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Jugend

banden
in Wien.
Teil 1

Kinder sind nicht immer lieb. Das zeichnet


sich auch ab, wenn man einen Blick auf die
Wiener Jugendbanden wirft, hier speziell
der 1980er und 90er. Ein Abriss zwischen
Lausbubenstreich und Unterwelt, zwischen
harmlosem Schmäh und brutalem
Tollschocken, zwischen links und rechts,
Oberdöbling und Donaustadt, Messer
und Kettenhemd, grün und violett, Skins
und Red Brothers, Wahnsinn, normal und
Clockwork Orange.
Text: Rokko / Fotos: Klaus Pichler

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anfangs, per Hetz ihr Unwesen trieben. In der Besatzungs- über verschiedene Zeiträume ändern konnten. In manchen
zeit spielten viele Trümmerkinder, Lausbuben oder Terror- Gebieten wechselten mit den Chefs die Farben, später wur-
gruppen – je nach Betrachtungsweise – im Resselpark und den sie immer ausgebleichter, sodass einstige Violette heute
am Naschmarkt ihre Spiele, wo auch die Schacherer und zu Rapid-Feiern eingeladen werden und umgekehrt.
Schleichhändler verkehrten. Eine Bande mit Kindern zwi- Sämtliche dieser Informationen basieren auf mündlich
schen sechs und zwölf Jahren, in der auch der spätere Un- überlieferten Erinnerungen, und wie bei Oral Histories so
terweltler Pepi Taschner aktiv war, warf z.B. auf einen Sitz üblich, widersprechen sich selbst Freunde, die dieselben Er-
142 Fenster der Technischen Hochschule ein. Einige die- lebnisse hatten.
ser jungen „Plattenbrüder“ kamen in Pflegeheime, später
in Gefängnisse, man kannte sich also bereits und schmie- Vom Gemeindebau zur Nationalität
dete neue Pläne, dann mitunter schon in der „großen“
Unterwelt. Die Devise lautete: raufen, saufen, kegelscheim, Weiber bu-
Die Schlurfs verschwanden, die Halbstarken kamen und dern, Tisch anspeiben. Um da jetzt jemand aus einem völ-
trafen sich gezielt zu Schlägereien: Die gefürchtetste und lig anderen Kontext ins Spiel zu bringen, der das Spektrum
größte Jugendbande in den 1950ern und 60ern war die dieser Mutmaßung dementsprechend erweitert: Der „King
Prater-Partie. Die damaligen Straßenkämpfer Hans Orso- of Filth“ John Waters entlarvte seine 68er Generation im-
lics (geb. 1947) und sein um fünf Jahre älterer Freund Jolly mer wieder als scheinheilige Gfrießer, die sich politisches
Lang schlugen sich dennoch als Kaisermühlner-Underdogs Ansehen aufgedrückt hatten und zu Demonstrationen
hoch zum Nimbus der Unbesiegbaren. Über ein System gingen – im Endeffekt wollten sie aber nur high sein und
der „stillen Post“ wurden die Boxtermine zwischen den ver- wen zum Drüberkräulen finden. Die Vorwände für diese
schiedenen Partien (Kaisermühlner, Stadlauer, Prater etc.) Grundbedürfnisse, die immer wieder neu erfunden werden,
ausgemacht, und dann marschierte ein dutzend Burschen sind vielfältig und passen sich dem Zeitgeist an.
Richtung Feind. In Wien erkämpften sich auch die Schwedenplatzpartie,
Wenn man wollte, könnte man auch die Wiener Aktionis- die Witzbrüderpartie vom Kubinplatz, die Schöpfwerkpar-
ten und die Wiener Gruppe mit Grenzüberschreitern wie tie, die Floridsdorfer Spitzpartie,... ihren Ruf. Waren in der
Hermann Schürrer (ein wilder Hund, der keine Leinwand Nachkriegszeit die Banden hauptsächlich über Gemeinde-
Eins vorweg: Die Banden, von denen im Folgenden berich- (1969) heißt es: „Die Überfälle auf die Schmuggeltrans- brauchte, sondern gleich direkt Polizisten anpisste) in diese bauten und Grätzl organisiert, wurden es ab den 1990ern
tet wird, sind allesamt männlich geprägt. Das ist aber kein porte in den ersten Nachkriegsjahren gehörten zu den ers- Plattentradition einreihen, wesentlicher aber sind in diesem eher Zusammenschlüsse nach Nationalitäten. Die ers-
Phänomen der 1980er und 90er, sondern hängt vielleicht ten großen Aktionen der Wiener Unterwelt. Die Leute Stammbaum Hippies, Punks, Skins – zwischen denen die ten Glatzerten gab es ab Ende der 1970er, „aber angefan-
auch damit zusammen, dass Frauen Besseres zu tun haben, haben sich damals ihr Kapital verschafft, dadurch, dass sie Übergänge flüssiger waren, als man heute meinen könnte, gen hat die Welle 1983. Die ganzen Rapidfans und viele von
als sich rauschig in die Pappn zu hauen. Ausnahmen bestä- die Transporte beraubt haben, Transporte, die der Banden- und von da noch weitergingen zu Schlägertrupps und Fuß- der Austria haben sich auf einmal die Haare schneiden las-
tigen die Regel. chef Benno Blum nach Wien gebracht hat. Diese Schmug- ballhooligans. Das ganze Spektrum geht sich in einem Ju- sen“, so einer von damals. Anfangs waren die meisten trotz
Ein kleiner Rückblick: Wenn wir die „Gassenkinder“ vom gelfahrten gingen mit Unterstützung der Besatzungsmacht gendleben aus, dafür bürgen einige Charaktere. Glatze unpolitisch, den Wechsel zum Kampf zwischen In-
Beginn des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt nehmen vor sich, einige Offiziere haben mitgewirkt. Benno Blum In den 1970ern gab es u.a. die Gang Kobra 2, deren Mit- und Ausländern hält der Doku-Klassiker „Running Wild“
wollen, waren auch da Burschen die dominierenden Kräfte. ist später vom CIC [Counter Intelligence Corps] dafür er- glieder eine Kobra tätowiert hatten, die mit dem Favorit- (1992) von Egon Humer fest. Die wachsendem Rassismus
Die Mädchen wurden als „Beiwagerl“ bezeichnet, ihnen schossen worden, in Wien, in Ottakring. Zu den Begleitern ner Athletikclub verbandelten Rapid-Freunde Las Santas gegenüberstehenden „Ausländerkinder“ organisierten sich
wurde „sexuelle Verwahrlosung“ und ein Hang zur Prosti- damals dieser Transporte gehörte ein Mann, dessen Name und Satans Serpents, aus denen später die Hells Angels und wechselten von der Defensive in die Offensive: ein blu-
tution vorgeworfen. Die Schlurfs – eine Subkultur aus dem seither nicht mehr aus den Zeitungen verschwindet, er wurden. In der Innenstadt hingen die Italo-Popper Rus- tiger Spielplatz.
Proletariat, die sich in den 1930ern entwickelte – waren steht im Zusammenhang der Entwicklung der Wiener Un- sels und deren Nachfolger, die Jungen Römer, herum; am Es gab zwar die „Lände“, eine Jugo-Bande mit Sitz Roßauer
ebenso Hallodris. Als Hauptziel galt, Mädels aufzureißen, terwelt: Es ist der Unterwelt-Boss Josef Krista. [später be- Donnerbrunnen saßen die Mods, von denen die Hoferpar- Lände, aber die Red Brothers galten als größte Ausländer-
die sie liebevoll „Schlurfkatzerl“ nannten. Die Buben tru- kannt als Notwehr-Krista] tie (Scooterfahrerbande, hatten ihre Zentrale im 3. Bezirk) partie. Ihr Hauptquartier war der Prater, die meisten von
gen damals schon lange Haare, orientierten sich an anglo- Seine Gegner waren aber auch Wiener Unterweltler, und die wohl radikalste war. Sie sahen aus wie Skins und sof- ihnen waren Jugos und Türken aus dem 2. und 20. Bezirk.
amerikanischen Phänomenen und hörten, soweit verfügbar, die Zigaretten, die sie erbeutet haben, kamen hier, im Res- fen wie die Löcher: Bier bezeichneten sie als „Zwischenge- Als Vorbild dienten die Bloods aus Los Angeles, Kennzei-
Jazz und Swing. Da das in der Nazizeit auf wenig Gegen- selpark auf den Schwarzmarkt, wurden von Krüppeln, von tränk“. Mit Ausnahme vom 1. Bezirk war in den 1980ern chen waren rote Tücher. „An den spielfreien Tagen haben
liebe stieß, wurden die Schlurfs politisch aufgeladen. Sie Kriegsinvaliden verkauft. Die Schieber, die dahinter stan- ganz Wien aufgeteilt zwischen Austria und Rapid. Der die den Prater beherrscht“, so ein Rapid-Anhänger: „Aber
lieferten sich, hauptsächlich im Prater, Kämpfe mit der Hit- den, saßen sicher und wurden nie gefasst. Die Zigaretten 22. Bezirk („die Donaustätdter“) war violett, die angren- wenn die Rapidler beim Derby im Praterstadion gespielt
lerjugend. Wenn die HJ gewann, scherten sie den Schlurfs kamen zum Großteil in Wiener Caféhäuser auf den schwar- zende Großfeldsiedlung wurde von den Grünen Tigern haben, gab’s keine Fetzereien mit den Austrianern, son-
Glatzen. Die Schlurfs nutzten zudem Wiener Tanzschulen zen Markt, und auf diese Weise hat schon damals die Wie- beherrscht. („Die Grünen Tiger waren die Erzfeinde von dern mit den Red Brothers. Der Prater war seit den 1980ern
als geheime Vernetzungsorte. Als Hintergrundmusik an ner Unterwelt durch diese Zigaretten sich kleine Cafétiers den Donaustädtern, die später die Streetfighter wurden“, in Jugo-Hand, aber mittendrin haben wir beim Calypso
dieser Stelle empfehlen sich Gerhard Bronners und Helmut fügig gemacht, und in diesen Cafés begann der Stoß zu lau- sagt einer von Letzteren.) Bei der Austria gab es noch die gegenüber unser Lokal gehabt, Erna. Wenn da ein Red
Qualtingers Watschenballette „Der g’schupfte Ferdl“ und fen, begann die Aktivität der Wiener Unterwelt.“ Partien Laramie, die Austria Kanoniere („Großteils Asozi- Brother rein wär, wären zehn Leute auf dem pickt. Die Jugo
„Der Halbwilde“. ale, die waren wirklich arg drauf“, so ein Zeitzeuge), und waren vor allem beim Elite Autodrom, gleich am Anfang,
Nach Kriegsende nahmen einige Schlurfs am Schwarz- Grün-violette Stadt als deren Vorgänger noch die Zuckerbäcker; bei Rapid u.a. da haben sie rumgepost.“
markt teil, was zur These führt, die Jugendbanden waren die Hütteldorfer Terrorszene, Samba Speising, die Grünen Hofrat Mag. Michael Sika vom Bezirkspolizeikommissa-
die kleinen Brüder der großen Unterwelt, die oft die drecki- Darauf einzugehen würde zu weit führen. Wir beschäfti- Teufeln, die Rapid Löwen und die Alko Szene, später, also riat Leopoldstadt sagt in „Heimat fremde Heimat“ (Folge
gen Jobs für die Alten übernahmen und versuchten, Stufe gen uns vorwiegend mit Teeanger-Banden, die ihr Unwesen bis heute, die Alte Garde und die Ultras. Heiligenstadt war 75, 16.9.1990, moderiert von Silvana Meixner, die später ei-
für Stufe im Milieu hochzusteigen. In Antonis Lepeniotis nicht aus finanziellen Gründen führten, weder Prostitution grün, der Schwedenplatz violett, der Karlsplatz grün – wo- nes von Franz Fuchs’ Briefbombenopfern wurde): „Wir ha-
und Erich Beyers Doku „Anatomie der Wiener Unterwelt“ noch Glücksspiel beherrschen wollten, sondern, zumindest bei diese Zuordnungen nur grobe Richtlinien sind, die sich ben z.B. einmal, das war im Vorjahr, erfahren, dass geplant

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Meidlinger Markt Danach waren wir einfach die Oberdöblinger, wir haben
angefangen 88, 89 uns zu treffen auf der Station Oberdöb-
Ein Frühlingstag am Meidlinger Markt. Ein paar alte ling. Wir wollten einmal in der Woche Fußballspielen und
Punks, kehlkopflose Junkies und Glatzenschädln mit da war ein Sportplatz. Aber da war auch eine kleine Hütte,
„100% intolerant“-Leiberln stehen zusammen. Eine bunte Café Amigo, na, nach dem Kicken, was machst du? Gehst
Mischung, die sich schon lange kennt. „Der hod grod an du einen heben. Man möchte schauen nach dem weibli-
Zwarahoiba ausgfosst. Er sitzt im Anser, ruaf eam an, der chen Geschlechte, Spaß haben, ned nur deppad einehackln.
gfreid si sicher.“ Eine Frau prostet im Vorbeigehen mit ih- Nur da oben war nicht viel los, also bist du in den 38er ein-
rem Schnaps her und ruft: „I brauch des heid für mei Le- gestiegen und irgendwo Richtung Innenstadt gefahren und
ben.“ C. antwort: „Na, wer nicht?! Glei no ans!“ Als dann: hast dort irgendwelche Hütten frequentiert. Weil wir dann
schon meistens ein wenig angetrunken waren und dann ir-
C., 70er Jahrgang gendeine andere Partie dagewesen ist, haben wir recht bald
Ganz am Anfang waren die Schlurfs, dann die Halbstarken gesehen: Das Raufen macht eigentlich mehr Spaß als das
mit de zruckgschleckten Hoar, die was immer die Feitln Kicken.
schnell ghabt haben. Die wollten alle ausschauen wie der Später waren Leute von uns in Amsterdam, die haben dort
Marlon Brando mit seiner Maschin, haben alle ein bisschen wiederum Leute kennengelernt, die gesagt haben: „Passt
ausgeschaut wie der Lörkas. Der Lörkas ist der Ur-Schlurf auf, wir schicken euch LSD, und ihr zahlt 1 Mark für 1 LSD.
eigentlich. Wir schicken euch 100 Stück in einem Brief, und ihr über-
In der Nachkriegszeit, bei den Trümmerkindern und bei weist im Vorhinein.“ Die waren scheißstark, Oida. Mikros,
den ganzen Schacherern hat es viele Banden gegeben. Da Dragons, Simpsons, Zippies, Gelatines, sehr viele verschie-
war ja quasi Anarchie. Eine starke Bande, die erste, die auf dene. In Österreich wurde das gehandelt mit 80 Schilling
Mopeds herumgefahren ist, war in Ottakring. Die haben unter Haberern, 100 Schilling war der Straßenpreis, 120
alle die selbe Maschine gehabt, eine KTM, sind immer rauf Schilling hast du sie verkaufen können, wenn du bei einer
und runter gefahren zur Dopplerhütte. Die waren da mit Veranstaltung warst um 2, 3 in der Früh, wenn schon alles
ihren Motorradln die ganz Wichtigen. Aber das kenne ich knapp war, aber die Leute noch lustig rumhüpfen wollten.
alles nur aus Erzählungen, ich bin ja nicht so alt, wie ich War interessant, hast du 113 Schilling verdient, das waren
ist eine Aktion der Hooligans gegen die Ausländer im Pra- Das letzte Mal sind wir draußen beim Café Wild gesessen, ausschau! schon einige Bierli.
ter, und zwar nach einem Spiel Rapid – Austria im Stadion. Samstag, Naschmarktflohmarkttag, war’s 2016? Ich zahlte Wenn du eine Partie von 30 Leuten bist und alle drauf wie
Wie Sie wissen ist der harte Kern der Anhänger beider Ver- ihm ein Cola-Rot, und das nasse Lörkas-Busserl, das man Mit 13, 14 hab ich in der Schule im Werkunterricht a Sau, dazu Alkohol – das geht in viele verschiedene Richtun-
eine recht ausländerfeindlich orientiert, und die haben vor- für so eine Geste bekam, blieb lange am Wangerl picken. Gaskkrochn aufpurlt und mit 9mm-Patronen geladen. So gen. Nicht nur, dass sich alles verbiegt... die Wertevorstel-
gehabt, da im Bereich der Jesuitenwiese einen Krieg zu Sein Begräbnis 2017 am Zentralfriedhof war ein ihm wür- bin ich herumgegangen und hab Schutzgeld verlangt, in lungen, du kannst plötzlich 20 Biere trinken, ohne dass du
beginnen mit der Praterbande. Wir haben das aber rechtzei- diges Fest. Lörkas war bis ganz zum Ende nicht reumütig der Krim, in Oberdöbling. es spürst, erst wenn du runterkommst, fahren die 20 dann
tig erfahren und konnten das verhindern.“ geworden und hatte auch nicht begonnen, vom Sterbebett Am Anfang vom Punk, das war eine wirklich harte, lei- ein wie ein Dampfhammer, und vor allem das Lachen, man
Bei diesen Gruppen – wir reden hier großteils von 12-18-Jäh- aus sämtliche Götter und Elfen anzubeten. Ein Punk bis wande Partie. Man hat jeglichen Streich machen können, nimmt halt nichts mehr ernst.
rigen – ging es darum, wer in Wien als „beste Gang“ galt. unter die Erde. In der Feuerhalle spielte Robert Räudig (u.a. wir haben viel Unsinn gehabt im Kopf. Als Punk war es Wir waren viel im Sieveringer Steinbruch, sind dort rum-
Sie hatten keine großen Konzepte, diese wurden, wie in Dirt Shit, Chuzpe), Joints und Dosenbiere gingen im Kreis, nicht einfach, und ich war klein und dünn. Die 80er waren geturnt, da waren auch manchmal Ausflugsgruppen, Hip-
sämtlichen Subkulturausprägungen üblich, wenn, dann der Sarg wurde vom Tattoogroßmeister Calif dekoriert. Da- hart, ich hab die ganze Zeit geboxt, jeden Tag geboxt. Ich piepartien, Pfadfinder – die haben wir alle überfallen,
erst hinterher aufgestellt. Es ging um Teenager-Gangs, die nach ging es in ein Wirtshaus, trinken, soviel man kann – war Stammgast im Terrassinger, vorher hat’s die Blitz Bar ausgeraubt und niedergehaut. Wie wir da oben waren, ha-
a) mit Teenager-Sorgen, Orientierungslosigkeit und un- und irgendeine ominöse Kraft übernahm die Rechnung. gegeben und die Commune in der Schönlaterngasse. Da ben wir einfach alle umgehaut, auf LSD. Wir haben immer
glücklichem Verliebtsein umgehen mussten oder b) sich Das einstige Film- und nunmehrige Buchprojekt „Es is zum haben sich alle Leute getroffen: die Mods, die Skins, die gesagt „Leid-Kicksen“.
ihren quasi-rechtsfreien Raum mit ihrer Art von Humor Scheißen“ über Punk in Wien sitzt auf großartigem Mate- Punks. Dann waren wir ganz gerne mal ums Eck, im Gri- Aber dann war es irgendwie blöd, wenn du eine Partie um-
ausfüllten, bei dem einen das Lachen im Hals steckenblei- rial, das es ruhig herzuzeigen gäbe, darunter Gespräche mit sou, im Xeno, in der Naschmarkt-Gegend. haust, von denen niemand boxen will. Das ist uns ziemlich
ben mag. Für viele änderte sich diese Blutwiesen-Episode, Lörkas, Calif, Panza, Ronnie Urini und sämtlichen anderen Ich war ein paar Jahre dann im Ausland, und bin zurück- bald am Oasch gangen. Dann fährst du natürlich wohin,
sobald sie einen fixen Job fanden, oft in Koppelung mit Zeitgenossen. An die Beteiligten: Reißt’s euch zamm und gekommen. Danach war viel mit Heroin, viel mit Politik, wo die Leute boxen wollen. Da hat es gegeben die Kwoons
Frau und Kindern. Andere trieben das Spiel weiter und macht’s was draus, da geht’s nicht um eure Befindlichkei- und dann diese Müslipunks. Wir waren ja eigentlich eine im 16. Im 18. hat es eine Partie gegeben, die sind sogar mit
drehten sich in eine Spirale aus Haft, Arbeitslosigkeit, Frus- ten, sondern um eure Helden. Was würde der Sheriff dazu Anti-Hippiebewegung, und auf einmal sind sie dagesessen einer scheiß Pumpgun zu uns und wollten uns alle erschie-
tration und Gewalt. sagen? Also, geht scho! mit ihren langen Federn und den selbstgestrickten Pullo- ßen. Wir reden da von 18-Jährigen in den 1980ern. Völlig
vern – das war genau das, was wir NICHT wollten. Die abstrus.
Am SchlUrfsprung Was nun folgt ist ein kleiner Abriss anhand von vier aus ganzen Piefke, was auf einmal da waren, die gehen mir am Das waren gute Raufereien, da ist es wirklich zur Sache ge-
Gesprächen montierten Monologen, die winzige Einbli- Oasch, die haben keinen Schmäh, kein Ding, pfff… Kann gangen, wir haben uns nix gschissen, vollgas, zack, bamm,
Die Wiener Legende Lörkas wird heute gerne als „Ur- cke in diese riesigen Sumpfgebiete geben sollen: mit dem ich nicht, mag ich nicht. Da hat sich ein Bruch ergeben, Blut und Ding. Ich hab das halbe Jahr immer einen Gips
Schlurf“ bezeichnet. Das erste Mal gesehen habe ich die 100%igen Anspruch auf Unvollständigkeit. aber vor allem mit dem Heroin-Scheiß. Am Anfang von getragen, weil immer der scheiß Mittelhandknochen gebro-
u.a. von Pöbel und Dead Nittels bekannte speckige Leder- Muss ich dazusagen, dass diese Aufzeichnungen einen rein Punk hätten wir ja nicht einmal eine Haschischzigarette chen war. Wir haben jede Woche gerauft, dauernd war alles
jacken-Erscheinung im Rüdigerhof vor 15 Jahren, als ich dokumentarischen Zweck und keinen wertenden haben? geraucht. Wir waren auf Bier. Wir wollten deppad sein, blutig. Das war schon eine Gewohnheit. Wir sind am Wo-
durch ein Buch mit Iggy Pop-Fotos blätterte. Er kam her, Es geht um die Bestandsaufnahme verschiedener bis dato immer nur Scheißdreck im Kopf, und mit den politischen chenende vom einen in den nächsten Park gefahren, wo an-
wir machten uns unsern Koarl, und er kassierte Lokalver- undokumentierter Entwicklungen, und wie sich Beteiligte Ideologen musste man auf einmal für alles ein Plenum ma- dere Gangs waren, und haben sie auf Trip umgehaut .
bot. Schon wieder. War aber nicht schlimm, er wohnte ja daran erinnern. chen – das war nicht unser Sinn von Punk. Is mir aufn Aber da muss man dazusagen, wir haben auch dauernd
quasi über dem Lokal. Und austrinken durfte er auch noch. ­Oasch gangen. untereinander geboxt. Und der Hauptgrund war, dass wir

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relativ wenig Weiber gehabt haben, und die waren nicht
sonderlich hübsch. Um die haben wir uns natürlich geprü-
gelt wie Sau, na sicher!
Ich bin manchmal mit dem 38er alleine gefahren, unter der
Woche. Wenn mich irgendwer angeschaut hat, hab ich ge-
sagt: „Was schaustn so deppad?“ Und hab ihm grundlos ins
Gesicht getreten. „Na kumm, wos is jetz?! I hab den ersten
Schlag gmacht, du derfst di ja wehren, du Idiot, na kumm
jetza!“ Hab ich die Wange hingehalten.
Ich weiß noch, einmal fett vom Flickflack weg, geh ich
durch den Karlsplatz alleine, kommt eine Partie von zehn,
zwölf Leuten, und ich remple genau den in der Mitte an.
Geb ihm an Trum Steßer und sag: „Jetz stöht’s eich gegen
mi!“
Na kloar hams mi zammtreten. Aber mir war’s wurscht. Le-
ben gspüren.
Ich bin dann erst später ein bisschen gscheider worden, aber
damals war mir alles komplett wurscht. Mein Leben und al-
les andere komplett wurscht. Es ist alles eskaliert. Alles völ-
lig scheißegal.

H., 69er Jahrgang


Ein langjähriger Freund von C. schaltet sich ein:

Ich bin reingewachsen. Ich war am Anfang nur ein kleiner


Mitläufer bei den Donaustädtern, mit Austria halt, dann
am Poly haben mir getaugt Skinheads, war ich auch nur ein
kleiner Fisch. Aber geändert hat sich das alles erst wirklich,
wie ich 86 in der Arena niedergestochen worden bin von ei-
nem Transvestiten. Die haben versucht, alles zu vertuschen,
wollten nicht einmal die Rettung rufen, die wollten mich
krepieren lassen. Ich war 17, und obwohl der fünf Jahre äl-
ter, 30 Kilo schwerer und einen Kopf größer war als ich, ist
er freigesprochen worden. Ich bin halbtot im Krankenhaus
gelegen, ist zu mir die Kriminalpolizei gekommen und hat
gesagt, ich soll das alles einstellen.
Bei der Verhandlung hab ich aufstehen müssen mit meinen
52 Kilo. Der Richter hat gesagt zur Protokolleurin: „Notie- dahin haben sie uns für verschrobene Linke gehalten, und Geh einmal als Jugendlicher in den 80ern mit Melone in mit dem Bock, dann ist er gelegen. Das Gesicht hättest
ren Sie: bulliges, gefährliches Aussehen.“ Mit 52 Kilo! Weil damit haben wir machen können, was wir wollten. Die weiß mit Gehstock und Martens durch die Straßen. Du du sehen müssen! Sticht voll hin, reißt sich die Hand auf,
ich ein Skinhead war, und das ein Transvestit, ein Punk mit Motivation für mich war ganz einfach: Ich bin niederge- kommst keine zehn Meter weit, fliegt dich schon irgendwer schaut blöd, und ich – gemma!
reichen Eltern, hat der Richter den freigesprochen, obwohl stochen worden, von der Justiz voll verarscht, jetzt räche an. Mein Rekord war, vom Stephansplatz bis zum Karls- Einmal bin ich mit A. [auch ein Clockworker] vom 4. vom
der mich niedergestochen hat. Der hat mir den ganzen ich mich. Und damit’s nicht auf Skinheads zurückfällt, hab platz hab ich 30 Köch gehabt. Ein deppader Jugo hat gesagt: Safari Club gekommen und Richtung Karlsplatz gegan-
Bauch aufgerissen. ich mir gedacht, „Uhrwerk Orange“ kennt keine Sau. Wie „Bist du Zaubermann? Kannst du zaubern?“ „Zaubermann“ gen. Wir zwei waren bummbladlwach. Ohne Gehstock hät-
Generell waren Fäuste ok, aber Messer ging nicht. Es gab ich wieder gesund war und raus bin: Gehstock, Melone auf – da hab ich schon einmal lachen müssen. Zuerst hab ich ten wir gar nicht mehr gehen können. Kommen uns drei
zwar immer ein paar Goscherte, die ein Messer mitgenom- und alles niederschlagen, was mir in die Quere kommt. Wir mir gedacht, er meint „Saubermann“, Straßenkehrer. Der Red Brothers entgegen, die haben uns zu verstehen gegeben,
men haben, aber richtig zugestochen hat keiner. Messer haben uns weiß angezogen, das ist verdammt teuer gekom- wollte mich mit seinem Haberer verarschen. Ich wollte aber dass wir an ihnen nicht vorbeikommen. Bei Clockwork
war damals verpönt. Leuchtstifte waren beliebt, Gaskrochn men, das Gwandl. Eine Melone hat gekostet 1.200 Schil- meinen Gehstock nicht hinich machen, jetzt hab ich die sind wir immer zuerst auf den Häuptling losgegangen, und
ist noch gegangen, ja, aber im Prinzip waren es Fäuste auf ling. Überlebensdauer einer Melone: ein Monat. Gehstock nur so umgehaut. Gehstock ist teuer. dann einen nach dem anderen erledigt. Da bei den Red
Fäuste. Bei Messer haben wir gesagt: „Bist a scheiß Strizzi – auch nicht billig. Ich bin nach England geflogen und hab Als Clockworker hab ich ein Kettenhemd getragen, eine Brothers haben wir es auch probiert, nur in dem Zustand
oder Zigeuner, wennst nur mitm Messer kannst?!“ Das mir zehn, zwanzig weiße Gwandln gekauft. umgebaute Fleischerschürze, die hast du unter der Klei- ist das ein bisschen schwierig. Wir haben uns umgedreht,
heißt nicht, dass wir nicht auch brutal waren, aber du Ich war eh immer relativ nett angezogen, hatte bessere Um- dung getragen, das hat man nicht gesehen, hab ich heute und wie wir auf den Angreifer über Kreuz losgehen woll-
kannst ja eine Zeitung nehmen und einen Totschläger gangsformen – nüchtern halt –, war viel mit den Modigen noch daheim. Na gut, der Werwolf hat ein echtes Ketten- ten, sind wir übereinander geflogen. Die schauen blöd, wir
draus machen. unterwegs, und die Mods haben die hübschesten Frauen hemd gehabt. Der hat 100.000 Schilling dafür gezahlt. Das springen wieder auf, haben das noch einmal probiert. Dies-
Auf jeden Fall, nach der Arena-Aktion, wie ich wieder ge- gehabt. Als Clockworker war mein ganzes Weiber-Problem war deswegen so billig, weil er es in der Tschechei machen mal bin ich ins Leere gerannt, weil der ist einfach nur auf
sund war, hab ich die Clockwork Orange Gang gegründet, ad acta gelegt, das ist urgut angekommen: elegant, ein bissl hat lassen. In Österreich hätte ihm das gekostet 300.000 die Seite gegangen. So, jetzt nehmen wir den anderen. Wie
die hat es gegeben 1986 bis 1989. Der Film war von 1972 bis belesen, ein bissl deppad, und vor allem wie ein Wolf im Schilling. Aber meine Schürze hat mir zweimal das Leben wir auf den losgehen wollen, dreht sich der um und läuft
1988 verboten, erst danach hat die Polizei einmal gewusst, Schafspelz. Wir haben harmlos und nett ausgeschaut – bis gerettet. Einmal hat am Karlsplatz wer hingestochen, hat davon. Drehen uns wieder um, rennen die anderen zwei
was das ist, und dann haben wir eigentlich aufgehört. Bis die Leute gelegen sind. Ups. nicht funktioniert und ich hab ihn natürlich voll erwischt auch schon weg. Jetzt sind wir dagestanden wie die Trotteln

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und denken uns, das gibt es ja nicht. Die drei hätten uns so- „Morgen umma neine Begräbnis beim 3er Tor. Gemma immer schöne Mädels aus, die in den Trummelhof gehen, geschnitten. In Neustadt hat es eine riesige Szene gegeben,
was von umhacken können. dann no auf a Saftl!“, schreit einer im Vorbeigehen. In der und wir setzen uns dort mit dem Doppler hin. Das ist sich sicher 30, 40 Skins. Die Punks sind auch mit uns herum-
Das Beste kommt dann: Auf dem einen Abgang gegenüber Runde um C. und H. wird der Plan entworfen, sich jetzt immer ausgegangen, mit 21 Schilling hat sich jeder seine gezogen. Also Politik hat da noch nicht die Rolle gespielt.
der Trafik ist auf dem Stein ein Türke gesessen, in Pluder- schon am Zentralfriedhof eine Parzelle zu kaufen und ein Weißer Musketier-Doppler gekauft und schnell vernichtet. Du hast gehorcht Rechtsrock und Punkrock. Bei den ei-
hose, der hat sich ur abpeckt, wie die Grinsekatze bei „Alice eigenes Mausoleum aufzubauen, damit man nicht immer Ich war also bei den Oberdöblingern, von 15 bis 17. Die Auf- nen waren „White Power“-Aufnäher drauf und bei den an-
im Wunderland“. Sind wir hin: „Wos lochst so deppad?“ so zeitig in der Früh für die vermehrten Beisetzungen auf- nahme bestand aus drei Krügerln und drei Schnaps in drei deren „Gegen Nazis“, aber du bist mit denen unterwegs
Der hat uns erzählt, wie kurios die ganze Szene ausgeschaut stehen muss und sich dort schon in der Vornacht die Hucke Minuten. Danach hast du dein T-Shirt bekommen: „Döblin- gewesen. Die Musik besteht dort und da aus den drei Ak-
hat, wie ein Slapstick. Dann haben wir selber lachen müs- vollhauen kann. ger Gemeinschaftsbund“, in Fraktur. Die Aufnahmeprüfung korden, und bevor du mit irgendwelchen Techno-Idioten
sen, wir haben das ja gar nicht gscheid mitgekriegt. Szenenwechsel. war immer im Hinterzimmer vom „Loch“, haben wir es ge- herumkräulst…
nannt, Pizzeria Farouati auf der Billrothstraße. Das Bier hat In Neustadt hat es gegeben die Gruft, das war das Skin-
Wie ich mich so aufgeregt hab, weil ich in den Häfn hab K., 77er Jahrgang 20 Schilling gekostet, und der Chef, ein Italiener, hat uns im headlokal. Das war die abgefuckteste Hütte auf der ganzen
müssen, hat meine Mutter gesagt: „Und du soidst de Pappn Treffpunkt Eislaufplatz am Heumarkt. Es ist warm, das Eis Hinterzimmer geduldet, saufen, aufführen, speiben. Welt, da war nicht einmal eine Klomuschel, da war nur ein
hoidn! Wos du damals für a Glick ghabt hast, dass du vorher geschmolzen. Hier hat vor 20 Jahren noch Otto Wanz (The Auswahlmöglichkeiten hat es nicht viel gegeben: Entweder Loch im Boden.
ned in Häfn gangen bist, des haben sie jetzt halt nachgholt.“ Austrian Steamroller, Meister im Telefonbuchzerreißen) ge- du warst Bomberjacke und Martens, oder du warst Skater, Wir sind viel eingebrochen, beim Billa, in Wohnhäuser,
Mit den Kieberern hab ich ungern gerauft, aber einen hab catcht. Aber manchmal ging es hier auch abseits des Wrest- oder in der Red Brother-Geschichte. Das war Provokation, Siedlungen, Fabriken, Autos probiert zum Knacken, das
ich vor laufender Kamera zu Silvester umgeschlagen am ling-Rings zur Sache, erzählt K. nicht mehr. Es war schön, weil wir eine große Gruppe wa- hat natürlich null funktioniert, das hat man nur vom Film
Stephansplatz. Ja, weil sie vor der Aida Piraten geschossen ren, im 19. haben wir alle Türen offen gehabt, weil keiner gekannt. Mit 15 waren wir noch nicht gewalttätig, aber die
haben, hab ich die Piraten ausgedämpft. Dann ist die Heh Da, auf der Tribüne, war eine Fetzerei zwischen Hools und hat sich irgendwas verbieten getraut. Wurscht, in welchem Älteren schon. Bei uns gab es nur untereinander deppade
zu mir hergekommen und hat gemeint, ich schmeiß Pira- Landstraße Wien Mitte, die ein Teil der Red Brothers wa- Gemeindebau, in welcher Snobhütte. Wir haben im Trum- Raufereien, mit blauem Auge, aber die richtige Brutali-
ten. Hab ich gesagt: „Nein, ich dämpf sie nur aus.“ Haben ren. Also für mich waren die Red Brothers so die F1-Typen melhof abgehangen, und der Türsteher hat gleich gefragt, tät, dass einer am Boden gelegen ist und du hast hingetre-
die gesagt: „Nein, Sie werden jetzt festgenommen und wir aus dem Prater. [F1 war eine Disco im Prater] Man hat ja was wir wollen – obwohl wir eh nie was gemacht haben. ten, das war bei denen, die 20, 21, 22 waren. Bei denen war:
schauen, ob Sie Piraten haben.“ Hab ich gesagt: „Sie ken- viele mit roten Tüchern gesehen, aber wer hat wirklich dazu Mit Politik hat das nicht einmal ansatzweise zu tun gehabt. Häfn rein, Häfn raus.
nen mi glei do sackln, i werd von da ned weggehen.“ „Na, gehört und wer nicht? Nazi schon gar nicht. Es war immer nur saufen, Weiber, Nur einmal war eine Massenschlägerei mit Türken, weil die
Sie kumman mit!“, und reißt an meiner Melone. Bumm!, Der Ivica von den Serben, der war immer am Eislaufplatz, und wer kummt uns deppad. Das war das Unpolitischste, irgendwie die Mädels angebraten haben oder so. Da war
ist es gegangen. Ich hab gesagt: „Des kann i ah!“ Dem ers- und da waren plötzlich Hools auf der Tribüne da, die ist was ich je erlebt hab. Jeder Briefmarkenverein ist politischer eine richtige Messerstecherei und überall in den Medien.
ten Kieberer hab ich sein Kappl zerrissen, den zweiten hab jetzt einsturzgefährdet, da darf man nicht mehr rauf. Es hat als wir damals. Ich war da nicht dabei, gut, um die Uhrzeit musste ich da-
ich voll niedergeprügelt. damals ja keine Handies gegeben, nur CB-Funk und ein Wir haben keine Waffen gebraucht, aber wir haben bei der mals ja schon daheim sein, mit 15.
Meine Mutter war damals Grüne, politisch hoch, die hat Telefonhüttl da hinten, das ist auch schon weg. So hat man braven Society so ein Ansehen gehabt, wir haben nicht mal Mit Motorradlpartien haben wir nur einmal in Strasshof
mich am nächsten Tag ausgelöst. Das einzige, was ich zah- sich verständigt, und das hat wirklich funktioniert. Die unsere Fäuste gebraucht. Bomberjacke und Schuhe haben ge- am Bahnhof zu tun gehabt. Wir mit 16, eine ziemliche
len hab müssen, war die Schreibmaschine, was ich dem Hools – City Boys haben sich die damals genannt – sind reicht. Ein paar haben dann die Sprechanlage im Trummel- Rauschgeschichte, irgendwer von uns war frech. Die Ro-
Kieberer unten am Stephansplatz hab nachgeschossen. Die also aufgekreuzt und haben mit Leuchtstiften die Eisfläche hof ruiniert, die haben in der Fettn die Tasten nicht einmal cker haben uns schön hergsalzen, da sprech ich jetzt von
hab ich zahlen müssen, die 460 Schülling. beschossen, haben mit Baseballschlägern auf der Tribüne eingeschlagen, sondern eingedrückt, und vom Chef ein hal- Leistenbruch. Die waren 25, 30 Jahre alt: „Na kummt’s her,
Krawall gemacht. bes Jahr Lokalverbot bekommen. Die Gruppe hat sich lang- es Skinheads“, und bumm. Die haben uns durch die Ge-
Angst hat es nicht gegeben. Ich hab mir gedacht: Mehr als Der Ivica ist zum Telefonhüttl, während Z., der schon tot sam aufgelöst. Wir haben weder befreundete Gangs noch gend geschmissen, von uns hat keiner mehr als 60, 70 Kilo
dass ich sterb, kann mir eh nicht passieren. Ich hab mich al- ist, seinen CB-Funk rausgenommen hat. Der hat den gan- Erzfeinde gehabt, wir waren unantastbar. Also in Döbling. gehabt, kleine Buben waren wir, wir sind durch die Luft ge-
leine gegen 300 deutsche Hooligans gestellt, 1986. Nieder- zen Modenapark-Gemeindebau rausgeholt, und plötzlich Wir haben durch C. und die Vorgängergeneration [siehe 1. flogen, die haben gehabt 110, 120 Kilo, die haben uns gegen
gestochen hab ich dann zwei Wochen später wen bei Austria war’s wirklich so, dass von der Landstraße innerhalb einer Monolog] einen guten Ruf in Wien gehabt. Die Alten haben die Wand geschossen. Von uns hat jeder ausgeschaut wie
– Bayern. Da hab ich einen Bayern mit dem Schirm nieder- Viertelstunde 200 Jugos und Türken vor der Tür waren und die Vorarbeit geleistet, deswegen waren wir unantastbar. aus Schasklappersdorf.
gestochen. Da haben wir uns gerächt an den Deutschen. die Hools da von der Tribüne geprügelt haben, dass es ärger Um Fußball ist es bei uns nicht im Entferntesten gegangen, Dann bin ich nach Wien gezogen, wo eine eigene Szene war,
Aber bei der Fetzerei 1986, die sind über uns drübergefahren, nimmer geht. Das hat mit Pfeifen beim Gemeindebau, CB- um Geld auch nicht, weil Geld war im Überfluss vorhan- und dann haben sich Kontakte nach Deutschland und ganz
bist du deppad. Einer hat mir mit dem Schirm fast das Auge Funk und Telefonhüttl funktioniert. den, die Oberdöblinger haben alle gstopfte Eltern gehabt, Europa entwickelt. Bei mir war das aber nicht über Fuß-
ausgeschlagen, und ich hab ihm mit der Zeitung fast den auch wenn wir arge Ratten waren. [K. war zwar bei der ball, sondern Konzerte, Geburtstagsfeiern und Halligalli.
Schädel eingeschlagen. Mein Glück war, dass ich dadurch Da hat es gegeben den Handschuh-Peda, der eher am Schwe- Oberdöblinger-Partie dabei, ist aber weder dort geboren, Ich bin immer auf Ska-, Punk- und Rechtsrock-Konzerte
gleich liegengeblieben bin, die sind über mich drübergerannt denplatz bekannt war. Der ist immer mit dem Doppler am noch hat er dort je gewohnt. Er ist ein Kind des 3. Bezirks.] gegangen. In Wien ist es dann schon manchmal so gewesen,
wie eine Walze, ich war nicht mehr da für die. Die anderen Schwedenplatz gesessen, irrsinnig fescher Kerl, ein richtiger Ich war mit 17 nicht mehr wirklich dabei, untereinander dass es geheißen hat: „Wir wissen wie du denkst, schleich
haben sie dann erwischt, T. haben sie aufgeschlitzt. Schönling, und der hat immer einen Lederhandschuh auf der haben sich dann zwei, drei Leute nicht mehr vertragen, di!“ Na sicher hat’s da Arena-Verbot ghagelt. Die Arena ha-
Die Deutschen haben sich wiederum gerächt für 83 in rechten Hand gehabt, er hat gesagt, damit ihm der Doppler dann hat sich das aufgelöst und ich hab mir was Neues ge- ben wir dann mal gestürmt, aber da war keiner da. Das war
Wien, wo wir sie in die Donau hineingetrieben haben. Da- nicht ausrutscht. Der hat jeden Tag zwei Doppler gesoffen sucht, Mitte der 90er. wiedermal eine unüberlegte Geschichte: alles zu und nix
mals sind wirklich gekommen, die besten Deutschen. Das und auch wenn er nicht getrunken hat, hat er immer die Be- zum Zerlegen.
war die Eröffnung vom neuen Praterstadion, da hat die wegung gemacht, den Doppler gehoben, und davon einen F., 82er Jahrgang
Heh schon das Zittern gehabt. richtigen Bizeps bekommen. Zuerst haben sie ihn genannt, Wenige Tage später, 12 Uhr Mittag, Verabredung mit F. 98 bin ich dann in die Schwedenplatzpartie gekommen,
Ein anderes Mal hat mich der Punk-E. zuerst von hinten weil er so lange Haare ins Gesicht hatte, Ugly Kid Joe. Das beim Haupteingang Stephansdom. Wir gehen in einen ru- da hat’s die schon gegeben. Wir sind immer gesessen im
durchgestochen, dann wollte ich ihn umbringen, mit der ist ein total liebenswerter Kerl gewesen, der hat sich nur weg- higen Veranstaltungsraum gleich um die Ecke, der erst am „Wohnzimmer“, haben wir das genannt, vorm Jazzland, mit
gesunden Hand erdrosseln, und dann hat er mir direkt in geblasen mit den Dopplern. Aber dem ist das am Schweden- Abend öffnet. F. hat den Schlüssel und erzählt: Radio und Doppler. Die Tankstelle war gleich nebenan, das
die Hauptader geschnitten. Aber die Skins waren immer platz zu wild geworden, dort war’s brutal und er war Pazifist. war praktisch. Na, warum waren wir da? Wir sind in keine
ein chaotischer Haufen, der untereinander eigentlich mehr Der wollte eigentlich nur in Ruhe saufen. Ich bin im Speckgürtel von Wiener Neustadt aufgewach- Lokale reingekommen mit Bomberjacke, Harrington, Stie-
gekämpft hat als gegen andere, weil keine Gegner da waren Wir sind dann draufgekommen, dass in Grinzing, bei der sen, mit 14, 15 haben wir Martens getragen, Bomberjacken fel, weiße Schuhbänder, Glatze.
in den 80ern. Straßenbahnstation, da gibt’s einen Billa, und da steigen und Schwammerlschnitt, später hast du dir dann die Haare Aufnahmerituale hat es gegeben, ziemlich dämliche auch.

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Watschen, Pfefferspray ins Gesicht sprühen. Es hat über- Da waren wir dann alle. Das war eh ur lustig, die haben Ich war einmal auf der Opernball-Demo, auf der, die so Das hier ist nur ein kleiner Auszug aus einer unvollständi-
triebene Fälle auch gegeben. Einmal haben sie jemanden gesagt: „Nicht rauchen, kein Rechtsrock.“ Kannst dir eh heftig war. 2001? Da bin ich auch einkastelt worden. Ich gen Bestandsaufnahme. Wer also etwas dazu zu sagen hat,
den Klobesen in den Arsch gesteckt und dann noch so mit vorstellen… hab davor das Chaostage-Video gesehen, das hat mir ge- kann sich gerne melden. Wo, wann und in welcher Form
den Martens nachgetreten, dass der Darm durchgebrochen Da war dann jeden Samstag ein Skintreffen. Das hat es lang taugt. Mit den Linken hat es dort keine Reibereien gegeben, alles Weitere veröffentlicht wird, bleib Spekulation...
ist. Der hat sich zwei Tage später umgebracht. Aber der, der gegeben, bis 2005, da war wirklich viel los, und immer wa- wir haben uns ja von den Konzerten gekannt. Das Ange-
das gemacht hat, der hat sich innerhalb kürzester Zeit aus ren zwei, drei Streetworker da. nehme an der Skinhead-Szene ist, dass du dich in beiden Um zum Abschluss noch einmal die „Anatomie der Wie-
der Szene zurückgezogen, weil den hat man überall gesucht. Später ist es ruhig geworden, dann hat es auf einmal in der Seiten hast bewegen können. Das war ein breites Spektrum ner Unterwelt“ von 1969 zu zitieren: „Wenn man die
Der hat sich ganz schnell die Haare wachsen lassen und die Arena eine eigene Skingruppe gegeben, die dort auch ak- von Punkrock, Rechtsrock, Reggea, Ska, Soul – da hast du Geschichte der Wiener Unterwelt in den letzten Jahren ver-
Martens in den Mistkübel gehaut. Also wenn die Schwe- zeptiert worden sind. die komplette Auswahl gehabt. Im EKH waren ja damals folgt, so hat es den Anschein, als ob auch die Wiener Unter-
denplatzpartie den gefunden hätte, dann hätten die mehr Die Konzerte sind damals über Flyer angekündigt wor- auch unsere Konzerte, wir haben das mitgekriegt von der welt eine typisch wienerische Eigenschaft hätte: Nämlich,
mit dem gemacht als ihm einen Klobesen in den Arsch den und waren in Baden, in der Perfektastraße, meistens Opernballdemo, da hab ich dann das erste Mal in der Hand sie lebt doch im Caféhaus. Wenn früher Wien für seine Li-
treten… in abgefuckten, richtig grindigen Hallen, die sich jemand gehabt diese Krähenfüße, die selbstgeschweißten aus dem teratencafés berühmt war, so ist es doch nach dem Krieg
Ab 8, 9 am Abend bist du immer im „Wohnzimmer“ ge- gemietet hat. Später hat man das schon über SMS koordi- EKH, die haben wir geschossen und lauter so Scheiß. [das für seine Verbrechercafés irgendwie berüchtigt geworden.“
sessen. Ghacklt haben die Leute von uns definitiv nicht. niert: Treffpunkt ist Raststation Leckmioasch, irgendwo in EKH wurde nach dieser Demo in den frühen Morgenstun- Und wenn die Kleinen nicht in ihre Lokale gelassen wer-
Und wenn einer eine Lehre angefangen hat, dann war er Oberösterreich, da fährst du ab, und meistens ist dann einer den von der Polizei gestürmt und nach Waffen durchsucht.] den oder auch nicht den nötigen Schmattes für die dortige
nicht lang dort. Untertags sind wir mit der U-Bahn deppad mit einem Papierschild dagestanden, wo „88“ draufgestan- Heuer war ein einziger Teilnehmer auf der Opernball- Konsumation haben, besetzen sie eben Parks und andere
durch die Gegend gefahren, in die Peepshow gegangen: 10 den ist oder irgendsoein Schaß. Dann bist du weitergelotst Demo. Das hab ich aber leiwand gefunden. Wenn ich das Plätze im öffentlichen Raum, wo sie sich ihren Ruf mit
Schilling hat man da reingehaut. Immer hat irgendwer ein worden. gewusst hätte, hätte ich mich aus Solidarität dazugestellt. Dopplern und Fäusten aufbauen.
paar Schilling gehabt, von der Oma oder von der Mama. 2003, 2004, 2005 war das Verbotsgesetz anscheinend ziem- Heutzutage sorgen immer wieder „Tschetschenen vs
Überfälle oder Drogenverkauf, das haben wir nicht geregelt, lich locker in Österreich, da waren viele Rechtsrockkon- *** Afghanen“-Schlagzeilen für Ungemach, in der Venediger
bei uns war es rein nur deppad sein. Garstig, würd ich sa- zerte. Da haben wir uns angeschaut Endstufe in… pfff… Au, im Donauzentrum, in der Lugner City; oder direkt ört-
gen. Boshaft. Befreundete Banden hat es nicht wirklich ge- irgendwo in Oberösterreich. Einmal hab ich Nordwind ge- lich organisierte Banden wie KLP (Klieberpark), VDK (Vo-
geben, das war eine szeneinterne Geschichte, weil du hast sehen, irgendwo: Da war eine Pagode, eine Wiese – und ein gelweidpark), Terror 16 und Terror 20. Die größte Gang der
nur die eine Szene gehabt. Für uns hat es nur diese 40, 50 Haufen Gülle. Da sind wir drinnen gestanden. In Braunau letzten Jahre war die Goldenberg-Bande, die 2015 ausgehe-
Leute gegeben. Das war’s. Und es hat extrem viel Streit un- waren viele Konzerte, da war viel, sehr viel! In Braunau wa- belt wurde. Auch das wäre ein eigenes Thema.
tereinander gegeben. Rivalitäten. Jeder wollte dem anderen ren ja Rechtsrockkonzerte direkt im Gemeindesaal. Ober-
beweisen, dass er der Größere ist. österreich war oder ist da anscheinend ein bisschen lockerer.
Popper hat’s bei uns nicht mehr gegeben. Bei uns wa- Gestürmt sind die Konzerte von der Polizei nie geworden.
ren Punks, Skins und Hools. Wir haben mit Ausländern Für uns waren Kieberer eher Feindbilder als Verbündete, in
Kämpfe gehabt. Da sind Leute auch abgestochen worden. welcher Subkultur ist das nicht so? Aber ich glaube, dass die
Nicht nur einmal. Eine Stecherei war direkt im „Wohnzim- Kieberer teilweise zu uns reingekommen sind und dem Ver-
mer“. Wenn etwas war, dann eigentlich immer dort. Die anstalter die Hand geschüttelt haben.
Rettung ist gekommen, und alle sind davongerannt.
Wir sind einmal im Rudolfspark gesessen, da waren noch Die Schwedenplatzpartie hat es bis 2005 gegeben, die Leute
die Sandkastenpagoden, und wir haben zu fünft drinnen sind älter geworden, haben sich die Haare wachsen lassen,
Doppler gesoffen. Dann sind 13, 14 Türken vorbeigegangen sind in den Fußball gegangen oder ganz weg, Familie ge-
und haben was gesagt wie: „Na Burschen, super Party da?!“ gründet – normale Sachen halt. Der jugendliche Leichtsinn
Und ich hab gesagt: „Ja, super Adolf Hitler Party.“ Dann war irgendwann weg.
sind die schon hergekommen, das war halt nicht grad die Bei uns sind nicht alle, aber viele am Gift gestorben. Viele
schlaueste Antwort. Manchmal hat man schon ordentlich sind auch ganz einfach in die Szene abgesandelt. Das war
abbissen. offiziell immer „multiples Organversagen“. Bei uns gab’s
eher Speed, bei den Punks Heroin. Zwei gute Freunde
Politik hat aber nie die Megarolle gespielt bei uns. Gottfried
Küssel war in meiner Generation z.B. kein Thema, das hat von mir, die Punks waren, sind draufgegangen am Tiafen.
keinen interessiert. Du hast zwar deine Störkraft-CDs ge- Viele sind auch auf die Geschlossene gegangen, für immer.
hört, aber genauso „Schlachtrufe BRD“. In dem Alter willst Selbstmord hat es auch gegeben.
du anders sein. Und wenn es verboten ist, ist es natürlich Die Partien hat es eigentlich nie lange gegeben, wenn du
interessanter. Eine CD mit einem Hakenkreuz oder ein Lei- fünf Jahre dabei bist, ist es eh schon lang, da ist ein flie-
berl mit einem SS-Totenschädl, na klar willst du damit pro-gender Wechsel in der Szene – was in Deutschland nicht
vozieren. Oder sich in die Bim stellen und schreien: „Heee,so ist. Da sind Leute weitaus länger dabei. Aber ich glaub
hat wer mein ‚Ausländer raus!’-Button gsehn?“ Den es eh das ist auch, weil die Wiener Szene weitaus brutaler war
nie gegeben hat! Aber die ganze Bim hat sich einmal umge- als im restlichen deutschsprachigen Raum. Ich will mich
dreht, und dann hast du gewartet auf irgendwelche Reak- jetzt nicht zu weit über den Tisch lehnen, aber ich glaub
tionen. Provozieren halt, von Politik keine Rede. Man war schon. Die Leute untereinander waren gehässiger und
gegen alles. brutaler. Mit Dreck fressen lassen, Kehlkopfsteigen und
dann ins Gesicht brunzen, damit du dich nicht wehren
Es hat in den 90ern so viele Skins gegeben, dass die Stadt kannst. Tiafe Gschichten. Die besten Freunde. Boshaft.
Wien eigene Streetworker für Skinheads eingeführt hat, und Die Freundschaft und Kameradschaft ist in Deutschland
da ist dieser „Skin Club“ entstanden in der Rochusgasse. stärker als in Wien.

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