FRAGEN
GELERNT
Abstract
Die akute Pankreatitis wird in den meisten Fällen durch Erkrankungen
der Gallenwege oder Alkoholabusus ausgelöst. Durch Schädigung des Organs kommt es zur lokalen
Freisetzung von (unter anderem) proteolytischen Verdauungsenzymen, was zu einer Autodigestion des
Organs führt. Zusätzliche Entzündungsreaktionen bewirken dabei ödematöse Verquellung, Blutungen
und Vasodilatation. Das Leitsymptom der Erkrankung ist ein meist gürtelförmiger, in
den Rücken ausstrahlender Oberbauchschmerz mit „gummiartiger“ Konsistenz des Abdomens. Weitere
typische Beschwerden sind Übelkeit und Erbrechen. Diagnostisch führend ist die Bestimmung
der Pankreasenzyme im Serum (Lipase, Amylase), wobei auch Entzündungsparameter und LDH erhöht
sein können. Ein ungünstiges Zeichen für die Prognose ist ein erniedrigter Serumcalciumwert, da dieses
Elektrolyt bei Nekrosen durch Bildung von Kalkseifen ausfällt.
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausgiebige Flüssigkeitssubstitution. Zudem ist eine
analgetische Therapie sowie eine engmaschige (bei schwerem Verlauf intensivmedizinische) Überwachung
indiziert. Wenn die Patienten Appetit verspüren, wird die langjährig als Therapiekonzept durchgeführte
Nahrungskarenz nicht mehr empfohlen, sondern eine frühzeitige enterale Ernährung mit schonender Kost
angestrebt. Beim Auftreten von Komplikationen (z.B. Pankreaspseudozysten, Nekrosen, Abszesse) kann
zusätzlich eine interventionelle oder operative Therapie erfolgen.
FEEDBACK
Ätiologie
Häufigste Ursachen
1. Gallenwegserkrankungen = „Biliäre Pankreatitis“ (z.B. Choledocholithiasis,
Gallensteinabgang, Stenose der Papilla duodeni major): ca. 45%
Klassifikation
Atlanta-Klassifikation (Stand: 2013)
o Leichte akute Pankreatitis
: Ohne lokale (Nekrosen) und systemische Komplikationen (Organversagen)
o Mittelschwere akute Pankreatitis: Mit lokalen oder systemischen
Komplikationen oder passagerem Organversagen (z.B. Nierenversagen),
welches sich binnen 48 h bessert
o Schwere Pankreatitis: Mit anhaltendem (länger als 48 h) Organversagen
oder Multiorganversagen
Pathophysiologie
Pankreatitis
o Intrapankreatische Aktivierung von Verdauungsenzymen → Autodigestion
des Organs durch proteolytische Enzyme → Schädigung der Acinuszellen →
Inflammatorische Reaktion → Proteolyse, Blutungen, Ödeme, Vasodilatation
o Bei schwerem Verlauf Nekrotisierung →
Evtl. Infektion der Nekrosen, Abszess, Sepsis
Fettgewebsnekrose
o Enzymatische Selbstverdauung durch
freigesetzte Lipasen, Proteasen und Elastasen → Nekrose des Parenchyms →
Akute hämorrhagische Pankreatitis → Freiwerdende Fettsäuren binden Ca2+-
Ionen → Verseifung zu Kalkseifen (Saponifikation)
Intravasale Volumendepletion
o Durch Vasodilatation und Kapillarleckage kommt es zu einem Entzug von
Flüssigkeit aus dem Kreislauf → Flüssigkeit sammelt sich in Pankreas,
peripankreatischem Gewebe, retroperitoneal und intraperitoneal (Aszites) →
Hypotonie
→ Reduzierte Organperfusion (v.a. Niere)
Das Serum-Ca2+ ist ein quantitativer Marker für den Gewebsschaden und damit ein Prognoseparameter!
FEEDBACK
Symptome/Klinik
Leitsymptome
o Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
Evtl. gürtelförmig mit Ausstrahlung in den Rücken
Bei Gallensteinen kolikartig
o Übelkeit, Erbrechen
Weitere Symptome
o Häufig: Meteorismus, paralytischer (Sub-)Ileus mit spärlichen
Darmgeräuschen
o Prall-elastisches Abdomen („Gummibauch“)
o Evtl. Fieber, Tachykardie, Hypotonie, Hypoxie, Oligurie/Anurie
o Aszites, Pleuraerguss
o Evtl. Ikterus
o Evtl. EKG-Veränderungen
o Evtl. Hautzeichen
: Bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen jeweils in charakteristischer
Lokalisation
Cullen-Zeichen: Periumbilikal
Grey-Turner-Zeichen: Flankenregion
Fox-Zeichen: Leistenregion
FEEDBACK
Diagnostik
Laboruntersuchung
Pankreasenzyme im Serum↑
o Lipase: Sensitivster und spezifischster Parameter
Bei >180 U/L besteht der Verdacht auf eine Pankreatitis
Die Höhe der Werte erlaubt keinen Rückschluss auf den Schweregrad
bzw. die Prognose einer Pankreatitis
o Amylase (unspezifisch)
Weitere wichtige Laborparameter
o ALT↑ spricht für eine Pankreatitis biliären Ursprungs
o γ-GT↑ und MCV↑ spricht für eine äthyltoxische Genese
o Prognostisch ungünstige Zeichen (siehe auch: Ranson-Score)
Hämatokrit-Erhöhung bei Diagnosestellung
Bei Diagnosestellung: Hämatokrit-Erhöhung (♂ >43 %; ♀ ≥40 %) gilt
als prognostisch ungünstig
Im Verlauf nach 48 h: Hämatokrit-Abfall über 10% gilt als Indikator für
die Entwicklung einer schweren Pankreatitis
Erheblicher LDH-Anstieg
CRP↑
, Leukozytose, ggf. Procalcitonin-Bestimmungen
Calcium↓
Kreatinin↑
Harnstoff↑
Hyperglykämie >125 mg/dL bei Diagnosestellung
Die Bestimmung von Calcium hat einen bedeutsamen Wert → Hyperkalzämie kann
Ursache, Hypokalzämie Folge einer Pankreatitis sein!
Apparative Diagnostik
Sonographie: Primärdiagnostik bei jeder Pankreatitis
o Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
Unscharfe Begrenzung der Pankreasloge (ödematöse Aufquellung)
Verminderte Echogenität innerhalb der Pankreasloge
o Ggf. Nachweis von Komplikationen
Nekrosen, Abszesse, Pankreaspseudozysten
Peripankreatische Flüssigkeitsansammlung, evtl. Aszitesnachweis
o Ätiologische Abklärung
Nachweis einer Choledocholithiasis bzw. von
erweiterten Gallenwegen (biliäre Pankreatitis)
Nachweis eines raumfordernden Prozesses, ggf. mit Dilatation
des Ductus pancreaticus
Endosonographie: Weiterführende Diagnostik bei Unklarheiten in der
transabdominellen Sonographie und fortbestehendem Verdacht auf biliäre
Genese oder Tumorerkrankung
o Vorteile/Zusätzlicher Informationsgewinn
Hohe Ortsauflösung
Nachweis auch kleinerer Gallensteine
ERCP: Weiterführende Diagnostik zur Darstellung des Gallen- und
Pankreasgangsystems mit gleichzeitiger Interventionsmöglichkeit (z.B.
Steinextraktion und/oder Gallengangs-Stent bei Cholestase)
o Indikation
Bei bakterieller Cholangitis umgehend durchzuführen
Computertomographie mit Kontrastmittel: Weiterführende Diagnostik,
initial entbehrlich, insb. zur Diagnose und Verlaufskontrolle bei Komplikationen
im Krankheitsverlauf wertvoll
o Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
Hochauflösende, untersucherunabhängige Darstellung des gesamten
Organs und der umgebenden abdominellen Strukturen (z.B.
Nekroseareale und ihre Lagebeziehung zu Nachbarorganen)
Ermöglicht Einschätzung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
Ermöglicht bei Raumforderungen differentialdiagnostische Aussagen
o Radiologische Befunde: Aufgetriebenes Organ,
ggf. hypodense Nekrosezonen und entzündliche peripankreatische
Flüssigkeit, die sich in die angrenzenden Areale (bspw. Bursa omentalis und
vorderer Pararenalraum
) ausbreiten kann
MRT/MRCP: Weiterführende Diagnostik, insb. zur Klärung der
Gallengangsmorphologie und zum Konkrementnachweis bei
V.a. Choledocholithiasis
o Radiologische Befunde
Aufgetriebenes Organ, ggf. Nachweis von Nekrosen und
Raumforderungen
Nachweis entzündlicher Umgebungsreaktionen
Bei Durchführung als MRCP ggf. Darstellung von
Gangdilatationen, Konkrementen, Stenosen und Raumforderungen
möglich
Konventionelles Röntgen: Unspezifische, ergänzende Diagnostik zum
Nachweis extrapankreatischer Komplikationen (z.B. Pneumonie und
Pleuraergüsse im Röntgen-Thorax) und ggf. zur Verlaufskontrolle bei
(Sub-)Ileuszuständen (Röntgen-Abdomen)
FEEDBACK
Therapie
Analgetikagabe
Thromboseprophylaxe
Protonenpumpenhemmer bei schwerem Verlauf
(z.B. Pantoprazol zur Stressulkusprophylaxe)
Ggf. Antibiotikagabe, insb. bei Cholangitis und/oder infizierten Nekrosen
Interventionell / Operativ
Komplikationen
Lokal
Bakterielle Infektion der Nekrosen
o Pankreasabszess (entspricht einer infizierten Nekrose mit Wandbildung)
Entsteht aus einer infizierten Pankreaspseudozyste oder aus
infizierten Nekrosen
Auftreten typischerweise >4 Wochen nach einer akuten Pankreatitis
Darstellung in der Computertomographie
Ähnlich einer Pseudozyste mit Kontrastmittel-aufnehmender Kapsel
Nachweis von Flüssigkeit (Pus) in der Abszesskapsel möglich
Nachweis von Gaseinschlüssen ist beweisend (nur in ca. 30–50% der
Fälle möglich)
Therapie: Punktion mit Drainage, bei Scheitern chirurgisches Vorgehen
mit Nekrosektomie
Obere gastrointestinale Blutung bei gastroduodenaler Ulkuskrankheit
Blutungen durch Gefäßarrosion
Thrombosen und thromboembolische Komplikationen wie
z.B. Pfortaderthrombose, Milzinfarkt
Fistelbildung durch Darmarrosion
Systemisch
SIRS, Sepsis
Verbrauchskoagulopathie
Respiratorische Insuffizienz, Pneumonie, ARDS
Schock
Prärenales Nierenversagen aufgrund eines Volumenmangels
Paralytischer Ileus
Prognose
Letalität
o Unkomplizierte Pankreatitis: 1 %
o Nekrotisierende Pankreatitis: 10–25 %
Risikofaktoren für einen schweren Verlauf (Ranson-Score)
o Bei Aufnahme
Alter >55 Jahre
Leukozytose
Hyperglykämie
LDH↑
AST↑
o Nach 48 h
pO2↓
Flüssigkeitssequester/-defizit
Hämatokrit↓
Calcium↓
Harnstoff↑
Basendefizit