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Berlin, den 15.09.

2008

15s – Strategisches Marketing | 07/08

Was ist ein Geschäftsmodell?


Lars Baldermann Matrikelnummer 357021 (4. Semester / Bachelor)
Jan Schmiedgen Matrikelnummer 357275 (4. Semester / Bachelor)
vorgelegt bei Prof. Liebl.
15s – Strategisches Marketing | 07/08

Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erklären wir an Eides statt gegenüber dem Prüfungsausschuss des
Studienganges GWK, dass die vorliegende, dieser Erklärung beigefügte Arbeit
selbständig und nur unter Zuhilfenahme der im Literaturverzeichnis genannten Quellen
und Hilfsmittel angefertigt wurde. Alle Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem
Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind kenntlich gemacht. Eine
elektronische Fassung der Arbeit ist an den Gutachter per E-Mail gegangen.

Berlin, den 15.09.2008

Lars Baldermann Jan Schmiedgen

Kontaktdaten der Autoren

Lars Baldermann
Blücherstraße 34
10961 Berlin

Telefon +49 (030) 81 61 57 41


Mobil +49 (0163) 6 37 54 88

E-Mail lars.baldermann@googlemail.com

Jan Schmiedgen
Wolliner Straße 12a
10435 Berlin

Telefon +49 (030) 54 49 87 39


Telefax +49 (030) 54 49 87 39
Mobil +49 (0173) 3 83 15 26

E-Mail kontakt@schmiedgen.eu

Speicherort: DATEN:GWK_STUDIUM:15s_Strategisches Marketing:G_Geschäftsmodelle (Business Design):Was ist ein


Geschäftsmodell.doc

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Inhalt
1 Einleitung ......................................................................................... 5
2 Zukunft und Herkunft des Konzeptes ............................................. 7
2.1 Die Funktionen und Ziele konzeptueller Geschäftsmodellbetrachtung.....................9
2.2 Metamodelle, Taxonomien, Instanzen ..................................................................... 13
2.3 Klassifizierung innerhalb einer Organisation .......................................................... 14
2.4 Der Faktor Zeit ......................................................................................................... 14

3 Zwei Geschäftsmodellansätze im Vergleich ................................... 16


3.1 Komponenten und Parameter nach Berg ................................................................. 16
3.1.1 Business Definition ............................................................................................................... 17
3.1.2 Business Architecture ............................................................................................................ 19
3.1.3 Resource Configuration ........................................................................................................ 21
3.1.4 Revenue Model .....................................................................................................................22
3.2 Komponenten nach Osterwalder .............................................................................. 23
3.2.1 Angebot ................................................................................................................................. 25
3.2.2 Kunde .................................................................................................................................... 25
3.2.3 Infrastruktur ..........................................................................................................................27
3.2.4 Finanzen ................................................................................................................................29
3.3 Modellkritik .............................................................................................................. 29

4 Definitionsversuch und Fazit ......................................................... 30


5 Quellen ........................................................................................... 33

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Abbildungsverzeichnis
Occurrences of the Term "Business Model" compared to NASDAQ (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 4)....... 8

Operating margin growth in excess of competitive peers (aus: Unbekannt, 2006, S. 6) .................................... 8

Planning, Changing and Implementing Business Models (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 15) ..................... 11

Geschäftsmodellkonzepthierarchie (aus: Osterwalder et al. 2005: S. 5) ........................................................... 13

Change Models (aus Osterwalder u. a., 2005 nach Lindner/Cantrell 2000).................................................... 15

Geschäftsmodellansatz nach Berg (Eigene Darstellung nach: Berg, 2005, S. 75)............................................. 16

Abells dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Marktdefinition (aus: Liebl, 2007)............................................. 18

Die generische Wertkette nach Porter (eigene Darstellung nach: Porter, 1985, S. 37).................................... 20

Business Design-Notation (nach: Osterwalder, 2007) ...................................................................................... 23

Tabellenverzeichnis
Neun Geschäftsmodellkomponenten (nach Osterwalder, 2004, 2006, 2007; Osterwalder u. a., 2005)......... 24

Abkürzungsverzeichnis
bzgl. Bezüglich
bzw. beziehungsweise
d. h. das heißt
et al. et altera
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
i. d. R. in der Regel
ICT Information & Communication Technologies
IKT Informations- & Kommunikationstechnologien
IS Information System
i. S. im Sinne
o. ä. oder ähnliche(s)
o. g. oben genannte(n)
o. J. ohne Jahresangabe
S. Seite(n)
sog. so genannte(n)
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
z. B. zum Beispiel
EAN Einzigartiges Aktivitäten Netzwerk
SGE Strategische Geschäftseinheit (Businessbereich eines Konzerns)
SBU Strategic Business Unit (siehe oben)
TQM Total Quality Management

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1 Einleitung

„Technology alone, not embedded in an effective business design,


is no longer a viable approach to generating sustained value growth.“

Adrian Slywotzky (Slywotzky, 1996, S. 24)

Der Walkman® von Sony® – eine Legende und Sinnbild für den beispiellosen Aufstieg
eines japanischen Unternehmens, das seine ersten Schritte mit Reiskochern und
Transistorradios gemacht hat – war ein Milliardengeschäft. Wenig bekannt ist indes
über seinen deutschen Erfinder, namens Andreas Pavel, der bereits 1977 die Idee eines
tragbaren Kassettenspielers zum Patent anmeldete. Auch der derzeit allseits gefeierte
Hybridantrieb für Pkw wurde bereits 1973 an der Technischen Hochschule Aachen
entwickelt, fristete jedoch bis zur Monetarisierung durch japanische Autobauer eher ein
Dasein als Blaupause. Beide Beispiele für Technologieinnovationen, die in Deutschland
keine Entwicklungsperspektive hatten, sind noch vergleichsweise triviale Exempel für
verpasste Businesschancen. Beim näheren Betrachten des Paradebeispiels »MP3-Codec1 «
fällt auf, dass dieser nicht nur die erneute Grundlage für ein Milliardengeschäft mit
tragbaren Playern für amerikanische und asiatische Eletronikunternehmen gelegt hat,
sondern dass seine Entwicklung für den schleichenden Untergang sowie den Aufstieg
ganzer Industrien verantwortlich ist. So ist der Markterfolg des Apple-iPods das Resultat
einer geschickten Kombination einfach zu bedienender Hardware und Software sowie
eines ausgeklügelten Contentvertriebssystems, das multimediale Inhalte aller Art zum
Verkauf anbietet – neuerdings auch Nutzergenerierte (iMix). Um den En- und
Decodieralgorhythmus MP3 wurde so von Apple ein komplett vernetztes und für
Wettbewerber schwer kopierbares System einzigartiger Aktivitäten geschaffen, das sehr
anschaulich demonstriert wie zunehmend auch immer schneller die Grenzen der
einzelnen, vormals »sauber« getrennten, Märkte verschwimmen bzw. erweitert werden2
(vgl. Slywotzky, 2004, S. 26). Die Technologieinnovation alleine ist also gar nicht das
Erfolgsgeheimnis des Marktführers, sondern ihre Kombination mit einer bis dato
einzigartigen Geschäftslogik, deren Bestandteile sich untereinander selber verstärken3
und nicht zu vergessen: einer Apple-typisch unvergleichlichen Inszenierung des
Ganzen.

1
MP3 (MPEG-1 Audio Layer 3) ist ein 1992, am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen,
entwickeltes Dateiformat zur verlustbehafteten Audiodatenkompression.
2
In diesem Fall könnte man z. B. grob von einer Abschöpfung in Bereichen der Unterhaltungselektonik-, Computer- und
Musikindustrie sprechen.
3
Z. B. grob: Mehr verkaufte iPods  mehr verkaufte Musik (durch Koppelung an Software), Einfach zu bediendende Software +
stetig steigendes Angebot  mehr verkaufte iPods, ...

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Auch für den Mittelstand kann eine solche Aktivitätenvernetzung und


Geschäftsfelderweiterung relevant sein: So arbeitete einer der Autoren z. B. für ein
Unternehmen, dass Betonfertigteile (siehe iPods) herstellt und eine fortschrittliche
Klärtechnik (siehe Software und Shopsystem) erfand um deren Absatz anzukurbeln, da
diese oft für Kläranlagengruben zum Einsatz kommen. Mittlerweile ist der in die roten
Zahlen geratene Betonguß ein durch das Kläranlagenangebot stabilisierter Geschäftszweig
und das Unternehmen »nebenbei« zum Marktführer für dezentrale Abwasserreinigung
in Deutschland geworden. Dies konnte aber natürlich nur gelingen, da es über die
Installation der Betonteile bereits viel über die Bedürfnisse von Kläranlagenbesitzern
herausfinden konnte und genau wusste, wie ein Leistungspaket geschürt werden muss
um diese zu befriedigen. Hinzu kam, dass es innerhalb kürzester Zeit ein Partnernetz an
Lizenznehmern für seine Klärtechnologie spann, das mächtige Distributionskanäle
mitbrachte über die nicht nur Klärtechnik, sondern auch der eine oder andere
Betonbehälter verkauft werden kann.

Das »Ganze« ist in beiden Beispielen also augenscheinlich mehr als nur die Summe
seiner Teile. Die Frage nach der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens scheint
daher auch immer eine Frage der (Re-)Konfiguration von Teilbereichen seines
Geschäftsmodells oder gar des Modells insgesamt: „True strategy change requires
profound changes of many factors [...] radical strategy changes means changing the entire
business model anyway.“ (Hedman & Kalling, 2001, S. 2)

Deshalb glauben wir, dass das Geschäftsmodell als Analyseeinheit zunehmend eine
wichtigere Rolle spielen wird: Neben seiner Beachtung im übergreifenden
betriebswirtschaftlichen Kontext gerade auch im Rahmen strategischer
Kommunikationsplanung. Denn eine gute Kommunikationsstrategie fußt zwangsläufig
auf einer soliden Business Design-Grundlage, schließlich ergeben sich die
substanziellen Inhalte, Prozesse, Versprechen und Markenkontaktpunkte die inszeniert
werden müssen, nolens volens aus der Ausgestaltung des Geschäftsmodells. Hat das
Business Design Schwächen, die kurzfristig mit kreativer »Strohfeuerkommunikation«
kaschiert werden, gleicht das dem sprichwörtlichen Überdecken eines wenig attraktiven
respektive leistungsfähigen Leerinhaltes mit »Zuckerguss« (vgl. Schultz, Antorini, &
Csaba, 2007, S. 14, 231 f.). Wir finden daher, dass das Geschäftsmodell sogar die
wesentliche Grundlage ist um jenes einzigartige Muster in den Köpfen der avisierten
Anspruchsgruppen zu etablieren, das die Markenkommunikation letztendlich immer
anstrebt.

Die folgende Arbeit soll daher zunächst kurz klären, warum das Thema derzeit eine so
große Beachtung genießt, darstellen warum es sich unseres Erachtens lohnt, sich mit
einer konzeptuellen Geschäftsmodellbetrachtung auseinander zu setzen um darauf
folgende Detailfragen anzuschließen: Gibt es innerhalb des Themendiskurses

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Klassifikationen von Geschäftsmodellen? Aus welchen Komponenten bestehen sie und


wie analysiert und beschreibt man diese? Gibt es konsensfähige Definitionen zum
Thema?

Eine ausgiebige Behandlung der Einbettung in den Strategiekontext können wir ob des
Umfangs der Arbeit nicht vornehmen, werden aber an der einen oder anderen Stelle
kurz darauf verweisen.

2 Zukunft und Herkunft des Konzeptes


Business Design1 , Business System, Geschäftsmodell, Business Design Model(ing),
Geschäftsmodelldesign – es gibt viele Begriffe die von den unterschiedlichsten Autoren
und Praktikern, je nach Sichtweise, synonym oder gänzlich verschieden verwendet
werden, was schnell zu Verwirrung führen kann. Teilweise wird der Begriff gar mit
Business Process Modeling verwechselt, was nicht ein Geschäftsmodell als Ganzes
beschreibt, sondern die Abbildung eines oder mehrerer spezieller Geschäftsvorfälle in
einen Prozess (vgl. Osterwalder, Pigneur, & Tucci, 2005, S. 7). Dies ist aber insofern
aufschlussreich, weil das Business Process Modeling, das mit bereits formalisierten
Beschreibungssprachen und Notationen wie BPMN, UML oder PETRI Nets aufwartet,
eher eine IT-Domäne ist und es einen engen Zusammenhang der wachsenden
Popularität des Begriffes (inkl. seiner damit einher gehenden unreflektierten
Verwendung) und dem Aufkommen immer leistungsfähigerer ICT-Systeme zu geben
scheint. Osterwalder führte hierzu eine interessante Untersuchung durch, in der er nicht
nur die Häufigkeit des Strings »Business Model« innerhalb reviewter Magazine in der
Business Source Premier-Datenbank abfragte, sondern diese dann auch noch mit
Kursverläufen des Technologieindexes NASDAQ verglich und feststellte, dass der
Häufigkeitsverlauf des Auftretens des Begriffes dem Verlauf des Indexes ähnelte: „ It is
not quite clear what to conclude from this observation besides the fact that the topic of
business models probably has a relationship with technology.“ (Osterwalder u. a.,
2005, S. 4) Osterwalder führt den Zusammenhang auf die sich neu ergebenden
Möglichkeiten für »Business Designer« zurück, die sich durch billige und immer
verfügbarere IT für ihre Gestaltungsmöglichkeiten ergeben und ergänzt: „ This cost
decrese led to industry boundaries becoming increasingly blurred. The business model
concept is a candidate to replace the industry as a unit of analysis.“ (Osterwalder u. a.,
2005, S. 4)

1
Während einige Autoren z. B. »Business Design« und »Business Design Model« gleich verstehen, treffen andere feine
Unterscheidungen (siehe z. B. »3.1 Komponenten und Parameter nach Berg«).

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Abbildung 1: Occurrences of the Term "Business Model" compared to NASDAQ (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 4)

Diese These wird auch in einer von IBM durchgeführten Studie aus dem Jahre 2006
untermauert, die u. a. die Wichtigkeit von Geschäftsmodellinnovationen für die Zukunft
hervorhebt „Business model innovators are pursuing innovation opportunities outside
their comfort zone, creating value für their company and their industry as a whole.“ und
die darüber hinaus feststellt, „[...] that todays CEOs are focusing nearly 30 percent of
their innovative efforts on business model innovation.“ (Unbekannt, 2006, S. 6-7)

Abbildung 2: Operating margin growth in excess of competitive peers (aus: Unbekannt, 2006, S. 6)

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Uns soll zunächst die Feststellung genügen, dass die Popularität des Begriffes in enger
Verknüpfung mit den neuen Möglichkeiten von ITC zusammenzuhängen1 scheint und
dass obenstehende Indikatoren die wachsende Bedeutung von
Geschäftsmodellinnovationen bereits erahnen lassen. Dies erklärt auch das durchweg
junge Alter der Publikationen, die versuchen eine einheitliche Konzeptualisierung bzw.
formale Beschreibung von Geschäftsmodellen unter Zusammenführung bisheriger
Perspektiven zu formulieren2 . Im Folgenden wollen wir kurz aufzeigen, warum das
Streben nach einer solchen Sinn macht. Die Begriffe »Business Design«, »Business
Design Model« und »Geschäftsmodell« verwenden wir dabei innerhalb dieser Arbeit
synonym.

2.1 Die Funktionen und Ziele konzeptueller


Geschäftsmodellbetrachtung

Der Aufwand einer konzeptionellen (und bestenfalls visualisierten) Betrachtung von


Geschäftsmodellen lohnt in vielerlei Hinsicht. Im Folgenden möchten wir einige
Argumente sammeln, warum er für die Praxis relevant sein kann.

Aufbau eines gemeinsamen Verständnishorizontes


Unter Managern ist der sog. Fahrstuhltest sehr beliebt. Er beschreibt die
Herausforderung seinem Kommunikationspartner innerhalb einer Fahrstuhlfahrt von
30 Sekunden bis einer Minute, kurz und präzise sein Business inkl. der Merkmale
seiner Alleinstellung zu schildern. Diese Tests sind auch oft Bestandteile von
Führungskräftetrainings und zeigen dort sehr anschaulich – teils auch amüsant – auf,
wie schwer es selbst Führungskräften oft fällt, ihr Business, geschweige denn ihr
Geschäftsmodell, zu artikulieren. Denn vor dem Hintergrund z. B. verschiedener
Professionen ergeben sich oft ein unterschiedlicher Blickwinkel und ein anderes
Verständnis auf das eigene Geschäft. Verschiedene »mentale Modelle« der einzelnen
Personen sorgen hier für ein unterschiedliches Verständnis (Osterwalder u. a., 2005, S.
11, vgl. Berg, 2005, S. 74). Die Formulierung eines konzeptuellen Rahmens soll daher
zum einen eine gemeinsame Sprache formulieren, welche von allen Stakeholdern
verstanden werden kann, die an der gemeinsamen Formulierung und Erfassung der
Geschäftslogik beteiligt sind. Zum anderen hilft er bei der Visualisierung der komplexen
Zusammenhänge eines Business Designs. Dies ist insofern von Vorteil, da die
Verarbeitung von Informationen durch das visuelle System unser Vermögen mit
Komplexität umzugehen entscheidend erhöht (Osterwalder u. a., 2005, S. 12).
Weiterhin sorgt eine konzeptuelle Betrachtung auch für das nötige Verständnis von,

1
Ausgiebigere Betrachtungen der Hintergründe finden sich bei Osterwalder u. a., 2005, S. 1-2, 11-15, 23
2
vgl. Osterwalder, 2004, Berg, 2005

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speziell im ICT und E-Business, immer komplexer werdenden Geschäftsmodellen, in


denen die Beziehungen zwischen ihren einzelnen Elementen sowie entscheidende
Erfolgsfaktoren nicht immer offensichtlich zu Tage treten (Osterwalder u. a., 2005, S.
14). Diese Beziehungen und gegenseitigen Verstärkungen zu entschlüsseln und richtig
zu beurteilen ist aber u. a. eine der zentralen Aufgaben der Strategieentwicklung (vgl.
Slywotzky, 1996, S. 25, Berg, 2005, S. 74, Porter, 1996). Darüber hinaus hilft, ein
auf geteiltem Verständnis basierender Dialog, Missverständnissen zwischen Managern
und wichtigen Stakeholdern (z. B. Ingenieure, Anteilseigner, Systemarchitekten und IT-
Fachleuten, etc.) vorzubeugen und das Geschäftsmodell zu kommunizieren und zu teilen
(Osterwalder u. a., 2005, S. 14).

Strukturierte Analyse
Ein Geschäftsmodellkonzept kann helfen, die Geschäftslogik eines Unternehmens
strukturiert zu erfassen. Dies ermöglicht eine leichtere Identifizierung jener Indikatoren,
die kritisch für (Erfolgs-)Messungen, z. B. über ein Management-IS auf Basis der
Balanced Scorecard-Methode, sind. Aber auch ein systematisches Verfolgen und Beobachten
stetiger Änderungen der Geschäftslogik im Zeitverlauf (z. B. aufgrund interner und
externer Veränderungen) kann durch einen systematisierten Ansatz erleichtert werden.
Ebenso sind Vergleiche mit den Geschäftsmodellen des Wettbewerbs oder gar komplett
anderer Industrien möglich: „[...] [it] may provide new insights and foster business
model innovation. [...] [and it] can help incumbents understand how agressive new
competitors and start-ups work (Osterwalder u. a., 2005, S. 14)“.

Osterwalder weist in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Notwendigkeit
einer »einheitlichen« Business Design-Ontologie als Analyseeinheit hin: „things are only
comparable if they are understood in the same way.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 14)

Bewusstes Management
„Business models improve the management of the business logic of the firm.“
(Osterwalder u. a., 2005, S. 15) Ein Geschäftsmodellkonzept kann z. B. dem
Management helfen bei der zunehmend komplexeren (Re-)Konfiguration von
Aktivitätennetzwerken (vgl. Porter, 1996): „Because models are quite complex, their
success is often based on the interaction of a number of apparently minor elements.
Furthermore technology increases the range of imaginable business models.“
(Osterwalder u. a., 2005, S. 15) Osterwalder betont hier noch einmal die Bedeutung
einer BD-Ontologie als Hilfe für das Management um nachhaltige Geschäftsmodelldesigns
kreieren zu können (Osterwalder u. a., 2005, S. 15, vgl. Berg, 2005, S. 74).

Ein weiteres wesentliches Aufgabenfeld im Management ist die Planung von


Veränderungsprozessen und Implementierung selbiger. Eine Bestandsaufnahme und

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Visualisierung des aktuellen Geschäftsmodells erleichtert auch hier wesentlich


Beschreibung und Verständnis zu verändernder Elemente.

Abbildung 3: Planning, Changing and Implementing Business Models (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 15)

Auch die Reaktionsgeschwindigkeit, angemessen z. B. auf externen Veränderungsdruck


(Trends, Issues, etc.) einzugehen, kann entscheidend verbessert werden (Osterwalder u.
a., 2005, S. 10, 15), wenn der »Geschäftsmodelldesigner« weiß, welche Elemente des
existierenden Business Designs er modifizieren kann oder gar muss.

Weiterhin führt Osterwalder an, dass das Geschäftsmodell als konzeptionelle Brücke
dient, die eine Feinjustierung (Alignment) der »Business Triangle1 « erlaubt und somit als
wichtiges Werkzeug zur Entwicklung und Verbesserung bereits bestehender
Geschäftsmethoden, bzw. darüber hinaus auch durchaus zur IS-Anpassung, dienen
kann (Osterwalder u. a., 2005, S. 15 f.

Last but not least trägt eine Konzeptualisierung zu einer verbesserten Entscheidungsfindung
bei. Denn nur ein gemeinsamer Verständnishorizont, ein geteiltes »mentales Modell«
und einheitliche Vorstellungen über die Geschäftslogik lässt Entscheidungsträger im
Unternehmen fundiert Entschlüsse fassen.

Perspektiventwicklung
„We believe, that the business model concept can help foster innovation and increase
readiness for the future [...]“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) So kann lt. Osterwalder
ein formalisierter Geschäftsmodellansatz ähnlich einer »Lego-Box« dem Business
Designer beim experimentieren helfen. Dabei bedient er sich der einzelnen Bausteine
des Geschäftsmodells um neue Business Designs zu kreieren und diese gar
computergestützt zu simulieren und zu testen: „[...] it is a way of doing low-risk
experiments, without endangering an organization.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) Er

1
Darunter versteht er das Dreigespann von Geschäftsstrategie, Geschäftsorganisation sowie IKT. Jede Kategorie schaut mit einem
anderen Blickwinkel und auf verschiedenen Geschäftsebenen auf das Konzept »Business Model«. Dies kann zu
Verständnisproblemen wg. differenter Weltsichten führen. Ein Geschäftsmodellkonzept sollte daher als Vermittler dienen, der alle
drei Perspektiven zusammenführt und kontinuierlichen externen Druck (5-Forces nach Porter, soziale und rechtliche
Rahmenbedingungen, Nachfrage, Technologischer Wandel) adäquat über alle drei Perspektiven beantwortet (Osterwalder, 2004,
S. 16).

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betont dabei noch einmal, dass das Geschäftsmodell darüber zum zukünftigen Ort von
Innovationen und somit auch zur Quelle für Wettbewerbsvorteile werden kann.
Weiterhin schlägt er vor: „[...] a company should maintain a portfolio of business
models in order to be ready for the future.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) Dieses
bewusste Vorhalten eines Geschäftsmodellportfolios mit mehreren Variationen (im Sinne
einer nachhaltigen »Evolutionsstrategie«), hätte z. B. der Musikindustrie eine Hilfe sein
können beim schrittweisen Aufkommen von MP3, flächendeckender
Breitbandabdeckung, Napster-Derivaten und iTunes1 .

Patentierung von Geschäftsmodellen


Die Patentierung von Teilen eines Geschäftsmodells oder gar ganzen Business Designs
gehört zu einem sehr umstrittenen Feld 2 (vgl. Sietmann, 2001). Sie könnte aber speziell
im E-Business zunehmend eine immer wichtigere Rolle spielen (Osterwalder u. a.,
2005, S. 16 f.). Daher wäre eine formale Darstellung und Vergleichbarkeit auch hier
von Bedeutung.

Inszenierungsmöglichkeiten
„Ein Produkt oder eine Dienstleistung muss [...] den Aussagen der
Markenpositionierung [...] entsprechen und kohärent mit dem Verhalten und der
Kultur [...] und der Kommunikation sein (Schmidt, 2003, S. 64).“ Wir finden daher,
dass das Geschäftsmodell als Analyseeinheit und Moderationswerkzeug auch helfen
könnte Inszenierungsmöglichkeiten im Sinne holistischer Markenführung auszuloten. Es
ermöglicht nicht nur die Identifizierung von Markenkontaktpunkten und Kanälen,
sondern eröffnet auch prozessuale Perspektiven, die Grundlage für dramaturgische
Überlegungen sein könnten3 .

1
Zugegebenermaßen hätte das einige Fantasie und vorausschauende Manager gebraucht, die nach persönlicher Meinung der
Autoren in der Musikindustrie selten vorhanden waren bzw. sind. 
2
Legendär ist die rechtliche Auseinandersetzung um Amazons »One-Click-Buy«-Trivialpatent. Aber auch die rechtliche
Schutzfähigkeit von Pricelines (www.priceline.com) »Bid-Match«-System hat in der Fachpresse einiges Aufsehen erregt.
3
Z. B. die Gesamtkonfiguration eines Beratungsprozesses einer Bank in all seinen Phasen

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2.2 Metamodelle, Taxonomien, Instanzen

Da das Forschungsfeld insgesamt noch sehr jung ist und es in der »Scientific
Community« derzeit noch sehr rege diskutiert wird, ist man schnell mit der Tatsache
konfrontiert, dass sich a) bisher noch keine gemeinsame Diskussionsbasis hierfür
herausgebildet hat, b) die Autoren bisher selten Bezüge untereinander hergestellt haben
und c) die Ausdrücke »Geschäftsmodell«, »Business Design (Model)«, usw. jeweils für
verschiedene Dinge stehen, je nach Betrachtungswinkel und Forschungsinteresse des
jeweiligen Autors.

Daher ist es hilfreich, zunächst einmal zu fragen, nach welchem Prinzip man eine
Klassifikation von Untersuchungsansätzen vornehmen könnte. Osterwalder et al. haben
hierzu einen ausgiebigen Literaturvergleich vorgenommen und auf Basis dessen versucht
eine objektive und hierarchische Kategorisierung vorzunehmen (vgl. Osterwalder u. a.,
2005, S. 5). Sie unterscheiden dabei in 1) Autoren, die eine Beschreibung des
Geschäftsmodells als allumfassendes Konzept vornehmen, das alle reellen Geschäfte
beschreiben kann, 2) Autoren die eine bestimmte Anzahl verschiedener abstrakter
Geschäftstypen beschreiben, die jeweils wiederum eine Zusammenstellung von
Geschäften mit gemeinsamen Charakteristiken umreißen und 3) Autoren, die Aspekte
oder Konzeptualisierungen eines speziellen Geschäftsmodells aus dem echten
Wirtschaftsalltag präsentieren. Die drei Kategorien können, müssen aber nicht
zwangsläufig, hierarchisch miteinander verbunden sein.

Abbildung 4: Geschäftsmodellkonzepthierarchie (aus: Osterwalder et al. 2005: S. 5)

Osterwalder leitet daraus eine Benennung der drei (Betrachtungs-)Ebenen wie folgt ab:

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Level 1: Allumfassende Geschäftsmodellkonzepte

Diese Betrachtungsebene umfasst meist Definitionen dessen, was ein Geschäftsmodell ist
und aus welchen Bestandteilen es besteht. Die Bestandteile werden über sog.
Metamodelle konzeptualisiert.

Level 2: Taxonomien

Die zweite Ebene beschreibt verschiedene Arten (i. S. einer Kategorisierung) oder
Metamodellvarianten (i. S. verschiedener Modellansätze) von Geschäftsmodellen, die
zwar generisch sind aber dennoch gemeinsame Charakteristiken aufweisen. Beide
können, müssen aber nicht zwingenderweise, Unterklassen übergreifender
Geschäftsmodellkonzepte sein.

Level 3: Instanzebene

Hier dominieren konkrete Geschäftsmodellbeispiele aus dem Wirtschaftsalltag oder


Konzeptualisierungen, Repräsentationen und Beschreibungen selbiger. So wird z. B. die
Geschäftsmodellperspektive verwendet um spezifische Unternehmen detailliert zu
analysieren. Dabei gibt es unterschiedlichste Herangehensweisen und
Konzeptualisierungen.

2.3 Klassifizierung innerhalb einer Organisation

Natürlich kann ein Unternehmen mehrere »Business Designs« haben (vgl. Osterwalder
u. a., 2005, S. 8, Slywotzky, 1996, S. 53 f.). Große Konzerne wie IBM oder Siemens
haben mehrere Geschäftsbereiche, die teilweise komplett anderen Geschäftslogiken
unterliegen (vgl. auch Abells »Defining the Business at several Levels«: Abell, 1980, S.
185 ff.). Auf eine detaillierte Betrachtung dieses Punktes müssen wir aber zwecks
Fokussierung zunächst verzichten.

2.4 Der Faktor Zeit

In dem Moment, in dem man die Geschäftslogik eines Unternehmens erfasst hat, kann
diese sich schon wieder ändern. Daher ist eine Geschäftsmodellkonzeptualisierung nicht
nur eine vereinfachte Beschreibung und Repräsentation einer komplexen Entität bzw.
komplexer Prozesse, sondern auch nur eine Momentaufnahme und Beschreibung zu
einem bestimmten Zeitpunkt: „ [...] therefore [it can] relate to the past, to the present, or
to the future (Berg, 2005, S. 74).“ Denn sowohl interner als auch externer
Veränderungsdruck (vgl. »5-Forces« nach Porter, 2008; »Business-Triangle« nach
Osterwalder, 2004, S. 16) zwingen Geschäftsmodelle zu permanenten

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

Evolutionsprozessen, die z. B. gut durch Slywotzkys »Value Migration-Phasen 1 «


beschrieben wurden (vgl. Slywotzky, 1996). Der Wandel vom kleinen
Lebensmitteleinzel- bzw. Filialhandel zum modernen Supermarktgeschäft (z. B.
Carrefour) ist ein Paradebeispiel für einen solchen Shift, das anschaulich zeigt, wie sich
ein tradiertes Geschäftsmodell fließend zum Nächsten wandelt. Da dieser Wandel einen
wesentlichen strategischen Prozess darstellt, der vom Management bewusst gestaltet und
begleitet werden muss, befindet sich ein Unternehmen quasi in einem dauerhaften
Implementierungsprozess seines neuen avisierten Geschäftsmodells. Lindner und
Cantrell unterscheiden vier Basistypen solcher Modelle, die sie »Change Models«
nennen (Abbildung 5).

Abbildung 5: Change Models (aus Osterwalder u. a., 2005 nach Lindner/Cantrell 2000)

1
Slywotzky stellt die These auf, dass ein Business Design Zyklen unterliegt und meist drei Phasen durchläuft: 1) Value Inflow:
Abschöpfung von etablierten Industrien als bessere Antwort auf Kundenbedürfnisse und -prioritäten, 2) Stability: Konsolidierung
und gesunder Wettbewerb bei durchschnittlichen Gewinnen, 3) Value Outflow: Veraltung des Business Designs bis es obsolet ist

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15s – Strategisches Marketing | 07/08

3 Zwei Geschäftsmodellansätze im Vergleich

„In the end, design is about shaping a context, rather than taking it as it is. When it comes to
design, success arises not by emulating others, but by using organizational assets and
integrative thinking to identify, build on, and leverage asymmetries, evolving unique models,
products and experiences - in short, creative business solutions.“

Martin, 2004, S. 5

Nachdem wir nun wissen in welchem übergeordneten Rahmen man Geschäftsmodelle


klassifizieren kann und auch eruiert haben, warum eine Auseinandersetzung mit dem
Thema zunehmend wichtiger wird, möchten wir uns der Beschreibung zweier Ansätze
widmen, die man nach der Betrachtung in Abschnitt 2.2 als Metamodelle bezeichnen
kann. Ziel soll sein die einzelnen Bestandteile der verschiedenen Modelle
herauszuarbeiten und Unterschiede bzw. Verknüpfungspunkte zwischen den beiden von
uns gewählten Autoren Berg (2005) und Osterwalder (2004 -2008) herzustellen.

3.1 Komponenten und Parameter nach Berg

Berg untersucht in seiner Dissertation »What is Strategy for Buyout Associations?« u. a.


die strategische Relevanz von Geschäftsmodellen für Private Equity-Unternehmen und
stellt im Rahmen dessen eine eigene generelle Geschäftsmodellkonzeptualisierung auf,
die er im Verlauf des Buches auf die speziellen Belange der Branche zuschneidet. Wir
wollen uns die Elemente seines Geschäftsmodellansatzes im Folgenden näher betrachten.

Abbildung 6: Geschäftsmodellansatz nach Berg (Eigene Darstellung nach: Berg, 2005, S. 75)

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Bergs Modell besteht aus vier Hauptbetrachtungsdimensionen: Business Definition,


Business Architecture, Resource Configuration sowie Revenue Model. Die drei ersten fasst er
als »Business Design« zusammen. Darunter versteht er „[...] a firms strategic positioning
and the comprehensive system of its activities and relationships. It ist he totality of how a
firm defines ist business, sets up and orchestrates its system of activities, and configures
ist resources (Berg, 2005, S. 75).“ Das Revenue Model, im Folgenden von uns auch
Erlösmodell oder Ertragsmechanik genannt, betrachtet er als »separaten Analyseblock«,
zunächst scheinbar getrennt vom Business Design.

Jede der vier Dimensionen wird unterteilt und in Unterdimensionen segmentiert, in


denen dann wiederum bestimmte Parameter betrachtet werden. Die Granularität der
Parameterbetrachtung bestimmt der Untersuchungskontext des zu analysierenden
Geschäftsmodells und kann vom Anwender innerhalb Bergs Bezugsrahmens selbst
bestimmt werden. Im Detail schlägt er folgendes Analysevorgehen vor:

3.1.1 Business Definition

Zunächst sollte sich das Unternehmen darüber im Klaren sein, wie es sein Geschäft
respektive seinen Markt definiert. Es muss sich fragen, welche Kundengruppen es
avisiert, welche Bedürfnisse dieser Gruppen befriedigt werden müssen, welche
Produkte/Services dazu notwendig sind, bzw. bereitgestellt werden können und wie das
Ganze möglichst effizient geschehen kann. (vgl. »Who-What-How Questions«: Berg,
2005, S. 50-53). Dabei ruft Berg noch einmal in Erinnerung, dass Marktgrenzen nicht
von vornherein als definiert oder gar fest1 , sondern eher als das Ergebnis einer
kollektiven Imagination zu verstehen sind (Berg, 2005, S. 76; vgl. Levitt, 1960).

„Defining the business means to set boundaries for certain types of activity a company
decides to perform (Berg, 2005, S. 76).“ Was so einleuchtend klingt ist allerdings de
facto eine der schwierigsten Managementaufgaben überhaupt, denn es gibt eine Vielzahl
an Methoden, wie man seinen Markt definieren könnte. Berg empfiehlt daher die
Verwendung des dreidimensionalen Bezugsrahmens von Abell, der den Markt eines
Unternehmens über die Verknüpfung dreier Dimensionen definiert und somit die
üblichen Nachfrage- bzw. Angebots- oder Technologieorientierten Perspektiven der
Marktbestimmung zusammenführt (vgl. Berg, 2005, S. 76 f.; Abell, 1980, S. 13 ff.,
170 ff.).

1
z. B. Marktgrenzen = Industriegrenzen

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Abbildung 7: Abells dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Marktdefinition (aus: Liebl, 2007)

Kundengruppen (Customer Group)

Abell betrachtet die Kundengruppen als Ausgangspunkt einer Geschäftsdefinition. Sie


können auf unterschiedlichste Weise segmentiert werden. Ob nach geografischen,
demografischen, sozioökonomischen Faktoren oder Lifestyle und persönlichen
Charakteristiken, diese Entscheidung obliegt dem Unternehmen und seinen
individuellen Anforderungen (vgl. Abell, 1980, S. 170).

Kundenfunktionen (Customer Function)

Welche Kundenprobleme respektive –bedürfnisse löst das Unternehmen mit seinem


Angebot? Oder besser: welche sollte es lösen? Auf diese Frage kann die Analyse von
Motivstrukturen der Kundengruppen eine Antwort geben. Aus Kundensicht sind die
Funktionen jene Attribute oder Nutzen die als ausschlaggebende Entscheidungskriterien
für eine Kaufentscheidung wahrgenommen werden (vgl. Abell, 1980, S. 170 ff.).

Technologie (Technology)

Die dritte Dimension beschreibt jene Alternativtechnologien aus Sicht der Kunden, die
auch eine Art der Lösung für ihr Problem sein könnten. Hat der Kunde z. B. ein
Transportproblem (Funktion), stehen ihm als Lösungsmöglichkeiten (Technologien)
Straße, Schiene, Luft oder auch See zur Verfügung. Auch hier obliegt es den
individuellen Anforderungen des Unternehmens, wie fein, konkret und »sinnvoll«
weitere Unterteilungen vorgenommen werden (z. B.: Privat-KfZ, Leihwagen, Fahrrad,
Hubschrauber, Schnellboot, etc.) (vgl. Abell, 1980, S. 172 f.).

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Berg geht im Folgenden auch auf Abells Business Definition-Typologien und ihre
Bedeutung für das Erlangen einer attraktiven strategischen Markposition ein (vgl. Abell,
1980, S. 174: Fokussierte Strategie, Differenzierte Strategie, Undifferenzierte Strategie),
was uns hier aber zunächst nicht interessieren soll.

3.1.2 Business Architecture

„The business a firm decides to be in has a profound effect on


how the firm structures itself [...] it influences ist business architecture.“

Berg, 2005, S. 76

Hat sich das Unternehmen in der grundlegenden Frage seiner Geschäftsdefinition


festgelegt, gilt es die gewählte Strategie möglichst effizient zu umzusetzen. Dafür sind
»fein gestrickte organisationale Arrangements« von Nöten, die Berg als Business
Architecture bezeichnet. Diese beschreibt für ihn die Kernarchitektur des Unternehmens
mit seinen strukturellen und operationalen Charakteristiken unter Einbeziehung der
jeweiligen Wertschöpfungsstufen sowie administrativer Systeme und Richtlinien (vgl. Berg,
2005, S. 79)

Wertschöpfungsstufen (Stages of value Creation)

„The stages of value creation describe the product, service, and information flows of a
business organisation and the configuration of business processes as well as the way the
organisation utilises its resources. Furthermore, they indicate not only the different stages
and their order but also the interactions between them (Berg, 2005, S. 79).“ Für die
Darstellung und Analyse dieser komplexen Zusammenhänge schlägt Berg eine »eine
erweiterte Wertkettenanalyse« nach Stabell & Fjeldstad1 (vgl. Berg, 2005, S. 67 ff.) vor,
deren Ziel es ist, die Portersche Wertkette dergestalt in ihre einzelnen Aktivitäten zu
zerlegen, dass die einzelnen Bausteine der Wertschöpfung und ihre jeweilige Bedeutung
für selbige in einem angemessenen Detaillierungsgrad dargestellt werden können.

1
Stabell und Fjeldstad sind der Meinung, dass Porters Wertkettenanalyse besonders für traditionelle Produktionsbetriebe geeignet
wäre, wohingegen es für Dienstleistungsunternehmen schwierig sei, anhand seiner Typologie primärer Wertaktivitäten zu
analysieren, wo wertschöpfende Aktivitäten im Diensleistungsbereich stattfinden. Sie haben daher das Wertkettenkonzept um
einen Value-Shop (Erläuterung der Wertschöpfungslogik anhand einer Problemlösung für den Kunden sowie durch die
Mobilisierung dafür nötiger Ressourcen) und ein Value-Network (Wertschöpfung aufgrund von Vereinfachungen von
Netzwerkbeziehungen zwischen verschiedenen Kunden) für die Dienstleistungsbranche erweitert (vgl. Berg, 2005, S. 67 f.).

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Abbildung 8: Die generische Wertkette nach Porter (eigene Darstellung nach: Porter, 1985, S. 37)

Porter selbst schlägt hierzu vor, jene Aktivitäten zu isolieren und zu separieren, die 1)
verschiedene Geschäftscharakteristiken haben, 2) die potentiell großen Einfluss auf die
Differenzierung des Unternehmens ausüben und 3) signifikant oder in wachsendem
Ausmaß Kosten in selbigem verursachen (Porter, 1985, S. 45).

Die Optimierung und Koordination der Verknüpfungen innerhalb der Wertkette (samt
der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Wertaktivitäten) stellt dabei eine
wertvolle Quelle für Wettbewerbsvorteile und Differenzierung dar (Porter, 1985, S. 48
f.). Hinzu kommen vertikale Verknüpfungen mit den Wertketten von Partnern,
Zulieferern oder verschiedenen Vertriebswegen oder gar auch Verknüpfungen mit der
»Wertkette des Abnehmers 1 «.

Neben ihrem Wert als Analyse- und Konfigurationsobjekt kann eine strukturierte
Wertkettenbetrachtung auch helfen, die eigene Wertkette mit denen der Wettbewerber zu
vergleichen, um darüber Konfigurationsvor- und Nachteile des eigenen Geschäfts
aufgezeigt zu bekommen (vgl. Berg, 2005, S. 80).

Administrative Systeme und Richtlinien (Administrative Systems and Policies)

Organisationsstruktur und Geschäftsprozesse müssen sich ergänzen und so auf einander


abgestimmt sein, dass sie ein effizientes Erreichen der gewählten Strategie gewährleisten.
Aus dieser Anforderung leiten sich zwei weitere Aufgabenfelder für den »Business
Designer« ab:

Die Grundlegende Organisationsstruktur (Basic Organisational Structure) sorgt für ein


effizientes Design von Prozessen bzw. organisationalen Arrangements die die Stufen der
Wertschöpfung begleiten. Sie betrachtet u. a. prozessuale Verknüpfungen innerhalb der

1
Stichworte: Konsum als letzter Akt der Produktion, Prosument, Co-Creation etc. (vgl. Prahalad & Ramaswamy, 2003)

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Wertkette, die lt. Porter gerne in einer Aufbauorganisation übersehen werden (vgl.
Porter, 1985, S. 59 f.): Dies können z. B. Koordinationsmechanismen und
Kommunikationskanäle zwischen Mitarbeitern und den weiteren Entitäten des
Businesses sein (Berg, 2005, S. 81). Sie ist aber auch Spiegel der Entscheidungen,
welche Aktivitäten intern ausgeführt und welche ausgelagert werden.

Die Entscheidungs- und Kontrollstruktur (Decision and Governance Structure) gibt grob
Antwort auf die Frage: Wer entscheidet was und wie erfolgt Kontrolle im Unternehmen?

Die Anreiz- und Kompensationsstruktur (Incentive and Compensation Structure) sollte


schlüssige Antworten u. a. auf folgende Fragen liefern: Wie gewährleistet das
Unternehmen Attraktivität gegenüber Toptalenten und hält diese aufrecht? Wie
balanciert es die Interessen von Eigentümern und Managern der einzelnen
Geschäftsentitäten aus?

3.1.3 Resource Configuration

„The competitive value of individual activities cannot be separated from the whole.“

Porter, 1996, S. 72

Die einzigartige Ressourcenkonfiguration ist Bestandteil eines Aktivitätennetzwerkes (vgl.


Porter, 1996), denn „Synergy between even a handful [distinctive competencies1 ] creates
distinctiveness at a wholly superior level (Heijden, 1999, S. 65).“ Daher besteht ein
wesentlicher Schritt der Analyse in der Bestimmung und Beurteilung des
Ressourcenportfolios. Ein möglicher Weg diese durchzuführen, könnte laut Berg wieder
über die Betrachtung der Wertkette führen, denn die einzelnen Stufen der Wertkette
haben meist verschiedene Ressourcen, die ihnen zugeordnet sind. Die Bestimmung des
Ressourcenportfolios könnte daher praktischerweise über eine kategorisierte Auflistung
aller Ressourcen erfolgen, die dann der jeweiligen Wertkettenstufe zugeordnet werden.

Eine Betrachtung der Wertkette auf diesem Mikrolevel bietet mehrere Vorteile: a) sie
zwingt das Management zum Nachdenken und stellt daher einen guten Rahmen zur
Formulierung strategischer Fragen, b) im Vergleich mit dem Wettbewerb lässt sich
schnell feststellen dass die gleiche Art von Wertkettenaktivitäten ganz anders behandelt
werden kann, was die Entwicklung und Konfiguration anderer Ressourcen zur Folge hat.
Aber auch c) die Identifizierung und Balance von Trade-offs lässt sich in diesem Schritt
gut vornehmen. Dies erleichtert die Weichenstellungen für die Konfiguration oder
Aktualisierung des eigenen Aktivitätennetzwerkes und ist im Zusammenspiel mit Bergs

1
Hinweis: van Heijden betrachtet als »distinctive competencies« eher das Zusammenspiel von Bergs »Business Architecture« und
der »Resource Confuguration« (Heijden, 1999, S. 63-67). Seinen Ansatz nur auf die Ressourcenkonfiguration zu beziehen, wäre
zu kurz gegriffen.

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anderen Geschäftsmodellbetrachtungsdimensionen letztendlich ein wesentlicher Schritt


Richtung strategischem Fit (vgl. Porter, 1996, S. 70 ff.).

Aber auch hier gilt: Die Ressourcenbetrachtung ist ein zeitabhängiges »Moving Target« –
sowohl intern als auch extern (Wettbewerb) – da sie einer ständigen Rekonfiguration
unterliegt (siehe »Der Faktor Zeit« S. 14).

Berg kategorisiert sie in eine materielle und immaterielle Perspektive.

Materiell (Tangible Resources)

Unter die materielle Betrachtung fallen vergleichsweise einfach identifizierbare


Ressourcen, die z. B. im Bilanzabschluss erscheinen. Dies können zum einen
Finanzielle Ressourcen, wie Forderungen, Vermögenswerte oder Gewinnrücklagen sein.
Aber auch Physische Ressourcen, wie Maschinen, Produktionsanlagen und -gebäude
zählen dazu.

Immateriell (Intangible Resources)

Die immaterielle Betrachtung teilt Berg in drei Blöcke: Mit Skills bezeichnet er das
Zusammenspiel von Know-how1 (z. B. Bildung, Training und Erfahrungen der
Mitarbeiter) und Corporate Culture2 . Des Weiteren untersucht er Vermögenswerte im
rechtlichen Kontext (Assest in Law and Order) bzw. Intellektuelle Schutzrechte wie z. B.
Verträge, Lizenzen, Markenrechte, Patente, Datenbanken, registrierte Geschmacksmuster
und Designs sowie Handelsgeheimnisse. Last but not least betrachtet er auch
Vermögenswerte ohne rechtlichen Kontext (Assets without a legal Context). Dazu gehören
zum einen die Reputation des Unternehmens und zum anderen seine Beziehungen und
Netzwerke (sowohl intern als auch extern).

3.1.4 Revenue Model

Das »Erlösmodell 3 « charakterisiert die wirtschaftliche Logik des Unternehmens.


Revenues sind nach Coenenberg (1997, S. 356) „[...] direkte Zuflüsse von Geldmitteln
aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, vor allem Umsatzerlöse, Gebühren, Zinserträge,
Dividenden, Honorare und Mietverträge [...].“ Während also die drei Dimensionen des
Business Designs die Kostenstruktur des Geschäfts definiert haben, beschreibt das
Erlösmodell die einzelnen Erlöszuflüsse. Diese resultieren je nach Geschäftsdefinition

1
„Know-how includes information about countless details that has taken years, sometimes decades, to accumulate in a firm, that
enables a firm to interact with customers and suppliers (Berg, 2005, S. 82).“
2
„Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und
interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational
und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird“ (Schein, 1999, S. 25).
3
In der Literatur finden sich verschiedene Termini für »Revenue Model«: »Erlöserzielungsmodell«, »Ertragsmechanik (exakt:
revenue mechanism)«, »Erlösmodell«, etc.

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und daraus abgeleiteter Aktivitätenkonfiguration aus z. B. Produktverkäufen, Beratung


und Information, Lizenzen, Werbeplatzierung u. v. m.

Für eine Erlösmodellanalyse schlägt Berg zwei Schritte vor: 1) Detaillierte Beschreibung
der relativen Höhe und Bedeutung einzelner Cashflows, 2) Untersuchung der
Ertragsmechanik durch Identifizierung verschiedener Erlösströme und ihrer
entsprechenden Quellen.

3.2 Komponenten nach Osterwalder

Die folgende Geschäftsmodellontologie fußt auf der Forschung, die Alexander


Osterwalder unter Betreuung von Yves Pigneur und Christopher Tucci an der »Ecole
des Hautes Etudes Commerciales« der Universität Lausanne, im Rahmen seiner
Dissertation durchgeführt hat. Wir haben sie als weiteres Untersuchungskonzept für
unsere Arbeit herangezogen, weil er über einen sehr ausgiebigen Vergleich und eine
Synthese der wichtigsten Autoren des Forschungsfeldes (Osterwalder, 2006, S. 12 f.;
Osterwalder, 2004, S. 48 f.) eine einheitliche Notation geschaffen hat, mit der sich ein
Geschäftsmodell darstellen lässt.

Abbildung 9: Business Design-Notation (nach: Osterwalder, 2007)

Sein Modell fußt auf den vier Säulen Angebot, Kunde, Infrastruktur und Finanzen, die
wiederum in einzelne Bausteine (»Business Model Building Blocks«) untergliedert sind
(siehe Abbildung 9). Diese Bausteine stehen interdependent zueinander, d. h. erfolgt
eine (Re-)Konfiguration des einen Bausteins, ändern sich auch die Variablen des
anderen.

Als idealtypische Reihenfolge der Komponentenanalyse schlägt Osterwalder vor:


Kundensegmente, Nutzenversprechen, Kommunikations- und Vertriebskanäle,
Kundenbeziehungen, Ertragsmechanik, Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten,

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Partnernetzwerk und Kostenstruktur (Osterwalder, 2007, S. 8). Wir denken allerdings,


dass diese an den spezifischen Kontext des zu untersuchenden Geschäftsmodells
angepasst werden kann bzw. muss.

Tabelle 1 listet die einzelnen Komponenten mit ihrer übergreifenden Bedeutung für das
Geschäftsmodell nach Osterwalder noch einmal kurz auf, bevor wir im Folgenden jede
Komponente kurz untersuchen bzw. in Vergleich zu Bergs Bezugsrahmen setzen wollen.
Jeden Baustein leiten wir mit jenen Schlüsselfragen ein, die Osterwalder als Hilfestellung
für ihre praktische Beschreibung liefert (vgl. Osterwalder, 2007, S. 9 ff.).

Säule Baustein / Komponente1 Beschreibung

Angebot Nutzenversprechen Welches Produkt- und/oder Servicepaket bietet das Unternehmen an um die
(Offer) (Value Proposition) spezifischen Bedürfnisse seiner Kundensegmente zu befriedigen?

Kunde Kundensegmente Welchen charakteristisch-ausgeprägten Kundensegmenten im Detail bietet das


Kunden- (Target Costumer) Unternehmen (Mehr)-Wert an?
interface
Vertriebskanäle Über welche Mittel und Wege kommuniziert das Unternehmen mit seinen Kunden, tritt
(Customer)
(Distribution Channels) mit ihnen in Kontakt und bietet sein Nutzenversprechen an?

Kundenbeziehungen Welche Beziehungen unterhält/pflegt das Unternehmen mit seinen verschiedenen


(Customer Relationships) Kundensegmenten?

Infrastruktur Schlüsselaktivitäten Wie sind die wichtigsten Aktivitäten des Unternehmens ausgestaltet und konfiguriert,
(Infrastructure) Aktivitäten und Ressourcen die notwendig sind um das Geschäftsmodell zu implementieren?
(Value Configuration,
Key Activities,
Activity Configuration)

Schlüsselressourcen Auf welchen Kompetenzen/Ressourcen fußt das Geschäftsmodell des Unternehmens?


(Core Capabilities)

Partnernetzwerk Welches Netzwerk kooperativer Vereinbarungen mit anderen Unternehmen (Partner,


(Partner Network) Zulieferer, etc.) benötigt das Unternehmen, um effizient Wertschöpfung betreiben zu
können und sie zu kommerzialisieren?

Finanzen Kostenstrukturen Welche Kosten fallen für die gewählte Konfiguration des Geschäftsmodells an, ergo:
(Finance) (Cost Structure) welche Kosten die entstehen für die Exekution der gewählten Mittel?

Ertragsmechanik Auf welche Art verdient das Unternehmen Geld und über welche Erlöskanäle?
Einkommensflüsse,
Erlösmodell
(Revenue Streams)

Tabelle 1: Neun Geschäftsmodellkomponenten


(nach Osterwalder, 2004, 2006, 2007; Osterwalder u. a., 2005)

1
Osterwalders Modell befindet sich immer noch in Entwicklung, daher unterscheiden sich die Bezeichnungen der einzelnen
Bausteine auch innerhalb seiner Publikationen geringfügig. Hinzu kommt, das man je nach Art der Organisation, die man mit
der Osterwalder-Methode analysieren möchte die einzelnen Komponentenbegrifflichkeiten nuancieren kann. Einige von ihm selbst
publizierte Alternativen sind in der Tabelle unter den fett gedruckten Bezeichnungen aufgelistet.

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3.2.1 Angebot

Nutzenversprechen

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Was bieten wir dem Markt an?


Was ist unser Markt?
Welche Kundenbedürfnisse deckt jedes Nutzenversprechen ab?
Bieten wir den verschiedenen Kundensegmenten unterschiedliche Servicelevel an?

Die »Value Proposition1 «, von uns als Nutzenversprechen (in anderer Literatur auch je
nach Kontext als Werteversprechen) bezeichnet ist ein wesentlicher Baustein
Osterwalders Modell. Ein Geschäftsmodell kann mehrere Nutzenversprechen
beinhalten, meist je eines pro Kundensegment.

Für die Erarbeitung von Nutzenversprechen schlägt Osterwalder vor, zunächst eine
Beschreibung selbiger für jedes identifizierte Kundensegment vorzunehmen, wobei ein
Segment durchaus auch mehrere Nutzenversprechen haben kann, welche wiederum
verschiedenen Segmenten angeboten werden können. Für jedes herausgefundene
Nutzenversprechen werden anschließend die wichtigsten Produkt- und Serviceattribute
beschrieben (z. B. Service Level, etc.).

Interessanterweise ist dieser Schritt lediglich ein anderer Zugang zur Business Definition
nach Abell, die Berg vorschlägt (vgl. S. 17). Die Nutzenversprechen entsprechen den
»Kundenfunktionen« kombiniert mit »Alternativtechnologien« (hier: Bündel aus
Produkten und Services).

3.2.2 Kunde

Kundensegmente

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Für wen betreiben wir eigentlich Wertschöpfung?


Gibt es davon Kunden, die es wert sind, sie in eine eindeutige Kategorie zu fassen, weil...
... wir ihnen ein einzigartiges Angebot machen?
... wir sie durch verschiedene Kommunikations- und Vertriebskanäle erreichen?
... wir unterschiedliche Beziehungen mit ihnen unterhalten (z. B.: eher persönlich)?
... sie beträchtliche Unterschiede in ihrer Profitabilität haben?

1
„A Value Proposition is an overall view of a company's bundle of products and services that are of value to the customer
(Osterwalder, 2004, S. 43).“

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Hier werden alle Kundengruppen (sowohl Geschäfts- als auch Privatkunden) detailliert
beschrieben. Dies geschieht über demografische, soziodemografische oder geografische
Merkmale, Kernbedürfnisse, Erwartungen und Motivationen oder anderen sinnvoll für
das Unternehmen gewählten Kriterien. In Abells Bezugsrahmen entspricht dies den
»Kundengruppen« und ist im Vergleich mit Berg daher zusammen mit dem Schritt der
Beschreibung der Nutzenversprechen als »Business Definition« einzuordnen (vgl.
S. 17). Das Ergebnis dieses Analyseschrittes sind lt. Osterwalder verschiedene
Kundensegmente, entlang denen bestehende Kunden klassifiziert werden können. Die
identifizierten Segmente werden abschließend mit weiteren Daten angereichert wie z. B.
Anzahl derzeitiger Kunden im Segment, Profitabilität oder Wachstumspotential.

Kommunikations- und Vertriebskanäle

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Durch welche Kommunikations- und Vertriebskanäle ereichen wir unseren Markt?


Wie gut funktioniert jeder Kanal?
Wie teuer oder kosteneffizient ist jeder unserer Kanäle?
Über welche Kommunikations- und Vertriebskanäle promoten bzw. liefern wir unsere Nutzenversprechen aus?
Durch welche Kanäle erreichen wir unsere einzelnen Kundensegmente?

„A good and integrated channel design can be a powerful tool for differentiation and
competitve advantage (Osterwalder, 2007, S. 12).“ Die »Kanäle« sind das Interface
zwischen einem Unternehmen, seinen Nutzenversprechen und den Kunden. Die
bewusste Kundenkontaktpunktgestaltung1 (gerne auch Markenkontaktpunktgestaltung
genannt) ist eine daher eine wesentliche Designaufgabe die, ob der Vielzahl der zur
Verfügung stehenden Kanäle, für fundierte Entscheidungen genaue Kenntnis über die
Kunden sowie ihre Bedürfnis- und Motivationsstrukturen aus den Vorgängerschritten
voraussetzt. Kostenintensive Kanäle werden i. S. einer sinnvollen Kanalkonfiguration
dabei meist hochprofitablen Kunden, kosteneffiziente eher unprofitablen
Kundensegmenten zugeordnet.

Osterwalder empfiehlt für die Analyse pro Nutzenversprechen zu umreißen, über


welche Kanäle es welchen Kundensegmenten abgegeben bzw. eingelöst wird. Wenn alle
Kanäle identifiziert sind wird pro Kanal versucht, ihn mit weiteren Informationen, z. B.
über Erfolgsraten und Kosteneffizienz anzureichern.

1
Beispiele könnten sein: Werbung in weitesten Sinne, Websites und andere elektronische Interfaces, Konferenzen, Retail- &
Storedesign, Sales Affiliates, Verkaufspersonal, u. v. m. Aber auch die Gestaltung von Kommunikationsprozessen über verschiedene
Einzelkanäle hinweg, i. S. einer abgestimmten Kanaldramaturige (z. B. bei Beschwerdemanagement,
Kundenrückgewinnungsprogrammen, Servicebegleitung über den gesamten Produktlebenszyklus, etc.). Letzteres ist allerdings auch
eng mit dem Punkt »Kundenbeziehungen« auf der nächsten Seite verknüpft.

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Kundenbeziehungen

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Entwickeln und pflegen wir verschiedene Kundenbeziehungstypen in unserem Geschäftsmodell


(z. B.: mehr oder weniger intensiv, persönlich, etc.  persönliche Beratung vs. Self-Service)?
Wie ressourcenintensiv ist jede dieser Kundenbeziehungen im Hinblick auf Zeitaufwendungen und andere Kosten?
Welche Beziehungsarten und –mechanismen entwickeln und pflegen wir für jedes Kundensegment?

Eine weitere wesentliche Businessdesignentscheidung ist die differenzierte Ausgestaltung


des Beziehungsmanagements mit den identifizierten Kundensegmenten. Osterwalder
schlägt vor, hier zunächst pro Kundensegment zu untersuchen, welche Beziehungsarten
man für jedes Nutzenversprechen das man abgibt, aufrechterhält. Jede dergestalt
identifizierte Beziehungsart wird, so empfiehlt er weiter, mit Informationen über
Ressourcenintensität, Zeitaufwendung und andere Kosten angereichert.

3.2.3 Infrastruktur

Schlüsselressourcen

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Auf welche Schlüsselressourcen sind wir angewiesen, um unser Geschäftsmodell betreiben zu können?
In welcher Beziehung steht jede dieser Ressourcen zu unserem Nutzenversprechen
und seinen zugehörigen Kundensegmenten, Kanälen und Beziehungen?

Wie Berg (vgl. S. 21 »Resource Configuration«) schenkt auch Osterwalder der


Ressourcenbetrachtung Aufmerksamkeit: Für ihre Identifizierung und Beschreibung
empfiehlt er zunächst anhand der wichtigsten Nutzenversprechen, zugehörigen
Kundensegmenten, Kanälen, Beziehungen und Erlösströmen, jene Schlüsselressourcen
zu identifizieren, von denen die Einlösung des jeweiligen Nutzenversprechens abhängt.
Dies wird solange wiederholt, bis alle Nutzenversprechen und ihre entsprechenden
Schlüsselressourcen beschrieben sind. Auch er unterscheidet die Betrachtung in
materiell und immateriell, wobei er darauf hinweist: „Increasingly, business models are
also built on intangible assets that are diffcult to quantify [...] (Osterwalder, 2007, S.
15)“. So sind z. B. etwas vereinfacht die Marke, das »Humankapital« sowie eine
verlässliche IT-Infrastruktur die wichtigsten Ressourcen im Retail Banking.

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Schlüsselaktivitäten (Value Configuration)

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Was sind die Hauptaktivitäten die wir durchführen um unser Geschäftsmodell zu betreiben?
Welche Schlüsselressourcen liegen ihnen zu Grunde?
Für welche Nutzenversprechen, Kanäle oder Beziehungen leisten sie einen Beitrag?

Ein Unternehmen kann seine Schlüsselaktivitäten entweder selber, oder teilweise


ausgelagert über ein Partnernetzwerk ausführen. Osterwalder schlägt vor, anhand der
einzelnen Nutzenversprechen sowie ihrer zugehörigen Kanäle und Beziehungen
aufzulisten, welche Schlüsselaktivitäten notwendig sind um das jeweilige
Nutzenversprechen einzulösen. Dies wird solange für alle Nutzenversprechen
wiederholt, bis alle Schlüsselaktivitäten identifiziert sind. Wir meinen, dass diese Schritte
eigentlich die Konstruktion der spezifischen Wertkette des Unternehmens darstellen
(vgl. Bergs »Business Architecture« S. 19). Osterwalder nähert sich der
Wertaktivitätenkonfiguration nur aus einer anderen Perspektive und überprüft hier, wie
auch Berg, die Verknüpfung mit den Schlüsselressourcen (vgl. Berg: »Resource
Configuration« S. 21).

Partnernetzwerk

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Mit welchen Partnern und Zulieferern arbeiten wir zusammen?


Mit welchen Schlüsselressourcen stehen diese in Verbindung?
Für welche Nutzenversprechen, Kanäle oder Beziehungen leisten sie einen Beitrag?

Ob Joint Ventures, Kooperationen, Allianzen oder Partnerschaften: Moderne


Geschäftsmodelle sind das Resultat von Netzwerken1 . Der »Business Designer« muss
sich daher u .a. folgenden Fragen stellen: Kann unser eigenes Geschäftsmodell durch
Partnerschaften unterstützt werden? Was machen wir selber, was lassen wir machen2 ?
Und wie kombiniere ich meine Nutzenversprechen bestmöglich mit denen der Partner?

Die idealtypischen Identifizierungsschritte lt. Osterwalder hierfür sind: 1) Den


wichtigsten Partner oder Zulieferer herauspicken und beschreiben, welche
Schlüsselressourcen er liefert bzw. welche Schlüsselaktivitäten er ausführt. 2) Schritt 1
solange wiederholen, bis alle Partner erfasst sind. 3) Für jeden Partner ermitteln, ob er
ohne weiteres ersetzbar wäre, bzw. wie eng man selber mit ihm integriert ist und ob er
ein potentieller Wettbewerber werden könnte.

1
z. B. Amazon (Logistikpartner: UPS, DHL, etc.; Shop-in-Shop Systeme: Subunternehmer, die das Amazon-Framework nutzen)
2
Dies ist immer auch eine Frage nach den Kernkompetenzen (vgl. Osterwalder, 2004, S. 90).

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3.2.4 Finanzen

Kostenstrukturen

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Welche sind die wichtigsten Kostenpositionen in unserem Geschäftsmodell?


Können diese ohne weiteres einem/einer Geschäftsmodellbaustein/-komponente zugeordnet werden?
Können die Kosten für jedes Kundensegment berechnet werden?

Die Kostenstrukturen sind ein direktes Resultat aus der individuellen Konfiguration
aller Geschäftsmodellbausteine. Im Idealfall sollten die Kosten auf jede einzelne
Geschäftsmodellkomponente zurückverfolgbar sein, was ein sehr umfangreiches Thema
darstellt und hier keine nähere Betrachtung finden kann.

Erlösmechanik / Erlösmodell

ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN

Was sind unsere Erlöszuflüsse?


Was sind die Erlöszuflüsse von jedem Kundensegment und jedem Nutzenversprechen?
Wie hoch ist der Beitrag der einzelnen Erlöszuflüsse prozentual zum Gesamtergebnis?

Osterwalder nennt diesen Baustein wie Berg das »Revenue Model«. Als Schritte seiner
Beschreibung empfiehlt er 1) ein Kundensegment auszuwählen (dabei nat. mit dem
Wichtigsten zu starten). 2) Die jeweiligen Erlösströme zu beschreiben, die auf das
Segment verweisen und zu untersuchen, auf welches Nutzenversprechen diese
zurückzuführen sind. 3) Nach Wiederholung dieser Schritte für jedes Kundensegment
zu schauen, welchen finanziellen Beitrag dieses innerhalb der Gesamterlöse ausweist.

3.3 Modellkritik

Beide Autoren nähern sich dem Thema zwar von unterschiedlichen Perspektiven,
untersuchen jedoch – wie versucht wurde zu zeigen – am Ende die gleichen
grundlegenden strategischen Fragen, denen sich ein Unternehmen stellen muss.

Osterwalders Ansatz erscheint uns dabei etwas praktischer und überzeugt u. a. wegen
seiner guten Visualisierungsmöglichkeiten – speziell für die schnelle Erfassung sowie die
Herausarbeitung der Essenzen einer Geschäftslogik aus der »Vogelperspektive«. Bergs
Konzeptualisierung erscheint in der praktischen Umsetzung dagegen etwas zu textlastig,
obgleich auch er natürlich in jeder Komponente die Möglichkeit eröffnet die
Wechselwirkungen und Abläufe im Detail grafisch darzustellen (z. B.:
Wertkettendarstellung, Organisationsstruktur, Generisches Erlösmodell, etc.). Auch die
prominent hervorgehobene Betrachtung des »Partnerbausteins« von Osterwalder, die

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sich bei Berg in den Wertschöpfungsstufen »versteckt« finden wir sehr gelungen, da sie
ein wichtiges Bindeglied zu Geschäftsmodellen anderer Unternehmen1 darstellt, die
immer größere Bedeutung erlangen. Er geht dafür aber wiederum z. B. nicht explizit auf
Punkte wie »Kontrollmechanismen«, »Wertkette« oder »Wettbewerbsumfeld« ein, die
Berg genauer untersucht. Wir finden daher: Für zukünftige Forschungen sollte man in
Form eines formalisierten Vergleichs für beide Konzeptualisierungen prüfen inwieweit
sie die Anforderungen der Kriterien aus Abschnitt 2.1 erfüllen, um eine abschließende
qualifizierte Kritik äußern zu können.

Für beide Ansätze allerdings gilt: Da ein Modell immer nur einen vereinfachten
Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen kann, wird eine Geschäftsmodellbetrachtung
immer abhängig von der Perspektive sein die man einnimmt.

4 Definitionsversuch und Fazit


Was aber verstehen wir unter einer Perspektiv- bzw. Kontextabhängigkeit? Schauen wir
uns zunächst die drei Definitionsansätze der Autoren an, die in dieser Arbeit am
häufigsten zitiert wurden. Berg fasst seine oben beschriebene Konzeptualisierung in
folgender Definition zusammen:
„A business model is defined as a systematic and comprehensive way to describe the basic
strategic logic of a business in a simplified and abstract manner. It is the basis for the
illustration, discussion, and development of strategy for a firm or business unit. It comprises a
business design that describes the comprehensive system of activities, relationships, and
resources as well as a revenue model that analyses the way the business generates revenues
and profit (Berg, 2005, S. 73).“

Osterwalder bündelt seinen Ansatz wie folgt:


„A business model is a conceptual tool that contains a set of elements and their relationships
and allows expressing the business logic of a specific firm. It is a description of the value a
company offers to one or several segments of customers and of the architecture of the firm and
its network of partners for creating, marketing, and delivering this value and relationship
capital, to generate profitable and sustainable revenue streams (Osterwalder, 2007, S. 17-
18).

Sylwotzky dagegen formuliert:


„A business design is the totality of how a company selects its customers, defines and
differentiates its offerings, defines the tasks it will perform itself and those it will outsource,
configures its resources, goes to market, creates utility for customers, and captures profit. It is

1
Dies ist von Vorteil, da unternehmensübergreifende Konstrukte im Sinne integrierter (Geschäfts-)Systeme aus Herstellern,
Lieferanten und Kunden zunehmend wichtiger werden.  Value Webs, Co-Creation, etc.

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the entire system for delivering utility to customers and earning a profit from the activity.
Companies may offer products, they may offer technology, but that offering is embedded in a
comprehensive system of activities and relationships that represents the company’s business
(Slywotzky, 1996, S. 4).“

Letztendlich führen sowohl Bergs als auch Osterwalders Ansatz grob über drei Schritte
zur Beschreibung eines Geschäftsmodells: 1) Der Untersuchung von Lebenswelten und
Bedürfnisstrukturen potentieller Kunden. 2) Einem daraus abgeleiteten Angebotszuschnitt
(unter Abgleich von Resource-based View, Market-based View und weiteren
Umfeldbedingungen) sowie 3) der profitablen Sicherstellung der Einlösung des auf dem
Angebotszuschnitt basierenden Nutzenversprechens. Beide Modelle und auch die
meisten Definitionen zum Thema bestehen daher im kleinsten gemeinsamen Nenner
grob aus den zwei Hauptkomponenten (vgl. auch Berg, 2005, S. 72-73; Osterwalder,
2004, S. 45-46): Systeme und Geschäftsprozesse (Auf welche Art und Weise werden
Geschäftsprozesse aufgesetzt und Trade-offs behandelt?) sowie einem Erlösmodell (Wie
wird Geld verdient?).

Dennoch fällt uns eine eigene Defintion zugegebenermaßen schwer bzw. mit derzeitigem
Wissensstand nicht möglich. Denn was man unter einem Geschäftsmodell versteht und
welche Elemente dessen man untersuchen muss bzw. gestalten kann, hängt stark vom
Kontext und der zu untersuchenden Abstraktionsebene ab (vgl. »Business Triangle«:
Osterwalder, 2004, S. 16; Berg, 2005, S. 70). Zum einen stellt sich die Frage nach
dem Problem, das ich mit einer Geschäftsmodellbetrachtung lösen möchte. So wird z. B.
ein Risikokapitalgeber im Rahmen einer Businessplanprüfung bewußt nur einen
»unvollständigen Auschnitt« des Geschäftsmodells analysieren auf Grundlage dessen er
seine Entscheidungen trifft, wobei der Fokus auf dem Revenue Model und der
Zusammensetzung bzw. der Vision des Gründerteams liegen wird. Fragt man
Verbraucher nach ihrer Perzeption des Geschäftsmodells einer Marke, so werden sie mit
Sicherheit alle Leistungen, die ihnen in Wirklichkeit ein komplexes Leistungssystem1
erbringt, auch jener Marke (da sie als Leistungsanbieter auftritt) zuordnen. Im E-
Businesskontext wiederum liegt der Darstellungsfokus oft auf der Beschreibung und
Legitimation einer Erlöserzielungslogik (vgl. Berg, 2005, S. 70). Allein diese drei
Beispiele zeigen auf, dass sowohl verschiedene Weltsichten als auch Kontexte bei einer
Geschäftsmodellbetrachtung eine Rolle spielen. Nun war es aber ja gerade erklärtes Ziel
der betrachteten Ansätze eine für alle verständliche Beschreibungssprache zu finden, was
sich allerdings auch nicht widerspricht: Denn je nach Problemstellung muss man nur

1
I. S. der Koordination einer Vielzahl von Wertschöpfungsprozessen, z. B. innerhalb eines Value Webs. Komplexe
Geschäftssysteme, die die Geschäftsmodelle mehrerer Unternehmen verschränken (siehe Wertkettenverschränkung), werden oft als
Systemlösungen vom Kunden wahrgenommen. Als Lösungsanbieter steht oft eine Marke, die die Moderation und Koordination der
integrierten Problemlösung übernimmt.

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jenen Auschnitt1 aus der (formalisierten) Gesamtkonzeptualisierung wählen der für eine
Lösung spezifischer Problemstellungen nötig ist. Dies soll nicht dem Gedanken der
oben geforderten komplexen Gesamtkonfiguration zuwiderlaufen, sondern muss eher i.
S. einer situationsadäquaten Granulierung verstanden werden. So muss z. B. eine
Erlösmodellinnovation nicht zwingend auf alle Bausteine (z. B. die Ressourcen oder die
Partner) eines Geschäftsmodells zurückkoppeln und kann (innerhalb strategischer
Vorgaben) einzeln als Teilkonfiguration vorgenommen werden. Im
unternehmensinternen Strategiediskurs dagegen wird das Geschäftsmodell natürlich aus
viel globalerer Perspektive behandelt, hier u. U. allerdings in abstrakterer Form und
zunächst auf Kosten des Detaillierungsgrades. Dafür geschieht dies aber wiederum unter
Berücksichtigung weiterer wichtiger Kontexte, wie den Umfeldbedingungen2
(industriestruktureller Kontext, Issues, Trends), Unternehmenskontext und
strategischen Überlegungen. So kann eine scheinbare Miskonfiguration des
Geschäftsmodells aus einer strategischen Entscheidung herrühren, die ein jahrelanges
Fahren von Verlusten bewusst einplant (z. B. im Rahmen von
Verdrängungswettbewerb). Da sich das Geschäftsmodell permanent in solchen
Austausch- und Beziehungsprozessen mit seinem Umfeld befindet, ist es in Teilen
natürlich auch das Resultat von Zufällen (z. B. über die strat. Nutzung sich ergebender
Chancen). Zum Unternehmenskontext ließe sich sagen: Auch unternehmensinterne
gewachsene Strukturen müssen beachtet werden. So gibt Slywotzky z. B. das
„institutionelle Gedächtnis“ einer Organisation (Slywotzky, 1996, S. 16 f.) zu bedenken.
Eine fundamentale Neuausrichtung ist aufgrund dieses Phänomens nicht ohne weiteres
möglich und somit ein weiteres Beispiel für jene Kontexte, innerhalb deren sich ein
Geschäftsmodell evolutionär anpassen muss 3 .

Für uns heißt das: Wir wissen nun zwar um Bedeutung, Anforderungskriterien,
Klassifikationsmöglichkeiten und Analysekomponenten eines Geschäftsmodells. Wir
wissen aber auch, dass sich der Untersuchungskontext einer Geschäftsmodellbetrachtung
je nach Abstraktionsgrad und Fragenformulierungsperspektive ändern wird. Dies führt
dazu, dass jeweils andere Komponenten untersucht, weggelassen oder gar »hinzugefügt«
werden müssen, was eine kontextunabhängige Definition erschwert. Beide
Konzeptualisierungen stellen allerdings – so finden wir – einen sehr hilfreichen
Denkrahmen und eine Basis für weitere Forschung dar. Eine ausführlichere
Untersuchung der Wechselwirkungen und Kontexte die untrennbar mit dem Konzept

1
i. S. einer Teilmodellbetrachtung
2
So postuliert Porter: „no business model can be evaluated independently of industry structure Porter, 2001, S. 4“. Auch
Slywotzky findet: „[...] new-growth innovators are great business model innovators, but in addition, they are imaginative and
insightful analysts of the business environment, skilled at recognizing opportunities where others do not and developing profitable
ways to respond (Slywotzky, 2004, S. 26).“
3
Man könnte diese Evolution auch als ein stetiges Tasten von Market-based View und Resource-based View verstehen.

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»Geschäftsmodell« verbunden sind, könnten z. B. im Rahmen einer Bachelorarbeit


untersucht werden.

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