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Eine Karte aus Florenz und keine Münze zum Telefonieren

Am Morgen kam Oliver und sagte Erika, dass die Mama noch schlief. Und dass wir leise sein müssen, damit sie nicht
aufwacht. Er flüsterte sogar in ihrem Zimmer, obwohl er da ruhig laut hätte reden können. Wen Erika fragte ob wie die
Amtsrätin war, flüsterte er dass sie zum Bäcker gegangen ist. Kurt war drinnen und rasierte sich. Erika dachte:
Vielleicht hat der Alibaba doch nicht recht, vielleicht sollte man doch etwas unternehmen! Sie sagte etwas zum Kurt,
aber er musste ohne weg! Er musste einen Artikel fertig haben! Kurt wischte sich die cremigen Finger am Handtuch
ab und ging aus dem Bad. Erika hörte die Amtsrätin vor der Wohnungstür. Sie schloss die Badezimmertür und riegelte
ab. Dreimal klopfte die Alte an die Tür und rief dass das Frühstück fertig ist. Aber sooft sie klopfte, drehte Erika das
Wasser weit auf, damit sie glauben sollte, Erika höre das Klopfen nicht. Dann ging sie in ihr Zimmer, packte ihre
Schultasche und verließ auf Zehenspitzen die Wohnung. Sie war froh, weil ein Tag ohne Amtsrätin begonnen.

Sie ging in der Schule. Es regnete ein bisschen. Der Himmel war ganz grau. Erika drehte sich um und schaute zu
ihrem Haus zurück. Das Haus kam ihr fremd vor. So fremd wie damals, als sie es zum erstenmal gesehen hatte. Erika
hatte es wirklich nicht geplant gehabt, aber plötzlich war sie in der Rückertgasse. Drei Häuserblocks von der
GOLDENEN GANS entfernt. Sie bekam Herzklopfen und dachte dass vielleicht steht der rote BMW jetzt vor dem
Haus und vielleicht saß sogar die Ilse drin. Dann, sagte sie dass das bloß ihre dumme Phantasie sei. Trotzdem ging sie
langsam auf die GOLDENE GANS zu. Natürlich stand da kein roter BMW! Ein Bierwagen stand da. Zwei Männer
rollten ein Fass aus dem Wagen. Die Tür vom Restaurant war offen. Der Wirt stand in der Tür. Er redete mit den
Männern. Dann schaute der Wirt Erika an. Sie begrüßte ihn. Er fragte woher kenne er Erika denn? Sie erklärte dass sie
hat gestern bei ihm Würstel und Torte gegessen. Dann kam einer der Männer zum Wirt. Er hatte einen Lieferschein in
der Hand und einen Kugelschreiber. Der Wirt nahm den Kugelschreiber und wollte den Lieferschein unterschreiben.
Der Kugelschreiber schrieb nicht. Der Wirt suchte nach einem anderen Kugelschreiber. Er holte einen Kugelschreiber
heraus und unterschrieb den Lieferschein. Und ich starrte den Kugelschreiber an. Das war Erikas Kugelschreiber! Sie
hat vor einem Jahr zum Geburtstag bekommen. Er hatte auch ihr Monogramm: E.J. Zwei goldene Buchstaben.

Sie ging näher an den Wirt heran und sagte dass er einen schönen Kugelschreiber hatte. Der Wirt erklärte dass er gar
nicht wusste, wo der her war. Er kannte keinen E J! Er bemerkte dass er Erika gefällt, und schlug ihn zu nehmen. Sie
sagte dass ihr Monogramm auch E J war, weil sie Erika Janda heißte. Der Wirt freute sich über diesen “lustigen
Zwischenfall. Und Erika hatte das Gefühl dass langsam wundert sich der Wirt über das komische Kind, sich
Kugelschreiber schenken ließ und nicht in der Schule saß. Weil am Haus gegenüber das Schild von einem Zahnarzt
war, sagte Erika dass sie nämlich zum Zahnarzt gehen sollte. Dann kam den Briefträger und überreichte dem Wirt
einen ganzen Stoß Post und eine große Ansichtskarte von ihrem Bruder. Der Wirt zog sie heraus. “Florenz”, sagte er.
Unter dem Geschriebenen stand deutlich zu lesen: ERWIN. Unter dem ERWIN stand: ILSE. Und das war garantiert
die Schrift von Ilse. Erika fragte wann sein Bruder wieder kommt. Der Wirt zuckte mit den Schultern und sagte dass er
nicht wusste. Er interessierte sich wieso Erika wollte das denn wissen.

Aber sie lief, weil sie sich schrecklich schämte. Es fing wieder zu regnen an. Je länger sie durch den Regen rannte,
umso sicherer wurde sie, dass Ilse schnell wieder zurück musste, weil der Kerl sie nicht richtig lieb hatte. Und ihr war
auch klar dass sie jemanden brauchte, der ihr half, Ilse zurückzuholen. Zuerst fiel ihr Alibaba. Aber er konnte ihr
helfen. Er war älter und mutiger als sie, aber er war auch ein Kind. Sie brauchte einen erwachsenen Menschen. Sie
dachte, dass Kurt ihr helfen musste. Sie wollte ihm anrufen und sie kannte die Nummer der Redaktion - 565616. An
der Ecke war eine Telefonzelle, aber sie hatte kein Geld. Sie konnte nicht einfach jemanden um Geld anbetteln. Sie
lief lieber zu Fuß in die Redaktion. Aber das war keine gute Idee, weil sie für das mindestens eine Stunde brauchte.
Und dann wäre Kurt in der Vormittags-Redaktionskonferenz gewesen. Und am Nachmittat war Kurt immer
unterwegs.

Sie konnte nicht mehr warten. Plötzlich war sie in einer Panik. So aufgeregt und so ungeduldig. Die Oma fiel ihr ein.
Sie wohnte nicht weit weg von der Rückertgasse und sie hatte sicher Geld zum Telefonieren. Sie lief zur Oma durch
einen richtigen Wolkenbruch hindurch. Wenn sie kam, war ihr schrecklich kalt. Ihre Zähne klapperten und ihre Finger
waren steif. Ihre Oma war im Keller, in der Waschküche. Die Waschküche war voll Dampf. Die Oma hatte eine
Gummischürze umgebunden und rührte im großen Wäschekessel herum. Wenn die Oma Erika sah, konnte sie nicht
verstehen, was geschehen war. Erika sagte, dass sie Geld zum Telefonieren brachte und erzählte ihr alles, was sie
wusste. Die Oma schaute gleichgültig. Erika interessierte sich, ob die Oma ihr helfen konnte. Aber die Oma dachte,
dass Ilse von allein wieder kommen wird. Erika wollte, dass Ilse gleich zurückkommt. Die Oma dachte, dass es
blödsinn war, mit dem Wirt zu reden. Man musste zur Polizei gehen, weil Ilse minderjährig war. Die Oma wollte
nicht zur Polizei gehen, sie hatte kein Recht, sich einzumischen. Zur Polizei konnte nur die Vater oder die Mutter
gehen.

Erika bat die Oma, mit dem Papa reden, aber sie wollte nicht. Er war seit einem Jahr nicht mehr bei ihr. Aber mit der
Mutter wollte sie auch nicht reden. Sie interessierte sich, warum Erika nicht mit der Mutter redete. Erika konnte die
Tränen nicht mehr zurückhalten. Es musste jemanden mit der Mutter reden, der ihr alles erklären konnte. Warum Ilse
weg war, und dass Ilse deshalb nicht schlecht war und in kein Internat gehörte. Erika bat die Oma zu probieren. Dann
gingen sie aus der Waschküche. Die Oma merkte erst, dass Erika klatchnaß war. Sie wollte ihr in die Wohnung gehen
und dort ihre Kleider trocknen. Die Oma sagte, dass das ihr den Tod holt. Aber Erika wollte nicht so lange warten. Sie
hatte Angst, die Oma konnte es sich wieder anders überlegen. Dazu wollte Erika ihr keine Zeit geben. Und Erika
sagte, dass sie schon trocken war.

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