SICHER
Interaktionen zwischen
Arzneimitteln und Lebensmitteln
Eine Information für das Apothekenteam zum Tag der Apotheke 2014
INHALTSVERZEICHNIS I. EINLEITUNG
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II. MECHANISMEN DER INTERAK TIONEN und Tee und mit Calciumionen in Milchprodukten und Mineral-
ZWISCHEN ARZNEI- UND NAHRUNGS wässern auf. Hier ist ein zeitlicher Abstand zwischen der Einnahme
MIT TELN von Arznei- und Nahrungsmitteln zur Vermeidung der Interaktion
notwendig. Die Aufnahme einiger Arzneimittel in die Dünndarm
Die Bandbreite der möglichen Wechselwirkungen mit Nahrungs- wand ist an das Vorkommen spezifischer Aufnahmetransporter
mitteln reicht von leichten Resorptionsverzögerungen über gekoppelt, die den Transport in das Zellinnere steuern. Ähnlich
Wirkungsverlust bis zum Auftreten von schweren Nebenwirkungen. wie bei den metabolisierenden Enzymen können Transport-
Bei den Mechanismen unterscheidet man pharmakokinetische proteine inhibitiert oder induziert werden. Sowohl Induktion als
und pharmakodynamische Interaktionen. Beide Ebenen spielen auch Inhibition haben einen Einfluss auf die Resorption der
auch bei Interaktionen mit Nahrungsmitteln eine Rolle. betroffenen Arzneistoffe. Nicht nur Arzneimittel, sondern auch
Nahrungsbestandteile wie Inhaltsstoffe von Fruchtsäften können
diese Transporter induzieren bzw. hemmen.
Pharmakokinetische Interaktionen
Pharmakokinetische Interaktionen betreffen die Freisetzung,
Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung von Folgenden in dieser Broschüre genannten Interaktionen liegt eine
Wirkstoffen. Als Resultat können der Zeitpunkt des Wirkeintritts, Veränderung bei der Freisetzung und Resorption zugrunde:
die Wirkdauer sowie die Wirkstärke verändert sein oder Neben-
wirkungen auftreten. Die Zusammensetzung der Nahrung wie auch »» Calcium-haltige Nahrungsmittel und Bisphosphonate, einige
der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme beeinflussen vor allem die Antibiotika und Schilddrüsenhormone (Seite 10)
Freisetzung und Resorption, zum Teil auch die Metabolisierung von »» Fruchtsäfte und einige Antihypertensiva und Fexofenadin (Seite 13)
Arzneistoffen. »» Gerbstoffe und Eisen (Seite 14)
»» Gerbstoffe und Neuroleptika (Seite 27)
Interaktionen bei der Freisetzung und Resorption »» Grüner Tee und Nadolol (Seite 28)
Die meisten Arzneimittel werden per os eingenommen und über die
Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts resorbiert. Die Freisetzung Interaktionen bei der Metabolisierung
eines Arzneistoffs aus der Arzneiform hängt zum einen von seiner Die chemischen Veränderungen, denen der Wirkstoff auf seinem
Galenik und seiner Löslichkeit, zum anderen von den physiologischen Weg durch den Körper bis hin zur Ausscheidung unterworfen ist,
Lösungs- bzw. Freisetzungsbedingungen im Gastrointestinaltrakt nennt man Metabolismus oder Biotransformation. Der Großteil der
wie pH-Wert, Magen- und Darmpassagezeit und Magenfüllung ab. Metabolisierung läuft über Enzyme der Leber und der Darmwand.
Häufig sind Cytochrom-P450-(CYP) Enzyme an der Metabolisierung
beteiligt. Interaktionen können dann auftreten, wenn ein Substrat
Die Freisetzung und Resorption eines Arzneistoffs durch Nahrung
zusammen mit einem Inhibitor bzw. Induktor des jeweiligen
wird insbesondere durch folgende Effekte beeinflusst:
CYP-Enzyms gegeben wird. Auch eine Konkurrenz um die
Enzymbindungsstelle kann zu einer Interaktion führen.
»» Verzögerung der Magenentleerung
»» Erhöhung des pH-Wertes des Magensaftes Bei Hemmung von Cytochrom-P450-Enzymen kann es zu einer
»» Komplexbildung und Adsorptionseffekte Verlängerung der Halbwertszeit, erhöhten Plasmakonzentrationen
»» Beeinflussung von Transportproteinen sowie verstärkten Nebenwirkungen kommen. Die Ursache der
»» vermehrte Gallesekretion. Enzyminhibition ist häufig eine kompetitive Hemmung des Abbaus.
Der Mechanismus der Enzyminduktion beruht in den meisten Fällen
Der empfohlene Einnahmezeitpunkt eines Arzneimittels in Bezug
auf einer vermehrten Bildung von Enzymen. Als Folge kann es zu
auf eine Mahlzeit ergibt sich vor allem aus dem Einfluss von Ma
einer Verringerung der Plasmakonzentration und damit zu einer
gen-pH, Galleproduktion und Füllungszustand des Magens auf die
verminderten Wirkung kommen. Neben dem vermehrten Abbau
Freisetzung und Resorption von Arzneimitteln (siehe III, Seite 6).
der Arzneistoffe kann eine Induktion auch zu einer vermehrten
Komplexbildung, Adsorptionseffekte sowie eine Beeinflussung von
Überführung eines Prodrugs in die eigentliche Wirkform führen.
Transportproteinen sind meist auf bestimmte Nahrungsbestandtei
Hierbei kann es zu einer Verstärkung der Wirkung kommen.
le zurückzuführen. Hier muss zum Teil ganz auf diese Nahrungs-
bestandteile verzichtet werden oder es ist ein zeitlicher Abstand
zu diesem Nahrungsbestandteil einzuhalten. Komplexbildung und Folgenden in dieser Broschüre genannten Interaktionen liegt eine
Adsorptionseffekte treten zum Beispiel mit Gerbstoffen in Kaffee Veränderung bei der Metabolisierung zugrunde:
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»» Alkohol und verschiedene Arzneistoffe (Seite 20) Arzneistoffs durch den Kontakt mit Nahrung beeinträchtigt. Bei
»» Koffein und Clozapin (Seite 11) Arzneimitteln, die schnell wirken sollen, ist daher häufig eine nüchterne
»» Koffein und Gyrasehemmer (Seite 12) Einnahme sinnvoll. Beispiele für nüchtern einzunehmende Arznei
»» Grapefruitsaft und verschiedene CYP3A4 Substrate (Seite 16) stoffe sind das Antibiotikum Phenoxymethylpenicillin, Schilddrüs
»» Rauchen und verschiedene Arzneistoffe (Seite 24) enhormone oder das Diuretikum Furosemid. Eine Einnahme zum
»» Grillgerichte und Theophyllin sowie weitere Arzneistoffe (Seite 29) Essen oder nach dem Essen ist besonders wichtig, wenn die Arz
»» Cranberry und Vitamin K-Antagonisten (Seite 26) neimittel dadurch besser verträglich sind. Beispiele hierfür sind das
Antidiabetikum Metformin, das Antibiotikum Nitrofurantoin oder
Pharmakodynamische Interaktionen das Antidepressivum Venlafaxin. Durch die Einnahme mit Nahrung
Pharmakodynamische Interaktionen sind durch Änderung von kann insbesondere bei lipophilen Arzneistoffen die Resorption
Wirkung oder Nebenwirkung gekennzeichnet, ohne jedoch zu einer optimiert werden. Dies erklärt, warum das Retinoid Isotretinoin und
wesentlichen Änderung der Plasmaspiegel zu führen. Sie können das Antimalariamittel Atovaquon zum Essen und das Parkinson-
auftreten, wenn sich Arzneistoffe und Nahrungsbestandteil durch Therapeutikum Selegillin direkt nach dem Essen eingenommen
Wechselwirkungen an einem Rezeptor, an einem Erfolgsorgan werden sollen.
oder in physiologischen Regelkreisen in ihrer Wirkung verstärken
oder abschwächen. Pharmakodynamische Interaktionen treten bei Auch die Pharmakologie kann den Einnahmezeitpunkt bestimmen.
Nahrungsmitteln eher selten auf. Für eine optimale pharmakologische Wirkung im Darm werden
Arzneistoffe wie Acarbose oder Orlistat, die die Resorption von
Folgenden Interaktionen der Broschüre liegt eine pharmakodynamische Nahrungsbestandteilen hemmen, idealerweise unmittelbar vor oder
Interaktion zugrunde: zum Essen eingenommen.
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Häufige Hinweise zu Einnahmezeitpunkten in Beipackzetteln IV. ÜBERSICHT ÜBER SPEZIFISCHE
INTERAK TIONEN ZWISCHEN ARZNEI-
»» Unabhängig von den Mahlzeiten UND NAHRUNGSMIT TELN
(z. B . Clopidogrel, Torasemid)
Die Einnahme kann entweder vor, zu oder nach dem Essen Die Apotheke ist der Ort, an dem alle Arzneimittel, die ein Patient
erfolgen. anwendet, durch Speicherung der Daten in der Patientendatei
zusammen erfasst werden können. Daher sind Apotheken beson
»» Nüchtern ders dafür geeignet, potenziell relevante Interaktionen zu erkennen
(z. B . Furosemid, Phenoxymethylpenicillin) sowie den Patienten und gegebenenfalls den Arzt darüber zu
Die Einnahme sollte mindestens 30, besser 60 Minuten vor informieren.
dem Essen oder frühestens 2, besser 3 Stunden nach dem
Essen erfolgen.
Im folgenden Teil sind spezifische Interaktionen eines Arzneistoffs
bzw. einer Arzneistoffgruppe mit einem Nahrungsmittel bzw. einem
»» Vor einer Mahlzeit Nahrungsbestandteil aufgeführt. Die aufgeführten Interaktionen
(z. B . Glibenclamid, Atenolol, Sotalol)
wurden zur einfacheren Einordung für die Beratung den folgenden
Das Arzneimittel sollte bei dieser Angabe meist 30 (z. B. Gli
Kategorien zugeordnet:
benclamid) bis 60 Minuten (z. B. Atenolol und Sotalol) vor dem
Essen eingenommen werden, zum Teil wird eine Zeitangabe
in den Beipackzetteln explizit aufgeführt z. B. bei Repaglinid: Kategorie 1 Klinisch relevante Interaktion
15 min. Beratung bei Erstverordnung bzw.
Erstabgabe erforderlich
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Kategorie 1:
Klinisch relevant, Hinweis bei Erstverordnung
bzw. Erstabgabe notwendig
Calcium-haltige Nahrungsmittel: Bisphosphonate wie Alendronat; Koffein-haltige Lebensmittel: Clozapin (atyp. Neuroleptikum)
Milch und Milchprodukte, Gyrasehemmer: Ciprofloxacin Kaffee, Tee, Cola, Mate,
Calcium-angereicherte Frucht und Norfloxacin; Energy Drinks, größere Mengen
säfte und einige Calcium-reiche Schilddrüsenhormone wie Bitterschokolade
Mineralwässer Levothyroxin;
Tetracycline wie Doxycyclin
Fazit
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Kategorie 1:
Klinisch relevant, Hinweis bei Erstverordnung
bzw. Erstabgabe notwendig
Koffein-haltige Lebensmittel: Gyrasehemmer: Enoxacin, unter Fruchtsäfte (Apfel-, Orange-, Aliskiren, Celiprolol, Atenolol
Kaffee, Tee, Cola, Mate, bestimmten Voraussetzungen Grapefruitsaft (siehe hierzu auch (Antihypertensiva), Fexofenadin,
Energy Drinks, größere Mengen auch Ciprofloxacin und Interaktionen mit Grapefruit)) Bilastin (H1-Antihistaminika)
Bitterschokolade Norfloxacin
Klassifikation Gleichzeitige Anwendung nicht empfohlen Klassifikation Gleichzeitige Anwendung nicht empfohlen
ABDA- ABDA-
Datenbank Datenbank
Mechanismus Die Metabolisierung von Koffein erfolgt über Mechanismus Die Resorption von Arzneistoffen aus dem Darm
CYP1A2. Einige Gyrasehemmer hemmen CYP1A2. erfolgt in einigen Fällen über aktive Transporter.
Am stärksten interagiert Enoxacin, gefolgt von Cipro Hierzu gehören die Organischen-Anionen-Trans
floxacin und Norfloxacin. Die übrigen Gyrasehemmer porter-Peptide (OATPs). Inhaltsstoffe von Oran
scheinen nicht zu interagieren. gen-, Apfel- und Grapefruitsaft können OATPs in
hibieren und so die Resorption von Arzneistoffen
Effekt Die Folge der Wirkverstärkung von Koffein sind vermindern. Gegenwärtig liegen nur für wenige
Erregung, Unruhe, Schlaflosigkeit, Herzklopfen und Arzneistoffe Erkenntnisse aus klinischen Studien
Halluzinationen. zur Bedeutung und dem Ausmaß dieser Wech
selwirkung vor. Die Dauer der OATP-Inhibition ist
nicht eindeutig geklärt, mit einer Hemmung über
Fazit 2 bis 4 Stunden muss jedoch gerechnet werden.
Fazit
»» Fruchtsäfte können durch die Inhibition von OATPs die Resorption von
Arzneistoffen vermindern und die Wirkung beeinträchtigen.
»» Bisher wurde nur für eine kleine Zahl an Arzneistoffen eine klinische
relevante Resorptionsverminderung festgestellt.
»» Die Einnahme der aufgeführten Arzneimittel sollte mit Leitungswasser
mindestens 30, besser 60 Minuten vor dem Genuss von Fruchtsäften
erfolgen.
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Kategorie 1:
Klinisch relevant, Hinweis bei Erstverordnung
bzw. Erstabgabe notwendig
Fazit
»» Wegen der ihnen zugesagten gesundheitsfördernden Effekte wie „Stär
kung des Immunsystems und Hemmung des Alterungsprozesses“ wer
»» Empfohlen wird die nüchterne Einnahme von Eisenpräparaten mit Lei den Goji-Beeren zunehmend in Deutschland vermarktet, zum Beispiel
tungswasser oder mit sauren Vitamin C-haltigen Fruchtsäften möglichst als Tabletten, Tee, Saft oder Marmelade.
1 Stunde vor dem Frühstück oder zwischen den Mahlzeiten. »» Patienten, die Vitamin K-Antagonisten einnehmen, sollen Zubereitungen
»» Zu Kaffee oder Tee sollte ein 2-stündiger Abstand eingehalten werden. mit Goji-Beeren meiden.
»» Falls Magen-Darm-Probleme auftreten, sollte die Einnahme allerdings
aufgrund der besseren Verträglichkeit zu oder nach den Mahlzeiten
erfolgen.
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Kategorie 1:
Klinisch relevant, Hinweis bei Erstverordnung
bzw. Erstabgabe notwendig
Mechanismus Grapefruit-Inhaltsstoffe (Naringenin, 6',7'-Dihydroxyber Effekt Durch Lakritze kann insbesondere in Kombinati
gamottin) hemmen irreversibel CYP3A4 in der Darmwand. on mit kaliuretischen Diuretika eine Hypokaliämie
Hierdurch reduziert sich der First-Pass-Metabolismus von hervorgerufen werden. Symptome der Hypo-
Arzneistoffen, die Substrat dieses intestinalen Enzyms kaliämie (Serum-Konzentration <3,5 mmol/l) sind
sind. Als Konsequenz können die Plasmaspiegel der Muskelschwäche, Hyporeflexie, Somnolenz und
betroffenen Substanzen ansteigen und Nebenwirkungen typische EKG-Veränderungen mit der Gefahr
auftreten. Stoffe, die durch CYP3A4 bioaktiviert werden, von Herzrhythmusstörungen. Zudem ist ein
können dadurch weniger wirksam werden. Die Hemmung Blutdruckanstieg möglich.
des intestinalen CYP3A4 beginnt wenige Stunden nach
Einnahme von Grapefruit und kann einige Tage anhalten.
Fazit
Grapefruit-Inhaltsstoffe hemmen außerdem die Organi
schen-Anionen-Transporter-Peptide (OATP) und damit die »» Der Konsum von Lakritze mit hohem Gehalt an Süßholzwurzelextrakt
Resorption bestimmter Arzneistoffe. kann zu einem relevanten Abfall der Kaliumspiegel und einer Steigerung
des Blutdrucks führen.
Effekt Grapefruit kann die substanzspezifischen Wirkungen vieler
»» Bei Hypertonikern kann der antihypertensive Effekt der Therapie redu
CYP3A4-Substrate verstärken. Stoffe, die durch CYP3A4 ziert und der kaliuretische Effekt von Diuretika potenziert werden.
bioaktiviert werden, und Substrate des Anionentranspor
»» Hypertoniker sollten Lakritze nur in Maßen oder gar nicht zu sich neh
ters OAT2B1 werden in ihrer Wirkung durch Grapefruit men.
beeinträchtigt.
Fazit
»» Während der Behandlung mit den betroffenen Arzneistoffen soll auf den
Konsum von Grapefruits und Grapefruit-Zubereitungen verzichtet werden.
»» Zu Interaktionen mit Pomelo, einer Kreuzung aus Pampelmuse (Citrus ma
xima) und Grapefruit (Citrus paradisi), liegen nur wenigen Daten vor. Um auf
der sicheren Seite zu sein, sollte auch auf diese Früchte verzichtet werden.
16 17
Kategorie 1:
Klinisch relevant, Hinweis bei Erstverordnung
bzw. Erstabgabe notwendig
»» Gehemmter Alkoholabbau Auch bei der Interaktion zwischen Paracetamol und Alkohol ist
Verapamil und Gallopamil sowie Ranitidin können den Alkohol zwischen chronischem Alkoholkonsum und gelegentlichem,
abbau hemmen. Das Ausmaß der Hemmung ist allerdings von moderaten Alkoholkonsum zu unterscheiden. Bei chronischem
vielen weiteren Faktoren abhängig (Geschlecht, Alter, Alkohol Alkoholkonsum kann eine erhöhte Menge lebertoxischer
menge und -konzentration, Tageszeit, Einnahme von Mahl Paracetamol-Metabolite gebildet werden. Fallberichte beschreiben
zeiten). Auch die Tuberkulosemittel Isoniazid und Protionamid schwere Leberschädigungen nach Einnahme moderater
hemmen den Alkoholabbau. Bei Isoniazid kann durch regelmä Paracetamol-Dosen bei alkoholabhängigen Patienten. Daher ist
ßigen Alkoholkonsum auch dessen Hepatotoxizität verstärkt bei chronischem Alkoholkonsum Vorsicht geboten. Bei NSAR als
werden, bei Protionamid anscheinend auch dessen krampfaus alternatives Schmerzmittel ist die Erhöhung des Ulcusrisiko bei
lösende Wirkung. chronischem Alkoholkonsum zu berücksichtigen. Eine akute
moderate Alkoholzufuhr erhöht das Risiko für Paracetamol-bedingte
»» Der Disulfiram-Effekt Lebertoxizität bei Bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht.
Während einer Therapie mit Disulfiram (nicht mehr im Handel)
kann es einige Minuten nach Alkoholzufuhr zu Flush, Übelkeit, Pharmakodynamische Interaktionen
Kopfschmerzen, Schwindel, Diarrhö, Atemnot, Tachykardie,
Blutdruckabfall oder -anstieg kommen. Disulfiram, das als Ent »» Verstärkung hepatotoxischer Effekte:
wöhnungsmittel bei Alkoholabhängigkeit angewendet werden Methotrexat und Isoniazid erhöhen in Abhängigkeit von der
kann, hemmt die Aldehyddehydrogenase. Hieraus resultieren er Dosierung und der Therapiedauer das Risiko von Leberschä
höhte Acetaldehyd-Plasmakonzentrationen, die für die genann den bei regelmäßigem Alkoholgenuss. Dies trifft auch auf das
ten Symptome verantwortlich sind. In geringerem Maße wird Zytostatikum Trabectedin zu.
die Aldehyddehydrogenase auch durch Griseofulvin, Nifuratel,
Nitroimidazole wie Metronidazol sowie wahrscheinlich Procarba »» Verstärkte zentraldämpfende Wirkungen:
zin gehemmt. Auch hier kann der Disulfiram-Effekt auftreten. Während einer Behandlung mit zentraldämpfenden Pharmaka
(z. B. sedierende Antiepileptika, Anticholinergika, Cannabinoi
Veränderung der Kinetik von Arzneistoffen durch Ethanol de, Dopaminantagonisten, Opioidanalgetika, Antidepressiva,
Besonders bei höheren Blutalkohol-Konzentrationen wird Alkohol Benzodiazepine, sedierende Antihistaminika, Neuroleptika,
nicht nur über die Alkoholdehydrogenase, sondern auch durch das Chloralhydrat) ruft Alkohol eine verstärkte Sedierung, Benom
„mikrosomale Ethanol-oxidierende System“ (MEOS) in der Leber menheit und verminderte Aufmerksamkeit hervor: selten kön
metabolisiert. Je größer die aufgenommene Menge, desto größer nen lebensbedrohliche Atemdepressionen und kardiovaskuläre
der durch MEOS metabolisierte Anteil. Wesentlicher Bestandteil Effekte auftreten.
des MEOS ist CYP2E1. Dieses ist induzierbar: Langdauernder
Alkoholkonsum in größeren Mengen kann die Aktivität von CYP2E1
auf das Vier- bis Zehnfache erhöhen. Die akute Zufuhr großer
Ethanolmengen kann CYP2E1 kompetitiv hemmen.
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Verstärkung anderer unerwünschter Effekte: Empfehlungen zum Alkoholkonsum während einer
»» Größere Alkoholmengen während der Behandlung mit Metfor Arzneimitteltherapie
min erhöhen die Gefahr einer lebensbedrohlichen Laktatazido
se: Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen, Muskelschmer Es gibt durchaus Arzneimittel, die sich mit moderaten Mengen
zen, Hyperventilation, Durst, Lethargie und Koma. Biguanide Alkohol vertragen. Bei Arzneimitteln, die sich nicht mit Alkohol
vermindern die Gluconeogenese, u. a. aus Lactat. Außerdem vertragen, sollte kein oder nur sehr wenig Alkohol getrunken wer
entsteht durch vermehrte anaerobe Glykolyse mehr Lactat, das den. Bei diesen Arzneimitteln sollte der Patient bei Erstverordnung
darüber hinaus in der Leber langsamer abgebaut wird. bzw. Erstabgabe in der Apotheke einen entsprechenden Hinweis
erhalten.
»» Sowohl akuter als auch chronischer Alkoholgenuss kann die
ulzerogenen Wirkungen der nicht-steroidalen Antiphlogistika Bei folgenden Arzneistoffgruppen und Arzneistoffen sollten
(NSAR) additiv verstärken und die Neigung zu gastrointestinalen Patienten zu der Interaktion mit Alkohol informiert werden:
Blutungen steigern.
Arzneimittel Maßnahme
»» Während einer Behandlung mit Nitraten wie Glyceroltrinitrat
kann Alkohol durch die additive Gefäßdilatation das Risiko von Clomethiazol Alkohol strikt meiden
orthostatischen Blutdruckabfällen mit Kollapsneigung steigern.
Acitretin Frauen im gebärfähigen Alter:
»» Während einer Therapie mit Dopaminagonisten wie Bromocrip während der Behandlung und
tin oder anderen Mutterkornalkaloid-Derivaten sowie Amantadin zwei Monate danach Alkohol strikt
kann Alkohol in Einzelfällen Bauchschmerzen, Übelkeit und meiden
Hypotonie oder Hypertonie hervorrufen. Möglicherweise erhöht
Methotrexat, Trabectedin, Alkohol möglichst meiden, vor
Alkohol die Sensibilität der Dopamin-Rezeptoren und damit die
Isoniazid, Protionamid allem aber nicht regelmäßig
entsprechenden unerwünschten Effekte der Dopaminagonisten.
zuführen
»» Bei bis zu 10 % der Neurodermitis-Patienten, die mit Tacroli Vitamin K-Antagonisten, nicht- Gelegentlich moderate Alkoholmen
mus- oder Pimecrolimus-Salben behandelt werden, tritt etwa steroidale Antiphlogistika (NSAR), gen (100–200 ml Wein / 250–500
10 Minuten nach Aufnahme auch geringer Alkoholmengen meist Nitrate ml Bier pro Tag) möglich
im Gesicht eine Hautrötung oder -reizung (Flush) mit Exanthem,
Brennen, Juckreiz oder Schwellung auf, die nach 1 bis 2 Stun Griseofulvin, Nifuratel, Imida Patienten auf die jeweiligen
den wieder abklingt. Der Mechanismus dieser Wechselwirkung zol-Derivate (z. B. Metronidazol), Unverträglichkeitsreaktionen mit
Procarbazin, Tacrolimus- und Alkohol aufmerksam machen;
ist nicht bekannt.
Pimecrolimus-Salben, Dopamin Alkohol möglichst meiden
agonisten (z. B. Bromocriptin,
»» Bei Einnahme von Alkohol während einer Acitretin-Therapie
Amantadin)
kann daraus sein Ethylester Etretinat gebildet werden. Etre
tinat wird auf Grund seiner hohen Lipophilie im Fettgewebe Verapamil, Gallopamil, Ranitidin Patienten auf möglicherweise
gespeichert und daraus sehr langsam freigesetzt, sodass sein erhöhte Blutalkoholkonzentratio
teratogener Effekt sehr lange anhalten kann. nen hinweisen
»» Alkohol kann Hypoglykämien mit zeitlicher Verzögerung verstär Zentraldämpfende Arzneimit Patienten darauf hinweisen, dass
ken oder auslösen. Bezüglich des Alkoholkonsums gelten für tel (sedierende Antiepileptika, schon geringe Alkoholmengen
Anticholinergika, Cannabinoide, Benommenheit hervorrufen und
Diabetiker die gleichen Empfehlungen wie für Nicht-Diabetiker.
Opioidanalgetika, Antidepressi die Konzentrationsfähigkeit be
Diabetiker sollten Alkohol allerdings nur zu einer kohlenhydrat
va, Benzodiazepine, sedierende einträchtigen können; keinesfalls
haltigen Mahlzeit trinken, um Hypoglykämien zu vermeiden.
Antihistaminika, Neuroleptika, größere Alkoholmengen zuführen
Chloralhydrat)
22 23
TABAKRAUCH
Wesentlicher in diesem Zusammenhang sind jedoch die durch das
Tabakrauch kann über pharmakokinetische und pharmakodynami Rauchen induzierten Endothel-Schädigungen der Blutgefäße, die in
sche Mechanismen zu Wechselwirkungen mit Arzneimitteln führen. der Summe die Entstehung von Arteriosklerose begünstigen.
Es ist bekannt, dass die Einnahme oraler kombinierter hormoneller Olanzapin Wahrscheinlich keine Dosisanpassung notwendig,
Kontrazeptiva das Risiko für thromboembolische Ereignisse wie tiefe vorsichtshalber überwachen
Beinvenenthrombosen, Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen kann.
Die Anwendung dieser Präparate bei Raucherinnen führt darüber Rasagillin Eine Dosisanpassung kann notwendig sein
hinaus zu einer additiven Zunahme des Thromboembolierisikos.
Anwenderinnen hormonaler Kontrazeptiva sollte daher dringend Ropinirol Eine Dosisanpassung kann notwendig sein
geraten werden, nicht zu rauchen.
Theophyllin Eine Dosisanpassung kann notwendig sein,
Achtung: enge therapeutische Breite
Rauchen stellt zudem einen zentralen kardiovaskulären Risiko
faktor dar, der sich negativ auf die Entwicklung von Spätschäden
und die Prognose einer Reihe von Krankheiten wie bspw. Diabetes
mellitus Typ II, Fettstoffwechselstörungen oder Hypertonie auswirkt.
Rauchen verursacht dabei eine leichte, vorübergehende Blutdruck
erhöhung.
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Kategorie 2:
Interaktion ohne, mit geringer oder unklarer Relevanz
Mechanismus Basierend auf einigen Fallberichten wird in den USA Mechanismus Die in schwarzem Tee und Kaffee enthaltenen
vor der gemeinsamen Gabe von Cranberry-Saft und Gerbstoffe (Tannine) bilden in vitro mit Neuroleptika
Warfarin gewarnt. Begründet wird dies mit einem schwer resorbierbare Komplexe. Diese Komplexe
möglicherweise erhöhten Blutungsrisiko. Unstrittig lösen sich jedoch im sauren Magenmilieu wieder.
ist, dass Cranberry-Saft in vitro eine Hemmung von Folglich kann der Wirkstoff resorbiert werden, ohne
CYP3A4 und CYP2C9 zeigt. Die Mehrzahl der dass die Gerbstoffe einen merklichen Einfluss auf die
kontrollierten klinischen Studien konnten jedoch Plasmakonzentration der Neuroleptika haben.
zeigen, dass die gemeinsame Einnahme von Warfa
rin (CYP2C9 Substrat) und Cranberry-Saft in vivo zu Effekt Da sich die Komplexe im sauren Milieu lösen, tritt
keiner Veränderung der Plasmaspiegel führt. Auch keine verminderte Wirkung der Neuroleptika auf.
ein möglicher additiver pharmakodynamischer Effekt
von Cranberry-Saft auf die blutgerinnungshemmen
Fazit
de Wirkung von Warfarin konnte mehrheitlich nicht
nachgewiesen werden. »» Der Effekt der Komplexbildung zwischen Gerbstoffen und Neuroleptika
kann in vitro beobachtet werden, ist aber ohne klinische Relevanz.
Effekt Wahrscheinlich keine Wechselwirkung - theoretisch »» Auch wenn einige Fachinformationen vorsichthalber den Verzicht auf Kaf
denkbar: erhöhtes Blutungsrisiko fee und Tee empfehlen, ist bei der aktuellen Datenlage kein standardisierter
Hinweis bei der Erstabgabe erforderlich.
Fazit
»» Bei Clozapin ist die Interaktion mit Koffein zu beachten (siehe Seite 11)
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Kategorie 2:
Interaktion ohne, mit geringer oder unklarer Relevanz
Grüner Tee oder Präparate mit Substrate von Organo-Anion- Grillgerichte Theophyllin und andere Arzneis
einem Extrakt daraus Transporter-Proteinen (OATP) (enthalten polyzyklische toffe, die vor allem über CYP1A2
wie Nadolol (Betablocker) Kohlenwasserstoffe) metabolisiert werden (u. a.
Zolmitriptan)
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