen Bestallung bedarf es für denselben nur dann, wenn er derselben andcrs-
no, als bei dem konkursdirigenden Gericht nöthig hat.
Dieser Jnterimskurator und Kontradiktor muß für Erhaltung der Aktivmasse
und für den Betrieb des Konkursprozesses so lange sorgen, bis die zusammenbcru-
fenen Gläubiger sich über die Beibehaltung oder anderweite Wahl eines Kurators
1) Axpellirt z. B. nur ein Gläubiger, der zur siebenten Klasse lozirt ist, und will
in der sechsten Klasse angesetzt werden; so wird den in den ersten fünf Klassen
angesetzten Gläubigern ihr Perzipiendum gezahlt.
2) Räumt der Kontradiktor einem Gläubiger irriger Weise günstigere Vorrechte ein,
so steht dies den übrigen Gläubigern nicht entgegen. — Simon R, S. 1,
S. 25. Simon Entsch. 1, S. 116.
575
und Kontradiklors erklärt haben. Dicsc Erklärung wird den Gläubigern im Liqui-
dationstcrmine abgefordert. Können sich dieselben darüber nicht einigen; so müssen
unter den vorgeschlagene» Personen die gewählt werden, welche die meisten Stim
men, nach der Summe der liquidirten Forderungen berechnet, für sich haben. Kann
diese Mehrheit ohne weitläufige Untersuchung nicht ausgcmittelt werden; so muß
das Gericht den Ausschlag geben, und den bestellen, welcher nach pflichtmässigem
Ermessen für den Tüchtigsten gehalten wird.
Der demnach gewählte Kurator und Kontradiktor wird mittelst Handschlag?
an Eidesstatt verpflichtet, und ihm alle Mal eine förmliche Bestallung zu seiner
Legitimation zugefertigt. — §. 64—««, I. 5« A. G. O.
IV. Im Konnotationstermin müssen zugleich die Gläubiger unter gerichtlicher
Bermittelung mit dem Kurator sich über ein, für seine Mühwaltung auf die Dauer
des Konkurses ihm auszusetzendes Honorar einigen. Bevollmächtigte der Gläubiger
bedürft« dazu keiner Spezialvollmacht. Die Höhe des Honorars wird mit Rücksicht
auf den Betrag der Masse und die Summe und Zahl der einzuziehenden Forderun
gen abgemessen. Die Bestimmung eines jährlichen Honorars ist unzweckmässig.
Die gerichtliche Ermässigung des von den Gläubigern bewilligten Honorars ist nur
bei Beginn der Kuratel zulässig.
Fehlt ein Abkommen über das Honorar, so erhält der Kurator und Kontra
diktor seine Gebühren nach der Sportcltarc. Doch können die Gläubiger auch spä
ter noch eine besondre Vergütung bewilligen. — §. 92 a. a. O. Res. vom 2, März
Rabe 10, S. 29«. — Res. vom 14. Juli 1823 u. 2«. März 1833. Jahrb.
22, S. 95. Bd. 4t, S. 239.— Res. vom 17. August 181«. Jahrb. 12, S. 2l.
Ins Besondre von den Rechten und den Pflichten des Kurators
und KontradiktorS.
K. 276. l. Der Kurator einer Konkursmasse hat in der Regel alle Befugnisse
und Verbindlichkeiten, welche andern Kuratoren gesetzlich zukommen. Er muß also
die zu seiner Obsorge gehörigen Angelegenheiten nach seiner besten Einsicht und
Kenntniß, wie einem redlichen, vernünftigen, und in den Geschäften des bürgerlichen
Lebens wohl erfahrenen Manne zukommt, besorgen, jedoch dabei die gesetzlichen Bor
schriften der Konkursordnung gehörig beobachten. Behufs Ausmittclung und
Hcrbeischaffung der Aktivmasse muß er namentlich
1) die vom Gericht, oder dem Jnterimskurator zur Sicherung der Masse vorläufig
getroffenen Veranstaltungen gehörig fortsetzen;
2) für Aufnahme eines möglichst vollständigen Inventars Sorge tragen;
3) die zur Ausmittelung der Aktiv - und Passivmasse gehörenden Schriftstücke auf
suchen, gehörig ordnen, im Inventar «ollständig verzeichnen, und die blos über
den Zustand der Passivmasse sprechenden dem etwa besonders gewählten Kontra
diktor gegen Empfangsschein ausantwortcn;
4) sobald, als möglich, einen ohngcfähren Uebcrschlag über den Betrag der Aktiv
masse anfertigen, und ihn den Gläubigern vorlegen;
5) die Aktivmasse selbst, nach den verschiedenen Rubriken des Inventars, ohne allen
Zeitverlust ins Klare zu setzen bemüht sein,
6) für die Verwaltung und Versilberung der Masse und Einziehung der ausstehen
den Forderungen, allenfalls durch Klage, sorgen.')
') Der Konkurskurator ist jedoch als solcher und ohne Vollmacht derjenigen Gläubi
ger, welchen die Gesetze (§. 370, 371) das Recht beilegen, Schenkungen zu wi
derrufen, und lästige, zwischen dem Gcmeinschuldncr und seinem Ehegatten oder
ihren Verwandten in auf- oder absteigender Linie geschlossene Verträge anzu
fechten, nicht befugt'. — Plen.-Besch. des Geh. Obxr-Txib. »gm 2. Ju,»i 1840
I. M. B. S. 3Z4.
S7S
Zur Klage legltimirt ihn sowol bcim Konkursrichter, als bei andern Gerichten,
seine Bestallung. Besondrer Autorisation bedarf er zur Legitimation nicht, i ) Für
einen beim auswärtigen Gericht von ihm zu bestellenden Bevollmächtigten ist eine
von ihm ausgestellte Bollmacht ausreichend.
Ist ein Kurator kein Rechtsverständigerz so muß der Kontradiktor die Besor
gung der zur Einziehung der Forderungen und Kapitalien nöthigen Prozesse über
nehmen. — Z. 73—76, I. 50 A. G. O. Res. vom 1«. Juli 1824. Jahrb. 24, S. 135.
II. Bei Führung der Prozesse gegen die Gläubiger und die Schuldner
der Masse, bei Verwaltungsmasregeln, und bei Nachsuchung andrer gesetzlich begrün
deter Verfügungen kann der Kontradiktor und Kurator für sich, und ohne Rück
sprache mit den Gläubigern, jedoch immer unter Derektion des Gerichts das Erfor
derliche thun und veranlassen.
In Fällen jedoch, wo es sich um einen für die Masse oder für die dabei intc-
ressirendcn Gläubiger wichtigen und bedenklichen Gegenstand handelt, muß er dazu
den Beschluß der am Orte anwesenden, oder durch Bevollmächtigte vertretenen Gläu
biger, und falls nur einzelne derselben dabei inttressiren, ^) den Beschluß dieser ver
nehmen, und sich darnach achten. Abwesende, von denen auch keine Bevollmächtigte
bei den Akten angezeigt sind, werden für einwilligend in die Beschlüsse der Gegen
wärtigen geachtet. — Die Einholung dieses Beschlusses kann geschehen ^)
1) bei weniger wichtigen und bedenklichen Gegenständen in der Art, daß der Kura
tor die Lage der Sache in einem schriftlichen Aufsatze deutlich, richtig und be
stimmt vorträgt, diesen Aufsatz unter den gedachten Gläubigern zirkulircn läßt,
und sie auffordert, daß sie ihre Erklärungen dem Umlauf schriftlich beifügen;
2) bei besonders wichtigen und bedenklichen Gegenständen in der Art, daß der Ku
rator die anwesenden Gläubiger oder Bevollmächtigte zufammenfordert; ihnen
die Sache und den Fall, wovon die Frage ist, deutlich und umständlich vorträgt;
sein Gutachten darüber eröffnet; und ihre deutlich, bestimmt und der Sache ge
mäß abzugebenden Erklärungen zu dem über die ganze Verhandlung aufzuneh
menden Protokoll niederschreibt.
Den Umlauf nebst den, Erklärungen, oder das Protokoll und den einladenden
Umlauf, muß der Kurator oder Kontradiktor dem Gericht übergeben, und auf wei
tere Verfügung oder Genehmigung antragen.
Das Gericht muß, wenn die Gläubiger nicht einig sind, auf die Mehrheit der
stimmenden Gläubiger, welche jedoch nicht nach der Personenzahl, sondern nach den
liquidirtcn, oder im etwa bereits ergangenen Klassifikationsurtel angefetzten Forde
rungen berechnet wird, sehen. Wenn keine entscheidende Mehrheit vorhanden, muß
das Ermessen des Richters den Ausschlag geben: nach welchem von den verschiede
ne» Anträgen die Sache regulirt werden solle.
Bevollmächtigte der Gläubiger bedürfen zu den unter 1 und 2 erwähnten Er
klärungen besondre Vollmachten nur dann, wenn überhaupt gesetzlich zu einer ge
wissen Handlung Spezialvollmacht nöthig ist, oder wenn von klaren Vorschriften
der Konkursordnung abgewichen werden soll. — Z. 77—85 a. a. O.
III. Der Kurator darf sich mit unmittelbarer Erhebung der zur Masse
Dritter Abschnitt.
Bon «««Mittelung »nd Festste«««« der «ktivmasse.
Siegelung.
Z. 378. Zu dm sogleich nach Konkurseröffnung vom Richter Behufs Siche
rung der Aktivmasse von Amtswegen vorzunehmenden Verfügungen gehört
I. die Siegelung des gesammten Mobiliarvermögens und drr
Brieffchaften des Gemeinschuldners. Sie ist einem Referendar oder Sckrctair
aufzutragen. Ist bekannt, daß Schuldner dergl. Vermögen auch ausserhalb des Gc-
richtsbezirks, oder an entferntem Orte habe, so muß ein in der Nahe befindlicher
Justizbeamter mit Siegelung beauftragt, res«, darum ersucht werden.
Was das Verfahren bei der Siegelung betrifft; so muß
1) der Kommissarius, welcher sie in einem Wohnhause verrichtet, die einzelnen
Behältnisse an Schränken, Kasten, Kommoden, Kassetten, u. s. w., worin Geld,
Silberwerk, Kleider, Wäsche, Dokumente u. dgl. befindlich sind, jedes besonders
versiegeln ; hicrnächst an die Thurm der Zimmer, Kabinette oder Kammern, worin
sie stehen, ebenfalls die Siegel gehörig befestigen ; den Hausrath und andre Stücke,
die nicht besonders versiegelt werden können, so viel als möglich, in ein Simmer
oder eine Kammer zusammenbringen lassen, und die Zugänge dazu mit dem
Siegel verschlussen; sowol dem Gemeinschuldner, als seiner Familie und Gesinde
die Unverletzbarkeit dieser Siegel, und die mit deren Erbrechung verbundenen
Strafen bekannt machen;') Jemanden im Hause die spezielle Aufsicht darüber
mit der Anweisung, jede daran bemerkte Verletzung dem Gericht sofort zu mel
den, anvertrauen i übrigens aber, wenn das eine oder andre Stück zum not
dürftigsten Gebrauche de« Hauses ausser der Sperre gelassen werden müßte,
über dergl. Stücke ein Verzeichniß aufnehmen, und gleichergcsralt Jemanden im
Hause die besondre Aussicht deshalb übertragen.
2) Ist der Gemeinschuldner ein Kaufmann, Fabrikant, oder ein in ausge
breitetem Berkehr stehender Handwerker; so muß die Fortsetzung der
Handlung resp. des Gewerbes durch die Siegelung nicht sofort gänzlich gehemmt
werden. Es müssen daher zwar das Mobiliarvermögen, des GemeinschulbnerS,
dessen Haupthandlungsbücher und Korrespondenz in Beschlag genommen, dage
gen aber das Waarenlager, die zur Fabrik gehörigen Untmsilien, und die vor
handenen rohen Materialien ausser Sperre gelassen, und einem sogleich zu bestel
lenden Administrator zur einstweiligen Fortsetzung des Betriebe« der laufende»
Geschäfte nach einem davon aufzunehmenden Verzeichnisse übergeben werden. —
Zu einem solchen Administrator muß das Gericht ein zuverlässiges und sachkundiges
Subjekt auswählen und verpflichten, dabei aber vorzüglich auf den bei der Hand
lung oder Fabrik etwa schon angestellten Disponenten oder Handlungöbedienten,
so wie bei einem Handwerker auf den tüchtigsten Gesellen Rücksicht nehmen.
') Wer aus Muthwillen solche Siegel abreißt, den trifft nach Beschaffenheit seines
Alters, Standes, Vermögens und des verübten Muthwillens, körperliche Züchti
gung, Strafarbcit, Gefängniß auf 4 Wochen vis 1 Jahr oder vrrhältnißmäsfige
Geldstrafe. Ist damit ein andres Verbrechen, z. B. Diebstahl verknüpft, so
kommen die Strafen dieses andern Verbrechens zur Anwendung. — Z. l96, l.
SO A. G. O. §. 21« Str. R.— Res. vom 4. Juni 179S. Rabeö, S. 184.
579
Das Gcricht aber muß dcn Administrator, wegen Fortsetzung des Geschäfts in
den §. 381, II. vorgeschriebenen Schranken, mit der nöthigcn Anweisung versehen.
3) Wenn der Konkurs über das Vermögen eines Kaufmanns oder Fabrikanten
während der Meß- oder Jahrmarktzcit ausbricht; so sollen die zum
Verkauf dahin gebrachten Waaren nicht versiegelt, sondern deren Dcbit gestattet,
dem Gemeinschuldncr aber vom Gcricht ein Aufseher zugeordnet werden, welcher
beim Verkaufe gegenwärtig fein, darauf Acht haben, daß die Waaren nicht zum
Nachtheil der Gläubiger unter dem Preist verschleudert werden, Alles genau
und treulich vermerken, die gelösten Gelder in Empfang nehmen, und sie täglich,
so wie sie eingehen, ins gerichtliche Depositum abliefern muß.
4) Bei Siegelung auf Landgütern muß der Kommissarius
s) wenn der Gemcinschuldner das Gut selbst verwaltet, in Betreff der im Wohn
haust befindliche» Mobilien, Effekten und Briefschaften gemäß Nro. 1 ver
fahren; sich vom Wirthschaftsbeamten dcn letzten Monatsschluß vorlegen las
sen; dcn Kassenbestand rcvidiren; davon nicht mehr, als zur Fortstellung der
Wirtschaft nothwendig ist, zurücklassen, und das Ucbrige zum Deposits ein
senden; die Getraideböden nachsehen, und das darauf befindliche Gctraidc
übermessen lassen; davon so viel, als zur Wirthschastsnothdurft erforderlich
ist, absondern, und dem Beamten zur Administration und Berechnung über
geben; das Ucbrige aber in den Behältnissen, worin es sich bcfindct, glcichcr-
gcstalt versiegeln; sich das Jnvcntarium über das vorhandene Vieh und
Wirthschaftsgcräthe aller Art vorzeigen lassen, und Abschrift davon nehmen;
wenn dcrgl. Inventar nicht vorhanden, ein vollständiges Vcrzeichniß darüber
anfertigen; übrigens dcn Beamten anweisen, daß er nunmehr die Wirlh-
schaft für Rechnung der Gläubiger fortzusetzen habe, und daraus weder et
was an Gclde, noch Naturalien, bei eigner Vertretung, an den Gemeinschuld
ncr und desscn Familie verabfolgen müsse. In Betreff der kleinen Pächte
und Zinsen muß der Kommissarius sich von den Verpflichteten die letzten
Quittungen vorlegen lassen, um daraus den Zeitpunkt des Rückstandes aus-
zumittcln, und jenen die fernere Zahlung an dcn Gemcinschuldner untersagen.
b) Gleiches muß geschehen in Betreff der Pachtzinsen, wenn das Gut verpach
tet ist, nachdem Kommissarius die Siegelung des auf dem Gute etwa befind
lichen Mobiliarvermögcns des Schuldners vollzogcn hat.
e) Stcht das Gut bereits unter gerichtlicher oder landschaftlicher Verwaltung;
so bedarf es nur der Siegelung der nicht zum Gute, sondern zum Mobiliar-
vermögcn des Schuldners gehörigen Effekten. Der verwaltenden Behörde
wird übrigens vom Konkurse Äenntniß gegeben.
5) Bei Siegelung i» städtischen Grundstücken wird zugleich den Mechern die fer
nere Zahlung der Mierbe an den Gemeinschuldncr untersagt.
6) Der Kommissarius muß überhaupt alle Sorgfalt und Vorsicht anwenden, daß
dem Gemcinschuldner keine Gclcgcnhcit übrig bleibt, etwas zur Masse Gehöriges
den Gläubigern zu entziehen.
7) Endlich muß über das Geschäft der Siegelung, und Alles, was dabei vorgefal
len ist, ein vollständiges Protokoll aufgenommen, darin besonders, was für Be
hältnisse versiegelt, und wie viel Siegel angelegt worden, richtig bemerkt, und
das Protokoll hicrnächst dem auftragenden Gericht eingereicht werden. — H. 194—
203 u. Anh. §. 334, 335, I. S« A. G. O.
Beschlagnahme ausstehender Forderungen, und offener Arrest.
K. 379. Ferner gehört dahin II. die gleichzeitige spezielle Aufforde
rung aller derer, welche nach Inhalt des Vermögensverzeichmsses oder sonstiger
580
Nachrichten, dem Gemeinschuldner etwas zu zahlen oder abzuliefern haben : die Zah
lung oder Ablieferung nicht an ihn, sondern in das gerichtliche Depositum oder an
den von den Gläubigern oder dem Gericht bereits anderweit bestellten Empfanger
zu leisten;
widrigenfalls sie zu gewärtigen hätten, daß selbige für nicht geschehen ge
achtet, und von ihnen anderweit bcigetrieben') werden solle.
An mehre, an ein und demselben Orte sich aufhaltende, Schuldner der Masse wird
diese Aufforderung mittelst Kurrende erlassen. Auch wenn später nach aufgenomme
nem Inventar sich Schuldner der Masse finden, an welche diefe Aufforderung noch
nicht ergangen, muß sofort von Amtswegen diefe Inhibition an sie ergehen. — Z. 204,
205. z. 225, 233 a. a. O.
III. Endlich muß von Amtswegen der offene Arrest erlassen werden,
in sofern dies nicht etwa schon gemäß ß. 367, II. Nro. 3 geschehen ist, in welchem
Falle es keiner Wiederholung desselben bedarf.
Der offene Arrest besteht in der öffentlichen Aufforderung Aller derer,
welche vom Gemeinschuldner etwas an Gelbe, Sachen, Effekten oder Briefschaften
Hinter sich haben:
demselben nicht das Mindeste davon zu verabfolgen, vielmehr dem Gericht
davon getreu Anzeige zu leisten, und die Gelder oder Sachen, jedoch mit
Vorbehalt ihres Rechtes daran, ins gerichtliche Depositum abzuliefern;
mit beigefügter Warnung:
daß, wenn dennoch dem Gemeinschuldner etwas gezahlt oder ausgeantwor
tet würde, dieses für nicht geschehen geachtet, und zum Besten der Masse
anderweit beigetrieben z wenn aber der Inhaber solcher Gelder oder Sa
chen dieselben verschweigen oder zurückhalten sollte, er noch ausserdem eines
jeden daran ihm zustehenden Unterpfands- und andern Rechts für verlu
stig erklärt werden würde.
Die Bekanntmachung des offenen Arrestes erfolgt durch Aushang an Gerichtsstclle,
und bei Massen von mehr als 1000 Thlr. durch dreimalige, bei Massen von IVO«
Khlr. oder weniger durch einmalige Einrückung in das Jntelligenzblatt,
oder bei dessen Ermangelung in den Anzeiger des Amtsblatts.
Die vorstehend angedrohte Strafe des Verlustes ihrer Rechte trifft die unbe
kannten Inhaber, wenn sie die Ablieferung bis spätestens zum Liquidationstermine
nicht leisten, die bekannten Inhaber aber, wenn ihnen ein hinlänglich geräumiger
Termin zur Ablieferung gefetzt worden, und sie dennoch nicht gnügen.
Nur das Addreßhaus zu Berlin, die mit den Bankkomptoirs ver
bundenen Lombards, die öffentlichen Pfandlcihanstalten, und die See-
handlungssozietät, sind zur Herausgabc der ihnen verpfändeten Gegenstände,
ohne Auslösung derselben, nicht verpflichtet. Sie können dieselben vielmehr Behufs
ihrer Befriedigung gewöhnlichermasfen öffentlich verkaufen. — Z. 206—210 Anh.
Z. 34«, I. 50 A. G. O. — Z. 2 Verord. vom 28. Deccmber 1840. — Res. vom
9. und 24. Juni 1799 und Rgl. vom 26. April 1692. Rabe 5, S. 477.— g. 11
Cab.-O. vom 2«. Juni 1826 GS. S. 81. — §. 2« Rgl. vom 8. Febr. 1834 GS.
S. 23. — Res. vom 23. Januar 18«1. Cab.-Ord. vom 19. Juli 1806. Gröff,
Koch :c. III. S. 1054. — Cab.-O. vom 2«. Mai 1826 und 31. Januar 1827
GS. 182S S. 44. 1827 S. 24.
') Es versteht sich von selbst, daß dieser Beitreibung die Klage vorausgehen muß,
da sofortige Exekution sich durch Nichts rechtfertigen liesse. — Ref. vom 27.
Februar 1817. Jahrb. 9, S. 15.
581
Verkauf verderblicher und dergleichen Sachen und Inventur.
Z. 380. Die ftrncrc» zur Feststellung der Aktivmasse nöthigen Verfügungen
muß der inzwischen bestellte Kurator veranlassen. Das Gericht kon-
trollirt ihn dabei, und wacht über unablässigen Betrieb der Sache. Demnach muß
der Kurator
l. vor Allem Sorge tragen, daß Effekten, die entweder bei fernerer Aufbewah
rung dem Verderben ausgesetzt sein, oder deren längere Beibehaltung der
Masse unnütze Kosten verursachen würde, z. B. Kutsch- und Reitpferde, in
einem anzuberaumenden, und so viel die Zeit erlaubt, zur Wissenschaft des Publi
kums zu befördernden nahen Termine gerichtlich versteigert; die Bedienten und Do
mestiken des Gemeinschuldncrs aber, deren Beibehaltung nicht etwa zur Verwaltung
der Masse nothwendig ist, ihrer Dienste entlassen werden.') — §. 211—213, I.
S« A. G. O.
II. Ferner muß unter seiner Zuziehung von einem gerichtlichen Kommissariuö
ein vollständiges, nach Art der Nachlaßinventaricn gefertigtes Vermögens-
verzeichniß aufgenommen werden. Dabei muß,
1) wenn der Gemeinschuldner ein öffentliches Amt bekleidet, der ihm vorgesetz
ten Behörde von der bevorstehenden Inventur Nachricht gegeben, und dieser
überlassen werden: ob sie ihrerseits einen Mitkommissarius dazu ernennen wolle.
Dieser ist dann bei der Inventur vom gerichtlichen Kommissario mitzuzuziehn,
und ihm sind alle nach seinem Befinden zum Amte des Gemeinschuldncrs gehö
rigen Schriften, Bücher, oder andre Utensilien, nach einem darüber aufzunehmen
den Verzeichnisse zu verabfolgen.
Eben so müssen, wenn Gemeinschuldner eine Militairpcrso n ist, alle dem
Regimente oder der Eompagnie verbleibenden Sachen, so wie die den Dienst be
treffenden Rechnungen und Briefschaften der Militärbehörde zugestellt werden. —
Z. 2i4, 215, 692 a. a. O.
2) Gehört eine Handlung zur Masse; fo bedarf es darüber, der Regel nach,
keiner besonder« Inventur; sondern es dürfen, wenn ordentlich geführte Hand
lungsbücher da sind, nur diese vom Kurator mit Zuziehung de« Buchhalters,
oder in dessen Ermangelung, eines andern Handlungsbedienten, gehörig abge
schlossen, und die Extrakte und Balanzen daraus zu den Akten gebracht; die
Bestände und Lager nach diesen Extrakten revidirt, und so vom Kurator über
nommen werden. — Sind keine oder nicht ordentlich geführte Bücher da, so
muß der Kurator, unter gleichmässigcr Zuziehung des oder der Handlungsbedien
ten des Gemeinschuldncrs, das Jnventarium der Handlung nach kaufmännischer
Art errichten, und zu den Akten einreichen. — Z. 216 a. a. O.
3) Dem Gemeinschuldner muß bei Gelegenheit der Inventur, wenn er am
Leben und anwesend ist, auch den Eid noch nicht geleistet hat, der Manife
stationseid abgenommen werden. Auch dessen Ehegatte, erwachsene Kinder,
und Gesinde müssen ihn leisten, wenn der Kurator oder auch einzelne Gläubiger
darauf antragen. — Z. 217 a. a. O.
') Gesinde, welches monatlich gemiethet wird, kann, wenn der Konkurs vor dem
15. ausbricht, mit Ende des Monats, sonst aber erst Ende des folgenden Mo
nats, und wenn es auf länger gemiethet ist, sofern der Konkurs vor der Kün-
digungszeit eröffnet ist, mit Eintritt der nächsten Ziehzeit entlassen werden. Er
folgt jedoch im letzten Falle die Konkurseröffnung nach der Aufkündigungszeit z
so muß das zur häuslichen Verrichtung bestimmte Gesinde das baare Lohn, je
doch ohne Kost oder Kostgeld für das nächstfolgende Vierteljahr als Entschädi
gung für verspätete Aufkündigung erhalten; das zur Landwirthschaft gebrauchte
Gesinde aber noch für das nächstfolgende Jahr beibehalten werden. — §. 101—
108 Ges.-O. vom 8. November 181«.
582
4) Dem Gemeinschuldncr sind, softrn er nicht als Bankerutirer zur Untersuchung
und zur Haft gezogen ist, die zum täglichen Gebrauch und nicht zur Pracht ge
hörenden Kleidungsstücke und das nöthige Bettwcrk zu lassen. Auch
die Frau und Kinder behalten die von jenem erhaltene, nach ihrem Stande un
entbehrliche Kleidung, Leibwäsche, Betten und andere Mobilien, die nicht als
Juwelen, Gold, Silber, Perlen, Kanten oder sonst zur Pracht gehörig anzusehn.—
z. 2l«, 315 a. a. O. B. vom 13. Oktober 1843 GS. S. 336.
ö) Nehmen bei der Inventur Familienmitglieder oder Andre gewisse Sachen oder
Effekten, als ihr Eigcnthum, in Anspruch; so müssen diese dennoch ver
zeichnet, und darüber, wenn ihrer mehre sind, eine besondre Konsignation ange
fertigt; der Ansprechende aber muß über Bescheinigung seines Rechts vernom
men, die Sache sodann ans Gericht verwiesen, die beanspruchten Stücke dürfen
jedoch nicht verabfolgt werden. — Das Gericht vernimmt den Kurator und die
Gläubiger über dergleichen Ansprüche, und gibt, wenn sie anerkannt werden, die
beanspruchten Sachen ungesäumt dem Ansprechenden; verweist dagegen diesen,
wenn sich ein Widerspruch findet, mit der weitern Ausführung zum Liquida
tionstermin.
Bei dem hicrnächst eintretenden Berkauf der Mobilien müssen,
s) wenn Jntcrvcnicnt sein Eigenthumsrccht inzwischen cinigcrmasscn bescheinigt
hat, die streitigen Stücke zurückgesetzt und aufbewahrt;
b) sonst aber versteigert, die gelösten Gelder im Protokoll besonders verzeichnet,
und wenn Jntervcnient demnächst obsiegt, ihm dieselben unverzüglich, und
ohne Abzug ausgezahlt werden. — Verlangt jedoch Jntcrvenicnt im Falle zu
K die Aussetzung des Verkaufs wegen eines der Sache beiwohnenden Werths
der besondern Vorliebe ausdrücklich; so ist ihm, jedoch auf seine Gefahr und
Kosten zu willfahren.
Auch in andern Füllen muß Jntcrvmicnt, wenn auf seinen Antrag Sa
chen nicht bei der allgemeinen Auktion verkauft worden, und nachher beson
ders verkauft werden mußten, die Kosten der besondern Auktion tragen. —
z. 219-221, l. 50 A. G. O.
6) In Ansehung der ausstehenden Forderungen müssen der KommissariuS
und der Kurator aus den vorhandenen Dokumenten und Schriften, so genau,
als möglich, und als ohne gar zu grossen Zeitverlust geschehen kann/ ouszumit-
teln suchen:
welche davon liquid und sicher, welche zweifelhaft, und welche offenbar
verloren und inexigibel sind?
Nach Kiefen drei Klassen müssen die Aktiva im Inventar sorgfältig von einan
der abgesondert werden. — §. 222 a. a. O.
7) Nach geschlossener Inventur muß der KommissariuS die vorgefundenen baarcn
Gelder, Juwelen, Pretiosen, Silberzeug, und andre kostbare Sachen; desgl. die
Schuldurkunden über ausstehende Forderungen, nach einem mit Bezug auf die
Titel und Nummern des Inventars aufzunehmenden Verzeichnisse, ins gericht
liche Depositum abliefern; die übrigen beweglichen Sachen und Schriften
aber dem Kurator übergebe». Dieser hat für fernere sichere Aufbewahrung der
erster« zu sorgen; letztere aber durchzugehen, damit er bei Ausmittelung und
Feststellung der Aktivmasse, so wie bei Erwiderung auf die an die Masse ge
machten Ansprüche gehörigen Gebrauch machen, falls aber ein bcfondrer Kon-
tradiktor bestellt ist, diesem die auf die gemachten Ansprüche bezüglichen Schrif
ten zum nöthigen Gebrauch verabfolgen könne. — §. 223, 224 a. a. O.
58Z
Feststellung der Masse I) durch Versteigerung der Mobilicn; und
2) ins Besondre bei Kaufmannshandlungen, Fabriken u. dgl,j
§. 3SI. Auf Grund des aufgenommenen Inventars muß der Kurator die Fest
stellung und Beitreibung der Aktivmasse ferner gehörig besorgen. Er muß deshalb
I. aus Versteigerung des Mobiliarvermögens antragen, und die etwa
erforderlichen Maasgabcn wegen Zeit und Art der Versteigerung, und wegen deren
öffentlichen Bekanntmachung in Vorschlag bringen.
Auch Juwelen, Kostbarkeiten, wcrthvolle Schildcreien, Kunststücke und seltene
Münzen werden, wie andre bewegliche Sachen, im Wege der Auktion verkauft. Glei
ches gilt von Stromkähnen, die nicht zur Frachtschifffahrt dienen.
Der versteigernde Kommissarius muß, zur unmittelbaren Ablieferung der gelö
sten Gelder ins gerichtliche Depositum, angewiesen werden.
Gold und Silber darf niemals unter der nach dem Gewichte bestimmten Taxe
verkauft; sondern es muß, wenn in der Aukiion nicht so viel geboten wird, zur
Münze, gegen Bezahlung der bei dieser angenommenen Sätze, geliefert werden. —
K. 226—232, I. S« A. «. R. — z. 1 des Subh. Ges. vom 4. März l«34 GS.
S. 39. Res. vom 6. Juni 1«!5. Jahrb. 5, S. 34.
II. Gehört eine Handlung, eine Fabrik oder ein ausgebreitetes
Gewerbe zur Masse, deren vorläufige Fortsetzung bei der Siegelung zur Vermeidung
von Nachtheile» angeordnet ist (378 Nro. 2)z so muß der Administrator und der
Jntcrimskurator dieselbe so viel als möglich im gewöhnlichen Gange zu erhalten
suchen. Inzwischen muß in dem zur Wahl des Kurators anstehenden oder in einem
besonders anzusetzenden nahen Termin zwischen dem Kurator und den persönlich
oder durch Bevollmächtigte anwesenden Gläubigern unter Direktion des Gerichtsde-
putirten überlegt und verabredet werden:
ob das Waarcnlager sofort gerichtlich entweder in Pausch und Bogen,
oder einzeln verkaust, oder
ob die Handlung, um die Waarcn nach und nach mit minderem Verlust
in Geld zu setzen, oder aus andern Ursachen, noch eine Zeit lang fort,
gesetzt, wem dann die unmittelbare Führung derselben aufgetragen; was
ihm dabei für Schranken und Verhaltungsregeln, wegen der Art seiner
Verwaltung, Ablieferung der Verkaufsrechnungen und Gelder, oder sonst
vorgeschrieben; ob die Aufsicht über ihn ausser dem Kurator zugleich
einem oder mehren am Orte gegenwärtigen sachverständigen Gläubigern
übertragen; ob, wie oft, und in welcher Art, Revisionen vorgenommen,
und was etwa sonst noch für Bestimmungen zur Sicherstellung und För
derung des Interesse der Gläubiger festgesetzt werden sollen; endlich wa<
dem Administrator für eine Belohnung zu bewilligen sei?
Der Kurator muß demnächst den getroffenen Bestimmungen nachkommen, und dar
über wachen, daß der Administrator bei Fortsetzung des Geschäft« in den beschlösse«
«en Grenzen handle. Ist daher nicht ein Andres beschlossen; so darf er keine neue»
Geschäfte anfangen, keine Wechsel ausstellen und akzeptiren, noch weniger aber, aus
ser dem Arbeitslohn für die von den Arbeitern inzwischen etwa fertig abgelieferte»
Waaren, an die Gläubiger Zahlung leisten. Er muß sich begnügen, die schon an,
gefangenen Geschäfte gehörig zu Ende zu bringen, die in der Arbeit befindlichen
Waaren fertig machen zu lassen, und den Verkauf der fertigen Waaren auf Mes
sen, Jahrmärkten oder sonst für baorcs Geld, keineswegs aber auf Kredit, fortzusetzen.
Der Administrator ist befugt, die ausstehenden Forderungen') einzuzieh«, utid
') Versteht sich von selbst nur die Forderungen, welche aus dem von ih« vMval-
tetm Geschäfte vor ihm und durch seine Verwaltung entstanden find.
384
darüber zu quittiren. Doch muß er die Gelder, so weit sie nicht zur Fortsetzung
des Geschäfts nöthig sind, unverzüglich zum gerichtlichen Depositum abliefern. Nur
einen Borschuß zum Betriebe des Geschäfts kann er zurückbehalten, auch, wenn so
viel Geld nicht eingeht, als nöthig ist, gerichtliche Autorisation erlangen, um unter
Zuziehung des Kurators ein Darlehn aufnehmen zu können.
Der Administrator kann auch, fo oft es die Geschäfte erfordern, die in Be
schlag genommenen Handlungsbücher und Korrespondenz, im Beisein des Kurators,
oder des ihm bestellten Aufsehers oder eines Gerichtsmitgliedes, einsehn.
Einer besondern Kautionsleistung Seitens des Administrators bedarf es in der
Regel nicht. Dagegen muß ihm aber das Gericht, ausser dem Kurator, allemal einen
besondcrn Aufseher aus der Zahl der am Orte wohnenden Gläubiger, oder, wenn
sich unter diesen kein fähiges Subjekt findet, einen andern Sachverständigen beiord
nen. Diesem liegt ob, die Verwaltung des Administrators ununterbrochen zu kon-
trolliren, besonders aber mit Zuziehung des Kurators von Zeit zu Zeit, und wenig
stens wöchentlich ein Mal, dessen Kasse zu revidiren, für Ablieferung der eingegan
genen, zum Betriebe des Geschäfts nicht nöthigen Gelder ans Depofitorium, zu sor
gen; überhaupt aber in allen vorkommenden zweifelhaften Fällen dem Administra
tor mit Rath und Gutachten zur Hand zu gehen.
Die Belohnung des Administrators setzt, wenn sie in obigem Termine nicht be
stimmt ist, das Gericht fest. Dies erthcilt auch dem Administrator über seine Ver
waltung die nöthige Anweisung.
Liegt der Fall vor, in welchem während der Messe oder des Markts Konkurs
über das Vermögen eines Kaufmanns ausbricht. So muß schleunig Termin zur
Berathung des Jnterimskurators und der anwesenden Gläubiger oder Bevollmäch
tigten über Fortsetzung oder Nichtfortsctzung des Geschäfts angesetzt werden, damit
im ersten Falle die Messe oder der Markt noch zum Einkauf von Materialien oder
Maaren benutzt werden kann. — §. 239—24«. Anh. §. 336-339, 348, 1. 5« A. G. O.
3) Durch Einziehung der Forderungen, Besoldungen und Pensionen;
§. 382. III. Der Kurator muß ferner I) dafür sorgen, daß die ausstehen
den Forderungen, so wie der abzugsfähige Theil der Besoldungen,
Pensionen, oder a. dergl. Hebungen zur Zeit der Fälligkeit ins gerichtliche
Depositum oder an den von den Gläubigern etwa bestellten besonderen Empfänger
gezahlt werden.') Mit den Schuldnern der Masse muß er deshalb in Korrespon
denz treten. Widerspricht einer derselben der an ihn gemachten Forderung; so muß
der Kurator davon und den Gründen des Widerspruchs, ingleichen von den Vermö
gensumständen des Schuldners, so viel er davon hat erfahren können, mit Beifü
gung seines Gutachtens dem Gericht Anzeige machen, und weitere Anweisung er
warten. Findet das Gericht die Sache zur weiteren rechtlichen Erörterung geeignet;
so weist es den Kurator, im Falle des §. 376, I. den Kontradiktor, zur Anstellung
der Klage wider den Schuldner bei dessen kompetenten Richter, an. — Erachtet das
Gericht die sofortige Ausklagung einer solchen Schuld für bedenklich, weil wegen
ihrer Richtigkeit wichtige Zweifel und Anstände vorhanden; oder Schuldner annehm
liche Vergleichsvorschläge gemacht hat; oder dadurch beträchtliche Kosten zu besorgen,
und nach den Vermögensumständen des Schuldners wenig Hoffnung zur Beitrei
bung vorhanden ; so muß nach Berufung der Gläubiger gemäß S. 376, II. ihre Er
klärung erfordert, und darnach das Weitere vom Gericht verfügt werden.
2) Damit das Gericht und die Gläubiger unterrichtet und versichert seien, welche
N85
Forderungen eingegangen oder nicht; in welcher Lage sich die desfalsigcn Prozesse be-
finden z und daß dieselben gehörig betrieben werden: so muß der Kurator darüber
alle Monate einen deutlichen Bericht, Post für Post, mit Beziehung auf
die Nummern des Inventars, von Amtswegen und unaufgefordert abstatten.
ö) Der Kurator muß auch wegen zinsbarer Unterbringung der zum
Depositum stiessenden Gelder Anträge formiren, und nöthigenfalls deshalb die Gläu
biger befragen. — z. 233-237. §. 24«, l. 5« A. G. O. — Cob.-Ord. vom 3.
Mai l«21 GS. S. 4«.
Vierter Abschnitt.
Bon Feststellung der Passivmasse und Kozirung der Gläubiger.
Vorladung zum Liquidationstcrmine und zwar
») der bekannten Gläubiger;
K. 384. I. Sofort nach Eröffnung des Konkurses muß von Amtswcgen die
Vorladung der bekannten und unbekannten Gläubiger zur Anmeldung
und zum Nachweis ihrer Forderungen angeordnet werden. I» der Vorladung wird
1) den Gläubigern die geschehene Eröffnung des Konkurses, mit Benennung des Ge-
mcinschuldncrö, und der etwa zur Masse gehörige» Güter bekannt gemacht;
2) ein Termin vor dem ebenfalls zu nennenden Gerichtsdeputirte» anberaumt, in
welchem scimmtliche Gläubiger persönlich oder durch einen BcvollmKchtigrm-chre
Ansprüche an die Konkursmasse gebührend anmelden, und deren Richtigkeit »sch-
wciscn sollen;
3) die Warnung beigefügt, daß die in diesem Termine nicht Erscheinenden mit al
len ihren Forderungen an die Masse präkludirt, und ihnen deshalb gegen die
übrigen Gläubiger ein ewiges Stillschweigen auferlegt werden solle;
4) zugleich werden den auswärtigen Gläubigern zur etwanigen Auswahl und Er
583
theilung von Vollmacht und Information einige Justizkommissarien in Vorschlag
gebracht. — Z. 98, 99, I. 50 A. G. O.
II. Die bekannten Gläubiger werden durch besondre an sie gerichtete
Verordnungen vorgeladen. In der Regel ist auch für sie der allgemeine Liqui-
dationstcrmin bestimmt. Doch können zur Beschleunigung der Liquidationen die am
Orte des Gerichts, oder in der Nachbarschaft wohnenden bekannten Gläubiger, noch
vor dem durch die Ediktalladung anstehenden Konnotationstermin zu einem kurzen,
etwa vier Wochen hinaus zu rückenden Termin, vorgeladen werden. — Z. IVO und
Anh. z. 322 a. a. O.
Hl. Durch besondre Verordnung werden vorgeladen:
1) alle Realgläubiger, deren Anspruch sich aus den, über die, zur Masse gehörigen
Grundstücke, lautenden Hypothekenscheinen ergibt. Diese Hypothekcnscheine muß,
wenn sie nicht schon bei den Akten sind, der Kurator beschaffen;
2) die, welche nach Angabe des Gemeinschuldncrs, dem von ihm eingereichten Vcr-
mögensverzeichniß oder dem aufgenommenen Inventar für Darlehne Faustpfän
3) der
die, inwelche
Händen haben; bei den Akten gemeldet haben, und entweder persönlich an
sich bereits
wesend sind, oder durch einen dem Richter angezeigten Bevollmächtigten vertre
ten werden; es mögen die Forderungen derselben noch rechtshängig sein, oder
bereits unter Exekution stehen;
4) alle Gläubiger, deren Namen und Aufenthalt aus dem Inventar oder dem vom
Schuldner eingereichten Berzeichniß bei den Akten bekannt sind. ' )
5) Gehören Grundstücke zur Masse; so muß bei städtischen Grundstücken auch der
Kämmerci- und der Feuersozietätskasse, bei ländlichen dieser und der betreffenden
Polizeiobrigkeit Kenntniß gegeben werden. Gleiche Nachricht reicht auch in Be
treff der Anstalten, die nach K. 379, III. Pfänder nicht herauszugeben brauchen,
und bei bepfandbrieftcn Gütern in Betreff des Kreditinstituts aus. — §. 10t —
102. z. 106 a. a. O. — Z. 15 Gcs. vom 28. December 184«.
IV. Die Behändigung der Vorladungen geschieht den bekannten Gläu
bigern auf die gewöhnliche Art (F. 57—59). Die Vorladung der unter III. Nro. 4
Genannten wird stäts durch die Post bewirkt.
In Ansehung geringfügiger Forderungen auswärtiger Gläubiger, oder solcher,
die dem Vermuthen nach der Sprache, in welcher die Verordnung zu erlassen ist, 2)
nicht mächig sind, ist eine vom Kurator zu bewirkende und durch seine Manualak-
ten nachzuweisende Bekanntmachung des anstehenden Liquidationstermins zureichend.
Die dem Aufenthalte nach unbekannten Real- oder Pfandgläubiger werden in
der Ediktalladung namentlich mit vorgeladen. Der Kurator muß in Betreff dersel
ben zwar ebenfalls nachweisen, daß deren Aufenthalt unbekannt sei, und er sich um
dessen Ausforschung vergeblich bemüht habe; doch kann, um die Veröffentlichung der
Ediktalladung nicht allzu sehr zu verzögern, der Nachweis später geführt werden. —
§. 104-106 Anh. §. 323, 324, I. 5« A. G. O.
b) der unbekannten Gläubiger und c) des Gemeinschuldncrs.
Z. 385. I. Die nach Nro. I. des vorigen K zu fassende Vorladung der un
bekannten Gläubiger geschieht durch Ediktalicn. Diese Ediktalladung wird
>) Diese sind vor andern vorzuladenden Gläubigern nur in so fern im Nachtheil,
als sie, wenn sie künftig zur Hebung kommen, die Kosten der Vorladung tra
gen müssen. Uebrigens sollen alle Gläubiger portofrei vorgeladen , und das
Porto auS der Masse vorgeschossen werden.
2) Also die der witschen, und im Großhcrzogthum Posen der tcutschcn oder polni
schen Sprache nicht machtig sind, d» hier beide Geschäftssprachen.
689
, ^ an der Gerichtsstättc ausgchangcn; und
S. ausserdem in öffentlichen Blättern bekannt gemacht. Die Zahl und Art dieser
Bekanntmachungen und die Hinausrückung des Termins hangt von dem Betrage
der Aktivmasse ab. Bei Berechnung derselben kommen die §. 69, II. enthaltenen
Grundsätze ebenfalls zur Anwendung. Doch kommen von dem angenommenen Werths
der Immobilien und der beweglichen Pfänder, die auf ersteren nach Ausweis des
Hypotbckenscheins eingetragenen Posten, und die auf letzteren haftenden Pfandschul-
dcn in Abzug, so daß nur der nach diesen Abzügen sich ergebende Ueberschuß des
Werths, mit der übrigen Masse zusammengerechnet, den Maasstab zur Abmessung
des Termins und der Zahl der Bekanntmachungen gleit.") Ungelöschte Hypothe
kenforderungen werden selbst dann abgezogen, wenn der Richter die Tilgung für
wahrscheinlich halten sollte. — Beträgt hiernach die Aktivmasse
1) mehr als IVO« Thlr.; so wird der Termin auf drei Monate, von der ersten
Einrückung in die Jntelligenzblättcr gerechnet, hinaus angesetzt, und die Ein«
rückung erfolgt sechs Mal in die Jntelligcnzblätter, nemlich in den ersten beiden.
Monaten monatlich, in dem letzten Monat wöchentlich;
2) mehr als 200 Thlr., aber nicht über IVOS Thlr.z so wird der Termin auf neun
Wochen angesetzt, und die Ediktalladung in die Jntelligenzblätter geschieht drei Mal,
nemlich alle 3 Wochen ein Malz
S) nur 200 Thlr. oder weniger z so wird der Termin auf sechs Wochen angesetzt,
und die Ediktalladung alle 14 Tage, also 3 Mal, in die Jntelligenzblätter eingerückt.
In Provinzen, wo Jntelligenzblätter fehlen, erfolgt die Einrückung statt der
selben in den Anzeiger des Amtsblatts. Nach Umständen kann jedoch auch ein-
oder mehrmalige Einrückung in die Zeitungen der Provinz, und nach dem Ermessen
des Gerichts und mit Rücksicht darauf, daß der Gemeinschuldner in eine andre Pro
vinz oder ins Ausland Geschäfte betrieben hat, die Einrückung in die Zeitung einer
andern Provinz gewählt werden. Doch ist die Insertion in die Zeitung niemals
wesentlich nothwendig.
Die Abreissung des Aushangs, ferner der Umstand, daß bei Einrückung in die
Blätter um 14 Tage gefehlt worden; so wie ein Fehler darin, daß statt sechsmal
nur drei Mal die Einrückung in die Intelligenz- resp. Amtsblätter erfolgt ist, hin
dern nicht die Abfassung des Präklusionsurtels.
Ist jedoch die nach der Aktivmasse zu wählende Art der Bekanntmachung und
Terminsfrist zweifelhaft; so muß die unmittelbar höhere Kolonne den Maasstab ge
ben. — 8. 107—113, Anh. §. 325—327, Anh. §. 4«0, Anh. Z. 59, 61, I. SO A.
G. O. Res. vom 21. September 181«. Gräff, Koch zc. III. S. 1043. — Res.
vom 8. Oktober 1801. Rabe 6, S. 608. — Verord. vom 3. Mai 1804. Rabe
8, S. 43. — Res. vom 8. Januar 1806 und vom 6. Oktober 181«. Rabe 8,
S. 433. Bd. 1«, S. 425. — Res. vom 1. März 1317. Jahrb. 9, S. 22.
II. Zum Liquidationstermin wird auch der Gemeinschuldner, wenn er
noch am Leben, und zwar, falls sein Auftnthalt bekannt ist, durch besondre Vorla
dung, sonst aber in der Ediktalladung namentlich vorgeladen, damit er dem Kon-
tradiktor die ihm beiwohnenden, die Masse betreffenden Nachrichten mittheile, und
besonders über die Ansprüche der Gläubiger Auskunft gebe. — Z. 114, 1.50 A.G.O.
„ Verfahren im Liquidationstermine und Präklusionsurtel.
Z. 386. I. In der Zwischenzeit bis zum Termin muß der Kontradiktor durch
Einsicht der Bücher, der Rechnungen und übrigen Schriften des Gemeinschuldner«,
durch Befragen desselben oder derer, welche hauptsächlich seine Geschäfte geführt ha-
') Betragen die Real- oder Pfandschulden mehr, als der Werth des Pfandes; sg
kommt nurdieser Werth in Abzug.
38
590
ben, und mittelst Durchsicht der über Forderungen einzelner Gläubiger etwa schon
verhandelten Akten, über den Grund und die eigentliche Bewandniß der etwa an die
Masse zu machenden Ansprüche vorläufige Nachricht einziehn, und sich so auf den
Liquidationstermin vorbereiten. — Z. 115 a. a. O.
II. Im Termine selbst werden zunächst
1) der Aushang, die über die Ediktalien sprechenden Belagsblätter, und die Behä'n-
digungsscheine der speziel Borgeladenen, zu den Akten genommen;
2) die erschienenen Gläubiger nach einander, wie sie sich melden, unter fortlaufenden
Nummern nach Namen und Karakter oder den sonst, zu ihrer Unterscheidung
von Andern, dienenden Bezeichnungen, ins Konnotationsprotokoll aufgeführt, und
bei jedem die Art und der Betrag seiner Forderung und der Grund derselben,
wenigstens im Allgemeinen, angegeben.
3) Erscheinen auswärtige Gläubiger persönlich; so sind sie zur Wahl eines am
Orte befindlichen, zulässigen Bevollmächtigten aufzufordern, und zu bedeuten:
daß sie sonst, wenn Rücksprache der Gläubiger mit dem Kurator oder dem Ge
richte im Laufe des Konkurses nöthig wird, dabei nicht zugezogen, vielmehr an
genommen werden solle, daß sie den Beschlüssen der übrigen Gläubiger und dm
Verfügungen des Gerichts sich unterwerfen.
4) Dem Kontradiktor wird hierauf Kenntniß von den Anmeldungen gegeben,') und
er muß auf Präklusion der Nichterschienenen antragen. — Z. 97, 116, 117, I.
SV A. G. O.
III. Sofort nach Abhaltung des Liquidationstermins muß das Präklusions-
erkenntniß abgefaßt werden. Dasselbe muß sich sowol auf die nicht erschienenen un
bekannten, als auf die bekannten und gehörig vorgeladenen, jedoch nicht erschienenen
Gläubiger, erstrecken. Diese werden darin namentlich prökludirt. Die Präklusion er»
folgt gemäß der gestellten Warnung. Die Wirkung derselben besteht in dem Ver
luste aller Rechte an die Masse, und die übrigen, dieselbe unter sich vertheilendm
Gläubiger. An die Person des Schuldners und dessen künftiges Vermögen behalt«,
die Präkludirten jedoch ihre Rechte. — Auch den Pfand- und Hypothekengläubigern
steht die, in Bezug auf die übrige Masse erfolgte Präklusion, bei Verfolgung ihres
Anspruchs auf Befriedigung aus den verpfändeten Gegenständen nicht entgegen.
Den nicht gehörig vorgeladenen bekannten Gläubigern, welche ausgeblieben sind,
werden ihre Rechte vorbehalten.
Die Publikation des Pröklusionsurtels erfolgt in Betreff der unbekannten Gläu
biger durch vierzehntägigen Aushang; den namentlich Präkludirten wird Ausferti
gung in Kraft der Publikation zugefertigt. Der Kontradiktor erhält ebenfalls
Ausfertigung.
Gegen das PrMusionsurtel ist Restitution zulässig (§. 191). Das PrZklufionS-
«rtel selbst ist stempel- und gebührenfrei. — Z. 1S7, 143—145, I. 50 A. G. O.
Verord. vom 16. März 1825 GS. S. 15«. — Ges. vom 5. Mai 1838 GS. S.
273. — Z. IS Verordn. vom 28. December 184« GS. 1841 S. 7.
Vom Verifikationstermine.
§. 387. Sogleich nach Abfassung des Pröklusionsurtels muß Termin zur nä
heren Begründung der Ansprüche der Gläubiger Derifikationstermin) angesetzt wer
de». Glaubt der Deputirte bei der grossen Zahl der liquidirenden Gläubiger, in
Einem Termin mit Erörterung aller Forderungen nicht fertig werden zu können;
') Bon den vor dem Termin eingehenden schriftlichen Anmeldungen muß Kontra
diktor bald nach Singong Abschrift schalten. — K. 122, I. S« A. G. V.
591
so muß er mehre Termine bestimmen, und zu jedem derselben eine gewisse Anzahl
von Gläubigern vorladen. >) Im Termine wird
1) jeder Liquidant besonders, und zwar der von Auswärts Erschienene vor Andern,
über seine Forderung vernommen. Er muß diese ncch bestimmter und näher an
geben; die Thatsachen, worauf sie beruht, eben so, wie in jeder Klage, beutlich
und zusammenhängend vortragen; wenn er Zinsen fordert, den Grund dazu, und
den Termin, seit welchem sie rückständig sind, so wie den Zinssatz, anzeigen; die
Qualitiit der Forderung und die beanspruchte Stelle im Privritätsurtel deutlich
ausdrücken; die darüber sprechenden Urkunden und schriftlichen Beweismittel im
Original vorlegen, und die sonst für den Läugnungsfall zu wählenden Beweis-
Mittel angeben. Hat ein Liquidant, was ihm frei ficht, bereits vor oder im
Konnotationstrrmin eine mit vorstehenden Erfordernissen versehene Liquidations
schrift eingereicht; so muß er dennoch im Konnotations- und im Verifikations
termin erscheinen. Es gnügt jedoch, wenn er sich auf scine Schrift bezieht.
2) Ueb« jede Forderung, die im Termin erörtert wird, muß auf befondrem Bogen
eine Verhandlung aufgenommen, und diese mit der Nummer, welche die Forde
rung im Konnotationsprotokoll erhalten, bezeichnet werde«. Nur über mehre
eingeräumte Forderungen kann Ein Protokoll ausgenommen werden.
Sodann wird der Kontradiktor über jede Forderung gehört ; und seine Erklärung
in das betreffende Protokoll niedergeschrieben. Nimmt er
s) die Forderung überall für bekannt an; so bedarf es darüber keiner weitern
Verhandlung. 2)
d) Macht er aber Einwendungen dagegen; so erfolgt förmliche Instruktion Äb«
das Liquidat.
4) Auch andre Gläubiger könne« den Ansprüchen ihrer Mitgläubiger selbst den vom
Kontradiktor eingeräumten Posten, Einwendungen entgegensetzen, und diese müs
sen in das, über die betreffende Forderung lautende Berisikationsprvtokoll nieder
geschrieben werde». Hat nun ein solcher Gläubiger, welcher gegen die Ansprüche
eines andern Gläubigers Einwendungen vorbringt,
«) Interesse bei der Sache um deswillen, weil dieser ein vorzüglicheres oder ein
gleiches Recht, als jener, verlangt; so muß auf die Einreden jederzeit Rück
sicht genommen werden, sie mögen die Richtigkeit oder die behauptete Prio
rität der Forderung betreffen. Dem Einwendenden steht selbst dann, wenn
der Kontradiktor und die Mitgläubiger die Einredm für unerheblich halten,
frei, auf Instruktion derselben zwischen ihm und dem Liquidanten, jedoch nicht
auf Kosten der Masse, anzutragen.
K) Hat er aber kein Interesse zur Sache; so kann er nur seine Bedenken nebst
Gründen dem Kontradiktor und den interessiren den Gläubigern anzeigen; und
von diesen hängt es dann ab: in wiefern sie davon Gebrauch machen, und
auf nähere Untersuchung dringe» wollen.
5) Im Termin muß endlich der Deputirte den vom Kurator gemäß Z. 376, I. Nro. 4
entworfene» ungefähren Ueberschlag der Aktivmasse dm Gläubigern vorlegen, da
mit die, welche darnach keine Aussicht auf Befriedigung haben, ihrem Ansprüche
an die Masse, mit Borbehalt ihrer Rechte an den Gemeinschuldner, zur Kosten-
1) Die Vorladung der Gläubiger zum Verisikationstermine muß unter der War-
daß sonst anzunehmen, sie «ollen ihr Liquidat nicht näher be-
können sich ausbleibende Gläubiger noch bis zum Jnrotutalions-
2) Zugeständnisse des Kurators können dieser und die Glaubiger nur unter densel
ben umständen widerrufen, wie die Parteien ihre Zugeständnisse. — Erk. des
Geh. Ob. Trib. vom IS. August 1834. Simon Entsch. 1, S. III sg.
38"
S92
fparung entsagen können. Gläubiger, welche »ach Einficht des Ueberschlags im
Zweifel darüber bleiben, ob sie Befriedigung erreichen dürften, und Bedenken tragen,
einerseits zu entsagen, anderseits die Kosten einer weitläufigen und vielleicht fruchtlo
sen Erörterung und Beweisaufnahme zu wagen; können die Aussetzung der Instruk
tion ihres Liquidats bis zur genauern Uebersicht der Masse beantragen. — Sie müs
sen aber auf den Fortgang der Sache und die nähere Entwickelung des Betrags
der Aktivmasse wohl Acht geben, und jene Instruktion beantragen, sobald einige
Hoffnung auf Befriedigung sich zeigt. Zögern sie, so daß demnächst durch die
nachzuholende Instruktion ihrer Liquidste die Bcrtheilung der Masse aufgehal
ten wird; so müssen sie den übrigen Mitgläubigern für die durch den Verzug
ihnen entgangenen Zinsen oder erwachsenen Kosten gerecht werden. — §. 119—
130, I. ö« A. G. O. — Res. vom 16. Juli 1801. Rabe 6, S. 554.
>) Gläubiger der ersten Klasse können sofort, wenn ihr Anspruch feststeht, Befrie
digung verlangen. Sie können daher auch darauf dringen, daß in Bezug auf
sie ein besondres Erkenntniß vor dem Klassisikationsurtel abgefaßt werde. —
Res. vom 31. December 1»l9. Jahrb. 14, S. 212. — Pfand - und Hvvo-
thekenzlciubiger brauchen sich auf den Konkurs nicht einzulassrn; können mithin
auch besondre Entscheidungen beantragen.
2) Z. B. wenn der Anspruch des Liquidantcn sich aus einer zwischen ihm und dem
Gemeinschuldner stattgehabten Sozietät herschrcibt, und zu dessen vollständiger
Ausmittelung eine förmliche Auseinandersetzung nöthig ist. — S. 138 g. o. O.
5S4
Doch müssen solche Liquidanten die durch verspätetes Melden entstehenden Mehr
kosten tragen. S. 142 o. a. O.
Bom Klassifikationsurtcl. Dessen Inhalt und Form.
Z. 39». In dem hiernächst abzufassenden KlasMationsurtel müssen
I. zunächst diejenigen mit ihren Ansprüchen namentlich präkludirt werden,
welche im Präkluslonsurtel wegen nicht gehöriger Borladung nicht präkludirt wer
den konnten, die aber auch später der gehörigen Borladung ungeachtet nicht erschie
nen sind. — §. 143 fg. I. 5« A. G. O.
II. Hiernächst werden denen, welche sich auf den Konkurs nicht einzulassen
brauchen (§. 392), ihre Rechte in so weit vorbehalten, als sie ausserhalb
des Konkurses dieselben geltend machen können. — K. 146 a. a. O. S. 15 Ges.
vom 28. Decbr. 184».
III. Ferner muß bestimmt werden, daß die gemeinschaftlichen (Kommun,-)
Kosten aus der Masse vorweg zu entnehmen, bei Bertheilung der Masse aber den
zur Hebung kommenden Gläubigern (mit Ausnahme der gesetzlich davon befreite»,
und zu bezeichnenden) nach Verhältnis? ihrer Hebung anzurechnen z daß dagegen die
Kosten der Liquidationen jeder Gläubiger für sich zu tragen schuldig. — §. 153, 147,
Anh. F. 33», I. 5V A. G. O.
IV. Ferner muß der Tag der Konkurseröffnung festgesetzt werden, da
von diesem ab die laufenden Zinsen aufhören, und der privilegirte zweijährige Zinsen-
Rückstand >) gerechnet wird. ^- §. 15«, 152 a. a. O. (c5. jedoch V. Rro.4. s.)
V. Sodann sind sämmtliche liquidirende Gläubiger mit ihren Forderungen in
der Klasse, und der Ordnung anzusetzen, welche ihnen durch die Vorschriften der
nachfolgenden angewiesen sind.
Ausser den bei Beurtheilung der Wahrheit und Richtigkeit von Ansprüchen,
und den für Abfassung der Erkenntnisse überhaupt gegebenen allgemeinen Gesetzen
find dabei besonders noch folgende Vorschriften zu beobachten;
1) Bei jedem Ansprüche muß sowol die Richtigkeit desselben, als die ibm nach
der KlasMationsordnung gebührende Stelle beurtheilt werden. Rur den
Ansprüchen, in Betreff deren gemäß I. Nro. 1 und 2 des vorigen §. die In
struktion noch vorbehalten, oder noch nicht vollständig beendet ist, 2) wird im
KlasMationsurtel blos der ihnen gebührende Ort angewiesen; die Entscheidung
über ihre Richtigkeit aber bleibt einem NachtragserKnntniß vorbehalten. — Z. 13«,
13S, 148, 149. a. a. O.
2) Wird ein Gläubiger mit feinem ungegründet befundenen Ansprüche gänzlich ab
gewiesen; so muß diese Abweisung an dem Orte erkannt werden, wo die Forde
rung, wenn sie richtig gewesen wäre, hätte angesetzt werde» müssen. — H. 165 a. a. O.
3) Wird eine Forderung zwar für richtig befunden, jedoch nicht der verlangte, son
dern ein anderer Ort zugestanden; so erfolgt die Abweisung bei jener beanspruch
ten Stell«, und dagegen die Susprechung an dem ihr bewilligten Orte. Hat ein
Glaubiger verschiedene Forderungen liquidirt, denen ihrer Beschaffenheit nach
verschiedene Stellen gebühren; so dürfen sie nicht unter Einer Nummer, sondern
es muß jede unter einer besondern Nummer an dem ihr zukommenden Orte an
gesetzt werden. — §. 164 fg. K. 148 a. a. O.
4) Mit dem Kapitale zugleich und an derselben Stelle müssen auch die etwa-
mgen,, von Konkurseröffnung zurückberechnctm, zweijährigen Zinsenrück
stände, so wie diejenigen Kosten angesetzt werden, welche dem Gläubiger
1) Bei Umwandlung des erbschaftlichen Liquid. Prozesses in Konkurs w«rd«» diese
zweijährigen Sinscnrückstände ebenfalls von Konkurseröffnung zurückgerechnet.
2) Hierhin gehört auch der §. 393, Nro. 11 «wähnte Fall.
595
bei Einklagung dieses Kapitals vor eröffnetem Konkurse erwachsen, zu deren Er
stattung Gemeinschuldncr jedoch verurtheilt sein, und welche Gläubiger mittelst
richterlichen Festsetzungsdekrets vor dem Jnrotulationstermin liquidirt haben muß.
Nur in Betreff der Zinsen von hyvothczirten Kapitalien treten die Ausnahmen
«in, daß
s) der zweijährige Zinsenrückstand vom nächsten ersten Juli vor der verfügten
Subhastation zurückgerechnet wird; daß
ti) wenn die Eintragung innerhalb der letzten zwei Jahre geschehen ist, die Zin
sen nur von der Seit der Eintragung ab Realrecht haben, die übrigen zum
zweijährigen privilegirten Zinsenrückstand fehlenden aber an der Stelle lozirt
werden, wo das Kapital angesetzt worden, wenn eS nicht eingetragen gewe
sen wäre;
c) daß ältere, als zweijährige Zinsen von Realansprüchen, wenn sie binnen 4 Wochen
nach Verfallzeit eingeklagt sind, und die Exekution deshalb bis zur Kon
kurseröffnung gehörig fortgesetzt ist, in der sechsten Klaffe angesetzt werden;
daß ältere Zinsenrückstände, welche besonders im Hypothekenbuch eingetragen
sind, wie andre Hvvothckenforderungen beurtheilt werben. — §. 151—ISA
a. a. O. §. 21 des Subh. Ges. vom 4. Mörz 1834 GS. S. 45.
5) Jährliche Leistungen, welche nicht als beständige Last auf einem Grundstück
haften, sondern zu einer bestimmten oder unbestimmten Zeit wieder wegfallen,
z. B. Alimente, müssen am gehörigen Orte angesetzt, und ein Kapital, dessen
Zinsen zu ihrer Bezahlung hinreichen, unter Vorbehalt des künftigen Rückfalls
«> die Masse, ausgeworfen werden. — Z. 154 a. a. O.
6) Auch Forderungen, deren Verfalltag noch nicht gekommen, sondern
von der Existenz eines gewissen odcr ungewissen Zeitpunkts, oder einer Bedingung
abhängig ist, müssen gehörigen Orts lozirt werden. Von Berechnung des des«
folsigen Kapitals ist bei Vertheilung der Masse die Rede. — §. 155 a. a. O.
7) In Konkursen findet
^. Die Konpen sation gegen den Gläubiger statt!
s) wenn gegenseitig« Forderungen zwischen ihm und dem Gemeinschuldner schon
vor eröffnetem Konkurse bestanden haben;
b) wenn Jemand an die Konkursmasse, oder an den ganzen Inbegriff der Gläu
biger erst nach eröffnetem Konkurse eine Forderung erlangt hat, und ihr
etwas schuldig geworden ist;
e) wenn Jemand, der dem Gemeinschuldncr schon vor eröffnetem Konkurse etwas
schuldig gewesen, nachher ein Gläubiger der Konkursmasse geworden ist. >)
S. Sie findet dagegen nicht statt:
«) wenn Jemand dem Gcmeinschuldncr vor eröffnetem Konkurse etwas schuldig
war, und erst nachher eine Forderung an ihn, es sei aus einem neuen Ge
schäfte, oder durch Zession eines andern Gläubigers erlangte; und
b) wenn Jemand Gläubiger des Gemeinschuldners vor eröffnetem Konkurse ge
wesen, und erst nachher der Masse etwas schuldig geworden ist. — Doch,
ist sie in diesem Falle zulässig, wenn der Gemeinschuldner die Befugniß zur
Kompensation einer gegenwärtigen Forderung, womit er dem Gläubiger »er
haftet ist, auf eine künftige Schuld, womit dieser ihm verhaftet werden wird,
dem künftigen Schuldner schon vor eröffnetem Konkurse ausdrücklich einge
räumt hat. 2)
l) Dahin gehört der Fall, wenn ein Pächter die im Gute gemachten, und von der
Konkursmasse zu vergütenden Verbesserungen mit dem Pachtzinsrückstande kom-
pensirt. — K. S25, l. 16 A. L. N.
^) Z. B. wenn im Pachtverträge bestimmt ist, daß Pächter die gezahlte Kaution
596
c) Der Pächter kann die im Gute gemachten Verschlimmerungen, und etwa sonst
von ihm zu vertretenden Mängel, gegen die Gläubiger mit seiner dem Ge
meinschuldner baar eingezahlten Kaution niemals kompensiren.
6) Wenn unter zwei Mitverpflichteten die Konkursmasse des Einen dem Berech
tigten Zahlung leisten muß, und sich an den andern Mitverpflichtcten des
halb regressirt; so kann dieser gegen die Konkursmasse mit Forderungen, die
er an den Gemeinschuldner hat, nicht kompensiren, weil die Forderung der
Masse erst nach eröffnetem Konkurse entstanden ist. ....
l! Hat Liquidant mehre zur Kompensation geeignete Forderungenz so muß beim
Mangel eines Abkommens die Gegenforderung der Masse zunächst auf die bei ent,
ftandener Kompensationsbefugniß verfallenen Zinsen, so wie auf die jenem damals
erwachsenen Kosten; dann auf das zuerst, vom Gläubiger geforderte Kapital; dann
auf die am wenigsten Sicherheit gewährende Post; bei gleich beschaffenen Kapitakien
auf das am längsten verfallene, und wenn auch hieraus kein Bestimmungsgrund zu
entnehmen, auf alle Forderungen nach Verhältniß gerechnet werden.
v. War im Falle einer zulässigen Kompensation
s) die Forderung des Liquidanten bei Konkurseröffnung schon fällig (creilitiim pu-
rum); die bereits damals entstandene Forderung der Masse ist aber erst nach
einem gewissen Zeitpunkte zahlbar lMKituin in giem); so findet Kompensation
ohne Zinsenvergütung für die Zwischenzeit statt. ' ' '
d) Ist dagegen Liquidant der Masse eine sofort zahlbare Post schuldig (gebilum
purum), der Verfalltag feiner Forderung, die er an die Masse hat, aber noch
nicht eingetreten (ereöitum in cliem); so kann er zwar ebenfalls kompensiren;
er muß aber der Masse die Sinsen seiner Schuld bis zum Verfalltage vergüten. —
§. 156—16«, I. ö« A. G. O. — Z. 150-159. S, 317-327, 375, l. 16 A. «. R.
L) Hat Jemand
s) entweder einen Gläubiger unmittelbar bezahlt, oder dem Gemeinschuldner
Geld unter der ausdrücklichen Bedingung geliehen, daß ein andrer Gläubiger
damit bezahlt werden soll, und ist diese Befriedigung wirklich erfolgt; oder
d) hat er als Bürge für den Gemein- und Hauptschuldner einem Gläubiger
Zahlung geleistet; so trit er an die Stelle des bezahlten Gläubigers, und
muß im Klassifikationsurtel daselbst angesetzt werden, wenn er sich auch dessen
Rechte nicht ausdrücklich hat zcdiren lassen (jus subintrsnlZi). Dies gilt auch
in Betreff der besonders bevorzugten Forderungen. — Bei bezahlten Pfand-
schulden muß jedoch das Pfand dem Bezahlenden ausgefolgt sein, und bei bezahl»
ten Hypothekenschulden müssen diese noch ferner auf den Namen des befriedigten
Gläubigers eingetragen stehen, da sonst dem Bezahlenden das Pfandrecht ver
loren ist, und derjenige, durch den eine hypothezirte, und hiernächst gelöschte oder
anderweit zedirte Post berichtigt ist, nur an der Stelle lozirt wird, welche die
Post, wenn sie nicht eingetragen gewesen wäre, gehabt hätte. — §. 161 Anh.
z. 331, I. 50 A. G. O.
S) Liquidirt ein Ausländer in einem inländischen Konkurse; so wird gegen ihn dann
Retorsion geübt,') wenn im Vaterlande des Ausländers zwischen dortigen
sich auf die letzten Pachtraten rechnen solle. Doch kann Pächter gegen die frü
her, als seine Kaution, ins Hypothekenbuch eingetragenen Forderungen dies Kom
pensationsrecht nicht einwenden. — Z. 323, 324, I. 16 A. L. R. ,
') Nach Z. 44 Einl. z. A. L. R. dürfen Unterrichter ohne Genehmigung ihrer Vor
gesetzten gegen Fremde niemals aus Retorsion erkennen. Waltet daher im Kon
kurse ein solcher Wiedervcrgeltungsfall vor; so wird der Unterrichter vor Abfas
sung der KlasMatoria das Obergericht um Genehmigung angehen müssen. Der
Cessionar eines solchen Fremden erlangt übrigens durch die Cessio« kein besseres
Recht. - j. 45 Einl. A. L. R. . . . . " -2: .". -
397
und hiesigen Unterthanen k!n Unterschied zum Nachtheil der Letzter« gemacht,
und diesen dasjenige Recht, welches einheimischen Forderungen von völlig gleicher
Beschaffenheit nach dasigen Gesetzen zukommt, blos um deshalb, weil sie Fremde
sind, versagt wird. — z. 162 a. a. O.
10) Die Entscheidungsgründe, sowol über die Richtigkeit, als Priorität, müs
sen in Betreff jeder einzklncn Post unmittelbar hinter derselben beigefügt wer«
den. — §. 163 a. o. O.
1) Auch, wenn vor Konkurseröffnung die Sequestration eingeleitet war, und der
Sequester zur Erhaltung der sequestrirten Grundstücke Vorschüsse oder Darlehne
machen mußte, kann deren Erstattung snl« omnes gefordert werden. — Erk.
des Geh. Ob. Tr. Entsch. Bd. 1, S. 233, 265. Res. vom 17. April 1808.
Gräff, Koch ,c. Itl. S. t«62.
- 2) Dahin gehören auch
») die seit Einleitung der Sequestration liquidirtcn Kosten der Regulirung der
bäuerlichen Verhältnisse, der Ablösungen und Auseinandersetzungen; — Res.
vom 14, Septbr. 1827. Jahrb. 3«, S. 135;
b) die seit Konkurseröffnung liquidirten von den Gutsherrschaften subsidiarisch
zu tragenden Untersuchungskosten; — Res. vom 1«. November 1834. Gräff,
Koch ,c. IN. S. 1063.
c) diejenigen, welche zur Ablösung solcher Lasten das Kapital hergegeben habe». —
V. »om 16. März 1811 GS. S. 162.
Die auf Grund besonderer Kontrakte, oder sonstiger spezieller Rechtstitel zu
gewährenden Lasten gehören nicht hierher. — Plen. Beschl. des Geh. Ob.-Trib.
vom 22. April 1344 Z. M. B. S. 234.
599
gefügten Schadens, der fehlenden Jnvcntaricnstücke und überhaupt aller aus
dem Wiechs- oder Pachtvertrage fliessenden Verbindlichkeiten in Bezug auf
die bei Konkurseröffnung im vcrmictheten oder «erpachteten Grundstücke be-
findlichen Effekten des Gemeinschuldners;
der Gastwirth wegen Bezahlung für Quartier und Beköstigung hinsichtlich
der zu ihm gebrachten Sachen;
ch die Schiffer und Fuhrleute wegen Fracht-Zollgeldern oder andrer Aus
lagen in Betreff der bei Konkurseröffnung noch in ihrem Gewahrsam oder
auf dem Zollamte oder dem Packhofe befindlichen Waaren;
e) der Fertiger eines Werks wegen seiner Arbeit und Auslagen in Bezug
auf das noch inseinem Gewahrsam befindliche vom Gemeinschuldner bestellte Werk.
Wollen jedoch Hypotheken - und Pfandgläubiger und die diesen Gleichstehen
den mit einem Ausfall beim Pfände sich an die übrige Masse halten; so müssen
sie sich mit der desfalsigcn Liquidation im Konkurse, wie andre Gläubiger, mel
den. — Z. 287, §. 377 bis 383 a. a. O. — §.2 u. 15 des Ges. vom 28.
Dceember 184« GS. 1841 S. 4 fg. — §. 974, I. 11. K. 454 fg. II. S A. L, R.
S) Die nach §. 39«, V. Nro. 7 zur Kompensation Berechtigten. So weit
jedoch ihr Anspruch durch Kompensation nicht gedeckt wird, gehören sie zum Kon
kurs. — K. 288, I. 5« A. G. O.
t>) Gläubiger einer gemeinschaftlichen Handlung, welche zwischen dem
Gemeinschuldner und Andern bestand, müssen, wenn die Kreditmasse von den
Handlungsgenossen den dem Gemeinschuldner gebührenden Anthcil am Waaren-
lager, den Geräthschaften und ausstehenden Forderungen verlangt, aus der So
zietät befriedigt werden. — Die übrigen Gesellschafter können daher vom
Anthcil des in Konkurs verfallenen Gcmeinschuldncrs die Sozictätsschulden ver
hältnismäßig vorweg in Abzug bringen. Auch steht ihnen srci, wenn sie eine
Naturalfonderung der Handlung oder dem gemeinschaftlich unternommenen Ge
schäfte nachtheilig finden, darauf anzutragen, daß ihnen der Antheil des Gemein
schuldners nach einer genauen, durch Sachverständige anzufertigenden, gerichtli
chen Taxe überlassen werde.
Uebrigens gehört die Konkurseröffnung unter die veränderten Umstände, welche
sowol die Gläubiger des Gemeinschuldners, als die übrigen Gesellschafter zum
Antrage auf Aufhebung der Sozietät berechtigen, wenn auch sonst nach dem So-
zieteitsvertrage dieselbe noch länger fortzusetzen wäre.') — H. 289—291 a. a. O.
7) Die, welche schon vom Gemcinschuldner oder auch erst vom Kurator ausgeklagt,
mit ihren Gegenforderungen oder illiquiden Einwendungen aber zur Separat
verhandlung verwiesen sind, erhalten, wenn sie demnächst bei der Sepa
ratverhandlung obsiegen, die erstrittene Forderung
s) im Falle der Gcmeinschuldner gegen sie aufgetreten war, jedoch nur, wenn
sie zur gerichtlichen Deposition verstattet waren, aus der deponirten Summe
und deren Depositalzinsen nach Abzug der Depositionskosten;
t>) im Falle der Kurator gegen sie geklagt hatte, ebenfalls aus der Summe, zu
der sie selbst verurthcilt find, sie mögen sie nun deponirt oder zur Konkurs
masse gezahlt haben.
In beide» Fällen haben sie nur nöthig, wegen des etwanigen Ausfalls im
Konkurse zu liquidiren. — Z. 292, 293 a. a. O.
') Auch dann, wenn über das Sozietätsoermögen Konkurs eröffnet wird, steht den
Sozietätsgläubigern das Absondcrungsrccht zu, so, daß die Privatgläubiger des
Gesellschafters sich nur an den Verbleib nach Befriedigung der Erstcren und an
das übrige Vermögen des Schuldners halten können. — Erk. vom 3«. Sep
tember 1837 u. 3«. November 1858. Jux. Woch. 1839 S. 857 fg.
60«
S) Sind in den Fällen der gz. 370 und 371 zwischen dem Gemeinschuldner und
Dritten geschlossene Vertrage auf Antrag der Gläubiger aufgehoben worden; so
können diefe dritten Kontrahenten dasjenige Quantum, welches in Rücksicht des
vernichteten Geschäfts zur Konkursmasse geflossen, oder darin zur Zeit der Er«
öffnung des Konkurses noch vorhanden gewesen ist, ohne den geringsten Abzug
zurückfordern. — Z. 294 a. a. O.
9) War der Gemeinschuldner Beamter; so müssen der vorgesetzten Behörde dessel
ben alle seinen Dienst betreffenden Schriften; ingleichen alle die
Bücher, Karten, Instrumente und Utensilien verabfolgt werden, welche
dem Gemeinschuldner zur Verwaltung seines Amts anvertraut worden, vder
welche ohne Nachtheil des Dienstes nicht fremden Händen überlassen werden kön
nen. Hat der Gemcinschuldner dergl. Sachen auf eigne Kosten angeschafft; so
muH entweder der Werth nach einer billigen Tare vergütet, oder die Sachen
müssen in solchen Stand gesetzt werden, daß die Materialien für Rechnung der
Masse ohne Gefahr verkauft werden können.
Gleiches gilt, wenn Gemeinschuldner Militair war, in Betreff der de»
Dienstangehenden Rechnungen und Briefschaften, und der dem Re
giments oder der Kompagnie verbleibenden Gewehr- und Montirungsstü cke.
Z. 295, 69« I. 5« A. G. O.
lll) Hierher werden endlich auch Gläubiger gezählt, welche ein Sex «rat! onS-
recht haben. Diefes steht zu
.4. Den Gläubigern eines Erblassers, dessen Nachlaß dem Gemeinschuldner zuge
fallen ist, vorausgesetzt jedoch, daß jene Gläubiger vor Ablauf eines
Jahres nach dem Absterben des Erblassers ihre Befriedigung vom Erben
gerichtlich gefordert, und die Exekution wider ihn bis zum eröffneten Kon
kurse fortgesetzt, daß sie auch mit dem Erben keine Novation') vorgenommen
haben, und daß sie sich spätestens im Vcrisikationstermine bei Vorlegung
des Uebcrschlags der Masse auf diese Rechrswohlthat berufen. — Demnach
können einzelne Nachlaßgläubiger von dieser Wohlthat Gebrauch machen,
während andre derselben verlustig sind.
Das Separationsrecht hat zur Folge, daß die Nachlaßmasse von der Kon
kursmasse des Erben ganz gesondert und besonders verwaltet werden muß,
und daß daraus, in so weit sie bei der Konkurseröffnung noch in Natur,
sei es in Geldern, Forderungen, beweglichen oder unbeweglichen Sachen,
vorhanden, jene zum Separationsrecht Befugten ohne Rücksicht auf die Be-
' ' ' schaffenhcit ihrer Forderung an Kapital, Zinsen und Kosten vollständig befrie
digt werden. In gleicher Art können selbst Legatarien, wenn sie sich das Se-
parationsrccht auf obige Weise erhalten haben, dasselbe ausüben. Was dann
' übrig bleibt, fließt erst zur Konkursmasse. Die vom Erben auf Nachlaßgc-
genstände vor Konkurseröffnung eingeräumten und andre Pfand- und Hypo
thekenrechte erleiden jedoch dadurch keinen Nachtheil. — Reicht aber der se
parate Nachlaß zur Befriedigung der das Separationsrecht Uebcnden nicht
hin; so müssen diese Gläubiger nach der Klassisikationsordnung klassisizirt,
und darnach aus dem Nachlasse, so weit er reicht, befriedigt werden.
Die Ausfallenden können sich mit dem Ausfall im Konkurse des Erben
melden; den Gläubigern der Konkursmasse kommt aber dann die Rechtswohl-
that des Inventars in so weit zu Statten, als Gemeinschuldner, wenn er
^ ' ' noch über sein Vermögen verfügen könnte, sich darauf berufen dürfte.
') Diese geschieht dadurch, daß eine neue Verbindlichkeit ausdrücklich an die Stelle
der vorigen gesetzt wird. — §. 454, I. IS A. L. R.
«01
. . In wie fern bie Separationsberechtigtcn zur IV. ober VI. Klasse liqui»
diren können, davon wird unten die Rede sein.
Haben Erbschaftsgläubiger durch Novation oder durch zu spates Anmel«
den ihres Rechts dasselbe verloren, so sind sie, wie andre Gläubiger des Ge-
mcinschuldners, in dessen Konkurse zu loziren.
ö. Auch Gläubiger eines Erben, deren Forderungen älter, als der Erbanfall,
sind, haben das Recht, die Absonderung des Vermögens ihres in Konkurs
verfallenen Schuldners von dem Nachlasse dann zu erlangen, wenn Erbe eine
verschuldete Erbschaft ohne Vorbehalt des Inventars übernommen hat, und
dadurch zur Befriedigung der beiderseitigen Gläubiger unfähig geworden ist.
Die Gläubiger des Erben müssen jedoch, wenn sie dies Recht in Anspruch
nehmen, ihre Forderungen innerhalb Jahresfrist, nach übernommener Erbschaft
gegen den Schuldner eingeklagt, und die Exekution bis zur Konkurseröffnung
fortgesetzt haben. — Die Wirkung dieses Absonderungsrechts ist, daß die
Gläubiger des Erben, denen es zukommt, aus seinem abgesonderten Vermö
gen, jedoch unbeschadet der Pfand: und Hypothenrechte, vorzüglich befriedigt
werden. An das Uebrigbleibcnde können sich dann die Erbschafts- und die
übrigen eignen Gläubiger des Erben halten.
L. Hat der Gemeinschuldner die verschuldete Erbschaft nur als Benesizialerbe
angenommen, so können seine eignen Gläubiger gegen die Gläubiger des Erb
lassers von der Rechtswohlthat des Inventars in eben dem Maaße Gebrauch
, . machen, als es der Erbe bei nicht vorhandenem Konkurs thun könnte. —
§. 272—WS I. 50 A. G. O. — Z. 500—512 I. 16 A. L. R. Verord.
vom 28. März 1840 GS. S. 103.
N. Gläubiger der ersten Klasse.
Z. 393. Die Gläubiger der ersten Klasse fordern ihr Eigenthum zurück. Sie
werden deshalb allgemein Vindikanten genannt. Ein Rangstreit kann daher
unter ihnen selbst nicht füglich vorkommen. — Nur die unter Nro. 18 Aufgeführten
sind nicht wirkliche Vindikanten. — Ist eine nach den Vorschriften dieses §. zur
Rückforderung geeignete Sache um deshalb, weil der Eigenthümer unbekannt, oder
nicht gehörig legitimirt ist, mit den Efferen der Konkursmasse verkauft worden, so
treten die gelösten Kaufgelder nach Abzug der auf den Verkauf verwendeten Kosten
jedesmal an deren Stelle. — Z. 354, 355, I. 50 A. G. O.
In der ersten Klasse werden angesetzt:
'l) diejenigen, welche die dem Gemeinschuldner in Verwahrung gegebenen, noch
in Natur vorhandenen Kostbarkeiten und andern Effekten zurückfordern.
In Ansehung deponirter Gelder findet Gleiches nur dann statt, wenn dieselben
nicht mit des Gemeinschuldners Geldern vermischt, sondern in besondern Be
hältnissen, oder Beuteln mit des Deponenten Petschaft versiegelt, oder in ver
schlossenen Behältnissen, wozu der Niederleger den Schlüssel in Händen behalten
hat, vorgefunden werden. — Z. 29S a. a. O.
2) Diejenigen, welche dem Gemeinschuldner Sachen, die sich beim Ausbruche bei
Konkurses noch in dessen Vermögen befinden, zum Gebrauche geliehen,
^, »Frmiethet, oder bittweise überlassen haben. Geliehene Gelder, und
^ , Aachen, die, ohne sie zu verbrauchen, nicht gebraucht werden können (res tun-
gibiles), gehören nicht hierher. Doch können die unentgeltlich in Gewahrsam
des Gemeinschuldners gekommenen baaren Gelder, geldgleiche Papiere, und in
Kurs besindliche, auf jeden Inhaber lautende, Papiere, dann zurückgefordert wer
den, wenn sie noch unvermischt und unversehrt in dem Beutel oder andern Be-
' HSltnisse, in welchem sie vorhin gewesen, gefunden worden, und von andern Gel
>ern resp. Papieren mit Gewißheit unterschieden werden können. — §. 297 a. a. O. —
§. 45—47 I. IS A. L. R.
3) Die, welche dem Gemeinschuldner Pfänder in Versatz gegeben haben. Sie können
dieselben, wenn sie noch vorhanden, gegen Entrichtung des Pfandschillings und
der schuldigen Zinsen auslösen. Bei Nichtauslösung binnen einer zu bestimmen
den billigen Frist haben sie aber den Berkauf zu gewärtigen, und dann steht
ihnen vom Erlöse nur der nach Abzug des Pfandschillings, der Zinsen und Kosten
verbleibende UeberschuS zu. — Z. 298 a. a. O.
4) Diejenigen, deren Effekten durch Diebstahl oder auf andre unerlaubte
Art in des Gemeinschuldners Gewahrsam gekommen sind, in so fern dieser beim
Ausbruche de« Konkurses sich noch im Besitz befunden hat. — §. 299 a. a. O.
5) Die, welche dem Gemeinschuldner Waaren') oder Effekten zum Verkaufe
in Kommission gegeben, oder zur weitern Spedition anvertraut ha
ben, wenn sie bei Konkurseröffnung
a) noch in des Gemeinschuldners Gewahrsam vorhanden, oder
K) zwar verkauft, die Kaufgelder aber noch nicht eingezogen, oder vom Gemein
schuldner mit dem ausdrücklichen Vermerk, daß sie seinem Kommittenten ge
hören, besonders aufbewahrt sind.
In diesen Fällen sind dem Austragenden die Waaren oder Effekten oder deren
Kaufgelder gegen Zahlung der Auslagen und Provision zu belassen.
Sind die in Kommission gegebenen Waaren unter den eignen des Gemein
schuldners vermischt, und ohne besondre Unterscheidungszeichen gelagert; so kann
der Austraggeber sie nur in so fern zurückfordern, als er die zu seinem Eigen
thum gehörigen Stücke nachweist. — Z. 300—SOI a. a. O.
6) Derjenige, für welchen der Gemeinschuldner auftragsweife Waaren
gekauft hat. Er kann
s) diese, gegen Zahlung der dem Gemeinschuldner nach angelegter Berechnung
etwa noch zukommenden Auslagen und Kosten, dann verabfolgt verlangen,
wenn er dem Gemeinschuldner das benöthigte Geld schon angewiesen hat,
die Waaren in dessen Gewahrsam bei Konkurseröffnung noch vorhanden sind,
und in des Gemeinschuldners Handlungsbuch bemerkt ist, daß sie dem Be
steller gehören.
' b) Dagegen haben in dem Falle, wenn Besteller zum Ankauf keine Fond« an
gewiesen hat, die Gläubiger die Wahl: ob sie die noch vorhandenen Waa
ren, gegen Bezahlung der Kosten und Auslagen, dem Besteller verabfolgen,
oder sie zur Masse ziehen wollen.
" In beiden Fällen (zu s u. b) bleiben dem Verkäufer seine Rechte an den
Besteller oder die Konkursmasse vorbehalten. — 8. 302—304 g. a. O.
7) Der, welcher dem Gemeinschuldner Waaren auf Kredit verkauft
hat, kann diese nur dann vindiziren,
s) wenn die kreditirten Waaren erst innerhalb dreier Tage vor Konkurseröffnung
abgeliefert sind, 2)
b) wenn die vor eröffnetem Konkurse bestellten Waaren erst nach eröffnetem
Konkurse ankommen; und
c) wenn dieselben zwar vor Konkurseröffnung, aber doch zu einer Zeit ankom
men, da der Gemeinschuldner sich schon für zahlungsunfähig erklärt, und seinen
Unter Waare sind hier bei Nro. 5, 6 u. 7 auch Wechsel und andre drrgl. Pa
piere zu verstehen.
2) Ueber den Begriff von „Ankommen" und „Uevergeben" in dem hier gebrauch
ten Sinne S. Erk. in Simons R. S. Bd. 1, S. 1«l fg. 29« fg. Klein
Ann. 24, S. 206.
S03
Gläubigern gerichtlich oder aussergerichtlich Behandlung angeboten hat, hier-
nächst aber Konkurs eröffnet ist.
In allen drei Fällen (s—c) darf jedoch vom Gemeinschuldncr über diese
Waaren noch nicht anderweit verfügt sein. Bon dritten Besitzern derselben
kann aber der kreditirende Verkäufer sie nur unter den K. 370 u. 371 vor
geschriebenen Maasgabcn zurückfordern. Behält hiernach der dritte Besitzer
die Waaren, so kann in den Fällen zu K und <: Absender sich an den vom
Dritten dem Gemeinschuldner ganz oder theilweise noch rückständigen Preis
derselben vorzüglich vor allen andern Gläubigern halten.
Auch, falls Waaren oder Sachen gegen baare Zahlung verkauft, gleichwol
aber ohne Zahlung dem Käufer verabfolgt sind, findet die Vindikation dann
statt, wenn die Konkurseröffnung innerhalb dreier Tage nach Verabfolgung
geschehen, oder wenn der Verkäufer die Klage auf Zahlung oder Rückgabe ge
gen den Gemeinschuldner innerhalb dreier Tage gerichtlich angemeldet hat. Diese
Frist wird, wenn Käufer und Verkäufer an einem Orte sich befinden, vom
Tage der Uebergabe, sonst aber von demjenigen an gerechnet, an welchem der
abwesende Verkäufer von der nicht erfolgten Zahlung hat Nachricht erhalten,
und die Klage bei dem gehörigen Richter hat anmelden können. — Doch kann
der Verkäufer in beiden Fällen nur so weit vindiziren, als die Sache oder
Waare noch in der Masse wirklich vorhanden ist. In Ansehung dritter Besitzer
gelten auch hier die Vorschriften. §. 370 u. 37l. — §. 305 bis 309 a. a. O.
8) Die Gutsherrschaften, welche einem Unterthanen die Hofwehr, oder die Verpäch
ter, welche einem Pächter Jnventarien-, Vieh- und Wirthschgftsgc-
räthe übergeben haben. Ihnen gebührt das Vindikationsrecht sowol hinsichts
der gegebenen und noch vorhandenen, als in Betreff der, nach den Gesetzen über
Pachtrückgewöhr statt der untergangenen an deren Stelle tretenden, Stücke.
Hat darnach der Verpächter dem Pächter etwas zu vergüten ; so muß er das
selbe, gegen Uebernahme der zurückgelieferten Jnventarienstücke, zur Masse entrich
ten. Hat Verpächter eine Vergütung zu fordern, oder liquidirt er Ersatz für feh
lende Stücke, so gehört er damit in die sechste Klasse. — K. 31«, 311 a. a. O.
S) Die Ehefrau de« Gemein schuldners') kann vindiziren, vorausgesetzt, daß
das zu Vindizirende bei Konkurseröffnung noch in Natur vorhanden ist:
s) die bei Verheirathung zum Manne gebrachten, oder während der Ehe
ererbten, oder von Andern, als dem Ehemanne, zum Geschenk er«
haltenen Effektenz
d) die Hoch zeit sgeschenke, und zwar die nach ihrer Beschaffenheit, oder nach
der ausdrücklichen damals geschehenen Erklärung des Gebers nur für die
Frau allein bestimmten ganz, andre zur Hälfte;
e) die ihr vom Manne als Brautgeschenk oder als Morgengabe gege
benen Effekten, in sofern diese Schenkungen nicht eben so, wie die an Fremde
geschehenen, dem Widerrufe der Gläubiger unterworfen sind;
«1) die ihr vom Manne gegebene nach ihrem Stande unentbehrliche Klei
dung, Leibwäsche und Betten. Juwelen, Gold, Silber, Perlen, Kan
ten, oder was sonst zur Pracht dient, ferner etwanige Gerade und Mußtheil
gehören nicht hierherz
e) Werkzeuge und Geröthschaften, welche zu einem, von der Frau in
stehender Eh« getriebenen besonderen Gewerbe gehören. Der Erwerb aus die-
') Zwischen einer Ehefrau zur rechten oder linken Hand ist kein Unterschied gemacht.
Doch muß bei einer Ehefrau zur linken Hand berücksichtigt werden, daß sie die
umimschränkte Verwaltung ihres Vermögens behält, so doß sie mit Ihren Bindi-
kationsansprüchcn in der Regel sicherer wird auftreten können, als ei« andre Frau.
604
. i , ^ fem Gewerbe aber ist, sofern er nicht zum ausdrücklich vorbehaltenen VermlZ«
gen gehört, der Vindikation nicht unterworfen,
t) Grundstücke dann, wenn sie im Hypothekenbuche auf ihren Namen ein
getragen stehen, und sie entweder schon vor Verheirathung dieselben besessen,
, oder wahrend der Ehe aus einem, keinem Widerrufe von Seiten der Gläu-
, biger unterworfenen Rechtstitel erworben hat.
Ist der Befitztitel auf beide Eheleute berichtigt, so hat, s») wenn die Ehe
leute in Gütergemeinschaft gelebt haben, die Frau kein Bindikationsrecht. bd)
Bei nicht vorhandener Gütergemeinschaft aber ist die Frau als Eigenthüme-
rin des aus dem Hypothekenbuche für sie sich ergebenden Antheils, falls dies
aber darüber Nichts besagt, als Eigenthümerin der Hälfte anzusehn. Die
vom Manne einseitig ausgesprochenen Verpfändungen können daher ihren Ei-
genthumsantheil nicht schmälern.
Ist der Besitztitel auf den Namen des Mannes allein berichtigt; fo steht
der Frau selbst dann kein Bindikationsrecht zu, wenn Gemeinschuldncr im
Ehevertrage oder sonst versprochen hätte, daß die Ehegelder zum Ankaufe
eines solchen Grundstücks verwendet werden sollen, und dieses wirklich gesche-
, hen wäre. — Z. 312—326 a. a. O. . ,, , .'- - .-
10) Die Kinder des Gemeinschuldners können, sofern das Beanspruchte noch in
Natur vorhanden, das Eigenthum geltend machen . ,
s) an den ererbten, von ihren Pathen oder von Andern, als dem Gemeinschuld
ner, geschenkten, oder sonst eigentümlich erworbenen Sachen. Bei Pathen-
, geschenken wird nicht darauf gesehen: ob sie in Betracht der Aeltern oder des
, Kindes gegeben worden; . , . ,->>:,-
K) das vom Gemeinschuldncr zur Aussteuer Erhaltene, so wie Geschenke dessel
ben, welche in gewöhnlichen Kleidungsstücken, Leibwäsche und in den zu ihrem
Studircn nöthigen Büchern und Gerärhschaften bestehen;
<:) andre vom Gemeinschuldner ihnen geschenkte Sachen jedoch nur dann, in so
fern den Gläubigern kein Widerruf der Schenkung zusteht. — Z> 327—329 a. a. O.
11) Fideikommißinteressenten und Lehnsfolger können die Verabfolgung
der in der Konkursmasse befindlichen Fideikommiße und Lehne, gegen Uebernahme
oder Berichtigung der aus demselben hauptsächlich zu berichtigenden Schulden,
dann fordern, wenn Gemeinschuldner gestorben ist. Doch muß in solchem Falle
^ °jdie Fideikommiß- oder Lehnseigenschaft im Hypothekenbuche vermerkt sein, da
sonst das Vorzugsrecht der ersten Klasse nicht statt findet. > )
... . Bei Auseinandersetzung zwischen dem Lehns- oder Fideikommiß folger und den
, . Gläubigern des bisherigen Besitzers, welche Behufs Ausmittelung des Aktivver
mögens vorzunehmen ist, nicht aber zum Verfahren über die Passivmasse gehört,
nimmt der Kurator die Rechte der Gläubiger wahr. Ergeben sich daraus für
, den Lehns- oder Fideikommißfolger Vergütigungsansprüche an die Masse; so muß
er sie im Konkurse liquidiren. 2) Ist bei Abfassung des Klassisikationsurtels die
Auseinandersetzung noch nicht beendet; so wird ihm Lokus für die auszumit«
telnde Summe vorbehalten. . ..
^ , Behauptet Jemand, erst künftig geltend zu machende Ansprüche auf die in
der Masse befindlichen Güter oder andern Sachen zu haben, z. B. ein LehnS-
Herr, ein Lehnsfolger, ein Wiederkaufsberechtigter, und Kontradiktor und Gläu-
biger, finden dagegen Nichts zu erinnern; so werden ihm im Klassifikationsurtel
!) Sie werden in der sechsten Klasse liquidiren können.
») Er wird zur sechsten oder zur siebenten Klaffe liquidiren können , je nachdem GutS-
inventarienstücke fortgebracht sind, oder andre Ansprüche, z. B. wegen Dermo,
. ration, liquidirt werden.
««5
stinc Rechte vorbehalten. Findet sich aber ein Widerspruch; so gehört die nä
here Erörterung desselben zum besondern Prozesse, und zur Feststellung der Ak
tivmasse, wobei der Kurator die Rechte der Gläubiger wahrnimmt. — Z. 33«—
334 a. a. O.
12) Wenn dem Gemeinschuldner Sachen unter einer, dessen Eigenthum einschrän
kenden, aufschiebenden, oder auslösenden Bedingung überlassen,
und bei Immobilien diese Einschränkung im Hypothekenbuch vermerkt worden;
so können beim Eintrit der Bedingung die, zu deren Bortheil sie festgesetzt ist,
die Wiederabtretung unter den vorgeschriebenen Maasgaben «erlangen. — Ist
der Eintrit oder Nichteintrit der Bedingung noch ungewiß ; so können Interessen
ten darauf dringen, daß entweder die Beräusserung bis dahin verschoben werde;
oder nur in der Art erfolge, daß der Käufer, der verabredeten Bedingung nach
zukommen sich gefallen lasse. — Z. 335 a. a. O.
13) Die bei Konkurseröffnung für Grundstücke des Gemcinschuldners noch vorhan
denen Feuerentsch äoigungs- «der Bauhilfsgelder können von denen
in Anspruch genommen werden, welche zu dem betreffenden Bau Materialien
geliefert, oder Arbeitslohn, oder solche Geldvorschüsse zu fordern haben, welche
wirklich zum Bau verwendet worden sind. — ß. 336, I. 5«. §. IS, I. 29 A. G. O.
14) Inländische Fabrikunternehmer und das Rettungsinstitut zu
Berlin können die ihren Arbeitern, resp. den Unterstützten vorgeschossenen
Materialien, wenn sie noch unverarbeitet in deren Vermögen vorhanden sind,
zurückfordern. Sind sie schon verarbeitet; so treten zu Gunsten der Fabrikun
ternehmer die daraus gefertigten vorhandenen Waaren an deren Stelle, und es
muß nur das Arbeitslohn der Masse vergütet werden.
Auch aus der Konkursmasse der Kauflcute und Krämer können dergl. Fa
brikunternehmer und einzelne Fabrikanten, jedoch nur binnen Jah
resfrist nach Lieferung, die auf Kredit gegebenen, und noch in Natur vor
handenen Waaren dann «indiziren, wenn darüber entweder die bei den Fa
brikanten geführten, und kaufmännisch eingerichteten Bücher, oder vorschrifts-
mässig geführte Abrechnungi-, d. h. solche Bücher vorgelegt werden, worin der
Verkäufer die von ihm geschehenen Waarenlieferungen und dafür empfangenen
Zahlungen einschreibt, und welche er demnächst dem Gewahrsam des Käufers
oder Abnehmers übergibt. — Durch die Handlungsbücher der Kaufleute, oder
durch andre Beweismittel, kann der Nachweis Behufs Geltendmachung de« Vor
rechts der ersten Klasse nicht geführt werden. — g. 337, 338, Anh. Z. 3S4—
356, I. 5« A. G. O.
15) Gleiches Vorrecht, wie zu 14 den Fabrikunternehmern, steht auch dem z u r U n-
terstützung der kleinen Seiden- und Baumwollenfabrikanten in
Berlin, Potsdam und Köpnik bestimmten Fonds unter der Beschrän
kung zu, daß ordentlich geführte Abrechnungsbücher geführt, und daß die Mate
rialien innerhalb Jahresfrist vor Konkurseröffnung geliefert sein müssen. Kon-
kurrirt dieser Fonds s) mit einem nach Nro. 14 privilegirten Fabrikunterneh
mer, für welchen der Gemeinschuldner ebenfalls gearbeitet hat, bei Waaren, von
denen nicht ausgemittelt werden kann, wessen Materialien dazu verwendet sind;
so hat der Fabrikuntcrnehmer vor dem Fonds den Vorzug, b) Ist es zweifel
haft, ob die Was« aus den Materialien des Fonds oder einer nicht privilegir
ten Privatperson gefertigt ist; so kann der Fonds nur einen Theil der Waare
- nach Verhältniß der von ihm vorgeschossenen Materialien gegen die vom Pri
vatbesteller gegebenen, gegen verhältnißmässige Vergütung des Arbeitslohns, for
dern. — Z. 339—341 a. a. O.
16) Gleiches Vorrecht gebührt ferner, jedoch überhaupt nur, wenn die Lieferung m
3ö
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nerhalb Jahresfrist vor eröffnetem Konkurse geschehen ist, auch Andern, welche
an Tuchmacher und Wollfabrikanten Materialien unter der ausdrück
lichen Bedingung vorgeschossen haben, daß diese Borschüsse mit den daraus ge
fertigten Waaren nach einem für Letztere im Boraus verabredeten Preis bezahlt
werden sollen. Auch hier wird die Haltung ordentlicher Abrechnungsbücher vor
ausgesetzt. Fehlen diese oder die vorstehende ausdrückliche Verabredung; so ist
das Borrecht der ersten Klasse nicht begründet. — §. 342, 343 a. a. O>
17) Hat Jemand einem Andern die Fertigung eines Werks aufgetragen; so kann,
falls vor Uebergabe des Werks über das Vermögen des Werkmeisters Konkurs
ausbricht, der Besteller s) das in der Masse vorhandene vollendete
Werk, gegen Erlegung des noch schuldigen Preises; b) wenn aber das Werk
noch nicht vollendet ist, die von ihm gelieferten und noch vorhandenen, oder
aus dem dazu ausdrücklich gegebenen Borschusse erweislich ange
schafften und bezahlten Materialien fordern. So weit er dadurch we
gen der gelieferten Materialien oder des gegebenen Borschusses nicht gedeckt ist,
kann er sich an das in der Masse vorhandene noch unvollendete Werk halten.
Wird er auch dadurch nicht gedeckt; so muß er das Uebrige im Konkurse liqui-
diren. — Z. 344 a. a. O. §. 975—979, I. 11 A. «. R.
18) Domainenbeamte, Pächter oder Verwalter von Kämmereigütern,
oder auch Privatgutsherrschaften, deren Pächter oder Wirthschafts-
verwalter, welche ihren zurückgekommenen Unterthanen das nöthige Saat-,
Brod- und Futtergetraide in Natur vorgeschossen, oder auch das ander
weit gekaufte Getraide der Art bezahlt und zugleich dafür gesorgt haben, daß
es zur Saat und Fortstellung der Wirtschaft wirklich verwendet ist, es also bis
zum jedesmaligen Gebrauche in sicherem Gewahrsam gehalten worden, können
die Erstattung in der ersten Klasse dann liquidiren, wenn der Vorschuß aus
dem Wirthschaftsjahre vor Konkurseröffnung, oder für den Fall, daß die nächste
Aernte nach Verabreichung dem Schuldner nicht ein Mal das zur Erstattung
des Vorschusses Erforderliche lieferte, aus dem vorletzten Wirthschaftsjahre her
rührt, und wenq zugleich der in jedem Falle hinreichende Nachweis der geprüften
Notwendigkeit, des Betrages des Vorschusses und der geschehenen Verwendung
durch ordentliche darüber aufgenommene gerichtliche Vermerke nachgewiesen wird.')
Dasselbe Vorrecht geniessen auch dritte dann, wenn sie sich, vor Berabfol-
gung des Vorschusses an den Unterthan, bei der Gutsherrschaft oder dem Be
amten melden, von diesen die Notwendigkeit und der Betrag des Vorschusses
gehörig untersucht, ausdrückliche Einwilligung dazu ertheiltz für die Verwendung
von der Herrfchaft oder den Beamten in gleicher Weife, wie vorstehend, gesorgt,
und darüber die zum Nachweis dienende gerichtliche Verhandlung aufgenommen wird.
Vorschüsse, bei denen nicht die vorstehenden Vorschriften beobachtet, oder die
älter sind, können nicht hier angesetzt werden. — §. 345—3S3 «. a. O.
M. Gläubiger der zweiten Klasse.
§. 394. Die Gläubiger der zweiten Klasse?) kommen in der Ordnung zur
Hebung, in welcher sie nachstehend auf einander folgen.») Reicht die Masse zur
1) Dieses Borrecht stützte sich auf das VerhMniß des Gutsherrn zu seinem Unter
than, welches jenen zur Erhaltung des Letztern verpflichtete. Jetzt ist eS fast
bedeutungslos geworden.
2) Dies sind die absolut privilegirten Konkursgläubiger; nach gem. Recht die Gläu
biger der ersten Klasse.
») In wie weit die unter Nro. 2, 3, 7 und 8 genannten Gläubiger der zweiten
Klasse den hypothekarischen Gläubigern vorgeben, davon wird im sechsten Ab
schnitt die Rede sein.
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Befriedigung der unter Einer Nummer Stehenden nicht mehr aus; so erhalten diese
«erbaltnißmössigen Antheil aus dem auf sie zu vertheilenden Betrage. — Z. 335,
386 o. s. O.
Zu dieser Klasse gehören:
1) FiskuS mit einem zweijährigen,') von Konkurseröffnung zurückgerechneten
Rückstand der landesherrlichen, vom Gemeinschuldner für seine Person
oder von einem Grundstück zu zahlen gewesenen, Abgaben; — 3S6 a. a. O.
2) ein gleicher zweijähriger Rückstand aller beständig fortlaufenden
Reallasten und persönlichen Pflichten 2) und Abgaben, welche nach den
Verfassungen eines jeden Orts oder Kreises, oder einer Provinz, vom Gemein?
schuldner an Kreiskassen, Kämmereien, Gutsherrschaften, ') oder an Kirchen, oder
an Schulbediente zu entrichten sind. ^) Die in Bezug auf ein Grundstück zu
entrichtenden Lasten müssen jedoch einer gewissen Klasse von Grundstücken in einem
Orte, «der Kreise, oder in einer Provinz dergestalt gemein sein, daß sie in der
Regel auf allen zu dieser Klasse gehörenden Grundstücken haften. Ist dies nicht
der Fall, haftet die Abgabe vielmehr nur auf einem «der dem andern Grund
stück auf Grund eines besondern Titels (Kontrakt, Erbrezeß, Testament); fv ist
diese Abgabe nicht hier, sondern, sofern sie nicht im Hupothekenbuch steht, in der
fünften Klasse anzusetzen. — §. 357, 358 a. a. O. — Deelar. vom 3. April
1838 GS. S. 254.— §. 9«, 93, IIS Ges. vom 21. April 1825 GS. S. 92 fg.
A) Die innerhalb zweier Jahre vor Konkurseröffnung ausgeschriebenen Beiträge
zu den Feuersozietätskassen, den Kreisjustiziariaten, den unter öf
fentlicher Autorität zur gemeinschaftlichen Uebertragung der Kriminal»
kosten errichteten, ingl. den Viehassekuranzgesellschaften. — K. 359, I.
S« A. G. O.
4) Fiskus wegen Kassendefekten in dem Vermögen der bei Königl. Kassen
angestellten Rendanten, Kontrolleurs, Schreiber, Diener und Botenz
desgl. die Bank; die Seehandlungsgesellschaft; die Allgemeine, und
die Offizier-Wittwenkasse, die Universitäten zu Königsberg und
Breslau; die Generallotteriekasse; der Freienwalder Gesundbrun
nen, und andre Anstalten, welchen fiskalische Rechte ausdrücklich beigelegt
sind, im Vermögen ihrer Kassenbedienten.«) — §. 36«, 361 a. a. O.
Z. 45 fg. II. 14 A. L. R. Regl. vom 23. December 1775. Z. 41. Rabe 1,
S. 146. — Cab.-O. vom 27. Mai 1796. Rabe 3, S. 393. — Res. vom
2S. Juni 1804. Rabe 8, S. 12«. — §. 145 Anh. z. A. G. O. Res. vom
4. Auguft 1812. Jahrb. 2, S. 244. — z. 12 Lott. Ed. vom SS. Mai 181«.
Rabe 1«, S. 35«. — Res. vom 31. Januar 1791. Rabe 2, S. 67.
5) DK noth««ndig verwendeten Begräbniskosten des vor Konkurseröff
nung verstorbenen Gemeinschuldners; und zwar
i) Aeltere Rückstände kommen, in so fern sie nicht ins Hypothekenbuch eingetragen
sind, in die vierte Klasse. Auch hat Fiskus den Regreß an den Einnehmer der
Kasse, falls er mit Einziehung säumte. — ß. 356 a. a. O.
») Z. B. die Miethssteuer in Berlin; Deel, vom 3. April 1838; DammsozietätS-
btltrSgt; Cab.-O. vom 15. August 1814 GS. S. 73 ,c. Indirekte Steuern
gehören jedoch nicht in diese Klasse. — Res. vom 21. März 1842 I. M. B. S. 133.
») Laudemien gehören in diese Klasse nicht. — Lf. Erl. vom 2. März 1836 und
8. April 1837. Koch Arch. 1, S. 391.
«) Bei erfolgter Ablösung solcher Lasten treten die dafür konstituirten Renten und
Kapitalien in dies Borrecht der zweiten Klasse. — k!k. §. 5, 6, Ann. vom 16.
März 1811 GS. S. 1S7. — §. 76 Gem. O. vom 7. JUni 1321 u. §. 3 Ges.
vom 29. Juni 1835.
») Die Im Z. S61, I. 5« A. G.O. erwähnte Haupt-Nutz- und Brennholz-Admini
stration ist aufgehoben.
39«
eos
s) nicht über so Thlr. bei Abelichen, und karakterisirten König!. Beamten;
b) nicht über 30 Thlr. bei geringeren Königl. Beamten, Banquiers oder ange
sehenen Kaufleuten z
«) nicht über 1V Thlr. bei Andern.
Wenn jedoch die nach der Verfassung eines Orts, ohne Rücksicht auf den Stand
des Gemeinschuldners, ganz unvermeidlich gewesenen Begräbnißkosten sich höher
belaufen; muß der nachgewiesene, wirklich und' durchaus nothwendig gewesene
Betrag hier angesetzt werden.
Hat ein Verwandter oder Dritter >) das Begräbniß besorgt; so gebührt ihm
in dieser Klasse der festzusetzende Betrag; und er kommt denen, welche Sachen
oder Arbeiten dazu geliefert, persönlich dafür auf.
Für Leichenpredigten, Parentationen, Leichensteine, Trauergastmahle und ähn
lichen überflüssigen Aufwand; ferner für das Begräbniß des nach Konkurseröff
nung «erstorbenen Gemeinfchuldners , der Frau, Kinder und Anverwandten des
selben kommt Nichts zum Ansatz. — §. 362-366, I. 50 A. G. O.
6) Die durch Krankheit des Gemeinschuldners oder seiner Familie veranlaßten Me
dizinalkosten des Arztes, Wundarztes oder Apothekers;?) ferner
die Gebühren des Geburtshelfers oder der Hebamme für Entbin
dung der Frau des Gemeinfchuldners, und zwar
s) die im letzten Jahre vor Konkurseröffnung erwachsenen durchweg;
b) ältere Rückstände aber nur dann, wenn sie 6 Wochen vor Ablauf des Jah
res, in welchem sie erwachsen, gerichtlich eingeklagt, und wenn der Prozeß
und die Exekution bis Ausbruch des Konkurses ununterbrochen fortgesetzt sind.
Jedoch müssen die Rechnungen, sofern die Forderung nicht etwa unbeträchtlich,')
oder vom Kontradiktor eingeräumt ist, vom Medizinalkollegio der Provinz ge
prüft und festgesetzt, und bei Apothekerrechnungen muß durch die Rezepte nach
gewiesen werden, daß die Arzneien von einem öffentlichen approbirten Arzte »er
ordnet sind.
Aus Krankheiten während des Konkurses vergütet die Konkursmasse nur in
sofern Medizinalkosten und Entbindungsgebühren, als Gemeinschuldner eine Kom
petenz erhält, und sie aus dieser zu bestreiten sind. — §. 3S7—369 u. Anh.
Z. 358 a. a. O.
7) Ferner gehören Hieher
s) die aus den letzten beiden Jahren vor Konkurseröffnung herrührenden Rück
stände an Lohn, Kostgeld oder Deputat, an versprochener Livree, und
an dem, als Theil des Lohns angewiesenen, und vorbehaltenen Stamm«
und Schießgelde, und zwar s«) derjenigen Dienstboten, Domestiken,
H ausoffizianten und Wirthschaftsbedienten, welche gegen ein jährliches,
monatliches oder wöchentliches Lohn noch bei Konkurseröffnung im Dienste
des Gemeinschuldners standen, oder welche bei Einleitung der Sequestration
von der einleitenden Behörde aus dem Dienste entlassen sind, oder welche, im
Falle sie früher den Dienst verliessen, den Rückstand vor Konkurseröffnung
gerichtlich einklagten; bb) derjenigen Wirthschaftsbedienten, welche gegen ei»
nach gewissem Verhältniß der geleisteten Arbeit zu bestimmendes Lohn aus
1) Dahin gehörtauch der Ehegatte, und Erstattung muß ihm in gleicher Art werden.
2) Die Forderung des Droguisten für gelieferte Arzneiwaaren , und des Kranken
wärters für ein geliefertes Bruchband u. dgl. kann nicht hier angesetzt werden.
Bielitz ist a. a. M. in Hinschius 1837 S. 345 fg.
s) Da der Begriff „unbeträchtlich" nicht näher bestimmt ist, muß richterliches Er
messen darüber entscheiden. — Uebrigens soll in Konkursen immer der niedere
Satz von Aerzten genommen werden. — <X. Anm. zu Pos. 1 der Med. Taxe
vom 2l. Juni ISIS GS. S. 109.
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eine gewisse Zeit oder auf Kündigung gemiethet waren, unter der zu ss) ge
dachten Modifikation;
K) der einjährige Rückstand de« sirirten Gehalt« de« Justiziariu«, er mag
auf dem Gute wohnen oder nicht;
c) der einjährige Rückstand de« dem Arzte, statt der zu liquidirendm Gebüh
ren, mittelst ausdrücklicher Verabredung in Pausch und Bogen zu gesicher,
ten Honorars;
6) der zweijährige Rückstand an Lohn und Kostgeld der Gesellen unter gleicher
Modifikation, wie zu s, sa. — Z. 370—Z7Z a. a. O. — Z. 352, II. 8 Zt. L. R.
Unter ein- oder zweijährigem Rückstand wird stäts der Rückstand aus dem
letzten, resp. den zwei letzten Jahren vor Konkurseröffnung verstanden. — Z. 376».
8) Das Pflüg er- und Drescherlohn aus dem letzten Jahre vor Konkurseröff
nung. — §. 374, I. 5« «. G. O.
9) Da« Schulgeld der Dorf- und Stadtschullehrer; ferner das Lehrgeld für
die Kinder de« Gemeinschuldners, beides aus dem letzten Jahre vor Konkurser
öffnung. — Z. 375 a. a. O.
t«)BScker, Schlächter, Schneider, und Schuster wegen Ansprüchen für Be
dürfnisse zur Nahrung und Kleidung, Schneider jedoch nur für
tägliche gewöhnliche Kleidungsstücke, welche Sämmtliche dem Ge
meinschuldner und der in seinem Hause lebenden Familie in den letzten sechs Mo
naten vor Konkurseröffnung geliefert haben. — Z. 376 b a. a. O.
11)Der Versicherer kann sich wegen der noch unbezahlten Prämie, in
so fern dieselbe nicht kreditirt worden, und der Konkurs binnen 30 Tagen nach
Zeichnung der Police entstanden ist, an den versicherten Gegenstand halten, in
so fern derselbe bei Konkurseröffnung noch im Vermögen des Gemeinschuldners
vorhanden ist. In solchem Falle wird er hier angesetzt. Acltcre Rückstände kom
men in die vierte Klasse. Ist jedoch ein Schade zu vergüten, so kann die rück
ständige Prämie nebst Zinsen und Interesse jedesmal von der Vergütigungssumme
abgezogen werden. — §. 384 a. a. O. — §. 2l!5 fg. II. 8 Zt. L. R.
IV. Gläubiger der vierten Klasse.
Z. 395. Bei Unzureichendheit der Masse auf alle Gläubiger dieser Klasse werden
^, zunächst die unter Nro. 1 erwähnten fiskalischen Ansprüche mit Ausnahme
der Ansprüche der Salarienkasscn gedeckt;
L. aus dem Ueberreste, in soweit er hier zu repartiren, werden die übrigen An
sprüche Nro. 2 bis 14 nach der Zeit der Entstehung ihres Vorzugsrechts > ) befrie
digt, so daß die älter bevorzugte der jünger« bevorzugten, ohne Rücksicht auf die
Nummer, welche sie hier haben, vorgeht. Hat das Vorzugsrecht mehrcr zu gleicher
Zeit den Anfang genommen; so werden diese mehren Forderungen bei Unzulänglich,
Kit der Masse nach Verhältnis, befriedigt.
L. Demnächst erst kommen die Salarienkassen.
Zu dieser Klasse gehören nun:
I. Fiskus in Betreff aller Ansprüche, welche nicht durch Ansehung in der zwei
ten Klasse (Nro I—4 des vor. §), oder durch Bestellung eines Faustpfandes oder
einer Hypothek ein besseres Recht haben, oder wie z. B. Geldstrafen später lozirt
sind. ' Namentlich sind hier anzusetzen:
a) mehr als zweijährige Rückstände der landesherrlichen Abgaben,
ohne Einschränkung auf eine gewisse Zeit; 2)
') Demnach entscheidet nicht die Zeit der Entstehung, sondern die Zeit des entstan
denen Vorzugsrechts.
2) Gläubiger, welche dadurch verkürzt werden, haben Regreß an dm Ml, Kassen«
610
b) das, was Gemeinschuldner aus einer weder durch Pfand noch durch Hypothek
besonders versicherten Kaution schuldig geworden;
e) Defekte, die Königl. Beamten, welche keine eigentliche Kassenbeamten
sind, dadurch zur Last fallen, daß sie die ihnen vermöge ihres Amts anvertrau
ten Gelder, solche mögen nun öffentlichen Anstalten oder Stiftungen oder Pri
vatpersonen gehören, verbracht haben. Unterschlagen jedoch die vom Staate be
stellten Auktionskommisssaricn oder Ausmiener die an sie gezahlten Kauf- oder
Auktionsgelderz so kommen von den durch die Kaution nicht gedeckten Defekte»
nur die Defekte solcher Gelder hier zum Ansatz, welche reglementsmässig inner
halb der letzten 4 Wochen vor dem Konkurse abzuliefern waren. Andre kom
men in die sechste Klasse.
6) Ansprüche des Fiskus aus einer Pachtung des Gemeinschuldners, es sei
wegen rückstandiger Pachtgelder, oder wegen Jnventariendefekten, oder wegen
Deteriorationenz vorausgesetzt, daß keine bessere Sicherheit durch Pfand oder
Hypothek bestellt ist;
e) alle andern dem Fiskus aus Vorträgen oder einem andern Rechts
grunde an den Gemeinschuldner zustehenden Forderungen,!) mit Ausnahme der
im Eingange zu 1 und unter s bis angeführten, und der durch Zession ins
Eigenthum des FiskuS übergegangenen, da bei diesen das fiskalische Borrecht nicht
Anwcndung findet.
Das fiskalische Vorrecht dieser Klasse gemessen ferner
f> die See Hand lungs so zi etat wegen des einem Kaufmanne kreditirten Kauf,
gelbes für Seesalz, 2) jedoch nur auf einen Monat, vom Tage der Berab-
folgung des Salzes bis zu demselben Datum des nächstfolgenden Monats gerech
net, und in Betreff älterer Lieferungen nur in sofern , als sie binnen 3 Tagen
nach Ablauf dieser einmonatlichen Frist gerichtlich eingeklagt, und als die Exe
kution bis zum Konkurse ununterbrochen fortgesetzt ist.
8) Die Salarienkassen, deren Ausfälle aus unmittelbaren Staatskassen gedeckt
werden müssen, so wie die Salarienkassen der Oberbergämter und der von den
selben abhängenden Bergämter, wegen der vom Gemeinschuldner schuldigen Ko
sten, mit Ausnahme der Untersuchungskoften, welche letztere zur siebenten Klasse
gehören ;
K) die prinzliche Gesammtkammer sowol in Ansehung der Beamten, als hin
sichtlich der vom Gemeinschuldner zu zahlenden Gebühren und Auslagen.
Konkurriren mehre der vorstehenden fiskalischen Ansprüche; so werden zunächst die
gedeckt, welche Gemeinschuldner wegen seines Dienstes, oder geschlossenen Vertrags,
oder erhaltener Borschüsse, oder schuldigen Leistungen andern Königlichen Kassen, als
Salarienkassen, zu zahlen hat. Die Salarienkassen aber kommen erst nach allen
andern Forderungen der vierten Klasse zur Hebung, und theilen, wenn mehr« dergl.
Kassen partizipiren, ohne Rücksicht auf die Entstehungszeit ihrer Forderung, nach
Verhältniß. — §. 395-403 Anh. ß. 362, l. 50 A. L. R. — z. 2 u. 3 Sab.-O.
vom 17. Januar 132« GS. S.2S. Verord. vom 19. December 1799. Rabe 5,
S. 677.
2. Die mehr als zweijährigen Rückstände der unter Rro. 2 u. 3 des
bedienten «der dessen Borgesetzten, die dergl. Reste aus Nachlässigkeit oder blos
ser Gefälligkeit gegen den Gemeinschuldner anschwellen liegen. — S. 396. I. Sy
A. G. O.
») Hierher müssen auch Privatforderungen des Landesherrn gezählt werden.
2) In Betreff andrer Ansprüche hat die Seehandlung, so wie die Bank überhaupt,
sich des Borrechts in der Klassenordnung begeben. Rur in Bezug auf ihre Be
amten gemessen sie das Vorrecht der zweiten Klasse. — §. 4<U, Z. 5« A> W. O.
sn
vorigen z. gedachte» Saften, Abgaben, FeuersozietätsbeitrSge ,e. Unter
einander und in Bezug auf die folgenden Forderungen dieser Klasse werden sie nach
den Datis geordnet, da sie vom Gemeinschuldner zu entrichten waren. — §. 404 a. a. O.
3. Die landschaftlichen Kreis- oder Kämmereikassen, ingleichen Dom
kapitel, Kollegiatftifter, Klöster, Kirchen, Schulen und andre milde
Stiftungen, wenn dem Gemeinschuldner die Administration oder Aufbewahrung
ihrer Gelder oder andrer Vermögensstücke überlassen worden, und hieraus Defekte
entstanden, die nicht durch Pfand oder Hypothek gedeckt sind. — Dahin gehören auch
die von Gerichten und Gerichtsverwaltern solcher öffentlichen Anstalten gemachten
Depositaldcfekte.
Bei Konkurrenz mehrer werden sie nach dem Tage, an welchem Gemeinschuld«
ner den Dienst, oder die Verwaltung angetreten hat, geordnet. — Z. 405 a. a. O.
4. Die Ehefrauen,') bei nicht obwaltender Gütergemeinschaft, 2 )
») in Ansehung ihres Eingebrachten, so weit sie nicht vindizire» kann (§.393,
Nro. 9), oder durch Hypothek gedeckt wird;
d) die vorgeschriebene Morgengabe <e5. z. 393, Nro. 9o), so fern nicht an
gewissen Orten, oder bei gewissen Klassen von Einwohnern eine entgegengesetzte
Observanz nachgewiesen werden kann;
c) Geschenke, so weit sie dieselben, wenn sie in Natur vorhanden gewesen wären,
hätte vindiziren können (§. 393, Nro. 9K«>.
In Betreff von Mobilien kann sie jedoch den bei Einbringung veranschlagten
Werth derselben nur in so weit fordern, als sie dieselben nicht vorsätzlich «der aus
grobem Versehen vernichtet oder verringert, oder ohne Genehmigung des Mannes
Veräussert hat, und als vielmehr dem Manne bei deren Vernichtung oder Verrin-
gerung ein Vorsatz oder grobes Versehen zur Last fällt.
Die Ehefrau kann jedoch,
^. wenn nach dem Ehevertrage oder den obwaltenden Statutarrechten wechselseitige
Erbfolge in Ansehung des ganzen, oder eines Thcils des Vermögens bestimmt,
und Gemeinschuldner noch am Leben ist, die Herausgabe des nach ihrem Tode
dem Gemeinschuldner zufallenden Vermögens nur gegen hinlänglich bestellte Si
cherheit verlangen; oder sie muß sich vorläufig mit dcm Zinsengenuß eines zu
ihrer Befriedigung hinreichenden und bis zur Trennung der Ehe in der Masse
zurückbleibenden Kapitals begnügen.
L. Soll nach der Ehestiftung die Frau, statt Rückgabe des Eingebrachten ein ge,
Misses Leibgedinge oder Alimentationsquanttim erhalten; so kann sie nicht das
Ausgedinge, sondern nur verlangen, daß ein zur Berichtigung der ihr verspro
chenen jährlichen Hebung hinreichendes Kapital an diesem Orte ausgesetzt, und
ihr der Zinsengenuß überlassen werde. Doch kann die Frau diese Zinsen nur in
so weit fordern, als sie die landüblichen Zinsen ihres wirklich eingebrachten Ka
pitalvermögens nicht übersteigen. Auch können die Gläubiger eine solche Be
stimmung der Ehestiftung widerrufen, wenn Gemeinschuldner schon bei deren
Abschluß über sein Vermögen verschuldet war.
L. Die Frau verliert ihr Vorrecht im Konkurse ganz
1) durch eine gerichtlich und unter gehöriger Verwarnung geschehene Entsagung;
2) wenn sie in Abwesenheit des Mannes dessen Vermögen übel verwaltet, und
1) In Betreff nichtiger und ungiltiger Ehen und der Hausfrauen siehe folgenden
§. Nro. 3 und 4. Ll. auch Nro. 6 das.
2) Waltet aus Grund Ehevcrtrages oder statutarisch Gütergemeinschaft ob, so hat
die Ehefrau vor Befriedigung der Gläubiger Nichts zu fordern; es müßten denn
das Provinzialgesetz oder die Statuten etwas Andres anordnen, wie dies z. B.
nach Lübschem Rechte der Fall ist. — z. 41V Anh. Z. 361, I. SV A. G. O.
612
dadurch zu seinem Verfalle Anlaß gegeben ; so wie wenn sie ihn zu ver
schwenderischer Lebensart verleitet hat. Sie steht dann allen Gläubigern nach;
3) wenn sie an dem von ihrem Manne begangenen strafbaren Bankerut wissent
lich und unmittelbar Theil genommen; sie verliert dann ihr eigenthümliches
Vermögen zum Besten der Gläubiger;
4) wenn der Bankerut durch übermässigen Aufwand oder durch Verschwendung
verursacht worden, und sie nicht nachweist, daß sie am übermässigen Auf
wände ihres Mannes keinen Theil genommen, oder ihn wegen des Aufwan
des gewarnt hat. In diesem Falle steht sie mit ihrem Eingebrachten den
Gläubigern der sechsten Klasse nach.
v. Hat eine Frau mit ihrem Manne, vermöge besondern Gesellschaftsvertrages eine
gemeinschaftliche Handlung geführt; so finden in Bezug darauf die Vorschriften
Z. 392, Nro. 6 statt. Doch gilt dies nicht von einer Frau, welche blvs Gehil
fin in der Handlung des Mannes war.
L. Dies Vorrecht haben auch die Cessionarien der Frau, wenn dasselbe ausdrücklich
zedirt ist, und die Deszendenten derselben jedenfalls;') andre Erben aber nur
dann, wenn Erblasserin zur Zeit des eröffneten Konkurses noch lebte.
Konkurriren s) Zessionarien oder Deszendenten einer verstorbenen Frau mit der
lebenden, so haben jene den Vorzug; b) die geschiedene mit der lebenden Frau;
so geht jene nur dann vor, wenn sie unverzüglich nach Trennung der Ehe 2) ihr
Eingebrachtes zurückforderte, und die Exekution bis zur Konkurseröffnung gehö
rig fortsetzte.
Bei Konkurrenz der Frauen, Cessionarien oder Deszendenten mit andern Gläu
bigern dieser Klasse wird das Vorrecht der Erster» nach dem Hochzeittage; bei
erweislich später Eingebrachtem jedoch nach dem Tage der Einbringung gerech
net. — z. 319, 406—16, I. 5« A. G. O. — Z. 272—27S. Z. 559 fg. H. 567,
II. 1 u. K. 1485—1487, II. 2« A. L. R.
5. Der Erbschatz, wenn ihn Gemeinschuldner in Händen gehabt, und keine
bessere Sicherheit dafür bestellt ist. — Bei Unzulänglichkeit zur Befriedigung des
Eingebrachten der Frau und des Erbschatzes wird die auf sie kommende Summe nach
Verhältnis, unter sie vertheilt. — §. 303, 304, II. 1 A. L. R.
6. Die Kinder des Gemeinschuldners
g) wegen der sonst gemäß z. 393, Nro. 10 zu vindizirenden Vermögensstücke, wenn
diese bei Konkurseröffnung nicht mehr vorhanden, und zwar mit dem Vorzugs
rechte seit der Zeit, da der Vater sie an sich nahm;
d) wegen alles dessen, was die Kinder an Geld, oder Geldeswerth von einem Drit
ten, ausser dem Vater, ererbt, geschenkt erhalten, oder sonst erworben haben,«)
und in den Händen des Vaters geblieben, ist. ^) Nur in Betreff der Geldsidei-
kommisse haben sie mit andern Fideikommißfolgern gleiche Rechte. — §. 417—
419, I. 5« A. G. O.
7. Unmündige, Minderjährige, Blödsinnige, Verschwender und
') Dies muß auch in Bezug auf die dem Deszendenten mittelbar zufallende Erb
schaft angenommen werden; z. B. wenn zwei Kinder die Mutter beerben, hier
auf das eine stirbt, und das andere dessen Erbe wird.
«) Das Geh. Ob.-Trib. nahm in der Entsch. vom 18. Aug. 1834 an, daß das
Vorrecht gewahrt sei, wenn die Frau 3 Tage nach Behändigung der die Rechts
kraft des Schcidungsurtels aussprechenden Verfügung die Klage auf Herausgabe
der Jllata anstellt. — Simons Entsch. Bd. 1, S. III.
») Auf eine Schuldforderung an den Gemeinschuldner, welche durch Erbgangsrecht
auf dessen Kinder übergegangen, erstreckt sich dies Vorrecht nicht. — Plen. Beschl.
des Geh. Ob.-Trib. vom 9. Mai 1842 I. M. B. S. 264.
Im Vermögen der Mutter haben die Kinder nicht dies Vorrecht.
ei3
Abwesende, wenn dem Gcmcinschuldncr die Vormundschaft oder Kuratel übertra
gen worden, oder derselbe sich der Verwaltung ihres Vermögens angemaßt hat, in
Ansehung aller ihm zur Last fallenden Defekte, sofern nicht bessere Sicherheit be
stellt ist. Das Vorzugsrecht beginnt bei wirklichen Vormündern mit dem Tage der
Verpflichtung, bei andern vom Tage der angemaßten Vermögensverwaltung, und
endet mit geleistetem Verzicht. Auf Ehrenvormünder bezieht sich dies jedoch nur in
so fern, als sie einer wirklichen Vermögensverwaltung sich unterzogen haben. —
Z. 421 a. a. O. §. 297 fg. «88, 892, II. 18 A. L. R.
8. Forderungen solcher Erbschaftsgläubiger, welchen das Separation^
recht zusteht <z, 392, Nro. 10), jedoch nur auf Höhe der, der Gemcinmasse zu
geflossenen, Kaufgelder eines solchen Grundstücks, welches erweislich mit den in
der Erbschaft vorgefundenen oder daraus eingezogenen oder gelösten Geldern vonl
Gcmcinschuldner angekauft ist. — §. 276, I. 5« A. G. O.
9. Minderjährige und die ihnen Gleichberechtigten, in so fern die
ihnen eigenthümlich zustehenden Gelder vom Gemeinschuldner zum Ankauf eines
Grundstücks angewendet sind, und dies bei Konkurseröffnung noch in der Masse
war. Da« Vorzugsrecht beginnt mit dem Tage der Verwendung. — Z. 422 a. a. O.
10. Die einem Offizier zu seiner Equipage, mit Genehmigung des
lZhefs, gegebenen, und dazu verwendeten Vorschüsse, gleich viel, ob die erste Equi-
pirung oder bei Verlust derselben im Kriege, die Widcranschaffung bestritten wor
den. Das Vorzugsrecht beginnt mit dem Tage der Genehmigung. — <^f. jedoch
Z. 392, Nro. 1. — §. 423 a. a. O.
11. Baugläubiger d. h. die, welche vor Ausbruch des Konkurses zum Aus
bau oder zur Ausbesserung der zur Masse gehörigen Gebäude Materialien geliefert,
Arbeiten gethan, oder Gelder vorgeschossen haben, welche auch zu diesem BeHufe ver
wendet sind, vorausgesetzt jedoch, daß das Gebäude bei Konkurseröffnung noch zur
Masse gehört. — Das Vorrecht beginnt in Betreff jeder Forderung mit der Zeit
des Kontrakts, in dessen Ermangelung mit der Zeit der Lieferung, Zahlung oder Lei
stung. — g. 424, 426 a. a. O.
12. Vorschüsse und Lieferungen zur Ergänzung oder Vermehrung des
Vieh- und Feldinventars, zum Retablissement der Unterthoncn, zur Anschaf
fung des Saat-, Brod- und Futterkorns, zur Abtragung der auf den Gütern haf
tenden Lasten, oder davon zu entrichtenden Brandschatzungen;') so fern nicht H. 393,
Nro. 18 Anwendung findet, und in so fern die Güter zur Zeit der Konkurseröff
nung noch zur Masse gehören. — §. 425, 426 a. a. O.
13. Die Assekuranzkompagnie oder andre Versicherer wegen der ihnen
gebührenden Prämien der versicherten Schiffe oder Woaren, wenn die Police nicht
innerhalb der letzten 3« Tage vor Konkurseröffnung, sondern früher gezeichnet ist
(Nro. 11 vor. H), vorausgesetzt jedoch, daß die Schiffe oder Waaren bei Konkurs
eröffnung noch dem Gemeinschuldner gehören. Das Datum der Versicherung be
stimmt das Vorrecht. — §. 427 a. a. O.
14. Die vom Gerichrsherrn oder dem Privatgerichtsverwalter un
terschlagenen gerichtlichen, zu keiner königl. oder andern öffentlichen Jurisdiktion
(Nro. 1 u. 3) gehörigen Deposits vom Tage der erfolgten Deposition gerechnet. —
Unterschlägt der Privatgcrichtsverwalter Auktion« - oder andre an ihn gezahlte Gelder, die
er zum Depositum geben sollte; so gehört der Anspruch zur sechsten Klasse. — K. 423
a. a. O.
V. Gläubiger der fünften Klasse.
§. 396. Die zu dieser Klasse gehörigen Forderungen werden nach der bestimm-
') Vorschüsse zur Abtragung von Kriegskontributionen gehören jedoch nicht hierher,
«f. Entsch. des Ob.-Trib. v, Simon Bd, 1, S. 72.
«14
ten Entstehung ihres Vorzugsrechts , ohne Rücksicht auf den bestimmten Grund des»
selben, geordnet, so daß die darnach jüngere der älteren jederzeit nachstehen muß,
und die zu gleicher Zeit entstandenen verhältnißmässig befriedigt werden. — 1. 451. —
Hierher gehören:
1. Alle, vermöge besondrer Verträge oder letztwilliger Verordnungen auf den zur
Masse gehörigen Grundstücken haftenden jährlichen i) Abgaben, so fern ihnen
nicht durch Eintragung ein besseres Recht verschafft worden. Das zur Berichtigung
solcher Forderungen erforderliche Kapital ist hier nach dem Tage der Entstehung des
Rechts zu ordnen.
Hier wird auch der Erbzinsherr mit dem vom Erbzinsgut des Gemeinschuld-
ners zu entrichtenden Kanon, und falls dieser eingetragen steht, mit den älteren als
2jährigen Rückständen angesetzt. — g. 430, 431 a. a. O.
2. Andre Erben der Frau, als die Nro. 4L des vorigen z Bevorzugten,
wegen des sonst in der vierten Klasse zu Lozirenden unter der sub ? das. erwähn»
ten Maasgabez desgl. die geschiedene Ehefrau, wenn diese sich gemäß kddas.
das Vorzugsrecht nicht erhalten hat. — §. 432 a. a. O.
3. Ehefrauen aus nichtigen und aus den für ungiltig erklärten Ehen,
wenn ihnen das Ehehinderniß unbekannt gewesen, wegen allen von ihr dem Manne
überlassenen Vermögens, und zwar von dem Zeitpunkte angerechnet, da der Mann
die Verwaltung übernahm. — Z. 958, 974, II. 1. A. «. R.
4. Die Frau zur linken Hand wegen ihrer vom Manne eigenmächtig an
sich genommenen Vermögensftücke, in so fern dies nicht etwa bewegliche,?) in der
Wirthschaft des Mannes verbrauchte oder abgenutzte, Sachen sind. — Z. 88Q—
8S2 a. a. O.
5. Die Ehefrau des Gemeinschuldners wegen ihres vorbehaltenen Vermögens
(Keceplitis), in so fern sie ihm dasselbe nicht zinsbar überlassen hat.») Sonst fällt
dies Vorzugsrecht weg. — Erben der Ehefrauen, ohne Unterschied, und geschiedene
Ehefrauen haben dieselben Rechte. — Uebrigens wird das Vorzugsrecht des Ein
gebrachten nach dem Tage gerechnet, da Gemeinschuldner dies an sich, oder in Ad
ministration nahm. — Z. 433 a. a. O.
6. Die Ehefrau des Gemeinschuldners, in Ansehung des Gegenvermächt
nisses, Witthumsgeldes, und a. dergl. auf den Todesfall des Mannes
ihr verschriebenen Vortheile, in sofern ihr dieselben durch eine» vor oder
bei Berheirathung geschlossenen Vertrag ausgesetzt sind. Es macht dabei keinen
Unterschied: ob dieselben mit dem Eingebrachten im Verhältnis« stehen oder nicht.
Der Tag der vollzogenen Heirath bestimmt das Vorrecht in dieser Klasse. — Dabei
ist noch folgendes zu bemerke«:
s) Ist Gemeinschuldner noch am Leben; so kann die Frau nur antragen, daß ein
zu ihrer Befriedigung hinreichender Betrag hier ausgesetzt werde, dessen Zinsen
bis zum Ableben des Mannes der Masse zuwachsen,
b) Bei Konkurrenz der geschiedenen Frau, deren Erben oder Eessionarieu mit der
zweiten Frau, deren Erben und Cessionarien, kommen die Vorschriften Nro. 4 ?
des vor. §z
>) D. i. jährlich fortlaufend zu entrichtende, wenn sie auch monatlich lc. fällig wer
den, zum Unterschiede von solchen, welche z. B. wie Laudemien, nur bei gewissen
Gelegenheiten gezahlt werden. Lk. auch Nro. 8 des folgenden §.
2) In Bezug auf solche ist die Vertretungspflicht nach den Grundsätzen des Leih
vertrages zu beurtheilenz sie gehören also in die sechste Klasse.
») Gibt also die Frau aus ihrem vorbehaltenen Vermögen dem Manne ein unzins
bares Darlehn ; so behält dies die Natur des Vorbehaltenen und hat die fünfte
Klasse im Konkurse. 05 Simon R. S. 1, S. 197.
615
c) und in Betreff des Verluftes dieses Borrechts die Vorschrift O das. zur Anwendung.
<I) War der Mann bei Aussetzung jener Vortheile schon über sein Vermögen ver
schuldet; so kann die Frau zum Nachtheil der Gläubiger darauf keinen Anspruch
machen, gleich viel: ob die Frau dem Manne gar Nichts eingebracht hat; oder
ob das Eingebrachte, gegen dessen Zurücklassung ihr die Vortheile verschrieben
sind, wirklich vorhanden ist. Im letzten Falle hängt es vom Entschlüsse der
Gläubiger ab, der Frau entweder da« wirklich Eingebrachte in der vierten Klasse
zu verabfolgen; oder, gegen dessen Zurücklassung, ihr in derselben Klasse gemäß
Rro. 4L des vor. § die bedungenen Vortheile zu versichern. Jedenfalls kann
aber die Frau nicht grössere Imsen verlangen, als daselbst vorgeschrieben; dies
selbst dann, wenn der Mann bei Aussetzung der Vortheile noch solvent war, der
Vertrag also bindend ist.
e) Die nach geschlossener Ehe der Frau zugesicherten Vortheile kommen erst nach der
siebenten Klasse zum Ansatz. Hat sie dieselben durch lästigen Vertrag erworben;
so kann sie da« dem Manne dafür Gegebene oder Unterlassene als Eingebrach
tes zurückfordern. — j. 434—439 a. a. O.
7. Herrschaften im Vermögen ihrer Hausoffizianten, Bedienten und Unter-
thanen wegen defektirter oder veruntreuter, Gelder und Effekten, wenn
ihnen dieselben zum BeHufe ihrer Dienstverrichtung anvertraut worden, so wie
wegen veräussert er und nicht anderweit angeschaffter Hofwehr. Die von der
Herrschaft gegebenen Darlehne oder ähnliche Forderungen haben nicht dies Vorrecht. —
ß. 44«, 311 a. a. O.
8. Die Lotterieentreprenneurs in Ansehung der den Kollekteurs zur Last
fallenden Defekte. — §. 441 a. a. O.
9. Die Kreditmassen im Vermögen der für sie bestellten Kuratoren wegen
der von diesen gemachten Defekte. — g. 442.
Das Vorzugsrecht der unter 7 bis 9 Genannten wird bei entstehender Kon
kurrenz nach dem Tage bestimmt, da der Gemeinschuldner in die Verbindung ge
treten ist, wodurch der Anspruch begründet wird. — §. 443 a. a. O.
1V. Domkapitel, Kirchen, Schulen, Hospitäler und andre milde
Stiftungen, Kreiskassen und Kam m.ereien, wenn sie mit dem Gemeinschuldner
kontrahirt haben/) in Ansehung der gegebenen Vorschüsse, oder der aus dem
Vertrage fliessenden Verbindlichkeiten, so fern nicht bessere Sicherheit bestellt
ist. Sie werden nach dem Datum des Kontrakts geordnet. Hierher gehören auch
11. Die auf förmlichen kassenmässigen Fuß eingerichteten Salarienkassen der
Magisträte und andrer nicht königlicher Gerichte wegen der vom Ge
meinschuldner schuldigen Gebühren und Auslagen. — §. 444 a. a. O.
12. Die Zünfte im Vermögen der Zunftältesten wegen der bei Verwaltung
des Zunftvermögens entstandenen Defekte. — §. 213—219, II. 8 A. S. R.
13. Die vom Staate genehmigten und unter seinem Schutz stehenden Armen
häuser, Hospitäler, Waisen- und Findel-, Werk- und Arbeitshäuser
im Vermögen ihrer Vorsteher und Verwalter in Betreff der bei Verwaltung der
zur Anstalt gehörigen Gelder und Gefälle sich ergebenden Vertretungen. —
z. 32, 8« bis 82, II. 19 A. L. R.
14. Die Unternehmer der zum Unterhalt de« Potsdamschen Waisen
hauses gewidmeten Fabriken, und die Gold- und Silbermanufaktur
in Ansehung der dem Gemeinschuldner kreditirten Waaren. Die Zeit des ge
gebenen Kredits bestimmt das Vorrecht. — Z. 445, I. 5« A. G. O.
') Diese Institute verlieren dadurch nicht ihr Vorrecht, daß ihr Verwalter, z. B.
der Pfarrer im eignen Namen kontrahirt, dadurch aber das Geschäft der An
stalt wirklich besorgt hat.
616
15. Die Gegner eines solchen, welcher im Prozesse wegen Grundstücks-
oder bekanntem Vermögensbesitz von Kaution befreit worden, in Ansehung
der zu erstatteten Kosten. Die Ordnung erfolgt nach dem Tage der die Kautions
befreiung aussprechenden Verfügung. — §. 446 a. a. O.
16. Die vor Konkurseröffnung eingewiesenen Immittirten) Gläubiger, und zwar
diejenigen,
g) die mit einer exekutionsfähigen Forderung in die Grundstücke des Gemeinschuld
ners eingewiesen sind;
b) welche Versiegelung und Auspfändung des Mobiliarvermögens ausgebracht ha
ben, wenn hiernächst Pfändung wirklich erfolgt ist;
0) welche bei schon stattgehabter Pfändung durch Verfügung derselben für beitre
tend erklärt sind, wenn zugleich dem, welchem die Verwahrung der gepfändeten
Effekten anvertraut worden, davon Kenntniß gegeben ist;
6) auf deren Antrag die Sequestration der Grundstücke des Gemeinschuldnerö wirk
lich verhängt ist, so wie die,
e) welche derselben für beitretend erklärt sind, wenn davon zugleich dem, welchem
die Verwaltung des Grundstücks übertragen ist, Nachricht gegeben worden;
1) die, welche nach S. 2 des Ges. vom 4. Juli 1822, zur Einziehung und Einkla
gung einer Aktivforderung des Schuldners, im Wege der Exekution ermächtigt sind z
g) die, für welche im Wege der Exekution Besoldungen, Dienstemolumente, Warte
gelder, Pensionen, Fideikommiß- oder Lehnsnutzungen, und andre an die Person
des Schuldners gebundene Einkünfte mit Beschlag belegt, oder welche der Be
schlagnahme für beitretend erachtet sind.
Die Immission erstreckt sich jedoch nicht auf die ganze Masse, sondern nur auf
die Gegenstände, in Betreff deren dieselbe erfolgt ist. Vorzüglichere Gläubiger > )
gehen auch hier vor. — Bei Beschlagnahme des Diensteinkommens und dergl. Ein
künfte sind jedoch auch künftige Beiträge und sogar Gehaltserhöhungen verhaftet.
Bei Konkurrenz Mehrer gibt die frühere Jmmision den Vorzug. Bei Beschlag
nahme der unter zz erwähnten Einkünfte u. s. w. werden jedoch die immittirten
Gläubiger, in der Art befriedigt, daß zunächst die vor der ersten Beschlagnahme er
wachsenen, und demnächst, die später entstandenen Forderungen zur Hebung kom
men. Bei diesen geht die früher immittirte der später immittirten vor. Bei je
nen hat nur der Extrahent der Beschlagnahme in Bezug auf die Einkünfte des 1.
Jahres ein vorzüglicheres Recht. In Betreff der Einnahmen fernerer Jahre haben
die vor Beschlagnahme erwachsenen Ansprüche ein Recht auf tributarische Verthei-
lung.2) — z. 447—449 I. 50 A. G. O. ß. 15—17 des Exek. Ges. vom 4. März
1834. GS. S. 35 fg.
17. Stiefkinder im Vermögen ihres Stiefvaters in Betreff ihres
eignen Vermögens dann, wenn ihre Mutter vor Auseinandersetzung mit den Kin
dern früherer Ehe und vor Ausantwortung des Vermögens derselben sich wieder
verheirathete, und die Mutter zu ihrer Befriedigung ausser Stande ist. — §. 450,
I. so A. G. O.
VI. Gläubiger der sechsten; und VIl. der siebenten Klasse.
Z. 397. I. Gläubiger der 6. Klasse, welche ohne ein Vorzugsrecht unter einander
nach Verhältniß zur Hebung kommen, sind folgende:
1) Die auf Grundstücken des Gemeinschuldners hypothezirten Forderungen,
1) D. h. solche, die in den vier ersten Klassen zu loziren sind, und auch in der
fünften Klasse bevorzugter sind, als die immitirten. Einige Rechtslehrer wollen
darunter nur die vier ersten Klassen verstanden wissen.
2) Vom Gehaltsabzugsversahren ausser dem Konkurse wird weiter unten die Rede sein.
«17
für welche dieser persönlich aufkommen muß, in so weit, als dieselben bei Wer«
thcilung der Kaufqelder des verpfändeten Grundstücks und namentlich auch durch
Kostenabzüge von den Kaufgcldern, mit dem Kapital und dem privilegirten fah
rigen Zinsenrückstande nicht zur Hebung kommen. — Steht daher um deshalb,
weil die Kaufgeldervertheilung noch nicht statt gehabt, der Ausfall noch nicht
fest: so wird dem liquidirten Betrage und 2jährigen Zinsenrückstande im Klassi-
fikationsurtel hier der Ort vorbehalten.
Hier werden auch solche mehr als zweijährige Zinsenrückstande von eingetra
genen Kapitalien angesetzt, welche Gläubiger binnen 4 Wochen nach deren Ver
sall gegen den Gemeinschuldner eingeklagt, und in Betreff deren er die Exeku
tion bis zur Konkurseröffnung ununterbrochen fortgesetzt hat. — g. ISl, 452,
45S, 47Z a. a. O. Deel, vom 2«. Januar 182« GS. S. S4.
2) Forderungen aus nicht eingetragenen, jedoch gerichtlich aufgenommenen
oder bestätigten Darlehns- oder andern Schuldinftrumcnten >), die Aufnahme
oder Bestätigung mag vom ordentlichen oder einem andern in- oder ausländi
schen Richter erfolgt sein. Doch findet in Betreff der im Auslande bestätigten
Urkunden Rctorsionsrecht Statt. — Bios gerichtlich anerkannte Instrumente ge
ben nicht dieses Vorrecht. — Z. 454, 455, I. 5« A. G. O.
3) Der Werth der dem Gemeinschuldner in Verwahrung gegebenen, oder
geliehenen, verpfändeten oder bitt weise unentgeldlichüberlassenen
Sachen; ferner der Effekten, welche durch Diebstahl oder auf andre un
erlaubte Art in des Gemeinschuldncrs Gewahrsam gekommen sind;
ferner der dem Gemeinschuldner als Pächter eines Grundstücks bei Verpach
tung übergebenen Jnventarienstücke und Vieh- und Wirthschafts-
geräthe, in so fern in allen diesen Fällen Vindikation nicht mehr anwendbar
ist. — Der Werth vermietheter oder geliehener verbrauchbarcr Sachen gehört je
doch in die siebente Klasse, in so fern nicht eine privilegirte Urkunde ein Vorrecht ge
währt. — §. Sil, 45« a. a. O.
4) Die an einen Privatgerichtsverwalter gezahlten Auktion«- und andern
Gelder, welche zum Depositum kommen sollten, jedoch von ihm «erbraucht
find. — §. 42« a. a. O.
5) Baare Darlehne, welche dem Gemeinschuldner zu seinem Unterhalte, oder zur
Unterstützung es seinem Gewerbe, ausdrücklich ohne Sinsen gegeben sind.—
§. 457 a. a. O.
6) Die, welche dem Gemeinschuldner Grundstücke verkauft und üb er
geben, die Kaufgelder aber ganz oder zum Theil nicht erhalten, und diese Rück
stände im Hypothekenbuche nicht haben eintragen lassen. — §. 458 a. a. O.
7) Erbegelder, die ein Erbe dem andern, gegen Uebernahme der zur Erbschaft
gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen zu zahlen verbunden; so fern
nicht bessere Sicherheit bestellt ist. — §. 459 a. a. O.
S) Aus dem letzten Jahre vor Konkurseröffnung rückständige Alimente,
die ein Erbe dem andern, vermöge Anordnung des Erblasser«, oder vermöge
eines mit dem Miterben geschlossenen Vertrages; oder die Gemeinschuldner in
Folge rechtskräftiger Entscheidung für unehliche Kinder oder aus unerlaubten
Handlungen, zu zahlen hat?). — Hypothezirte Alimente haben gemäß Nro.t
') Diesen Ausdruck kann man nicht, wie einige Rechtslehrer meinen, blos auf ein
seitige, früher den Erekutivprozeß begründende Urkunden, sondern muß ihn auch
auf zweiseitige Schuldinstrumente beziehen.
2) Alimente, welche der geschiedenen Frau statt der Ehescheidungsstrafe zugesprochen
sind, haben dies Vorrecht nicht. Eine unerlaubte Handlung, wie Koch dies an
nimmt, liegt hier nicht vor.
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des vorigen z. das Vorrecht der fünften Klasse. Aeltere Rückstände der unter 8 ge
dachten Alimente gehören in die siebente Klasse. — Beruhn die Alimente auf blosser
Freigebigkeit des Gemeinschuldners ; so werden sie erst nach der siebenten Klasse
angesetzt. — z. 460—463. z. 420 a. a. O.
9) Die, welche dem Gemeinschuldner zum Studiren Geld vorgeschossen, so
wie die, welche demselben oder seinen Kindern in Sprachen, Künsten und
Wissenschaften Unterricht gegeben haben, jedoch mit Ausnahme des
nach K. 394 Nro. 9 angesetzten Lehr- und Schulgeldes. — Z. 464 a. a. O.
1v)Rückständige Sporteln der Gerichte und Kommissarien, in so fern
dieselben nicht zu ordentlich eingerichteten Salarienkassen gehören.
(N. 8. 395, Nro. 1 «. und Z. 396, Nro. 11). Die'noch aus Sporteln, zu besoldenden
Justizbeamten gehören jedoch nicht hierher. Diese können vielmehr beim Aus
bruch des Konkurses über das Vermögen eines Beamten einen 2jährigen Sold
rückstand aus den alsdann noch ausstehenden Sporteln fordern, und soweit sie
daraus nicht befriedigt werden, oder die Rückstände älter sind, gehören sie zur
siebenten Klasse. — 8. 46S, 4S6 a. a. O.
11) Justizkommissarien und Notarien wegen rückständiger Gebühren. —
z. 467 a. a. O.
12) Medizinalkosten des vorletzten Jahres vor Konkurseröffnung (§. 394 Nro. S).
Aeltere Rückstände gehören zur siebenten Klasse. Kann Gläubiger jedoch nach«
weisen, daß er vom Gemeinschuldner auch durch Einklagung und Ereeution
seine Befriedigung nicht würde haben erhalten können; so kann er dreijährige
Rückstände in der sechsten Klasse fordern. — K. 468 a. o. O.
13) Defekte der vom Staate bestellten Auktionskommissarien und
Ausrufer, wenn sie die an sie gezahlten Kauf- und Auktionsgelder unterschla
gen haben, und der Konkurs später als 4 Wochen nach dem Zeitpunkt, m« diese
Gelder regleinentsmässiig abgeliefert werden mußten, eröffnet ist. — Z. S9S a. o. O.
14) Die den Fabrikanten zum Betriebe ihrer Nahrung gegebenen Vorschüsse,
mit Ausnahme jedoch der §. 393 Nr«. 14, IS, 16 erwähnten. — §. 469 a. a. O.
15) Das von der Braut dem Bräutigam Vorgeschossene oder Anver
traute, wenn über dessen Vermögen vor der Hochzeit Konkurs eröffnet wird.—
Z. 470 o. o. O.
16) F«rd«rungen aus Wechseln und zwar
») aus gezogenen sowol, als trockenen Wechseln wechselfähiger Personen, in so
fern das Wechftlrecht nicht verjährt ist,
d) aus kaufmännischen Assigtmtionen und Handelsbillett, wenn dieselben Wech
selkraft Habenz
«) aus den in Wechselsorm ausgestellten Tchulddokumenten nicht «echfelfS,
higer Personen, in so fern diese Urkunden, wenn der Aussteller wechselfähig
wäre, noch Wechselrecht gewährten.
ch Auch der Indossant hat innerhalb Jahresfrist wegen der Valuta de« Wech
sel« im Vermögen des Indossatars die sechste Klasse.
e) Der Bezogene, welcher ohne hinreichende Deckung zahlt, Km» hier jedoch
nur dann liquidiren, wenn die Akzeptation per Konvr geschah.
In andern Fällen kommt bei Wechseln nur die siebente Klasse zum Ansatz.
Dies ist auch bei auswärts ausgestellten Wechseln der Fall, wenn sie nach hiesi
gen Gesetzen verjährt sind, und Schuldner sich dem auswärtigen Wechselrechte
unterworfen hat. — Z. 471 und Anh. §. 365, 366, I. 5« Anh. ß. 192, zu Z. 2
I. 28 A. G. O. — K. 751, I. 11. Z. 930, 1104, 1257, 1288, 129S U. 8 A. L.
R. — Deel, vom 16. Febr. 1817 GS. G. 34.
17) Forderungen aus der vom Notar aufgenommenen, «nd gehörig vollzöge
ei 9
nen DarlehnSs und andern Schuldinstrumenten. — z. 472, l. 60
A. S. O.
II. Zur siebenten Klasse gehören Ansprüche aus Privaturkunden,
Buchschulden, Untersuchungskosten >) und überhaupt alle die Forder
ungen, für welche da« Borrecht einer früheren Klasse durch Nichts begründet wird.
Sämmtliche Forderungen dieser Klasse kommen, wenn die Masse nicht hinreicht
zur Befriedigung aller, verhältnißmässig zur Hebung. — Z. 474 Anh. z. 368 und
S62 a. a. O.
VIII. Die nach den Klassengläubigern (post omves) zur Hebung
Kommenden.
K. 393. Nach sämmtlichen Klassengläubigern kommen nachstehende Ansprüche
zum Ansatz, und zwar in der folgenden Ordnung, so daß die unter einer früheren
Nummer Stehenden den nachfolgenden vorgehen, und daß die unter Einer Nummer
etwa vorkommenden Forderungen tributarisch (die unter Rro. 2 und 3 jedoch mit
der dort angeordneten Modifikation) befriedigt werden:
1) Die vom Gemcinschuldner zu entrichtenden Geldstrafen') mit Einschluß der Ak
zise- und Sollstrafenz §. 47S, 476, 482 Anh. §. 367 a. a. O.
2) Die Kommunkosten, oder die deswegen den Gläubigern gemachten Abzüge nach
der Ordnung der Kapitalien; K. 477«. a. a. O.
3) Die mehr als zweijährigen Zinsenrückstände, und die während des Konkurses ge
stundeten, so wie die bei Hypotheken- und Faustpfandforderungen aus den Res
venüen und dem Pfände nicht gedeckten kurrenten Zinsen nach der Ordnung,
wie die Kapitalien angesetzt sind, und wenn mehre tributarisch zur Hebung ge
kommen, nach derselben Vertheilungsart. — Z. 477 b. a. a. O. Declar. vom 20.
Januar 1820 GS. S. 34.
4) Die vom Gläubiger für sein Liquidat, und namentlich für Instruktion erster In
stanz gezahlten Kosten. — z. 153 und Anh. Z. 33« I. 5« A. G. O.
5) Die Begrübnißkosten des Gemeinschuldners, so fern sie mehr als §. 394 Nro. 5
zugebilligt wird, betragen. Auch Trauerkosten für Wittwen und Kinder gehören
hierher. — K. 478 a. a. O.
S) Die aus Schenkungen und sonstiger Freigebigkeit de« Gemeinschuldners gemachten
Ansprüche. Hierher gehören namentlich auch die vom Gemeinschuldner aus Frei
gebigkeit zugesicherten Alimente, so wie die der Frau während der Ehe durch
Ehevertrag bewilligten Bortheile. — §. 439, 463, 479 a. a. O.
7) Gebührnisse der Ehefrauen, wenn sie nach Borschrift z. 395 Nro. 4 L. und §.
396 Nro. 6 c. allen Gläubigern ihres Mannes nachstehen müssen. — §. 480 o. a. O.
ö) Die vom Gemeinschuldner ausgesetzten BermSchtnisse >). — K. 481.
,) Koch behauptet auf Grund des Z. 637 Cr. O. und Anh. K. 363 «. G. O.,
daß Untersuchungskosten zwar in der siebenten Klasse, jedoch nach allen andern
Forderungen dieser Klasse zur Hebung kommen. (R. der Ford. S. 606, Bd. 1).
Ich kann diese Ansicht nicht theilen, da Z. 474 u. Anh. 362 A. G. O. sie unbe
dingt in die siebente Klasse, und den übrigen Ansprüchen dieser Klasse gleich
setzen. — Zahlt Schuldner die Geldstrafe, indem er dies ausdrücklich erklärt, so
kann um deshalb, »eil die Untersuchungskosten ein Borrecht haben, das Ge
zahlte nicht auf diese gerechnet werden. — Res. vom 23. November 1839 I. M.
B. 184« S. 84.
2) Wenn Fiskus gegen einen Offizier eine ohne Konsens des Chefs gemachte, also für de»
Gläubiger nicht einklagbare Forderung einklagt; so gehört der Anspruch zur sie
benten Klasse da in Bezug auf den Offizier von Strafe nicht die Rede sein kann.
») Pflichttheilsberechtigte, denen auf ihr Pflichttheil ein Legat ausgesetzt ist, geh««
rm ebenfalls hierher. — Ll. Res. vom 4. Mai 134« I. M. B. S. 15ö.
62«
Won Publikation des Klassifikationsurtelsj Rechtsmittel der Re
stitution; und Vorladung zur Regulirung der Appellationen.
Z. 399. I. Nachdem nun demgemäß das Klassifikationsurtel abgefaßt worden
ist, wird in einer Nebenverfügung
1) defsen Publikation verfügt. Diese geschieht in einem nahen Termin von
einem Deputirten. Su dem Termin werden der Kurator und Kontradiktor,
und die angesetzten und abgewiesenen Gläubiger, die am Orte anwesend oder
durch Bevollmächtigte vertreten sind, unter der Warnung vorgeladen, daß dem
Ausbleibenden die für ihn bestimmte Ausfertigung in Kraft der Publikation zu
gesendet wird. Den im Klassifikationsurtel präkludirten Gläubigern wird dasselbe
auszugsweise, so weit es sie betrifft, mittelst Umschlags an Stelle der Publika
tion sofort gesendet.
2) Es werden deshalb die nöthigen Ausfertigungen angeordnet. Für den
Kontradiktor wird Ausfertigung des ganzen Urtels, für die Gläubiger aber wer
den Auszüge, enthaltend die allgemeinen und die den Einzelnen betreffenden Be
stimmungen desselben, veranlaßt, und den im Publikationstermin Erschienenen
bei Publikation ausgehändigt, den Nichterschienenen, und den Nichtvorgeladenen
aber bald auf gewöhnliche Art behändigt.
Hat ein Bevollmächtigter zur Empfangnahme des Urtels nicht Bollmacht,
so erhält er nur extraktive Abschrift, sein Machtgeber aber die Ausfertigung.
3) Zugleich wird in der Nebenverfügung ein Termin zur Regulirung der
etwa anzubringenden Appellationen angesetzt, und zu demselben sowol
der Kontradiktor, als die lozirten oder abgewiesenen Gläubiger, diese jedoch nur
in so fern, als ihnen in Betreff ihres Anspruchs Appellation zusteht, persönlich
oder zu Händen ihrer Bevollmächtigten vorgeladen.
Die Borladungen zu 1 und 3 können vereint werden. Doch sind verschiedene
Termine einzurücken. Der Termin zur Regulirung der Appellationen muß in der
Art anberaumt werden, daß er mit, oder bald nach Ablauf der sechswöchentlichen
resp. zwölfwöchentlichen Appellationsfrist eintrit. Auch darf der Deputirte nicht der
Urtelsfasser sein. — Z. 16S Anh. Z. 332. §. 182, 183, I. 50 A. G. O. — Berord.
vom S. Mai 1838 Z. 3, 4. — Res. vom 30. Juni 1834. Jahrb. 43, S. S42. —
§. 21, 22 V. vom 14. December 1833. — Res. vom 14. Febr. 1840 I. M. B.
S. 91. — Res. vom 3. Juni 1842 I. M. B. S. 218.
II. Den im Klassifikationsurtel präkludirten Gläubigern steht eben so, wie den
nach 8. 386, III. durch Präklusionsurtel ausgeschlossenen, binnen 10 Tagen nach
Empfang der Ausfertigung, resp. nach Publikation durch Aushang, das Rechts
mittel der Restitution zu.') Uebrigens gnügt zur Begründung des Rechts
mittels die blosse Anmeldung ihres Anspruchs innerhalb der Restitutionsfrist. — Sie
werden hierauf zur Liquidation und Verifikation ihres Anspruchs, und falls sie ein
gehörig begründetes Liquidationslibell eingereicht haben, zur Beantwortung und In
struktion unter der Warnung vorgeladen, daß beim Ausbleiben angenommen wird,
sie stehen von Liquidation ab. Der Kontradiktor wird mit vorgeladen. Erscheinen sie
s) im Termine nicht, so bedarf es keines neuen richterlichen Spruches, sondern es
gnügt die blosse Verfügung, daß es nun bei der bereits erfolgten Präklusion
sein unabänderliches Bewenden behalte,
b) Erscheinen sie, so wird die Sache zwischen ihnen und dem Kurator ordnungs-
mässig instruirt, und falls die Restitution gegen das Präklusionsurtel gesucht ist,
- im folgenden Klassifikationsurtel darüber erkannt. Ist jedoch gegen die in die-
Neben diesem steht ihnen das Rechtsmittel der Appellation nicht zu. Denn dem
Präkludirten ist die Forderung nicht aberkannt. Er verliert nur sein Recht an
die Masse. Ein eigentliches Kontumazialurtel liegt also nicht vor.
621
fem ausgesprochene Präklusion restituirt; s« wird durch besondres Nachtrags«
urtel sowol die Richtigkeit und der Betrag der Forderung, als der Ort, «elcher
ihr im Verhältniß gegen die andern Gläubiger zukommt, und zwischen welchen
Nummern des Klassifikationsurtels sie einzuschalten sei, bestimmt. Diese Ein«
schaltung wird demnächst durch kurzen Vermerk am Rande des Original-Klassi-
fikationsurtels da, wo sie hingehört, so wie durch eine umständlichere Registratur
hinter dem Schlüsse dieses Urtels nachgetragen. — Im letzten Falle muß übri
gens den übrigen Gläubigern von der Restitution in dem zur Regulirung der
Appellationen anstehenden Termin, und vom Ausfall des Nachtragsurtels bald
nach Abfassung den Mitgläubigern, welchen der nachträglich Liquidirende vor
oder gleich gesetzt ist, Nachricht gegeben werden.
Uebrigens muß der nachträglich Liquidirende jedesmal die Koste» dieser beson
der« Instruktion und Entscheidung allein tragen, so fern er nicht glaubhaft
nachweisen kann, daß er an der früheren Anmeldung ohne seine Schuld »er-
, hindert worden. — §. 167, 168, I. 50 A. G. O. — Res. vom 22. Juli 1831
und vom 9. Februar 1836. G raff, Koch ,c. III. S. 1V5V.
Von den gegen das Klassifikationsurtel zulässigen Rechtsmitteln.
§. 400. Gegen das Klassifikationsurtel ist , .-
I. das Rechtsmittel des Rekurses dann zulässig, wenn der Gegenstand
der Beschwerde 50 Thlr. nicht übersteigt. Dabei finden durchweg die dieses Rechts
mittel im Allgemeinen betreffenden Vorschriften Anwendung 192 fg.) Darüber, wer
als Provokat zu betrachten, entscheiden die in Betreff der Appellationen nach II.
Nro. 2 gellenden Grundsätze. — Cab.-Ord. vom 23. November 1839 GS. S. 299.
, . p. Das Rechtsmittel der Appellation findet statt, wenn das Beschwer-
deobjekt S0 Thlr. übersteigt. Dies Rechtsmittel kann
1. innerhalb der für Appellationen im Allgemeinen gestatteten Frist von sechs und
resp. zwölf Wochen (§. 185 fg.), und falls der zur Regulirung der Appellationen
angefetzte Termin später ansteht, noch in diesem Termine eingewendet werden, und zwar
») vom Kontradiktor gegen diejenigen Theile des Erkenntnisses, welche die Richtig
keit und den Betrag der liquidirten Forderungen betreffen;
d) von den Gläubigern sowol wegen der eignen Forderung in Betreff der ihnen ab
erkannten besseren Stelle, oder in Betreff der abgesprochenen Forderung selbst,
als wegen der Richtigkeit, des Betrags und der Stelle der Forderungen der
Mitgläubiger, hier jedoch nur in so fern, als der Anspruch des Appellanten bei
der verlangten anderweiren Entscheidung, falls er obsiegt, günstiger zu stehen
käme'). Appellirt schon der Kontradiktor gegen die Richtigkeit oder den Betrag
einer im Klassifikationsurtel angesetzten Post, so bedarf cö hinsichtlich derselbe»
reiner besondern Appellation Seitens der andern Gläubiger. Diese können der
Appellation des Kontradiktors beitreten, und ihre Gründe zu deren Unterstützung
anführen.
Der Gemeinschuldner kann gar nicht, und der Kontradiktor nicht gegen die,
einem Gläubiger zuerkannte, Stelle appelliren.
2. In dem nach I. Nro. 3 des vor. Z. anstehenden Termine werden nun die Er
schienenen, nachdem sie mit Lage der Passivmasse, Inhalts des Klassifikationsurtels,
und mit dem Verhältniß derselben zur Aktivmasse bekannt gemacht worden, über ihre
Beschwerden, und darüber: wer bei den einzelnen Beschwerden als Appellant und
als Appellat anzusehn sei? vernommen.
s) Appellirt der Kontradiktor gegen die Richtigkeit «der den Betrag einer Post; so
Z. B. ein in fünfter Klasse Angesetzter kann nicht gegen die Ansetzung eines, An
spruchs in sechster Klafft appelliren. .„
622
könne» die Ädrigen Gläubiger, welchen durch eine auf die Appellation «gehende
günstig« Entscheidung Vortheil erlangen würbet,, mit dem Kontradiktor gemein
schaftliche Sache machen; der Inhaber jener Post aber ist Appellat.
b) AppSlirt nicht der Kontradiktor, fondern ein Gläubiger gegen die Richtigkeit,
den Betrag oder die Stelle einer Forderung seine« Mitgläubigers ; so wird die
Appellation unter diesen allein »erhandelt, ohne daß es grade einer Zuziehung
der dabei interessirenden übrigen Mitgläubiger bedarf,
e) Appellirt ein Gläubiger wegen seiner eignen Forderung, und zwar
ss) deswegen, weil ihr die vorzügliche verlangte Stelle nicht zuerkannt worden;
so geht diese Appellation den Kontradiktor gar Nichts, sondern nur diejeni
gen Gläubiger an, welchen Appellant vorgehen, oder mit welchen er gleich
gesetzt werden will;')
db) in Betreff der Richtigkeit und des Betrags derselben Z so ist die Sache
hauptsächlich zwischen ihm und dem Kontradiktor, welcher dir Rechte der
! ! Masse und sämmtlicher Gläubiger vertrit, zu verhandeln. Doch muß dieser
von der Appellation den interessirenden Mitgläubigern Nachricht geben, da
mit sie allenfalls als Jntervenienten sich melden, und dem Kontradiktor das
' Röthige an die Hand geben können,
ec) Betrifft die Appellation die Richtigkeit oder den Betrag und die Stelle zu
gleich; so entsteht ein doppeltes Appellationsverfahren, eins zwischen dem
Appellanten und dem Kontradiktor in Ansehung der Richtigkeit oder des Be-
' - trags ; das zweite zwischen dem Appellanten und den interessirenden Mit
gläubigern in Ansehung der Priorität. Zur Vermeidung des doppelten Ver
fahrens muß das Gericht die avpellatischen Gläubiger zu vermögen suchen,
-"^ daß sie den Kontradiktor zu ihrer Vertretung beauftragen, und ihm die nö-
thigen Rachrichten und Beweismittel an die Hand geben.
'S. Die einzelnen, über besondre Posten des Klafflfikstivnsurtels sprechenden Ap
pellationen müssen gehörig gesondert, zu besonderen Protokollen verhandelt, und über
jede Appellation besondre Akten angelegt werden.
4. Der Deputirte muß sich im Termin zur Regulirung der Appellationen, nach
Feststellung dessen: wer bei jeder einzelnen Appellation als Appellant «der als Ap
pellat auftrete? auch bemühn, daß die mehren, gemeinschaftliches Interesse habenden
Gläubiger über einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten für das Appellationsver
fahren sich vereinigen. Gelingt dies nicht; so muß das Gericht von Amtswcgen den
zenigen Justizkommissar dazu ernennen, welcher den meisten zur Sache gehörenden
Gläubigern bedient ist. Doch können die Gläubiger, wenn sie wollen, auf ihre Ko
sten und ohne Erftattungsrecht, ihre Bevollmächtigte der Instruktion beiwohnen,
und auch deduziren lassen.
ö. Wegen Instruktion der Appellationen finden die allgemeinen für den ordent
lichen Prozeß desfalls gegebenen Vorschriften Anwendung (Z. 203 fg.). Jede, eine
besondre Forderung und Rummer des Klassifikationsurtels betreffende, Appellation
wird besonders und in besondern Akten instruirt, und darüber auch besonders erkannt.
Wenn jedoch mehre Appellationen über ein und dieselbe Forderung und Rum-
tner einkommen; z. B. wenn Kontradiktor gegen einen Gläubiger über den Betrag
und die Richtigkeit seiner Forderung, und zugleich dieser Gläubiger wegen der ihm
aberkannten Priorität appellirt; so gehören diese Appellationen in einerlei Akten,
«nd sind auch durch Ein Erkenntniß zu erledigen.
Fünfter Abschnitt.
»om «ersuch ber Sühne im Konkurse.
Zurücknahme des Antrags auf Konkurs und Antrag zum Vergleich.
§. 4SI. I. Die richterliche Mitwirkung bei Verwaltung der Masse währt in
der Regel so lange, bis die Vertheilung derselben nach den im folgenden Abschnitt
vorgeschriebenen Grundsätzen erfolgt, und der Konkurs auf diesem Wege zu Ende
geführt ist. Ausnahmsweise kann jedoch der Konkurs früher und auf andre Weise
beendigt werden, und zwar:
1) wenn sämmtliche bekannte Gläubiger in Aufhebung des Konkurses willigen, und
dem Gemeinschuldner die Masse überlassen. Diese muß dann, ohne Rücksicht
darauf, in welchem Zeitpunkte der Konkurs sich befindet, unter dessen Aufhebung
dem Gemeinschuldner auSgeantwortet «erden;
2) wenn die Masse suffizient wird, 2) und diejenigen Gläubiger, welche auf Kon
kurs angetragen, oder ihre Befriedigung bei demselben bereits nachgesucht haben,
in Aufhebung des Konkurses willigen;
4) auf Grund geschehener Vergleichsvorschläge. — Anh. ß. 320 zu §. 30. §. 690,
625 fg. a. a. O. Res. vom 9. November 1795 und vom 13. Juni 1804.
Rabe 3, S. 202. Bd. 8, S. 83.
ll. Auf Vergleichsvorschläge de« Gemeinschuldners soll in der Regel keine
Rücksicht genommen und die Sache dadurch nicht aufgehalten werden. Selbst der
mindere Theil der Gläubiger kann zum Beitrit zu solchen VergleichsvorschlSgen nicht
gezwungen werden.
' ) Z. B. ein in sechster Klasse angesetzter Gläubiger wirb auf die Appellation eines
Mitgläubigers in die siebente Klasse lozirt; so kommt dies den sämmtlichen
Gläubigern der sechsten und siebenten Klasse zu Gute. — §. IS«, I. 5« A. T. O.
2) A. B. durch Erlaß von Forderungen, durch Erbschaften u. dgl.
4«>
«24
Dagegen sind Vergleichsvorschläge, welche von Gläubigern oder Dritten und
namentlich auch, wenn Gemeinschuldner mit bepfandbrieften Gütern angesessen war,
von dem durch die Kreditdirektion dazu angewiesenen Landschaftssyndikus >) einge
hen, dann zu berücksichtigen, wenn dieselben
il) mit gehöriger Rücksicht auf die Beschaffenheit und den wahrscheinlichen Betrag
der Aktivmaffe eingerichtet sind;
2) wenn sie mit den Forderungen der Gläubiger und den verschiedenen Graden der
Priorität, welche denselben nach ihrer Beschaffenheit gesetzlich zukommen, im Ver
hältnis) stehen; und
3) wenn es klar, oder wenigstens höchst wahrscheinlich ist, daß die Gläubiger auf
diesem Wege des Vergleichs zu ihrer Bezahlung leichter und früher gelangen
werden, als wenn die Sache im Wege des Konkurses weiter fortgesetzt werde«
sollte. — 8- 589-S91, l. 50 A. G. O.
") Hier ist vorausgefetzt, daß nicht fchon früher Sequestration eingeleitet war.
«3«
4) die Koste» der Revenüenvertheilungz .
5) die innerhalb der letzten zwei Jqhre vor Konkurseröffnung ausgeschriebenen Feuer«
sozietätsbeiträge; endlich . .
ö) die kurrenten Zinsen der eingetragenen Forderungen. Diese Zinsen laufen vo»
demjenigen 1, Juli, welcher der Revenüenbeschlagnahme oder der eingeleitete»
Sequestration unmittelbar voran gegangen ist.
Die Berichtigung der Leistungen zu 1 bis 5 erfolgt bald nach Entstehung, resp.
Ausschreibung, aus den zur Seit vorhandenen Revenuen. Die laufenden Sinsen wer
den ebenfalls, sobald sie fällig werden, vom Sequester resp. Administrator nach der
ihm ertheilten Anweisung und vorgeschriebenen Folgeordnung bezahlt. Sind Hypo
thekenforderungen noch streitig, oder deren Inhaber dem Aufenthalte nach unbekannt;
so werden die von solchen Forderungen laufenden Sinsenbeträge zu einer Spezial
masse ins Depositorium gezahlt.
Mvenuenüberschüsse des einen Jahres werden Behufs Vertheilung auf die Lei
stungen und Zahlungen zu 1 bis 6 des folgenden Jahres aufbewahrt.
Aeichen aber die Revenuen, des einen Jahres zur Deckung der zu 1 bis 6 für
das betreffende Jahr nöthigen Summen nicht aus, so kommt
s) wenn dies im ersten Wirthschaftsjahre, in welchem der Konkurs eröffnet wor
den, der Fall ist, der nicht zur Hebung kommende Betrag der laufenden Zinsen
demnächst bei Vertheilung der Kaufgeld« mit dem zweijährigen Zinsenrückstand
zugleich zum Ansatz und zur Zahlung,
b) Ausfälle kurrenter Zinsen in folgenden Jahren dagegen werden aus den Reve
nuen der nächsten Jahre vergütet.
Die Vertheilung geschieht stäts in der Ordnung, welche die Hypothekenforde
rungen im Hypvthekenbuch erlangt haben, so daß der, der Priorität nach, nachfol
gende Gläubiger nicht eher mit kurrenten Zinsen zur Hebung kommt, als bis der
vorstehende Gläubiger alle seit 1. Juli vor Revenüenbeschlagnahme laufenden Zin
sen erhalten hat.
Ist ein Kapital auf zwei verschiedenen zur Konkursmasse gehörenden Grund
stücken eingetragen; so werden diejenigen Revenuen der beiden Grundstücke, welche
nach Berichtigung der Zinsen von den vorstehenden Kapitalien noch übrig bleiben,
zusammengerechnet, die sich ergebende Summe wird mit der Zinsenforderung des
betreffenden Gläubigers in Verhältnis; gestellt, und nach der Sozietätsregel berech
net, was darnach jede Revenüenmasse beiträgt. Z. B. die Zinsen von einem auf
2 Grundstücken eingetragenen Kapitale von 5000 Rthlr. betragen jährlich 20« Rthlr.;
von den Revenüen des einen Grundstücks bleiben nach Abzug der vorgehenden Zin
sen 300 Rthlr., von den Revenüen des andern Grundstücks 100 Rthlr.; so erhält
der Gläubiger auf seine Zinsenforderung von 200 Rthlr. vom ersten Grundstück
150 Rthlr., vom zweiten S« Rthlr.
Berbesserungskostcn, und Tax- und Subhastationskostcn dürfen in der Regel
nicht aus den Revenuen entnommen werden; es müßten denn in Betreff der erfte-
ren sämmtliche Gläubiger einig sein; oder in Betreff der letzteren die vorschußweise
Entnahme beim Mangel andrer baaren Fonds nöthig werden. .
Bei obwaltenden erheblichen BiUigkeitsgründen kann der Richter einem od«
dem andern der in der zweiten Klasse lozirten Realgläubiger (III. Nry. 1) aus, de«
kurrenten Revenüen ebenfalls Zahlung anweisen. Die zu l. L. s erwähnten ausser
ordentlichen Revenüen müssen aber jederzeit zur Befriedigung der in der zweiten
Klasse angesetzten Rcalansprüche verwendet werden. — Z. 496—503. §. 521, 523, I.
5» A. G. O. — §. 25 des Erek. Ges. vom 4. März 1,834.
III. Die Vertheilung der Jmmobiliarsubstonzmasse erfolgt in der
Regel sofort nach dem, durch den Kurator zu beantragenden., Verkauf der Grund«.
«31
stücke im Wege der gewöhnlichen Kaufgeldcrbelegung. > ) Daraus werden, nachdem
aus derselben die ctwanigen Rückstände an Berwaltungskosten, die im Suschlagsur,
tel ihr auferlegten, und die Kaufgelderbelegungs- und Uebergabekoften vorweg be
richtigt sind, bezahlt:
1) zunächst »on den in der zweiten Klasse, angesetzten Ansprüchen in so weit sie
nicht nach Vorschrift II. aus den Revenuen befriedigt sind,
s) die zweijährigen Rückstände der vom Grundstück zu entrichtenden landesherr
lichen Abgaben (§. 394 R«. I)j
d) gleiche Rückstände der vom Grundstück zu entrichtenden gemeinen Abgaben
und Lasten (das. Nro. 2);
c) die rückständigen Beiträge zu den Feuersozietäts-, und andern gleich berech
tigten Anstalten (das. Rr«. Z);
<!) die in Besoldung oder Lohn und Brod dc« Gemeinschuldners, als Gutsbe
sitzers, gestandenen Personen, welche zum Gute, und nicht zur Person oder
zum anderweiten Gewerbe des Gemeinschuldners gehören (das. Nr. 7);
e) das rückständige Pflüger- und Drescherlohn (das. Nro. 8);
Der Termin zur Belegung und Vertheilung der Kaufgelder kann daher bei
den zum Konkurse gehörigen Landgütern ausnahmsweise erst dann anberaumt
werden, wenn im Konkurse der Liquidatianstermin abgehalten, und der Subha-
stationsrichter davon benachrichtigt worden ist, welche der vorstehenden Ansprüche
angemeldet sind.
Andre Gläubiger der zweiten Klasse, und namentlich auch Dienstboten, welche
keine Gutsliedlöhner sind, werden hier nicht berücksichtigt.
2) Sodann werden die Hypothekengläubiger befriedigt, und zwar
») wegen der unter II. Nro. b gedachten, aus den Revenüen nicht gedeckten
laufenden Sinsen; >
b) wegen der zweijährigen privilegirten Sinsenrückstände;
o) wegen des Kapitals selbst.
Diese Hypothekengläubiger kommen nach der Seit der Eintragung ihrer
Forderung zur Hebung, so zwar, daß ein nachstehender Gläubiger nicht eher etwas
erhalten kann, als bis der vorstehende in Betreff der Ansprüche zu s bis c völlig
befriedigt ist.
Haftet ein und dieselbe Forderung auf mehren zur Konkursmasse gehörigen
Grundstücken; so werden die Jmmobiliarsubftanzmassen dieser mehren Grundstücke,
nachdem die vorstehenden Posten davon abgerechnet worden, zusammengezählt; die
Summe davon wird mit der Summe jener Forderung und der davon zu zahlenden
Sinsen in Verhältnis, gesetzt, und so dasjenige, was von jeder Kaufgeldermaffe auf
die Forderung zu zahlen sei, nach der Sozictätsregel berechnet. ^) — Ist ab«« von
den mehren verpfändeten Grundstücken erst das eine verkauft, das andre aber noch
unverkauft; so ist der Gläubiger zwar berechtigt, aus den Kaufgeldern des ersten
Grundstücks, so weit sie auf ihn hinreichen, seine Befriedigung zu verlangen. Wenn
jedoch hiernöchft das zweite Grundstück ebenfalls verkauft wird, so kommt von des
sen Kaufgeldern den auf das erste eingetragenen Gläubigern so viel zu Gute, als
der auf beide Grundstücke versicherte Gläubiger nach Obigem daraus erhalten haben
würde, wenn dasselbe zugleich mit ersterem verkauft worden wäre.
>) Die Klassifikatoria braucht nicht weiter abgewartet zu werden, und es ist das
Res. vom 27. Mai I83t, welches das Gegentheil bestimmte, antiquirt.
?) A, B. die auf 2 Grundstücken eingetragene Forderung beträgt 5lXX> Thlr.; die
Kaufgelder des einen Grundstücks betragen nach Abzug der vorstehenden Real-
sorderungcn 20,««« Thlr., die des andern 5««« Thlr., zusammen 25.«»« Thlr.,
so erhalt Gläubiger aus den 20,000 Thlr., 4000 Thlr. und aus den SVOV Thlrn.
1««« Thlr. — z. S2l, I. 5« A. G. O.
632
Sind bei der Bertheilung Realansprüche noch streitig, oder die Gläubiger zur
Empfangnahme nicht gehörig legitimirt; so wird jedes einzelne Perzipiendum der
Art zu einer Spezialmasse genommen, und erst nach Beseitigung des Streits oder
gehörig geführter Legitimation ausgezahlt. Fällt das Recht solcher Gläubiger i»
der Folge weg, und ist auch kein andrer Perzipient da, so kommt eine derartige
Spezialmasse den nicht zur Hebung gekommenen nächste» Realgläubigern zu Gute.
Was nach Befriedigung aller Realgläubiger und nach Berichtigung der Seque-
strations- und Subhastationskosten von der Jmmobiliarsubstanzmasse übrig bleibt,
fließt zur Gemeinmasse. — g. 503, 512 fg. 521, 522, I. 50 A. G. O. Z. 8, 9,
10, 12, 13 des Gef. vom 28. Decbr. 1840.
Theilungsverfahren, wenn ein Grundstück unverkauft bleibt.
§. 406. Gehören Grundstücke zur Konkursmasse; so ist die Endvertheilung
der Gemeinmasse in der Regel vom Verkauf sämmtlicher Grund
stücke abhängig, da gewöhnlich erst dann feststeht: ob und was von der Jmmo-
biliarmasse zur Gemeinmasse fließt, oder welche bei Vertheilung der Kaufgelder aus
gefallene Hyporhekengläubiger ihre Befriedigung aus der Gemeinmasse in der sechs
ten Klasse zu fordern haben. — §. 564—566, I. 50 A. G. O. — Ist jedoch
I. ein Grundstück z. B. wegen seiner Lehn«- oder Fideikommißeigen-
schaft unveräusserlich; so wird mit Vertheilung der Revenuen nach Vorschrift
Nro. II. des vorigen §, und mit der vorläufigen und der Endvertheilung der Ge-
meinmasse nach Vorschrift der folgenden HZ. verfahren, und dabei Rachstehendes be
rücksichtigt: > , .
1) Die gesetzlich eingetragenen Gläubiger können sowol laufende Zinsen, als den
zweijährigen privilegirten Zinsenrückstand, als das Kapital nach Maasgabe II.
und III. Nro. 2 des vor. Z. fordern.
2) Aus den Revenüen werden zunächst die laufenden Zinsen der Realgläubiger be
friedigt, und erst demnächst kommen diese mit den übrigen gedachten Ansprüchen
zur Hebung.')
S) Wenn das Realrecht eines eingetragenen Gläubigers auf einen gewissen Zeitraum
dergestalt eingeschränkt ist, daß es mit Ablauf desselben ganz erlischt; so muß
darauf bei Vertheilung der Revenüen gehörige Rücksicht genommen, und er dem
nächst als Personalgläubiger, nach Maasgabe der, von der Eintragung unabhän
gigen Beschaffenheit seiner Forderung, betrachtet werde». ,.-..> - , ,
4) Die bei der Endvertheilung der Gemeinmasse leer ausgehenden PersonalglSubiger
werden auf die Revenüen des Grundstücks angewiesen, in so fern nemlich über
haupt, und in so lange dergl. Personalgläubiger des Gemeinschuldners an die
Rutzungen des von ihm besessenen Lehns oder Fideikommisses nach allgemeinen
gesetzlichen Vorschriften sich halten können. — Sind gar keine Realgläubiger vor,
Händen, so wachsen die sämmtlichen Revmüen des Grundstücks, so weit sie den
Personalgläubigern verhaftet sind, der Gemeinmasse zu.
5) Die Personalgläubiger können jedenfalls blos das Kapital und die zweijährigen
privilegirten Zinsrückstände fordern. Rur, wenn nach Befriedigung aller Real-
und Klassengläubiger das Recht der Personalgläubiger, sich an die Einkünfte
') Das Verfahren muß als fortdauernde Sequestration angesehen, und demgemäß
sowol vor, als nach dem Klassisikationsurtcl gleichmässig in der Art verfahre«
werden, daß nur die nach Zahlung der laufenden Sinsen übrig bleibenden Re
venüen auf die Jinsenrückstände und die Kapitalien zu verwenden sind. Bor-
n ein« nn (System Bd. 4 S. 379 fg.) nimmt dagegen an, daß nach ergange
nem Klassifikationsurtcl der vorgehende Gläubiger vorerst mit Kapital und
Zinsen befriedigt sein muß, ehe die übrigen Gläubiger selbst auf laufende Zin
sen Anspruch machen können.
des Grundstücks zu hatten, noch fortdauert; können sie aus den Revenüen auch
die Nachzahlung der bis dahin entbehrten laufenden Sinsen verlangen.
6) Entsteht in dem Falle, wenn ausser den Revenuen des Grundstücks auch noch
eine illiquide Gemeinmasse vorhanden ist, die Frage:
ob die bei der bereiten Gemcinmasse leer ausgehenden Gläubiger nach der
Ordnung ihrer Priorität zuerst auf diese, oder in das Grundstück, und
auf dessen künftige Revenüen angewiesen werden sollen?
so muß der Richter diese Frage, so viel möglich, durch gütliches Uebereinkommen
unter den Gläubigern regulircn, oder nach vernünftigem Ermessen im Distribu
tionserkenntnisse entscheiden. Dies Ermessen wird nach dem mehren oder min
dern Grade von Wahrscheinlichkeit bestimmt: daß die illiquide Masse herbeizu
schaffen sei; oder daß die in das Grundstück anzuweisenden Gläubiger bei dem
selben wirklich zur Hebung gelangen werden.
7) Im Endvertheilungsplan resp. Urtel wird demgemäß festgesetzt: welche Gläubi
ger, mit welchen Summen, und in welcher Ordnung die einzelnen aus den
Einkünften des Grundstücks ihre Befriedigung nach und nach zu erwarten haben.
8) Uebrigens hängt es von dem Uebereinkommen der auf diese Einkünfte angewie-
fenen Gläubiger ab:
s) in wie fern sie sich nach der Ordnung des entworfenen Plans, auf den
Grund eines aufgenommenen Ertragsanschlags, und darnach angelegter Be
rechnung, nach und nach auf Gewinn oder Verlust, ohne Rechnungslegung
wollen immittiren lassen; oder
d) ob sie sich über einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten vereinigen wollen,
der die Verwaltung des Grundstücks ohne weitere Beimischung des Gerichts
führe, die Revenüen erhebe, und dieselben nach dem feststehenden Plane ver
theile; «der
e) ob die Verwaltung nach wie vor unter gerichtlicher Aufsicht fortgesetzt, und
die Zahlung der eingekommenen Revenüen nach dem feststehenden Plane vom
gerichtlichen Administrator geleistet werden solle.
Letzteres muß geschehen, sobald nicht alle Gläubiger über ein andres AuSkunftö-
mittel sich vereinigen können.
9) Diese Verwaltung dauert so lange fort, bis entweder sämmtliche angewiesene
Posten bezahlt sind, oder bis ein Fall eintrit, wo das Recht der Gläubiger, sich
an die Einkünfte des Grundstücks zu halten, gänzlich aufhört (es. Nr«. 5). —
§. 567—580, I. 50 A. G. O. — Z. 25 Erek. Ges. vom 4. März 1834. —
8. 11 Ges. vom 28. December 1840. >1
II. Ist das Grundstück zwar veröusserlich, der Verkauf zieht sich
aber in die Länge; so muß
1) in dem Falle, wenn die Gläubiger den Aufschub der Subhastation wegen obwol«
tender zeitweiser Umstände, z. B. weil das Gut in einen weitläufigen Grenz -
oder Dienstbarkeitsprozeß verwickelt ist, oder in einer Gemeinheitstheilung steht;
oder weil über das Eigenthum oder die Beschaffenheit desselben gestritten wird,
beschlossen haben, die Endvertheilung bis zum Verkauf ausgesetzt werden. Die
Vertheilung der Revenüen hat jedoch gemäß II. des vor. Z ihren Fortgang, und
auch vorläufige Bcrtheilungen der Gemeinmasse können gemäß Z. 408 bis ein
schließlich der Gläubiger der fünften Klasse vorgenommen werden.
2) Hat der Verkauf wegen Mangel an Kauflustigen nicht vor sich gehen können;
so kann nach fruchtlos angestandenem Bietungstermin jeder einzelne Gläubiger,
- 'er sei Real- oder Personalgläubiger, auf Vertheilung der Masse und auf An
weisung in die Einkünfte des Grundstücks, antragen. So lange s) dies nicht
geschieht, wird die Ausbietung des Grundstücks, und in der Zwischenzeit die ge-
Verwaltung desselben, fortgesetzt, b) Ist dagegen a«f Anweisung
angetragen ; so muß mit Vertheilung der Gemeinmasse nach Vorschrift z. «7—
409 und mit Regulirung der Anweisung gemäß der Bestimmungen unter I. »ed>
fahren werden. Doch kann auch in diesem Falle nach regulirter Anweisung jc-
dcr Gläubiger auf Wiederholung der Subhaftation antragen. Er muß nur die
Subhaftationskosten vorschiessen, und kann, wenn die Suvhastation fruchtlos ist,
sie von Niemand erstattet verlangen. — Erfolgt dagegen der Zuschlag; so ge
schieht die Kaufgeldervertheilung gewöhnlicher Massen. (III. des vor. §.) —
z. 5S2, 581—587, I. 5« A. G. O. r. . ^. .
Bon den bei Vertheilung der Gemeinmasse zu berücksichtigenden
Kommunkosten. ')
Z. 407. I. Unter Kommunkosten versteht man die zur Instruktion des Kon-
kursprozesseS, zur Siegelung und Inventur, zur Versilberung der beweglichen Masse,
Einklagung und Beitreibung der Aktivforderungen, Besoldung und Bezahlung des
Kurators und Kontradiktors, und Vertheilung der Gemeinmasse selbst »erwendeten,
so wie ferner die Kosten der vom Kontradiktor wider einzelne Liquidanten, oder
von diesen wider ihn eingewendeten Rechtsmittel , welche den Betrag und die Rich
tigkeit einer sn die Masse liquidirten Forderung betreffen, in so fern dieselben im
ergangenen Urtel kompensirt, oder dem Kontradiktor zur Last gelegt worden.
Kosten der von einem Gläubiger gegen de» andern eingewendeten Rechtsmittel,
ferner die durch Einklagung einer Forderung vsr Ausbruch des Konkurfes a«fgelau-
fenen Kosten, gehören nicht zu den Kommunkosten; jene hat der zu tragen, wel
chem sie im Urtel aufgelegt werden; diese müssen zur vierten Klasse ltquidirt wer
den. — Kosten, welche für Vorladung eines aus dem Inventar oder BerwögenS-
»erzeichniß, oder dem Hypothekenschein sich nicht ergebenden, oder bei den Akten noch
nicht gemeldeten Gläubigers zum Konnotativnstermin erwachsen, muß dieser al
lein tragen. ^ ,, . -,„-,<. ^ ,> ,
Subhastations - und Kosten der Grundstücksverwaltung treffen lediglich die
Jmmobiliarmasse, und sie müssen eben so, wie die in Bezug auf die Sequestration
und Subhastation der Grundstücke, und durch Prüfung der Realanspröche entstan
denen Gebühren des Kurators, aus der Jmmobiliarmasse genommen «erb». —
ß. 106, 530 Ach. §. 373 a. a. O. g. 12 des Ges. vom 28. December ItM. -
Res. vom 14. Februar 1841 I. M. B. S. 14«. . >:« «-
II. Für die Kommunkosten ist nur die Gemeinmasfe verhaftet. Sie
dürfen daher weder aus der Jmmobiliarmasse zum Nachtheil der Realgläubiger, noch
aus den Faustpfandlosungen zum Schaden der Pfandgläubiger, noch aus de» »«»
den Vindikanten als ihr Eigenthum erstrittenen Gegenständen oder deren Kaufpreis,
entnommen werden. — Z. 527, 528, I. 5« A. G. O. — z. 14 des Ges. vom 2K
Deeember 184«.
III. Die Kommunkosten kommen den aus der Gemeinmasse zur Hebung Ge
langenden von ihren Hebungen verhältnißmässig in Abzug. De» «»f
^) Betrifft die Verhandlung. Verfügung lc., für welche Kommunkosten anzusetzen
sind, ein bestimmtes Objekt, so wird der Betrag nach diesem derechnet. Sovfl
dient der Betrag der Gemeinmasse zur Norm. Sind die Schulden geringer!
so wird nach deren Betrag die Kostenkolonne regulirt. Besteht die Aktivmasse
nur i» einem bestimmten Tyeile einer jährlichen Besoldung, und erreicht »«
Objekt der Passivmaffe die Summe, welche den vollen Spsrtelsatz nehmen lechl;
so kann dieser gleich im ersten Jahre voll genommen werden. Stirbt aber sc-
meinschuldncr, bevor die Abzüge, die den vollen Sportelsatz gewährende Summe
betragen; so müssen die darnach zu viel gezahlten Gläubigern zu Gute gerea?'
vet rmd allenfalls herauSgezchtt werden. — cl.Anh.§.S70^S72, 1. S«».«^'
«3S
die illiquide Masse angewiesenen Gläubigern darf jedoch kein Bettrag angerech
net werden.
Das «rmenrecht sn sich, oder die Eigenschaft als Soldat geben kein Recht auf
»«freiung von den Kommunkoften. — Frei davon sind nur Fiskus, die Bank
und die Salarienkassen. Deren Hebung wird bei Bertheilung dieser Kesten
ganz «Hergängen, und die Eintyeilung blos auf die übrigen Glaubiger gemacht.
Doch ist dabei folgendes zu bemerken:
j) Sind wegen der Hebung der von den Kommunkosten Befreiten besondre Gerichts-
gebühren aufgelaufen; so müssen dieselben niedergeschlagen werden.
2) Dies muß in Ansehung der unter den Kommunkosten begriffenen Gerichtsgebü'h-
r«') auch dann geschehen, wenn die davon Befreiten mit ihren Forderungen
die ganze Masse allein hinwegnehmen.
S) Bringt ein von Kommunkoften Freier wahrend des Konkurses Forderungen durch
Session an sich; so kommt ihm die Befreiung nur vom Tage der erfolgten Ses
sion zu Stötten. Frühere Kosten müssen von ihm mitgetragen werden, und er
muß sich deshalb an seinen Zedenten halten. — §. 529, 531—535 Anh. ß. 374
l. SO ». «. O.
Von der vorläufigen Vertheilung der Gemeinmasse.
§. 4VS. Zur Gemeinmasse gehört Alles im Konkurse begriffene Vermö
gen des Gemeinschuldners, in so weit es nicht vindizirt, oder von Pfand-, und
Hypothekengläubigern mit Erfolg in Anspruch genommen worden ist, oder zu einem
Spezialkonkurse gehört. — In der Regel kann die Vertheilung der Gemeinmasse
erst bei rechtskräftigem Klasfifikatiousurtel verlangt werden. Doch können eine vor,
läufige Vertheilung fordern:
I. Dir Gläubiger der zweiten Klasse, und zwar sogleich nach publizirtem
Klassifikationsurtel. Selbst dadurch, daß von einem Mitgla'ubiger darüber ap-
pellirt ist, daß er nicht in die zweite, sondern in eine niedrigere Klasse gesetzt wor
den, wird die »erlangte vorläufige Vertheilung nicht aufgehalten; doch muß dann
») entweder nach Befriedigung der unstreitigen Gläubiger der zweiten Klasse noch
Deckung für den Appellanten in der Gemeinmasse vorhanden, oder ein hinläng
licher Auwachs mit Sicherheit zu erwarten fein; oder
b) doch s« viel, als zu seiner Befriedigung erforderlich sein würde, im Deposit» bis
zum Austrage der Sache zurückbehalten werden. - >
Behufs Bewirkung dieser vorläufigen Bertheilung wird
4) zuförderft durch einen Kalkulator, mit Anziehung des Kurator«, und unter Mit»
Wirkung des Gerichttdeputirten, au« den Rechnungen und Akten der wirklich ein
gegangen« Betrag der Aktivmasse ausgemittelt, und
2) der Betrag der bisher aufgelaufenen, und entweder schon bezahlten, oder noch
zu bezahlenden Kommunkosten festgestellt.
») Dann wird ein Plan entworfen: wie die vorhandene Masse unter die Gläubig«
der zweiten Klasse nach der im Klassifikationsurtel festgesetzten Ordnung zu Ver
theilen sei.
4) Bei dieser Bertheilung wird jedem zur Hebung kommenden Gläubiger sein Bei
trag zu den berechneten Kosten nach Verhältniß seiner Hebung, unter Vorbe
halt der künftig bei der Endverthcilung erfolgenden Vergütung des zu viel
Beigetragenen, abgezogen.
5) Ist bei Anfertigung des Bertheilungsplans eine oder die andre zur zweiten
Klasse gehörige Post noch nicht liquid, oder ihre Priorität noch streitig ; so muß,
') Die baaren Auslagen, z. B. Gebühren de« Kurators und dergl., müssen dagegen
<u»Z der Masse vorweg entnommen «erden. ^
S3S
wenn für sie nicht ohnehin Deckung in der Masse bleibt, oder mit Sicherheit
eingeht, ihr Perzipiendum, nach Angabe des Liquidanten, mit berechnet, und bis
zur rechtskräftigen Entscheidung des Streits im Deposits zurückbehalten «er
den. Nach Maasgabe diestr Entscheidung wird dann das deponirte Quantum
dem Liquidanten gezahlt, oder ganz oder theilweise zur andern Masse gegeben.
S) Der hiernach entworfene Plan wird den betreffenden Gläubigern mittelst Um
laufs mitgetheilt, und in diesem zugleich Termin zur Empfangnahme der He
bungen eingerückt. Gehen vor dem Termine von einem Gläubiger Erinnerungen
gegen den Plan ein; so werden dieselben nach Befinden des Gerichts durch
schriftliche Verfügung oder in ein«m besondern Termin erledigt. „ z- .> ', '
7) Langt die vorhandene Masse zur vollständigen Befriedigung eines Gläubigers
der zweiten Klasse nicht hin; so muß dieser auch mit Theilzahlung sich begnü
gen, und den Rest bei der nächsten Bertheilung gewärtigen., — Bis, zu dies»
bleiben auch die nach Befriedigung der Gläubiger zweiter Klasse noch in der
Masse erwa vorhandenen Bestände aufbewahrt. — S. 524 fg. 538—546 a. a. O,
II. Auch die folgenden zur Hebung kommenden Klassen können die
vorläusige Vertheilung «erlangen, wenn der Konkurs wegen besondrer, bei Ausmit
telung der Aktiv- oder Passivmasse vorkommenden, Umstände, sich in die Länge
zieht, im Depositorio Masse vorhanden ist, und die zu Einer an der Hebung ste
henden Klasse gehörenden Forderungen, in Ansehung der Richtigkeit und Priorität,
rechtskräftig geworden sind. — Bei diesen Bertheilungen gelten ebenfalls die zu I,
gegebenen Vorschriften. :>..'",- „ , .,. ' - r-
Gehört jedoch ein verkäufliches Grundstück zur Masse, so kann, falls die auf
denselben eingetragenen Hypothekengläubiger auch in der sechsten Klasse angesetzt
find, vor dem Verkauf dieses Gründstücks die vorläufige Vertheilung nicht über die
Gläubiger der fünften Klasse hinaus erstreckt werden. — Z.,547, 562 I. 5« A S.
O. — Res. vom 7. Januar 1828. Gröff, Koch :c. III. S. 1114.
.. „ >' ' ' ' > l— > > ' ' >'^' -
Von der Endvertheilung (Finaldistribution),
z. 409. I. Die Endvertheilung der Gemeinmasse erfolgt, sobald
das Klassifikationserkenntniß wenigstens in Ansehung der Priorität der Gläubig»
rechtskräftig, das Mobiliarvermögen>.versteigert, die Grundstücke verkauft, die Hand
lung, so fern dergl. vorhanden, völlig abgeschlossen, und die liquiden Aktiva einge
zogen, oder doch bis zur sicheren Zahlung ausgemittelt worden sind;') wenn auch
gleich noch das eine oder andre illiquide Kapital, oder einige einzelne Effekten we
gen ihrer befondern Eigenschaft, z. B. seltene Schildere«» wegen Mangels an Ken
nern und Liebhabern, unverkauft geblieben wären. — K. 54S, 563 I. 50 A. <S. O.
II. Ist demnach die Sache zur Endvertheilung reif; so wird gemäß I. Rro.
1 und 2 des vorigen §. die noch zu vertheilende Masse ermittelt, und der Betrag
der seit der letzten vorläufigen Vertheilung angewachsenen Kommunkoften festgesetzt!
sodann aber der Vertheilungsplan selbst entworfen. In diesem wird berechnet!
«) wie viel jeder Gläubiger aus der Masse erhält? - , .-. .
d) worauf er damit angewiesen wird? und : ,
o) wie viel er zu den Kommunkosten beizutragen hat?
Dabei ist jedoch folgendes zu berücksichtigen: , , i ' .
1) Die seit der letzten vorläufigen Bertheilung aufgelaufenen Kommunkosten werde»
unter die gegenwärtig zur Hebung kommenden Gläubiger (mit Ausnahme der
bloö auf die illiquide Masse angewiesenen) allein vertheilt. Ausserdem müssen
') Hierin ist zugleich der Begriff des liquiden Aktivi, und der Unterschied zwischen
liquiden und illiquiden Forderungen ausgesprochen. Darnach wird auch abzuwi«
gen sein, welche zu überweisenden Aktiv« zu den Kommunkosten hexanzuziehn sind.
637
dieselben auch zu den früher liquidirtcn, und überhaupt zu den seit Konkurser
öffnung erwachsenen Kommunkosten, nach BerlMniß der ganzen Masse, mit
Inbegriff der früheren Vcrtheilungen, und im Vergleich zu ihren Hebungen
beitragen. Was darnach den bei den vorläufigen Bertheilungen, wo die scimmt-
lichen damaligen Kommunkostcn in Abzug gebracht worden, zur Hebung Gekom
menen zu viel abgezogen ist, muß ihnen im Endvertheilungsplan zugetheilt,
und demnächst gezahlt werden.
2) Die Ordnung des KlaMkationsurtels bestimmt auch die Art der Anweisung im
Vertheilungsplane. Bon den Gläubigern werden daher
s) die zuerst stehenden auf die im Deposits befindlichen baaren Gelder, so weit
sie reichen;
b) die folgenden auf die noch ausstehenden liquiden und sicheren Aktiva, und
zwar, wenn diese zu verschiedenen Zeiten oder in verschiedenen Terminen
fällig sind, die vorstehenden Posten auf die zunächst fälligen, die übrigen auf
die weiteren Termine nach der Zeitfolge;
«) die noch ferneren endlich auf die illiquiden Aktiva, auf die dem Kurator bei
seinen Rechnungen gezogenen, und einer näheren Erörterung noch bedürfen
den Defekte, und auf die etwa noch vorhandenen unverkäuflichen Effekten,
nach der Tare derselben,
angewiesen. — Bleibt nach Berücksichtigung aller Gläubiger, selbst der nach den
Klassengläubigern angesetzten, noch etwas übrig; so gehört dasselbe dem Gemein
schuldner, falls er noch am Leben, sonst seinen Erben. Sind solche nicht vor
handen, oder haben sie ohne Borbehalt entsagt; so wird es herrenloses Gut.
3) Da der vorzüglichere Werth eines Aktiv! vor dem andern, und einer Sache vor
der andern öfters von dem bessern Gebrauche abhängt, den ein Gläubiger da
von machen kann; so ist beim Zweifel darüber:
welche von den Aktivis der Depositalmasse, oder den andern AktiviS und
Effekten, die zuerst stehenden Gläubiger zu ihrer Befriedigung vorzie
hen wollen,
die Vernehmung der Gläubiger vor Anlegung des Bertheilungsplans zu verfü
gen, und ihnen dabei die Auswahl zu überlassen.
4) Wenn ein Kapital liquidirt, und im Klassifikationsurtel angesetzt worden, wel
ches noch nicht fällig ist, sondern dessen Erhebung erst von einem gewissen oder
ungewissen Tage, oder von einer aufschiebenden Bedingung abhängt; ober wenn
Alimente, oder andre dergl. jährliche Leistungen, welche nicht beständig dauern,
liquidirt und klassifizirt sind; so muß im Bertheilungsplan ein verhältnißmässi-
ges Kapital dafür mit berechnet; dieses aber irgendwo sicher untergebracht, und
zugleich gehörig bestimmt werden:
welche Gläubiger darauf, bei entstehendem Rückfalle, anzuweisen sind.
5) Eben so muß es gehalten werden, wenn ein Gläubiger seine Kapitalsforderung
zwar sogleich erhalten kann, dieselbe aber nach einer gewissen Zeit, oder beim
Eintrit einer auflösenden Bedingung wieder zurückgeben muß. In diesem Falle
kann zwar Liquidant die Auszahlung des auf ihn kommenden Betrages sofort
verlangen; er muß jedoch den auf den künftigen Rückfall angewiesenen Gläubi
gern auf ihr Verlangen Sicherheit dafür bestellen, («k. Z. 395 Nro. 4.)
6) In den Fällen unter 4 und 5 können die auf den Rückfall angewiesenen Gläu
biger bis zu der Zeit, wo dieser Rückfall sich wirklich ereignet, keine Zögerungs-
zinsen fordern, sondern müssen mit den im Vertheilungsplan ihnen ausgesetzten
Beträgen sich begnügen. Wenn also ein für den Rückfall berechnetes Kapital
' W der Zwischenzeit Zinsen trägt, welche der wirklich an der Hebung stehende
Liquidant zu erhalten nicht berechtigt ist; so wachsen dieselben dem Kapital zu.
41
7) Auf die nach Vl> vom Tage der Bertheilung wieder laufenden »»bedungenen
Zinsen kann bei der Vertheilungsverechnung selbst keine Rücksicht genommen wer
den. Doch bleiben dem Gläubiger seine Rechte deshalb sowol, gegen den Gemein-
fchuldner, als auf die etwa sonst noch vorhandene und z. B. aus dem Ainsen-
anwachse entstandene Masse vorbehalten. — Z. 4«7 fg. 486, 549-557 Anh.
§. 375, I. 50 A. G. O.
III. Der nach vorstehenden Grundsätzen entworfene Bertheilungsplan wird dm
scimmtlichen in Person «der durch Bevollmächtigte anwesenden Gläubigern durch
einen Umlauf mitgetheilt; und ein Termin vor dem Gerichtsdexutirten
zur Erklärung darüber angesetzt. Den zugleich durch den Umlauf vorzula
denden Gläubigern wird die Warnung gestellt:
daß gegen den Ausbleibenden anzunehmen, er habe gegen den Plan Nichts
zu, erinnern.
Wird er im, Termin genehmigt, oder ist er nach den etwanigen gegründeten
Erinnerungen berichtigt worden; so wird dann ein ordentliches Distribu
tiv nsurtel') abgefaßt, und den anwesenden oder vertretenen Gläubigern in einem
kurzen Termin publizirt, den übrigen zugefertigt. — §. 558 a. a. O. Mg.
bei §. 399, I.
IV. Gegen dergl. Erkenntnisse stehen jedem Gläubiger, welcher sich dadurch
verkürzt hält, die gewöhnlichen nach S. 400 zu instruirenden Rechtsmit
tel offen. Wenn aber ein Gläubiger dabei unterliegt, un> durch die Einwendung
solcher Rechtsmittel die Mitgläubiger an der Hebung der ihnen zuerkannten Gelder
verhindert hat; so bleibt Letzteren wegen der für die Zwischenzeit entbehrten Zinsm der
Regreß an den unterliegenden Gläubiger vorbehalten. — Z. 559, I. 50. A. G^ Q
V. Durch dergleichen Distributionsurtel wird der Konkurs, geendigt, und
der bisherige Kurator seines Amts entlassen. Schriftstücke, Bücher und Manual
akte», welche er lediglich Behufs seiner Amtsverrichtungen erhalten oder angelegt
hat, muß er dann derjenigen Behörde zur weiteren Verfügung übergeben, welche
ihm das ertheilte Amt übertragen hat.
Kaufmännische Bücher erhält dann der Gemeinschuldner oder dessen Erbe» zu
rück. Dieselben können schriftlich, und wenn ihr Aufenthalt unbekannt ist, öffent
lich zu deren Zurücknahme unter der Warnung aufgefordert werden, daß sonst dich
Bücher zugleich mit den betreffenden Akten kassirt, und als Makulatur »erkauft
werden würden. — Z. 560 a. a. O. — Res. vom 12. März 1824. Jahrb. 2Z,
S. 63. — Res. vom 13. Septbr. 1322. Jahrb. 20, S. 42.
VI. Nach demgemäß beendetem Konkurse muß jeder auf liquide Forde
rungen angewiesene Gläubiger für die Einziehung, der ihm ausgesetzte»
Summe zur Verfallzeit selbst sorgen. Er erhält dagegen auch die Sinsen vom Lage
der Vertbeilung, in so fern das angewiesene Aktivum selbst Zinsen trägt,
Gläubiger, welche auf illiquide Aktiva oder unverkäuflich« Mo-
bilien angewiesen sind, 2) müssen deren resp. Herbeischaffung und BersWnmg
auf gemeinschaftliche Kosten, und allenfalls durch einen gemeinschaftlichen, Bevoll
mächtigten, ferner betreiben.«) Auch in Ansehung ihrer ninMt, ill, so fem ihre
>) Gegen einen Gläubiger, welchem das KlaMkationsurtel nicht publizirt, gegen den
dasselbe daher nicht rechtskräftig ist, erlangt das Distributionsurtel keine Gütig-'
Kit. — Erk. des Geh. Ob.-Trib. vom 8. April 1837. Eentr. Bl. 1838 S. 273 fg.
2) Wollen die auf unsichere Aktiva Angewiesenen auf die Uebcrweisung unter Bor
behalt ihres Rechts an den Gemeinschuldner verzichten, so können sie darin nicht
gehindert werden.
») Es versteht sich von selbst, daß, wenn einem Gläubiger ein Aktivum oder eine
Sache ganz überwiesen ist, er die Realisirung allein und auf eigne Koste» be
treiben muß.
Forderungen an sich zinsbar sind, der Lauf dieser Zinsen vom Tage de« Distribu-
tionsurtels wieder ihren Anfang. — §. 560, I. SO A. G. O.
Siebenter Abschnitt.
Konkurs über »ergtheile, «der Schiffe.
Konkurs über Bergtheile.
§. 410. Gehören zum Vermögen des Gemeinschuldners auch Bergtheile
oder Kure, edcr sonst ein Bergwerkseigenthumz so muß der ordentliche
Konkursrichtcr beim betreffenden Berggericht gleich Anfangs, allenfalls zugleich beim
Antrage auf Einleitung der Subhastation des Bergwerkseigenthums, dir Einleitung
eines Spezialkonkurses in Betreff des Bergwerkscigenthums nachsuchen. Das Berg
gericht muß sodann diese Spezialmasse verwalten und versilbern, den SpezialkonkurS
verhandeln, darin erkennen, und die Masse vertheilen. Der Richter des Hauptkon
kurses, und die Gläubiger desselben, in so fern sie nicht BergglSubiger sind, können
sich dabei keiner Theilnahme oder Zuziehung anmaffen.
Bei diesem Spczialkonkurse sind nachstehende besondre Bestimmungen zu beobachten:
s) Die Vorladung der bekannten Berggläubiger zum Konnotations - und zum Be-
rifikationstermin wird durch das Bcrggericht veranlaßt; die Ediktalladung der
unbekannten
»«) in dem Falle, wenn das Bergwerkseigenthum in eben der Provinz, wo das
Gericht des Hauptkonkurses sich befindet, liegt, durch diese« zugleich in der
allgemeinen Ediktalladung, jedoch mit der Modifikation, daß die BergglSubi
ger zur Anmeldung ihrer Forderungen beim Berggerichte angewiesen werden.
Der Richter des Hauptkonkurses muß dann, nach verlaufenem Liquidations-
Termine, ein Attest über die gesetzmässig verfügte Ediktalladung der unbe«
kannten Berggläubiger zu den Akten des Berggerichts einsenden.
db) Liegt das Bergwerkseigenthum in andrer Provinz; so erläßt das Berga»
richt die Ediktalladung der unbekannten Berggläubiger selbst,
d) Meldet sich ein Berggläubiger beim Richter de« Hauptkonkurse«; so muß er an
das Berggericht gewiesen werden. Diese« hält Konnotations- und Veriflkations-
termin ab.
«) Das Berggericht bestellt auch einen besondern Kurator und Kontradlktor. Die«
ser muß mit dem Kurator und Kontradiktor de« Hauptkonkurse« beständige Kor
respondenz unterhalten, ihm von allen erheblichen Vorfallenheiten im Spezial-
kvnkurse Nachricht geben; und von ihm über die Beantwortung der von den
Berggläubigem angemeldeten Forderungen die etwa nöthige nähere Information
crtheilen. — Befindet sich jedoch da« Berggericht und das Hauptkvnkurögericht
an Einem Orte; so muß der Kurator und Kontradiktor auch für den Spezial
konkurS gewählt werden.
6) I« dem vom Berggericht abzufassenden Klasfifikationsurtel sind die Berggläubis
ger nach folgender Ordnung anzusetzen:
1) das Lohn der Arbeiter, jedoch nur wegen eine« zweijährigen Rückstandes, vom
Tage des ausgebrochenen Konkurses zurückgerechnetz
2) Poch- und Hüttenkosten auf gleiche Art;
3) der Sehnt, und andre landesherrliche Gebühren, ebenfalls nur in Ansehung «in«
zweijährigen Rückstandes, vom Tage de« eröffneten Konkurses zurückgerechnetz
4) der Neunte und andre Steuern, mit gleicher Einschränkung;
5) die erweislichen BMagSschulden, und die nnt Genehmigung d« BerganttS
41*
«40
gemachten Anlehne, jedoch nur, in so weit diese Forderungen aus dem letzten
Jahre entstanden sind;
6) die eingetragenen Hypotheken, nach der Zeit der erfolgten Eintragung;
7) diejenigen, welche erweislich zum Baue, oder zur Erhaltung des Bergwerks
eigenthums Materialien geliefert, Arbeiten gethan, oder Gelder vorgeschossen
haben, welche auch zu diesem Behufs verwendet worden, nach der Zeit des
gegebenen Borschusses oder des geschlossenen Vertrages;
8) Die mehr als zweijährigen der bei Nro. 3 benannten landesherrlichen Gefälle,
e) Was nach Befriedigung dieser Gläubiger von dem für das Bergwerkseigenthum
gelösten Werth noch übrig bleibt, muß an den Richter des Hauptkonkurses, als
Zuwachs der Gemeinmasse, abgeliefert werden.
I) Berggläubiger, welche bei Vertheilung des Bergwerkseigenthums Ausfälle erleide»,
können sich dagegen zwar an die Gemeinmaffe halten. Sie können aber bei die
ser von den, ihnen blos in der Eigenschaft als Berggläubiger zustehenden Bor-
rechten keinen Gebrauch machen. — Ist ein Gläubiger zu beiderlei Massen gleich
berechtigt; so kommen die Vorschriften in Betreff eines auf mehre Grundstücke
eingetragenen Kapitals zur Anwendung l§. 405, II. III.). — Z. 672—680, l,
5« A. G. O. — Z. 341—343, II. 16 A. L. R.
L. Konkurs über Schiffe.
Z. 411. I. Gehört zum Vermögen des Gemeinschuldners ein Seeschiff,
oder andres zur See- oder Stromfrachtschifffahrt bestimmtes Schiffs
gefäß, oder ein dergl. Schiffspart, so muß
1) da, wo besondre See- oder Handelsgerichte sind, bei diesen ein besondrer Kon
kurs über das Schiffseigenrhum eröffnet werden. Der ordentliche Konkursrich
ter oder der bei diesem bestellte Kurator kann hier mit dem Antrage auf Sub-
hastation des Schiffes zugleich den Antrag auf Einleitung diefes SpezialKnkur-
ses verbinden. Das Verfahren wird nach den Vorschriften des vorstehende» §
geregelt.
2) An Orten, wo keine besondern See- oder Handelsgerichte sind, wird das Schiffs
eigenthum zum allgemeinen Konkurse gezogen. Doch muß davon eine besondre
Masse gebildet, diese im Depositorio besonders verwaltet, und alle dasselbe be
treffenden Verhandlungen müssen in besondre Aktenstücke gebracht werden. -
Z. 681—683, I. S« A. G. O. — Z. SO«, I. 20 A. L. R. — Z. 1 Nro. S
SubHast. Ges. vom 4. März 1834. — g. 4 des Ges. vom 23. December IStt.
U. Zum Schiffseigenthume gehören, ausser dem Schiffe selbst, das be
wegliche Zubehör und das Boot; ingleichen die für das Schiff gezeichnete Versiche
rung, und die vom Schiffe verdienten Frachtgelder, in so fern letztere zur Zeit bei
eröffneten Konkurses noch ausstehen, oder während des Konkurses verdient wer
den. — z. 684, I. 50 A. G. O. — 8. 91, I. 2. Z. 1398. II. « A. L. R.
? III. Die Schiffsgläubiger, welche aus diesem Schiffseigenthum vorzüglich Be
friedigung fordern können, müssen in jedem Falle (I. Nro. 1 und 2) besonders
klassifizirt, und das Schiffseigenthum muß unter sie besonders vertheilt werden, u»b
zwar in folgender Ordnung: eS kommen zur Hebung
1) die Bergegelder; ingl. die Heuer des Schiffers und des Schiffsvolks; jedoch beide
nur von der letzten Reife;
2) der Beitrag zu der auf der letzten Reise vorgefallenen großen Haverei;
S) Bodmerei, welche der Schiffer auf der Reife im Nothhafen genommen hat, je
doch nur innerhalb Jahresfrist, vom Tage der Zahlbarkeit des Bodmereibriefes
gerechnet;
4) die Reparaturkosten, wenn ein Schiff während der letzten «eist auf Kredit
«41
gebessert worden ist, innerhalb Jahresfrist von dem Tage abgerechnet, da da«
Schiff in den Hafen, wohin es gehört, zurückgekommen ist. Sind diese Vor
schüsse zur Ausbesserung später, als die Bodmerei zu 3 geleistet; so gehen sie die
ser vor;
5) Die rückständige Prämie des Versicherers, in so fern sie nicht kreditirt worden,
und der Konkurs innerhalb 30 Tagen nach Zeichnung der Police entstanden ist;
6) die durch Eintragung auf die Original-SchiffSurkunden gehörig bestellten Bodme
rei- und Pfandrechte. Sie werden nach dem Tage des Eintragungsvermerks
geordnet;
7) Die Reparaturschulden, welche nicht da« Nro. 4 bestimmte Vorrecht haben;
8) Die rückständige Prämie de« Versicherers, so fern nicht der Fall Nro. 5 vor
liegt. — §. 685—687, I. 5« A. G. O. — ß. 313—326, I. 2«. Z. 2445—
245t, II. 8 A. L. R.
IV. Bleibt nach vollständiger Befriedigung der genannten Gläubiger noch et
was übrig; so wird dasselbe zur Gemeinmasse gezogen. — K. 688, I. 50 A. G. O.
V. Fallen Schiffsgläubiger beim Schiffseigenthum aus; so können sie im or
dentlichen Konkurse ebenfalls ihre Befriedigung suchen. Sie können jedoch hier, blos
auf den Grund de« Vorrecht« in Bezug auf das Schiffseigenthum, kein besseres
Recht beanspruchen. — K. 689 a. a. O.
Achter Abschnitt.
Vom Konkurse über das im Jnlanbe befindliche Vermögen des
Ausländers; so wie über auswärtiges »ermögen eine«
Inländers.
z. 412. l. Gerätl) Jemand, welcher zwar seinen gewöhnlichen Wohnsitz ausser
halb Landes hat, der aber in hiesigen Landen bewegliche oder unbewegliche Güter
besitzt, dergestalt in Verfall seines Vermögens, daß bei seinem auswärtigen persön
lichen Gerichtsstände Konkurs über ihn eröffnet wird; und gehen beim diesseitigen
Gericht, unter welchem das inländische Vermögen sich befindet, von in- oder aus
ländischen im dortigen Konkurse leer ausgegangenen Gläubigern Anträge auf Ein
leitung des Konkurses über das diesseitige Vermögen ein; so muß
1) der Richter zunächst die etwa über diesen Gegenstand zwischen Preussen und dem
Staate, dessen Unterthan der Gemeinschuldner ist, bestehenden Staatsverträge
oder Observanzen') beobachten, und deshalb nachforschen: ob solche vorhanden,
und wie darnach zu verfahren sei?
') In dieser Beziehung ist zu berücksichtigen:
1) in Betreff Sachsen-Altenburgs die Konvention vom 18. Februar 1832
GS. S. 1«ö.
2) in Betreff Sachsen-Koburg-Gothas die Konvention vom 23. Decmbr.
1833 GS. 1834 S. 9.
3) in Betreff Reuß-Plauen jüngerer Linie die Konv. vom 5. Juli und
4. Aug. 1834 GS. S. 124.
4) in Betreff der Neuß-Hoymschen Lande das Res. vom 3. Juni 1815,
wornach mit diesem keine Verträge oder Observanzen bestehen;
5) hinsichtlich Hamburgs das Res. vom 15. Januar 1798 (Rabe Bd. 6,
5. 7 fg.); wornach Hamburg durch Rcversalien sich zur Ausfolgung des
dortigen Vermögens eines Inländers verpflichtet hat;
6) in Betreff Sachsens und namentlich auch Leipzigs die Res. vom 31.
Juli 1799 (Rabe 5, S. 52«) und vom 6. Juli 1816 (Jahrb. 8, S. 19),
wornach in Sachsen ebenfalls SvezialZonkurs statt findet;
«42
Soll nach diesen obwaltenden StaatsvertrSgen oder Observanzen hiesiges Ver
mögen an das ausländische Gericht zu dem dort schwebenden Generalkonkurs
verabfolgt werden, so muß beim Justizminister zur Kommunikatton desselben
mit dem Ministerio der auswärtigen Angelegenheiten angefragt werde». Unter
gerichte berichten deshalb zunächst an das Obergericht.
2) Sind keine entgegenstehenden Staatsvertröge oder Observanzen vorhanden; so
wird über das inländische Vermögen ebenfalls Konkurs eröffnet, ein Kurator be
stellt, und mit Vorladung der inländischen Gläubiger, Beschlagnahme, Versilbe
rung und Vertheilung der Masse und sonst ganz nach den Borschriften des or
dentlichen Konkurses, jedoch unter Berücksichtigung nachstehender spezieller Be
stimmungen, verfahren:
») Von Einleitung eines solchen Spezialkonkurses ist jedesmal vom Obergericht
an den Justizminister Bericht zu erstatten. Untergerichte berichten deshalb
an das vorgesetzte Obergericht,
d) Der vom hiesigen Gericht bestellte Kurator nimmtMerall die Rechte der hiesigen
Masse wahr. Er muß sich mit dem auswärtigen Kurator in Korrespondenz
setzen, und von ihm ins Besondre die nöthigen Rachrichten zur Erörterung
der Ansprüche der beim hiesigen Konkurse auftretenden Gläubiger einziehn.
«) Auch auswärtige Gläubiger sind beim hiesigen Spezialkonkurse zuzulassen.
Behaupten und weisen jedoch Mitgläubiger nach, daß nach den Gesetzen des
Wohnorts des Gläubigers, welchen sie zurückweisen wollen, im gleichen Falle
ausländische Gläubiger nicht zugelassen werden; so muß darüber:
ob aus dem Grunde der Retorsion der auswärtige Gläubiger von JHeil-
nähme am inländischen Konkurse ausgeschlossen werden könne?
jederzeit beim Juftizminister angefragt werden, welcher die Bescheidung mit
dem Ministerio der auswärtigen Angelegenheiten gemeinschaftlich zu erlassen hat.
Inländische Zessionarien ausländischer Gläubiger, deren Zession nach Er
öffnung des auswärtigen Konkurses erfolgt ist, sind gleicher Beschränkung
unterworfen; und es muß dann selbst, wenn nach dem angegebenen Datum
die Zession such früher erfolgt wäre, der vom Kurator oder einem einheimi
schen Gläubiger gemachte Einwand der Simulation untersucht und ins Licht
gesetzt werden,
6) Bleibt nach Befriedigung der im hiesigen Konkurse angesetzten Gläubiger noch
Masse übrig; so muß dieselbe, nach der gemäß Nro. 1 beim Justizminister
geschehenen Anfrage, dem Richter des auswärtigen Konkurses verabfolgt wer
den. Ist dahin Abzug üblich, so wird derselbe vorher erhoben.
7) in Betreff des östreichischen und des russischen Polens die Res. vom
9. Januar 1798 (Rabe 5, S. 4) und des Vertrages vom 3. Mai 1815
Art. 2V lGS. S. 138), worngch unter Vorbehalt des dinglichen Gerichts
standes, und dessen Rechte bei Subhastationen die Ausfolguug des Vermö
gens zugesichert ist;
8) in Betreff des Fürstenthums Mindens hinsichtlich der freien Stadt Bre
men das Res. vom 2«. März 1821 (Jahrb. 17, S. 83), wornach die Aus
folgung an das Hauptkonkursgericht zugesichert ist;
9) in Betreff Sachsen-Weimars die Kons, vom 25. Juni 1824 Art. 18—
21 lGS. S. 149), welche Gleiches anordnet;
1V) in Betrcffder Niederlande das Res. vom 24.Dccbr.1816, wornach mit diesem
Staate keine Staatsverträge oder Observanzen darüber bestehen; gleiches besagt
11) in Betreff Anhalt-Kothens das Res. vom 11. April 1829;
12) und in Betreff Baierns das Res. vom 26. Mai 1829. lGraff, Koch :c.
III. S. 1124.)
13) in Betreff O «streich s die Ucberemkunft vom 12. Mai und 16. Juni 1844
GS. S. 165.
643
Fallen Gläubiger im inländischen Konkurse aus; so werden sie an den aus
wärtigen KonkurSrichter gewiesen. — S. 663—669 Anh. K. 378, 379, I. S« A. G. O.
II. Besitzt ein Inländer auch Vermögen im Auslände; so müssen die beim
hiesigen ordentlichen KonkurSrichter eingehenden Anträge auf Konkurseröffnung, sie
betreffen das in - «der ausländische Vermögen, und rühren von hiesigen oder aus
wärtigen Gläubigern her, stäts nach den hiesigen Gesetzen beurtheilt werden. Ist
die Sache zur Konkurseröffnung angethan; so wird dieselbe beim hiesigen ordentli
chen Richter angeordnet, und auch das auswärtige Vermögen, so fern der auswär
tige Richter nach den obwaltenden Verträgen oder Observanzen od« sonst damit ein
verstanden ist, dazu gezogen. Es muß deshalb mit dem auswärtigen Richter dar
über korrespondirt, und wo möglich ein solches Verfahren eingeleitet werden, wie
dies der Fall sein würde, wenn im hiesigen Lande unter andrer Gerichtsbarkeit sich
Vermögen des Gemeinschuldners befände.')
Will der ausländische Richter diesem sich nicht bequemen, vielmehr einen beson
dern Konkurs über das auswärtige Vermögen einleiten; so muß lvom Untergericht
durch da« Obergericht) an den Justizminister Behufs Kommunikation mit dem Mi-
nisterio der A. A. darüber berichtet werden.
Ein gleicher Bericht ist nothwendig, wenn ei» auswärtiges Gericht über einen
diesseitigen Unterthan, auch ohne daß hier Konkurs schwebt, den Konkurs eröffnet,
und es muß der hiesige Richter vor eingehender Vorbescheidung die vom auswärti
gen Richter in Betreff dieses Konkurses erlassenen Requisitionen unerledigt lassen.
Uebrigens muß, wenn hier und im Auslande in Betreff eines Inländers Kon
kurs schwebt, der diesseitige Kurator das Interesse der hiesigen Masse auch im Aus
lande wahrnehmen, und dahin trachten, daß im ausländischen Konkurse keine Un
gleichheit der Rechte zwischen den jen- und diesseitigen Gläubigern stattfinde, und
daß der auswärtige Ueberschuß zur diesseitigen Masse siiesse. — H. 670, 671, Anh.
Z. 378, l. S« A. G. O.
>) Bei mehren Erben werden, wenn einige die Masse abgeben, andre sie behalten
wollen, die Grundsätze über Verwaltung gemeinschaftlichen Eigenthums zur An
wendung kommen.
2) So lange er in dieser Verwaltung bleibt, kann er zur Versilberung des Nach
lasses nicht angehalten werden. — Res. vom 17. Oktober 1823. Jahrb. 22,
S. 182. Hypotheken- und Pfandgläubiger können jedoch ihre Rechte bis zum
Verkauf des Pfandes verfolgen, da sie auch hier von Einlassung aus den Liquid.-
Prozeß frei sind.
s) D. i. vom Todestage des Erblassers laufende Zinsen. — (X. Res. vom 2«. Ok
tober 181«. Gr äff, Koch zc. III. S. 1137.
4) Ist die Sequestration bereits vor Eröffnung des Liquid.-Prozesses eingeleitet; so
hat sie natürlich ihren Fortgang im Laufe desselben. — (15. Res. vom 14. Jan.
1836. Jahrb. 47, S. 329.
646
zugten Rachlaßgläubigern, allenfalls aus seinem eigne» Vermögen , auf so weit
gerecht werden, als sie erhalten haben würden, wenn der Nachlaß unter die
Gläubiger überhaupt nach gesetzmässiger Ordnung wäre vertheilt worden.
4) In Ansehung der zwischen dem Erben und Dritten über Nachlaßgegenstände ge
troffenen Verfügungen kommen bei künftiger Unzulänglichkeit der Masse die Be
stimmungen z. 370 —372 zur Anwendung. Doch haftet der Erbe, wegen des
daraus !«n Gläubigern etwa entstehenden Rachtheils überhaupt, für «in grobes
und massiges Versehen.
ö) Wenn die Unzulänglichkeit des Nachlasses nicht schon aus dem Inventar kl«
ist, kann bis zur Eröffnung des Konkurses, od« bis zur Abfassung des Prä-
klusionserkenntnisses unvermögenden minderjährigen Erben der nothdürftige Un
terhalt aus den Einkünften des Nachlasses angewiesen werden. Die Minderjäh
rigen sind unter diesen Umständen für redliche Besitzer zu achten; und es geschieht
zum Besten der Gläubig«, wenn durch die Vormünder die Verwaltung der
Masse besorgt wird. Nur muß die Eröffnung des Liquidationsprozesses nicht
ohne Roth »erzögert, und wenn dabei die Besorgniß der Unzulänglichkeit sich
vergrössert, den Gläubigern die Wahl gelassen werden, ob sie die Verwaltung
fernerhin, gegen nothdürftige Verpflegung der Kuranden, deren Bormünder»
überlassen, oder einen besondern Kurator bestellen wollen.
6) Provokant muß, wenn er im Besitz des Nachlasses bleibt, einen verhältnißmässi-
gen Vorschuß zur Deckung der nothwendigen Auslagen einzahlen. Sonst wird
derselbe aus der Masse genommen. — 8. 57, 66, 69, 7S, 76, «0 Anh. §. SSl,
' I. S« A. G. O. — Res. vom 2. Deeember 1837. Jahrb. 5« S. 513 fg.
III. Dem Erben kann jedoch wider seinen Willen der Besitz und die
Verwaltung des Nachlasses entzogen werden
1) durch Konkurseröffnung. Dieser kann der Erbe nicht widersprechen, wenn aus
dem Inventar eine Unzulänglichkeit des Nachlasses klar ist, und die Gläubiger
darauf antragen. Dann kommen durchweg die Vorschriften vom Konkurse zur
Anwendung. Von den Gläubigern hängt es ab: ob sie den Erben zum Kura
tor der Masse wählen wollen. Thun sie es, und versteht sich der Erbe zur
Uebernahme der Kuratel; so ist er nur wie jeder andre Kurator zu betrachten,
und in dieser Eigenschaft den Gläubigern von seiner Verwaltung und Geschäfts
führung Rechenschaft zu geben schuldig. Wählen aber die Gläubiger einen an
dern Kurator; so muß der Erbe demselben den Nachlaß nach dem Inventar
ausliefern, und von seiner, seit dem Todestage des Erblassers geführten Ver
waltung, sofern er solche gehabt, Rechnung ablegen. — Vorstehende« gilt auch,
wenn der Verlassenschaftskurator Provokant ist.
2) Wenn die Gläubiger bei Beginn des Liquidationsprozesses oder im Lauft dessel
ben solche Umstände anführen und bescheinigen, woraus gegen dm Erben ein ge
gründeter Verdacht entsteht, daß er mit der Erbschaft unrichtig und nachtheilig
umgehe; oder doch, daß er damit solche Verfügungen treffe, woraus eine Ver
dunkelung der Masse, oder eine Vermischung derselben mit dem eignen Ver
mögen des Erben, die in der Folge zu Weiterungen Anlaß geben könnte, zu be
sorgen ist; so muß unter Mittheilung des Gesuchs der Erbe zu einem nahe»
Termin vorgeladen; darin die Sache untersucht und auseinandergesetzt; die da
bei vorkommenden Thatsachen, so weit es durch die von beiden Seiten angege
benen, mit zur Stelle gebrachten, oder in der Nähe befindlichen Beweismittel
sofort im Termine selbst geschehen kann, erörtert; wo möglich ein Interimisti
kum unter den Parteien gütlich rcgulirt; und wenn dies nicht zu erlange», ein
solches Interimistikum und die zur Sicherftellung der Masse erforderliche» Waas
regeln auf dieselbe Art, wie dies beim Jndultprozesse vorgeschrieben ist, vom Richter
647
durch cinc Resolution von Amtswegen festgesetzt werden. Solche sicherstellende
Maasregel» sind j. B,, daß vom Erben Kaution gefordert; daß ihm ein Auf»
scher beigegeben i oder daß ihm die Verwaltung des Nachlasses ganz genommen,
und einem Kurator anvertraut werde u. s. w.
3) Ausserdem sind diejenigen Gläubiger, welchen nach der Beschaffenheit ihrer Forde
rungen gegen den Erblasser Realarrcst auszubringen befugt gewesen sein würden,
denselben auch gegen seinen Nachlaß zu suchen berechtigt, und die Justifikation
dieses Arrestes wird alsdann zum anstehenden Liquidationstermine verwiesen. —
§. K4, 6S, 70—72, «1, I. 51 A. G. O.
K) hinsichtlich der Passivmasse.
§. 4!5. Behufs Feststellung der Passivmasse, und namentlich wegen Borla
dung der bekannten und unbekannten Gläubiger, Abfassung der Präklusoria, In
struktion der Spezialprozesse, Abfassung des Klassifikationsurtels u. f. w. finden die
für den Konkurs gegebenen Borschriften mit nachstehenden Maasgaben Anwendung:
1) Statt der Z. 384, I. gefüllten Warnung wird den Vorladungen und öffentlichen
Aufforderungen nachstehende Warnung beigefügt:
daß die aussen bleibenden Gläubiger aller ihrer etwanigen Vorrechte ver
lustig erklärt, und mit ihre» Forderungen nur an das, nach Befriedigung
der sich meldenden Gläubiger von der Masse noch übrig Bleibende,
verwiesen «erden solle».
2) Zum Liquidations- und zum Verifikationstermin muß der Erbe selbst dann vor
geladen werden, wenn er die Verwaltung der Masse abgetreten hat, da er
einestheils dem Kurator in Betreff der zu liquidirendcn Forderungen Auskunft
geben muß, anderntheils auch etwanige bei der bisherigen Verwaltung gehabte
Auslagen und Vorschüsse, so wie bezahlte Schulden an Stelle der Erbschafts
gläubiger,') liquidiren kann. Sind mehre Erben, so müssen sie sämmtlich vor
geladen werden, wenn auch nur einer derselben Ertrahent des Verfahrens wäre.
3) Ein oder mehre Erben, welche die Verwaltung des Nachlasses fortsetzen, nehmen
bei der Liquidation der Gläubiger die dem Kurator und Kontrodiktor im Kon
kurse vorgeschriebenen Obliegenheiten wahr. Trit ein solcher Erbe selbst als Li-
quidant bei der Masse auf; so muß zur Untersuchung und Erörterung seiner
Ansprüche von den übrigen Gläubigern ein besondrer gemeinschaftlicher Bevoll
mächtigte bestellt werden.
4) In der Zwischenzeit, bis zum Liquidationstcrmin, können die von einzelnen Glau
bigern etwa schon gegen den Erblasser, oder auch gegen den Erben noch vor
Eröffnung des Liquidationsprozcsscs angefangenen Prozesse fortgesetzt, und bis
zum Definitiverkenntnisse instruirt werden. Das Erkcnntniß selbst aber bleibt
bis nach geschlossenem Liquidationsverfahren ausgesetzt, und macht dann einen
Theil des Klassifikationsurtels aus. — Neue Klagen werden in der Zwischenzeit
angenommen, und bei Anmeldung von Klagen wird, wie gewöhnlich, mit deren
Aufnahme verfahren. Auch werden die Klagen dem Kurator oder den Erben
mitgetheilt. Die Beantwortung und weitere Verhandlung aber wird zum be
vorstehenden Liquidationstcrmin verwiesen.
ö) Die Präklusion der nicht erschienenen Gläubiger ist nicht, wie im Konkurse, son
dern gemäß der nach Nro. 1 gestellten Warnung abzufassen.
") Hat er aus den zum Nachlasse eingegangenen Geldern vor dem Prozeß Rach-
laßschulden bezahlt; so braucht er jene zu der dem Gericht übergcbencn Masse
nicht einzuzahlen, so weit er sie auf die Schulden verwendet hat, sondern er kann
kompensiren. — Erk. in Simon R. S. Bd. 2, S. 63. A. M. ist Grä-
vel g. a. O. S. 188.
S48
6) Im Klassifikationsurtel werden, wenn die Unzulänglichkeit der Masse nicht kl«
ist, den Gläubigern ihre Zinsenrückstände, so weit sie auSgemittelt worden sind,
an Stelle deö Kapitals mit zuerkannt. Findet sich aber demnächst Unzulänglich
keit; so können sie, wie im Konkurse, an Stelle des Kapitals nur zweijährige
Rückstände') fordern.
7) Kurrente Zinsen können die Gläubiger, mit Ausnahme der Hypotheken- und
Pfandgläubiger, vor Beendigung des Liquidationsprozesses nicht fordern. Erst,
wenn bei Vertheilung der Masse sich vollkommene Zulänglichkeit ergibt, können
sie solche verlangen. — Z. 75, «5-89, I. 51 A. G. O. — Res. vom «. Februar
1840 I. M. B. S. 59.
Zwölfter Titel.
Von Vollstreckung der Erkenntnisse durch Exekution
und Subhastation.
Erster Abschnitt.
»om Gxtkutionsverfahr««.
ExekutionStitel.
§. 418. Die Exekution findet statt»)
1) aus rechtskräftigen, d. h. solchen Erkenntnissen, gegen welche ein or-
') Wird daher demnächst eine mit Arrest belegte Sache im Wege der Exekution
verkauft; so muß dieser Arrest berücksichtigt, und die Losung kann nicht ohne
Weiteres dem Exekutionssucher gezahlt werden. — Res. vom 6. Juni 184V
I. M. B. S. 205.
2) Es ist nicht nothwendig, daß dabei einer der 4 z 2 unter I. erwähnten Fälle
vorliegt. — cs. Res. vom 5. Septbr. 1834. Gräff, Koch ,e. III. S. 1134.
») Bon den Fällen, in denen ohne Prozeß Exekution zulässig, ist oben Z. 6, S. 17
die Rede.
bentlicheK Rechtsmittel nicht mehr zulössig«ist. Gleiche Wirkung mit diese» ha
ben die von den Auseinandersetzungsbehörden bestätigten Rezesse;
2) aus nichtrechtskräftigen Erkenntnissen erster Instanz in dm Fällen, in
welchen das eingewendete «der einzuwendende Rechtsmittel nur Devolutivef
fekt hat. («. oben Z. 198, S. 299 fg.)
Das zu 1 und 2 Gesagte gilt auch von blossen Kontumazialurteln und Ag-
nitionsresolutionen, so wie von schiedsrichterlichen Erkenntnissen. Auch aus Ad-
judikationsbescheiden in nochwendigen Subhastationssachen können die Interes
senten die rückständigen Kaufgelder durch Exekution beitreiben lassen.
3) Aus gerichtlichen über rechtshängige i) Gegenstände geschlossenen Vergleichen;
und dies auch dann, wenn diese vor einem andern, als dem Prozeßrichter, ge
schlossen worden sind. Aus solchen Vergleichen über Wechselverpflichtungen ist
selbst Wechselexekution zulässig;
4) endlich aus schiedsmannischen Vergleichen (of. z> 38 oben) §. 1, 4, I.
24. z. 176, 1. 2A. G. O. — z. 169 Verord. vom 2«. Juni 1817 GS. S. 161.-
§. 1 Exek. G. vom 4. März 1834 GS. S. 31. — §. 2« Subh.-Ges. vom 4.
März 1834. — Res. vom 13. Juni u. 3. Juli 1839 I. M. B. S. 222, 247. -
Res. vom 2«. April 1841 I. M. B. S. 1S3.
Frist zur Nachsuchung der Exekution.
K. 419. Aus nicht rechtskräftigen Erkenntnissen in den Fällen Nro. 2 des vor.
I kann die Exekution so lange nachgesucht werden, bis ein rechtskräftiges Erkennt-
niß ergeht. Demnächst gilt dieses als Norm.
Rechtskräftige Erkenntnisse und die Vergleiche Nro. 3 und 4 des vor. Z gewäh
ren ein Jahr lang das Recht zur Exekutionsnachsuchung. Dies Exeku
tionsjahr läuft bei Erkenntnissen vom Tage der Rechtskraft, bei Wergleichen vom
Tage des Abschlusses. 2) Ist jedoch im Urtel oder Vergleich ein Zahlung«- oder
Leistungstermin bestimmt, so beginnt das Jahr mit Ablauf dieses späteren Termini.
Ausnahmsweise ist auch noch später nachgesuchte Exekution zulässig
1) aus Erkenntnissen und Vergleichen, die auf ein Unterlassen lauten. Der Berech
tigte kann sich damit gegen die Beeinträchtigungen des Andern zu allen Seiten
schützen.
2) Gleiches ist der Fall bei den auf ein Dulden gerichteten Judikaten oder Verglei
chen, in so fern nicht etwa die Pflicht des Duldens im Urtel oder Vergleich auf
ein Jahr beschränkt ist.
5) Lautet das» Erkenntniß oder- der Vergleich auf mehre zu befiimmtm Zeitm- wie
derkehrende Zahlungen oder Leiftungw; !) so beginnt das Exekutionsjahr in Be
treff jeder einzelnen Zahlung oder Leistung mit deren Fälligkeit.
4) Erhellt aus den Akten, oder kann der Extrahent der Exekution bescheinigen, daß
er dem Schuldner auf sein Verlangen, es sei gerichtlich oder aussergerichtlich auf
bestimmte Zeit Rachsicht gegeben habe ; so wird das Exekutionsjahr vom Ablauf
der Nachsichtszeit ab gerechnete
5) Ist die zeitig nachgesuchte Exekution wegen Mangels eines Gegenstandes, oder
weil des Schuldners Aufenthalt unbekannt war> vergeblich gewesen; oder kann der
1) Also Vergleiche, die in der Zeit von Anbringung der Klage bis zur Rechtskraft
des Urtels geschlossen sind. Spätere Bergleiche begründen nicht die Exekutttnz
es müßte denn z. B. in Folge Einwendungen in der Exekutionsinstanz ei» be
sonderes Verfahren eingeleitet gewesen sein.
2) D. h. von da ab, wo der Vergleich vollständig abgeschlossen ist,, also in Falle»,
wo Genehmigung, z. B. der Voxmundschaftsbchörde, eingeholt werde» muß, von
der ertheilten Genehmigung.
») Z. B. Alimente: ,
651
Gläubiger nachweisen, daß, wenn auch die Exekution nachgesucht oder verfügt
morden märe, solche dennoch ohne Erfolg gewesen sein würde; so findet auch
nach Ablauf des eigentlichen Exckutionsjahrs Exekution statt. Die einjährige
Frist zu deren Nachsuchung fängt in diesen Fällen erst von der Seit zu laufen
an, zu welcher das der Exekution entgegenstehende Hinderniß wieder gehobm
worden ist. >)
6) Dasselbe ist der Fall, wenn der Schuldner seinen Aufenthalt verlassen, und der
Gläubiger den neuen Wohnort erst später erfahren; oder wenn dieser sich mit
dem Erekutionsgesuch an ein inkompetentes Gericht gewendet hat, und er von
diesem ohne sein Verschulden über das Exekutionsjahr hinaus hingehalten worden ist.
Wird die gesetzliche Frist zur Nachsuchung der Exekution versäumt^ so geht
dem Berechtigten sein Recht nicht verloren. Er muß jedoch deshalb von Neuem klagen.
Ist die Exekution rechtszeitig nachgesucht; so muß sie verfügt und vollstreckt
werden, wenn auch inzwischen das Exekutionsjahr abläuft. — §. 2, 3, Anh.
S. 148z I. 24 A. G. O. — lj. 552 fg. l. 9 A. L. R. — Res. vom 15. Febr.
1812; vom lt. Juni 1819; vom 17. September 1U32. Jahrb. 1, S. 33.
Bd. 13, S. 254. Bd. 4V, S. 1S8. — Res. vom 22. April 1833. Grafs,
Koch ze. S. 415.
Exekuiionsgesuch; dessen Form und Inhalt; von wem und gegen
wen es anzubringen.
I. 42«. I. Der Prozeßrichter ist weder befugt noch verpflichtet, die Exekution
von Amtswegen vollstrecken zu lassen. 2) Der Berechtigte muß sie entweder
selbst, oder durch einen Bevollmächtigten nachsuchen. Diesen legitimirt
in der Regel die Prozeßvollmacht. Nur beim Antrage auf Subhastttion wird er
fordert, daß entweder jene Bollmacht darauf ausdrücklich gerichtet sei; oder daß,
falls nicht eine Generalvollmacht vorliegt, eine zum Antrag auf Subhaftation legi-
timirende Vollmacht beigebracht werde.
Erben und andre Rechtsnachfolger des Berechtigten müssen zugleich als solche
sich legitimiren. — K. 21, I. 24 A. G. 0. — Res. vom 25. April 1834. Jahrb.
43, S.48«. — Res. vom 25. August 1835. G raff, Koch ,c. III. S. 417.
U. Das Exekutionsgesuch muß deutlich, bestimmt, und genau nach
dem Inhalte des Urtels eingerichtet sein. Es muß ferner darin bestimmt an
gegeben werden: ob die Exekution in das Vermögen, oder gegen die Per
son, und im ersten Falle, in welche Gattungen oder einzelne Gegen
stände des Vermögens s) dieselbe verlangt wird. Fehlt eine solche Angabe, so
darf das Gesuch nicht zurückgewiesen, sondern es muß das Mobiliarvermögen als
in Borschlag gebrachtes Objekt angesehn werden.
Sinsen müssen dem Urtel gemäß, und falls es Aögerungszinsen, nach dem ge
setzlichen Satze, berechnet, und Kosten gehörig spezifizirt, diese auch durch Bezug
nahme auf die festsetzende Verfügung oder Entscheidung begründet sein.
Lautet die Entscheidung über mehre Punkte, Forderungen und Gegenforderun
gen, ohne sich über das Liquidum auszusprechen; so muß dem Exekutionsgesuch eine,
der Entscheidung gemäß angelegte, von einem vereideten Kalkulator als richtig be-
1) Doch währt auch diese Exekutionsfähigkeit nicht über 5 Jahre nach Rechtskraft
des Urtels, da dann jedesmal geklagt werden muß. — Lk. Z. 195 Anh. z. A.
G. O. — Res. vom 4. November 1840 I. M. B. S. 36«.
2) Dagegen kann das Bormundschaftsgericht für den Vormund unmittelbar Exeku
tionen beantragen und betreiben. — Res. vom 4. Januar 1842 I. M. B. S. 23.
») Es gnügt z. B. in dieser Hinsicht der Antrag auf Exekution ins entbehrliche
Mobiliar. — Res. vom 8. November 1834. G raff, Koch ,c. III. S. 42S.
«S2
scheinigte Berechnung beigefügt werden. — §.22, 23 , I. 24 Zt. G. O. — Z. 3
Exek.-Ges. vom 4. März 1834. — Res. vom 8. Mai 1835. Jahrb. 45, S. 440. —
Res. vom 8. November 1834. Grafs, Koch zc. III. S. 426.
III. Der Antrag auf Exekution kann in der Regel nur gegen den Ver-
urtheilten selbst, resp. gegen den, welcher im Vergleich sich verpfich»
tet hat, gerichtet werden.') Nur gegen diesen, nicht aber gegen einen Drit
ten ist daher in der Regel das Urtel, resp. der Vergleich zu vollstrecken. Demnach
kann selbst
s) aus einem Urtel, welches gegen den Hauptschuldner allein, nicht aber gegen den
Bürgen ergangen, gegen diesen nicht Exekution gesucht werden, wenn auch in
einzelnen Fällen der Bürge jenes Urtel in dem wider ihn angestrengten Prozesse
in gewisser Hinsicht 2) gegen sich gelten lassen muß.
b) Ist in einem Prozesse für Beklagten ein mit falscher Vollmacht, oder mit gar
keinem Auftrag versehener Vertreter zugezogen worden; so ist das gegen jenen
ergangene Urtel wider ihn nicht vollstreckbar. Kläger kann jedoch vom falschen
oder angeblichen Bevollmächtigten vollständige Entschädigung fordern.
e) Hat Jemand wegen solcher Gerechtsame, deren Vertheidigung ihm entweder gar
nicht, «der nicht allein, oder nicht hauptsächlich obliegt, in einen Prozeß sich ein
gelassen, und bei seiner Vernehmung über den Legitimationspunkt das wahre
Verhältnis! der Sache verschwiegen, mithin veranlaßt, daß die Haupt- oder
Mitinteressenten nicht zugezogen worden sind; so bleibt das Urtel in Bezug auf
diese ohne Wirkung, dies selbst dann, wenn sie davon wußten, daß über ihre
Gerechtsame gestritten werde, da sie ohne Vorladung zur Einlassung in den Pro
zeß nicht verpflichtet waren. Wegen der Entschädigungspflicht des Erstern gilt
aber das unter K Gesagte, (es. z. 25«, S. 369)
Ausnahmen von obiger Regel sind folgende:
1) Wenn Jemand als Vormund oder Kurator einer unter Vormündschaft oder Ku
ratel stehenden Partei, als Vorsteher einer Kirche, Schule, eines Hospitals oder
einer andern milden Stiftung, als Verwalter einer Kasse, Kämmerei, eines Do-
mainenamts u. f. w. den Prozeß geführt hat, und darin sachfällig geworden
ist; so kann, wenn das Urtel auch namentlich wider ihn gerichtet wäre, die Exe
kution dennoch nur in das Vermögen der Pflegebefohlenen, des HoSpitals u. s. «.
statt finden. Doch steht dem obsiegenden Theile frei, wenn ein solch« Vormund
oder Verwalter in Nachsuchung der zur Befriedigung desselben erforderlichen Ver
fügungen bei der vorgesetzten Behörde säumig wäre,») ihn zur Beobachtung die
ser seiner Obliegenheit durch Strafbefehle, und andre exekutivische Zwangsmittel
anhalten zu lassen.
2) Derjenige, dessen Gerechtsame in Ansehung eines gewissen Gegenstandes lediglich
1 ) Demnach kann aus einem auf Exmission de« Hauptmiethers lautenden Erkennt
nisse gegen den Aftermiether nicht auf Vollstreckung angetragen werden; es müßte
denn der Aftermiether erst, nach Behändigung der Klage an den Hauptmicther,
die Wohnung in Besitz genommen haben, da dann die Ausnahme unter III.
Nro. 2 vorliegt. — Ref. vom 31. Januar 184« I. M. B. S. 8« fg.
2) Wenn nemlich der Bürge in jenem Prozesse auf Antrag des Klägers adzirirt
worden ist; so kann er dem gegen den Hauptschuld»«« erkannten Ansprüche in
dem gegen ihn, den Bürgen, silbst angestrengten Prozesse keine Rechte und Ein-
, , Wendungen des Hauptschuldners entgegensetzen. — §. 31« fg. I. 14 A. L. R.
«) Ist eine Behörde, welche die zahlungspflichtige Kasse u. f. w. verwaltet, in Gnü-
gung säumig; so wird dem durch Anträge bei der unmittelbar vorgesetzten Be
hörde abzuhelfen sein. Sind landschaftliche Institute die Verpflichtetenz so ge
hen dergl. Anträge an den Oberpräsidenten. — Res. vom 8. December 18VS.
, Rabe 1«, S. 21S. - z. 33 u. Anh. z. 242, I. 35 A. G. O.
«53
von den Gerechtsamen eines Andern abhängen, muß Alles das gegen sich gelten
lassen, was wider jenen wegen dieses Gegenstandes rechtlich erkannt ist.') Gle!»
ches gilt überhaupt von denjenigen, welche einen im Streit befangenen Gegen
stand erst nach der Zeit, da dem bisherigen Inhaber die gerichtliche Borladung
zugestellt worden ist, durch Kauf, Tausch, Session, Schenkung, oder auf andre
Art erhalten haben, wenn sie auch bei diesem Prozesse nicht zugezogen worden sind. ^)
3) Die gegen den Erblasser ergangenen Erkenntnisse, und die mit ihm geschlossenen
Vergleiche sind auch gegen die Erben vollstreckbar.») Diese können sich
dabei nicht auf die Ueberlcgungsfrist berufen. Sie haben nur, wenn sie Bene-
fiziglerben sind, die Befugniß,
s) zu verlangen, daß die Exekution nicht in ihr eignes Vermögen, sondern in
den Nachlaß vollstreckt werde; >») oder
li) auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesses, und falls das Inven
tar noch nicht eingereicht ist, zugleich auf gerichtliche Inventur anzutragen,
um dadurch die Exekution abzuwenden, s) Wechselmässige Personalexekution
findet jedoch gegen den Erben niemals statt. Dagegen ist die wechselmässige
Realexekution zulässig. — §. S—12. Z. 15—20, I. 24. 8. 47, I. 27 A.
G. O.— §. 2 Erek.-Ges. vom 4. März 18Z4. — Res. vom 3. Oktober 1791
Ed. S. vom 1791 S. 223.
IV. Ist der Verurtheilte gestorben, und die Person oder der Aufent
halt der Erben unbekannt; so muß der alsdann zu bestellende Nachlaßkura
tor für die Befriedigung des obsiegenden Theils au« dem Nachlasse Sorge tragen,
und kann dazu allenfalls durch Exekution angehalten werden. Doch steht auch ihm
zu, auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesses anzutragen.
Ist die Erbschaft streitig, so braucht der obsiegende Theil auf den Aus
gang dieses Streits nicht zu warten. Bielmehr kann er, wenn keinem der Erben
der Besitz der Verlassenschaft überlassen ist, vom Kurator, sonst aber von den im
') 3. B. Legatare wegen des, in Betreff des vermachten Gegenstandes, gegen den
Erblasser Erkannten; Fideikommißnachfolger u. dgl. Singularsukzessoren in glei
cher Weise.
2) Hier werden also immer Realansprüche vorausgesetzt. Erkenntnisse über persön
liche Ansprüche können nur gegen den Verurtheilten oder dessen Universalnachfol
ger vollstreckt werden. Ist der Gegenstand schon vor Klagebehändigung auf den
Singularsukzessor übergegangen; so ist das Urtel gegen diesen nicht vollstreckbar,
cs. Res. vom 19. Februar 1319. 15. April 1836 u. 2S. Juli 1837. Jahrb. 13,
S. 12. Bd. 47, S. 547. Bd. 5«, S. 110.
») Sind Erben als solche verklagt; so können sie bereits im Laufe des Prozesse«
ihre durch die Benesizialqualität beschränkte Verpflichtung einwenden; und dem
nächst muß darüber im Erkenntniß das Nöthige ausgesprochen werden. Lk. Erk.
des Geh. Ob.-Trib. vom 21. Januar 1839. Zur. Woch. 1839 S. 713.
«) Haben Erben sich nicht auf die Rechlswohlthat des Inventar« berufen, und geht
auch sonst aus den Akten die Benesizialqualität nicht hervor; so wird die bean
tragte Exekution gegen die Erben ohne Rücksicht auf das ererbte Vermögen voll
streckt. Berufen sie sich jedoch hiernächst auf die Rechtswohlthat; so wird dar
über durch blosse Verfügung, gegen welche der Weg der Beschwerde offen steht,
entschieden.— 55. Res. vom 8. Mai u. 8. November 1835. Jahrb. 45, S.441.
Bd. 46, S. 509. Wird die Benesizialqualität als nachgewiesen erachtet; so wird
die Exekution auf den Nachlaß beschränkt, und dem Extrahenten der Exekution
liegt ob, Nachlaßgegenstände als Exekutionsobjekte zu bezeichnen und allenfalls
nachzuweisen. Er kann deshalb vom Erben den Manifestationseid verlangen. —
Res. «°m 13. Juli 1839 I. M. B. S. 255.
5) Der Antrag auf erbschaftlichen Liquidationsprozeß kann beim Prozeßrichter ein
gereicht werden. Dieser stellt ihn dem Nachlaßrichter zu, und ersucht um Aus
kunft: ob ihm statt gegeben werde, oder nicht. Geschieht Jenes, so wird die
Exekution Wirt. Geschieht dies, so bleibt es bei der Exekution.
42
SS4
Besitz des Nachlasses befindlichen Erben «erlangen, daß sie seine Befriedigung herbei«
führen. (Ok. Z. 2SS, Nro. 1 s ce) K. 14, I. 24 A. G. O. — §. 2 Exek.-Ges. rem
4. März 1834.
V. Sind mehre Litiskonsorten verurtheilt worden; so kommt es auf
den Inhalt des Erkenntnisses an:
ob die. Exekution gegen einen unter ihnen, nach der Wahl des obsiegen
den Theils, auf das Ganze, oder gegen jeden nur für seinen Antheil zu
vollstrecken sei?
Im zweifelhaften Falle spricht in der Regel die Vermuthung dafür, daß Jeder für
das Ganze verhaftet sei. Doch wird, falls die Entscheidung auf einen Vertrag sich
gründet, in solchem Fall die über das Beitragsverhältniß der einzelnen Verurtheil-
ten etwa im Vertrage enthaltene Bestimmung berücksichtigt werden müssen.') ^
Z. 13, I. 24 A. G. O. — §. 424 fg. I. 5. S. 29 fg. I. 6 A. L. R. — Res. vom
10. November 1S23. Jahrb. 22, S. 174.
Verfügung auf das Exekutionsgesuch.
Z. 421. Die Verfügung auf das Exekutionsgesuch steht,
^. wenn es sich um Vollstreckung eines Urtels oder gerichtlichen Vergleichs han
delt, demjenigen Richter, bei welchem der Prozeß in erster Instanz schwebte,
L. wenn aber ein schiedsmännischer Vergleich vorliegt, dem persönlichen Richter
des Verpflichteten zu. <M. ß. 33, IV.)
Bei dem darnach kompetenten Richter wird das Exekutionsgesuch vom ordent
lichen Dezernenten in Betreff seines Inhalts und seiner Zulässigkeit geprüft, und
allenfalls im Kollegio darüber Vortrag gehalten. Ist es unzulässig, so wird es zu
rückgewiesen. Enthält es wesentliche Mängel, so wird dem Extrahenten derm Er
gänzung aufgegeben. — Ist es zulässig und vollständig; so wird sofort das in Be
treff der beantragten Exekution Röthige verfügt, ohne daß es einer Erklärung des
Gegentheils darüber bedarf. Dabei gilt bei Exekutionen gegen Personen, welche
nicht im wirklichen Milita irdienst stehen, Folgendes:
> 1. Ist eine durch den Exekutor oder andern Exekutionsbeamten zu
«ollstreckende Exekution beantragt; so wird,
s) wenn der, gegen welchen dieselbe nachgesucht wird, der Gerichtsbarkeit des ver
fügenden Richters unterworfen ist,
ss) dem mit der Exekution zu beauftragenden Beamten in der Auftragsversii-
gung jedes Mal bestimmte Anweisung ertheilt: wozu er den Exequen-
den anhalten; was und wie viel er von ihm beitreiben; und auf welche
Art er die Exekution vollstrecken solle. Auch muß ihm darin ftäts, ausser i»
Wechselsachen und in Bagatellsachen, wenn hier die Vorlabung die Kraft
eines Kontumazialbescheides erlangt hat, eine gewisse Frist, welche nach
Beschaffenheit der Umstände, auf 8 oder 14 Tage bis höchstens 4 Wochen
zu bestimmen ist, vorgeschrieben werden, nach deren Ablauf mit der Hilst«
Vollstreckung ohne weitere Rückfrage verfahren werden soll.
dd) Der Verpflichtete erhält von dem Exekutionsauftrag Kenntniß mit der Be
deutung, daß, wenn er innerhalb der gesetzten Frist den Extrahenten »ach
seinem Gesuche nicht vollständig befriedige, er die wirkliche Exekution unfehl
bar zu erwarten habe.
') Ueberhaupt wird dann, wenn das Urtel über die Beitragspflicht der einzelnen
Litiskonsorten Nichts enthält, auf den Klagegrund: ob sich namentlich der ^
spruch auf Vertrag, oder auf unerlaubte Handlung, oder auf Erbschaft gründe .
zurückgegangen, und mit Rücksicht auf die darnach einschlagenden Gesetze beur-
theilt werden müssen: in wieweit jeder Litiskovsort für die erkannte Schuld 5»stt'
655
cc) Dem Exckutionsfucher wird von der verfügten Exekution Nachricht gegeben. —
Diesem kann zwar der dem Erekutionsbeamten ertheilte Befehl zugestellt wer
den, damit er ihn, wenn er in der gefetzten Frist nicht befriedigt wird, dem
betreffenden Beamten zur Bollstreckung zufertigc; bei erfolgter Befriedigung
aber unter Anzeige dessen zurückreiche. Doch ist es zweckmässiger, daß der
Richter den Befehl dem Exekutionsbeamten unmittelbar zustellt.
K) Hat dagegen Excquendus einen andern persönlichen Gerichtsstand; so muß der
betreffende Richter um Bollstreckung der Exekution ersucht,') und auch zugleich
das, wodurch die Gerichtsbarkeit des Exekutionsrichters in der Sache begründet
worden, 2) wenn es nicht von selbst klar ist, im Requisitionsschreiben oder Be
richte mit angeführt werden. «)
Der ersuchte Richter muß dem Gesuche gemäß die Exekution auf die unter »
gedachte Art verfügen, ohne sich über die Rechtmässigkeit des Urtels oder der an
geordneten Exekution eine Beurtheilung oder Entscheidung anzumassen. De»
Schuldner aber muß er mit etwanigcn Einwendungen an das requirirende Ge
richt «erweisen, und die Exekution fortsetzen. Nur,
»») wenn wegen der Kompetenz des erkennenden und requirirenden Gerichts ir
gend ein Anstand sich ergibt, oder das um Bollstreckung der Hilfe requirirte
Gericht glaubt, daß in seine Rechte eingegriffen sei; wird gemäß S. 34, Nro. 1
verfahren.
KI>) Ist das requirirte Gericht vorgesetzte Behörde des requirirenden, und jenes
findet ein Bedenken bei Vollstreckung der Exekution; so ist es berechtigt, vor
Vollstreckung der Exekution erst wegen Hebung dieses Bedenkens die nöthige
Auskunft vom Unterrichter zu erfordern.
cc) Requrirt ein ausländischer Richter um Exekutionsvollstreckung, ^) und ereig
net sich wegen der Kompetenz des requirirenden Gerichts oder sonst s) in der
Sache selbst ein Anstand; so muß das hiesige Gericht, wenn es ein Unterge
richt, beim vorgesetzten Landesjustizkollegio, dieses aber, nach Beschaffenheit der
Umstände, ferner beim Justizminister anfragen.
1) Requisitionen wegen Exekutionen gegen Eximirte gehen daher in Provinzen, wo
der eximirte Gerichtsstand gilt, stäts an das Obcrgericht. — 65. Res. vom 17.
Juli 1840 I. M. B. S. 247. Das Obergericht kann aber das Untergericht
damit beauftragen. — Res. vom 26. Febr. 1S19. Jahrb. 13, S. 47.
2) Z. B. wenn die Kompetenz durch Widerklage entstanden, so ist dies Sachver?
hältniß abzugeben. . -
») Soll aus einem bei «Irländischen Gerichten ergangenen Urtel oder aufgenomme
nen Vergleich gegen einen in der Rheinprovinz sich Aufhaltenden Exekution voll«
streckt werden; so muß das Urtel ohne Gründe, oder der Vergleich unter des
Gerichts Siegel und Unterschrift ausgefertigt, und der Ausfertigungsklausel bei
gefügt werden, unter dem Urtel:
daß es für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt worden;
unter dem Vergleich:
daß er vor dem Gerichte in einem vor demselben geschwebten Prozesse ge
schlossen sei, und für vollstreckbar erklärt würde.
Die Ausfertigung ist dann dem Erekutionssucher zuzustellen. — Res. vom 7.
Juni 1817. Jahrb. 9, S. 199. — Res. vom 25. Juni 1331. Jahrb. 38,
S. 169.
4) Bei solchen Requisitionen müssen besonders die über die gegenseitigen Gerichts«
barkeitsverhsltnisse bestehenden Verträge berücksichtigt werden.
5) Z. B. wenn sich findet, daß die Exekution mit den hiesigen Gesetzen nicht har«
monirt, als, weil das ausländische Erkenntniß vor länger als einem Jahre rechts
kräftig ist, oder weil der Gegenstand Mandatariengcbühren sind, welche nicht
vorher im Mandatsprozcsse eingeklagt worden u. s. w. — 55. Res. vom 24.
April 1833. GrSsf, Koch zc. III. S. 437. Res. vom 26. Febr. 1836. Jahrb.
47, S. 323,
42"
656
2. Beim Antrage auf Subhastation eines Immobile muß, in so fern
dies nicht schon geschehen, >) ein Zahlungsbefehl mit Bestimmung einer vierwö
chentlichen Frist an den Schuldner erlassen,^) und er bedeutet werden, daß, wenn
er binnen dieser Frist«) den Extrahenten nicht befriedigt, die beantragte Subha-
station erfolgen solle. ^)
Der Extrahent erhält hiervon Nachricht mit der Weisung, bei nicht geschehener
Befriedigung den Subhastationsantrag zu wiederholen, und den zu bestimmenden
Subhastationsvorschuß einzuzahlen.
Geht nun demnächst der Antrag ein; so wird,
s) falls das Grundstück unter der Gerichtsbarkeit des Exekutionsrichters liegt, von
diesem selbst das Erforderliche wegen Einleitung der Subhastation verfügt;
b) falls es unter andrer Gerichtsbarkeit liegt, beim kompetenten Richter die Ein«
leitung der Subhastation nachgesucht.
3. Das vorstehend unter s und b Gesagte gilt auch von Einleitung der
Administration unbeweglicher Sachen mit der Maasgabe, daß in dem
Falle, wenn das unter Verwaltung zu stellende Gut bexfandbrieft ist, jedesmal das
betreffende Kreditinstitut um Einleitung und Führung der Verwaltung ersucht wer
den muß.
4. Sind Besoldungen, Pensionen, Forderungen u. Vgl. als Exeku
tionsobjekt gewählt; so wird die Beschlagnahme, Requisition um Zahlung, Ueber-
weisung u. s. w. vom Exekutionsrichter selbst verfügt. — Z. 24, 26—34. Z. 45.
Z. Kit, 106, 116 fg. I. 24 A. G. O. — §. 5 des Erekut.-Gef. vom 4. März 1834.—
Res. vom 23. Oktober 182«. Jahrb. 16, S. 239. — Res. vom 9. December 1839
I. M. B. S. 424. Ges. vom 2. November und 25. September 184« I. M. B.
S. 316, 362.
Insbesondre, wenn das Exekutionsgesuch gegen Militairperfonenz
oder gegen Gemeinden oder moralische Personen gerichtet ist.
z. 422. I. Soll eine Exekution gegen Personen verfügt werden, welche in
wirklichem Militairdienst stehen, lwohin auch Gendarmen gehören), und be
trifft die exekutivische Maasregel
1) Gehaltsabzüge; oder Beschlagnahme ausstehender Forderungenz
oder das Grundstück des Schuldners; so wird in gleicher Weise, wie vorste
hend gegen Zivilpersonen verfahren.
2) In Betreff andrer Exekutionsobjekte dagegen muß, bevor exekutivisch ver
fahren wird, da« betreffende Militairgericht s) ersucht werden, den Schuldner
1) Ein vorhergegangener andrer Grad der Exekution macht diesen Zahlungsbefehl
nicht entbehrlich. — Res. vom 16. August ,1834. Gräff, Koch:c. III. S.4S8:
Eben so muß derselbe auch im Mandatsprozesse erlassen werden. Das. S. 439.
2) Auch an den Adjudikatar muß, wenn er die Kaufgelder nicht erlegt, vor Verfü
gung der Resubhastation das Zahlungsmandat mit vierwöchentlicher Frist erlas
sen werden. — Res. vom 2. August 1839 I. M. B. S. 235.
s) Von Amtswegen wird nach Ablauf der Frist die Subhastation nicht «erfügt. —
Res. vom 9. December 1839 I. M. B. S. 424.
4) Ist mit dem Subhastationsantrage zugleich der Antrag auf Verzeichnung des
Wirthschaftsinventars, und auf ein an den Schuldner zu erlassendes VerSusse-
rungsverbot verbunden ; so kann auch dieser,- Antrag erst nach Ablauf der vier
wöchentlichen Frist realisirt werden. — Rss. -vom, 25. April 18S5. Gräff,
Koch ,c. III. S. 439. ,"/ ' '
s) Die Requisitionen um Erlaß der Paritionsorbre sind zu riHten^ >.
1) an das Generalauditoriat in Betreff . ^!>, , .
g) der Generale, ^ . »?
^ b) der Kommandeurs von Regimentern, Bataillons un> von einzelnen für
sich bestehenden Truppentheilenz
657
von der bevorstehenden Exekution zu benachrichtigen und anzuweisen, daß er sich
bei Vermeidung der gesetzlichen Folgen nach der Verfügung bei Zivilgerichts zu
richten habe. ^Paritionsordre). Erst, wenn das Zivilgericht über Erlaß die«
ser Ordre benachrichtigt worden, ') wird die Vollstreckung der Exekution ver
fügt. — Diese muß übrigens von derjenigen Justizbehörde, vor welcher der
Schuldner in Zivilprozeßsachen seinen Gerichtsstand hat, und zwar durch die
Beamten, welchen die Vollstreckung der Exekution gegen Zivilpersonen obliegt,
bei Obergerichten aber namentlich unter Direktion des Exekutionsdirektors, eines
Sckretairs, oder eines Justizbeamten erfolgen. Zweckmässig ist es, in dem an
den Exekutor zu erlassenden Befehl die an den Exequendus erfolgte Behändigung
der Paritionsorder zu erwähnen. Jedesmal muß zugleich das dem ErequenduS
e) der Kommandantenz
ck) der General- und Flügeladjutanten des Königs;
e) der Gouverneure der Prinzen des Königl. Hauses;
f) der Offiziere des großen Generalftaabes ; und macht es bei allen diesen
Personen (s—f) keinen Unterschied, ob sie im Dienste oder auf Pension,
Wartegeld oder Jnaktivitätsgehalt gesetzt sind;
«) der Auditeure und etwanigen Gerichtsaktuarien und
K) der Divisions- und Garnisonprediger und Küster, so lange diese Personen
(g—K) aktiv sind.
2) An die Generalkommandos Hinsicht«
s) der nach der Rang» und Quartier-Liste zum Etat derselben gehörenden
Personen, so weit sie nicht zu 1 erwähnt sind
b) der zum Generalkommando gehörenden Reserveregimenter, und Jäger -
oder Schützenabtheilungen;
c) der im Bereich der Generalkommandos sich aufhaltenden, auf Pension,
Wartegeld oder Jnaktivitätsgehalt gesetzten Offiziere, so weit sie nicht zu
den sä 1 gehören;
6) der beim kommandirenden General stationirten Armee-Gensdarmen;
3) an die Divisionskommandos in Betreff
s) der zur Division gehörenden Infanterie-, Kavallerie- und Landwehr
regimenterz
b) der Regiments» und Divisions-Garnison-Kompagnieen ;
e) der Jnvalidenkompagnieen, und
6) der zum Etat der Divisionskommandos gehörenden Personen, und der da
bei stationirten Armeegensdarmen;
4) an die Gouvernementsgerichte resp. in Königsberg, Berlin, Breslau und
Luxemburg, und an die Garnisongerichte in den Festungen in Betreff
s) der zum Etat des Gouvernements oder der Kommandantur nach der
Rang- und O-uartierliste gehörenden Personen;
b) aller zur Garnison gehörenden Truppenabtheilungen oder einzelner Mili-
tairpersonen, in so fern ihre eignen Divisions - oder Jnfpektionsgerichte
sich nicht am Orte befinden,
ö) Die Landmehrbrigadekommandeurs ressortiren von dem Gerichte der
Division, zu welcher die Landwehrbrigade gehört.
6) In Betreff der Jntendanturbeamten ist das Generalkommando, zu welchem
sie gehören, zu requiriren.
7) An die Artillerie-Inspektionen, von denen jede ihr eignes Gericht hat, gehen
ebenfalls die betreffenden Requisitionen.
8) Hinsichts der Jngenieuroffi ziere sind resp. das Generalkommando zu
Berlin, oder die Jngenieur-Jnspektionskommandos zu requiriren, in so fern
nicht bei beiden das zu 4 gedachte Verhältniß eintrit.
9) Hinsichts der Landgensdarmerie ist der Chef der gesammten Gensdarmerie zu
requiriren.
10) Hinsichts der Gardelandwehr gehen die Requisitionen an die erste oder zweite
Gardedivision, je nachdem das Landwehrregiment zu einer derselben gehört. —
Res. vom 14. Januar 1825 und Beilage Jahrb. 25, S. 116. — Res. vom
25. Febr. 18Z6. Jahrb. 47, S. 325. >
*) Daraus folgt, daß nicht der etwa um Exekutionsvollstreckung zu requirirende, son
dern d?r Prozeßrichter, das Ansuchen um Paritionsordre erläßt.
658
vorgesetzte Militärgericht von der Exekution durch den dieselbe vollstreckenden
Richter benachrichtigt werden.
Welche Beschränkungen hinsichtlich der exekutionsfähigen Gegenstände eintre
ten, davon wird weiter unten die Rede sein.
3) Doch kann das Zivilgericht niemals die Exekution in bewegliche Gegenstände,
welche eine in der Kaserne oder im Dienstgebäude wohnende Mili-
tairperson, einschließlich der aktiven Militairbeamten und der
pensionirten Offiziere, daselbst besitzt, vollstrecken. Behauptet daher
Exekutionssucher, daß eine solche Militairperson in der Kaserne oder im Dienst-
gebäude exekutionsfähige Gegenstände, wie z. B. öffentliche Papiere, baarcs Geld,
goldne, silberne und andre Medaillen, Juwelen und Kleinodien, besitzt, und bringt
dieselben als Exekutionsobjekt in Vorschlag; so muß
s) der Schuldner durch das Zivilgericht darüber: ob er dergleichen besitze, vorher
vernommen, und bei vorhandenem Zweifel zum Manifestationseide verstattet
werden.
d) Werden bei dieser Vernehmung, oder bei Ableistung des Manifestationseides exe
kutionsfähige, in der Kaserne oder im Dienstgebäude befindliche Gegenstände er
mittelt; so fordert das Zivilgericht den Exequendus zu deren Herausgabe auf;
und requirirt, wenn er die Herausgabe verweigert, das betreffende Militärge
richt, und beziehungsweise das Generalauditoriat, in so fern Schuldner der Ge
richtsbarkeit desselben unmittelbar untergeordnet ist, um die Exekutionsvollstreckung,
da das Zivilgericht solche Exekutionen in den Kasernen oder Militairdienstgebäu-
den nicht vollstrecken darf.
e) Die requirirte Behörde oder der betreffende Befehlshaber fordert hierauf den Ere-
quendus zur Herausgabe der betreffenden Gegenstände auf. Bleibt die Auffor
derung ohne Erfolg, und wird also eine förmliche Erequirung nöthig; so muß
dieselbe durch einen Auditeur, unter Zuordnung eines, nach dem Range des
Exequendus zu bestimmenden, Offiziers geschehen.
6) Werden bei dieser Exekutionsvollstreckung Seitens des Schuldners rechtliche Ein
wendungen gegen dieselbe erhoben, über welche gerichtlich zu entscheiden ist; so
steht diese Entscheidung nicht der Militairbehörde, sondern dem betreffenden Zi
vilgericht zu.
e) Die Exekution in Gegenstände, welche die in Kasernen oder Dienstgebäuden weh
nenden Militairpersonen nicht innerhalb, sondern ausserhalb derselben besitzen, fin
det auf die unter Rro. 2 vorgeschriebene Weise statt. — Z. 26 Anh. §. 149,
155, I. 24 A. G. O. — Cab.-Ord. vom 4. Juni u. vom «. September IW
GS. S. 209.— Res. vom 5. Juli 1822, vom 24. Januar 1823. Jahrb. 19,
. S.318. Bd.21,S. 261. — Res.vom2.December1831. Jahrb. 38, S. 333. -
Cab.-Ord. vom 8. November 1831 GS. S. 25«. — Cab.-Ord. vom 4. Im.
1833 GS. S. 3. — Res. vom 21. April u. 29. August 1834. Jahrb. «,
S. 43S. Bd. 44, S. 85.
II. Soll gegen Stadt- und Landgemeinden, oder gegen eine ganze
Klasse von Mitgliedern derselben, wie z. B. gegen Judengemeinden,
oder sonst gegen eine moralische Person, eine Exekution vollstreckt werden;
so müssen die Gerichte über die Art, wie solche ohne gänzlichen Ruin der Schuldner
zu realisiren ist, jederzeit mit der Regierung Rücksprache halten, und wenn sie sich
mit dieser über die zu nehmenden Maasregeln nicht vereinigen können, die Exekution
aussetzen, und die Vorbescheidung des Justizministers einholen.
Eben dieses muß geschehen, wenn die Exekution gegen ein nicht unter der Re
gierung stehendes Institut zu verordnen ist, und also der Justizminister Anlaß sin
659
den möchte, mit den übrigen Ministerien Rücksprache zu nehmen. — Anh. §. 15Z
zu §. 45, I. 24 A. G. O. — Res. vom 22. April 1833. Jahrb. 4l, S. 467.
Bon den in der Exekutionsinstanz zulässigen Einwendungen.
Z. 423. I. Die rechtmässig angeordnete Exekution kann
1. durch die Einwendungen der Zahlung, der Kompensation, des
Erlasses und des Vergleichs, jedoch auch durch diese nur alsdann ge
hemmt werden, wenn dergl. Einwendungen liquid sind, und die
Thatsachen, auf welche sie gegründet werden, sich erst nach ge
schlossener Instruktion der Sache >) ereignet haben, oder erst nach
diesem Zeitpunkt zur Kenntniß des Schuldners gelangt sind.
Ein solcher Einwand muß bei dem Richter, welcher die Exekution verordnet
hat, angebracht, und sofort bescheinigt werden. 2) Erachtet dieser den Einwand
nicht für liquid, oder sonst zur Aufhebung der Exekution nicht geeignet; so weist
er den Antrag zurück, und läßt der Exekution ihren Fortgang. Anderenfalls aber
muß er sofort
^. die wirkliche Vollstreckung der Exekution, in so fern der Einwand den gan
zen derselben unterworfenen Gegenstand betrifft, ganz, sonst nur in Betreff des
durch den Einwand betroffenen Punktes oder Betrages, aussetzen, und
L. zur Erörterung und Instruktion des Einwandes einen möglichst nahen und
auf Antrag des Provokanten unter keinerlei Vorwand zu prorogirenden Termin an
beraumen. Die Instruktion und Entscheidung über einen solchen Einwand erfolgt,
s) wenn der Gegenstand desselben öl) Thlr. nicht übersteigt, im Bagatellprozeß;
d) sonst ss) im Großherzogthum Posen Z) nach der Verordnung vom 9. Februar
1817 und db) in den übrigen Provinzen, in denen die A. G. O. gilt, im sum
marische» Prozeß. — Wird nun nach Verhandlung und nach Aufnahme der vor
oder im Termin wirklich zur Stelle gebrachten Beweismittel
«) der Einwand begründet und erwiesen gefunden; so muß die Aufhebung der
Exekution, so weit der Einwand den unter Exekution stehenden Gegenstand
betrifft, erkannt werden; und wenn auch gegen das Urtel appellirt wird; so
bleibt es dennoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung bei der bereits ver
fügten Suspension.
/z) Wird der Einwand im Erkenntnisse für ganz unbegründet und unerheb
lich befunden; so muß auf Fortsetzung der Exekution gesprochen werden; und
die Appellation gegen ein solches Urtel kann die Vollstreckung desselben nicht
aufhalten.
7) Hat aber durch jene Verhandlung und Beweisaufnahme der Grund oder Un-
grund des Einwandes nicht völlig ins Licht gesetzt werden können; sondern
ist zur Ausmittelung desselben noch eine weitere Verhandlung erforderlich;
1) D. h. zu einer Zeit, wo diese Einwendungen nicht mehr zur Verhandlung gezo
gen werden konnten.
2) Die Eideszuschiebung gnügt dazu, einen solchen Einwand liquid zu machen. —
Res. vom 2. Mai 1834. Jahrb. 43, S. 50«.
») Einige Gerichte im Großh. Posen verhandeln im summarischen Prozeß. Dies
läßt sich nicht rechtfertigen. Die Einleitung zum Gesetz vom 1. Juni 183Z
schließt das Großhcrzogthum Posen in Bezug auf den summarischen Prozeß aus
drücklich aus. Das Verfahren der V. vom 9. Februar 1317 vcrtrit hier den
summarischen Prozcß. Wenn nun der Z. 6 des Exek.-Ges. für Verhandlung der
Einwendungen in der Exekut.-Jnstanz das Verfahren des Ges. vom I. Juni 1833
anordnet; so kann sich dies nur auf Provinzen beziehn, wo dies Versahren An
wendung findet. Zur Einführung desselben im Posenschen hätte die ausdrückliche
Aufhebung jener Einleitungsbestimmung und der desfalsigen Anordnung im Ges.
vom 9. Febr. 1817 z. 2 i gehört.
«60
» > und mit Rücksicht auf das zur Anwendung kommende Prozeßverfahren zu
lässig z so muß der Richter diese durch eine blosse Resolution verfügen, in die
ser aber zugleich die Fortsetzung der Exekution anordnen.
Uebrigens muß der Richter in diesen Fällen «— wenn er findet, baß
Provokant dergleichen Einwand ganz ohne rechtlichen Grund entgegengesetzt
Hätz oder daß Provokat, ungeachtet ihm der entgegenstehende Einwand und
dessen Rechtmässigkeit bekannt war, dennoch auf der Exekution bestanden hat,
die Strafen der muthwilligen Chikane zur Anwendung bringen. (<X z. 170, V.)
2. Wird erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Sache ein Spezial-Mo-
ratorium nachgesucht; so bleibt die Exekution zulässig, bis die dem Gläubiger ge
bührende Sicherheit bestellt worden. Erst dann wird daher die Exekution aufgeho
ben. — Im Uebrigen darf die Exekution auf den Borwand eines gegenwärtigen
Zahlungsunvermögens, durch Fristgesuche, oder Anbietung von Terminalzahlungen
«. f. w. weder aufgehalten, noch eingestellt werden.
S. In wie weit bei Einlegung des Rechtsmittels der Richtigkeitsbeschwerde durch
gerichtliche Niederlegung der erkannten Summe, oder durch Kautions
bestellung die Exekutionsvollstreckung beseitigt werden kann, davon ist bei Abhand
lung dieses Rechtsmittels (Z. 241) die Rede gewesen. — Z. 35—42, I. 24 A. G.
O. — Z. 6, 7 des Exekut.'Ges. vom 4. März 1834. z. 2 Verord. vom S. Febr.
4817. — Ref. vom 1. December 1835. GrSff, Koch zc. III. S. 440. — Res.
«om 13. Februar 1837. Jahrb. 49, S. 184.
II. Andre Einwendungen, selbst die Behauptung, baß das Urtel null sei, so
wie die Anbringung einer Reftitutionsklage hemmen nicht die Exekution. Doch steht
« dem Provokanten frei, feine Einwendungen gegen den Exekutionssucher in dessen
Gerichtsstande durch besondern Prozeß auszuführen.')
III. Gegen Verfügungen, durch welche Exekutionen angeordnet sind, ist, wie
gegen andre Verfügungen, die Befchwerde an die, dem verfügenden Gericht unmit
telbar vorgesetzte Behörde zulässig. — Dagegen können Bitten beim Staatsoberhaupt,
oder bei den Ministerien um Aufhebung einer an sich begründeten Exekution nicht
berücksichtigt werden. — Sollte in einem ganz befondern Falle durch Kabinetsordre
oder Hofreflript eine Exekution suspendirt, oder aufgehoben werden; so müssen zwar
die Gerichte solchem gebührende Folge leisten; zugleich aber ungesäumt und von
Amtswegen an das vorgesetzte Ministerium von der wahren Lage der Sache berich
ten ; auch bis zum Eingang weiterer Verhaltungsbefehle Alles, was nach Beschaffen
heit der Umstände ohne Vereitelung der erhaltenen Ordre geschehen kann, zur Si
cherheit des Exekutionssuchers gleichergestalt von Amtswegen vorkehren. — Z. 43,
44, I. 24 A. G. O.
> ') Auch Einwendungen der Zahlung, des Vergleichs, Erlasses und der Kompensation
können, wenn sie zur Hemmung der Exekution nicht geeignet sind, im besondern
Prozeß geltend gemacht werden, da die Bestimmung zu I. (Z. 6 des Exek.-Kes.)
nur eine Prozeßvorschrift enthält. — Plen.-Beschl. vom 19. Oktober 1S4«
L. M. B. 1841 S. 6«.
«61
Gr hat sich ferner genau »ach dem Inhalt des erhaltenen Auftrag«
zu achten, da dieser gemäß ß. 42t, Nro. 1 stäts eine bestimmte Anweisung über
die Art und Ausdehnung seiner Wirksamkeit enthalten muß. — Der Exekutionsbe
amte muß demzufolge
1) sofort nach Verlauf der im Befehle bestimmten Frist, wenn er vom Gericht keine
Gegenordre, «der vom Extrahenten keine Nachricht, daß eS der Exekution nicht
bedürfe, erhalten hat, mit deren Vollstreckung, ohne ferneren Verzug, und ohne
weitere Rückfrage oder vorläufige Ankündigung, der erhaltenen Instruktion ge
mäß verfahren.
2) Er darf sich davon weder durch Protestatio»«« oder Einwendungen des Schuld
ners, noch durch ein blosses einseitiges und unbescheinigtes Vorgeben desselben,
daß er den Extrahenten befriedigt, daß er von ihm Nachsicht erhalten habe, daß
die Exekution von dem sie verordnenden Gericht wieder aufgehoben sei u. s. w.
abhalten lassen.
3) Wirb ihm jedoch eine auf Aufhebung lautende, und später, als seine ErekutionS-
ordre ausgefertigte Verfügung des Gerichts, oder der demselben vorgesetzten Be
hörde, oder eine vom Extrahenten ausgestellte Bescheinigung über zugestandene
Nachsicht, oder eine von demselben gegebene Quittung, «der ein Postschein, wor
aus die wirklich erfolgte Absenkung der bcizutreibenden Summe an den zur Em
pfangnahme Bezeichneten erhellt, im Original vorgelegt; so muß er zwar, gegen
Empfang seiner Gebühren, sofort von der Exekution abtreten, zugleich aber da
von ohne den geringsten Verzug berichten, und weitere Verordnung abwarten. —
§. 54, 4S, 46, I. 24 A. G. O. — Res. vom 22. Februar 1831. Jahrb. 37,
S. 109. — Eirc. V. vom 19. Februar 1836. Jahrb. 48, S. 438.
II. Der Exekutionsbeamte darf jedoch keine Exekution vollstrecken
1) an Sonn- und solchen Festtagen, welche durch allgemeine Polizeiverordnun
gen oder nach den Rcligionsgebräuchen des Exequenden als solche anerkannt sind; i)
2) während der Saat- und Erntezeit gegen Personen, welche sich mit
der Landwirthschaft beschäftigen?). Diese exekutionsfreie Seit in An
sehung der Landwirthschasttreibenden wird von den Obcrgcrichten nach vorgän
giger Rücksprache mit den Regierungen für das Departement gleichmässig, und
zwar für die Saat im Frühjahr und Herbst jedesmal auf 14 Tage, und für
die Ernte auf 4 Wochen bestimmt, und dabei wird lediglich auf den Hauptge
genstand der Saat und Ernte, und auf den hiernach durchschnittlich gewöhnli
chen Eintrit der Saat- und Erntezeit in dieser Provinz Rücksicht genommen.«)
>) Dahin gehören also auch die jüdischen Sabbate und Feiertage. Dagegen können
die katholischen Feiertage nur in so weit zu den exekutionsfreien gezählt werden,
als sie vom Staate anerkannt worden,
l) Die Gerichtsferien an sich, und in Bezug auf Personen, die nicht Landwirthschaft
treiben, auch die Saat- und Erntezeiten, hindern daher nicht Erckutionsvoll-
streckungen.
«) Diese erckutionsfrcien Zeiten sind bestimmt fürs Kösliner Departement durch
Publ. vom 5. Mai 18Z4, Zur. Woch. 1834 S. 507; für Posen und Brom
berg durch Publ. vom 2. Juli 18Z4, das. S. 727z für Stettin durch Publ.
vom 7. Juli 1834, das. S. 757; für Ratibor durch Publ. vom 9. September
1834, das. S. 97«; für Jnsterburg durch Publ. vom 25. November 1834,
das. S. 1229; für Naumburg durch Publ. vom 24. März 1835, Zur. Z.
1835 S. 416; für Frankfurt durch Publ. vom 28. April 1835, das. S.510; .
für Halberstadt durch Publ. vom 29. Mai 1835, das. S. 633; für Mag
deburg durch Publ. vom 25. Juli 1835, das. S. 763; für Glogau durch
Publ. vom 26. September 1835, das. S. 1081; für den Kammergerichts
bezirk durch Publ. vom 22. Oktober 1835, Potsdamer Amtsbl. 1835, S. 290 z
für Münster Verf. vom 16. Januar 1839 I. M. B. S. 68. ,
S6S
Doch muß auch während der Saat- und Erntezeit gegen Landwirtschaft,
treibende die Exekution vollstreckt werden
s) in Wechsel-, Alimenten-, und solchen Sachen, bei denen Gefahr im
Verzuge obwaltet;
b) in allen Fällen, in welchen der verabredete Zahlungstermin in diese
Zeit fällt;
e) wenn dieselbe schon vor der Saat- und Erntezeit angefangen hat. — g. 4
des Exek. Ges. vom 4. März 1834. — §. 48, I. 3 A. L. R. — Res. vom
2. Mai 1834. Nro. 1, Jahrb. 43, S. 492. — Res. vom 3. Oktober 1834
und 17. Juni 183S. Grafs, Koch ,c. III. S. 427.
Exekutionen 1) auf Leistung von Handlungen; >) und 2) auf
Unterlassungen.
§. 425. I. Hat der Verpflichtete eine Handlung zu leisten, 2) und sie in
nerhalb der im Urtel «der Vergleich bestimmten Frist nicht geleistet; so wird auf
den Exekutionsantrag des Berechtigten
1) zunächst dem Verpflichteten durch ein Mandat die Vollziehung der Handlung
binnen einer zu setzenden Frist von 8 Tagen bis höchstens 4 Wochen aufgegeben,
und die Bedeutung beigefügt:
daß bei Nichtleistung der Berechtigte die Wahl haben solle, auf der Lei
stung der Handlung durch den Verpflichteten zu bestehen, oder dieselbe
auf dessen Kosten durch einen Dritten verrichten zu lassen, ober sein In
teresse zu fordern.
Dies Mandat wird dem Verpflichteten auf die gewöhnliche Weise gegen Be-
händigungsschein zugestellt (Z. 57—59). Extrahent aber erhält von dem Ver
fügten Nachricht.
2) Gnügt der Verpflichtete innerhalb der gestellten Frist dem Befehle nicht; so hat
der Berechtigte die Befugniß, demgemäß die Wahl zu treffen. Er ist auch be
fugt, von der ein Mal getroffenen Wahl wieder abzugehen, und eine andre zu
treffen. Läßt sich jedoch mit Rücksicht auf die obwaltenden Umstände eine oder
die andre der 3 Alternativen nicht ausführen; so kann er dieselbe nicht wählen.
Fordert nun der Berechtigte die Leistung
g) von dem Verpflichteten selbst, und hängt solche nach dem Ermessen des
Richters von dem Willen des Verpflichteten ab;») so ist dieser durch
Personalarrest, von höchstens einjähriger Dauer, dazu anzuhalten. — Auch
Personen, welche sonst gesetzlich dem Personalarrest nicht unterworfen sind,
wie z. B. Beamte, müssen sich dieser Personalhaft fügen.
b) Soll die Leistung durch einen Dritten geschehen; so hat der Richter
den Betrag der dazu erforderlichen Kosten vorläufig zu bestimmen, und von
dem Verpflichteten einzuziehn. 4)
>) Die in der Ger.-Ord. angeordnete Einlegung des Exekutors findet nicht mehr
statt; dies selbst bei Exekutionen im Wege des Disziplinarverfahrens.
2) Lieferungen find in der Regel für Handlungen anzuschn, bei denen diese Art
Exekution Anwendung findet. Ist eine bestimmte bei Abschluß des Vertrages
speziel bezeichnete Sache zu liefern; so findet Exekution auf Herausgabe einer
Sache Anwendung. — «. Ref. vom 26. Juni 1835. Gräff, Koch ,c. III.
S. 450.
») Soll z. B. Jemand eine von einem Dritten auszustellende Quittung beschaffen;
' so liegt dies nicht allein in seinem Willen, und Personalhaft ist nicht zulässig.
Der Berechtigte wird daher die andern beiden Alternativen wählen müssen. Glei
ches gilt auch, wenn ein Dritter in die vom Verpflichteten auszustellende Quit
tung konsentiren muß. — Ll. Res. vom 1. Mai 184« I. M. B. S. 171.
«) Demnächst muß der Dritte vom Prozeßrichter Autorisation zur Vornahme der
Die Liquidation und Feststellung des Interesse geschieht durch be«
sondern Prozeß. (§. 359 IV.). — §. 8 und 9 des Erek. «es. vom 4. März
1834. — Res. vom 12. Mai 1835. vom 3. Juni 1835; vom 11. Jull 1834;
vom 25. November 1835; vom 1. August und 27. November 1837; vom
28. Februar 1836. Gräss, Koch zc. III. S. 444 fg.
tt. Geht das Urtel oder der Vergleich dahin: daß Jemand etwas zu un
terlassen schuldig sei; so muß,
1) wenn der Verpflichtete die verbotene Handlung dennoch vornimmt, z. B. wenn
er den Gegner im Besitz einer ihm zuerkannten Sache, «der im Genüsse eines
erstrittenen Rechts beunruhigt, ihm dies auf Antrag des Berechtigten durch un
bedingten Strafbefehl untersagt werden.
2) Handelt er dem Befehle dennoch zuwider; so wird
s) die auf die Uebertretung angedrohte Strafe, wenn die Uebertretung selbst fest
steht, durch Verfügung, wenn es zur Feststellung derselben aber noch ei
ner Beweisaufnahme bedarf, durch Erkenntniß festgesetzt, gegen welches
nur der nach Vorschrift §. 192—195, zu verhandelnde Rekurs zulässig ist.
b) Diese festgesetzte Strafe wird hierauf beigetrieben, die Strafandrohung
allenfalls bis zur Höhe von 50 Rthlr. gesteigert, und der Widerspenstige zur
Bestellung einer annehmlichen Kaution wegen künftiger Befolgung des UrtclS
oder Vergleichs angehalten. > )
c) In so fern der Betrag des dem Berechtigten durch die Beeinträchtigung ver
ursachten Schadens feststeht, wird er vom Verpflichteten beigetrieben. 2 )
<!) Auch bleibt es dem richterlichen Ermessen anheimgestellr, denjenigen, welcher
den Berechtigten, dem Urtel oder Vergleich entgegen, beharrlich zu beunruhi
gen fortfährt, daran durch seine Verhaftnehmung s) zu hindern; oder die
nach den Umständen etwa sonst noch stattfindenden Anstalten, wodurch der
Berechtigte gegen fernere Störungen geschützt werden kann, auf dessen An
trag und auf Kosten des Widerspenstigen vorzukehren.
Kann eine nach s und K festgesetzte Geldstrafe vom Widerspenstigen we
gen Unvermögens nicht beigetrieben werden; so muß wegen Umwandlung
derselben in eine Gesängnißstrafe an den Justizminister berichtet werden. —
§. 54, I. 24 A. G. O. — §. 10 Erek. Ges. vom 4. März 1834. —
Res. vom 5. März 184« I. M. B. S. 107. — Res. vom 21. August 182«.
Jahrb. IS, S. 51.
1) Besitzt der Gläubiger ein Grundstück; so finden in Bezug darauf die Exekutions
modalitäten nicht Anwendung. Auch gegen den Vermiether, welcher Werkzeug
seines Miethers wegen Forderungen aus dem Miethsverhältniß zurückbehält, kann
sich Schuldner nicht auf diese Vergünstigungen berufen. Das Gericht muß nur
dahin sehen, daß nicht übermässig viel Werkzeug zurückbehalten werde. — Res.
vom 2«. August 1806. Rabe 8, S. 66«. — Res. vom 3«. April 1819 und
vom 19. Mai 1831. Jahrb. 13, S. 256. Bd. 37, S. 343.
l) Die Sache wird durch blosse Verfügung entschieden. Ein Prozeß findet darüber
nicht statt.
676
K) Verfahren bei Beschlagnahme von ausstehenden Forderungen,
-,„ . und Kours habender Schuldpapiere.
§. 433. Statt des Mobiliars kann der Gläubiger auch ausstehende For
derungen des Schuldners') als Exekutionsgcgenstand wählen. — Wenn der Exe-
Zutionssucher zwar überhaupt weiß, oder auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit
zzermuthet, daß sein Schuldner Aktivforderungen habe; ihm aber der Betrag dersel
ben, und wo sie ausstehen, nicht eigentlich bekannt ist; so kann er den Schuldner
nöthigenfalls zur eidlichen Angabe dessen anhalten lassen. 2) — Auch muß beim
Vorhandensein eines Instruments über die Forderung in allen Fällen, in denen der
Gläubiger daraus Befriedigung sucht, der Exequendus allenfalls durch
Zwangsmittel zur Herausgabe und gerichtlichen Niederlegung die
ses Instruments angehalten werden.
Die Anträge des Exckutionssuchcrs Behufs seiner Befriedigung aus den aus
stehenden Forderungen des Schuldners können in Rückficht auf die Rechte, die er
darauf erwerben will, verschieden sein. Sie müssen jedoch bestimmt sich darüber
aussprechen, damit dem Richter kein Zweifel bleibt, in welcher Art die Exekutions-
Verfügung, dem Nachstehenden gemäß, zu erlassen sei. Der Erekutionssucher kann
I. antragen, daß dem Schuldner des Exequenden die Zahlung an diesen unter
sagt, und die Zahlung an jenen, so weit es zu seiner Befriedigung nöthig, oder zum
gerichtlichen Dcpositorio, aufgegeben werde. Auf einen solchen an sich gerechtfertig
ten Antrag wird
1) an den Schuldner des Exequenden demgemäß ein Befehl erlassen, mit der
Warnung, daß fernere an den Exequenden zu leistende Zahlungen in Bezug
auf den Exekutionssucher als nicht geschehen angesehn werden würden, und mit
der Weisung, daß er die vor Behändigung des Befehls etwa schon geleisteten
Zahlungen durch Quittungen nachzuweisen habe. Doch kann er zur Führung
dieses Nachweises nicht gezwungen werden.
2) Exequendus erhält von dieser Verfügung Nachricht mit dem Befehle, sich jeder
Verfügung über die in Beschlag genommenen Kapitalien bei Vermeidung der
Strafe des Betrugs zu enthalten. — §. 101, 102, I. 24. §. 29 Nro. 8, I. V
A. G. O. — Res. vom 14. April 1832. Jahrb. 39, S. 393. — Res. vom 23.
August 1837. Gr äff, Koch zc. III. S. 49«. — Res. vom 14. April IS«
I. M. B. S. 98«
II. Der Exekutionssucher kann ferner Forderungen seines Schuldners mit dm
Wirkungen einer Assignation sich anweisen lassen.«) Dazu sind
1) alle und jede Aktivforderungen des zu Exequirenden geeignet, welche eine
bestimmte Geldsumme,^) sei es in Kapital oder in Renten zum Ge-
1 ) Es versteht sich von selbst, daß Schuldner zur Zeit der Beschlagnahme noch E>-
genthümer der Forderung sein muß. Legitimirt sich ein Dritter als deren In
haber; fo muß Extrahcnt den Nachweis führen, daß sie dem Schuldner gehöre,
wenn er dennoch sich daran halten will. — Ls. Res. vom 23. März 1827. Gräff,
Koch :c. III. S. 479.
2) Der Schuldner des Exequendus kann zur eidlichen Angabe dessen nicht gezwun
gen werden. — Ref. vom 31. Januar 1340 I. M. B. S. 65.
s) Diese durch die Anweisung erworbenen Rechte können auch zedirt werden. ^-
Erk. des Geh. Ob.-Trib. vom 18. März 1839 Enlsch. Bd. 4, S. 225.
a) Privatgesellschaftsaktien sind als solche Aktiva nicht anzusehn, da sie
eine bestimmte Geldsumme nicht zum Gegenstände haben, vielmehr als Sozic-
tätsvertrcige zu erachten sind. — Res. vom 2«. December 1833. Gräff, Koch :c,
III. S. 479.— Baare im Depofitorio befindliche Gelder des Schuld
ners können ebenfalls nicht als Forderung, sondern sie müssen als bewegliches
Vermögen angesehn und auf Requisition des Prozcßrichtcrs an den Gläubiger
gezahlt werden. Etwas Andres ist es, wenn der Schuldner nur eine Anforde-
«77
geiistande haben, aus welchem Titel, z. B. Vermächtnissen, Kaufkontrakten u.
s. w. sie auch entspringen mögen.
2) Die Anweisung geschieht durch eine auszufertigende Verfügung
des Gerichts, durch welche Exekutionssucher ermächtigt wird, die fr. Forderung
selbst einzuklagen, und bis zum Betrage seiner rechtskräftigen Forderung einzu-
ziehn. — Gleichzeitig müssen aber die unter I. Nro. 1 u. 2 vorgeschriebenen Ver
fügungen an den Exequendus und an den angewiesenen Schuldner erlassen werden.
3) Durch diese Anweisung erlangt der Exekutionssucher an der in Beschlag genom
menen Forderung die Rechte eines Assignatars, und zugleich das den
Jmmittirten in der Konkursordnung bestimmte Vorzugsrecht der fünften
Klasse (§. 396, Nro. 16). — Ist daher die angewiesene Forderung im Hypo
thekenbuche eingetragen; so muß der Exekutionsrichter auf Antrag deö Exeku
tionssuchers den Hypothekenrichter ersuchen, die erfolgte Beschlagnahme im Hy
pothekenbuche bei der Post zu vermerken.
4) Jedoch ist der Exekutionssucher allemal verpflichtet, zu dem gegen den Schuldner
zu führenden Prozesse den zu Ercquirendcn vorladen zu lassen.
5) Dieser kann mit seinem Schuldner einseitig und ohne Zustimmung des Exekutions
suchers keinen Vergleich abschlössen, welcher zum Nachtheil des Letzteren gereicht.
III. Will der Erekutionssucher Forderungen seines Schuldners von der zu II.
Nro. 1 bezeichneten Art zum Nennwerth in Zahlung annehmen; so soll ihm
1) dieselbe durch eine, die Stelle einer Zession vertretende, Verfügung
des Gerichts übereignet werden.') — Der Exequendus und der über
wiesene Schuldner werden hiervon ebenfalls benachrichtigt.
2) Uebersteigt diese zu übereignende Aktivforderung die beizutreibende Summe; so ge
schieht die Ueberweisung bis zum Betrage der Letztern, jedoch mit dem Vor
zugsrecht vor dem Ueberreft der Forderung, welcher dem zu Exequirendcn
bleibt. Beides ist in der übereignenden Verfügung, wovon in diesem Falle auch
der zu Exequirendc eine Ausfertigung erhält, deutlich und genau auszudrücken.
Z) Da der Erekutionssucher aus dem bereitesten Vermögen des Ercquendcn seine
Befriedigung verlangen kann; so hat er die Wahl, ob er die rückständigen Zin
sen der in Sahlungsstatt zu übereignenden Forderung nur theilweise oder gar
nicht übernehmen will, welchcnfalls solche in der übereignenden Verfügung dem
zu Erequirenden vorzubehalten sind.
4) Ist von der zu übereignenden Forderung ein schriftliches Dokument vor
handen, so wird die Zessionsverfügung (Nro. 1) darauf vermerkt, und im Falle
Nro. 2 überdcm ein Duplikat des Dokuments gefertigt, welches mit der Zessions
verfügung gleichfalls versehen wird.
5) Die Uebereignung von Geldrenten?) geschieht zu dem Satze, wofür der
rung an das Depositum hat, dieses also nicht sein Eigenthum ist, oder wenn
das Depositum in Aktivforderungen besteht. In diesen Fällen ist Anweisung oder
Ueberweisung statthaft. — Res. vom 15. Juli 1843 I. M. B. S. 202. — Al
tentheils - und Wohnungsrechte sind nicht Gegenstand der Ueberweisung. Von
jenen können nur die einzelnen terminlichen Leistungen mit Beschlag belegt, und
verkauft werden. Das Wohnungsrecht aber kann im Wege der Exekution ver-
miethet werden, in so fern dies an sich ausführbar oder nach dem dasselbe be
gründenden Vertrage zulässig ist. — Res. vom I. Septvr. 1835; 18. April 1837;
18. März 1834. Gräff, Koch zc. III. S. 485 fg.
i) Dcch kann die Ueberweisung eines Erbschaftskapitals im Wege der Exekution
vor der Erbtheilung nicht erfolgen, im Falle mehre Erben zur Erbschaft gehö
ren. — Res. vom 8. Mai 1835 u. 29. August 1836 das. S. 48« fg. Eben so
können nicht Erbantheilc an einer noch ungeteilten Erbschaft im Wege der Erc-
kution überwiesen werden. — Rcs. vom 13. Mai 1838. Jahrb. 51, S. 364.
») Eine Veräusserung der Renten im Wege der Exekution ist nicht zulässig. Sind
678
Rentpflichtige solche abzulösen gesetzlich oder vertragsmässtg befugt ist. In Er«
mangelung einer solchen Bestimmung werden sie mit 5 Prozent zu Kapital an
geschlagen. Es findet jedoch diese Übereignung nur bei solchen Renten statt, de
ren Absonderung von dem berechtigten Hauptgute keine gesetzlichen Hindernisse im
Wege stehen.
6) Die Kosten der Uebereignung mit Einschluß der Kosten der Eintragung
derselben in das Hypothekenbuch, sofern die Forderung darin eingetragen ist, fal
len dem zu Exequirenden zur Last.
7) Durch die Ueberweisung wird der Erekutionssucher auf Höhe der überwie
senen Summe befriedigt. Er kann daher ferner unter Rückreichung des
Uebermeisungsdekrets kein andres Exekutionsobjekt wählen. — Ein bloß zum Pro
zeß Bevollmächtigter des Erekutionssuchers muß deshalb zum Antrage, auf Ueber
eignung einer Forderung im Wege der Exekution, Spezialvollmacht beibringen. —
§. 1—11 d. Ges. vom 4. Juli 1S22 GS. S. 178. — Res. vom 14. April 1832.
Jahrb. 39, S. 393. — Res. vom 9. Oktober 183S. GrSff, Koch ,c. III.
S. 153. — Res. vom 14. April l843.
IV. Sind Schuldpapiere,') welche auf Börsen einen marktgän
gigen Kurs haben, in Beschlag genommen; so kann
1) der Exekutionssucher solche zu dem Börsenkurs, wofür sie verkäuflich find, in
Zahlung annehmen.
2) Es bedarf in diesem Falle, sofern die Papiere auf jeden Inhaber lauten, keiner
Zesfionsverfügung, sondern nur einer Aushändigung der Papiere an den Ereku
tionssucher zum gerichtlichen Protokoll, und einer Quittirung desselben über die
ihm dadurch gewordene Zahlung.
3) Da hier keine theilweise Ueberweisung (III. Nro. 2) statt findet, so muß der
Exekutionssucher allemal, wenn der Kurswerth der Papiere dessen rechtskräftige
Forderung übersteigt, den Ueberschuß bei der Aushändigung der Papiere in glei
chen Papieren nach dem Kurswerthe oder baar, entweder an den zu Exequiren
den zahlen, «der den Umstanden nach bei dem Gerichte niederlegen.
4) Der Kurswerth wird bei denjenigen Papieren, welche auf inländischen Börse»
Kurs haben, durch ein Attest eines vereideten Mäklers bestimmt, welches von
dem Gericht auf das Anerbieten des Exekutionssuchers , die Papiere in Zahlung
annehmen zu wollen, eingeholt wird, und den am Sage der Ausstellung des At
testes gewesenen Geldkurs in Buchstaben und Zahlen angeben muß.
5) Bei inländischen Staatspapieren, ingleichen bei ausländischen Pa
pieren, welche inländischen Börsenkurs haben, wird dabei der Berli
ner Börsenkurs zum Maasstabe genommen; bei inländischen Prvvin-
zial-2) oder Kommunalpapieren aber der Kurs von der Börse >er Pro
vinz, in welcher sie entstanden sind.
es ablösliche Geldrenten, so muß Ueberweisung oder Anweisung erfolgen; find eS
nicht ablösliche Geld- oder Naturalrenten oder Dienste; so können nur die ein
zelnen Raten Gegenstand der Exekution sein, oder ihre Veräusserüng erfolgt mit
dem berechtigten Gute zugleich. — Ls. die Res. vom 28. Juni 1830, 19. u. 26.
September 1831. Jahrb. 35, S. 273; Bd. 38, S. 105, 108. — Res. vom
14. Juni u. 27. Oktbr. 1334 u. 24. November 18Z5. Gräff, Koch tt. III.
5. 482 fg.
Schuldpapiere, denen der marktgängige Kurs durch ein Verbot des Werkaufs
entzogen ist, wie z. B, die spanischen Vales-Obligationen , sind nicht nach diesen,
sondern nach den Borschriften unter II. u. III. zu beurtheilen. — <?f. Ref. vom
6. Juli 1839 I. M. B. S. 26«.
2) Beim Verkauft von Verbriefungen über provinzielle Staatsschulden, die aufnam-
haste Gläubiger ausgestellt sind, ist der Königl. Hauptverwaltung der Staats
schulden Nachricht zu geben. — Res. vom 12. April 1824. Jahrb. 22, S.SA.
»7S
Befinden sich Mehre Börsen in der Provinz, so hängt ei vom Ermessen de«
Gerichts ab, nach welcher von diesen Börsen der Kurswerth der inländischen
Provinzial- und Kommunalpapiere bestimmt werdm soll; und eben so bestimmt
das Gericht, welche inländische Börse dazu zu nehmen, im Fall sich In der be
treffenden Provinz keine Börse befindet. Der Regel nach ist jedoch dazu die
Berliner Börse zu wählen, wenn bei derselben dergl. Papiere Kurs haben.
6) Haben die in Beschlag genommenen Papiere (IV.) aber bloS auf ausländi
schen Börsen einen Kurs; so erfordert das Gericht entweder von der
Hauptbank oder der Seehandlung Auskunft, bei welcher ausländischen Börse der
neueste Kur« dieser Papiere am Bortheilhafteften sei; und darnach wird bei der
Uebereignung derselbe» an den Exekutionssuchcr ihr KurSwerth bestimmt.
7j Will hingegen der ErekutionSsucher die in Beschlag genommenen Papiere <IV.)
nach dem KurSwerth nicht selbst übernehmen, sondern trägt auf deren Veräus-
serung an; so geschieht diese durch einen vereideten Mäkler, ganz auf gleiche
Weise, wie Papiere dieser Art an der Börse verhandelt werden. >) Bei welcher
Börse dann der Verkauf zu bewirken sei, ist gleichfalls nach Nro. 5 u. 6 zu
bestimmen.
8) Bei den Nro. 6 gedachten Papieren ertheilt das erequirende Gericht einem Mäk
ler entweder unmittelbar, oder durch Ersuchen des Gerichts am Orte der Börse
den Auftrag zum Verkauf. Der Mäkler muß am nächsten Börsentage nach Em
pfang der Papiere solche versilbern, und den erhaltenen Werth unter Beifügung
des Kurszettel« berechnen.
9) Bei den Nro. 6 gedachtet, Papieren aber ersucht da» Gericht entweder die Haupt
bank oder die Seehandlung, selbige nach dem neuesten vortheilhastesten Kurse an
der ausländischen Börse auf die daselbst übliche Weise verkaufen zu lassen, und
es wird die Berechnung des herausgekommenen WertheS mit dem Kurszettel
belegt. — Z. 12—2« Ges. vom 4. Juli 1822.
c) Beschlagnahme der Besoldungen, Dicnstemolumente, Wartegel,
der, Pensionen, und andrer dergl. an die Person des Schuldners
gebundenen Einkünfte.«)
§, 434. I. Die Beschlagnahme der Besoldungen, 5) Dicnstemolumente, Warte
gelder,«) Pensionen und andrer dergl. an die Person des Schuldners gebundenen
Einkünfte der mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten und Offiziere, so wie
auch der Fideikommiß- oder Lehnsnutzungen, kann ebenfalls sofort, und ehe andre Exe-
kutionsmittel angewendet sind, gewählt werden. Jedoch sind
^. der Beschlagnahme in der Regel gar nicht unterworfen
1) der Sold der Unteroffiziere und gemeinen Soldaten, so wie auch
der Gensdarmenz
2) die Servis-, die Tafelgelder, andre nicht zum Gehalt gehörende Zulagen,
und die Rationen sowol der im stehenden Heere dienenden, als der Land«
Wehroffiziere ;
1) Nicht marktgängige Dokumente dürfen im Wege der Erckution nicht öffentlich
verkauft werden. — Res. vom 17. September 1832. Jahrb. 4«, S. 172.
2) Auf Antrag eines Beamten muß auch ein freiwilliges Gehaltsabzugsverfahren zu
Gunsten der von ihm genannten Gläubiger eingeleitet werden. — l!s. Res. vom
2«. August 1834. Grüff, Koch zc. Nl. S. 515. — Res. vom 2. Januar 1832.
Jahrb. 39, S. 166.
») Privatbesoldungen und Löhnungen können in gleicher Weise in Beschlag genom
men werden. Nur daß der ganze Betrag derselben erekutionsfahig ist.
4) Wartegeld und Gnadengehalt sind identisch. Bei ihnen findet gleicher Abzug,
wie bei Pensionen statt. — Res. vom 9. Februar 18S9 I. M. B. S. S3.
680
Z) der ganze Gehalt der Offiziere und mobilen Militairbeamten bei eintretender
Mobilmachung der Armee und während dieser Zeitz
4) die den Hinterbliebenen eines Beamten oder PensionairS ausser dem Sterbequar
tal zugesicherten Gnadenbewilligunge»;
5) die aus der Militair- und der allgemeinen Wittwenkasse, sowie aus
der Artillerie-Pensionszuschußkasse zu zahlenden Pensionen. Rur
solche Gläubiger können diese als Exekutionsobjekt wählen, welche die Beiträge
zur Bezahlung des Pensionsrechts vorgeschossen haben;
S) die den ehemaligen Mitgliedern und Angehörigen der durch die vor
malige westphälische Regierung aufgehobenen Stifter bewilligten Pensionen
und Kompetenzen; und
7) die Pensionen und Kompetenzen der durch den Reichsdeputationsschluß
von 1803 oder auch später in neuen und alten teutschen Provinzen, für welche
der Reichsdcputationsschluß verbindliche Kraft hat, aufgehobenen Stifter,
, Abteien und Klöster. — §. 11 Exek.-Ges. vom 4. März 18Z4. — Res. vom
2. April 1824; 15. Septbr. 1826. Jahrb. 23, S. 135. Bd. 28, S. 91. Res.
vom 2. Januar 1832. GrSff, Koch ,c. III. S. 502. — Res. vom 21. Aug.
1826 u. 12. Febr. 1827. das. S. 508 fg. — Cab.-Ord. vom 22. Decbr. 1817.
GS. 1818 S. 8. — Eab.-O. vom 15. November 1819 GS. 1820 S.45. Cab-
Ord. vom 15. November 1819 u. Res. vom 23. Juli 182«. Jahrb. 14, S. 2tl.
' 16, S. 9. — z. 109 u. Anh. 8. 167, I. 24 A. G. O. — Cab.-Ord. vom 2«.
März 1828 GS. S. 43. — Res. vom 9. December 1831. Jahrb. 33, S. 334. -
Cab.-Ord. vom 17. Juli 1832. Jahrb. 4«, S. 171.
L. Von andern Besoldungen und Emolumenten der Zivil- und Militairbeamten,
und der höheren Offiziere sind 400 Thlr.; > ) von den Pensionen und den Wartegel
dern der Offiziere ebenfalls 400 Thlr.; 2) und von den Pensionen der Beamten, welche die
selbe aus einem unter öffentlicher Verwaltung stehenden Fonds beziehen, 200 Thlr.; 2) so
wie ferner die Hälfte des Ucberrestes erekutionsfrei; und nur die andre Hälfte
des Ucberrestes ist in der Regel der Exekution unterworfen.
Was die de» Subalternossizieren zu machenden Gehaltsabzüge betrifft; so kön
nen bei der Infanterie einem Fähnrich und Sekondelieutenant nicht
mehrals 2 Thlr., einem Premierlieutenant aber 3 Thlr.; und bei der Ka
vallerie einem Kornet und Sekondelieutenant 3 Thlr.; und einem Pre-
mieurlicutenavt höchstens 4 Thlr. monatlich abgezogen werden.
Zu den Beamten, ->) welche diese Vergünstigung geniessen, gehören sowol alle
im unmittelbaren Staatsdienst Befindlichen, als die im Dienste gewisser dem Staate
untergeordneter Kollegien, Korporationen und Gemeinden Stehenden. Namentlich
haben auch darauf Anspruch die städtischen, geistlichen und landschaftli
chen Beamten; die Justizkommissarien; Patrimonialrichtcr; die in
') Demnach ist das nicht 40« Thlr. erreichende Gehalt nicht Abzugs- resp. exkku-
tionsfähig.
2) War ein pensionirter Offizier unter Beibehalt der Militairpcnsion auch inzwi
schen in Zivildiensten gewesen, so behält er dennoch 4M Thlr. von seiner Pen
sion erekutionsfrei. — Res. vom 14. Februar 1834. Gräsf, Koch tt. III.
S. 493.
») Auch PensionsrückstSnde sind nur unter diesen Beschränkungen abzugsfähig. -
Ref. vom 8. Februar 1841 I. M. B. S. 99.
<) Ueber die Frage: ob Schuldner Beamter in diesem Sinne sei? ist ein Prozeß nicht
zulässig. Darauf aber: ob der Beamte Gehalt, oder Diäten bezieht, oder auch,
wie z. B. Lohnschrciber nur widerruflich angestellt ist, kommt es nicht an. —
cs. Res. vom 13. Oktober 1833. — Res. vom 30. Juli 1337. Jahrb. SV,
S. 115. — Res. vom 1«. November 184« I. M. B. S. 384.
68!
einem Staatsamt stehenden Medizinalpersonen in Bezug auf das für das Amt
ihnen angewiesene Gehalt, wie z. B. Kreisfisizi (andre Aerzte gehören nicht hierher);
Königl. und prinzliche Hofftaatsbeamtez Oekonomiekommissarien, >)
Feldmesser und Baukondukteure während der Dauer ihrer Anstellung bei
öffentlichen Behörden, und während der Dauer der von öffentlichen Behörden ihnen
übertragenen Beschäftigung; Dorfgerichtsschreibcr. — Z. 106—108. Anh.
§. 160—165, I. 24 A. G. O. — 8- 68, 69. II. 1« A. L. R. — Res. vom 7. Juli 1805.
Rabe 8, S. 321. — Res. vom 7. Juni 1835. Jahrb. 45, S.42«. — Res. vom
21. December 1836. Jahrb. 47, S. 327. Res. vom 14. Juli 183t. Jahrb. 35,
S. 101. — Eab.-Ord. vom 19. Januar 1833 GS. S. 4. — Res. vom 27. Mai
1836. Gräff, Koch zc. III. S. 495.
Wird ein Beamter, dessen Gehalt dem exekutivischen Abzugsverfahren unter
worfen ist, dienstunfähig z so müssen in dem Falle, wenn ihm nach dem Ermessen der
Dienstbehörde bis zu seiner Pensionirung die Kosten der Stellvertretung ganz oder
zum Theil auferlegt werden, diese Kosten nicht vom ganzen Gehalt vorweg in Ab
zug gebracht, sondern aus dem abzugsfreien Theil des Gehalts entnommen wer
den. — Eab.-Ord. vom 2t. April 1841 I. M. B. S. 182.
0. Dagegen sind die Gehälter, Wartcgelder und Pensionen der Beamten und
Militairs, ohne Rücksicht auf ihre Höhe und ihre sonstige Abzugsföhigkeit, jedoch mit
Ausnahme des Soldes der Unteroffiziere und der gemeinen Soldaten, und der Ser-
visgelder der Offiziere und Militairbeamten,
1) bis zur Hälfte überhaupt verhaftet wegen laufender?) Alimente, und
2) ganz verhaftet für, öffentliche laufende Abgaben, und für Schul
den, welche aus unerlaubten«) Handlungen entstanden sind.«)
Konkurrirt eine dieser Schulden zu 1 und 2 mit andern in die Abzüge zu v
eingewiesenen Schulden; so wird
s) bei Konkurrenz öffentlicher kurrenter Abgaben nur die eine Hälfte derselben vom
freien Antheil des Besoldeten oder Pensionisten, die andre Hälfte aber von dem
den Gläubigern angewiesenen Antheile dergestalt erhoben, daß letztere bis zur
Tilgung der öffentlichen Abgaben zurückstehen müssen.
d) Die Ansprüche wegen laufender Alimente, oder aus unerlaubten Handlungen, wer
den nach Berhältniß zu den übrigen immittirten Forderungen aus dem im All
gemeinen abzugsfähigen Betrage gedeckt; und das übrige wird auf den für sie
allein in Beschlag genommenen Theil der Besoldungen «der Pensionen gewie
sen. °) - Anh. ß. 167-170, I. 24 A. G. O. — Res. vom 15. Juli 18S5.
>) Gebühren der Sachverständigen sind ohne Rückficht auf ihre Höhe der Exeku
tion unterworfen. — Res. vom 16. Febr. 1836. Gräff, Kochzc. III. S. 495.
2) D. i. der vom Tage der angemeldeten Klage laufenden. — Z. 6 Nro. 1, I. 14
A. G. O. cr. Ref. vvm 10. August 1813 u. vom 11. Febr. 1831. Jahrb. 2,
S. 46. — 37, S. 84. Verlangt die Geschwächte bereits verauslagte Alimente,
so gehören sie nicht hierher. — Res. vom 10. Mai 1833. Jahrb. 41, S. 465.
») Das Res. vom 7. August 1835 (Gräff, Koch zc. III. S. 506) erachtet die einer
Geschwächten zuerkannte Abfindungssumme für eine solche Schuld. Doch beruht
diese Annahme auf der irrigen Anficht, daß die Schwängerung überhaupt eine
unerlaubte Handlung sei.
«) Ins Besondre gehören hierher auch Geldstrafen. Sie find ohne Rückficht auf
die Höhe des Gehalts einzuziehn. In Betreff der Untersuchungskosten ordnet da
gegen die Eab.-Ord. vom 11. Juni 1829 (Jahrb. 34, S. 115) ausdrücklich an,
daß dem Beamten ein Einkommen von 300 Thlr. frei bleiben müsse. Auf Pen
sionen bezieht sich jedoch diese Borschrift nicht. — Res. vom 24. April 1831.
Jahrb. 37, S.37I. 5s. auch Res. vom 4. November 1801. Rabe 6, S. 658.
Res. vom 24. Juni 1806. Rabe », S. 6l5.
5) Wenn also z. B. ein Schuldner 100 Thlr. allgemeine Abzüge hat, und die im
GrSff, Koch ,c. III. S.498. — K.8 Nro. 3 Verordn. vom 17. RS« 17S7.
Ed. S. S. 985.
1,1. Eine Verzichtleistung auf vorstehende Befreiungen und Pergünftigun-
gen ist, so wie jede Verpfändung und Anweisung flxirter Besoldungen, Emolumente
und Pensionen, ohne alle rechtliche Wirkung.') — Anh. z. ISS A. G. S.
III. Wird nun eine Beschlagnahme der Besoldungen, Dienfteinolumente, War-
tegelder und Pensionen ausgebracht; so muß
1) in Betreff des Amtseinkommens der Geistlichen die betreffende Regie
rung ersucht werden, den abzugssähigen Theil festzusetzen, und für dessen Abfüh
rung an das Gericht zu sorgen. — Res. vom IS. April 1828. Jahrb. 31, H. 27ß.
2) Hinsichtlich der Baukondukteure, Feldmesser und Oekonomiekomniis-
sarien ist wegen der verdienten Gebühren mit den Behörden, bei welchen diese
Beamten beschäftigt sind, Rücksprache zu nehmen. — Res. «om 26. Mgrz IM.
Jahrb. 47, S. 326.
3) Das Abzugsverfahren der Justizkommissarien wird in der Regel m
der Art regulirt, daß dieselben angehalten werden,
g) ihre wirklichen Einnahmen vierteljährig zu manifestiren, und
b) den über ihre Kompetenz sich ergebenden Betrag der reinen Einnahmen zum
Depositorio zu zahlen. Was demnächst am Jahresschlüsse nach Abzug all»
Auslagen, (wie Büreaukosten, Porto und dgl.) und des Kompetenzquantums
übrig bleibt, wird unter die Gläubiger vertheilt.
Die am Schlüsse des Jahres noch ausstehenden Gebühren dagegen dürfen PK
die Gläubiger nicht verwendet werden; sie müssen vielmehr zur Erhebung und
Verrechnung für das folgende Jahr verbleiben.
Nur ausnahmsweise können die sämmrlichen Gebühren mit Arrest belegt,
zum Depositorio eingezogen, und am Schlüsse des Jahres unter die Gläubiger,
und an den Justizkommissar zur Ergänzung seiner Kompetenz, gezahlt werden.—
Res. vom 1. August 1831 Jahrb. 38 S. 118. Res. vom 24. November 1W4
Gr äff, Koch :c. III. S. Sil.
4) Bei andern Beamten wird die Korrespondenz wegen Einbehaltung und Zahlung
des abzugsfähigen Theils der Besoldung oder Pension mit der vorgesetzte»
Behörde derjenigen Königl. Kasse geführt, aus welcher jene gezahlt «erden.-
Res. vom 27. Januar 1831 Jahrb 37 S. 8S.
4) Bei Anträgen aufBeschlagnahme derMilitairgehälterundPensioiie»
muß der Prozeßrichter die betreffende Militairverwaltungbehörde unmittelbar we
gen des zu machenden Abzugs requiriren. Diese Requisitionen sind zu richten:
mittirten Forderungen im Ganzen 40« Thlr., nemlich S0 Thlr. laufende Ali
mente, 10« Shlx. rückständige Alimente, und 25« Thlr. andre Schulden, betro
gen; so wird von jenen 10« Thlr. Abzügen 2S Thlr. auf die rückständigen, 12j^
Thlr. auf die laufenden, und 62> Thlr. auf die andern Schulden vertheilt, und
die übrigen 37Z Thlr. laufende Alimente müssen aus dem übrigen Gehalt gt<
deckt werden.
') Die Bestimmungen zu I. und II. gelten auch in den Lanbestheilen , in denen die
A. G. O. und das A. L. R. noch nicht Gesetzeskraft haben. — Cab.-Ord. «°n>
23. Mai 1826 GS. S. S4.
SS3
') Ist Jemand zur Deposition einer Summe Geldes verurtheilt; so ist Exekution
wegen einer Geldsumme, nicht wegen einer Handlung zu vollstrecken. — Res. vom
19. Juni 1835. G r ä f f, K ° ch :c. III. S. 548. , . '
«97
men, baß dem Schuldner der Weg zur Flucht nicht eröffnet werde. — §. 38—40
Jnftr. für die Exet, im Großh. Posen vom 27. April 1835. Jahrb. 48, S. 177.
V. Der Gläubiger muß die Kosten der Personalhaft') vorschiessen,
und zwar pünktlich in der ihm bekannt zu machenden Weise, da, sobald der gezahlte
Vorschuß ausgeht, und nicht ergänzt wird, die sofortige Entlassung de! Schuldners
erfolgt. Zu den vom Gläubiger vorzuschiessenden Kosten gehören, die Verhaftungs-,
Unterhalts- und Kurkoftenz so wie die HeitzungS- und Reinigungskosten für das
Gefängniß. Die darnach zum Unterhalt nöthigen Kosten werden «om Gericht, nach
den Umständen, jedoch nur zur äusserften Nothdurft bestimmt") und aus dem Bor
schusse dem Gefangenwärter oder Inspektor wöchentlich im Voraus verabreicht. —
Der Gläubiger trägt nicht die Aufwartungsgebühren des Gefangenwärters, die Ein-
und Ausschreibe- und Satzgebühren; auch nicht den zur Verpflegung der Familie
des Schuldners nöthigen Aufwand.
Dagegen steht aber dem Gläubiger frei, dem »erhafteten Schuldner solche
Mittel und Gelegenheit zur Arbeit zu verschaffen, welche seinen Kennt
nissen und Kräften gemäß, und für seinen Stand nicht entehrend sind. Die Ge-
fangenanstalt hat nicht die Pflicht, für diese Arbeit zu sorgen. — Haben jedoch
dergleichen Schuldgefangene nach ihrer äussern Lage im Zustande der Freiheit sich
durch mechanische Handarbeiten ihren Unterhalt erworben; so können sie unter bil
liger Rücksicht auf ihre sonstigen individuellen Verhältnisse zu den Arbeiten der übri
gen Gefangenen mit angehalten werden.
Der durch die Arbeit des Schuldgefangenen gewonnene Verdienst wird zunächst
auf desselben Unterhalt verwendet; der Ueberreft dem Gläubiger auf seine Forde
rung gezahlt. — §. 142, 143 Anh. 8. 175—177, I. 24 A. G. O. — Res. vom
13. Februar 180S. Rabe 8, S. 247. — Res. vom 2. März 1827. Jahrb. 29,
«. 87. — Res. vom 6. Juli 1832. Jahrb. 4«, S. 173.
VI. Der Schuldgefangene muß ausser dem Falle, wenn Ertrahent den Vor
schuß nicht ergänzt, der Haft entlassen werden:
1) sobald die Schuld vollständig baar gezahlt wird, oder Ertrahent damit
einverstanden ist,
2) wenn Schuldner in der Art erkrankt, daß er nicht füglich im SchuldgefSng-
ntsse ferner behalten werden kann. Ueber einen solchen Zustand muß der Ge
fangenarzt oder der Kreisphysikus ') gehört werden;
3) wenn die Schuldhaft bei gewöhnlichen Schulden 1 Jahr, bei Wechsel
schulden 5 Jahre gewährt hat, gleich viel, ob auf Antrag eine« einzel
nen oder mehrer Gläubiger, und ob fortlaufend, oder mit Unterbrechungen. Je
doch muß vor Entlassung deö Schuldners im Falle zu 3 dem Gläubiger Kennl-
niß gegeben werden. Er kann auf längere Haft dann antragen, wenn er nach,
«eist, entweder, daß Wahrscheinlichkeit vorhanden sei, ihm durch den fortdauern-
>) Dieselbe muß in den dazu bestimmten Zivilgefängnissen vollstreckt werden; und
namentlich gegen Landwehroffiziere oder pensionirte Offiziere in angemessenen
Lokalen, allenfalls durch die Militairbehörde.— Res. vom 6. Juni 1823. Jahrb.
21, S. 262. Res. vom 4. Februar 1833. Gräff, Koch zc. Hl. S. 557.
2) Im Winter soll für den Tag nicht über 5 Sgr. bestimmt werden. Im Som-
> ! M« findet eine Ermässigung statt. — Res. vom 22. Februar 1822. Jahrb. 19,
S. 176.
») Auch wenn ein Schuldner wegen angeblicher Krankheit den Antrit der Haft wei
gert; muß er durch Zeugniß des Physikus, oder eines Militairarztes die Krank
heit nachweisen. Zeugnisse von Privatärzten können in der Regel nicht berück
sichtigt werden. — Res. vom 3V. Mai 1831 u. Cab.-Ord. »om 24. Deeember
1826. Jahrb. 37, S. 417. — Res. vom 13. August 1S32. Gräff, Koch ,e.
UI. S. SSS. , > i > . . : .?
698
dm Arrest ein Mittel zur Befriedigung zu gewähren, ober, büß der Schuldner
durch einen unmoralischen Lebenswandel sein Unvermögen sich zugezogen hat. —
Auch ein andrer Gläubiger, als der Extrahent der früheren Verhaftung kann
den Antrag auf längere Haft in dieser Art begründen. — Geht von einem Gläu
biger ein solcher Antrag ein; so muß das Gericht beide Theile in einem Ter
mine darüber hören, die Angaben des Gläubigers, so weit sie auf Thatsachn,
beruhen, jedoch nur fummarifch untersuchen, und das Nöthige durch eine Reso
lution festsetzen. Gegen diese findet kein förmliches Rechtsmittel, sondern nur
der gewöhnliche Rekurs statt. — Wird die Entlassung des Schuldners beschlos
sen z so muß er dennoch zuvor auf Verlangen sein Vermögen manifeftirm, und
die Befriedigung des Gläubigers, sobald es ihm möglich wird, eidlich angeloben.
Der Umstand, daß Schuldner sich wahrscheinlich entfernen werde, rechtfertigt
die Fortsetzung des Arrestes nicht. — Dagegen schützt der Ablauf der ein- und
resp. fünfjährigen Haft nicht gegen Personalerekution wegen Schulden, welche
erst nach der Haft gemacht sind. — Z. 146 Anh. §. 178, I. 24 «. G. O, -
Cab.-Ord. vom S. Juli 1832 GS. S. 176. — Res. vom 7. August W7.
Jahrb. SV, S. 118.
. Verfahren bei Widerstand gegen Exekutionen.
Z. 441. l. Thätliche Widersetzlichkeit gegen den Exekutor bei Vollzie
hung der ihm gewordenen gerichtlichen Aufträge wird mit Gefängniß-, JuchthM-
oder FestungSftrafe von 2 Monaten bis zwei Jahren geahndet. Thätliche oder
wörtliche Beleidigungen desselben in Ausübung des Amts werden mit d«
um ein Drittheil zu schärfenden Strafe, die durch die Beleidigung an sich verwirkt
ist, gesühnt. — §. 148, !. 24 A. G. O. — Z. 166 u. 209 des Str. R.
II. Kann der Exekutor, in Folge thötlichen Widerstandes, den ihm geschehene»
Auftrag allein nicht vollzieh« z so muß er dem Gericht sofort Anzeige machen, und
bei auswärtigen Exekutionen bei der Ortspolizeibehörde unter Vorzeigung seine«
Auftrags Beistand suchen. Das Gericht hat
1) zunächst die Gensdarmerie um Unterstützung und Sicherung der V?eKi-
tionen zu ersuchen.
2) Reicht diese Hilfe nicht Hinz so muß zu ihrer Unterstützung der Beistand des
Militairs nachgesucht »erden.') Die« thut entweder die Gensdarmerie, od»
die Gerichtsbehörde, diese mittelst Berichts an ihre vorgefetzte Behörde.
Ist zur Vollstreckung der Exekution gegen eine große Anzahl von Menschen,
«der wegen zu besorgender hartnäckiger Widersetzlichkit, ein beträchtliches Mi-
tairkommando erforderlich; oder trit überhaupt ein bedenklicher Umstand ein; st
Muß jedes Mal bei der Regierung Erkundigung eingezogen werden: ob Ursachen
Vorhanden find, welche die Anwendung militairischer Hilfe Widerrathen, und wie
etwa ohne dieselbe der Zweck am Besten zu erreichen sei.
Wird ias Militair zum Beistand kommandirtz so hat nicht die Zivilbehörde,
sondern das Militair und dessen Befehlshaber zu beurtheilen: ob und in welch»
Art zur Anwendung der Waffen geschritten werden soll. Die Zivilbehörbe aber muß
Ä> jedem Falle, in welchem sie die Hilfe des Militairs nachsucht, de» Gegenstand
und 5en Zweck, wozu sie verlangt wird, so bestimmt angeben, daß von Seiten des
") Die Gebühren eines, solchen Militairkommandos betragen bei Exekutionen für de»
Gemeinen 4 gGr., für den UnKroffizier 6 gGr. für den Tag, und vom dritte»
dri!
und den folgenden Tagen das Doppelte. Werden sie beköstigt, so wird auf die
Kost 1 gGr. abgerechnet. Der kommandirte Offizier erhält 8 gGr. pro Meile,
und 2 Thlr. pro Tag, die höheren vom Staabskapitain das Doppelte. —Ats»
»om S. November 1SV4. Rabe S, S. Sil.
S9S
Militair« b!e Anerdnuug« mit Zuverlässigkeit getroffen werbe» könne». — §. 159,
15«, Anh. Z. 179, l. 24 A. G. O. — j. 13 Verord. vom ZV. December 1320 GS.
1821 S. 6. — Ges. vom 2«. März 1837. 8. ö GS. S. öl. — Res. vom 20.
Juni 1S34. Jahrb. 43, S. 49«.
Zweiter Abschnitt.
»om ««fahren bei nothwendigen Subhasiationen.
Einleitung.
8. 442. Unter Subhastationsprozeß versteht man dasjenige gerichtliche
Verfahren, welches beim öffentlichen Feilbieten der Grundstücke, und der in die
ser Beziehung denselben gleich gestellten Gegenstände, und bei deren Uebereignung an
den Meistbietenden statt findet.
Die Privatlizitation, welche Privatbesitzer und Korporationen Behufs
Veräusserung von Grundstücken vornehmen, hat nicht die Natur einer Subhaftation.
Sie ist eine gewöhnliche Veräusserung. Dies ist auch der Fall, wenn dabei, wa«
gestattet ist, Justizkommissarien als Beistände thätig sind. Solche Lizitationen dür
fen jedoch nicht in Wirthshäusern und andern öffentlichen Orten, sondern sie müs
sen in Privatwohnungen abgehalten werden.
Auch die freiwilligen gerichtlichen Subhastationen haben nicht die
Natur eines Subhastatioosprozesses. Sie sind Handlungen der freiwilligen Gerichts
barkeit, bei deren Vornahme jedoch gewisse besondre gesetzliche Vorschriften zu be
obachten sind. ^ — §. 1 u. 2, l. 52 A. G. O. — Einl. z. Ges. vom 6. April 1839.
GS. 12S. — Res. vom 2«. Juli 1795 u. vom 27. Oktober 1804. Rabe 3, S.
12«. Bd. 8, S. 205.
') In dieser Hinsicht gilt folgendes:
1) Die freiwillige gerichtliche Subhaftation findet nur bei solchen Sachen
und Rechten, die sich zur nothwendigen Subhaftation eignen, und in
nachstehenden Fällen statt:
s) wenn beim gemeinschaftlichen Eigenthum sämmtliche Miteigenthümer,
wozu auch Benefizialerben gehören, zum Zweck ihrer Auseinandersetzung
darauf antragen;
d) Behufs der Veräusserung von Gütern der Pflegebefohlenen, so wie derje
nigen überhaupt, denen die Rechte der Minderjährigen zustehen, in s«
fern nicht von der Subhaftation dispensier ift.
2) Zur Einleitung derselben ist nur der Richter der Sache kompetent. Doch
kann vom Justizminifter in Fällen, in denen besondre Umstände die Vereini
gung des Subhastationsverfahrens über die unter verschiedenen Gerichtsbar
keiten belegenen Grundstücke desselben Besitzers rathsam machen, auf den An
trag der Interessenten Ein Gericht zum gemeinschaftlichen Gerichtsstande
der freiwilligen Subhaftation bestellt «erden, wenn die vorhandenen Real
prätendenten und eingetragenen Gläubiger ausdrücklich in ein solches Verfah
ren einwilligen. Der Subhastationsrichter hat auch hier dieselben Pflichten
und Rechte, wie der Richter der nothwendigen Subhaftation im Falle des
§. 444, Nro. 2, nur daß an Stelle der Adjudikaroria die Ausfertigung der
Lizitationsverhandlung trit.
3) der Richter der freiwilligen Subhaftation muß beim Antrage auf solche zu
nächst die Verfügungsfähigkit und Legitimation der Extrahenten, so wie
ihrer etwanigen Bevollmächtigten und ihrer Vormünder genau prüfen, und
darf vor Behebung der sich hierbei etwa vorgefundenen Anstände dem Antrage
nicht statt geben.
4) Zugleich muß der Richter von Amtswegen dahin sehen, daß der Besitztitel,
fall« tt noch nicht geschehen, aus den Extrahenten berichtigt werde. Das
Von den Gegenständen der Subhastation und den Fällen, in welchen
nothwendige Subhastation zulässig ist. ' " ' "
Z. 443. I. Gegenstände, die sich zur Subhastation eignen, sind
I) Grundstücke. Das Recht eines Laßbauern auf Eigenthumsvcrleihung kann
nicht subhastirt werden. Sobald aber durch Regulirung der gutsherrlich-bauer-
lichen Verhältnisse das Eigenthum auf den bäuerlichen Besitzer übergegangen ist,
kann dasselbe selbst vor Beendigung der Regulirung, zur Subhastation gestellt
werden ;
Grundstücke, welche, wie z. B. BegrSbnißplätze, einschließlich der Familienw
gräbnisse, Synagogen u. dgl., dem bürgerlichen Berkehr entzogen sind, können
nicht subhastirt werden.
^> dies erfolgt, muß zu den Subhastationsakten auf Grund der Hypothekenak-
»„ ten amtlich vermerkt, oder zu jenen eine Ausfertigung des neuesten Hypothe-
kenscheins gebracht werden.
.6) Stehn der Besitztitelberichtigung nicht sogleich zu beseitigende Hindernisse ent
gegen; so sind die Interessenten darauf aufmerksam zu machen, daß vor Be
seitigung derselben sich schwerlich ein Käufer finden werde. Verlangen sie
. dennoch ausdrücklich die Subhastation; so muß sie, wenn sonst kein Beden-
; , ken entgegensteht, eingeleitet werden. !.,.,,,!'...,
6) Dann muß, falls nicht
s) die Ertrahenten auf gerichtliche Taxe des Grundstücks antragen, oder
d) eine gerichtliche Taxe, wie bri Grundstücken der Pflegebefohlenen ic. ge-
> ' l setzlich nothwendig ist;
unter Zuziehung der Ertrahenten eine vollständige Beschreibung desselben auf-
, , .genommen, und dabei insbesondre darauf geachtet werden:
ob Peränderungen des Realzustandes vorgefallen sind, welche
noch nicht im Hypothekenbuche vermerkt worden)" und
. ob Prozesse über das Grundstück schweben, "'"-^
da es nothwendig ist, daß sowol der subhastirende Richter, als der künftige
Erwerber des Grundstücks über den Gegenstand des Kaufs vollständig un
terrichtet sind.
s, , ,7) Die von den Ertrahenten den Bietern zu stellenden Kaufbedingungen «er
den vor Anberaumung des Lizitationstermins regulirt. Dies kann bei Auf
nahme der Taxe oder der Beschreibung geschehen. Es gilt davon Gleiches,
wie von Bedingungen bei Verträgen und Kontrakten. Zu berücksichtigen M
namentlich etwanige Zahlungs- oder Stundungsmodalitöten; die Hyxothe-
kenschulden; ob der Kauf in Pausch und Bogen erfolge; die Rubr. II. ein«
,., getragenen Lasten und Beschränkungen; öffentliche und gemeine Lasten; die
5> Uebergabe; der Kostenpunkt zc. „ k,
8) In die Subhastationspatente kommen der Betrag der Taxe, «vent. die Be
schreibung des Grundstücks, und die Kaufbedingungen. Die Bestimmung der
Fristen und die Art der Bekanntmachung hängen vom Uebereinkommen der
,^ , Extrahenten ab. Ermangelt ein solches; so kommen die Vorschriften bei
,,' ,, notwendigen Subhastationen in dieser Hinsicht zur Anwendung. — Der Be
nachrichtigung der aus dem Hypothekenbuche sich ergebenden Realinteressenten
bedarf es nicht; wohl aber ist vom Termin den etwa vorhandenen Vorkaufs
berechtigten Nachricht zu geben.
., Z) Ein Zuschlagsbescheid wird nicht abgefaßt. Die Lizitationsverhandlung «er«
^ , 4rit die Stelle des Kaufvertrags. Sie muß deshalb genaue Auskunft geben
.^4 , , über die Identität, Berfügungsfähigkeit und Legitimation der Interessenten,
so wie ihrer Vertreter, und neben einer die wesentlichen Merkmale des Grund-
, > ,ftücks umfassenden Beschreibung desselben, vollständig die Bedingungen ent-
^ ,., . , halten, unter welchen der Verkauf erfolgt ist. Darf der Verkauf nicht «h»e
' Genehmigung der Obervormundschaft oder einer vorgesetzten Behörde abge-
' schlössen werden; so ist dieserhalb das Erforderliche zu bemerken, und eine
Frist zu bestimmen , bis zu deren Ablauf der Meistbietende an sein Geb«
, gebunden sein soll. , ,,„,!,--,
10) Haben die Betheiligten in den Zuschlag gewilligt, und ist auch in den geeig
neten Fällen die Genehmigung der »ormundschastlichen, oder der »oraeseitt»
7«1
2) Gerechtigkeiten, welchen da« Gesetz die Eigenschaft einer unbe
weglichen Sache beilegt; namentlich
s) Rechte, zu deren Ausübung Jemand in der Eigenschaft als Besitzer einer un
beweglichen Sache befugt ist (subjektiv dingliche Rechte). Auch wenn
solche Rechte ohne Genehmigung der Realgläubiger vom Grundstücke getrennt
sind, können sie zur Subhastation gestellt werden.
d) In der Provinz Westphalcn und in den Kreisen Rees und Duisburg
sind überhaupt alle Realberechtigungen, sie mögen Geldrenten oder Na
turalleistungen') zum Gegenstände haben, subhastationSfähig. Ausge
nommen sind nur die Berechtigungen, welche nach der Abl. Orb. vom 13.
Juli 1829 8- 3 u. §. 5 Nro. 3 von der Ablösung ausgeschlossen sind. Doch
können Realberechtigungen, welche Zubehör eines Grundstücks sind, für sich
allein nur dann zur Subhastation gestellt werden, wenn sie von dem berech
tigten Gute getrennt werden dürfen, und die Trennung bewirkt, oder doch
vollständig vorbereitet ist.
c) Ferner gehören dahin diejenigen Gerechtigkeiten, welche für sich selbst beste
hen, daher ohne den Besitz eines Grundstücks ausgeübt werden können, ?)
und ins Hypothekenbuch unter besondrer Nummer eingetragen werden. Da
hin sind ins Besondre zu zählen ss) Apothekerprivilegien, welche nicht
auf Grund eines Gewerbscheins entstanden, sondern auf eine vor dem Gewer
begesetz vom 2. Novbr. 1810 ertheilte erbliche Verleihung sich gründen;
bd) die für sich bestehenden, und noch nicht abgelösten erblichen Ge-
Werbegerechtigkeiten, welche ein eignes Hypothekenfolium haben; jedoch
mit der Maasgabe, daß im Patent die durch die Gewerbeedikte gewordene
Veränderung vermerkt werde, damit die Lizitanten wissen, daß sie eigentlich
nur auf die Entschädigungs- und Ablösungssumme bieten;
ce) Zehnt-, Jagd- und Fischereigerechtigkeiten, das bei Veräusserun-
1) Auf die Höhe des Werths derselben kommt es nicht an. — Res. vom 16. Decbr.
1837. Jahrb. 5«, S. 535.
2) Wird der Liquidationsprozeß demnächst dadurch beseitigt, daß der Erbe sich für
Erbe ohne Vorbehalt erklart ; so geht auf seinen Antrag die nothwendige Sub
hastation in eine freiwillige über. Ist jedoch ein Gläubiger, dessen Forderung
unter Exekution stand, der nothwendigen Subhastation beigetreten gewesen; so
kann ohne seine Zustimmung die nothwendige Subhastation nicht umgewandelt
werden. .
703
ftücks ble ihm zur Gewinnung des Bürgerrechts unter der Androhung der
Subhastation gestellte dreimonatliche Frist hat fruchtlos verstreichen lassen. —
Z. S, I. 24 A. G. O. — §. 2 Subh. Ges. vom 4. März 1834. — SZerord.
«cm 11. August 1843 GS. S. 323. — K. 38 fg. I. 8 A. L. R. — Res. vom
II.Dcc. 181«. Mathis X, S. 363. Res. v. 2. Mörz 1810. Math is IX, 23.
Bon welchem Richter die Subhastation erfolgen muß.
§ 444. Die Subhastation gebührt dem Richter, unter welchem die zu
subhaftirende Sache gelegen ist. An diesen Richter gehen daher die auf Sub
hastation gerichteten Anträge, Requisitionen und Aufträge.
Jcdoch werden 1. blofse Pertinenzstücke, wenn sie auch unter andrer Ge
richtsbarkeit liegen, mit dem Hauptgute zugleich von dem Richter, unter welchem
dieses gelegen, subhastirt, und das Gericht des Pertinenzstücks wird nur um Auf
nahme der Taxe requirirt. Wenn aber s) ein solches Pertinenzstück mit dem Haupt
gute nicht nothwendig verbunden ist, sondern davon füglich getrennt werden kann,
und die Gläubiger einen besondern Verkauf desselben ausdrücklich verlangen; so ge
bührt dieser dem Richter des Pertinenzstücks.
b) Liegt ein Komplexus von Grundstücken theilweise im Jnlande, theilweise im
Auslände; so müssen die diesseits gelegenen Grundstücke, wenn auch eine scheinbare
Untheilbarkeit vorläge, dennoch abgesondert im Wege der Exekution subhastirt werden.
2. In Fällen, in denen besondre Umstände die Vereinigung des Subha-
stationsverfahrens über die unter verschiedener Gerichtsbarkeit belegenen Grund
stücke desselben Besitzers rathsam machen, kann der Justizminister auf Antrag der
Interessenten Ein Gericht zum gemeinschaftlichen Gerichtsstande der Subhastation
bestellen, wenn die vorhandenen Realprätendenten und eingetragenen Gläubiger aus
drücklich in ein solches Verfahren einwilligen.
In solchem Falle ist dieses Gericht ermächtigt, die zur Subhastation zu stellen,
den Güter und Grundstücke, je nach dem Antrage der Interessenten, zusammen oder
einzeln zum Verkauf auszubieten, das Zuschlagöerkennniß abzufassen, zu publiziren,
und die Belegung der Kaufgelder zu reguliren.
Es hat aber die Gerichtskosten, welche durch den Verkauf der nicht zu seiner
Gerichtsbarkeit gehörenden Güter oder Grundstücke und durch Belegung der Kauf
gelder aufkommen, nach Abzug der baaren Auslagen an die Sportelkasse des Rich
ters der Sache herauszuzahlen, die hierunter enthaltenen gemeinschaftlichen Kosten
beträge aber nach dem Verhältnis, des Taxwerths der einzelnen Grundstücke zu
vertheilen.
Königliche Untergerichte und Patrimonialgerichte haben in den geeignet befun
denen Fällen die Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichtestandes durch dai vor
gesetzte Obergericht, welchem die nähere Prüfung der Anträge obliegt, beim Justiz-
minister nachzusuchen.
3. Die Subhastation der Realberechtigungen in der Provinz West-
xhalen und den Kreisen Rees und Duisburg gehört vor das Gericht des
verpflichteten Grundstücks, und wenn über die Berechtigung ein besondres Hypothe-
kenfolium angelegt ist, vor das Gericht, bei welchem dieses geführt wird.
4. Bergtheile, Kur- und sonstiges Bergwerkseigenthum werden von
dem betreffenden Berggericht subhastirt.
5. Frachtschiffe werden da, wo besondre See- oder Handelsgerichte sind, von
diesen, sonst vom persönlichen Richter des Eigenthümers subhastirt, in sofern nicht
etwa dieser sich veranlaßt findet, das Gericht des Orts, wo das Schiff befindlich
ist, um Subhastation zu rcquiriren. — ,§. 9, 1«, I. S2 A. G. O. — Z. 5 Verord.
vom 10. April 1S41 GS. S. 77.- §. 661 fg. 672 fg. 631 fg. 4. S0 A.G.«.
455
704
8. 4 Ges. vom 23. December 134« GS. 1841 S. 6. — Eab.-Ord. vom 22. April
u. Res. vom 2. Mai 184« I. M. B. S. 165 fg. — Res. vom 2«. December IM.
Gräff, Koch ,c. III. S. 118S.
Prüfung des Subhastationsantrages.
Z. 445. Der Subhaftationsrichter muß, vorausgesetzt, daß seine Kompetenz aus
ser Zweifel ist, bei Prüfung des Antrags auf Subhastation sein Augenmerk zunächst
darauf richten:
I. ob Extrahent zum Antrage berechtigt sei? Wird 1) die Subha
station vom Prozeßrichter im Wege der Exekution beantragt; so kann der Subha
ftationsrichter sich jedoch auf eine Prüfung dessen, was schon jenem zu prüfe» ob
lag, wie z. B. dessen: ob die Exekution aus dem Urtel, Vergleich zc. noch zulässig?
ob das Mandat mit vierwöchentlicher Frist erlassen sei u. dgl., nicht einlassen.
2. Beantragt nicht eine richterliche, sondern eine andre Behörde, z. B. die Kö
nigliche Regierung wegen Abgaben, die Landschaft wegen Pfandbriefszinsen') u. s. w.
die Subhastation; so muß der Subhaftationsrichter zunächst prüfen: ob das Gesetz
der requirirenden Behörde in Fällen der vorliegenden Art das Exekutionsrecht gestat
tet. Demnächst aber muß er, wenn das Mandat mit vierwöchentlicher Frist noch
nicht erlassen ist, dieses an den Schuldner erlassen; und nach fruchtlosem Ablauf der
Frist, auf Anzeige der requirirenden Behörde die Subhastation verfügen, in so fern die
Verbindlichkeit des Schuldners ohne Zweifel ist, und auch sonst kein Hinderniß vorliegt.
3. Beantragt ein Magistrat die Subhastation eines baufälligen städtischen Ge
bäudes, so muß er zur Begründung des Antrags angeben, wie er die zur Herstel
lung des Baues erforderlichen Kosten berechnet habe, und die dem Eigenthümer des
baufälligen Gebäudes zur Herbeischaffung derselben gestellte Frist fruchtlos abgelaufen sei.
4. Der Konkurskurator muß beim Antrage auf Subhastation sich als sel
cher legitimiren; der Benefizialerbe sein Erbrecht, und daß ihm die Rechts-
wohlthat des Inventar« wirklich zustehe; und der Miteigenthümer sein Mit-
«genthum nachweisen. — Verord. vom 25. December 1803. Z. 48 Mathis VII.
S. 367. — Res. vom 5. März 1833 I. M. B. 1839 S. 377. — Res. vom t».
November 1836. Jahrb. 48, S. 465. — Z. 5 Erek. Ges. vom 4. März 1SS4.
U. Die Subhastation ist in der Regel nicht zulässig
1) wegen Geldstrafen für Zoll- und Steuerdefrautionen. Die Geldstrafe M
in Ermangelung andrer Gegenstände vielmehr in Gefängnißstrafe umgewandelt,
und diese vollstreckt werden. Ist jedoch
g) der Bestrafte ausser Landes, ohne andres Vermögen, als Grundstücke, zurück«
gelassen zu Habenz oder ist derselbe
d) mit der Subhastation selbst einverstanden, hier auch das Grundstück nicht
so verschuldet, daß zur Deckung der Geldstrafe keine Hoffnung wäre; so M
die Subhastation dennoch vor sich gehen.
2) Wegen der zu Königl. Kassen fliessenden Holzerfatz- und Forststrafgelder
soll die Subhastation als Exekutionsmittel in dem Falle, wenn nach de» ans
dem betreffenden Grundstück schon haftenden Hypothekenfchulben die Befriedigung
der Forstkasse auch nur zweifelhaft bleibt, gar nicht; sonst aber nur aus»
nahmsweise gegen solche Frevler extraHirt werden, welche sich durch wieder
holten Holzdiebstahl und nach zweimaliger wirklich erfolgter Bestrafung, »der
wegen eines mit dem gestohlenen Holze getriebenen Handels der Berücksichtigung
unwürdig gemacht haben, oder gegen welche aus den vorliegenden Wirthschafts-
') Auch die Posener Landschaft hat gleich den übrigen Kreditinstituten das Ereku-
tionsrecht wegen der Pfandbriesszinsen. — Cab.kOrd. vom 19. März 1«»
GS. S. 167.
705
und den gesammten übrigen Verhältnissen mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen,
daß sie mit hinter sich habenden Zahlungsmitteln böswillig zurückhalten. Auch
soll selbst unter diesen Voraussetzungen an ein und demselben Orte nur gegen
einen, höchstens zwei Strafrestanten im Laufe eine« Jahres das Subhaftationi«
verfahren beantragt werden.
3) Wegen Untersuchungskoften und überhaupt Gerichtskosten können die
Salarien- und Gebührenkassen nicht Subhastation der Grundstücke beantragen,
Kosten und Mandatariengebühren, welche der Gegner von einer Partei erstattet
»erlangen kann, gehören jedoch nicht hierher. — Cab.-Ord. vom 10. April 1826.
Beschl. des Staatsmin. vom 8. Oktober 1826 GS. S. 106. — Beschl. vom
14. Oktober 1829 GS. S. 127. — §. S1 Ges. vom 23. Januar 183«
GS. S. «3. — Res. vom 27. Juni 184« I. M. B. S. 226. — Cr. O. Z. 622. —
Res. vom 18. Mai 1816; vom 6. Oktober 1834z vom S. März 1832. Jahrb.
8, S. 34. Bd. 44, S. 444. Bd. 39, S. 161.
III. Der Subhastat.-Richter muß ferner prüfen: ob in Bezug auf den Ge
genstand der Subhastation, oder in Bezug auf den Besitzer oder Mitbesitzer, gegen
welchen der Antrag gerichtet ist, ein Hinderniß obwaltet. Mit Rücksicht hierauf ist
folgendes zu bemerken:
1) Bon dem zu subhastirenden Grundstück muß entweder
g) der Besitztitel auf denjenigen, auf dessen Namen die Subhastation vor sich
gehen soll, berichtigt; oder es muß,
d) wenn dies nicht der Fall, oder das Hypothekenfolium noch gar nicht ange
legt ist, doch der Nachweis geführt sein, daß derselbe Besitzer sei. Bei Sub-
hastationen im Wege der Exekution muß erforderlichenfalls der Ertrahent die
sen Nachweis führen. — Es gnügt übrigens, wenn das Eigenthum durch ein
Attest der Ortsbehörde, oder durch eine öffentliche Urkunde bescheinigt ist. —
Cab.-Ord. vom 9. Mai 1839 GS, S. 163. — Res. vom 23. Juli 1840
I. M. B. S. 263. — Res. vom 26. August und vom 11. Novemb. 1831.
Jahrb. 18, S. 109, 343. — Res. vom 20. Februar 1335. Jahrb. 45, S. 205.
2) Im Wege der Exekution kann in der Regel ebenfalls nur das Grundstück des
Schuldners subhastirt werden. Hat jedoch dieser das Grundstück verkauft; so
fragt es sich; ob die unter Exekution stehende Forderung im Hypothekenbuch
dieses Grundstücks eingetragen sei, oder nicht?
s) Im ersten Falle ist Subhastation dann zulässig, (ohne daß es einer wieder
holten Klage gegen den Erwerber bedarf,) wenn die gegen den Verkäufer
angestellte Klage vor der Beräusserung bereits behändigt war. Dies gilt
auch in dem Falle, wenn die Forderung im Laufe der Erekutionsinstanz erst
eingetragen, und nachher das Grundstück veräussert worden ist. War jedoch
die Beräusserung vor Behändigung der Klage vorgenommen; so muß gegen
den neuen Besitzer, bevor Subhastation zuständig, erst geklagt werden.
b) Ist die unter Exekution stehende Forderung nicht eingetragen ; so ist bei einem
inzwischen vom Schuldner stattgehabten Berkauf des Grundstücks die Sub
hastation desselben nur dann zulässig, wenn das die Subhastation androhende
Mandat vor dem Verkauf dem Schuldner bereits behändigt war.
c) War Jemand erweislich bereits damals, als der Gläubiger wegen seiner an
einen Dritten ihm zustehenden Forderung ein Grundstück als Erekutionsob-
jekt wählte, Besitzer') desselben; so kann dies bei seinem Widerspruch nicht
eher subhastirt werden, als bis Extrahent die Subhastationsbefugniß rechts
kräftig erstritten hat. War dagegen der, der Subhastation Widersprechende
') D. h. vollständiger Besitzer; denn ein unvollständiger, wie z. B. der Pächter oder
Miether, kann der Suhhastation nicht widersprechen.
70«
damals nicht im Besitz, so muß derselbe im Wege des Jnt«»e»tionip«jes-
ses sein Recht zum Widerspruch nachweisen.') — Res. vom 19. Febr. ISIS.
Jahrb. IS, S. 12. — Res. vom 8. December 1834. Jahrb. 44, S. 409.-
Res. vom 28. Juli 1837. Jahrb. S«, S. 11«. — Res. vom 3. Juli und
18. November 1839 I. M. B. S. 247, 390.
3) Bei stattfindender Gütergemeinschaft kann wegen der gegen den Mann allein er-
strittenen Forderung das ganze gemeinschaftliche Grundstück zur Subhastation
gestellt werden. Dieser ist jedoch dann Anstand zu geben, wenn die Ehefrau das
Grundstück in die Gemeinschaft gebracht hat, und aus diesem Grunde der Sub-
haftation widerspricht, indem sie andre zum gemeinschaftlichen Vermögen gehö
rende Gegenstände zur Befriedigung des Gläubigers nachweist. — §. 386, II. 1
A. L. R. — Plen.-Besch. des Geh. Ob.-Trib. vom 24. August 184« u. Res.
vom 6. November 184« I. M. B. S. 369 fg.
4) Ein Fideikommiß kann nur wegen solcher Fideikommißschulden , mit welch,«
der Stifter dasselbe bei dessen Errichtung selbst belastet hat, oder welche aus sei
nem übrigen Vermögen nicht bezahlt werden können; und ein Lehn nur we
gen solcher Lehnsschulden, für welche die Substanz des Lehns auch ohne beson
dre Einwilligung der Interessenten haftet, oder für welche dasselbe unter aus
drücklicher Einwilligung des Lehnsherrn und sämmtlicher Agnaten oder Mitbe
lehnten verpfändet ist, subhastirt werden. Für andre Schulden haftet nicht die
Substanz, sondern nur die Nutzung. — §. 1«4, 11«, II. 4. z. 331-333, 1.
18 A. L. R.
5) Wenn ein Miteigentümer die Subhastation eines. Mehren gehörigen, Grund
stücks Behufs Auseinandersetzung beantragt; so wird der Antrag den übrigen
Miteigenthümern mit der Aufforderung mitgetheilt:
binnen 4 Wochen bei Vermeidung der Einleitung der Subhastation ihr«
etwanigen gesetzlich begründeten Widerspruch anzubringen.
Ein solcher Widerspruch hemmt nur dann die Subhastation , wenn er sich dar
auf stützt, daß dem Verkauf besondre gesetzliche Vorschriften, Verträge
oder rechtsgiltige Verfügungen eines Dritten (z. B. des Testators!
entgegen stehen. Wird ein solcher Einwand aufgestellt; so ist er dem Provo
kanten mitzutheilen, und dieser, unter Ablehnung der Subhastation, zum Rechts
wege zu verweisen.
Andre Einwendungen und Widersprüche hemmen nicht die Subhastation, da
jeder Miteigenthümer den öffentlichen Verkauf Behufs Auseinandersetzung ver
langen kann. Dies gilt auch, wenn von zwei geschiedenen Eheleuten der Eine
Subhastation der gemeinschaftlichen Grundstücke Behufs Auseinanderfetzung «er
langt. Namentlich kann der Einwand gemachter Verbesserungen den nothmendi-
gen Verkauf nicht hindern, da dergl. Geldansprüche zur Kaufgelderbelegung ge
hören.— Z. 172—175, 189—191, I. 17 A. L. R. — Ref. vom 3«. Juni IS«.
Jahrb. 43, S. 449. — Ref. vom 9. Oktober 1835 ; 2S. März und 11. April
1836. Jur. Zeit. 183S S. 477, 511, 574. — Res. vom 1«. November IM.
Jahrb. 48, S. 465. — Res. vom 31. Januar 1839 I. M. B. S. 65.
ö) Der Gläubiger eines einzelne» Miteigenthümers kann im Wege der Exekution
nur dessen Anthcil am gemeinsamen Grundstück, nicht aber das ganze Grund-
') Die Behauptung des Schuldners, daß ihm das Grundstück nicht gehöre, «>rd
nicht berücksichtigt, sofern nur sein Besitz feststeht. Meldet sich der angebliche
Eigenthümer, so wird er zum Jntcrvcntionsprozcß verwiesen. Ist das beanspruchte
Eigenthum des Jntervenienten einigermaßen bescheinigt, so muß, gleich wie bei
beweglichen Pfandstücken , der Verkauf bis nach rechtskräftiger Entscheidung des
Jnterventionsprozesses ausgesetzt werden.
707
stück, subhaftiren lassen (c5 jedoch Nro. 3). Dem Abjubikatar steht dann frei,
Behuf« Auseinandersetzung den öffentlichen Verkauf de« ganzen Grundstück« ju
beantragen. — Res. vom 6. November 1835 und 13. Juni und 21. Juli 1336.
Jahrb. 46, S. 483. Bd. 47, S. S13. Bd. 48, S. 403.
7) Sind für eine Forderung mehre Grundstücke verpfändet, und der Gläubiger be
antragt den Berkauf aller; so muß der Richter, falls der Werth des einen der
selben schon den Betrag der Forderung beträchtlich übersteigt, so daß mit größter
Wahrscheinlichkeit die Forderung aus dem Kaufschilling bezahlt werden kann,
nach Maasgabe der Erklärung des Schuldners, «der in Ermangelung einer sol
chen, »ach billiger Berücksichtigung des mindesten Nachtheils für den Schuldner,
diejenige Folgeordnung wählen, in welcher die Subhaftation der Grundstücke vor
zunehmen ist.
Weiter, als bis zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Ko
sten, darf jedoch die Subhaftation der mehren Grundstücke nicht vor sich gehen. —
Res. vom 23. März 181«. Mathii Bd. 1«, S. 115. — §. 201—209, l>
2« A. L. R.
Verfügung auf den Subhaftationsantrag.
g. 446. Wird die beantragte Subhaftation für zulässig erachtet; so muß
1) vom Ertrahenten ein zur Deckung der baaren Auslagen nöthiger Kostenvor-
schuß erfordert werden. Bei Subhastationsanträgen im Wege der Exekutiv»
wird schon bei Erlaß des Zahlungsbefthls dem Ertrahenten im Benachrichti-
gungsschrciben eröffnet, daß er bei Wiederholung des Subhastationsantrags einen
ihm zu bestimmenden Vorschuß einzuzahlen habe, da früher die Subhaftation
nicht eingeleitet werden würde.
Nur s) FiskuS ist bei Subhastationsanträgen von Zahlung des Koftenvor-
schusses frei; und d) auch dann ist von dessen Erforderung abzustehn, wenn Er-
trahent den Borschuß nicht aufbringen kann, die Vcrsagung der Subhaftation
also in ei« Rechtsverweigerung übergehen würde, und wenn der Zustand der
Salarienkasst den Verlag der baaren Auslagen gestattet.
Sonst sind die im Prozesse zum Armenrechte Geeigneten davon nicht frei. —
Res. vom 16. December 1831. Jahrb. 38, S. 341. — Res. vom 25. März
1831. Jahrb. 37, S. 87. — Res. vom 21. Juli 1837. Jahrb. 50, S. 130.
2) Nach Eingang des Vorschusses wird die Einleitung der Subhaftation
und die Anlegung der Subhastationsakten verfügt. Der Tag der Einleitungs
verfügung bezeichnet die Zeit der eröffneten Subhaftation. — §. 18 SubHast.
Ges. vom 4. März 1834.
3) Gleichzeitig bei Einleitung wird, wenn der Antrag im Wege der Exekution ge
macht ist, der Hypothekenrichter um Eintragung des Vermerks ins Hy
pothekenbuch des zu verkaufenden Grundstücke:
daß die Subhaftation verfügt worden, und spätere Verfügungen den bis
dahin eingetragenen Gläubigern unnachthcilig sind;>)
und um Ertheilung eines Hypothekenscheins ersucht. — Dieser Ver
merk ist auch dann einzutragen, wenn der Bcsitztitel für den Schuldner noch
nicht berichtigt worden. 2)
1) Durch diesen Vermerk erlangen die bis dahin eingetragenen Gläubiger das Recht,
daß die, welche später ein Realrecht auf das Grundstück erwerben, dies dem An
spruch jener nicht entgegensetzen, daß sie auch ohne deren Einwilligung dem Zu
schlage nicht widersprechen können.
2) Daraus folgt, daß bei vorhandenem Hnpothekenbuch durch den Antrag um Ein
tragung des Vermerks kein Zwang zur Besitztitelberichtigung entsteht. Anders
ist es bei nicht regulirtem Folium. Hier kann der Vermerk erst nach reguli«
708
Ist ein Hypothekenschein vom Extrohenten bereits übergeben, so ist nur um
Bescheinigung der Vollständigkeit desselben zu ersuchen.
Ist das Hypothekenwesen noch nicht regulirtz so wird zu den Hypotheken
akten Nachricht von Einleitung der Subhastation gegeben, und Bescheinigung
über den Besitz- und Realzustand des Grundstücks verlangt. — z. 3 Subh.Ges.
vom 4. März 1S34. — Res. vom 13. Juli 1S36. Jahrb. 43, S. 277.
4) Endlich wird, sofern nicht etwa eine Taxe bereits beigebracht ist, die Abschätzung
des Subhastationsgegenstandes verfügt. — Konnte bei der Verfügung
der Hypothekenschein oder die Grundakten Behufs Ermittelung der zum Tarter
mine etwa vorzuladenden Realinteressenten nicht eingesehn werden z so kann auch
die Anordnung der Taxe bis zur Gnügung der nach Nro. 3 zu den Hypothe
kenakten ergangenen Requisition ausgesetzt werden. — Z. 11, I. 52 A. G. O.
Verfahren bei der Taxaufnahme, und zwar s) bei geringeren Grund
stücken und bei landschaftlichen Tarenz
447. !. Jede Taxe ist in Silberkurant aufzunehmen. Ihr Zweck ist, die Kauf
lustigen über die Beschaffenheit des feilgebotenen Grundstücks und die dabei anzu
treffenden Realitäten zu belehren und zu informiren. Sie soll zum Leitfaden die
nen, nach welchem jene an Ort und Stelle nähere Erkundigung über den Umfang
des Grundstücks und dessen Ertrag einziehen können. Das Gericht, oder der Ku
rator, oder die Gläubiger, haben die Taxe nicht zu vertreten. Vielmehr geschehe»
Lizitation und Zuschlag in der Regel in Pausch und Bogen, dergestalt, daß nur
dann, wenn das Grundstück ganz oder theilweise von einem Dritten evinzirt wird,
oder ein mit zum Anschlage gebrachtes Stück, oder eine dergl. Gerechtigkeit gar
nicht vorhanden ist, die verkaufenden und aus den Kaufgeldern bezahlten Gläubi
ger nach Berhöltniß des Gebots gegen die Taxe dem Käufer deshalb Gewähr lei
sten müssen. — z. 12 Anh. Z. 395, I. 52 A. G. O.
U. Behufs Feststellung des Taxwerths gnügt
1) bei Grundstücken aller Art, deren Werth nach Inhalt des Hypothe
kenbuchs, der Erwerbdokumente, oder andrer unverdächtiger Angaben den Be
trag von fünfhundert Thaler nicht übersteigt, daß
s) bei ländlichen Grundstücken der Schulze oder die Gerichtsleute des Orts, wo
das zu veräussernde Grundstück belegen ist, oder in Ermangelung der Ge-
richtsleute zwei dazu ausersehene Wirthe dieses oder eines benachbarte» Or
tes, und bei städtischen Grundstücken sachkundige Einwohner des Orts über
die Beschaffenheit, den Ertrag und den Werth des von ihnen zu diesem Be
Hufe genau zu besichtigenden Grundstücks vernommen werden, und zwar der
Schulze und die Gerichtsleute, wenn sie als solche vorschriftsmässig vereidet
sind, mit Hinwcisung auf ihren Diensteid, Andre eidlich. Diese Vernehmung
vertrit dann die Stelle der Taxe; oder
b) daß, wenn sämmtliche Betheiligte darauf antragen, oder das Gericht keine
der zu s bezeichneten Personen für geeignet hält, geprüften und vereidete»
Taxatoren die Abschätzung aufgetragen wird, und diese entweder darüber zum
Protokoll sich erklären, oder die Taxe schriftlich und mit der Versicherung der
Richtigkeit auf ihren ein für alle Mal geleisteten Eid verschen, einreichen.
Dies letztere steht auch den Dorfgerichten frei.
Die Taxe muß im Falle zu b eine genaue Beschreibung des Grundstücks
enthalten, ohne daß es einer ins Einzelne gehenden Veranschlagung bedarf.
tem Hypothekenwesen eingetragen werden. Diese Regulirung muß deshalb «on
Amtswegen betrieben werden. Doch geht demohngeachtet die Subhastation ihre»
Gang fort.
709
Eine nach diesen Vorschriften zu s und b aufgenommenen Taxe ist auch
dann giltig, wenn der dadurch ermittelte Werth 500 Thlr. übersteigen sollte. —
Ges. vom IS. Juni 1840 GS. S. 131. — Res. vom 14. April 1841 I. M.
B. S. 1S2.
2) Sonst muß. wenn der vermuthliche Werth SO« Thlr. übersteigt, die
Aufnahme der Taxe
s) von «blichen Gütern >) in Provinzen, in denen Kreditsisteme errichtet sind'
von der betreffenden Kred it direktion bewirkt werden. Nur
3») im Großherzogthum Posen ist die Landschaft zur Aufnahme der Taxen
solcher adlicher Güter nicht verpflichtet, die nicht bepfandbrieft sind; und
bb) auch diejenigen «blichen Güter, deren geringer Erwerbspreis die Bepfand-
briefung derselben nach den Vorschriften der einzelnen Kreditreglements
nicht gestattet, 2) sind von der landschaftlichen Taxation ausgeschlossen,
b) Die Taraufnahme in den Fällen unter ss und bd so wie in den übrigen
nicht gedachten Fallen erfolgt gerichtlich.») — Cab.-Ord. vom 1. Juli
1834 GS. S. «8. — §. 14—15, I. S2 A. G. O.
III. Gebührt demgemäß die Taxation dem Kreditinstitut; so er
sucht der Subhastationsrichter die Kreditdirektion darum. — Die Landschaft verfährt
dabei nach den in jeder Provinz und Distrikt ihr vorgeschriebenen Grundsätzen; und
sendet dem Gericht die von ihr solchergestalt ausgenommene und revidirte Taxe.
Zwischen einer von der Landschaft Behufs Subhastation aufgenommenen und
der zur Bestimmung der zu gebenden Pfandbriefe errichteten Taxe waltet der Un
terschied ob, daß bei jener gewisse, sonst nicht besonders zu würdigende Realitäten,
wie Wald, Schmuckanlagen u. dgl. mit in Anschlag kommen, und daß ferner andre
keinen wirklichen Ertrag gewährende Realitäten, z. B. Kirchlehn, oder Patronat-
recht und andre dergl. Ehrenrechte, die bei Taxen der letztern Art nicht mit aufge
nommen werden, bei Subhastationstaxen dem Kapitale der Taxe nach einem land
üblichen Satze beizufügen find. — Ueberdies wird im Großher;. Posen bei Subhast.-
Taxen der ermittelte Reinertrag der Güter im fünf und zwanzigfachcn Betrage;
bei andern Taxen aber nur im 20fachen Betrage zu Kapital gerechnet. — §. 1ö «.
a. O. — Cab.-Ord. vom 8. Januar 18Z1 GS. S. 1 fg.
b) bei gerichtlichen Taxen,
g. 448. I. Zur Aufnahme gerichtlicher Taxen (vor. Z. II. 2 K) wird ein beim
Gerichte beschäftigter richterlicher, oder ein mit der Qualifikation als Referen-
darius verfehener Beamte ^) beauftragt. Derselbe setzt Termin zur Abschätzung
an, und zieht die nöthigen Sachverständigen zu. Auch müssen, allenfalls durch Re
quisition der betreffenden Behörden, oder sonst, die nöthigen Schritte gethan wer
den, um bis zum Taxtermine, oder in demselben die auf dem zu schätzenden Immo
bile haftenden Lasten und Abgaben, welche in Folge der Subhastation nicht erlöschen,
vielmehr auf den Adjudikatar von selbst übergehen, und welche also vom Schätzungs-
i) Die für die Berliner Taxatoren gegebene, auch bei Abschätzung in andern Städte»
als zweckmässige Anleitung dienende Instruktion vom 10. Februar ISIS <Rabe
6 S. 23) ordnet in dieser Hinsicht an:
Z. 1. Die Stadtverordneten haben ins künftige den Grund und Boden nach
seiner Lage genau zu bezeichnen, dabei die zum Hause gehörigen Pertinenzstücke
an Gärten, Wiesen, Aeckern u. dgl., ingl. die damit verbundenen Gerechtigkeiten
genau zu detailliren, auch die Anzahl und Einrichtung der im Hause befindlichen
Wohnungen und andrer Behältnisse umständlich zu beschreiben, und ganz bestimmt
anzugeben:
sZ was es nach ihrer Abschätzung für Miethe tragen könne; auch
b) mit welchen Lasten das Grundstück zur Zeit der Taxe belastet ist, als Ser-
vis und Schoß; ingl. was es an Einquartirungskosten u. dergl. ungefähr
jahrlich zu tragen hat?
z. 2. Die Taxatoren, und zwar
1) die Maurer- und Zimmermeister haben die im Hause besindlichen Materialien
nach dem gegenwärtigen Zustande derselben zu revidiren, und solche sxezisik
abzuschätzen :
dabei aber genau zu bemerken, in welchen baulichen Würden das Grund
stück sich anjezzo befindet; desgl. haben sie vor jeder Taxe gemeinschaftlich
eine Zeichnung von der äussersten Oberfläche der Gebäude mit Beschrei
bung der Längen, Höhen und Tiefen, auch ob es massiv oder Fachwerk
ist, mit der Taxe jedesmal einzureichen.
. Auch haben sie den Grund und Boden, nach dem Flächeninhalt mit abzu-
713
«) deren Lage, Beschaffenheit, Länge, Breite und Höhe, deren Baustand, die
Anzahl und Einrichtung der darin befindlichen Wohnungen und andrer Be
hältnisse umständlich beschrieben;
d) sodann sind die dazu gehörenden Pertinenzstücke, an Gärten, Wiesen, Aeckern :c.,
ingl. die damit verbundenen Gerechtigkeiten, z. B. das Reihebrauen, die
Nutzung der Gemeinweide für eine gewisse Biehzohl, volle oder beschränkte
Holzgerechtigkeit u. s. w. bestimmt anzugeben;
c) ferner sind die auf dem Hause haftenden oder daran beanspruchten Dienst-
barkeitsrcchte und Servituten sorgfältig festzustellen; und
<Z) die Abgaben, öffentlichen und gemeinen Lasten desselben möglichst genau zu
verzeichnen.
e) Hiernächst find die im Gebäude befindlichen Materialien, Kunst- und Hand
werksarbeiten aller Art, nach dem gegenwärtigen Auftande derselben, durch
vereidete Werkmeister zu revidireo und abzuschätzen; dazu der Bodenwerth
und der Werth der nach b ermittelten Pertinenzstücke oder Gerechtigkeiten
zu rechnen, und so der Materialwerth auszumitteln; ferner ist
s) der bisherige Ertrag der Miethcn nach einem mehrjährigen Durchschnitte fest
zustellen, und durch Kapitalisirung dieses Ertrages der Ertragswerth zu ge
winnen; sodann
8) der Material- und der Ertragswerth zusammenzurechnen, der ganze Betrag
zu Halbiren, und von der Hälfte das Kapital der Lasten, Abgaben und Re
paraturkosten abzuziehn. Dies Ergebniß ist hiernächst als der wirkliche Tax
werth anzusehn.') — §. 15, II. 6 A. G. O. — Res. vom 17. August 1841
I. M. B. S. 256.
3) Sind andre Grundstücke abzuschätzen, so muß,
») wenn es solche find, deren gemeiner Werth in dem Nutzen besteht, welchen
sie ihrem Besitzer gewähren, z. B. Mühlen, nutzbare Obst-, Küchen«
und Gemüsegärten, der reine Ertrag ausgemittelt, und darnach der
Anschlag bestimmt werden.
d) Beschränkt sich aber der von dem Grundstück zu erwartende Vortheil haupt
sächlich nur auf Vergnügen und Annehmlichkeiten, wie dies z. B.
schätzen, und dabei auf die Lage des Grundstücks ihr Augenmerk vorzüglich mit
zu richten.
2) die Töpfer, Lehmer, Klempner, Steinsetzer, Stukaturer, Brunnenmacher,
Schmiede, Tischler, Schlosser und Glasermeifter, über die ihnen zur Taxe
angewiesenen Stücke ihre Taxe spezifik einzureichen, und solche nicht mehr,
wie bisher geschehen ist, in tolle anzugeben.
Z. 3. Bei Abschätzung der Gärten ist von den Taxatoren auf deren Flächen
inhalt, und die Anzahl der darin enthaltenen O.Ruthen Rücksicht zu nehme«/
und genau dabei zu sehen:
1) auf den Nutzen, den solcher Garten trägt oder tragen kann;
2) auf die Güte de« Grund und Bodens;
3) auf das Vergnügen , welches für den Besitzer des Gartens durch selbigen
wirklich entsteht, «der entstehen kann; und
4) die Lage des Gartens.
Nach diesen Datis ist nach Vorschrift A. G. O. II. 6 Z. 16 der ungefähre
Werth nach vernünftigem Ermessen zu bestimmen.
§. 4. Bei Abschätzung der Wiesen und Aecker ist es bei der bisherigen Obser«
vanz zu belassen, daß solche durch die hiesigen Wrehmänner abgeschätzt werden.
g. 5. Enthält die Bestimmungen in Betreff der Gebühren der Sachverständigen.
') Z. B. der Materialien- und Bodenwerth beträgt 12,0«« Rthlr.; der Ertrags
werth 11,<X>« Rthlr.; so ist der Durchschnittswerth 11,500 Rthlr.; davon geht
aber, wenn Abgaben, Lasten und Reparaturkoften auf 22 Rthlr. zu veranschla
gen, das Kapital derselben mit 440 Rthlr. ab, und der wirkliche Werth ist mit
11,060 Rthlr. ermittelt.
714
bei Luft, und Ziergärten der Fall; so finbtt keine gerichtliche Taxe statt;
sondern ei trit an deren Stelle eine umständliche Beschreibung nach der Länge,
Grösse, und inner« Einrichtung. Nach diesen Datis, und zugleich mit Rück
sicht auf die am Orte vorhandene Bevölkerung, auf den Grad der Wohlha
benheit und des Luxus unter den Einwohnern, und auf den gewöhnliche»
Preis, welchen solche Grundstücke an diesem Orte zu gelten pflegen, muß
ein ungefährer Werth von den Taxatoren, nach vernünftigem Ermessen, be
stimmt werden.
Die bei einem solchen Grundstücke befindlichen Gebäude müssen ebenfalls
beschrieben, und wenn dazu Orangerie «der seltene Gewächse gehören, muß
ein Verzeichnis, derselben, mit einer ungefähren Angabe des Werths der ein
zelnen Stücke, der Taxe beigefügt werden. — K. 16, II. 6 A. G. O.
4) Von Gerechtigkeiten wird,
s) wenn sie, wie z. B. Sollgerechtigkeit, Fischereigerechtigkeit, Erbpachtsgerechtig
keit :c. an und für sich einen gewissen Ertrag gewähren, dieser ausgemittelt,
und die Taxe durch Kapitalisirung desselben bestimmt. Haften Lasten darauf;
so kommt deren Kapital in Abzug.
Ii) Gewähren sie dem Besitzer blos eine Gelegenheit, sich durch Anwendung sei
ner Wissenschaft, Kunst und Industrie Vortheile zu verschaffen, z. B. Bar
bier-, Krug-, Schank-, Kram-, Apotheker-Gerechtigkeit :c.; so findet keine
eigentliche Ertragstaxe statt. Vielmehr müssen in einer aufzunehmenden Be
schreibung die näheren Bestimmungen und der umfang eines solchen Rechti
verzeichnet, und es muß mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Werth, den dergl.
Gerechtigkeit an einem Orte, nach dem Verhältniß der Bevölkerung und des
Wohlstandes, so wie auch der mehr oder weniger eingeschränkten Zahl der
Berechtigten zu haben pflegen, ein ungefähres Tarquantum von den Sach
verständigen angegeben werden. Gehören zu einer solchen Gerechtigkeit ge
wisse bewegliche Zubehörungen, Utensilien und Geräthschaftenz so ist ein Ver
zeichnis; derselben der Taxe beizufügen. Vorröthe von Woaren, Materialien
u. f. w. «erden besonders tarirt.
c) Auf dieselbe Art wird bei Schätzung der Gerechtigkeiten, die keinen »ach
Gelde zu berechnenden Vortheil gewähren, sondern in blossen Ehrenrechte»
bestehen, verfahren. — z. 17, II. 6 A. G. O. — Res. vom 14. Februar
1840 I. M. B. S. 6«.
5) Schiffe können niemals nach ihrem Ertrage, sondern sie müssen lediglich nach
dem Werths der darin befindlichen Materialien an Holz, Eisen, Kupfer :c. ivgl.
des Zubehörs an Tauen, Segeln, Ankern :c. durch Sachverständige abgeschätzt
werden. Dabei sind jedesmal die Bauart des Schiffes, der Ort, wo, und die
Zeit, wann es erbaut worden, zu bemerken. Von den obgedachten Zubehörungen
ist der Taxe ein «erzeichniß beizufügen. — §. IS, II. 6 A. G. O.
c) Welche Interessenten zur Taxe zuzuziehn, und «ie lange
gegen dieselbe Einwendungen zulässig sind.
Z. 449. I. Von Aufnahme der Taxe erhalten der etwa noch lebende und dem
Aufenthalt nach bekannte Besitzer, der Extrahent, und die aus dem HypotheKvbuch
«sichtlichen Gläubiger Nachricht.') Dies geschieht
*) In Bezug auf Subhastationen solcher Grundstücke, deren Hypothekenbücher, und
resp. Grundakten bei den in Luk, Goldap, und Seidenberg stattgefunden,»
Brande serbrannt, und noch nicht wieder hergestellt sind, erhalten diejenigen Real
gläubiger Nachricht, deren Rechte bis zur Einleitung der Subhastation zu de»
' neu angelegten Grundakten angemeldet sind. - Eab.-O, vom IS. Juni u. 20.
Juli 1SS7 GS. S. 110 und 1S1.
715
1) km Falle, wo bei Grundstücken von geringem Werth (z. 447 Nro. 1.) den
Taxatoren die Aufnahme und Einreichung einer Taxe aufgegeben wird, entweder
durch Benachrichtigung hiervon, «der noch Eingang der Taxe durch Vorladung
zu einem Termin Behufs Vorlegung derselben;
2) in Fällen, in welchen ein gerichtlicher Abschätzungstermin angesetzt wird, durch
Bekanntmachung desselben ;
3) bei landschaftlichen Taxen dadurch, daß das Gericht, sobald das Kredit-
Institut dasselbe von dem Zeitraum, innerhalb dessen die Abschätzungsarbeiten
vorgenommen werden sollen, in Kenntniß gesetzt hat, die Interessenten hiervon
benachrichtigt, und ihnen überläßt, ihre Zuziehung bei der Landschaft zu be
antragen.
In allen Fällen gnügt bei Auswärtigen der Nachweis, daß die Benachrichtigung
zur Post gegeben worden.') Kommt solche wieder zurück; so ist eine weitere Be
nachrichtigung nicht erforderlich.
Jnteressirt bei der Subhastation eine fiskalische oder eine andre von der Königl.
Negierung zu vertretende Station; so ist in der an sie deshalb ergehenden Benach«
richtigung die aus dem Hypothekenbuch sich ergebende Post, in Betreff deren die
Benachrichtigung erfolgt, näher zu bezeichnen.
Bei den Theilungshalber beantragten Subhaftationen ist jedoch die Benachrich
tigung der Realgläubiger in der Regel nicht erforderlich. — (§. 451, Schlußsatz).
Z. 22—24, I. 52 A. G. O. — §. 4 Subh. Ges. vom 4. März 1834. — Res. vom
II. Mai 1836. Jahrb. 49, S. 46t. — Res. vom 22. Juli 184« I. M. B. S.
254. — Ges. vom 1l. August 1843 GS. S. 323.
II. Den demgemäß zu benachrichtigenden Besitzern, Extrahenten und Realgläu
bigern steht frei, 1. der Abschätzung, jedoch auf ihre Kosten, beizuwohnen.
2. Der Besitzer kann ferner vor oder im Termine dem Kommissarius einen An
schlag und ein Verzeichniß der beim Grundstück vorhandenen Realitäten und Zube
höre, und ihrer angeblichen Erträge vorlegen. Doch versteht es sich von selbst, daß
Kommissarius die Richtigkeit der Angaben genau und sorgfältig prüfen, auch sich
weder durch den Widerspruch und die Proteftationen des Besitzers, noch durch sein
Ausbleiben vom Vollzug seines Auftrags abhalten lassen darf.
3. Der Besitzer, der Ertrahent, die Realgläubiger und selbst die Kaufluftigen
haben die Befugniß, sowol bei Aufnahme der Taxe, als im späteren Verlaufe der
Subhastation die bei der Schätzung etwa vorgefallenen Fehler oder Versehen dem
Gericht anzuzeigen. Dieses muß die Anzeige erwägen, und wenn sie erheblich scheint,
die nähere Untersuchung derselben veranlassen, und den Ausfall dieser Untersuchung,
in so fern daraus eine Abänderung der Taxe folgt, den im Termin sich meldenden
Bietern, vor Abgabe des Gebots, bekannt machen.
Auch die landschaftlichen Behörden sind verpflichtet, die gegen eine von ihnen
aufgenommene Taxe erhobenen, und ihnen mitgetheilten Erinnerungen zu prüfen;
allenfalls dieselben an Ort und Stelle naher untersuchen zu lassen, und den Befund,
noch vor Eintrit des Lizitationstermins, dem Gerichte bekannt zu machen.
Erinnerungen gegen die Taxe, welche später als vier Wochen vor dem
") Die in diesen und in andern Fällen von dem Postamt zu vollziehenden Aktenscheine
sind so zu fassen:
daß folgende in der Subhast.-Sache de« N. N. erlassene Verfügungen
des N. R. Gerichts als
1. die an den Nr. N. zu N unter Nro. . .
2. die an den tt.
heute zur Post gegeben worden sind, wird hierdurch bescheinigt.
N. den . . ten 18 . . Postamt.
Res. vom 24. November 1836. Jahrb. 48, S. 48«.
716
BietungStermin eingehen, werben zwar in diesem Termin den Kauflustigen
bekannt gemacht; eine nähere Prüfung derselben ist aber nicht erforderlich.
4. Behaupten Personalgläubiger des Besitzers des tarirten Grundstücks, daß bei
Schätzung mehr an Jnventarienstücken und Zubehör zum Grundstück gerechnet worden,
als dazu nach den gesetzlichen Vorschriften gehöre; so muß ihnen zwar gegen die einge
tragenen Gläubiger rechtliches Gehör eröffnet, die Subhastation aber muß dadurch
nicht aufgehalten werden; sondern der Erfolg, wenn die Personalgläubiger ihre Be
hauptung ausführen, ist nur der, daß dann ein verhältnißmässiger Theil der ge
wonnenen Kaufgelder den Realgläubigern entzogen wird. — §. 21—23, 26, 27, l,
52 A. G. O. — Z. 5 Subh.-Ord. vom 4. März 1834.
Bon Erlaß des Subhastationspatents und dessen Inhalt.
§. 450. I. Nach erfolgter Aufnahme der Taxe wird Termin zur Lizita
tion verfügt. Die Bekanntmachung desselben erfolgt öffentlich (durch das Sub-
hastationsxatent).
Wenn das Hypothekenbuch des zum Verkauf gestellten Grundstücks noch nicht
regulirt, oder der Besitztitel für den zeitigen Eigenthümer noch nicht eingetragen
worden; so ist mit der Subhastation jedesmal das Aufgebot der Realpräten
denten, deren Ansprüche der Eintragung in das Hypothekenbuch bedürfen, zu ver
binden. Die Subhastationsformlichkeiten sind dann auch hierfür gnügend.
II. Das Subhastationspatent muß in jedem Falle möglichst kurz,?)
und dennoch vollständig abgefaßt werden. Es muß enthalten:
1) die Bezeichnung des zum Verkauf bestimmten Gegenstandes;»)
1) Werden im Wege der Exekution mehre Grundstücke zugleich zur Subhastation
gestellt; so ist für sämmtliche Ein Lizitationstermin anzusetzen, damit, wenn das
Gebot für ein Grundstück schon dem Exekutionssucher Befriedigung zusichert,
von Subhastation der übrigen abgestanden werden kann. — 05. S. 12 Erek.Ges,
vom 4. März 1834.
2) Alles Unnütze, wie z. B. Beschreibung des Gegenstandes nach Lage und Umfang;
spezielle Angabe der einzelnen Theile der Taxe; Bedingungen; Name des Extra-
henten; des Deputieren; Aufforderung der Kauflustigen zum Erscheinen; daß
nur Ein Termin anstehe; daß Nachgebote unzulässig; Datum des Patents;
Entfernung des Guts von den nächsten Städten u. s. w.; muß wegbleiben.
Als Formular dient folgendes:
Nothwendiger Verkauf.
„Oberlandesgericht (Land - und Stadtgericht) zu N. Das Rittergut R.
„im Kreist R. (das Haus unter den Linden Nro. — Der dem R. j»«
„gehörige Garten vor dem nschen Thore. — Das Ackergut de« N> Nro. ,
„zu N. —) abgeschätzt auf . . . Thlr. zufolge der, nebst Hypothekenschein
„und Bedingungen in der Registratur einzusehenden Taxe, soll am 1. Mai
„1846 Vormittags 11 Uhr an ordentlicher Gerichtsstelle subhastirt werden."
„Alle unbekannte Realprätendenten werden aufgeboten, sich bei Ver
meidung der Präklusion spätestens in diesem Termine zu melden."
„Die dem Aufenthalte nach unbekannten Gläubiger N.N. werden hier-
„zu öffentlich vorgeladen." — Res. vom 19. März 1835. — Res. »°m
„18. März 1829. — Jahrb. 33, S. 137.
«) Wird ein Komplexus von Grundstücken subhastirt; so werden die einzelnen Theile
desselben in der Regel im Patent nicht besonders bezeichnet, vielmehr wird der
ganze Komplexus und die GesaMmttaxe aufgeführt. Betrifft jedoch die Subha
station mehre in derselben Feldflur belegene sogenannte Wandeläcker, die Einem
Besitzer gehören, auch auf Ein Folium gebracht sind, jedoch unabhängig von
einander besessen werden, und von denen jedes besonders abgeschätzt ist, und be
sonders ausgeboten werden soll; so muß jedes einzelne Grundstück mit sei
ner besondern Taxe in das Subhastationspatent aufgenommen werden. ^ Res,
vom 3. November 1838. Gräff, Koch zc. III. S. N93. — Res. vom 1'.
März 1S41 I. M. B. S. 14S.
717
2) die Angaben des Taxwerths, >) und die Anzeige, wo die Taxe, der neueste Hy
pothekenschein und die besondern Kaufbedingungen eingesehen werden könne»;
3) die Seit 2) des Beginns der Lizitation nach Tag und Stunde, und den Ort
derselben;»)
4) das Aufgebot der Realprätendenten, falls das Hypothekenbuch noch nicht regu-
lirt, oder der Besitztitel für den zeitigen Eigenthümer noch nicht eingetragen
worden; und
5) die Vorladung der ihrem Aufenthalte nach unbekannten Interessenten.
Den zu 4 und 5 Genannten werden die Folgen der Präklusion nicht speziel
angedroht. Wird jedoch cin Grundstück subhastirt, dessen Hypothekenbuch resp. Grund
akten bei einem der Brände in den Jahren 1833 und 1834 zu Goldapp, Lyk und
Seidenberg »erbrannt und noch nicht wieder hergestellt sind; so ist allen etwanigen,
dem Gerichte noch nicht wieder bekannt gewordenen Hypothekengläubigern, und Real
berechtigten , so wie allen sonstigen unbekannten Realprätendenten, im Subhafta-
tionspatent die Warnung zu stellen:
daß bei ihrem Ausbleiben im Bietungstermine ohne Rücksicht auf sie mit
dem Zuschlage und der Vertheilung der Kaufgelder werde verfahren, und
sie mit ihren Rechten und Ansprüchen an das Gut nicht weiter werden
gehört werden. — §. 29, I. 52 A. G. O. — §. 6, 7 u. 9 Subh. Ges.
vom 4. März 1834. — Cab,-Ord. vom 13. Juni u. 20. Juli 1837 GS.
S. 11« u. 131. — Res. vom 6. Juni 184« I. M. B. S. 223. — Res.
vom 19. März 1835. Jahrb. 45, S. 203. — K. 5 Ges. vom 2. Der.
1837 GS. S. 22«.
>) Der Werth der Erbpachtgerechtigkeiten muß in den Taxinftrumenten und Sub-
haftationspatenten, damit keine Täuschung statt findet, durch Aufnahme de< rei
nen Ertragswerth« des Grundstücks zu 5 und 4 pro Cent veranschlagt, und
durch Hinzufügung des mit 4 pro Cent kapitalisirten Kanon« in folgender Art
dargestellt werden:
„Der Reinertrag des Grundstücks von . . . Rthlr. . . . Sgr. gewahrt
zu 5 pro Cent einen Taxwerth von . . . Rthlr. . . . Sgr. und zu 4 p.
Cent einen Taxwerth von . . . Rthlr. . . . Sgr. Darauf haftet ein
Erbpachtskanon von . . . Rthlr. . . . Sgr., welcher zu 4 p. C. gerech
net ein Kapital von . . . Rthlr. . . . Sgr. darstellt, so daß der Werth
der Erbxachtsgerechtigkeit zu 5 p. S. veranschlagt . . . Rthlr. . . . Sgr.z
zu 4 p. C. . . . Rthlr. . . . Sgr. beträgt." — Res. vom 14. Febr.
184« I. M. B. S. 68.
2) Der Lizitationstermin muß auf die Vormittagsstunden des bestimmten Tage?
„ anberaumt werden, auch am Bormittage beginnen, und am Nachmittage fort
gesetzt werden. — Res. vom 16. Mai 1839 I. M. B. S. 139. — Res. vom
13. Juni 184« I. M. B. S. 199.
») Die Abhaltung des Bietungstermins muß in der Regel an ordentlicher Gerichte
stelle erfolgen. An Ort und Stelle ist er nur dann abzuhalten, wenn sämmt-
liche Interessenten es ausdrücklich beantragen. — Res. vom 19. Juli 1834. Jahrb.
44, S. 94.
46
718
Fällen, wo Aushang ausreicht, von diesem, freibleibt. — Fehlt an dieser Frist etw«,
jedoch nicht mehr als 14 Tage; so wird der Zuschlag dadurch nicht aufgehalten.
Bei mehren auf ein Mal zur Subhastation gestellten Grundstücken, welche
einen Komplcxus bilden, kommt es, Behufs Bestimmung der Fristen und Formen,
auf den zusammengerechneten Werth aller Grundstücke an. — Anh. H. 4M u. 31, l.
52 A. G. O. — §. 8 Subh. Ges. vom 4. März 1634. — Res. vom 14. Oktbr.
1831. Jahrb. 38, S. 35«. '
II. Die öffentliche Bekanntmachung des Bietungstermins erfolgt
1) durch Aushang des Subhastationspatents, und zwar . >
g) bei Gegenständen zum Taxwerth bis 50« Thlr. einschließlich an der Gerichts.-
stelle und an der sonst zu öffentlichen Bekanntmachungen bestimmten Stelle m
der Ortsgemeinde, in welcher das Grundstück liegt. — Da, wo das Be
dürfnis! vorhanden, haben die Regierungen für ihren Verwaltungsbezirk, und
in Berlin das Polizeipräsidium für Berlin und dessen Polizeibezirk, das
letztere jedoch unter Genehmigung des Ministers des Innern und der Poli
zei, diesen Aushangsort zu bestimmen.
Bei Gegenständen bis zu 50 Thlr. im Werth sind diese beiden Aus-
, hänge die einzigen gesetzlich vorgeschriebenen Wege der öffentlichen Bekannt
machung;
. KV bei Gegenständen im Werths von mehr als 5S0 Thlr. an der Gerichtsfnlle.
,>,,, Für die Patrimonialgerichte ist die Gerichtsftelle am Orte, wo die Gerichts
tage abzuhalten sind. Hier muß mithin auch das Patent ausgchangen werden.
Eine rechtsgiltige Verlegung an den Wohnort des Justitiarius kann nur unter
Einwilligung des Gerichtsherrn und der Gerichtseingesessenen, und nach Geneh
migung des vorgesetzten Obergerichts geschehen. - ^
Zum Nachweise des Aushanges gnügt der Bericht des Gerichtsbotens über
die erfolgte Anheftung.
2) Durch Einrückung i) in das Jntelligenzblattundden Anzeiger des
Amtsblatts; und zwar geschieht dieselbe
s) bei Grundstücken im Werth« von mehr als 50 Thlr. bis 5<X) Thlr. einschließ
lich ein Mal;
d) bei Gegenständen von mehr als 500 Thlr. im Werth, bis 50O0 Thlr. ein
schließlich, drei Mal von Monat zu Monat, und
e) bei Gegenständen im Werth von mehr als 5000 Thlr. sechs Mal von Mo
nat zu Monat. Ist jedoch hier die Einrückung statt sechs Mal, irrthömlich
nur drei Mal erfolgt; so hindert dies dennoch nicht den Zuschlag.
Da, wo ein Jntelligenzblatt nicht erscheint, fällt die Einröckung in diese« fort. ')
3) Durch sechsmalige Eiilrückung von Monat zu Monat in eine inländische
Zeitung. Diese« letzte Bekanntmachungsmittel findet jedoch nur bei Gegenftäix
dm im Werth von mehr als S00« Thlr. Anwendung.
>) Die Funktion des Kurator« hört mit Rechtskraft des Präklusions-Urtels auf.
Bei der folgenden Verhandlung darüber, wem die Epeziolmasse zuzusprechen,
bedarf eS seiner Zuziehung nicht.
») Hat sich zu einer Rubr. III. eingetragenen Post gar Niemand gemeldet; s« ge
bührt die Spezialmasse den nächsten bei der Kaufgelderbelegung ausgefallenen
Realgläubigern, und wenn solche nicht da find, dem früheren Eigenthümer de«
verkauften Grundstücks. Daraus ergibt sich, wer als Interessent bei einer sol
chen Spezialmasse interessirt.
737
nähme auf die Grundakten des genau zu bezeichnenden berechtigten «der ver«
pflichteten Grundstück«.
Ist die Berechtigung hieraus nicht ersichtlich; so gnügt e«, wenn Srtrahent
ein glaubhaftes Anerkcnntniß des Besitzer« des verpflichteten Grundstück« bei«
bringt. Mangelt eS an einem solchen Anerkcnntniß; so kann Ertrahent verlan
gen, daß der Richter ihn ermächtige, gegen den Besitzer auf Feststellung der Be-
rcchtigung zu klagen. Das Urtheil vcrtrit alsdann die Stelle de« Anerkenntnisse«.
Wie da« glaubhafte Anerkenntnis, beschaffen sein muß, bleibt der Bcurthei-
lung des Subhast.-Richters in jedem einzelnen Falle überlassen. Der Aussteller
desselben muß nur als Eigenthümer des verpflichteten Grundstücks hinlänglich
legitimirt sein.
2) Ist die Existenz der Realberechtigung an sich ausser Zweifel, der Umfang der«
selben aber streitig; so kann die Subhastation nur dann eingeleitet und
fortgesetzt werden, wenn alle Interessenten darein willigen. Entgegengesetzten
Falls muß zuförderst der obwaltende Streit im Wege Rechtens erledigt werden.
3) Der Vermerk über Einleitung der Subhastation (§. 446, Nro. 3)
wird, wenn die Realberechtigung ein besondres Hypothekenfolium hat, auf die«
, fem, wenn aber diefelbe auf das verpflichtete Grundstück eingetragen ist, auch bei
letzterem, und zwar in der zweiten Rubrik, unter der Kolumne „Zessionen," und
wenn diese Kolumne fehlen sollte, in der Hauptkolumne mit Bezugnahme auf
die Nummer der Realberechtigung eingetragen.
Ist für da« verpflichtete Grundstück noch kein Hypothekenfolium angelegt, sa
wird eine Abschrift der die Subhastation einleitenden Verfügung zu den betres-
senden Grundakten gebracht.
4) Der bei Bestimmung des Verfahrens zum Grunde zu legende Werth wird
durch den 25fachen Betrag einer Jahresleistung festgestellt, und diese
Jahresleistung in folgender Art berechnet:
s) bei festen Getraideabgaben wird zunächst der mittlere Durchschnitts
preis der letzten 14 Jahre vor Publikation der Ordnung vom l3. Juli l82S
mit Wcglassung der 2 theuersten und 2 wohlfeilsten, so wie ferner der mitt
lere Durchschnittspreis der letzten 14 Jahre vor Einleitung der Subhasta
tion, mit gleicher Weglassung der 2 theuersten und 2 wohlfeilsten, festgestellt,
und sodann von beiden zusammen die Hälfte genommen. Diese gibt die
Grundlage des Kapitals.
b) Bei andern festen Naturalabgaben wird sie nach den von den Be
hörden veröffentlichen Durchschnittspreisen, und
e) bei Diensten nach den veröffentlichen Normalpreisen der ortsüblichen Tage-
und Fuhrlohnssätze, jedoch nach dem gesetzlichen Rückschlag von H bis Häuf
die Gegenleistungenz endlich
6) bei Zehnten von Bodenerzeugnissen nach dem Katastralwerthe (Nro. ö) bei
verpflichteten Grundstücks ermittelt.
Den Werth von zufälligen Rechten, d. h. solchen, bei denen entweder
der Zeitpunkt der Entrichtung, oder der Umfang des Gegenstandes der Leistung,
oder beides zugleich unbestimmt ist, hat das Gericht mit Rücksicht auf die Vor
schriften der Ablösungsordnung nach eignem gutachtlichen Ermessen zu veran
schlagen, und bei Einleitung der Subhastation durch eine Verfügung, gegen
welche kein Rekurs zulässig ist, zu bestimmen.
Ausser diesem, und ausser dem Hypothckcnschein oder dem Anerkenntniß zu 1
muß zur nähern Information der Kauflustigen eine vollständige Beschrei
bung der zur Subhastation gestellten Berechtigungen, ihrem Grunde, Gegen»
728
stände und Umfange nach, als die Stelle der Taxe vertretend, zu ,den Akten
gebracht werden.
Ob zur Aufnahme diefer Beschreibung und Werthsermittelung ein besondrer
Termin unter Zuziehung der bekannten Interessenten anzuberaumen ist, bleibt
dem Ermessen des Gerichts nach Beschaffenheit der Umstände überlassen.
Sollte die Ablösung der Realbercchtigung bereits eingeleitet sein; so kann auch
die Generalkommission um Mittheilung der betreffenden Verhandlungen Behufs
Ermittelung des Werths der Berechtigung requirirt werden.
6) Sind ins Besondre Zehnten von Bodenerzeugnissen Gegenstand der
Subhastationz so ist zuförderst derjenige Beamte, welchem die Aufbewahrung der
Kataster-Dokumente der betreffenden Gemeinde obliegt, zur Ausfertigung eines
Auszugs aus der Mutterrolle über die verpflichteten Grundstücke, wobei die letz
tere zur Vermeidung von Verwechselungen durch Angabe ihrer Lage und etwai
gen besondern Merkmale, so wie des gegenwartigen Besitzers und seiner Grenz
nachbarn, möglichst genau zu verzeichnen sind, zu veranlassen. — Dieser Auszug
wird dann der betreffenden Königl. Regierung mit dem Ersuchen übersandt, den
ungefähren Werth der Zehntberechtigung nach Maasgabe des Katqstrgl-Roher-
trages des zehntpflichtigen Grundstücks in GemSßheit der ministeriellen Anwei
sung zu berechnen, und diese Berechnung dem Gericht, unter Einziehung der
Kosten mitzutheilen. ^
V) Wegen der etwaigen Kaufbedingungen ist der Antrag des Ertrahenten ab-
zuwarten, und die Regulirung derselben im Bietungstermin vor Abgabe der Ge
bote zu bewirken.
7) Im Subhastationspatent ist, statt auf die Taxe, auf die nach Nro. 4
und 5 erfolgte Werthsermittelung und auf die Beschreibung der Realberechtigung
zu verweisen.
8) Vom Bietungstermin sind, ausser dem Ertrahenten der Subhaftation und
dem Schuldner, die auf die Berechtigung subinflribirten Gläubiger, und der
Besitzer des verpflichteten Grundstücks gemäß Z. 4SI, VI. in Kenntniß zu setzen.
9) Ein Aufgebot der Realprätendentcn ist mit der Subhastation nur
bann zu verbinden, wenn die zu subhastirende Realberechtigung noch nicht ein
getragen ist.
1V)Zum Kaufgelberbelegungstermin sind ausser dem Käufer ebenfalls die
unter Nro. 8 genannten Interessenten unter der Warnung des §. 453, I. vor
zuladen.
Der Zuziehung andrer Realgläubiger des berechtigten oder verpflichteten
Grundstücks, so wie der Benachrichtigung der zu Abgaben und Leistungen be
rechtigten Kassen und Anstalten bedarf es nicht.
Wohl aber sind diejenigen Gläubiger des Schuldners, welche einen
Titel zum Pfandrecht erworben, und während des Subhast.-VerfahrenS
sich gemeldet haben, vom Kaufgelberbelegungstermin in Kenntniß zu setzen,
mit der Warnung: daß auf den Ausbleibenden bei der Vertheilung der Kauf
gelder keine Rücksicht werde genommen werden.
11) Nach erfolgter Belegung der Kaufgelder werden die etwa erforderlichen
Eintragungen im Hypothekenbuch von Amtswegen gleich, wie bei Sub
hastation der Grundstücke mit den aus der Verschiedenheit des Gegenstandes sich
von selbst ergebenden Modifikationen vorgenommen.
Die rückständig gebliebenen Kaufgelder werden in der Rubrik und
unter der Nummer, unter welcher die Realberechtigung eingetragen steht, in der
Kolumne „Zessionen," oder, falls diefe Kolumne in zweiter Rubrik des Hup«
739
thekenbuchs fehlen sollte, in der Houptkolumne unter der Realberechtigung mit
Bezugnahme auf die Nummer der letztern vermerkt.
Bleibt Adjudikatar da« Kaufgeld rückständig z so steht der Resubhastation der
Realbcrechtigung Nichts im Wege.
12) Hat der Besitzer de« verpflichteten Grundstück« selbst die Real-
bercchtigung erstanden; so erfolgt nach geschehener Zahlung der Kaufgel
der die Löschung derselben. — Bleibt er das Kaufgeld ganz oder theilweise rück«
ständig; so trit das Kaufgeld an die Stelle der Berechtigung, und es wird eine
Umschreibung der letzter« im Hypothekenbuche bewirkt, ohne daß in diesem Falle
die Löschung der Berechtigung erfolgen darf.
13) Die wegen Realberechtigungcn stattgefundenen Subhastationen sind in den jähr
lich einzureichenden Geschäftsübersichten besonders aufzuführen. — Verord.
vom 1«. April 1341 GS. S. 7S. Ablös.-Ordn. vom 13. Juli 1329 §. 49,
S4—S«, «4, «5 GS. S. SS. — Jnstrukt. vom 21. Oktober 1S41 I. M. B.
S. 329.
Vom Verfahren bei Subhastation des Bergwerkeigenthum«,
so wie der Schiffe,
g. 464. Bei Subhastation der Berg - und Hüttenwerke und andern Berg«
werkscigenthums, so wie ferner bei Subhastation der See- und Stromfrachtschiffe
und Schisssparten gelten ebenfalls die für Subhastation von Grundstücken gegebe,
nen Vorschriften. Es sind nur folgende abweichende Bestimmungen zu berücksichtigen:
I. Behufs Subhastation der Berg- und Hüttenwerke und sonstigen
Bergwerkseigenthums') muß
1) statt der Taxe eine möglichst genaue Beschreibung des Werks angefertigt, darin
die Zahl der zur Zeche gehörigen Gänge und Plätze, die Mächtigkeit oder so«
stige Beschaffenheit derselben, in so fern sie bekannt sind, die Feldeslänge und der
darin geführte Bau genau angegeben, auch wenn das Werk im Betriebe ist, und
mit Ausbeute baut, das Aufbringen des letzten Jahres bemerkt, und solcherge
stalt der Kauflustige in den Stand gesetzt werden, sich mit dem Zustande und
dem Werths des Werks bekannt zu machen.
2) Bei Einrückung des Termins und Veröffentlichung de« Subha«
stationspatents kommen stäts die bei Gegenständen unter 5(XX) Thlr. vor«
geschriebenen Förmlichkeiten zur Anwendung. Dies gilt auch in Betreff der
Fortsetzung der Subhastation. lH. 451, 4S4.)
3) Wenn die Mitgewerke bei dem subhastirenden Bergamte einen Bevollmächtig
ten bestellt haben; so muß demselben der bevorstehende Verkauf und der dazu
anberaumte Termin durch Mittheilung einer Abschrift des Patents bekannt ge
macht werden. In Ansehung der Mitgewerke, welche keinen Bevollmächtigten
bestellt haben, fällt die Bekanntmachung weg. — z. 1 u. 3 Anh. Z. 410 A. G.
O. — K. 23 Subh.-Ord. vom 4. März 1834. — Cab.-Ord. vom 14. Septbr.
1834 GS. S. 1S9.
4) Ist im Bietungstermin gemäß g. 453, I. Nro. 4 eine Kaution zu bestellen;
so muß der Deputirte in Ermangelung einer Taxe die Höhe dieser Kaution nach
billigem Ermessen und nach den konkurrirenden Umständen, unter Berücksichti
gung de« nach Nro. 1 ermittelten Ertrages des letzten Jahres, oder der frühe
ren Erwerbspreise, oder der schon abgegebenen Gebote festsetzen. — Res. vom 8.
November 1836. Jahrb. 48, S. 468.
') Beim Antrage auf Subhastation Behufs Auseinandersetzung finden auch hier die
Vorschriften des z, 445, III. Nro. S Anwendung. — Res. vom 22. November
1836. Jahrb. 49, S. 437.
II. Bei SubHast ation der Seeschiffe und der Strom fr« chtschiffe wird
1) die Frist zum Lizitationstermin auf 4 bis 6 Wochen, vom Tage der er
sten Einrückung in die Intelligenz- oder Amtsblätter gerechnet, bestimmt. —
Bei Abmessung dieser Frist muß der Subhastationsrichter die Umstände, und na
mentlich berücksichtigen: ob die Subhastation in eine Jahreszeit, wo die Fahrt
offen ist, oder in eine solche trifft, wo das Schiff im Hafen überwintert.
2) Während des Laufs der Subhastationsfrist muß das Schiff, der Re
gel nach, im Hafen liegen bleiben. Wenn es jedoch die Handlungskonjunktur
und das Beste der Interessenten erfordert, daß das Schiff in der Zwischenzeit
eine neue Fahrt antrit; so kann solches vom Richter zwar nachgegeben, es muß
aber dann für gehörige Versicherung des Frachtgeldes und des Kasko gesorgt
werden.
3) Es werden drei Patente ausgefertigt, und bei Seeschiffen das eine am ge
wöhnlichen Versammlungsorte der Kaufleute und Schiffsrheder, die andern bei
den aber in benachbarten Häfen und Seeplätzen; bei Strom-Frachtschiffen
aber einzeln an solchen Orten ausgehängt, in welchen sich nach ihrer Lage un
weit des Stroms, welchen das Schiff befährt, Käufer desselben erwarten lassen.
4) Die Bekanntmachung in den Intelligenz-, und resp. Amtsblättern
'der Provinz erfolgt drei Mal; so daß von der letzten Einrückung an bis zum
Termin volle acht Tage frei bleiben.
5) In den Patenten und Bekanntmachungen erfolgt zugleich die Ediktalladung
aller unbekannten Schiffsgläubiger zum Bietungstermin unter der
Warnung der Präklusion. — Anh. zur A. G. O. z. 341—347 und 409. —
Res. vom 6. Juni 1315. Jahrb. ö, S. 34 Heft 2. — Res. vom 16. Decbr.
1837. Jahrb. SV, S. 63S.
Dreizehnter Titel. )
Vom Prozeßverfahren in Ehefachen.
. Einleitung.
§. 465. Die Schliessung einer Ehe erfolgt
1) Zwischen Personen, welche zu den im Staate aufgenommenen Religionen gehö
ren, durch priesterliche Trauung;
2) zwischen Personen, die sich zu den im Staate geduldeten Religionen bekenne»,
nach den Gebräuchen ihrer Religion.
Die Lösung des Bandes solcher Ehen kann nur durch den Tod, oder durch
richterliches Erkenntniß erfolgen. Vom Richter aber kann diese Lösung aus drei»
fachem Grunde ausgesprochen werden:
I. wegen Nichtigkeit der Ehen;
II. wegen Ungiltigkeit derselben;
UI. in Folge eines gesetzlichen Ehescheidungsgrundes. — §. 136, 137, 434, 668,
951, II. 1 A. L. R.
') Der dreizehnte und vierzehnte Titel enthalten 2 besondre Prozeßformen, welche
zu den H. 54 erwähnten hinzutreten. Beim Druck der ersten Hefte des Hd. B.
war das Ehegesetz vom 28. Juni 1844 noch nicht erschienen. Die Ehesachen
sollten daher nach dem ursprünglich angelegten Plan des Werks im Titel 10
ihren Platz finden, und der Zensurprozeß in einem Anhange aufgenommen wer
den. Das Erscheinen des Ehegesetzes hat die vorgenommene Aenderung dieses
Plans herbeigeführt.
741
l. Bon nichtigen Ehen.
§. 46S. I. Ehen, welche wegen obwaltender Verbotsgesetze niemals bestehen kön
nen, werden nichtig genannt. Die Folgen einer solchen Ehe sind:
1) daß der Richter von Amtswegen die Trennung der Eheleute und die Nich
tigkeitserklärung der Ehe betreiben muß;
2) daß dieselbe durch blosses Beseitigen des entgegenstehenden Hindernisses
niemals giltig wird; sondern daß zu diesem nochmalige feierliche Vollziehung
hinzukommen muß, wonächst sie erst von diesem Seitpunkte ab giltig ist;
3) daß die Verbundenen niemals die Rechte und Pflichten, wie aus einer wirk
lichen Ehe, erwerben;
4) daß dagegen redlichen dritten Personen, namentlich den in einer solchen Ehe er
zeugten Kindern, niemals Nachtheile daraus erwachsen. —i Z. 933, 95« fg. 946 fg.
96V—967 a. a. O.
II. Richtig ist die Ehe:
1) wenn sie geschlossen ist zwischen zu nahen Verwandten oder VerschwS-
gerten, und zwar
») zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie, diese mögen ehelich, oder
ausserehelich gezeugt sein;
K) zwischen voll- und halbbürtigen in und ausser der Ehe erzeugten Geschwistern;
c) zwischen Stief- oder Schwiegereltern, und Stief- oder Schwiegerkindern,
wenn gleich die Ehe, wodurch die Verbindung zwischen Stief- oder Schwie-
gerältern und Kindern entstanden war, durch den Tod oder richterlichen Aus
spruch wieder getrennt worden;
2) bei deren Schliessung Einer oder beide Theile noch anderweit verheira-
thet waren;')
5) wenn sie zwischen einer geschiedenen Person und derjenigen geschlos
sen ist, welche durch den mit ihr getriebenen Ehebruch, «der verdächtigen Um
gang, oder durch sonst gestiftete Mishelligkeiten Anlaß zur Trennung gegeben hat;
vorausgesetzt, daß im Scheidungsprozesse diese Umstände ausdrücklich gerügt,
und vom Richter als Ursache der erkannten Scheidung befunden worden. Wa
ren mit dem Ehebruch oder verdächtigen Umgange Nachstellungen gegen das Le
ben des andern Ehegatten verbunden, so ist eine zwischen den schuldigen Perso
nen geschlossene Ehe selbst dann nichtig, wenn die vorige Ehe durch den Tod
getrennt worden;
4) ferner die Ehe eines in wirklichem Kriegsdienst stehenden Offiziers, wenn sie
ohne Königl. Erlaubniß, und die eines Unteroffiziers, Soldaten oder
überhaupt dessen, welcher gleich diesen zur Fahne geschworen hat, wenn sie
ohne Einwilligung seines Chefs oder Kommandeurs eingegangen ist;
5) desgl. die Ehe eines Christen mit solchen Personen, welche nach den Grund
sätzen ihrer Religion sich den christlichen Ehegesetzen zu unterwerfen gehindert
werden;!)
6) endlich eine zur rechten Hand geschlossene Ehe einer Mannsperson von
Adel mit einer Frauensperson vom Bauern» «der geringem Bürgcrstande, so
fern das Obergericht nicht Dispensation ertheilt hat. — §. 935—940, 3, 4, 5,
16, 25—36 a. a. O.
l) Eine Ausnahme siehe Z. 467, I. Nro. 9.
») Die Praxis nimmt dies von Juden an, und deshalb werden in Preussen Ehe»
zwischen Christen und Juden nicht gestattet.
^42
II. Bon ungiltigen Ehen.
Z. 467. I. Ehen, welchen zwar von Anfang an gesetzliche Hindernisse im Wege
stehen, die aber doch in der Folge, durch Hebung dieser Hindernisse, verbindliche
Kraft erlangen können, werden un giltig genannt.
Die Hebung eines solchen Hindernisses kann durch nachträgliche Ergän
zung des fehlenden Erfordernisses, oder auch durch Ablauf der gesetzlich zur
Rüge bestimmten Frist geschehen. Eine nochmalige feierliche Schliessung ist
dann nicht erforderlich; vielmehr wird die Ehe, sobald das Hinderniß gehoben ist,
als von Anfang an giltig angesehen. — §. 934, 975, 976 a. a. O.
II. Ungiltige Ehen können nur auf Anrufen dessen, welcher das Ehe-
hinderniß zu rügen nach den Gesetzen berechtigt ist, als nichtig aufge
hoben werden. Erfolgt die Aufhebung; so gilt auch von solchen Ehen das im vo
rigen § unter I. Nro. 3 und 4 Gesagte. — Z. 973, 974 a. a. O.
III. Als ungiltig können angefochten werden:
1) Ehen zwischen einem Neffen und der den Jahren nach älteren Schwe
ster seines Vaters oder seiner Mutter, so fern nicht der Staat die
Genehmigung ertheilt hat;
2) die ohne Genehmigung des Staats zwischen dem einen Ehegatten, und den
mit einem andern Vater oder einer andern Mutter vor dieser Ehe erzeugten
unehelichen Kindern des Andern geschlossenen Ehenz^)
A) zwifchen Personen, deren eine die andre an Kindesstatt angenommen hat, vor
Aufhebung der Adoption geschlossene Ehen. Ist die angenommene Person
noch minderjährig; so muß das Vormundschaftsgericht, wenn nach Prüfung durch
einen ernannten Kurator wirkliche Abneigung des Pflegebefohlenen oder ein über
wiegender Nachtheil sich herausstellt, die Aufhebung der Ehe beantragen. War
der Adoptirte bei der Heirath schon großjährig ; so kann er die Ungiltigkeit der
Ehe nur innerhalb sechs Monaten nach deren Vollziehung rügen.
4) Ehen, welche ein Vormund zwifchen sich, oder seinem Kinde und ei
ner, seiner Pflege befohlenen Person, ohne vorherige Untersuchung und
Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, geschlossen hat. Dieses muß nach
Entsetzung des Vormundes und Bestellung eines andern in gleicher Art, wie im
Falle zu 3, prüfen, und bei vorhandener wirklicher Abneigung des Pflegebefohle
nen, oder bei überwiegendem Nachtheil auf Richtigkeitserklärung antragen. Ist
dies während der Minderjährigkeit nicht geschehen z so hat die Pflegebefohlene Per
son noch von erlangtem 24sten Lebensjahre sechs Monate lang die Befugniß, die
Ungiltigkeit der Ehe zu rügen.
5) Die von einer Mannsperson vor zurückgelegtem achtzehnten, und
von einer Frauensperson vor zurückgelegtem vierzehnten Jahre
geschlossene Ehe, kann von dieser Person nach erlangtem mannbaren Alter binnen
S Monaten, und so fern dieselbe zur Zeit der Heirath weder unter einem Va
ter, noch unter einem Vormunde steht, vom vormundschaftlichen Gericht in Ge
mäßheit der Bestimmung zu 4 angefochten werden.
6) Die Ungittigkeit einer Ehe, bei welcher es von der einen oder andern Seite an
der Einwilligung des leiblichen Vaters ermangelt, muß von diesem bei
Vermeidung der Willigkeit, binnen 6 Monaten nach erhaltener Nachricht von
der Vollziehung der Ehe, gerichtlich gerügt werden.
') In den Fällen zu 1 und 2 wird hauptsächlich der Staat den Antrag auf Auf
hebung der Ehe zu machen haben. Da das Ehegesetz den Staatsanwalt nur
zur Anfechtung der nichtigen Ehen ermächtigt, so wird er für diese beiden Fälle
jedesmal Autorisation erhalten müssen.
743
7) Venn minderjährige vaterlose Waisen, ohne Einwilligung der Mutter,
G.roßältern oder Vormünder heirathen; so findet das unter Nro. 4 Ge
sagte Anwendung.
S) Eine durch Zwang, Betrug, oder Jrrthum veranlaßte Ehe wird ver
bindlich, wenn sie nach entdecktem Jrrthum oder Betrug, oder nach aufgehobe
nem Zwange, ausdrücklich genehmigt, oder länger als sechs Wochen nach diesem
Zeitpunkte fortgesetzt worden. — Als wesentlicher, die Willenserklärung entkräf
tender Jrrthum wird namentlich angesthn, wenn in der Person der künftigen
Ehegatten, oder in solchen persönlichen Eigenschaften, welche bei Schliessung ei
ner Ehe von dieser Art vorausgesetzt zu werden pflegen, geirrt worden ist. —
z.,S Anh. L. 62. §. 13 fg. §. 37—S2. K. 968—999 a. a. O.
9) Endlich ist die von einem bereits Verheiratheten eingegangene zweite
Ehe nicht nichtig, sondern nur ungiltig, wenn die vorige Ehe aus einem un
verschuldeten Jrrthum für getrennt angenommen worden, da sie doch noch wirk
lich bestanden hat. — Für einen unverschuldeten Jrrthum ist es zu halten, wenn
der wirklich noch nicht erfolgte Tod des vorigen Ehegatten gesetzmässig beschei
nigt war; oder wenn die vorige Ehe durch ein richterliches Erkenntnis, dem
aber ein wesentliches Erforderniß der Billigkeit ermangelte, für getrennt erklärt
worden. In jedem Falle darf jedoch der zur zweiten Ehe schreitende Theil den
vorLefallenen Fehler weder vorsätzlich, noch durch eignes grobes oder mössiges Ver
sehen selbst veranlaßt hgben, da sonst die Ehe von Anfang an nichtig ist. —
§.M2 bis z. 94S a. a. S.
M. Von den gesetzlichen Ehescheidungsgründen.
K. 463. I. Giltige Ehen können nur aus gesetzlichen Gründen durch richterli
chen Ausspruch getrennt werden. Gesetzliche Eheschcidungsgründe sind:
t. Ehebruch, dem auch s) Sodomiterei und andre unnatürliche
Sünden dieser Art, und d) unerlaubter Umgang, wodurch eine dringen
de Vermurhung der verletzten ehelichen Treue begründet wird, gleich
geachtet werden.
Eine Frau, welche sich des Ehebruchs schuldig gemacht hat, kann unter dem
Vorwande, daß dem Manne ein gleiches Vergehen zur Last falle, der Scheidung
«icht widersprechen. — Sonst berechtigt dieser Grund nur den unschuldigen
Ah« U zur «lsge auf Scheidung. — §. 668—673, 1 A. L. HZ.
Blosser Verdacht ist zur Trennung der Ehe nicht hinreichend. Ist jedoch schein
barer Anlaß zu einem solchen Argwohne vorhanden; so muß dem beschuldigten Ehe
gatten auf Anrufen des Andern der fernere Umgang mit dex verdächtigen Person
gerichtlich untersagt werden.
Setzt derselbe, dieses Verbots ungeachtet, einen vertrauten Umgang mit der ver
dächtigen Person fort ; so ist dies ein erheblicher Grund zux Ehescheidung. — K. 674—
676 a. a. O.
2. Bösliche Verlassung. Die blosse Veränderung des bisherigen Auftnt-
Halts ist für eine bösliche Verlassung nicht zu achten. Vielmehr ist,
s) wenn der Mann einen neuen Wohnort wählt, die Frau ihm dahin zu folge»
verbunden. Weigert sie sich dessen beharrlich 477)z so jst der Mann auf
Scheidung anzutragen wohl befugt. Nur
??) wenn der Wann wegen begangener Verbrechen, oder sonst wider t>ie Gesetze,
sich aus den Königl. Landen entfernt hat; oder
bd)der Frau die Pflicht, dem Manne zu folgen, durch einen vor der Heirath
geschlossenen Vertrag erlassen worden,
V Ve, H,m z» folgen, nicht veWsMtet. Dagegen ,ist
744
b) der Mann in allen Fällen die Frau, welche an seinen veränderten Wohnort ihm
folgen will, anzunehmen in der Regel schuldig. Weigert er sich dessen beharr
lich und ohne hinreichenden Grund (e)z so gibt er dadurch der Frau rechtmässi«
gen Anlaß, auf die Scheidung anzutragen.
«) Verläßt die Frau den Mann ohne dessen Einwilligung oder rechtmässigen Grund
der Entfernung, so kann der Mann, nach fruchtlosem richterlichem Einschreiten
Behufs Bewirkung der Rückkehr sz. 477), auf Trennung der Ehe dringen.
Kehrt jedoch in solchem Fall die Frau zurück, so ist der Mann in keinem
Falle sie eher anzunehmen verpflichtet, als bis sie ihren inzwischen geführten
unbescholtenen Wandel durch glaubhafte Zeugnisse nachgewiesen hat.
6) Hat ein Ehegatte sich in der Art entfernt, daß sein Aufenthalt unbekannt, oder
dergestalt ausserhalb der Königl. Staaten entlegen ist, daß keine richterliche Ver
fügung zur Wiedervereinigung der getrennten Ehe stattfinden kann; so kann,
ss) wenn aus den bescheinigten Umständen wenigstens eine dringende Vermu-
thung des Vorsatzes, den zurückgebliebenen Ehegatten zu verlassen, begründet
wird, dieser nach Ablauf eines Jahres, und
dd)wenn von den eigentlichen Gründen der ersten Entfernung Nicht« mit hin
länglicher Wahrscheinlichkeit ausgemittelt werden kann, nach Ablauf zweier Jahre,
die öffentliche Vorladung des Verschwundenen, und wenn er sich nicht meldet,
die Scheidung beantragen. In beiden Fällen läuft die Frist von der Zeit an,
da die Entfernung des Entwichenen bemerkt worden. Auch muß der Zurückge
bliebene während dieser Fristen alle ihm mögliche Mühe angewendet haben, den
Aufenthalt des Weggegangenen zu erforschen.
ce) Nur die Ehefrau eines entwichenen Soldaten, so wie der Ehegatte eines
Verbrechers, welcher sich der auf das verübte Verbrechen gesetzten Zuchthauö-
oder Festungsstrafe durch die Flucht entzogen hat, ist sofort, ohne Abwar-
' . tung irgend einer Frist, die Scheidung zu beantragen befugt.
gch Erhellt aus den Umständen, daß der abwesende Ehegatte aus erheblichen
und erlaubten Gründen sich entfernt hat, so kann nur nach Ablauf der
gesetzlichen Frist im Wege der Todeserklärung die Ehetrennung erfolgen. —
(§. 315 fg.). K. S77—693. Anh. Z. «« a. a. O. — §. 61 fg. Ges. vom
28. Juni 1844 GS. S. 192—295.
3. Halsstarrige und fortdauernde Verfagung der ehelichen Pflicht;
desgl. wenn ein Ehegatte durch seinBetragen, bei oder nach der Bei-
wohnung, die Erreichung des gesetzmässigen Zwecks derselben vor
sätzlich hindert. — §. 694, 695, II. 1 A. L. R.
4. Gänzliches und unheilbares Unvermögen zur Leistung der ehe
lichen Pflicht, auch wenn es während der Ehe entstanden ist; so wie andre
unheilbare körperliche Gebrechen, welche Ekel und Abscheu erregen,
oder die Erfüllung der Zwecke des Ehestandes gänzlich verhindern. —
z. 696, 697 a. a. O.
5. Raserei und Wahnsinn, in welche ein Ehegatte verfällt, wenn sie
über Ein Jahr ohne wahrscheinliche Hoffnung zur Besserung fort
dauern. — 698 a. a. O.
6. Nachstellungen nach dem Leben des andern Ehegatten; VerÜbung
solcher Thätlichkeiten an ihm, welche desselben Leben oder Gesundheit in Ge
fahr setzen; ferner grobe und widerrechtliche Kränkungen der Ehre oder der
persönlichen Freiheit des andern Ehegatten. Alle diese Gründe berechtigen den Be
leidigten zum Antrage auf Trennung.
Bios mündliche Beleidigungen, und geringe Thätlichkeiten sind unter Personen
gemeinen Standes gar nicht, und unter Eheleuten mittleren und höhnen Standes
745
nur dann ein Scheidungögrund, wenn der beleidigende Ehegatte sich derselben ohne '
dringende Veranlassung, muthwillig und wiederholt schuldig macht.
Unverträglichkeit und Zanksucht werden eine gegründete Scheidungsursache, wenn
sie zu einem solchen Grade von Bosheit steigen, daß dadurch des unschuldigen TheilS
Leben oder Gesundheit in Gefahr gesetzt wird. — §. 699—703 a. a. O.
7. Grobe Verbrechen gegen Andre, wegen welcher ein Ehegatte harte und
schmähliche Zuchthaus- oder Fcstungsstrafe nach Urtel und Recht erlitten hat; fer
ner, wenn ein Ehegatte den andern solcher Verbrechen vor Gericht, ge
gen besseres Bewußtsein, fälschlich beschuldigt; ferner, wenn ein Ehegatte
durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen den Andern in Gefahr
bringt, Leben, Ehre, Amt oder Gewerbe zu verlieren; endlich, wenn
ein Ehegatte ein schimpfliches Gewerbe ergreift. — 8.704—707 a.a.O.
8. Trunkenheit, Verschwendung, oder unordentliche Wirthschaft,
wenn die auf Anrufen des unschuldigen Theils vom Richter Behufs Besserung und
Abwendung der nachtheiligen Folgen getroffenen Verfügungen erfolglos gewesen. —
z. 708—7l« a. 0. O.
9. , Mangel an UnterhaltSeitens der Fraudann, s) wenn der Mann
durch begangene Verbrechen, Ausschweifungen oder unordentliche Wirthschaft sich zu
ihrer Ernährung selbst ausser Stande gesetzt hat; und K) wenn der Mann ihr den
Unterhalt versagt; die Verpflegungsgelder für sie richterlich festgesetzt und eingezo
gen werden, und der Mann mit Versagung des Unterhalts dennoch beharrlich fort
fährt. — Z. 711—714 a. a. O.
10. Religionsveränderung in so weit, als der Unterschied der Religion
von Anfang an ein Ehehinderniß ist. (8. 466, II. Nro. 5.) - §. 71S a. a. O.
In allen Fällen ist nur der unschuldige Theil zum Antrage auf Scheidung
berechtigt.
11. Gegenseitige Einwilligung nur dann, wenn die Ehe ganz kin
derlos, und weder Leichtsinn oder Uebereilung, noch heimlicher Zwang von einer oder
der andern Seite zu besorgen ist.
Sonst soll Scheidung wegen behaupteter Abneigung in der Regel nicht erfolgen.
Doch soll dem Richter erlaubt sein, in besondern Fällen, wo nach dem Inhalte der
Akten, der Widerwille so heftig und tief eingewurzelt ist, daß zu einer Aussöhnung
und zur Erreichung der Zwecke des Ehestandes gar keine Hoffnung mehr übrig
bleibt, eine solche unglückliche Ehe zu trennen. — Der wider den Willen des An
dern auf Scheidung Beharrende ist dann als schuldiger Theil zu erachten. — §. 716—
71S b a, g. O^,"
II. Die Scheidungsklage ist jedoch nicht statthaft:
1) wenn der auf Scheidung Dringende den andern Ehegatten, welcher die Ehe fort
setzen will, zu den Vergchungen, worauf die Klage gegründet wird, durch sein
unsittlichesBetragen selbst veranlaßt hat;
2) wenn die als Klagegrund angeführten Beleidigungen bereits ausdrücklich ver
ziehen worden; und
3) wenn der beleidigte Ehegatte, nach erhaltener überzeugender Kenntniß von der
Beleidigung, die Ehe ein Jahr hindurch, ohne sie zu rügen, fortgesetzt hat.
Blos aus Leistung der ehelichen Pflicht ist kein Verzicht auf das Recht zur
Scheidungsklage zu folgern. — Z. 719—722 a. a. O. . ..
gerichtlich, oder bei gemeinen Landleuten vor Schulze» und Schoppen abgeschlos
sen, oder wenn mit beiderseitiger Einwilligung das ein- oder mehrmalige A«f-
gebot erfolgt ist.
2. Geschieht mit der Klage auf Ehelichung zugleich Einspruch gegen eine
vom Beklagten anderweit beabsichtigte Ehe; so muß, wenn das Erforderniß
zu 1 vorhanden, und Gefahr im Verzuge ist, der Richter
s) sofort die nöthige Verfügung erlassen, daß bis zur erfolgenden näheren Er
örterung Alles im vorigen Stande, und das fernere Aufgebot und die Ko
pulation ausgesetzt bleibe;
b) den Provokanten, wenn er nkht mit einem rechtskundigen Assistenten ober
Bevollmächtigten versehen ist, bedeuten, daß unbegründeter Einspruch al«
Beleidigung gestraft werde; und
c) beide Theile zur Sühne, und allenfalls zur Regulirung des Jnterimiftizi
, vorladen;
6) wenn jene nicht zu erreichen, auch gütlich da« Interimistikum nicht festzu
stellen, und Beklagter die Aufrechtyaltung de« EhcgelöbnisseS weigert, wegen
Aufhebung oder Fortdauer der zu 2 s «erfügten Inhibition das Gesetzliche
veranlassen.
3. Bei der Instruktion wird dann hauptsächlich da« Interesse des «lägers
erörtert. — Z. 1—12, I. 40 A. G. O. Z. 82 , 83, 92, 164 Anh. §. 67, II.
1 A. L. R.
.II. Verweigern Aeltern ihrem Kinde die Einwilligung zur Heirsth; so ist
diejenige Person, welche dieses Heirathen will, zur Klage auf Ertheilung des
Konsenses vornemlich legitimirt. Sie muß ab« zugleich bescheinigen, daß die
Person, welche sie Heirathen will, mit der Heirath einverstanden ist. Auf eine
solche Klage wird sodann Provokant, und die Provokaten nebst dem Kinde zum
Termin vorgeladen. De? Deputirte muß von diesem eine freie Erklärung: ob
es' für od» gegm die Weigerung der Atttern sei? zu erlangen suchen. Ist es
mit der Weigerung einverstanden ; so wird die Klage durch Verfügung zurückge
wiesen. Andernfalls wird die Sache inftruirt und erkannt.
Während des Prozesses dürfen die Aeltern über die Person de« Kindes keine
solche Verfügung treffen, wodurch die Rechte des Klägers vereitelt, ilM derM
Ausführung erschwert, od« ein die Freiheit des Willens beschränkender Einfluß
riber das Kind ausgeübt werden könnte. — Werden vom Kläger Besorgnisse
dieser Art angeführt und bescheinigt; so muß der Richter das Erforderliche zu
seiner Sicherstellung nach Vorschrift der Gesetze verfügen. — §. 13^—19, I. 4«
A. G. O. I. 14. Z. 107 fg. A. L. R.
48*
752
d) auf Verabreichung der Verpflegung Seitens des Mannes,
Annen im Scheidungsprozesse noch
c) wegen Sicherftellung des Vermögens und
S) wegen Erziehung der Kinder in der Zwischenzeit, .
Anträge gemacht und erörtert werden. > )
Die Regulirung des Interimistikums in Betreff dieser Punkte kann nachge
sucht werden, sobald die Anzeige zum Zweck des Sühneversuchs (§. 471)
erfolgt ist.
Der Geistliche (resp. Rabbiner) hat hierüber auf Verlangen ein Attest zu
«Heilen. — Z. 55 a. a. O. — Z. 53, l. 4« A. G. O. ^ >
III. Zur Regulirung de« Interimistikums ist nur das Ehegericht erster
Instanz befugt, welches jedoch die Instruktion desselben kommissarisch, namentlich
durch den persönliche» Richter, führen lassen kann.
Die Verhandlung desselben erfolgt getrennt von der Hauptsache und in beson
dern Protokollen. Dabei kommt nicht das in vorstehenden U abgehandelte Ver
fahren zur Anwendung. Vielmehr gilt folgendes:
1) der zur Verhandlung beauftragte Richter setzt nahen Termin zur Verneh
mung beider Eheleute an, und sucht ein gütliches Einverständnis? über das
Interimistikum unter ihnen zu bewirken.
2) Gelingt dies nicht; so muß er die, nach feinem Ermessen, auf die Befiimmurg
des Interimistikums Einfluß übenden Thatsachen, so viel in der Kürze und
ohne förmliche weitläufige Instruktion geschehen kann, ins Licht zu fetzen be
müht fein. 2)
S) Auf die hierauf dem Ehegericht überreichten Verhandlungen setzt dieses das In
terimistikum durch eine blosse Verfügung, sgegen welche kein Rechts
mittel, auch nicht der Rekurs, zulässig ist, fest. «)
4) Wenn das Interimistikum vor Anstellung der Ehescheidungsklage festgesetzt wird;
so hat das Ehegericht die Fristen zu bestimmen, mit deren Ablauf es
seine Kraft verliert, wenn die Klage nicht angestellt ist.
Auch erlöscht dasselbe in diesem Falle, wenn die Klage durch ein Dekret zu«
rückgewiesen wird.^) — §. 53—56, I. 40 A. G. O. — Z. 55—60 «Ks. vom
23. Juni 1844. >- - - : ^
IV. Die Auseinandersetzung wegen de« Vermögen« zwischen den
Eheleuten gehört nicht in den Scheidungsprozeß. Sie kann, sofern deshalb ge
richtliches Verfahren nöthig wird, erst nach rechtskräftigem Scheidung««
urtel vor sich gehen. , . . .
mit der Ehescheidungsklage zugleich Anträge auf Entscheidung
') Weigert sich der Mann ohne rechtlichen Grunds die Frau bei sich aufzunehmen;
so kann die Frau selbst, ohne deshalb zur Klage auf Ehescheidung genöthigt
zu sein, Alimentation verlangen. Der persönliche Richter des Mannes ist bann
zur Verhandlung der Sache kompetent. Der Mann muß auf einen dcsfalsi-
gen Antrag gehört, und falls er Einwendungen macht, die Sache im geeigne
ten Prozeßverfahren erörtert, und darüber erkannt werden. — Res. vom 10.
März 1841 I. M. B. S. 124. . i. ' , „
754
c) Meldet sich der Borgeladene weder vor, noch in dem anstehenden Termine,
so muß der klagende Theil schwören:
daß er seit der in der Klage angegebenen Zeit so wenig vor, als nach
Erlassung der Ladung, von dem Aufenthalte des Vorgeladenen Nach«
richt erhalten habe.
g> Nach Ableistung dieses Eides, und wenn zugleich in Ansehung der Ladung
die vorgeschriebenen Legalitäten beobachtet sind, wird die Ehe durch ein Er-
kenntniß getrennt. Dies wird dem klagenden Theile durch Zufertigung, dem
Abwesenden durch 14tägigen Aushang an der Gerichtsstelle, publizirt. (Z.
ISS Hd. B.)
2. Wenn ein Ehegatte wegen eines solchen Verbrechens, das an sich
^inen gesetzmässigen Grund zur Ehescheidung enthält (Z. 4S8, l. 7), zu einer Krimi-
«olftrafe wirklich verurtheilt ist, und sich dieser Strafe durch die Flucht entzogen
Hätz so bedarf es, falls der unschuldige Ehegatte auf die Scheidung klagt, keiner
Ediktalladung. ES ist hinreichend, wenn die ordentliche Vorladung an gewöhnli
cher Gerichtsstelle des Ehegerichts feines letzten inländischen Wohnorts angeschlagen,
und zwei Mal in die Zeitungen der Provinz eingerückt wird. Hiernächst wird auf
Scheidung erkannt.') — Klagt aber der unschuldige Ehegatte in solchem Falle zu
gleich auf Ehescheidungsstrafe; so muß die Ediktalladung ergehen, und gemäß
Nro. 1 verfahren werden.
3. Ist der entwichene Ehegatte des, die Scheidung begründenden, Verbrechens
erst bezüchtigt, aber noch nicht wirklich zur Strafe verurtheilt; so muß ebenfalls
Ediktalladung gemäß 1 ergehen. Diese Ladung geschieht unter der Warnung:
daß er des angeschuldigten Verbrechens in Bezug auf die Ehescheidungs
klage für geständig erachtet werden würde.
4. Kehrt in einem dieser Fälle zu 1—Z der verklagte Theil auf die an ihn
ergangene öffentliche Vorladung des Ehegerichts zurück, und meldet er sich bei diesem,
bevor die Ehe rechtskräftig geschieden ist; so treten die in den §. 472—476 und
I. Nro. 2—5 dieses 8 aufgestellten Regeln des Eheprozesses ein. — K. 68, 69 a.
«. O. — z. 5« — 64 Anh. §. 295, I. 4« A. G. O. — Res. vom 24. August
1806. Rabe 8, S. 655.
Aussetzung des Erkenntnisses bei einigen Scheidungsgründen, und
:' Zurücknahme der Klage.
Z. 478. l. Ehescheidungsklagen, welche nicht auf Ehebruch, auf die §. 477, II.
erwähnte bösliche Verlassung, auf Raserei oder Wahnsinn, auf grobe, mit harter
und schmählicher Zuchthausstrafe bestrafte Verbrechen, oder darauf gegründet wer
den, daß der verklagte Theil dem klagenden nach dem Leben getrachtet habe, sind
zwar nach den Bestimmungen Z. 472—474 zu behandeln. Es soll jedoch in solchen Pro
zessen nicht sofort die Ehescheidung ausgesprochen, sondern, wenn der Scheidungs
grund zulänglich und hinlänglich festgestellt ist, die Publikation des Erkenntnisses
aufein Jahr, vom Abschluß der Sache an, ausgesetzt werden.
Bon dieser Regel kann jedoch eine Ausnahme eintreten, wenn der Richter sin,
det, daß keine Hoffnung zur Aussöhnung vorhanden ist.
Wird die Publikation des Erkenntnisses ausgesetzt; so kann
g) den Eheleuten während dieser Zeit erlaubt werden, von einander getrennt zu leben.
1,) Das Ehegericht muß dann, den Umständen gemäß, nach billigem Ermessen,
ohne Erstattung eines besondern Prozesses darüber, festsetzen:
') Das Res. vom 24. August 1806 nennt dies Erkermtviß einen in Form des
Erkenntnisses ertheilten Scheidebrief. Doch ändert dieser Ausdruck Nichts in
der Form und dem Verfahren des Prozesses.
755
wie es Inzwischen mit dem Unterhaltt der Ehefrau, mit Erziehung und
Verpflegung der Kinder, auch mit einftmeiliger Sicherung de« Vermö
gens zu halten sei.
o) Nach Verlauf der bestimmten Frist muß ein nochmaliger Sühneversuch') von
Amtöwegen angestellt, und wenn auch dieser fruchtlos ist, das Erkenntniß
ohne weiteren Verzug eröffnet werden. — K. 70, 71 Ges. vom 28. Juni 1844. —
§. 728-750, II. 1 A. L. R.
II. Bit zur Rechtskraft des EhescheidungSurtels kann die Klage zurückgenom
men werden. Die auf diese Klage ergangenen Urtheile verlieren alsdann in allen
Bestimmungen ihre rechtliche Wirkung, und die Thatsachen, aus welchen geklagt
worden, können als selbstständiger Scheidungsgrund nicht mehr geltend gemacht
werden. — §. S3 Ges. vom 2«. Juni 1844.
Vierzehnter Titel.
»er ZensurprozeV.
Bon dem Oberzensurgericht, dessen Kompetenz und dem
Staatsanwalt.
K. 479. I. Das Oberzensurgericht ist unabhängig von der Zensurverwaltung,
und steht unter der Oberaufsicht des Justizministers. Es besteht au« dem Präsi
denten, und mindestens acht Mitgliedern, von denen 2 aus den Mitgliedern der
Akademie der Wissenschaften und der Universität zu Berlin, die übrigen au« Per
sonen, welche zum höhern Richteremit qualifizirt sind, gewählt werden. Von dm
letztern scheidet alle drei Jahre die Hälfte aus, und zwar sind jedesmal diejenigen
die Ausscheidenden, welche bereits 6 Jahre fungirt haben. Doch können sie von
Neuem ernannt werden. — Z. 10 Verordn. vom 23. Februar 1843 GS. S. S1. —
Eab.-Ord. vom 29. Mai 1843 GS. S. 229.
II. Zur Kompetenz des Oberzensurgerichts gehört:
1) die Entscheidung über Beschwerden, welche gegen die, Seitens der Zensorm oder
Oberpräsidenten erfolgte Versagung der Druckcrlaubniß geführt werden;
2) der Ausspruch von Debitsverboten gegen solche Schriften, welche nicht schon ge
setzlich für verboten zu erachten sind; ausgenommen hiervon bleibt jedoch die
Verfügung von Verboten gegen auswärtige politische Zeitungen;
3) Die Ertheilung oder Entziehung der Debitserlaubniß für Schriften, welche aus
serhalb der Staaten des teutschen Bundes in teurlcher Sprache, oder ausserhalb
der preussischen Staaten in polnischer Sprache gedruckt sind, jedoch ebenfalls
mit Ausnahme der politischen Zeitungen;
4) die Entscheidung über den Verlust von Privilegien oder Konzessionen zu Zeitun
gen oder andern Seitschriften (An. XVII. Ed. vom 18. Oktbr. 1819), so wie
über die Zurücknahme der dem Redakteur einer privilegirten Zeitung ertheilten
Bestätigung, ingl. über die Entfernung des Redakteurs einer konzesfionirten Aeitungz
5) Die Entscheidung über den Verlust des Rechts zum Gewerbe des Buchhandels
oder der Buchdruckerei in denjenigen Fällen, in welchen dieses Recht durch Ueber-
tretung der Zensurgesetze verwirkt wird;
S) das Verbot des Debits sämmtlicher Verlags- und Kommissionsartikel einer aus
ländischen Buchhandlung, welche, der ausdrücklichen Verwarnung ungeachtet, fort-
') Dieser wird In Gemäßheit des §. 474, ll. nicht aber nach §. 471 vorgenommen.
756
fährt, verwerfliche Schriften im Jnlande zu verbreiten.^- Z. 11 Verordn. vom
2S. Februar 1843.
III. Beim Oberzensurgericht fungirt ein rechtsverständiger Staatsan-
- walt. Er wird vom Könige zu diesem Amte ernannt, aus welchem er auf den
Antrags Ministers des Innern jederzeit vom Könige wieder entlassen werden
kann. — M^st in seiner Amtsführung dem Minister des Innern untergeordnet. —
Er hat die Entscheidung des Oberzensurgerichts in allen Fällen, wo das öffentliche
Interesse es erheischt, zu beantragen, und dieses Interesse bei den Verhandlungen
zu oertheidigen. — Das Gericht darf in keiner der unter II. gedachten Sachen ent
scheiden, bevor nicht der Staatsanwalt mit seiner Erklärung gehört worden ist. —
Die Entscheidungen des Gerichts sind ihm stäts vollständig mitzutheilen, und hat er
von denselben dem Minister des Innern, Behufs der erforderlichen weitern Verfü
gungen, Anzeige zu machen. — Auch hat er die betreffenden Verwaltungsbehörden
zu benachrichtigen, wenn er von dem Erscheinen unzulässiger Schriften, von gefetz
widrigen Handlungen der Zensoren, oder von begangenen Jensurvergehen Kennt
nis erhält.
Ist der Staatsanwalt vorübergehend an der Ausführung seines Amts behin
dert, so kann vom Minister des Innern ein Stellvertreter ernannt werden. — 1. 12 das.
Allgemeine, da« Verfahren beim Oberzensurgericht und das Er-
kenntnifz betreffende Bestimmungen.
§. 480. Das Oberzensurgericht hat
in den seiner Amtswirksamkeit zugewiesenen Angelegenheiten nie von Amts
wegen, sondern nur auf den Antrag einer betheiligten Privatpartei, oder des
Staatsanwalts einzuschreiten. Es muß
2) jedem Erkenntnisse ein schriftliches Verfahren vorausgehen las
sen, in welchem s) über die Anträge der betheiligten Privatpartei, der Staats
anwalt, oder d) über die Anträge des Letztern, die dabei betheiligte Privatpar
tei, zu hören ist.
3) Das Verfahren ist in der Regel auf eine Schrift, und eine Gegenschrift zu be
schränken. — Ausser dem Falle jedoch, wo der Antrag des Staatsanwalts auf
ein zu erlassendes Debitsverbot für nicht gerechtfertigt erachtet wird, ist das
Oberzensurgericht befugt, nach Umständen einen nochmaligen Schriftwechsel zu
gestatten.
4) Jede Erklärung, zu welcher der Staatsanwalt, oder die Privatpartei von dem
Oberzensurgericht aufgefordert wird, muß binnen einer angemessenen präklusi-
vtschen Frist abgegeben werden, welche das Oberzensurgericht in der Verfü
gung ausdrücklich zu bestimmen hat.
Eine Verlängerung dieser Frist findet nur in Fällen unbedingter Nothwev-
digkeit statt.
5) Die Thatsachen, auf welche in der Gegenausführung nicht geantwortet wird, sind
für zugestanden, nicht angefochtene Urkunden und Schriften für anerkannt, nicht
angebrachte Einwendungen für ausgeschlossen zu erachten.
H) Die Entscheidungen dcS Oberzensurgerichts erfolgen auf den schriftlichen
Vortrag zweier Referenten nach Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleich
heit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Zu einem giltigen Be
schlüsse ist die Anwesenheit von mindestens ö Mitgliedern, einschließlich des Bor-
sitzenden, erforderlich. Gegen die Entscheidung de« Gerichts ist weiter keine
Berufung zulWg. — Dasselbe entnimmt die GMnde seiner Entscheidungen
aus den gesetzlichen Vorschriften.
Sollten besondre Zeitumstände vorübergehend den Erlaß von speziellen An
757
Weisungen an die Zensoren über die Gestattung ober Versagung de« Drucke« ober
Debits von Schriften und Artikeln, welche sich auf politische Verhältnisse de«
Inlandes oder auf auswärtige Staaten und Regierungen beziehen, nothwendig
machen; so hat das Oberzensurgericht solche Anweisungen, wenn sie mit Geneh
migung des Königs erfolgt, und zu seiner Kenntniß gebracht sind, bei seinen
Entscheidungen über diejenigen Beschwerden zu befolgen, welche wegen der, durch
die Zensoren resp. Oberpräsidenten erfolgten. Versagung de« Druckes oder Debits
solcher Schriften und Artikel bei demselben erhoben werden.
7) Was die Form der Entscheidung betrifft, so sind im Eingange die beim
Beschluß anwesenden Mitglieder stäts namentlich anzuführen. Die Aktenerem-
plare der Entscheidungen sind vom Präsidenten, und den anwesenden Mitglie
dern zu unterzeichnen. Die Ausfertigungen, welche dem Staatsanwalt und
der Privatpartei zu ertheilm sind, «erden nur vom Präsidenten unterschrieben.
Dem Ermessen bei Gerichts bleibt überlassen, in wie fern in den einzelnen
Fällen den Betheiligten die Gründe der Entscheidung zu eröffnen sind.
8) Die Insinuation der Verfügungen und Erkenntnisse des Oberzen
surgerichts erfolgt in Berlin durch den bei demselben angestellten Boten, in den
Provinzen und im Auslande entweder durch die Post «der durch Requisition der
betreffenden Gerichtsbehörde. — Z. 13 Verordn. vom 23. Februar 1,843. — §. 1—
8 Jnstrukt. vom 1. Juli 1343 I. M. B. S. 182 fg.
Besondre Bestimmungen.
§. 481. I. Beschwerden über versagte Druckerlaubinß.
Den Beschwerden der Verfasser, Redakteure «der Verleger von Schriften über
die Seitens der Zensoren oder der Oberpräsidenten erfolgte Versagung der Drucker-
laubniß (Z. 479, II. 1) muß das Zensurstück mit dem Originalvermerk des Zensors
über das versagte Imprimatur, und, wenn die Sache bereits in erster Instanz von
dem Oberpräsidenten entschieden ist, auch diese erste Entscheidung im Original bei
gefügt sein. Zur Beschleunigung des Geschäftsgangs dient es, wenn ausserdem ein
Duplikat des Zensurstücks beigelegt wird. — Z. 9 Jnstr. vom 1. Juli 1843. —
Verf. des Ober-Eens.-G. vom 30. April 1845 I. M. B. S. 92.
II. Antrag auf ein zu erlafsendes D ebitsverbot.
Der Antrag des Staatsanwalts auf ein vom Oberzensurgericht zu erlassendes
Debitsverbot (Z. 479, II. 2) ist durch Beifügung der betreffenden Schrift, und durch
Angabe der Gründe, aus welchen er dieselbe als gefährlich für das Gemeinwohl er
achtet, zu begründen.
Erachtet das Oberzensurgericht den Antrag
s) für nicht gerechtfertigt; so hat es den darüber gefaßten Beschluß dem Staatsan
walt zu eröffnen. Hält es dagegen
Ii) den Antrag für gerechtfertigt; so hat es die vom Staatsanwalt eingereichte Klage, >
und zwar, wenn die Schrift im Jnlande oder in einem Kutschen Bundesstaate
erschienen ist, dem Verleger, sonst aber einem dem ausländischen Verleger von
Amtswegen zu bestellenden Mandatar zur Gegevausführung mitzutheilen. —
K. 10—12 Jnstr. vom 1. Juli 1843.
III. Gesuch um Ertheilung der Debitserlaubniß.
Die Gesuche, in welchen die Ertheilung der Debitserlaubniß nach Nro. 3, II.
ß. 479 beantragt wird, sind mit den Schriften selbst dem Staatsanwalt mitzuthei
len, um seine Erklärung abzugeben.
Nach deren Eingang ist der Beschluß über das Gesuch zu fassen. — §. IS a. a. O.
IV. Wiederentziehung derselben. Wird die Wiederentziehung einer sol
chen Debitserlaubniß, wie in der Regel nur bei Zeitschriften vorkommen kann, vom
738
Staatsanwalt beantragt; so ist vor der Entscheidung derjenige zu HS«n, auf dessen
Gesuch die Debits erlaubniß früher ertheilt worden war. — §. 14 a. a. O.
V. Verlust des Privilegiums oder der Konzession zur Heraus
gabe einer Zeitung :c. Der Antrag des Staatsanwalts auf Entscheidung über
den Verlust des Privilegiums oder der Konzession zu einer Zeitung oder einer an
dern Zeitschrift, oder über die Zurücknahme der, dem Redakteur einer privilegirten
Zeitung ertheilten Bestätigung, oder über die Entfernung des Redakteurs einer kon-
zessionirten Zeitung oder Zeitschrift (Z. 479, II. 4) muß durch eine vollständige Kla
geschrift begründet werden. — Hält das Oberzensurgericht, nach stattgefundenem
schriftlichem Verfahren (Z. 48« Nro. 2), eine Beweisaufnahme für erforderlich; so
ist solche durch die gewöhnlichen Gerichte nach Vorschrift der, für den Bereich der
selben geltenden Prozeßgesetze, zu veranlassen. . . ,
Nach dem Abschluß der Sache wird sowol dem Verklagten, als dem Staats
anwalt, eine kurze präklusivische Frist zur Einreichung etwaniger Rechtsausführun
gen gewährt. — S. 15—17 a. a. O.
VI. Verlust der Gewerbeberechtigung zum Buchhandel oder zur
Buchdruckerei. — Auf den Verlust des Rechts zum Gewerbe des Buchhandels
oder der Buchdruckerei 479, II. Nro. 5) kann nur auf den Grund einer förmlichen
Untersuchung erkannt werden. — Die Eröffnung der Untersuchung gegen de» Ange
schuldigten hat der Staatsanwalt bei dem Ober-Zensurgericht zu beantragen. —
Findet dieses den Antrag begründet z so veranlaßt es die Führung der Untersuchung
durch das in Untersuchungen gegen den Angeschuldigten überhaupt kompetente Ge
richt, und entscheidet nach Eingang der Akten und nach erforderter Erklärung des
Staatsanwalts. — g. 18—20 a. a. O>
VII. Verbot des Debits sämmtlicher Verlags- und Kommis
sionsartikel einer ausländischen Buchhandlung.
Soll das Verbot des Debits sämmtlicher Verlags- und Kommissionsartikel einer
ausländischen Buchhandlung (§. 479, II. Nro. 6) beantragt werden ; so muß der Staats
anwalt nachweisen, daß die gesetzlich vorgeschriebene Verwarnung erfolgt sei, so wie,
daß die betheiligte Buchhandlung vor und nach der Verwarnung verwerfliche Schrif
ten im Jnlande verbreitet habe. — Z. 21 a. a. O.
VIII. Kostenfreiheit. Die Verfügungen und Entscheidungen des Ober
zensurgerichts erfolgen stäts stempel- und kostenfrei. — Eben so sollen in den Fül
len unter V. und VI. von den requirirten Gerichten für die bei ihnen aufgenom
menen Verhandlungen weder Stempel noch Gebühren, vielmehr nur Kopialien und
andre baare Auslagen gefordert werden. Zur Erstattung der letzter« hat das
Oberzensurgericht den Angeklagten, falls derselbe in der Hauptsache schuldig befun
den wird, zugleich zu verurthcilen. — §. 22 a. a. O.
.II
NOMONS IS..
I n h a l t s v c r z e i ch n i ß.
Siebenter Abschnitt.
§. 133. Von Eröffnung und Anfertigung der richterlichen Erkenntnisse und
Resolutionen. Seite 28l
Siebenter Titel. Von den gegen das erste Erkenntniß zulässigen
Rechtsmitteln.
§. 184. Einleitende Bemerkung. NachtragSerkenntniß und Deklaratoria . . 284
Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.
Z. 185. Von der zur Einlcgung der Rechtsmittel gestatteten Frist . . ., . 286
§. 186. Beginn der Frist 287
K. 187. Bei welcher Behörde die Rechtsmittel angebracht werden müssen, und
Bestimmung, wenn die Partei über die Art des zulässigen Rechtsmit
tels zweifelhaft ist 287
Zweiter Abschnitt. Vom Rechtsmittel der Restitution (restitutio
in integrum, Widereinsetzung in den vorigen Stand).
Z. t«3. Fälle, in denen es stattfindet 288
Z. 189. Begründung des Restitutionsgesuchs, und Verfahren .4. wenn es gegen
Kontumazialurtel angebracht wird 23g
190. ö. wenn eS gegen Purifikationsresolutionen erhoben ist; 291
z. 191. wenn es gegen Praklusionserkenntnisse gerichtet ist ..... . 292
Dritter Abschnitt. Vom Rechtsmittel dcS Rekurses.
z. 192. Fälle, in denen der Rekurs stattfindet 293
§. 193. Rekursgründe; und in welcher Form das Rekursgcsuch einzureichen . 294
Z. 194. Verfügung auf das Rekursgesuch; Verfahren und Entscheidung . . 294
§. 195. Verfahren beim Zusammentreffen dcS Rekurses und der Appellation . 296
ß. 196. Gcrichtskoften und Mandatariengebühren . 297
,Vj er ter Abschnitt. Vom Rechtsmittel der Appellation.
§. 197. Dessen Zuläsfigkeit und Unzulässigkeit 297
g. 19«. Wirkung der Appellation in Bezug auf die Vollstreckbarkeit dcS ersten
Urtels 299
8. 199. Zuläsfigkeit und Wirkung des Rechtsmittels der Appellation in Be
zug auf Litiskonsorten, Adzitanten, Litisdenunziantcn und Interventen 303
K. 200. In wiefern Appellat von dem durch den Gegner eingewendete» Rechts
mittel zu feinem grösseren Vortheil Gebrauch machen könne .... 30Z
§. 201. Appellationsanmeldung und Appcllationsbcricht 304
§. 202. Bemerkung über den Gang der nachfolgenden Vorschriften .... 305
I. Appellationsverfahren nach der Allgemeinen Gerichtsordnung
(im ordentlichen Prozeß)., . . .
Z. 203. Von der Appellationsanmeldung, der Verfügung darauf, und dem Ter
min zu deren Vervollständigung, so wie zur Aufnahme der Rechtferti
gungsschrift ., . 305
Z. 204. Verfahren, wenn keine Rechtfertigung der Beschwerden erfolgt . . . 306
z. 205. Verfügung auf den Appellationsbericht, und weiteres Verfahren, wenn
keine neuen Thatsachen oder Beweismittel darin vorkommen .... 307
Z. 20S. Verfahren, wenn im Appellationsbericht neue Thatsachen «der Bewcis-
49
mittel (Kovs) vorkommen, und 1) der Prozeß bei einem kollegiolischen
Untergericht schwebt Seite 3VS
§. 207. 2) Verfahren, wenn der Prozeß beim Obergericht schwebt. Instruktion
und Deduktionsverfahren in Appellatorio .......... 31«
S. 208. Verfahren, wenn beide Parteien apxellirt haben ^ . 313
Z. 209. Won Abfassung de« «ppellationscrkenntnisscs . 314
Z. 21«. Rücksichten bei Bestimmung des Kostenpunktes und von Sukkumbenz-
und andern Strafen 316
II. Appellationsverfahren im summarischen Prozeß.
S. 211. Verfügung auf die Appellationsanmeldung und Rechtfertigungstermin . 317
§. 212. Verfügung auf die Appellationsrechtfertigung und Termin zu deren
Beantwortung ................... 319
S. 213. Weitere Veranlassung auf das Beantwortungsprotokoll, und Abfassung
des Erkenntnisses .................. 320
S. 214. III. Appellationsverfahren nach der Verordnung vom 9.
Februar 1817 322
§. 215. Von der Publikation der Appellationserkcnntnisse 322
Achter Abschnitt,
z. so«. Von Depositionsklagen . 459
Neunter Abschnitt. Vom Konfiskationsprozeß.
§. 309. Einleitung 461
I. Vom Verfahren gegen ausgetretene Militairpflichtigt.
§. 310. Bei welchem Gericht, von wem, und in welcher Art und Weise die
Konfiskationsklage anzubringen und zu begründen sei ...... 462
§. 311. Verfügung auf die Klage; Vorladung des Beklagten und Einrückung
des Termins 464
§. 312. Verhandlung im Termin; Erkenntniß und Folgen desselben . . . . 465
Z. 313. II. Vom Verfahren gegen ausgetretene Vasallen und Unterthanen . 467
I. Vom Konkurse.
Erster Abschnitt. Von der Einleitung und der Wirkung des Konkurses.
Z. 366. Fälle der Konkurseröffnung 562
Z 367. Verfahren beim Antrage auf Konkurseröffnung in den Fällen
des z 366, ll. 563
8- 363. Vom Gerichtsstande des Konkurses und der Spezialprozeffe .... 664
§. 369. Vom Zeitpunkte der Konkurseröffnung und von der Einleitungsver
fügung 566
K. 370. Wirkung der Konkurseröffnung s) in Bezug auf die vor eröffnetem
, . ' Konkurse vom Gemcinschuldner getroffenen Verfügungen; 566
§. 371. b) in Ansehung der nach eröffnetem Konkurse vom Gemeinschuldner
getroffenen Verfügungenz 569
Z. 372. e) rücksichtlich des Verhältnisses der Gläubiger zum Vermögen des
Gemeinschuldners und ck) in Ansehung des Zinsenpunktes ..... 571
§. 373. Vom sogenannten abgekürzten Konkursverfahren 571
ß. 374 Modifikationen, unter welchen die Vorschriften der Konkursordnung bei
nicht kollegialischen Untcrgerichten anzuwenden 572
Achter Abschnitt.
§. 412. Vom Konkurse über das im Jnlande befindliche Vermögen des Aus
länder«; so wie über auswärtige« Vermögen eines Inländers . . . 641,
i. -
« I. .1 !
» ,..
4