Kopfschmerz
Arteriitis temporalis Horton
Riesenzellarteriitis, Arteriitis cranialis
häufigste primäre systemische Vaskulitits (granulomatöse Panarteriitis)
Kriterien
o > 50 Jahre
o neuartige oder neu aufgetreten Kopfschmerzen
o abnorme Temporalarterien (Druckdolenz)
o BSG > 50 mm in der ersten Stunde
o histologische Veränderungen bei Biopsie der Temporalarterie
Klinik
o Allgemeinsymptome, Kopfschmerzen
o Augenbeteiligung (15 – 50 %) CAVE: Erblindung
o Claudicatio masticatoria
o zerebrale Infarkte, Empfindlichkeit der Kopfhaut
Lernziele
neuronale Grundlagen der Schmerzentstehung und –wahrenehmung
Terminologie
Schmerzanamnese
Schulter-Arm-Schmerzen – DD
Schmerzsyndrome mit Schwerpunkt Kopf/Gesicht/Nacken: primäre vs.
symptomatische Kopfschmerzen
WS17/18, Fink 1
Schmerz
nozizeptiver Schmerz (Reizantwort)
o potenziell schädigende Reize
o mechanisch
o thermisch
o chemisch
o verursacht durch biogene Amine
o freie Nervenendigung C-Fasern Substantia gelatinosa Tractus
spinothalamicus lateralis Thalamus Gyrus postcentralis
Schmerzformen
Akuter Schmerz Chronischer Schmerz
Dauer < 1 Monat Dauer > 6Monate oder über normale
Heilungszeit hinaus
Spezifischer Auslöser/Trauma Selbstständige Erkrankung
Biologisch sinnvolle Warnreaktion Fehlende biologische Funktion
Somatische Risikofaktoren: Narbenbildung
unter Einbeziehung on Schmerzstrukturen
WS17/18, Fink 2
Terminologie
von Schmerzsymptomen
Hyperpathie: Überempfindlichkeit ggü. sensiblen Reizen (unangenehm!)
Hyperalgesie: verstärkte Schmerzempfindung schmerzhafter Reize
Allodynie: Schmerzauslösung durch einen Reiz, der normalerweise keinen Schmerz
verursacht
Anästhesia dolora: quälender lokaler Schmerz bei ausgefallener
Obreflächensensibilität
Neuralgie. periodisch auftretende, anfallsartige Schmerzen, beschränkt auf das
Versorgungsgebiet eines Nerven, oft projizierter Schmerz
Kausalgie: dumpfe, wellenförmige an- und abschwellende Brennschmerzen bei
Läsionen gemischter peripherer Nerven, die reich an Sympathikusfasern sind (N.
medianus, N. tibialis), oft bei vegetativen Störungen
Phantomschmerz: Langanhaltende, in amputierte Gliedmaßen projizierte Schmerzen
Schmerzanamnese
zeitliche Dimension (Beginn, Verlauf)
räumliche Dimension (Wo)
kausale Dimension (Auslöser, Einflüsse, Auswirkungen)
Charakter (Sensorich, emotional)
Intensität (Gradierung von 0 – 10, Auswirkung auf Arbeit & sozial)
iatrogene Faktoren (bisherige Therapieversuche, Erklärungen?)
begleitende Symptome (z.B. Bewegungseinschränkung, Übelkeit?)
Chronifizierungsfaktoren
o Überzeugungen (Verdrängung, Ohnmacht)
o Verhalten (sozialer Rückzug, forderndes Verhalten)
o Emotionen (Stress, Depression, Angst)
o Familie (Überprotektion oder Ablehnung)
o Arbeitsplatz
WS17/18, Fink 3
Schulter-Arm-Schmerz
Pathologien der/des
Schulter-/Armgelenke bzw. der angrenzenden Weichteile
periphere Nerven (neurogene Brachialgen)
Armplexus
HWS: spondylogene Brachialgien
zervikale Nervenwurzeln
Armplexus
Armplexusläsionen
Tumoren
Strahlenschädigungen
neuralgische Schulteramyotrophie
Thoracic-Outlet-Syndrom (später!)
Posttraumatische Armplexus-Beschwerden
HWS-spondylogene Brachialgien
Spondylose – Nackenschmerz, diffuse Schmerzausstrahlung
Diskushernie – akute Torticollis: Schmerzausstrahlung mit radikulärem Charakter
neurologische Ausfälle entsprechend der betroffenen Wurzel
WS17/18, Fink 4
Vertebralisdissektion
Beispiel: seit 3d rechtsseitige Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Arm und nach
occipital (C2, 3); Horner-Syndrom rechts; Gaumensegelparese rechts, vermindertes
Schmerzempfinden links
Klinik
o einseitige Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den
Arm und nach occipital (C2, 3)
o ischämische Symptome: v.a. Wallenberg-Syndrom
o Wurzelläsion (C4), C5, C6, (C7), evtl. rein motorisch
Prädisposition
o Trauma (inkl. vorangehende chiropraktische Manöver
(signifikante Assoziation bei Patienten < 45 Jahre)
häufig mit Horner-Syndrom
Diagnostik: Doppler-Sonographie: Wandhämatom
Therapie
o Akutphase
bei extrakraniellen Dissektioen mitInfarkt: Antikoagulation (initial mit
Heparinen, im Verlauf Phenpocoumon)
bei erhöhtem Blutungsrisiko (intradurale Dissektion oder großer
Infarkt): Thrombozytenaggregationshemmung (TAH)
bei schlechter hämodynamischer Kompensation und progressive
stroke trotz Antikoagulation: endovaskuläre Versorgung
(beschichteter Stent) plus TAH
o Subakutphase
keine hämodynamisch wirksame Stenose mehr nachweisbar:
ASS für 1 Jahr, bei FMD oder Kollagenvernetzungsstörung mit
erhöhtem Rezidivrisiko länger
WS17/18, Fink 5
Schmerzsyndrome mit Scherzpunkt Kopf, Gesicht und Nacken
Kopfschmerzen
o primäre
Migräne
Spannungs-KS
Cluster-KS
chronische Paroxysmale Hemikranie
o sekundär
Gefäßstörungen (SAB, ST, AT)
Hirndruck Kopfschmerz als
Infektionen Warnsymptome!
Commotio/Contusio cerebri (SHT)
Gesichtsschmerz/Nackenschmerz
o Trigeminusneuralgie
o Glossopharyngeusneuralgie
o Okzipitalisneuralgie
o atypischer Gesichtsschmerz
akut auftretende KS
langsam kontinuierlich zunehmende KS „Kopfschmerz selbst...“
veränderter Schmerzcharakter
Differentialdiagnose akut
einsetzender, schlagartiger symptomatischer Kopfschmerzen
WS17/18, Fink 6
Differentialdiagnose subakut
(Minuten bis Stunden) sich entwickelnder, symptomatischer Kopfschmerzen
WS17/18, Fink 7
Kopfschmerz nach Schädeltrauma
Schädelprellung
o kein Bewusstseinsverlust
o keine primäre Mitbeteiligung von Gehirngewebe (aber durchaus möglich:
subdurales Hämatom)
Schädel-Hirntrauma (SHT): ohne oder mit Bewusstseinsverlust
o leichtes SHT: GCS 13 – 15
o mittelschweres SHT: GCS 9 – 12
o schweres SHT: GCS 3 – 8
offene SHT: Perforation von Kopfhaut, Schädelknochen und Zerreißung der Dura
mater
primäre Kopfschmerzen
Migräne: ohne Aura, mit Aura, migraine sans migraine
Spannungskopfschmerz
Cluster-Kopfschmerz und andere trigemino-autonome KS
jeweils v.a. für Therapie entscheidend
o episodisch symptomatische Therapie
o chronisch Prophylaxe
CAVE: chronische Schmerzmitteleinnahme medikamenteninduzierter Kopfschmerz
chronische Paroxysmale Hemikranie
dokumentieren, Tagebuch führen
WS17/18, Fink 8
Migräne
einseitige (60 %), pulsierende Kopfschmerzen
mittlere bis starke Intensität
Begleitphänomen: Phono-/Photophobie, Übelkeit/Erbrachen
Verstärkung durch von körperlicher Routineaktivität
Dauer unbehandelt ca. 4 – 72 Stunden
Prodromie (fakultativ): Stunden bis 1 – 2
Tage vorausgehend
o Stimmungsänderung
o Heißhunger
o Hypo-/Hyperaktivität
o vermehrtes Gähnen
Epidemiologie Migräne
Prävalenz: 6 – 8 % der Männer,12 – 14 % für Frauen
Erstmanifestation: Gipfel zw. 15. – 25. Lj. (> 40. Lj. sehr selten)
höchste Prävalenz: 25. – 55. Lebensjahr
Einordnung als Erbkrankheit aufgrund
o familiär-hemiplegische Migräne
Typ 1: Mutationen des Gens CACNA1A auf Chromosom 19
(kodiert für Untereinheit neuronaler P/Q-Calcium-Kanäle)
Typ 2: Mutationen des Gens ATP1A2 auch Chromosom 1
(kodiert für 2-Untereinheit v. neuronalen Natrium-Kalium-Pumpen)
o Migräne mit/ohne Aura: Suszeptibilitäts-Loci auf Chromosomen 4, 6, 11, 14
aber
o mehrere Genloci
o erbliche Komponente ca. 40 – 60 %
o zusätzlich Umwelteinflüsse!
WS17/18, Fink 9
Migräne-Therapie – Akut
CAVE: Medikamenteninduzierter KS!
Reizabschirmung, körperliche Entspannung durch hinlegen
medikamentöse Behandlung
o leichte bis mittelschwere Migräneattacke:
• Metoclopramid 20 mg p. o.
• nach 15 Minuten ASS 1000 mg als Brauselösung/Kautablette oder
• Ibuprofen 400–600 mg p.o. oder
• Paracetamol 1000 mg p. o.
o mittelschwere bis schwere Migräneattacke: 5HT 1B/1D-Agonisten
(“Triptane”), z.B.:
• Sumatriptan (Imigran®) 50–100 mg p.o.; oder als Nasenspray (10, 20
mg); oder 6 mg s.c.,
• Zolmitriptan (AscoTop®)
allgemein: Akutmedikation ≤ 10 Tage/Monat und ≤ 3 Tage hintereinander wegen
Gefahr medikamenten-induzierter Kopfschmerzen; ansonsten Prophylaxe-Therapie
Triptane
o sind spezifische Migränemittel, die beim Spannungskopfschmerz unwirksam
sind
o hemmen als 5-HAT 1 B/D – (Serotonin) – Agonisten die Freisetzung
vasoaktiver Neuropeptide im Bereich der perivaskulären trigeminalen Axone
der Dura mater
o haben vasokonstriktorische NW: Flush, Angina pectoris
Migräne-Therapie – Prophylaxe
Wann?
mehr als 3 Attacken pro Monat
Attackendauer regelmäßig > 72 h
sehr beeinträchtigende Aura
Akutmedikation nicht befriedigend wirksam
sehr starke Begleitsymptome
erste Wahl
o Betablocker Metoprolol, Propanolol
o Kalzium-Antagonist Flunarizin
o Antikonvulsiva Valproeinsäure, Topiramat
WS17/18, Fink 10
zweite Wahl: Bisoprolol, Naproxen, Acetylsalicylsäure, Magnesium, Pestwurz,
Mutterkraut, Amitriptylin
WS17/18, Fink 11
Migräne: nicht-medikamentöse Therapie
Die Wirksamkeit nichtmedikamentöser Verfahren wurde in kontrollierten Studien kaum
untersucht
Ausdauersport: Die Wirkung aerober Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen
oder Fahrradfahren ist wissenschaftlich belegt (Koseoglu et al. 2003).
Psychologische Therapie:Patienten mit einer hochfrequenten Migräne (>= 3
Attacken/Monat) sowie erheblicher Einschränkung der Lebensqualität sollten einer
psychologischen Therapie zugeführt werden (A). Für Verhaltenstherapie (VT)
ausreichende Studienlage verfügbar.
Biofeedback (Thermal oder EMG) Entspannungsverfahren: progressive
Muskelrelaxation (Jacobson-Training)
Akupunktur
Spannungskopfschmerz
beidseitige Lokalisation, drückend oder beengend, nicht pulsierend (“Schraubstock-”,
“Band-”, “Helmgefühl”)
leichte bis mittlere Schmerzintensität
keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie
Gehen/Treppensteigen
! kein Erbrechen, keine stärkere Übelkeit, keine Aura !
episodischer Typ:
o Häufigkeit: ≤ 15Tage/Monat über mindestens 3 Monate
o Dauer: unbehandelt 30 Minuten bis 7 Tage
chronischer Typ:
o Häufigkeit: ≥ 15 Tage/Monat über ≥ 3 Monate
o Dauer: über Stunden anhaltend oder kontinuierlich vorhanden
WS17/18, Fink 12
Spannungskopfschmerz – Therapie (nicht so detailliert besprochen)
episodische Form:
o medikamentöse Behandlung: z.B. ASS 500–1000 mg oder Paracetamol 1000
mg oder Ibuprofen 400– 600 mg (max. 1200 mg/Tag)
o Einnahmefrequenz auf max. 8 ×/Monat begrenzen
chronische Form:
o nicht-medikamentöse Behandlung:
systematische Beratung zur Beeinflussung ungünstiger Aspekte der
Lebensführung (überzogene Tagesstrukturierung, Termindruck,
überhöhte Leistungsanforderungen, unphysiologische
Körperhaltungen, Bewegungsmangel, Schlafmangel u. a.)
Ausdauertraining (Joggen; Schwimmen, Radfahren) 2–3x/Woche
verhaltensmedizinische Behandlung: z. B. progressive Relaxation nach
Jacobson, Stressbewältigungstraining, EMG-Biofeedback, kognitive
Techniken; in Kombination mit Amitriptylin effektivste Prophylaxe
(wirksam bei ca. 65% der Patienten)
o medikamentöse Behandlung: Amitriptylin (Antidepressivum), keine
regelmäßige Analgetikaeinnahme (Gefahr eines medikamenteninduzierten
Kopfschmerzes)
Cluster-Kopfschmer (Bing-Horton)
sehr starke, einseitig orbital, supraorbital oder temporal lokalisierte Schmerzen,
unbehandelt 15 – 180 Minuten (auch nicht detailliert besprochen); begleitend:
ipsilaterale konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation, ipsilaterale nasale
Kongestion und/oder Rhinorrhoe
ipsilaterale Miosis und/oder Miosis
körperliche Unruhe oder Agitiertheit
.
Attackenfrequenz zwischen 1 Attacke jeden 2. Tag und 8/Tag
episodischer Clusterkopfschmerz
o wenigstens 2 Clusterperioden mit einer Dauer von 7 bis 365 Tagen, die durch
Remissionsphasen von Monat Dauer voneinander getrennt sind
chronischer Clusterkopfschmerz
o Attacken treten > 1 Jahr ohne Remissionsphasen auf oder die
Remissionsphasen halten < 1 Monat an
WS17/18, Fink 13
Therapie Clusterkopfschmerz
Erkennen und Vermeiden von Auslösefaktoren (Alkohol, Nikotin, Medikamente);
medikamentöse Behandlung:
Sauerstoff-Inhalation > 8l/Minute 100 % O2 über 15 – 20 Minuten
Besserung von ca. 60 % der Attacken nach 7 – 10 Minuten
O2-Inhalationsgeräte (auch tragbare für den Arbeitsplatz) verordnungsfähig
Sumatriptan (Imigran®) 6 mg s.c. (Autoinjektor) Beendigung von über 75 % der
Attacken innerhalb von 5 – 20 Minuten
Therapie
o abruptes Absetzen aller Kopfschmerzmittel
o Behandlung der Entzugssymptome:
Übelkeit/Erbrechen: Metoclopramid 3 × 20
Tropfen, gfs. parenterale
Flüssigkeitssubstitution
Entzugskopfschmerzen: Prednison 100 mg
über 5 Tage
o Prophylaxe des primären Kopfschmerzes
o Begleitende Verhaltenstherapie
o Rückfallquote im ersten Jahr 30–40%, nach 4 Jahren
40–50%
Gesichtsschmerzen/Nackenschmerzen
Trigeminusneuralgie
Glossopharyngeusneuralgie
Okzipitalisneuralgie
atypischer Gesichtsschmerz
WS17/18, Fink 14
Trigeminusneuralgie
wichtige Erkrankung
Symptomatik
o Stereotype, paroxysmale Schmerzattacken von Bruchteilen einer Sekunde bis
zu 2 Minuten, die einen oder mehrere Äste des N. trigeminus betreffen
o Scharfe, starke Intensität, oberflächlich, stechend
o oft Triggerzone, Triggerfaktor
o kein neurologisches Defizit nachweisbar (18 %)
(wenn klassische = idiopathische Form)
o reflektorische Zuckungen im Gesicht (15 %)
(Tic douloureux)
symptomatisch
o Multiple Sklerose
o Raumforderungen im Kleinhirn-Brückenwinkel (Akustikusneurinom,
Metastasen)
o Angiome
o Hinstammischämien
klassisch
o (mikrp-)vaskuläre Kompression (pathologischer Gefäß-Nerv-Kontakt durch die
A. cerebelli superior in 80 % der Fälle)
o zentral-nervöse (epileptiforme) Störung
Therapie
o symptomatische Formen: Ursachenbeseitigung (wenn möglich)
o klassische Form: medikamentöse Therapie
Akuttherapie: i.v. Gabe von 250 mg Phenytoin
Prophylaxe:
Carbamezepin 200 – 600 mg (max 1200 mg) retard / die
Oxcarbazepin 900 – 1800 mg / die
ggf. Lamotrigin, Gabapentin, Levetiracetam
z.B. Carbamazepin 200-1200 mg / die
o klassische Form: invasive Therapien (vermeiden!), z.B.: Thermokoagulation
des Gangl. gasseri (Rezidivquote 25 %, Anästhesie im NV Gebiet: 98 %)
mikrovaskuläre Dekompression (Janetta-OP, R. 15 %, An. 2 %)
WS17/18, Fink 15
Was man nie mehr vergessen sollte
Schmerz als Warnsymptom vs. Schmerz als eigene Erkrankung
Nozizeptiver vs. neuropathischer Schmerz
Akuter vs. chronischer Schmerz
Symptomatische vs. primäre Kopfschmerzen
Entscheidend für weitere Diagnostik und Therapie!
WS17/18, Fink 16