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Die Zahl der minderjährigen und heranwach- doch er bedeutet konkret, dass im Jahr 2016
senden Mütter („teenage moms“) hat in den immerhin noch 12.100 Babys von sehr jungen
letzten Jahren in Deutschland abgenommen; Müttern geboren wurden (Statistisches Bun-
seit 2006 ist der Anteil an allen Geburten von desamt 2017). Entwicklungspsychologisch ge-
2,7 % auf 1,7 % zurückgegangen. Dieser Pro- sehen stellen minderjährige und heranwach-
zentsatz erscheint auf den ersten Blick niedrig, sende Mütter sowie ihre Kinder aufgrund von
unsere jugend, 70. Jg., S. 179 – 187 (2018) DOI 10.2378/uj2018.art28d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel
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de. Dabei wurden minderjährige und heran- ➤ Fragen zur aktuellen Mutter-Kind-Bezie-
wachsende Mütter befragt, die gemeinsam hung im Alltag; insbesondere zur Selbst-
mit ihren Kindern in Mutter-Kind-Einrichtun- und Fremdeinschätzung ihrer Rolle und
gen betreut werden. Ziel war es, die per- Kompetenz als Mutter;
sönlichen Sichtweisen der jungen Mütter aus ➤ Fragen zu möglichen Zusammenhängen
deren subjektiver Perspektive möglichst dif zwischen der aktuellen Mutter-Kind-
ferenziert zu rekonstruieren. Komplementär Beziehung und eigenen frühkindlichen
wurden auch die Bezugsbetreuerinnen der Erfahrungen (z. B. Parallelen zu Verhaltens-
Mütter befragt. Um ein möglichst offenes und weisen der eigenen Mutter).
flexibles Vorgehen zu ermöglichen, wurde
eine qualitative Forschungsstrategie gewählt. Sämtliche Interviews wurden aufgezeichnet
In vier verschiedenen Einrichtungen wurden und wörtlich transkribiert. Die Auswertung der
acht leitfadengestützte Interviews mit jungen Interviewtranskripte erfolgte im Sinne der qua-
Müttern zwischen 16 und 21 Jahren durch litativen Inhaltsanalyse (Mayring 2015). Die fol-
geführt. Das Durchschnittsalter der Kinder be- gende Ergebnisdarstellung bezieht sich haupt-
trug zum Befragungszeitpunkt 18 Monate. Die sächlich auf die Interviews mit den jungen
Interviews mit den jungen Müttern wurden Müttern, wobei die Expertinneninterviews und
durch acht Expertinneninterviews mit den Be- die Auswertungen des AAS-R als explizierende
zugsbetreuerinnen ergänzt. Bei diesen han Daten genutzt wurden. Eigennamen wurden in
delte es sich durchweg um Sozialarbeiterinnen der Darstellung aus Gründen des Datenschut-
und Sozialpädagoginnen. Der qualitative For- zes verändert.
schungsansatz sollte es ermöglichen, die jun-
gen Mütter als Expertinnen ihrer Lebenslage
zu behandeln und ihnen im Interview die
Ergebnisse
Möglichkeit einzuräumen, unabhängig von
möglicherweise einengenden Vorannahmen
auch eigene individuelle Schwerpunkte zu set- Beziehungs- und Bindungs-
zen. Gleichwohl wurden die jungen Mütter erfahrungen in der eigenen
gebeten, im Anschluss an die Interviews einen Kindheit
Kurzfragebogen zu früheren und gegenwärti-
gen Beziehungen und Bindungsstilen auszufül- Sechs Klientinnen nannten ihre Mutter, eine
len. Hierfür wurde die Adult Attachment Scale ihren Vater und eine ihre Oma als wichtigste
– Revised (AAS-R) eingesetzt (Schmidt / Mueh Bezugsperson in ihrer Kindheit. Die genannten
lan / Brähler 2016). Bezugspersonen zeigten aus Sicht der Studien-
teilnehmerinnen jedoch kaum emotionale Nä
Bei der Interviewdurchführung wurde ein Inter- he. Vielfach setzten sie auch wenig Grenzen,
viewleitfaden genutzt, der sowohl für die jun- gaben kaum Orientierung und waren wenig
gen Mütter als auch für die Expertinnen vier verlässlich und kongruent.
größere Themenbereiche umfasste:
„Also, wir haben nie so super viel miteinander ge
➤ Fragen zur Kindheit der jungen Mütter, redet, weil ich nie das Bedürfnis dazu hatte und es
insbesondere zu eigenen frühkind- nie von mir aus gemacht habe, und meine Mutter
lichen Bindungs- und Beziehungs- dementsprechend auch nicht. Also, das war auch
erfahrungen; schon von Geburt an. […] Generell ist sie sehr,
➤ Fragen zu den aktuellen (sozialen) sehr [sparsam] mit Lob umgegangen oder auch
Beziehungen sowie zur Beziehungs mit körperlicher Nähe oder auch mit Worten. Sie
gestaltung; war jetzt nicht, dass sie oft gesagt hat: ,Ich habe
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dich lieb‘ oder ,Ja, nimm mich doch mal in den Soziale Beziehungen, Freundschaften,
Arm‘. Das kam so gut wie gar nicht von ihrer Seite Partnerschaft
aus.“ (Mareike, 17 Jahre, Mutter eines 18 Mona-
te alten Sohns) Bei der Auswertung des eingesetzten Bindungs
fragebogens (AAS-R) zeigte sich bei allen Klien-
In einigen Fällen hatten die jungen Mütter in tinnen eine geringe Ausprägung in den Skalen
ihrer Kindheit elterliche Trennungen bzw. Schei- Nähe und Vertrauen im Hinblick auf die Gestal-
dungen, Beziehungsabbrüche sowie häufig tung naher sozialer Beziehungen. Dies lässt in
wechselnde Partnerschaften der Mutter erlebt, der Regel auf eine eher distanzierte, vorsichtige
die mit mehreren Wohnortswechseln verbun- oder misstrauische Grundhaltung in Bezug auf
den waren. Einige Studienteilnehmerinnen wa- Partnerschaften und Freundschaften schließen.
ren längere Zeit in stationären Einrichtungen Die meisten Klientinnen hatten außerhalb der
der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht und Einrichtung kaum soziale Kontakte zu anderen
wurden zeitweise in der Kinder- und Jugend- Jugendlichen.
psychiatrie behandelt. Die Hälfte der Studien-
teilnehmerinnen hatten Mütter, die selbst noch Im Hinblick auf bisherige partnerschaftliche
minderjährig oder heranwachsend waren, als Beziehungen ließen sich bei der Mehrzahl der
sie schwanger wurden. Klientinnen zahlreiche Beziehungsabbrüche
feststellen. Die Hälfte der Klientinnen war al-
leinerziehend, die andere Hälfte lebte in einer
Die eigene Mutterschaft (neuen) Partnerschaft. Eine große Anzahl der
als „Rettungsanker“ Studienteilnehmerinnen hatte Gewalterfah-
rungen durch den Kindsvater erlebt.
Die Mehrzahl der Klientinnen gab fehlende Zu-
wendung, Vernachlässigung und gravierende
psychische Belastungen während ihrer Kindheit Kontakt zur eigenen Mutter /
an. Einige dieser jungen Mütter nannten trau- zur primären Bindungsperson
matische familiäre Erlebnisse, wie z. B. Gewalt in
der Partnerschaft der Eltern. Vereinzelt wurde Fast alle der befragten Klientinnen benannten
vom eigenen sexuellen Missbrauch oder von ihre Mutter bzw. die primäre Bindungsperson
Zwangsprostitution berichtet. Häufig wurde ihrer Kindheit auch als aktuell wichtigste Bezugs-
auch jugendliches Risikoverhalten in der Ver- person. Bei der Hälfte der Befragten hatte wäh-
gangenheit geschildert, z. B. Diebstahl oder re- rend der Adoleszenz der Klientinnen ein Kon-
gelmäßiger Drogen- und Alkoholkonsum. Vor taktabbruch zur Mutter stattgefunden. Während
dem Hintergrund ihrer meist als extrem belastet der Schwangerschaft bzw. nach der Geburt des
erlebten Kindheit und Jugend sahen einige der Kindes wurde der Kontakt jedoch in allen Fällen
befragten Klientinnen ihre Schwangerschaft wiederhergestellt und intensiviert. Von einer
und Mutterschaft als eine Art „Selbstrettung“: Mehrzahl der Klientinnen wurde der aktuelle Ein-
fluss ihrer Mutter bzw. die Abhängigkeit von ihr
„Ohne sie [Tochter] weiß ich nicht, wie ich heute als stark eingeschätzt; mehrere Studienteilneh-
wäre. Abgerutscht bestimmt, sehr abgerutscht. merinnen benannten sie als sichere und verläss-
[…] Weil ich damals, wo ich mit dem Kindsvater liche Bindungsperson. Die meisten Klientinnen
zusammen war und Alina noch nicht da war oder fühlten sich verantwortlich für die Beziehungs-
im Bauch war, da habe ich Drogen genommen. gestaltung zu ihrer Mutter; vereinzelt gingen die
Ich habe sehr viele Drogen genommen und Al Bemühungen um eine Aufrechterhaltung der
kohol getrunken, war so gesagt asozial.“ (Elena, Beziehung einseitig von den minderjährigen
19 Jahre, Mutter einer 14 Monate alten Tochter) und heranwachsenden Müttern aus.
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tionären Mutter-Kind-Einrichtungen betreut oft als allein und isoliert, was zu Überforderungs
wurden. Die berichteten Ergebnisse sind daher gefühlen und einer negativen Abwärtsspirale
nicht ohne Weiteres auf alle jugendlichen Müt- des Selbstwertgefühls führen kann (Kluth et al.
ter übertragbar und müssen mit der entspre- 2010; Kölbl 2007). Hinzu kommen Einschränkun
chenden Vorsicht interpretiert werden. Trotz gen der Autonomie durch die Versorgung des
dieser Einschränkung sind die Ergebnisse sehr Kindes (Nakhla / Doege / Engel-Otto 2012). Und
aufschlussreich und gestatten spannende Ein- auch die Regeln und Strukturen einer Mutter-
blicke in die oft schwierigen Biografien minder- Kind-Einrichtung (Hontschik / Ott 2017) stehen
jähriger und heranwachsender Mütter. Sie ste- oft im Widerspruch zu den jugendlichen Bedürf-
hen im Einklang mit einer Reihe von anderen nissen nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Forschungsbefunden. Es wird deutlich, dass
psychosoziale Risikofaktoren, wie z. B. Gewalt Interessanterweise präsentierte sich die Mehr-
erfahrungen, Armut und eine elterliche psychi- heit der jungen Mütter in den Interviews als
sche Erkrankung, aber auch dysfunktionale Be- sehr feinfühlig und kompetent in ihrer Mutter-
ziehungsstrukturen sowie die unzureichende rolle. Vermutlich spielte hierbei auch eine Rolle,
Befriedigung kindlicher Bedürfnisse die Entste- dass die Studienteilnehmerinnen trotz der zu-
hung einer frühen Schwangerschaft begünsti- gesicherten Anonymität und Schweigepflicht
gen (Dahmen et al. 2013). Lieblose Beziehungen Sorge hatten, ihr Kind bei einer differenzierte-
und unsichere Bindungen beeinflussen junge ren oder negativen Selbstbeurteilung womög-
Mütter nachhaltig in ihrer Persönlichkeitsent- lich in Obhut geben zu müssen (Hontschik / Ott
wicklung und Beziehungsgestaltung (Dahmen 2017). Allerdings waren die Klientinnen auch
et al. 2013; Hampel et al. 2007). Der Aufbau einer anderweitig darum bemüht, Anerkennung und
sicheren Bindung war in der Kindheit der jun- Bestätigung als Mutter zu bekommen, insbe-
gen Mütter oft nicht möglich, weil ihre kindli- sondere bei ihrer primären Bezugsperson. Sie
chen Grundbedürfnisse nicht verlässlich befrie- schienen beweisen zu wollen, den Herausfor-
digt wurden (Ziegenhain 2007; Guedeney et al. derungen ihrer Mutterschaft trotz aller ungüns-
2008; Petermann / Petermann / Damm 2008). Aus tigen Umstände und vielfältiger gesellschaftli-
diesem Grund konnten sie selbst oft nur unsiche- cher Vorurteile gewachsen zu sein (Ziegenhain /
re, in der Regel vermeidende Bindungsmuster Derksen / Dreisörner 2004).
aufbauen, die sich nachhaltig und negativ auf
ihre Beziehungsgestaltung und ihre Bindungs- Die meist sehr positive Selbsteinschätzung der
fähigkeit auswirken. Die in der Herkunftsfamilie minderjährigen und heranwachsenden Mütter
erlernten dysfunktionalen Verhaltensmuster konnte von den jeweiligen Bezugsbetreuerin-
stellen darüber hinaus einen erheblichen Risiko- nen nicht immer bestätigt werden. Insgesamt
faktor zur Reproduktion der internalisierten wurde deren Feinfühligkeit und Responsivität
Muster in Beziehungen zu anderen Menschen als unzureichend beurteilt. Trotzdem schätzten
dar (Kluth et al. 2010; Ziegenhain 2004). Dies die Bezugsbetreuerinnen die Mutter-Kind-Bin-
scheint u. a. eine plausible Erklärung dafür zu dung in mehr als der Hälfte der Fälle als sicher
sein, dass die in der vorliegenden Studie befrag- ein. Dies könnte daran liegen, dass die Fähig-
ten jungen Mütter kaum Kontakte außerhalb keit der jungen Mütter, die vitalen Signale ihrer
ihrer Herkunftsfamilie hatten und es als sehr Babys wahrzunehmen und zu deuten, durch
schwierig empfanden, beständige Beziehun- die Unterstützungsmaßnahmen in der Mutter-
gen zu Gleichaltrigen einzugehen. Bei jungen Kind-Einrichtung bereits wirksam gefördert
Müttern, die in stationären Jugendhilfeeinrich- werden konnte. Gleichwohl stellt sich die Frage,
tungen untergebracht sind, zeigen sich diese ob die jungen Mütter auch ohne externe Hilfe-
Probleme besonders deutlich. Trotz der dort stellung und langfristig in der Lage sind, die
erhaltenen Hilfemaßnahmen erleben sie sich Grundbedürfnisse ihrer Kinder verlässlich zu
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befriedigen. In vielen der Fälle zeichnete sich anzustreben, zum anderen das Angebot einer
das Risiko einer ungewollten Reproduktion von zugewandten, wertschätzenden und verlässli-
internalisierten Verhaltensmustern ab, die die chen Beziehung zwischen der jungen Mutter
jungen Mütter in ihrer Kindheit selbst erlebt und ihrer jeweiligen Bezugsbetreuerin. In einer
hatten. Obwohl viele erklärten, die Fehler ihrer solchen Beziehung können die Klientinnen am
Mütter bzw. ihrer primären Bindungspersonen ehesten korrigierende Beziehungserfahrungen
auf keinen Fall wiederholen zu wollen, nahmen machen, die ihr Selbstvertrauen und ihre Selbst-
sie oft viele Parallelen zu deren Persönlichkeit wertschätzung stärken und ihre persönliche
und Verhalten wahr. Entwicklung fördern. Deswegen sollten Mut-
ter-Kind-Einrichtungen nicht nur gemeinsame
Interventionen für Mutter und Säugling / Kind
Ausblick und Empfehlungen anbieten, sondern auch Beratungsgespräche
für die Praxis und andere Maßnahmen für die junge Mutter
allein.
Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie
lassen sich eine Reihe von Anregungen und Im Sinne einer bindungsorientierten Sozialar-
Empfehlungen für die praktische Arbeit mit beit erscheinen zunächst Interventionen emp-
minderjährigen und heranwachsenden Müttern fehlenswert, die die mütterliche Feinfühligkeit
ableiten, insbesondere in stationären Mutter- und Responsivität stärken und damit den Auf-
Kind-Einrichtungen. Grundsätzlich kann es als bau einer sicheren Bindung beim Kind begüns-
eine wichtige Herausforderung gelten, transge- tigen. Hierzu zählen insbesondere Beratungs-
nerationale Verhaltens- und Beziehungsmuster und Trainingsmaßnahmen, die unmittelbar
zu durchbrechen, die bei vielen jungen Müttern im Pflege- und Betreuungsalltag ansetzen. An-
zu beobachten sind. Einerseits geht es darum, hand konkreter Pflege- und Interaktionssituatio
konkrete mütterliche Erziehungskompetenzen nen sollten die jungen Mütter angeregt und
durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen zu angeleitet werden, die Signale ihrer Babys und
fördern und dadurch Entwicklungsrisiken der Kleinkinder einfühlsam zu „lesen“ und ange-
Babys und Kleinkinder zu minimieren. Anderer- messen darauf zu reagieren. Dabei können
seits sollten die biografischen Erfahrungen der auch Videoaufnahmen kurzer Alltagssequen-
jungen Mütter stärker als bislang offen thema- zen (z. B. beim Wickeln, Stillen oder Spielen)
tisiert und reflektiert werden, um dysfunktiona- hilfreich sein, um das gezeigte Erziehungsver-
le Muster bewusst zu machen und zu verän- halten gemeinsam zu reflektieren und Verbes-
dern. Im Idealfall können minderjährige und serungsmöglichkeiten zu besprechen (Ziegen-
heranwachsende Mütter in einer Mutter-Kind- hain 2008).
Einrichtung korrigierende Erfahrungen machen,
die zu einer bewussten Auseinandersetzung Ferner sollten die jungen Mütter zu regelmäßi-
mit der eigenen Geschichte, einer Stärkung des gen gemeinsamen Alltagsaktivitäten ermutigt
Selbstwertgefühls und einer dauerhaften Ver- werden, die als positiv erlebt werden und die
besserung der Mutter-Kind-Beziehung führen Mutter-Kind-Beziehung stärken. Dazu zählen
(Ziegenhain 2008). beispielsweise Spiel- und Schwimmgruppen
für Eltern und Kinder, Babymassage-Kurse und
Vor diesem Hintergrund sollte die Arbeit in Eltern-Kind-Gruppen nach dem Prager Eltern-
Mutter-Kind-Einrichtungen grundsätzlich bin- Kind-Programm (PEKiP). Die Teilnahme an sol-
dungsorientiert ausgerichtet sein (Trost 2015). chen Gruppen fördert nachgewiesenermaßen
Dabei sind zum einen der Aufbau und die För- die Fähigkeit von Eltern, ihr Kind und dessen Be-
derung einer sicheren Bindungsbeziehung zwi- dürfnisse aufmerksam wahrzunehmen (Jung-
schen den jungen Müttern und ihren Kindern bauer 2017). Darüber hinaus eröffnen sich hier
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auch Gelegenheiten für die jungen Mütter, grafiearbeit (z. B. Genogramm, Zeitstrahl, Pano-
andere Eltern kennenzulernen, emotionale Un- ramatechniken) sinnvoll einzusetzen. Dass ein
terstützung zu erfahren und ihre Isolation zu solches Angebot auf große Akzeptanz bei den
überwinden. jungen Müttern treffen würde, zeigte sich
auch in der durchgeführten Studie: Alle be-
Weiterhin erscheinen Interventionen empfeh- fragten Studienteilnehmerinnen erlebten es als
lenswert, in denen die jungen Mütter angeregt sehr positiv, einer interessierten und verständ-
werden, über ihre eigene Lebens- und Bezie- nisvollen Interviewerin ausführlich über sich
hungsgeschichte zu erzählen und zu reflek selbst, ihr Leben und ihren Alltag zu erzäh-
tieren. Durch wiederholtes erzählendes Re len. Viele äußerten abschließend den Wunsch,
flektieren ist es im günstigsten Falle möglich, dass solche Gespräche häufiger in einem ge-
traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten, mehr schützten Rahmen, am besten innerhalb der
emotionale Distanz zu gewinnen und sich eige- Mutter-Kind-Einrichtung, stattfinden sollten.
ner dysfunktionaler Verhaltensmuster bewuss- Auch regelmäßigen Gruppengesprächen ge-
ter zu werden. Im Rahmen von individueller meinsam mit den anderen Müttern („Erzähl-
Biografiearbeit besteht somit eine vielverspre- Cafés“) standen sie grundsätzlich positiv ge-
chende Chance, transgenerationale Muster und genüber.
„Wiederholungszwänge“ zu durchbrechen. An
dieser Stelle wird deutlich, dass Biografiearbeit
für junge Mütter sozialtherapeutischen Charak- Korrespondenzadresse der Erstautorin:
ter hat (Lammel / Pauls 2017). Aus diesem Grund Dana Meier, M. A.
sollten die Bezugsbetreuerinnen eine entspre- Welkenrather Str. 118 F
chende Fortbildung absolviert haben und in 52074 Aachen
der Lage sein, spezifische Methoden der Bio- E-Mail: danakameier@gmx.de
Literatur
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