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Lichtführung mit Systemblitzgeräten

Mehr Licht ist längst noch nicht alles

Blitzen erscheint wie eine Spezialdisziplin für Hobby-Fotografen. Nur


eine Minderheit setzt sich mit Lichtsteuerung auseinander. Die Mehrheit
begnügt sich mit dem Blitz in der Kamera. Eigentlich schade.

Von Hans-Heinrich Pardey

So stellt man sich den Systemblitz vor, aber so

muss es nicht sein

05. November 2010

Heutige Kameras, sogar die einfacheren Knipskästchen, sind einfach ziemlich


gut: Sie kommen mit zu wenig Licht genauso wie mit zu viel Licht glänzend aus.
Man muss sich nur mal die vielen, vielen Bilder im Netz angucken, die Teenies
zeigen, die genau in den Badezimmerspiegel hinein blitzen, nachdem sie sich für
den Partyabend gestylt haben. Was kaum eine Analogkamera schaffte, gelingt
diesen digitalen Minis: Neben dem grellen Licht sind die lila Locken und der
Lippenstift noch gut zu erkennen.

Dass die Kameras, genauer gesagt die Belichtungssteuerung und die


Bildverarbeitung in ihnen, so leistungsfähig geworden sind, lässt vieles
zurücktreten, was früher selbst für Hobbyfotografen im Umgang mit dem
Zubehör Blitzgerät von Wichtigkeit war. Nahezu jede moderne Kamera hat einen
eingebauten Blitz. Trotzdem bleibt der externe Blitz - besonders das eng mit der
Kameraelektronik kooperierende Systemblitzgerät, das oft, aber keineswegs
grundsätzlich vom Kamerahersteller kommt - für den ambitionierten Fotofreund
ein Muss. Warum?
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© Pardey

Metz Mecablitz 58 AF-2 digital und Olympus FL-36R

Zunächst sind die internen Blitze allesamt ziemlich schwach. Sie hellen perfekt
ein Porträt im Gegenlicht auf und leuchten den abendlichen Restauranttisch
angenehm dezent aus. Aber mit den Sportsfreunden, die tapfer aus dem
Prismengiebel ihrer Spiegelreflex in eine schlecht beleuchtete Turnhalle oder
einen Ballsaal hineinfeuern, kann man nur Mitleid haben. Machen wir das, was
vor Zeiten zu jeder gelungenen Blitzaufnahme gehörte - rechnen wir ein wenig:
Ein durchschnittlicher interner Kamerablitz mag etwa die Leitzahl 12 bezogen auf
eine Empfindlichkeit von ISO 100 haben. Die Leitzahl ist das Produkt aus Blende
und Motiventfernung, oder umgekehrt: Leitzahl durch Blende ergibt, wie weit der
Blitz leuchtet. 12 durch 5,6: na, vielleicht 2,20 Meter. Auf dem Turnhallenbild
werden also gut beleuchtete Zuschauerköpfe in der Nähe vor der dunklen Tiefe
des Raumes zu sehen sein.

Der sehr populäre Mecablitz 58 AF-2 digital des führenden deutschen Herstellers
Metz (auf die Kameraelektronik spezialisiert zu haben für Canon, Nikon/Fujifilm,
Pentax, Sony und Four-Thirds-Kameras von Olympus, Panasonic und Leica) oder
ein Speedlite 580 EX II von Canon als herstellereigenes Pendant haben eine
Leitzahl von 58. Noch mal rechnen: 10,35 Meter, das ist schon eine andere
Reichweite. Vorsicht: Angaben der Leitzahl werden gelegentlich geschönt durch
eine andere Bezugsgröße als ISO 100. Um wirklich vergleichbar zu sein, wird
noch noch der Winkel der Ausleuchtung in Brennweiten-Millimeter genannt. Also:
Leitzahl 58 bei ISO 100 und 105 Millimeter.

Mit der Elektronik von Digitalkameras lässt sich einiges tricksen

Zum Thema

• Aufsteckblitze für die Kamera: Das wirkungsvoll entfesselte Licht

• Externe Belichtungsmessung: Photoshop heilt doch nicht alles nach der


Aufnahme

Der zweite und wesentlich empfindlichere Nachteil des Blitzes im Kameragehäuse


ist, dass er nur dorthin leuchtet, wohin das Objektiv gerichtet ist. So weit es die
Gehäusemaße zulassen, wird er von dessen optischer Achse entfernt, um die
unliebsamen blutroten Kaninchenaugen zu vermeiden. Aber dadurch ändert sich
nichts an dem Frontal-Licht. Gewiss, mit der Elektronik von Digitalkameras lässt
sich einiges tricksen: Die Automatiken schrauben die Empfindlichkeit hoch, damit
die Reichweite besser aussieht. Leuchtstärke und -dauer des Blitzes werden
reduziert, damit das Frontal-Licht nicht gar so gnadenlos ein nahes Objekt
„totblitzt“ und harte Schatten um seine Konturen zeichnet. Aber der Fotograf
kann sich nur höchst eingeschränkt Reflektionsflächen suchen, er kann nicht zur
Decke oder an eine seitliche Wand blitzen, was den Lichteinfall auf das Motiv in
Richtung und Intensität steuert. Denn ob der Kamerablitz in der Gehäusefront
sitzt oder wie ein Springteufelchen hochploppt, sein Reflektor ist nicht neig- und
drehbar wie derjenige der meisten externen Blitze.

Dafür ist der eingebaute Blitz der Kamera aber immer ein „Systemblitz“: Dieser
Begriff bezeichnet jedoch die externen Geräte, die mit der Elektronik der Kamera
kommunizieren können, um beispielsweise zu erfahren, welche Brennweite am
Objektiv eingestellt wurde, und dementsprechend den eigenen Zoom-Reflektor in
Position zu bringen, damit der Ausleuchtungswinkel passt. Wie umfassend die
Informations- und Steuerungsmöglichkeiten sind, ist von Hersteller zu Hersteller
verschieden. Ein richtiges System entsteht mit mehreren Blitzgeräten, die,
hierarchisch in „Master“ und „Slave“ unterschieden, eine von der Kamera
(und/oder vom „Master“ der Blitzgerätegruppe) kommende Befehlskette an die
untergeordneten Leuchtkörper weiterreichen.

Dabei kann man Blitzgeräte der besseren Art wie das 58 AF-2 zu verschiedenen
Gruppen zusammenfassen, die auf unterschiedlichen Kanälen miteinander
kommunizieren. Einerseits ist das erforderlich, damit sich mehrere in der Nähe
operierende Remote-Gruppen nicht gegenseitig stören. Andererseits lässt sich so
- mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand - echte Lichtregie führen.

Dramatisierend wird von „entfesseltem Blitzen“ gesprochen


Lichtquelle: Brutal von vorne

Dabei sitzt allenfalls ein Systemblitz auf oder besser an der Kamera: Der zweite
und dritte bis n-te sind im Raum verteilt - ein bisschen dramatisierend wird von
„entfesseltem Blitzen“ gesprochen. Es geht vor allem darum, das Licht gezielt zu
führen, die richtige Menge aus der richtigen Richtung auf das Motiv fallen zu
lassen, um den gewünschten Bildeindruck zu erzielen. Statt zu jedem einzelnen
Blitzgerät im Raum hingehen zu müssen, um es einzustellen und ein- oder
auszuschalten, kommandiert man Einstellungen vom Master aus und wechselt
zwischen verschiedenen Beleuchtungen - bei höherer Zahl von Sklaven - durch
Wechsel der Gruppe.

Wenn da nun eine Sklavenschar - im Falle der obigen Fotos des Götterboten
Hermes arbeitete der Master zunächst allein und bekam dann zwei Knechte zur
Seite gestellt - im üblichen TTL-Betrieb blitzt, ist einiges im Millisekundenbereich
los vor der eigentlichen Aufnahme: TTL heißt „Through the lens“, auf diesem Weg
misst die Kamera die Belichtung. Dafür werden die Sklaven durch den Chef-Blitz
erst einmal in Bereitschaft versetzt, dann schickt der Master seinen - praktisch
nicht zu sehenden - Messblitz los, die Sklaven tun ihrerseits desgleichen, die
Kamera misst und übermittelt die nötigen Einstellungen an den Chef-Blitz, der
instruiert seine Knechte - und Aufnahme mit der befohlenen Lichtmenge, sprich
Leuchtdauer. Dauer des Vorspiels etwa bei Nikons „i-TTL“ und „Advanced
Wireless Lighting“: rund 200 Millisekunden.
Lichtquelle von unten links

Was ein rechter Systemblitz ist, der kann noch eine Menge mehr, als bloß Master
oder Slave im TTL-Betrieb sein. Der Mecablitz 58 AF-2 hat zum Beispiel einen
zweiten Reflektor, der Frontal-Licht liefert, wenn der Hauptreflektor zur Decke
gerichtet ist. Er kann Stroboskop-Blitze zucken lassen, lässt sich natürlich auf den
ersten und zweiten Verschlussvorhang synchronisieren und manuell in 25 Teil-
Lichtleistungsstufen schalten. Und er kann dazulernen: Für Anpassungen der
Firmware hat er eine USB-Buchse.

Das Ende aller Kompaktheit

Blitzen mit System ist auch keineswegs nur den Spiegelreflexfotografen


vorbehalten. Die Oberklasse der Kompaktkameras, sei es nun eine Canon
PowerShot G12, eine Nikon Coolpix P7000 oder eine Micro-Four-Thirds-Kamera
wie die Olympus Pen E, wird gewöhnlich in das herstellereigene
Lichtmanagement eingebunden. Sie können mit den Blitzgeräten der eigenen
Marke und kompatiblen Geräten kommunizieren. Einer Kompaktkamera einen
großen Systemblitz in den Blitzschuh zu schieben ist natürlich das Ende aller
Kompaktheit. Sehr fein aber, wenn Blitzgerät(e) und Kamera wenigstens einen
einfachen Remote-Betrieb beherrschen: Der eingebaute Blitz löst mit seinem
Licht das strategisch günstig aufgebaute externe Gerät im Servobetrieb aus.
Dabei bleibt die Handlichkeit der Kamera voll erhalten.

Lichtquelle: Reflektiert von der Decke


Das funktioniert sogar bei den allerflachsten Partyknipsern: Metz bietet mit dem
kleinen Mecablitz 28 CS-2 digital ein reines Servogerät (Leitzahl 28 bei ISO 100
und 85 mm) an, das auf den Lichtblitz der Kamera reagiert. Und weil bei den
einfachen Knipskästchen manchmal die „Rote-Augen-Automatik“ erwünscht sein
mag (oder schlicht nicht abschaltbar ist), kann der an der Kamera oder frei im
Raum positionierbare Mecablitz darauf trainiert werden, nicht beim Vorblitz der
Automatik, sondern erst beim Aufnahmeblitz kräftig mitzuleuchten. Bei diesem
einfachen Servo-Betrieb findet natürlich kein Datenaustausch zwischen Kamera
und Blitz statt. Stattdessen bietet der kompakte Zusatzblitz eine Plus-minus-
Taste: Mit der kann nach der Kontrolle eines Probebilds die Leistung des 28 CS-2
einfach reguliert werden.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Pardey

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