BASICS
Neurologie
2., vOllständig überarbeitete Auflage
ELSEVIER
URBA N& FISCHER URBAN & FISCHER München
Zuschriften und Kritik bitte an :
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Medizinstudium, Karlstraße 45, 80333 München, EMail: med izinsludium@elsevier.d e
09 10 11 12 13 5 432
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setzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Uberse tzungen, Mikroverfilmun gen
und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN 978·3·437-42197-6
Liebe Studentinnen und Studenten! Meinen herzlichen Dank möchte ich Frau Dr. Johanna Anneser
für die inhaltliche Überarbeitung dieses Buches sowie Monika
Die Neurologie ist ohne Frage eines der größten Fachgebiete Krzovska und Katharina Nikolajek für ihre Hilfe und Unter-
in der Medizin, das dem Studenten im laufe seiner Ausbil- stützung aussprechen_ Ebenso mächte ich mich an dieser
dung begegnet. Für viele wirkt es aufgrund der Komplexität Stelle bei unserer Redakteurin Dagmar Reiche sowie den ver-
und Vielschichtigkeit der zahlreichen Syndrome und Krank- antwortlichen Mitarbeiterinnen vom Elsevier Urban & Fischer
heitsbilder unübersichtlich und schwierig, der Einstieg Verlag Willi Haas und Nathalie Blanck für ihre hilfreiche und
erscheint sehr mühsam_ Doch lohnt es sich für alle an der geduldige Unterstützung bei der Entstehung dieses Buches
Medizin Interessierten, sich mit diesem interdisziplinären bedanken.
Gebiet näher zu beschäftigen. Das menschliche Nervensys-
tem ist faszinierend. Es ermöglicht nicht nur das Agieren und Ich hoffe, dass dieses Buch eine Hilfe ist und beim Lesen Spaß
Reagieren unseres Körpers in der Umwelt, sondern macht bereitet. Über Kritik und zahlreiche Anregungen freue ich
den Einzelnen in seinem Denken, seinem Handeln und seiner mich und bitte jede Leserin und jeden Leser, diese dem Verlag
Persönlichkeit als Individuum aus. In Teilgebieten der Neuro- mitzuteilen.
logie sind zahlreiche physiologische Vorgänge und viele
Pathomechanismen noch immer nicht vollends aufgeklärt, München, im Herbst 2005
manchmal nur rudimentär verstanden, was diese Fachdis- Marija Krzovska
Inhalt
A Allgemeiner Teil . ..................... . 2- 69 Tumoren des ZNS .. .. .... ..... . .. . .... . .. . 84-87
I Hirntumoren I .................. .... . . . . ... . 84
Grundlagen . ........... ......... . ... . . ... . 2- 11
I Hirntumoren 11 ... . .... . .... ... .... . ... ... . . . 86
I Anatomie und Physiologie des ZNS I ... . . ... . .... . 2
I Anatomie und Physiologie des ZNS 11 . ....... . . . . . 4 Anfallskrankheiten ....... .. . ... .. ....... .. 88-91
I Anatomie und Physiologie des ZNS III ......... . . . . 6
I Epilepsie I ... . ...... .............. . . .... . .. . 88
I Anatomie und Physiologie des Rückenmarks ... . ... . 8
I Epilepsie II ........................... .... . . 90
I Blutversorgung und Ventrikelsystem . .. ..... .... . . 10
Diagnostik
Leitsymptome
12 Anamnese und körperliche Unter-
suchung 46 Kopfschmerzen I
14 Neuropsychologische Syndrome 48 Kopfschmerzen 11
16 Geruchssinn, Pupillenreaktion, Visus I 50 Bewusstseinsverlust
(Hirnnerven I, 11, 111) 52 Bewusstseinsstörungen und Koma
18 Geruchssinn, Pupilienreaktion, 54 Schwindel
Visus II 56 Sehstörungen
20 Okulomotorik I (Hirnnerven 111, IV 58 Sensibilitätsstörungen
und VI) 60 Muskelschwäche
22 Okulomotorik II 62 Gangstörungen und Ungeschick-
24 Hirnnerven V und VII lichkeit
26 Hirnnerven VIII, IX, X, XI und XII 64 Hirndruckerhöhung
28 Muskeltonus und Muskelkraft I 66 Verwirrtheit und Delir
30 Muskeltonus und Muskelkraft 11 68 Demenz
Anatomie und Physiologie des ZNS I ----------------------'~
Aufbau
Histologisch unterscheidet man in der Kleinhirnrinde drei St6rullBen Im Bereich deli m~~'-lltn ~ptellll.d!II8~~i1t11lri":;7
(Splno-.und Vestlbulocerebellum)
Schichten: Körnerzellschicht (Stratum granulosum, die ataxie. fallneigung, NyatqmUI und z. T. zur Ul11terdlrilcku~iI dlea~
einzigen exzitatorischen Neurone), Purkinje-Zellschicht .,.atibulookullren Reflexes.
(Stratum purkinjense, die einzigen efferenten Neurone) und
Molekularschicht (Stratum moleculare). Im Mark jeder ~
Pontocerebellum: Dieser Teil des Gehirns wird durch die
Hemisphäre erkennt man die vier Kleinhirnkerne: Nc!. den- bei den Hemisphären repräsentiert und erhält PrOjektionen
tatus, Nc!. emboliformis, Nc!. globosus und Nc!. fastigii. vor allem aus dem Großhirn und den Brückenkernen. Er ist
für die motorische Modulation und Feinkoordination von
Fun ktion "Bewegungsentwürfen" zuständig, die er über kortikoponUn
Bezüglich der Funktion des Cerebellums kann man eine topo- Bahnen aus dem Großhirn erhält. Nach Überarbeitung des e
graphisch geordnete Aufgabenverteilung erkennen. Es wer- Bewegungsablaufs wird dieser zum Thalamus und von dOrt
den folgende Teile unterschieden: zum Motorkortex zurückprojiziert und schließlich durch die
Pyramidenbahn zu den Ausführungsorganen geleitet.
t Spinocerebellum: Es besteht aus dem Vermis und dem un-
mittelbar anschließenden Bereich der Hemisphären und erhält
den Hauptteil seiner Fasern aus dem Rückenmark. Hauptsäch- Lislonen der Hemlaphlren -wlsen sich klinisch all hypermletrliac);
Bewegungen. Dyadladochoklnese. Intentlonstremor und
lich koordiniert es die Bewegung der proximalen Extremitäten- rende Sprache.
muskulatur und den Muskeltonus. Es erhält zum größten Teil
propriozeptive Informationen aus dem Rückenmark, die ver-
arbeitet und über den Nc!. ruber und die Formatio reticularis Großhirn (Telencephalon)
zurück zum Rückenmark geleitet werden.
t Vestibulocerebellum: Dieser Teil umfasst Flocculus und Die beiden Großhirnhemisphären sind über den Balken (Cor-
Nodulus und bezieht den größten Teil seiner Afferenzen aus pus callosum) mi teinand er verbunden. Dieser besteht aus
einer Ansammlung quer verlau fender Fasern , di e das Dach
der Seitenventrikel bilden und fast alle Bereiche des Groß-
hirns mi teinander in Verbindung setzen. Bei der Ansich t von
I Ab b. 4: Ansicht des
außen kann man vier Großhirn lappen erkennen (I Abb. 5) ,
Kleinh irn s von oben (a ) die mithilfe von Furchungen und Windungen ihre OberfläChe
und von vorn (b) . vergrößern. Klappt man den seitlich gelegenen Temporallap_
Vestibulocere bellum pen und Teile des Frontallappens auseinand er, sieht man auf
(ora nge), Spin oce rebel-
lum (grün), Pontoce re-
die Inselrind e, die sich keinem der Lappen zuordnen läss t.
bell um (gelb). 1: Wurm Entwicklu ngsgesc hichtlich kann man im Groß hirn alte von
(Vermi s), 3: Ped unculus neuen Bereichen untersc heiden. Der Paleokortex ist der ältes-
cerebellaris superior, te Abschnitt. Da raufh in entwickelte n sich das Strialum , der
4: Pedunculus cerebe l-
laris mediu s, 5: Pedun-
Archikortex und ansc hließend der Neokortex als der neue te
cu lus ce rebellari s und größte Teil des Gehirns.
inferior, 6: Dac h des
vierten Ventrik els, Pa leokortex
7: Flocc ulu s, 8: Nodu-
lu s, 9: Tonsillae ce re-
Die Strukturen des Paleo kortex bilden das Riechhirn und um -
belli. 127 ) fassen Bulbus ol factorius, Tractus olfacto rius und Tuberculum
Grundlagen
415
Zusammenfassung
• Den Kleinhirnabschnitten können verschiedene Funktionen zugeordnet
werden. Das Spinocerebellum reguliert den Muskeltonus und koordiniert
die Bewegungsabläufe der proximalen Extremitätenmuskulatur. Die Okulo-
motorik untersteht dem Einfluss des Vestibulocerebellums, die Feinabstim-
mung von Bewegungen wird vom Pontocerebellum moduliert.
• Der Paleokortex ist der phylogenetisch älteste Teil des Großhirns und
umfasst neben den Strukturen des Riechhirns auch Teile des Corpus amyg-
daloideum, das auf vegetative und sexuelle Funktionen, Emotionen und auf
das Gedächtnis Einfluss nimmt.
• Hippocampus und Gyrus cinguli werden dem Archikortex zugeordnet und sind
I Abb . 6: St ruk tu ren des Riec hhirn s. Ba sa le An sic ht außerdem die wichtigsten Strukturen des limbischen Systems, das für die
des Großhirns. 1: Fissura longitudinali s cere bri,
Entstehung und Manifestation von Emotionen, Affektverhalten, Trieben, Ge-
2: Gyri orbit ales, 4: Bu lbus olfac torius, 5: Tractus
olfactorius, 6: Su lcus olfactoriu s, 7: Substantia per- dächtnis und diversen intellektuellen Leistungen eine bedeutende Rolle spielt.
forata anterior. 1271
Anatomie und Physiologie des ZNS 111 ----------------------
Großhirn (Fortsetzung) I Abb . 9: Lokali sa t iOn
der Basalga nglien Und
des Corpus amygdalo_
Basalganglien (Stammganglien) ideum in den Großh i r n -
Die Basalganglien im engeren Sinn umfassen einen Kern- hemi sph äre n. I: Ne!.
komplex im Marklager des Großhirns mit folgenden Kernen cauda lus, 2: Ca pu t
nuclei ca udati, 3: C a u _
(I Abb. 9): da nuclei caud al i,
4: Putamen, 5: Pall i-
t Striatum (setzt sich aus dem Nc!. caudatus und dem dum, 6: Co rpus
Putamen zusammen) alllygda loideulll. 12 7]
pol ist die primäre Sehrinde lokalisiert • Gyrus cinguli: psychomotorischer Lobus insularis (Inselrinde)
(s. S. 5, I Abb. 8). Sie liegt in der Wand und lokomo torischer Antrieb, Regula- Die Inselrinde ist eine phylogenetisch
des Sulcus calcarinus und erstreckt sich tion vegetativer Funktionen alte Hirnstruktur und wird während der
mit ihrem Hauptanteil auf die mediale • Corpora mamillaria: Affektverhal- Entwicklung des Neokortex überdeckt.
Hemisphärenseite. Sie stellt den End- ten, Sexualfunktionen, Gedächtnis Drängt man die TemporaJ-, Parietal- und
punkt der Sehbahn dar, wo die visuellen • Corpus amygdaloideum: Modula- Frontallappen zur Seite, kann man auf
Eindrücke, dem oben beschriebenen tion vegetativer Funktionen des Hypo- diese Struktur blicken. Sie stellt das pri-
Prinzip folgend, interpretationsfrei be- thalamus, emotional betontes Gedächt- märe Rindenfeld des Geschmackssinns
wusst werden und dann in der sekun- nis, Initiation emotionaler Reaktionen, dar. Zudem hat die Inselrinde eine große
dären Sehrinde eine Bedeutung zuge- Beeinflussung sexueller Funktionen. Bedeutung für die Verarbeitung viszero-
wiesen bekommen. sensibler (Wahrnehmung von Hunger,
Übelkeit etc.) und viszeromotorischer
Temporallappen (2. ß. Magensaftsekretion) Reize.
Der laterale Hirnlappen ist durch den
Sulcus lateralis und di e Gyri supramargi-
naJis und angularis von den anderen ab-
zugrenzen. Der Sulcus lateralis enthält
die Heschl-Ouerwindungen, welche die
primäre Hörrinde darstellen. Das
Erkennen und Interpretieren der Hör-
reize erfolgt in der sekundären Hör-
rinde (Wernicke-Sprachzentrum, senso-
risches Sprachzentrum), die sich latera l
des Primärareals im Gyrus temporalis
superior befind et.
Weitere Strukturen I Abb. 10: Gli ederun g des Fronta llappens . I Abb. 11: Gliederung des Parieta llappens .
I : Gyrus prece ntrali s, 2: prämotorischer und sup- 1: Gyrus postcentralis, 2: sekundäre somato-
Im Folgenden werden Strukturen dar-
plementärmotorischer Kortex , 3: frontales Augen- sensible Rinde, 3: Gyrus angu laris. INach 27J
gestellt, die zwar bereits angesprochen feld, 4: Broca-Sprachzentrum, 5: präfronta ler
worden sind, bei denen es jedoch noch Kortex. INa ch 27 J
einiger Ergänzungen bedarf.
Limbisches System
Dieses System setzt sich aus verschie-
denen Strukturen zusamm en, die dem
Zusammenfassung
Paleo- und dem Archikortex zugeordn et x Den Basalganglien werden Kerngebiete im Marklager des Großhirns
werden und aus funktioneller Sicht in (Nc !. caudatus, Putamen, Globus pall idus) und im erweiterten Sinn auch
enger Verbindung zueinander stehen. Es der Nc!. subthalamic us und die Su bsta ntia nigra zugeordn et.
ist maßgeblich an der Entstellung vo n
Emotionen, Affektverh alten, Gedäc htnis X Die Basalganglien sind ein wich tiges Regulationszentrum der Motorik
und Antrieb beteiligt. Die Zentren des mit der Hauptaufgabe, Kraft, Richtung, Au smaß und Geschwindigkeit von
limbisc hen Systems wurd en bereits in Bewegungen zu steuern .
den vorausgegangenen Abschnitten die-
X Der Neokortex Uüngster Teil des Großhirns) nimmt fast die gesamte Groß-
ses Kapitels dargestellt und werd en im
Folge nd en sti chpunk ta rli g noch einma l hirnoberfläche ein und lässt sich in vier Großhirn lappen mit untersc hied-
zusa mm engefasst. ie st h n un t r in- lichen Funktionszentren unterteilen:
ander in sehr en r ß zi hun g:
- Frontall appen: prä motorischer und motorischer Kortex, fro nta les Augen-
Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal, Tractus spinothalamicus diesen als Lemniscus medialis zum Tha-
wird von Liquor umflossen und er- Die beiden Tr. spinothalamici latera- lamus. Nach einer Umschaltung auf das
streckt sich beim Erwachsenen von der les und Tr. spinothalamici anteriores dri tte Neuron ve rlaufen sie durch di e
Austrittsstelle des ersten Spinalnervs im werden mit dem Tr. spinoreticu laris Capsul a in terna und proji zieren w ie bei
Foramen magnum bis etwa zum ersten zum Vorderseitenstrang (anterolaterale der protopathischen Sensibili tät auc h
Lendenwirbelkörper (beim Säugling bis Bahn) zusammengefasst und leiten die zum Gyrus postcentralis.
L 3). Dem Rückenmark liegt die Pia ma- protopathisch e Sensibilität (grobe
ter an, gefolgt von der Arachnoidea und Druck- und Tastempfind ung, Tempera- Kl ei nh irns eitenstra ngbahn en
schließlich der Dura mater. tur und Schmerz) . Die Kleinh irn seite nstran gbahnen be-
Die Afferenzen aus den Hautrezeptoren stehen aus dem Tr. spinocerebellaris
Anatomischer Rückenmarks- treten in das Rückenmark ein und kön- posterior und dem Tr. spinocerebelIa_
querschnitt nen ca. zw ei Segmente nach kranial ris anterior, die Kerngebie ten im Be-
steigen, wo sie auf das zweite Neuron reich des Hinterhorns entspri ngen und
Makroskopisch kann man eine schmet- im Hinterhorn umgeschaltet werden prop ri ozepti ve Reize über die Rumpf-
terlingsförmige graue Substanz (Peri- (I Abb . 2) und anschließend zur Gegen- und untere Extremitätensteilu ng zum
karya) und eine umgebende weiße seite kreuzen_Gemeinsam ziehen dann Kleinh irn leiten. Die entsprechenden
Substanz (Axone) unterscheiden diese sensiblen Qualitäten als Tractus Informationen aus der oberen Extremität
(I Abb. 1). Aus den Vorderhörnern spinothalamicus zum Thalamus, wo sie ziehen im Hinterstrang zum Kleinhirn
treten die motorischen Neurone, die auf das dritte Neuron umgeschaltet wer- Die Axone der spinozerebellären Bahn-e n
sich als Vorderw urzel mit der Hinter- den. Anschließend w erd en sie über die wec hseln nur z. T. nach ko ntra lateral im
wurzel zum Spinalnerv vereinen. Die Capsula interna zum Gyrus postcentralis Rückenmark, wobei sie vo r Eintritt ins
Hinterwurzel führt sensible afferente (primär sensible Großhirnrinde) des Kleinhirn wieder au f die Seite ihrer ur-
Neurone zum Hinterhorn. Im Thora- Parietallappens weitergeleitet. Di e pro· sprü nglichen Seite zurückkre uzen. Das
kalmark kann man auch ein Seiten- topathische Wahrnehmung des Kopf- Kleinhirn erhält somit die Affe renzen au
horn vorfinden, das Kernansammlun- bereichs w ird durch den N. trigeminus der ipsilateralen Kö rperhälfte. S
gen des sympathischen und parasym- (V) vermittelt, dessen Fasern sich dem
pathischen Nervensystems enthält. Tractus spinothal amicus in der M ed ulla Motorische absteigende Bahnen
Hierbei sind im thorakolumbalen Be- oblon gata anschließen.
reich die Neurone des Sympathikus vor- Den größten Stellenwert fü r die M otorik
zufinden und im zervikosakralen Be- Hinterstrangba hnen nimmt die Pyramidenbahn (Tractus cOr-
reich die Bahnen des Parasympathikus Die epikritlsche Sensibilität umfasst die ticospinalis) ein. Daneben haben einig e
(im Hirnstamm find en sich parasympa- feine Tastempfindung, Vibration und extrapyram idale Bahnen ebenfalls Ein-
thische Kerne) . In der w eißen Substan z Lageempfindung (Propriozeplion), die flu ss auf den Bewegu ngsa blauf und er -
verlaufen die auf- und absteigenden durch Reize aus Hautrezep toren und möglichen in ma nchen Fä llen Patienten
Bahnen (I Abb. I ). den Spindelorganen des Bewegungs· nach einer chäd igung der Pyrami den _
apparats vermittelt werden. Nach Ein- ba hn, z. B. im Rahmen eines chlag-
Sensible aufsteigende Bahnen tritt der Nervenfasern in das Rücken- anfa lls im Mediaversorgun sge bi et, eine
mark führen diese am Hinterhorn vorbei gewisse Restb weglichkeit.
Die sensible Wahrnehmung w ird je nach zum Hin terstrang, w o sie ungekreuzt
Qualität in verschiedene Rückenmarks- nach kra nial ziehen (I Abb . 3). Tract us co rticosp in ali s
bahnen geleitet. Dabei gibt es Unter- Der Hinterstrang setz t sich aus zwei (Py ra midenba hn)
schiede hinsichtlich ihrer Verscha ltung. Bahnen zusamm en: Der Fasciculus Die Pyramid enbahn Illsprin gr twa ZUr
graciJis führt sensible Afferenzen aus Hälfte d m prim är n Motorkortex (Pri-
der unteren Extremität und dem di sta- mär motorisch Hinde d s yr'USpr c n-
Hinterhorn
len Rumpf. Diesem schli eßt sich der tralis) des roßhirns und v rläuft du r h
Fasciculus cuneatus im oberen Thora- die apsu la inl rn a und das ru c r br'
kalmark an, der Impulse aus der ob r n zumH irnstamm,w ca.7 - 90 o/c d - l' t
Seitenslfl1ll9
lr" c tu ~
Extremi tät und dem kran ialen Rumpf· Fas rn in d r Pyramid zur ns i t
bereich leitet. Beide Bahnen w rden in kr uz n (I Abb. 4). i s zi h n dan n
der M edulla oblongata (Ne!. gracili s, als Tr_ corticosplnalls late rali s tna to-
NcI. cuneatus) auf das zw ite N uron t pisc h g rdn r im ie nstran na h
~pjnoo U vari ~
Gyrus pre-
centralis
,
Motorische Fasern
der Hirnnervenkerne
(z.8. VII . XII)
. . - Rückenmark
I Abb. 2: Leitung der protopathischen Sen sibilität I Abb. 3: Leitung der ep ikritischen Sensibili tät im I Abb. 4: Verlauf der Pyramidenbah n (Tr. cortico-
im Tractus spinothalamicus. [271 Hinterstrang. 1271 spina les lateralis et ante rior). [271
der Pyramide nicht gekreuzt sind Tr. rubrospinalis, Tr. reticulospinalis Hüften kommende Bewegungen oder
(10-30%), laufen als Tr. corticospina- verlaufen teils gekreuzt, teils unge- Ausweich- und Stabilisierungsbewegun-
lis anterior nach unten und kreuzen kreuzt. Sie haben zudem keine einheit- gen des Rumpfes. Diese werden als
vor ihrem Austritt über das Vorderhorn liche Lokalisation, sondern sind viel- Massenbewegungen bezeichnet. Eine
segmental zur Gegenseite. Der Tr. corti- mehr in der weißen Substanz des Mye- weitere wichtige Aufgabe besteht in der
cospinalis anterior ist nur bis ins Zervikal- Ions verstreut aufzufinden. Ein Großteil Regulierung des Muskeltonus. Die
mark vorzufinden. Die Pyramidenbahn der extra pyramidalen Bahnen projiziert Funktionen der extrapyramidalen Moto-
projiziert zu einem großen Teil zu den über das Vorderhorn zur Muskulatur rik und der Pyramidenbahn sind eng
distalen Extremitätenmuskeln und spielt der proximalen Extremitäten und des aufeinander abgestimmt und ermögli-
somit eine bedeutende Rolle für die Fein- Rumpfes. Somit kontrollieren sie haupt- chen zusammen gezielte Willkürbewe-
motorik. Sie kann außerdem einzelne sächlich aus den Schultern bzw. den gungen.
synaptisch verschaltete Prozesse auf
Rückenmarksebene unterdrücken und
übt somit eine Kontrollfunktion über Zusammenfassung
verschiedene Reflexe aus. Auf diese • Protopathische Reize treten in das Rückenmark ein, ziehen ein bis zwei
Weise werden z. B. primitive Fremd-
Segmente nach kranial, kreuzen zur Gegenseite und leiten die Afferenzen
reflexe inhibiert, die bei Säuglingen -
deren Pyramidenbahn noch nicht aus- im Vorderseitenstrang über den Thalamus zum Gyrus postcentralis.
gereift ist - noch vorhanden sind. • Afferenzen der epikritischen Sensibilität verlaufen ipsilateral in den Hinter-
strangbahnen und kreuzen erst in den Kernen der Medulla oblongata zur
Extrapy ramid ale Bahnen
Unter diesem Begriff werden alle moto- Gegenseite, bevor sie über den Thalamus zum Gyrus postcentralis
rischen Bahnen zusa mmengefasst, die projizieren .
nicht in de r Pyramidenbahn verlaufen. • Die Pyramidenbahn leitet für die Feinmotorik wichtige Efferenzen und ver-
Sie entsprin gen unterschied lichen Zent-
läuft wie folgt: Gyrus precentralis, Capsula interna, Crus cerebri, Kreuzung
ren des Hirnstamms (z. B. Ncll. vesti -
bulares, Nc!. ruber, Formatio reticu la- in der Pyramide (70 - 90%), Tr. corticospinalis lateralis, Tr. corticospinalis
ris). Die ins Rückenmark ziehend en anterior (Kreuzung segmental).
Bahnen wie z. ß. Tr. vestibulospinalis,
Blutversorgung und Ventrikelsystem --------------------------~~
querfortsätze nach kranial. Sie tritt zwi- zwischen dem vertebralen Kreisla uf und
- 3
sich die Aa. vertebrales (nach Abgang mit ihrem Pendant der Gegenseite ver- - 10
von Ästen zur Versorgung der Med ulla bunden. Somit ist der Kreislauf gesc hlos-
oblongata und der A. inferior posterior se n. Kommt es zu einer Versorgungs-
cerebelli) beider Seiten zur unpaaren insuffi zienz im Gebiet einer der großen
A. basilaris, die unter Abgabe za hl- Hirnarterien, kann durch den Circulus
I Abb. 2: Intradurale Sinu s.
reicher Äste zur Versorgun g von Hirn- arteriosus die Blutversorgung über die
stamm und Kleinhirn median über den Kollateralen in diesem Bereich gesichert
Pons zie ht. Am Oberrand der Brücke werden. Diese Kompensation i. t mög-
zweigt sie sich in die beiden Aa_cere- lich, wenn die Durchblutungsstö rung
bri posteriores auf. Das Versorgungs- (z. B. aufgrund von Stenosen) vor dem
gebiet der Aa. vertebrales umfasst so mit Circu lus arteriosus ce rebri liegt und sich
den Hirnstamm, das Kleinhirn, den nicht plötzlich entwickelt.
Grundlagen
10 I 11
Kopf, Rumpf und obere Extremität), Teil verläuft parallel zur V. spinalis anterior
des prämotorischen Kortex, primärer und zu den Vv. spinales posteriores.
und sekundärer somatosensibler Kortex
• A. cerebri posterior: basaler und Ventrikelsystem
lateraler Teil des Temporallappens und
gesamter Okzipitallappen. Primäre und Das Liquorsystem des ZNS wird in
sekundäre Sehrinde, Thalamus, Hippo· einen äußeren Liquorraum, der eine
campus, Großteil des Mittelhirns, Teile Pufferfunktion zwischen Gehirn und
des Hypothalamus. Schädelknochen erfüllt, sowie einen
inneren Liquorraum mit seinem Ven-
• Abb. 3: Arterielle Blutversorgung des Rücken-
Venöser Abfluss trikelsystem unterteilt. Dieses besteht
marks. 1: A. spinalis anterior, 2: A. spinalis poste-
Das venöse Blut des Gehirns wird von rior, 3: Ramus spinalis einer Interkostalarterie. aus vier Ventrikeln, die miteinander in
einem System aus oberflächlichen Ve- [271 Verbindung stehen (I Abb. 4). Die bei-
nen (Vv. cerebri superficiales), die im den Seitenventrikelliegen in den
Subarachnoidalraum verlaufen, und aus seitenstrangs und einen Teil des Hinter- Großhirnhemisphären und sind über
tiefen Venen (Vv. cerebri profundae) horns. Die beiden Aa. spinales poste- jeweils ein Foramen interventriculare
gesammelt. rolaterales entstammen ebenfalls den mit dem unpaaren dritten Ventrikel
Aa. vertebrales (genauer: Aa. inferiores im Diencephalon verbunden. Von hier
• Die Vv. cerebri superficiales neh- posteriores cerebelli) und verlaufen auf aus führt der Aquaeductus rnesence-
men das Blut aus der Großhirnrinde der dorsolateralen Seite des Rücken- phali zu dem im Rhombencephalon
und dem unmittelbar darunterliegenden marks nach kaudal. Sie versorgen die liegenden vierten Ventrikel, der sich
Mark sowie aus dem Hirnstamm auf verbleibenden hinteren Abschnitte des nach distal in den Canalis centralis
und führen es direkt in die intraduralen Rückenmarks. Um die segmentale Blut- des Rückenmarks fortsetzt und auch
Sinus ab (I Abb. 2). Hierfür müssen sie versorgung zu gewährleisten, erhalten über die Foramina Luschkae und
durch den Spalt zwischen Arachnoidea sie Zuflüsse u. a. aus den Interkostal- Magendii mit dem äußeren Liquorraum
und Dura mater ziehen (Brückenve- und Lumbalarterien. Das Venensystem in Verbindung steht (s. S. 38).
nen ). Diese Lage macht sie vulnerabel
für Scherkräfte, bei denen sie leicht ein- Seitenventrikel
reißen können (Subduralblutung).
• Dagegen leiten die Vv. cerebri pro-
fundae das Blut aus den tiefen Abschnit-
ten des Groß-, ZWischen-, Mittel- und
Kleinhirns in die V. magna cerebri (V. Ga- I Abb. 4: Projektion der
Ventrikel auf die Groß-
leni), die anschließend in den Sinus rec-
hirnoberfläche. Ansicht
tus mündet. Die Sinus werden von den von lateral (a) und von
beiden Blättern der Dura mater gebildet a Ca n a li ~ centralis oben (b). [27]
und nehmen das gesamte venöse Blut
des Gehirns, der Meningen und der
Zusammenfassung
Augenhöhlen auf. Sie leiten es in die
V. jugularis interna, die es über die • Aus der A. carotis interna gehen die Aa. cerebri mediae und anteriores
V. cava superior dem Herzen zuführt. hervor, welche die vorderen zwei Drittel des Großhirns versorgen. Die
Aa. vertebrales vereinigen sich zur A. basilaris, aus der die Aa. cerebri
Blutversorgung des
posteriores hervorgehen, welche die Okzipitallappen sowie z. T. die Tem-
Rückenmarks
porallappen versorgen.
Die arterielle Blutversorgung des • Der Circulus arteriosus Willisi i ist ein Anastomosenkreis an der Schädel-
Rückenmarks erfolgt durch drei entlang
basis zwischen den großen Hirnarterien.
dem Rückenmark ziehend e Gefäße
(I Abb. 3), wobei der zervi kale Abschnitt • Die A. spinalis anterior versorgt das Vorderhorn, den Großteil des Vorder-
hauptsächlich durch die Aa. vertebra- seitenstrangs und Teile des Hinterhorns, die zwei Aa . spina les postero-
les versorgt wird . Aus den beiden Aa. laterales versorgen das übrige Rückenmark .
vertebrales vereini gen sich jeweils ein
Ast zur A. spinalis anterior (I Abb. 1), • Der innere Liquorraum besteht aus vier Ventrikeln, die miteinander in
die in der Fiss ura longitudinalis anterior Verbindung stehen und eine Zirkulation des Liquors in die äußeren Liquor-
nach distal zieht. Sie durchblutet das räume und das Rückenmark ermöglichen.
Vord erhorn, einen Großteil des Vorder-
Anamnese und körperliche Untersuchung --------------------~~
Die Untersuchung des Patienten beginnt mit dem Eintreten • Allergien: "Heuschnupfen"; allergisches Asthma; Penicil_
des Patienten in den Untersuchungsraum, wobei aus dem Ge· lin; Pflaster; Nahrun gsmittel
samterscheinungsbild, dem Verhalten und den Bewegungen • Systemanamnese: bekannte Erkrankungen/ Funktions_
des Patienten bereits Informationen zur Persönlichkeit und störungen: Schilddrüse; Herz; Lunge; Magen·Darm·Trakt.
psychischen Lage sowie zu Bewegungs· oder Koordinations· Nieren; Leber; Vegetativum (Miktion, Stuhlgang, Schlaf; ,
störungen gewonnen werden können. Schwitzen; Appetit; Gewichtsschwan kunge n; Libido· und
Mit zunehmender klinischer Erfahrung entwickelt jeder Uno Potenzstörungen )
tersucher ein persönliches Schema zur Erfassung und Unter· • Sozialanamnese: Beruf; Familienstand; Versorgung (allein
suchung eines Patienten. Besonders am Anfang erschwert die Hilfe durch Familie oder Personal etc.); Wohnum gebu ng (2. B.
fehlende Erfahrung die klinische Arbeit, sodass vieles ver· Treppen).
gessen, übersehen oder falsch interpretiert wird. Deshalb ist
es besonders für Anfänger von großer Bedeutung, sich sowohl Durch eine Befragung von Bez ugspersonen (Fremdanarnne.
in der Anamnese als auch in der körperlichen Untersuchung se), z. B. Ehepartner, Familienangehörige, Pflegepersonal üd
ein strukturiertes Vorgehen anzueignen. Freunde, können häufig ZUSätzliche Informationen gewonneer
werden. B~i m~estische~ St?rungen, Anfallskrankheiten Undn
Auf der Basis von Anamnese und Untersuchung sollte man Bewusstsemsstorungen Ist dIe Fremdanamnese unerläSsliCh .
sich eine Arbeitsdiagnose und mögliche Differentialdiagnosen Bereits während des Patientengesprächs ist auf die SpraChe
überlegen, die in der Anamnese durch gezielte Fragen nach (s. S. 14), Bewegungen (Paresen, Hyperkinesien, Tics etc. )
bestimmten Charakteristika der Erkrankung sowie Begleit· und Fehlhaltungen zu achten.
erscheinungen geprüft werden. Im nächsten Schritt ist das
weitere (apparative) diagnostische Vorgehen zu planen, wobei Körperliche Untersuchung
man sich die jeweilige Aussagekrafr der gewünschten Tests
überlegen sollte. Bei der körperlichen Untersuchung werden di e in der Ana.
mnese geschilderten Symptome und die möglichen Differen_
Anamnese tialdiagnosen geprüft und ggf. objektiViert. Hierfür ist eine
gewisse Übung erford erlich, um zu m einen die Untersuchu
Als "Anamnese" bezeichnet man Angaben des Patienten zu richtig durchzuführen und zum anderen die geprüften Fun~g
seiner Vorgeschichte, seinen aktuellen Beschwerden, familiär tionen richtig zu interpretieren, um Normabwe ichungen
auftretenden Krankheiten, seiner sozialen Situation U. a. Die auch als solche zu erkenn en und nic ht als pathologisc he Er-
Erhebung der Anamnese nimmt den wichtigsten Stellenwert scheinun gen zu we rte n. Im Gegenzug kann es auch SChWie_
in der klinischen Untersuchung ein. Besonders in der Neuro· rig sei n, pathologisc he Befunde zu erkennen, vor allem wen
logie sind die Angaben des Patienten zu Art, Qualität und di e Symptome nur schwach ausgeprägt sind. Beso nders am n
Zeitverlauf der Beschwerden bedeutend für die differential· Anfang ist es e i~ e Herausforderun g, sich zuden: zu überlegen
diagnostischen Überlegungen und die einzuleitenden körper· welche AbschnItte des Nervensystems durch dIe einzelnen '
lichen und technischen Untersuchungen. Bei vielen neurolo· Untersuchungsmethoden geprüft werd en, welche Bedeutu
gischen Krankheitsbildern kann allein aus der Anamnese eine pathologische Ergebnisse haben, und diese im Gesamtbild ng
. Zu
präzise Verdachtsdiagnose gestellt werden. Um einen um· sehen. Je nach Symptom und geSC hIlderten Beschwerden
fassenden Eindruck zu erhalten, kann das Patientengespräch prüft der Untersucher mit fortschreite nd er Erfahrung nich t
folgendermaßen strukturiert sein: jede Funktion gleich intensiv, sondern richtet seine Aufmerk.
samkelt entsprechend aus. Generell soll te zusä tzlich eine
• Aktuelle Beschwerden: Symptome; Beschwerden, die neurologische Screenin guntersuchun g aller Funktionen
den Patienten zum Arzt führen; Lokalisation durchgeführt werden. Diese ist ebenfalls vom Untersucher
• Verlauf: Symptomdauer; Beginn der Symptome (akut, sub· individuell abhängig. Ein Beispiel ist in I Tabelle I dargestellt.
akut, schleichend); Art/ Qualität der Symptome; Intensität;
Auslöser; Bindung an bestimmte Situationen Neurologischer Status
• Eigenanamnese: Vorerkrankungen; frühere Operation en; Grundsätzlich soll te immer der vollstä ndi e neurologisc he
Systemerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus); Unfälle, Schä· Status erh oben werden. Wie bei der Führung des Pari nten.
dei·Hirn· Trauma gesprächs ist auch hier ein systemati sc hes Vorgehe n sinnVOll
• Familienanamnese: familiär gehäuft auftretende Erkran· da so di e Wahrschein lichkeit, ei n Un t rsuchu ng zu verges_'
kungen; familiäre Belastung bzgL Herzinfarkt und Schlag· se n, verringert wird. Au ßerdem wird d r Unte rsucher mi t d
anfall Zeit rou ti nierter, was sowohl Z it einspa rt als au ch b i der er
• Risikofaktoren: arterielle Hypertonie; Diabetes melli tus; Dokum entation un d der Erinnerun an di Befund Erl eich.
Nikotin; Adipositas; Hypercholesterinämie; Hyperlipidämie; terung bri ngt. Die körperliche Un tersuchu ng soll te auch de
toxische Substanzen (z. B. am Arbeitsplatz) in der Ana mn ese gestellten Verdac hlsdi agnos n bzw. den g~.
• Medikamentenanamnese: aktuelle Medika tion; Kontra· sc hi lderten ympto men ang passl w rd n. ibt d r Pati nt
zeptiva; Drogen beispielswe is Taub h itsg fühl in d n Füß n an, so wird Ih
" ,an
Diagnostik
12 I 13
--
Kleinhirn Skandierend, ataktisch, Störung der Wortb etonung, wechselndes Sprechte';--
p
das Wahrnehmen und Interpretieren 0,
verwaschene Konsonanten
von visuellen, akustischen und sensori-
Stammganglien (extra- Leise Stimme (Mikrophonie), monotone oder exp tosive hyperk inetische
schen Informationen, der zielgerichtete pyramidales System) Sprechweise (Makrophonie), Sprechhemmung
Ablauf von Handlungsabfolgen, auch die Supranukleär (pseudobulbär) Raue, gepresste Stimme, monoton, langsamer Redefluss, verwaschene
Beurteilung von Bewusstsein (s_ S. 52), Konsonanten
Gedächtnis (s. S. 68) und abstraktem
Denkvermögen.
Psychischer Befund
I
Hirnstammläsion (bulbär) Nasale Sprache, kloßige Sprache, verwaschene Sprache, monotone
In der Anamnese kann man sich einen Dysarthrie rhö mit Neologismen; Paragrammaus_
Eindruck von der Bewusstseinslage des Für den Vorgang des Sprechens ist eine mus; phonematische und semantiSChe
Patienten, der Konzentration, der Orien- Koordination der motorischen Innerva- Paraphasien
tierung zu Zeit, Ort und zur eigenen tion der SChlund-, Zungen- und Mund - • Motorische Aphasie (Broca-Apha_
Person, des Gedächtnisses, des Antriebs muskulatur, der Stimmbildung und der sie): Sprach verstä ndnis größtenteils
und der Affektivität verschaffen. Die Sprechatmung erforderlich. Es werden erhalten; langsame Spontansprache',
Gesamtheit dieser Informationen stellt die Motorik von Mund und Zunge, die Hemm ung der Sprachproduktion (ver-
einen orientierenden psychopathologi- Lautbildung (Vokale, Konsonanten) , die bal, Schreiben und Lesen); Verlust der
schen Befund dar. Um die ersten Anzei- Phonation (Stimmhöhe, Stabilität, Ausdrucksfähigkeit mit Verwendung
chen psychischer Veränderungen zu er- Qualität), der Redefluss und die Atmung von Telegrammstil (Agrammatismus)
fassen, kann eine Fremdanamnese z. B. (Atemfrequenzanstieg, arrhythmisches phonematische Paraphasien, kortikal~
durch Verwandte hilfreich sein, die Atmen) beurteilt. Meist kommt es bei Dysarthrophonie
Auskunft über den früheren Zustand des Vorliegen einer zentralen Läsion der • Globale Aphasie (Broca- und Wer-
Patienten erteilen können. Zudem ist Sprechmotorik zu einer Störung all nic ke-Areal betroffen): Sprachverständ_
der Mini-Mental-Status-Test (s_ S. 67) dieser Komponenten. In 1 Tabelle 2 sind nis stark eingeschränkt; kaum Sprach_
ein weitverbreitetes Screeningverfahren, Formen der Dysarthrie in Abhängigkeit produktion , Dysarthrophonie, FlOSkeln
das mit einer Sensitivität von 87% und vom Läsionsort aufgeführt. Stereotypien, Echolalie, Neologismen '
einer Spezifität von 82 %ein demen- semantische und phonematische Par;-
zielles Syndrom erfasst. Aphasie phasien, Alexie, Agraphie
Unter Aphasie versteht man eine Stö- • Amnestische Aphasie (Läsion der
Sprache rung der Sprache, die auf Hirnläsionen weißen Substanz zwischen Broca· und
zurückzuführen ist und durch eine Wernicke-Areal): Sprachverständnis
Die Sprachbildung erfolgt bei über 90% Veränderung der Sprachproduktion, leicht gestört, Spomansprache durCh
der Menschen in der linken Hemi· Wortfindungsstörungen oder ein redu- Wortfindu ngsstörungen gekennzeich _
sphäre, wobei die Sprachdominanz der ziertes Sprachverständnis gekennzeich- net; leichte Einschränkung von Lesen
Hemisphären von der Händigkeit der net ist. Die häufigste Ursache für die Schreiben; wenige phonematisc he und
Person abhängig ist (I Tab. 1) . Bei Stö- Sprachstörungen ist in der Regel ei ne semantisc he Paraphasien
rungen unterscheidet man die Sprech- Durchblutungsstörung im Versorgungs- • Sonderformen:
funktionsstörungen (Dysarthrie, Dys- gebiet der linken A. cerebri media. Mit - Leitungsaphasie (Unterbrech ung
arthrophonie) von den Sprachstörungen der Aphasie geht normalerweise eine des FasCICulus arcuatus): Sprachver-
(Aphasie). Störung des Schreibens (Agraphie) und ständnis erh alten; nfähi gke it Zu \ h"le- vy
des Lesens (Alexie) einhel: derholen bei erhalten m Benenn n
f1üssi e pra he mit phon matisch~
Klassifikation un d Kl inik Paraphasie n n
Bevölkerungs- Sprachdo minanz (Hemisphäre) Man unterscheidet vier "klassisc he" - Tra nskortikale sensorische Aph _
anteil aphasische Syndrome und einige onder· sie ( L~sion zwis h ~ yra haI' al U~d
Li nke Rechte Seide form en: s nsol'l ch m Ass zlauonskort xl :
93% Rechts- 99% 1% f1ü sige pra he; Wi d -rh I n "hal -
händer • Sensorische Aphasie (Wernicke· len b i rlosch n m pracllv rStänd _
7%Link s- 70% 15% 15% Aphasie): Verlust des Verständni s s von nis und Unfähigk it ZU b n nn n-
händer geschriebener und gesprochen r pra- Ecllolali '
I
che; flüssige Sprachproduktion mit we- - Tra nskortikale motorische Aph _
a
sie (L.äs ion in ßro a- I~ gion): rh alt _
Tab. 1: Repräsent ation der Sprache bei Link s-
und Rec htshändern. nig Inhalt und häufi g ohn e Sinn; Logor-
Diagnostik
14 I 15
Pupillenstarre Argyll-Robertson (reflektorische Miosis, meist Fehlt Fehlt Konv rgcnzreakllon ,h811 n
Pupillenstarre): beid seitig
Hemmung des Edinger·Westph al-Kerns fällt bei Mit-
telhirnläsion aus, palhognonomisch für Lue s (Tabes
dorsalis); auch bei progressiver Para lyse; selten bei
MS, Wernicke-Enzephalopathie
Okulomotoriusparese (absolute Pupillenstarre): Mydriasis Fehl! Fehl l KOM orß0"' Iahli , Augo"molOllk 101u"l: bcr L~ . lo n v " Itt
auch bei Lä sion des Ganglion ciliare, z, B. durch
Druck, Alkohol
Ponsläsion M iosis (fi xiert ) Fehl! Fehlt Konvol~on7 fr.hl l , Ri o .nad"lk optgl oO" P"plilan
Läsion des Zwischenhirn s Miosis Langsam Lang nrn K nvorRonz V(ll hjl naen
I Tab , 1: Pupillenreaktionsstörunge n.
Diagnostik
16 I 17
Zusammenfassung
• Die häufigste Ursache für eine beidseitige Anosmie ist ein schweres
Schädel-H irn-Trauma.
• Über parasympathische Fasern des N. oculomotorius (aus dem Mittelhirn)
erfolgt die Pupillenkonstriktion und über sympathische Bahnen des
zervikalen Grenzstrangs die Pupillendilatation . Die Konvergenzreaktion
wi rd durch kortikal verschaltete Efferenzen gesteuert.
• Amaurosis fugax stellt ein Warnzeichen für einen bevorstehenden Schlag-
anfall dar.
Geruchssinn, Pupillenreaktion, Visus 11 ---------------------------
Visus - Diagnostik (Fortsetzung) Fundoskopische Veränderungen
Fundoskop ie Stauungspapi lle
Im Rahmen systemischer und neurolo- Ein Papillenödem ist in der Regel Folge
gischer Erkrankungen (Hypertonie, Dia- einer Hirnd rucksteigerung, wobei der
betes mellitus, Schlaganfall, Hirntumor, Umkehrsch luss nicht gilt. Die Papi lle
multiple Sklerose ete.) treten häufig kann sich selbst bei erhöhtem intrakra-
Visusstörungen auf. Sichtbare Verände- niellen Druck unauffällig darstellen . Das
rungen des Augenfundus, aber auch ein Ödem entwickelt sich langsam, da sich
unauffälliger Fundus können diagnos- Liquor über den Subarachnoidalraum
tisch wichtige Befunde für deren Ätiolo- druckbedingt perineuronal am N. opti-
gie liefern. Somit ist die Spiegelung des cus einlagert.
Augenhintergrunds Bestandteil der
neuroophthalmologischen Un term Ätiologie
chung und ermöglicht neben der Dar- In etwa drei Vierteln der Fälle ist die I Abb. 3: Norma ler Fundus. 1291
stellung retinaler Strukturen und Gefäße Ursache für ei n Papillenödem ein Hirn-
eine objektive Beurteilung der Papilla tumor. Daneben können Entzündungen
nervi optici (11). und Liquorzirkulationsstörungen unter-
schiedlicher Ätiologie (Hydrozephalus,
Durchführung Meningitis, hypoxisches Hirnödem,
Im abgedunkelten Raum sitzen sich Sinusvenenthrombose, Trauma etc.) zu
Patient und Untersucher auf gleicher einem Ödem führen. Auch im Rahmen
Augenhöhe gegenüber. Der Patient wird einer hypertensiven Ophthalmopa thie
gebeten, ebenfalls in Augenhöhe einen und Hyperkapnie wird dies beobachtet.
Punkt in der Ferne zu fixieren. Der Eine beidseitige Stauungspapille zä hlt
Untersucher stellt in ca. 30 cm Abstand neben Kopfschmerzen und fluktuieren -
vom Patientenauge und einem Winkel den Sehstörungen zu den chara kteris·
von 1SO lateral den roten LichtreDex der tischen Symptomen eines Pseudotumor
Retina ein und nähert sich anschließend cerebri ("benign in tracranial hyperte n-
dem Auge des Patienten (I Abb. 2). Die sion" ).
Papille sollte in der Blickachse des Un-
0
tersuchers (15 medial der Macula cen- Befund
tralis) erscheinen (I Abb. 3). Eine Alter- Der Visus von Pa tienten mit Stauungs-
native zur Einstellung der Papille ist, ein papille ist in der Regel normal. Erst
Gefäß zu seinem Stamm zu verfolgen. durch ein chronisches, über lan ge Zeit
Grundsätzlich fund oskopiert man das bestehendes Ödem komm t es zu ei ner
rechte Auge des Patienten mit dem Vergrößerung des blinden Flec ks und
rechten Auge und das linke Auge des einem periph eren Visusverlust.
Patienten mit dem linken Auge. Fundoskopisch stellt sich die Papille
unscharf begrenzt dar und wölbt sich
zusammen mit den durchtretend en
Gefäßen in den Augeninnenraum vor.
Die Erhabenheit nimmt im Verlauf zu
und es entste hen radiäre Blutunge n
(I Abb. 4).
Sehnerventzündung
Spielt sich die Entzündun g des N. opti-
cus im Bereich des Nervendurchtritts
durch den Bulbus (Papillitis) oder kurz
da hinter ab, sind die fund os kopisc hen
Veränd erunge n den jenige n der tauun s·
papi lle se hr ähnli ch .
Horizontalschnitt
durch da s Auge Befund
• Der Disc us nervi optici st Ilt sich uno
I Abb . 2: Au sführun g der Fu nd os kop ie. j31 charf be Tenzt, erl1 aben und du rch di
Diagnostik
18 I 19
Entzündung gerötet dar (Hyperämie). • Abb. 5: Atrophie des N. opticus. Die Papille
ist randunscharf, leicht erhaben und gräulich
Klinisch präsentiert sich die Papillitis abgeblasst. (9)
durch eine plötzliche Herabsetzung der
Sehschärfe.
t Die Retrobulbärneuritis (Neuritis
nervi optici , NNO) ist bei etwa einem
Drittel der Patienten mit multipler Skle-
rose Erstsymptom. Beschwerden sind
Verschwommen-Sehen, vorübergehende
Visusverschlechterung bzw. Visusver-
lust, Rotentsättigung und häufig retro-
orbitale Schmerzen oder Bulbusbewe-
gungsschmerz. Der Augenhintergrund gewertet werden kann. Die Pulsationen gen des Augenhimergrunds sehen, die
stellt sich unauffällig dar ("Der Arzt und erlöschen bei Anstieg des intrakraniellen als Normvarianten erkannt werden soll-
der Patient sehen nichts.") und kann im Drucks, können aber auch physiologi- ten. Sie sind in 1 Abbildung 6 schema-
späten Verlauf eine temporale Optikus- scherweise fehlen. In einigen Fällen tisch dargestellt.
atrophie mit Abblassung der Papille in kann man fundoskopisch Veränderun-
diesem Bereich aufweisen.
Optikusatrophie
CD geschlängelte Gefäße
Die Sehnerventzündung und die Stau- CD peripapilläre Pigmentierung
ungspapille können im Verlauf den Nerv CD myelinisierte Nervenfasern
schädigen und zu einer Optikusatrophie o retinale Bindegewebsstreifen
führen. CD Drusen
Ätiologie
Eine Atrophie des N. opticus tritt im
Rahmen einer Vielzahl von Erkran-
kungen auf. In diesem Zusammenhang
sind metabolische Störungen wie z. B_
Diabetes mellitus, toxische Schädigung
durch Medikamente bzw. Methylalko-
hol und vaskuläre Veränderungen wie
Arteriosklerose, Arteriitis oder eine hy-
pertone Kreislaufsituation zu nennen_
Eine sehr spezielle Ursache der Atrophie
ist das Foster- Kennedy-Syndrom, bei
dem Tumoren in der vorderen Schädel-
grube eine Optikusatrophie mit kontra- • Abb. 6: Normvarianten des Augenhintergrunds. (2)
lateraler Stauungspapille verursachen
können_
Zusammenfassung
Befund
M Die Spiegelung des Augenhintergrunds ist wichtiger Bestandteil der
Je nach Ausmaß der Atrophie sieht man
bei der Augenhintergrundspiegelung neuroophthalmologischen Untersuchung.
eine entsprechende Abblassung der X Eine Stauungspapille ist meist Folge einer Hirndrucksteigerung. Sie weist
Papille (I Abb. 5). Klinisch besteht ein eine unscharfe Begrenzung, Vorwölbung in den Bulbus und im Verlauf
Visusverlust, dessen Ausmaß nicht mit
dem Grad der sichtbaren Atrophie kor- radiäre Blutungen auf.
relieren muss. X Bei einer Retrobulbärneuritis ist der Fundus unauffällig, bei einer Papillitis
stellt er sich ähnlich wie beim Papillenödem dar.
Normvarianten
M Im Gegensatz zur Stauungspapille mit meist normalem Visus geht die
Bei über zwei Drittel der Bevölkerung
finden sich als Norma lbefund Pulsatio- Papillitis mit einer plötzlichen Sehminderung einher.
nen der Venen auf der Papille, was als X Eine Atrophie des Sehnervs zeigt sich in einer Abblassung der Papille.
Zeichen eines normal en Hirndrucks
Okulomotorik 1 (Hirnnerven 111, IV und VI) ---------------------------
Augenbewegungen t Präokulomotorische Zentren: Sie Untersuchun g
sind den Augenmuskelkernen vorge- Zur Prüfung der Augenbewegung Wi rd
Der große Bewegungsumfang bei der schaltet. Die paramediane pontin e Fo r- der Patient aufgefordert, den Finger d es
Bulbi wird durch jeweils sechs äußere mati o reticularis (PP RF) generiert vor Untersuchers, der in ca. einem M ete r
Augenmuskeln gewährleistet, durch die allem die willkürlichen horizontalen Abstand hochgehalten wird, zu fixier en.
sehr rasche und feine Bewegungen der Blickbewegungen, die rostrale mesenze- Der Fin ger wird langsam in all en vier
Augen erm öglicht werden. Die Augen· ph ale Formatio reticularis (MRF) die Quadranten des GeSichtsfelds (horiZon _
muskeln werden durch drei Hirnnerven vertikalen Blickbewegungen, wobei hier tal, vertikal , diagonal) bewegt, wobei
innerviert: der Kern des Fasciculus longitudinalis der Patient mit den Augen folgen Soll
med ialis (MLF) eine wicht.ige Rolle ohne den Kopf zu bewegen. Hierbei '
• N. oculomotorius (III): M m. rec ti spielt. Für die Stabi lisierun g des Netz- achtet man auf den vollen Bewegun gs_
superior, inferior, medialis und M . obli- hautbilds sind die Ncll. vestibu lares vo n umfang der Bulbi, fragt nach Doppel-
quus inferior, M . levator palpebrae supe- Bedeutung, welche die Augenbewegun - bildern und beurteil t den Bewegungs_
rioris, M. ciliaris, M . sphincter pupillae gen en tsprechend der Kopf- und Körper- ablauf (glatt, sakkad iert). Die Sakkad en
• N. trochlearis (IV): M . obliquus position im Raum koordi nieren (vesti- werden geprüft, indem der UntersU Cher
superior bulookulärer Refl ex, VOR). Das Puppen- beide Zeigefinger mi t ca. einem Meter
• N. abducens (VI): M . rectus latera- kopfphänomen w ird durch den VOR Abstand voneinander hOChhält und d en
lis. generiert. Pati enten bittet, abwechselnd von
t Optische Reflexzentren: Hierbei einem Finger zum anderen zu schauen
Die jeweilige physiologische Zugrich- sind kortikale Sehfelder den präokulo- Zur Untersuchung der K onve rgenzre ak~
tung der Augenmuskeln ist in 1 Abbil- motorischen Zentren (PPR F, MRF) vor- tion siehe Seite 17.
dung I dargestellt. Die konjugierten geschaltet, die wiederu m zu optisc hen
Bewegungen der verschiedenen Augen- Refi exzentren des Hirn stamms (Coll icu li Ätiologi e und Klini k
muskeln beider Seiten erford ern eine superiores und Area pretec talis, s. S. 2) [nfranu kleäre Störunge n
komplexe Verschaltung mehrerer Zen- projizieren. Bahn en, die von der pri- Ein e Läsion der Augenmuskelnerven
tren des Gehirns, die sich grob in drei mären und sekundären Sehrinde des oder von deren Kernen führt zur ACh -
Kategorien einteilen lassen: Okzipitallappens zu diesen Refl ex- senabweichung (paralytischer Strabis _
zentren ziehen, sind fü r den optokine- mu s) eines Auges mit Doppelbildern
• Internukleäre Verbindungen zwi- tischen Reflex (OKR) verantwortlich. (I Abb. 2), die bei Blick in die PhYsiOlo_
schen den Augenmuskelkernen: Die Durchführung willkürlicher Augen- gische Zugrichtung der geschädigten
Jeder Augenmuskelkern ist mi t jedem bewegungen (hori zo ntale Au genbewe- Muskeln am stärksten ausgeprägt sind.
anderen über afferen te und efferente gungen und Sakkad en) wird durch das Bis auf die Mm. rec ti lateralis et media_
Fasern verbunden. Dies ermöglicht Fron talhi rn gesteuert. lis haben alle Augenmuskeln auch ei n e
exakte, gleichgerichtete Bulbusbewe- rota tori sche Komponente, die kom plex
gungen mit übereinstimm enden Seh- auf die Bulbusbewegllngen wirkt.
achsen.
• Bei einer Trochlearisparese (I Abb . 2)
M. Obltquus Inlenor M. reclus superior
sind die schräg stehenden Doppelbi lde
(1 11)
(111 ) bei Kopfn igu ng zu r kranke n eite an) r
stärksten ausg prägt; hi rbei steht da
paretisc h Aug höh I' (Bi elschowsky_
Phänomen) . Klinisch auffällig b im Pa-
tien ten ist in komp n at ri eh e N i-
gllng und I' hung d s K pf s Zur
sund n S It ( kulär I' T rLi oll is) .
t Lähmungen des N. oculomotori ll
M. rectus laleratis ......_
(V I) """I
•••
I ••• -I~ M, roClus Illodlnlls
(111 )
könn n als k mpl tt kul m t ri LI _ S
par und als phlha[mopl ia int rn
bzw. xt rna unt r chi d n w rd n. a
temporal nasal - Ophthalmoplegia interna: h'
i-
un d s pa rasymp Ih[s 11 n Asts,
r
di lall n I\ug llmusk In v rs I'
(M. sphln I t' pupIl I, , M. 1I 1a r[s) .
m 1st dur h Kampr sslon; Klinik :
M . obliQu us SUI)orlor M. rocluS Inl rlor
(IV) (111 ) Mydr3sls, [I iltsLarr Pupil[ 11, vtl.
I Abb . I : Zugricl1tung der Au ge nmuskeln au f d n Bulbu s b im Grad au blick n. [27 1 Akk mmod t [ ns L1~ 11
Di agnostik
20 1 21
a Rechtsseitige
Abduzensparese N. VI kellähmung. Der Blick nach lateral zur der PPRF mit einer Blickparese zum
Geradeausblick (= Primärposition) Seite der Schädigung erzeugt die ausge- Schädigungsherd hin und erhaltenem
prägtesten Doppelbilder. VOR.
kompensa!. Kopfhaltung: t Vertikale Blickparese: Eine Schädi-
-
größte Schielabweichung:
'~Rrn"";
Sup ra nu kleäre Störungen gung im Mittelhirn (MRF) ist die Ursa-
Die Störung der synchronen Augenbe- che dieser Lähmung, wobei am häufigs-
wegungen beruht auf einer Schädigung ten kombinierte Blickparesen nach oben
von weiter zentraler zu den Augenmus- und unten zu beobachten sind. Das
kelkernen gelegenen Strukturen (prä- selten auftretende Parinaud-Syndrom
Kopfdrehung zur Seite des okulomotorische Zentren, optische Re- (dorsales Mittelhirnsyndrom) ist gekenn-
paretischen Muskels
f1exzentren ). Dabei treten keine Doppel- zeichnet durch eine Blickparese nach
b Rech tssei tige bilder auf, da die parallele Stellung oben, vertikalen Blickrichtungsnystag-
Trochlearisparese N. IV
Geradeausblick (= Prirnärposition)
beider Bulbi erhalten bleibt. Stattdessen mus, verzögerte Pupillenreaktion und
kommt es zu einer Beeinträchtigung der evtl. Konvergenz-Retraktions-Nystag-
größte Schielabweichung: kompensa!. Kopfh altung : synchronen Bewegung in horizontaler mus (Augen in KonvergenzsteIlung wer-
~ R'
1= kleinste Schielabweichungl
bzw. vertikaler Richtung. Diese Ein- den rasch in die Orbita gezogen und
schränkung betrifft die Willkür- und nehmen langsam wieder die Ausgangs-
t:9
.... ~ Folgebewegungen. Die gehemmte Blick- stellung ein) .
/ ,-..
lfP
richtung der Augen kann allerdings t Internukleäre Ophthalmoplegie
~ ~
durch passive Bewegung (Puppenkopf- (lNO): Eine Läsion im MLF, der durch
Kopfneigung zur Seite Kopfneigung zur gesunden Seite
des parecischen Muskels
phänomen) kompensiert werden. Verschaltung des dritten und sechsten
(Bielschowsky-Phänomen) Hirnnervs (Mm. recti medialis und
t Horizontale Blickparese: lateralis) die horizontalen Augenbewe-
C Rechtsseitige
Okulomotoriusparese N. 111
- Ursächlich kommt zum einen eine Lä- gungen steuert, zeigt auf der Seite
Geradeausblick 1= Primärposition) sion in kortikalen Zentren in Betracht. der Schädigung klinisch eine Adduk-
So bewirken die Augenfelder der tionsschwäche des Auges. Das abdu-
Frontallappen jeweils eine Augen- zierende Auge weist einen nach lateral
bewegung zur kontralateralen Seite gerichteten Nystagmus auf. Die Konver-
größte Schielabweichung: kompensa!. Kopfhaltung : (rechter Gyrus frontalis medius gene- genzreaktion bleibt erhalten. Vaskuläre
(= kleinste SchielablVeichung)
riert Blick nach links und der linke Erkrankungen und multiple Sklerose
Bei Ptose keine, Gyrus Blickwendung nach rechts). sind die häufigsten Ursachen.
da keine Doppelbilder
Bei totaler II I-Parese Einer Schädigung in diesem Bereich t Zerebellär bedingte Störungen der
Pupille weit und starr folgt eine Deviation conjuguee (unwill- Okulomotorik: Die Augenfolgebewe-
I Abb_ 2: Ausfal l einze lner Augenmuske lnerven . kürliche tonische Bulbuswendung zur gung ist sakkadiert (hypo- oder hyper-
[28] metrisch) . Der VOR ist überschießend .
Läsion hin), die im Laufe der Zeit
rückläufig sein kann. Eine Störung im und durch Fixierung nicht zu unterdrü-
- Ophthalmoplegia externa: Schädi- Okzipitallappen geht oft mit einer cken. Des Weiteren können verschie-
gung meist im Kerngebiet; Klinik: Hemianopsie und sakkadierter Blick- dene Nystagmusformen auftreten (verti-
Diplopie und Augenbewegungs- fo lge einher. kal, Blickrichtungs- und Lagenystagmus,
störungen durch Ausfall der Mm. - Weitere Ursachen sind eine Läsion Spontannystagmus (s. S. 22) .
recti superior / inferior/ medialis und
M. obliquus inferior, Ptose (M. levator
palpebrae superioris)
- Komplette Okulomotoriusparese: Zusammenfassung
Kombination beider Läsionen • Horizontale Augenbewegungen werden im Pons (PPRF) und vertika le im
(I Abb. 2) meist aufgrund einer peri- Mesenzephalon (MRF) generiert.
pheren Nervensc hädigung (z. B.
• Die infranukleäre Läsion betrifft die Augenmuskelnerven oder ihre Kerne
Raumforderung). Die Doppelbilder
verschwinden in keiner Augen posi- und zeigt klinisch Doppelbi lder, die bei Bl ick in die physiologische Zugrich-
tion vollständig, werden aber bei Blick tung des betroffenen Muskels am stärksten ausgeprägt sind .
des paretischen Auges nach lateral • Bei einer Schädigung der supranukleären Zentren (präoku lomotorische und
unten besse J:
t AuFgrund des langen Verlaufs des optische Felder) kommt es zu einer Hemmung der synchronen Bewegung
N. abducens entlang der Schädelbasis bei der Bu lbi in horizontaler oder vertika ler Richtung. Doppelbi lder ent-
und dem Sinus cavernosus ist die Abdu- stehen nicht.
zensparese die häufigste Au genmus-
Okulomotorik 11 -----------------------------------------------------------------
Nystagmus Physiologischer Nystagmus
Blickparetischer Nystagm us Igrobsc hlägig. Augenmu skellähmung bei Hirnnervenausfa ll Nystagmus in Funk ti onsrichtung des gelähmten Muskels; Doppelbilder und
unregelmäßig) Strabismus paralyticus
Blickrichtungsnystagmus Igrobsch lägig, in Kleinhirn oder Hirnstamm (z. B. Isc hämie, Bei der Untersuchung der Augenfolgebewegungen kann der Blick nicht - - - - -
-------
Blick ri chtung; bei Intoxikation richtungs- Tumor, Blutung. MS); Wernicke-Enzephalo- geha lten werden, so ndern weich t zur Mitt ellinie zurück und wird durch eine
wechselnd) pathie; Intoxikation (z. B. Phenytoin, Alkohol) Sakkade ausgeglichen; häutig Auftreten zusammen mit HirnnelVenauSfä ll e "
Paresen, Kleinhirn symptom en; DD : physiologischer Endstellnystagmus •
Horizontalnystagmus bei peripherer Neuritis vestibulari s, zur gesunden Seite Kein e Höreinsc hränku ng, Drehschwindel
vestibulärer Läsion ILabyrinth, N. vestibu laris)
Labyrinth sc hädigung (z. B. trauma t isc h), zur Drehschwindel. Übelk eit , Erbrec hen, Hörminderung, Tln nitus
gesunden Sei te
--
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Bei schneller Kopfbewegung, Einsetzen mit zeitlicl1 r VeClögerung. kllng~
zur betroffenen Seite Einhalten der Position spont an ab
M. Meniere, zur gesunden Seite Hypak usis, Drehsc hwindelanfälle. Übelkeit, Erbrechen
Spontannystagmus; meist zur gesunden Seite Periphere aku te ves tibul äre Läsion (Labyrinth.
N. ves tibul aris)
Vertika ler Nystagmus Imeist Downbea t- Übergang von Medulla oblonga ta und
Nystagmus) Halsmark; Vit.-B,,-Mangel; Kleinhirn
Zen traler Lagenystagmus (ri ch tungswec hselnd) Tumoren und Lä sionen der hint ren Schädel-
grube; Intoxik ationen "Inhaltung: nicht durch FIXAtion hQmmbnr
Ptosis
Eine Ptosis liegt vor, wenn das Oberlid den oberen Rand der
Pupille bedeckt. Mögliche Ursachen für die Ptosis werden in
I Abb. 3: Ausführung des Nystagmus-Suppressionstests. [ 19]
1 Tabelle 2 aufgeführt.
N. vestibulocochlearis (VIII) als über Knochen geleitet werden. So· rung kann auc h auf eine Kleinhirnläs ion
mit entspricht eine unauffällige Schall· zurückz uführen sein.
Der N. vestibulocochlearis ist ein rein leitung einem positiven Rinne·Versuc h.
sensorischer Nerv, dessen N. coehlearis Hört der Patient den Ton vor dem äuße· t Romberg-Stehversuch: Der Patient
akustische Reize aus dem Corti·Organ ren Gehörgang verkürzt oder gar nic ht ste ht für ca. 20 Sec. mit nac h vo rn a US-
der Schnecke und dessen N. vestibularis (Rinne·negativ), liegt eine Schallleitungs· gesueckten Armen, geschlossenen Be i-
statische Informationen und Bewe· störung vor (z. B. durch Fremdkörper, nen und nach oben gewendeten Hand _
gungsreize aus den Bogengängen und Otitis media, Cholesteatom). innenflächen.
Makulaorganen führt. Beide Nerven t Weber-Versuch: Der Untersucher t Unterberger--Tretversuch: Die AUf-
vereinigen sich zu einem Stamm, der setzt eine schwingende Stimmgabel auf gabe lau tet, mit geschlossenen Augen
vom Innenohr durch den Porus acusti· den Scheitel des Patienten, der physiolo- 50 Schritte auf einer Stelle mit Anheben
cus internus zum Hirnstamm zieht. Hier gisch einen Ton über Knochenleitung der Knie zu treten. Pathologisc h ist eine
werden die Afferenzen in getrennten auf beiden Ohren gleich la ut hört. Liegt gerichtete Drehu ng um mehr als 45 ° _
Kernen (Ncll. coehleares und Nell. ves· eine Schallleitungssc hwerhörigkeit vor, t Blindgang: Der Patient fi xiert den
tibulares) weiterverschaltet und über· lateralisiert der Ton in das kranke Ohr. Untersucher in einiger Entfern un g und
wiegend reflektorisch verarbeitet (Kör· Bei einer Schallempfindungsstörung soll dann mit gesc hlossenen Augen aUf
perhaltung, Bewegung, Augenbewe· (z. B. Akustikusneurinom, M. Meniere, ihn zugehen.
gung). traumatische Cochleaschädi gung, medi-
kamentös) hört der Patient den Ton im Klin ik
Diagnosti k gesunden Ohr lauter. Bei einem plötzlichen Ausfall eines
Untersucht werden Gehör sowie Vesti· Labyrinths (z . B. Neuritis vestibularis
bularapparat. Vestibularapparat Felsenbeinquerfraktur) treten Übel kei{
Das Leitsymptom ei ner Läsion des Ves- Schwindel mit Fallneigung zu r erkrank_
Gehör tibularorgans ist ein gerichteter systema· ten Seite und ein horizontaler Spontan _
Die neurologische Prüfung des Gehörs tischer Schwindel als Ausdruck ei ner nystagmus zur gesund en Seite auf. Im
erfolgt orientierend und zielt besonders Gleichgewichtsstörung, der von den Laufe d ~ r Zeit bilden sich die S~ Ptorne
auf die Erfassung einer Seitendifferenz Patienten als Dreh-, Schwank- oder Lift· durch eIne zentrale Kompensation mit-
ab sowie auf die Unterscheidung zwi· schwindel empfund en wird. Nic htvesti· tels der Impulse aus der gesu nden Seite
sehen Mittelohrschwerhörigkeit (Schall· bulärer Schwindel ist nicht richtungsbe- zurück . Dieser Kompensationsmecha_
leitungsstörung) und Innenohrschwer· stimmt und kann vom Patienten häufig nismus greift bei chronisc her Vestibular_
hörigkeit (Schallempfindungsstörung) . schwer beschrieben werden. Bei einer organläsion, bevor sich Symptome zei-
Besteht der Verdacht auf Hypakusis, peripheren Läsion sind Schwindel und gen. Ein beidseitiger Ausfall führt Zu
sollte ein Hals·Nasen·Ohren·Arzt kon· Begleitsymptom e stärker ausgeprägt als Unsicherheit und Gleichgewichtsstörun_
sultiert werden. bei einer zentralen Störung (Nc!. vesti· gen, v. a. bei Dunkelheit (visuelle Kon-
bulares) . Mit dem Schwindel geht bei trolle fehlt) und weichem Untergrund
t Flüstern: Beim Zuhalten eines Ohrs einer Labyrinthsc hädigung ein patholo- (Positionsmeldungen nicht einde utig).
sollen geflü sterte Zahlen und Wörter gischer Nystagm us einher (außer bei der In Bewegung können die Augen nicht
nachgesprochen werden. Einseitige Hör· beidseitigen Vestibulopathie). Die Unter- fixieren, sodass sich z. B. beim Gehe n
minderung kann auf raumfordernde suchung und Klinik des vestibulären die Umgebung mit bewegt.
Prozesse im Kleinhirnbrückenwinkel Nystagmus wird auf Seite 22 dargestellt.
(o ft Beteiligung von V und VII), Trauma Das Gleichgewicht wird durch einige N. glossopharyngeus,
oder ein Neurinom zurückzuführen Geh- und Stehproben ge testet (Auswa hl N. vagus (IX, X)
sein. Ist die Schwerhörigkeit beidseits, an Tests s. u. ), wobei bei einem ei nsei·
kommen z. B. entzündliche Vorgä nge tigen Vestibu larisausfall eine Abwei- Der N. glossop harynge us und der N. va-
wie Menin gitis, eine toxische Schädi· chung bzw. Fall neigu ng zu r lädierten gus sind ge misc hte Nerven, die Pharv-n
gung oder eine Meningeosis carcinoma· Seite besteht. Die Gleichgewich tsstö- und Larynx innervie ren (I Tab. I). X
tosa ursächlich infrage.
Fasertyp N. glosaopharyngeua N. vagu.
t Rinne·Versuch: Eine vibrierende
Stimmgabel wird au f das Mastoid ge· Motorisch Schlund- und Gaull1cnseg Imuskul atur
setzt, wobei über die Knochenl eitung Sensibel Hinteres Drillei der Zunge. Naso- und oberer
Pharynx. Tuba audi tiva, Mechane- und CI,
ein Ton wa hrgenommen wird. Hört der
ll1orezeptorcll dcs Glomus caroticu",
Pa tient den Ton nicht mehr, hält man
die Stimmgabel vor das Ohr. Physiolo· ------------------------------------~----~----~--------
Sensori sc h Hint eres Drit tel der Zunge
gisch ist wieder ein Ton für etwa eine
Para sympat hisch Glandula parotis
halbe Minute wahrnehmbar, da Schall·
wellen beim Gesu nden über Luft besser I Tab. I : Inn ervatio n de N. gl os opharyn ge us und N. va uso
Diagnostik
26 I 27
Die klinische Untersuchung der Motorik sucher nutzt den vollen Bewegungs-
besteht aus einer Beurteilung der Mus- umfang des Gelenks aus und steigert
keltrophik und des Muskeltonus. Außer- langsam die Geschwindigkeit der Bewe-
dem umfasst sie die Kraftprüfung, den gung.
Reflexstatus sowie unwillkürliche Bewe- Im Folgenden sind verschiedene ab-
gungen wie extrapyramidal-motorische norme Veränderungen der Muskel-
Störungen (s. S. 92), Myoklonien und spannung dargestellt.
Tics.
Spastik
Inspektion Eine Läsion der Pyramidenbahn geht in
der Akutphase mit einem herabgesetz·
Die Untersuchung der Motorik sollte ten Muskeltonus (schlaffe Parese) ein-
mit einer Inspektion des entkleideten her, der nach ca. 3-4 Wochen in eine
Patienten beginnen. Die abnorme Hal- spastische Tonuserhöhung übergeht. Je
tung oder Minderbewegung einer Extre- rascher die Bewegung bei der Untersu-
mität bzw. einer Körperhälfte gibt Hin- chung durchgeführt wird, desto stärker
weis auf Paresen. Atrophien einzelner sind die Spastik oder der Widerstand ·_·F -···· ..( :::::. ··- ..
Muskeln oder Muskelgruppen fallen im ausgeprägt, bis sie plötzlich nach maxi· !.,.., ,.:,: :>.............
Seitenvergleich besser auf. Zu beachten maler Dehnung des Muskels nachlassen ...... x. '. ':":::~".::/ Untersuchung des
sind besonders die kleinen Hand- ("Klappmesserphänomen"). In den Ellbogengelenks
muskeln, deren Atrophie bei peripheren Armen sind die Beuger und in den Bei-
Nervenläsionen bereits früh zu erken- nen die Strecker stärker von der Spastik
nen ist (s. Kap. "Mononeuropathien", betroffen als ihre jeweiligen Gegen-
S. I 18ff.). Neben den neurogenen Atro- spieler. Am besten ist eine Spastik in den
phien führen auch Myopathien zur oberen Extremitäten durch Extension
Massenabnahme der Muskeln. Das Ver- im Ellbogengelenk oder durch eine ab·
teilungsmuster der Atrophie ist meist wechselnde Pronation und Supination
symmetrisch und kann auf die verschie- des Unterarms fassbar.
denen Formen von Muskeldystrophie Ursache ist eine Schädigung des ersten
hinweisen (z. B. Gliedergürteldystro- Motoneurons (Pyramidenbahn) im Rü-
phie). Eine Hypertrophie der Muskula- ckenmark oder im Gehirn.
Untersu chung
tur ist wesentlich seltener zu beobach- des Knies
ten. Bei den Muskeldystrophien Typ Rigor
Duchenne und Typ Becker ist die Der Muskeltonus beim Rigor ist durch
Wadenmuskulatur hypertroph (s. Kap. eine gleichmäßige, wächserne, ge· I Abb. 1: Untersuchung de s Mu ske ltonu s. [3]
"Myopathien I", S. 124). Gezielt zu schwindigkeitsunabhängige Steigerung
achten ist auf Faszikulationen, die auf in Agonisten und Antagonisten bei pas-
periphere Nervenläsionen und degene- siver Bewegung gekennzeichnet. KIi· Gegenha lten
rative Veränderung der Vorderhornzel- nisch kann häufig das "Zahnradphäno- Diese Form der MuskeltonussteigerUl1
len und des zweiten Motoneurons (z. B. men" festgestellt werden (s. Kap. "Ex- mutet bei der Unt rsuchu ng wie ein g
ALS) zurückzuführen sind. Tremor, trapyramidale Bewegungsstörungen" , aktiver Widerstand des Patienten gege
Hyperkinesie und Bewegungsunru he S. 92, 1 Abb. I). An allen Extremitäten die Bewegungen des Untersuchers an n
sprechen für eine Störung des extrapyra- sind die Flexoren stärker betroffen als Ursache ist eine diffuse törun g de .
midal-motorischen Systems. die Extensoren, wobei die Muskelspa n- Frontalhirns.
nung bereits in Ruhe erhöht ist. Am
Tonus leichtesten ist der Ri gor im Hand· und Hypotonus
Ellbogengelenk auszulösen. Oft kann er D r herab s [zte Tonus zei t sich
Der Muskeltonus wird am entspannten verstärkt werden, indem der Patient mit durch schlaff s Mi tsc llwing n b i pa
i-
Pa tienten durch passive Bewegung des der nicht untersuchten Hand Kreis in v r B we un . Ursa hen sind schlaff
Hand-, Ellbogen·, Knie- und Hüftgelenks der Luft zieht oder sie abwechselnd Pal' s n, di au in r chädi un d
untersucht (I Abb. I). Hierbei ist darauf öffnet und schließt. Im egensatz zur zw it n Moton ur ns (V rd rhorn z l-
zu achten , dass die Bewegungen nicht Spastik kommt es nicht zu Paresen . Ien, p riph r) r su[tier n, oder Myo-
rhythmisc h, sondern durch spontane Ursache ist eine Störung des extrapYI'a· pachi n. KI inhirnläsi n n führ n zu
Änderung der Richtung für den Pa tien- midal-motorischen ystems (Basalgang· in rn Muskelh yp tonus, ab r ni ht ~ 1I
ten nich t vorhersehbar sind. Der Unter- lien), wie z. B. bei M. Parkinson. Par s n.
Diagnostik
28 I 29
I Abb. 2: Nachweis einer diskreten Parese durch
den Vorhalteversuch: a) Der paretische Arm sinkt
mit leichter Pronation ab. b) Im Beinhalteversuch
sinkt der Unterschenke l auf der Seite der Parese
herab. [16J
a b
Kraftprüfung rung anderer Muskeln Paresen zu über- Parese vor, sinkt die jeweilige Extremi-
sehen. Diskrete Paresen können durch tät ab und/oder der paretische Arm
Die Untersuchung der Kraft erfolgt, in· eine Störung der Feinmotorik (s. S. 36) zeigt eine Pronationstendenz.
dem der Patient einzelne Muskeln oder sowie durch Vorhalteversuche erfasst
Muskelgruppen gegen den Widerstand werden (I Abb. 2): Die 1 Abbildungen 3 - 15 stellen die
des Untersuchers anspannt. Die ausge· Untersuchung der gängigen Muskeln
übte Kraft wird in fünf Graden quanti- • Der Patient hält mit geschlossenen mit ihrer zugehörigen Innervation dar
fiziert (I Tab_ 1). Bei der Durchführung Augen für mind. 20 Sekunden die Arme (roter Pfeil = Bewegungsrichtung Pati-
der Kraftprüfung ist es wichtig, den zu gestreckt (Armvorhalteversuch) von ent, blauer Pfeil = Bewegungsrichtung
testenden Muskel in seiner Bewegung sich bzw. die Beine in rechtwinkliger Untersucher).
zu isolieren, um nicht durch Aktivie- Hüft- und Knieflexion. Liegt eine latente
Muskelkraft Gradein-
teilung
Norma le Kraft 5
Keine Muskelaktivität o
I Tab. 1: Bewertung der groben Kraft.
I Abb. 3: Untersuchung der Schulterabduktion. [3J I Abb. 4: Untersuchung der Ell bogenextension. [3J
b
I Abb . 5: Untersuchung der Ellbogenflexion:
a) M. biceps brachii ; b) M. brac hioradia lis . [31
Muskeltonus und Muskelkraft 11 --------------------------------~-
• Abb . 6: Untersuchung der Extension im Hand- • Abb . 7: Unters uchung der Fingerextension. [3] I Abb. B: Untersuchung der Daumenabduktion . [ 3)
gelenk . [3J
a
• Abb. 9: Untersuchung der langen Fingerflexoren. • Abb. 10: Untersuc hung der a) Hüftflexion und b) Hüftextension . 13]
13]
a b
I Abb . 13: Untersuchung der a) Fußinvers ion und der b) Fu ßeversion. [31 I Abb . 14: Unters uchung der Großze hen-
extens ion. [31
M. infraspinatus,
N. suprascapularis,
C5 C6
M. supraspinatus , M. rhomboideus ,
N. supracapularis, N. dorsalis scapulae,
termittierend etc.) . Sie können spontan C5C6 C4C5
auftreten, aktionsind uziert sein, durch
sensorische sowie sensible Reize oder
reflektorisch ausgelöst werden.
Ties
~ Eigenreflexe (propriozeptive Reflexe, 1 Tab_ 1): Durch Radiusperiostrefl ex Schlag gegen den am distalen Leic hte Beuge be : ; : - - -
einen Schlag mit dem Reflexhammer auf die Muskelansatz- (RPR) Radiusende liegenden Unter- gung des Unterarf11 s
Brac hioradialis- suc herfi nger und Supina ti on
sehne wird der Muskel kurzzeitig gedehnt. Dies reizt die
Muskelspindeln und führt nach einer monosynaptischen Ver-
sChaltung im Rückenmark zu einer Kontraktion desselben
Muskels_ Reizaufnahme und -antwort werden vom selben
Organ vermitte lt. Muskeleigenreflexe (MER) sind nicht habi-
refl ex (BRR) C5/ 6
Tröm ner-Reflex
Clj8(I Abb. I )
Der Untersucher hält die en tspann-
te Hand von dorsal an die Finger-
gru ndgelenke und schlägt mit
seinen Fi ngerspitzen die Finger-
Beugung des Dauf11ens
und der Fi ngerend _ ----
gelenke; path olog i Sch
nu r bei Seitendiffe r e nz
kupp en des Pati enten an .
tuierbar.
Knipsrefl ex Cl/ 8 Der Untersucher knips t mit seinem
~ Fremdreflexe (exterozeptive Reflexe , 1 Tab. 2): Die Beugung des D a ; = - - -
'''ens
(I Abb. I ) Daumen und Zeigefi nger den Nagel und der Fingerend _
Stimulierung von Rezeptoren der Haut löst nach einer poly- des dritten oder vierten Patienten- gelenke; path ologi Sch
synaptischen Verarbeitung auf Rückenmarksebene eine Mus- fingers. nur bei Seitendiffe renz
kelkontraktion aus_ Reizort und Effektororgan sind nicht Ad duktorenrefl ex Schlag auf die distale Adduk toren- Adduk tion in derHU;;;-
gleich. Bei wiederholter Auslösung ermüdet die Reflex- L2 - L4 sehne
antwort (Habituation)_ Pa tellarsehnen- Bei leichter Flexion im Kniegelenk Kontra kt ion des
.
M -
- qUa-
refl ex und Entspannung des M. quadri- dnceps femoris mit
(PSR) L3 - L4 ce ps erfolgt der Sch lag unterhalb Knies trecku ng
der Patella au f die Sehne.
Eine SChädigung des ersten Motoneurons führt zu einer Steige-
rung, Störungen der Nervenwurzel, der peripheren Nerven oder Tibi alis-pos terior- Etwas dorsal unterh alb des Malleo- Inversion des Fu~
des Muskels führen zu einer Abschwächung der Muskeleigen- Reflex (TPR) L5 lus medialis wi rd die Sehne des auslös ba r nur bei hC:_
reflexe. M. t ibialis pos terior angeschlagen. hem Reflexniveau
Achillesse hnen - Sc hlag auf die Achi llesse hne bei Plan tarflexion de; - - -
Die Ausprägung der Reflexantwort zeigt eine große individu- refl ex (ASR) SI - S2 leicht abduziertem und gebeugtem Fußes
Bein und leicht dorsa lflektiert em
elle Variabilität. Als pathologisch gelten eine Seitendifferenz, Fuß
verbreiterte Reflexzonen (Reflex wird nicht nur durch Schlag Rossolimo-Reflex Der Untersucher legt die Hand Plan tarflexion de~
h
auf die Ansatzsehne, sondern auch in der unmi ttelbaren Um- S I - S2 (I Abb. t ) über die Zehen und Fußba lien und
e en
gebung ausgelöst), unerschöpfliche Kloni und Un terschiede SChlägt mit dem Rellexhammer
----
gegen den Ballen.
zwischen oberer und unterer Extremität. Kloni sind die Folge
einer zentralen Läsion mit gesteigerter Refl exbereitschaft und I Tab. I : Di e wi Cht igs ten Muskele ige nre fl exe mit de r zuge höri ge n Ne rv e n _
beruhen auf einer raschen Abfolge von MER, die sich selbst wurze l.
unterhalten. Klinisch zeigen sie sich als rhythm ische Zuckun -
gen v. a. der Patella oder des Fußes nach Reizung der Patellar-
bzw. Achillessehne (Ausführung siehe unten).
Du rchfüh rung
~ Die Muskeleigenreftexe werden durch einen locker aus Fremdreflex DurchfOhrung Antwort
dem Handgelenk kommenden kräftige n Schlag mi t dem Bauchhautrefl ex Rasches Bestrei chen der PhysiologiSCh: Kontrak tio n d
Reflexhammer auf die Sehne oder den auf der Sehne auflie- Th6 - Thl 2 Bauch haut mit einem Holzstäb- Ipsll at ral 11 Musku latur;
chen von latera l nach m dia I in
genden eigenen Untersucherfinger ausgelöst. Der Patient soll Ausfall : törun g d r Pyran1i <j
drei Etagen beim en tspann t bahn n-
hierbei die Muskulatur entspannen. Sind die Refl exe nicht
sicher auslösbar, versucht man , sie zu bahnen oder di e Mus-
kelkontraktion zu fühl en. Die Reflexe der oberen Extremität In n nsolte
a b
Reflex Durchführung Ant wort
• Kloni: Getestet wird der Patellarklonus, indem man die Pathologisch e Reflexe
Patella am gestreckten Bein des liegenden Patienten ruckartig Die pathologischen Reflexe sind Fremdreflexe, die aufgrund
nach kaudal verschiebt und in dieser Position hält. Die Unter- einer zentralen Enthemmung durch eine Schädigung des
suchung des Fußklonus erfolgt bei leichter Beugung im Knie ersten Motoneurons zustande kommen. So ist z. B. ein Vor-
durch eine ruckartige Dorsalflexion des Fußes mit Verweilen kommen des Babinski-Zeichens, des Oppenheim- und Gor-
in dieser Haltung. don-Reflexes ein Zeichen einer Pyramidenbahnschädigung im
Gehirn oder auf Rückenmarksebene. Mit zunehmender
Physi ologis che Reflexe Hirnschädigung beobachtet man ein Wiederauftreten längst
Durch den Ausfall einzelner physiologischer Reflexe lassen erloschener und im Neugeborenen- sowie im Kleinkindalter
sich Rückschlüsse auf die Höhe der Schädigung ziehen. Bei physiologischer Reflexe. Zu diesen Primitivreflexen zählen
zerebraler oder spinaler Läsion fa llen die auf das a-Motoneu- der Greifreflex (I Tab. 3), der Palmomentalreflex (kräftiges
ron wirkenden hemmenden Einflüsse aus und es kommt zu Bestreichen des Daumenballens führt zur gleichseitigen
einer Reflexsteigerung der MER. Die Fremdreflexe sind hin- Kontraktion der Kiefermuskulatur) und der Saugreflex
gegen abgeschwächt oder erloschen, was durch gleichzeitiges (Bestreichen der Mundspalte erzeugt Saug- und Schluck-
Fehlen zentral stimulierender Einflüsse bedingt ist. bewegungen).
Zusammenfassung
*' Muskeleigenreflexe: Eine Dehnung der Muskelspindel führt über eine
monosynaptische Verschaltung zur Kontraktion desselben Muskels. Nicht
habituierbar.
*' Fremdreflexe : Reizort ist die Haut: als Reflexantwort kommt es zur Muskel-
kontraktion. Diese wird polysynaptisch verschaltet und ist habituierbar.
*' Physiologische Reflexe sind bei Seitendifferenz, Refl exsteigerung, ver-
breiterten Reflexzonen und Kloni als pathologisch zu werten.
Sensibilität ----------------------------------'-
Die Anatomie der afferenten sensiblen Untersuchung ben, ob er die Berüh rung spürt und ob
Bahnen und die kortikale Verarbeitung Die Untersuchung der einzelnen Emp- sl.e Sich normal anfühlt. Bei Zweife l b e-
werden im Kapitel "Anatomie und Phy- findu ngsqualitäten erfolgt nacheinander zu glich der Angaben des Patien ten k
siologie des Rückenmarks" (S. 8) dar- und im Seitenvergleich. Vor Beginn der der Untersucher die Richtu ng, au s d ann
gestellt. Es werden fünf verschiedene Prüfun g ist es wichtig, dem Patienten die Berüh.run g auf das betroffene Ar:~
Grundqualitäten (Schmerz, Temperatur, den Test in einem gesunden Area l vor- gesetzt Wird, und die Gesc hwindi o-k _
Vibration, Lagesinn und Berührung) zuführen, um ihm zu zeigen, wie es · tz
der Relzs.e .. dern . Bei HYp_
<::> elt
ung veran
unterschieden. Diese sind durch eine sich "normal" anfühl t. Die Prüfung der bzw. AnasLhesle soll te Sic h die Be (h.
. <::>.en-
starke Verschaltung untereinander und Wahrnehmungsquali tä t wird im betrof- zung des pathologisc hen Gebiets ka
eine integrative Verarbeitung auf zentra- fenen Gebiet oder distal begonnen und .. dern.
an um
ler Ebene, z. B. im Thalamus, bzgl. Qua- nach proximal durchgeführt, wobei der
lität und Quantität aufeinander abge- Patient die Augen geschlossen hält. Die Vibrationsempfindung
stimmt. So wird z. B. die Wahrnehmung Begrenzungen der Ausfälle werden (Pallästhesie )
von Temperaturen bei steigender Inten- genau dokumentiert. Eine angeschlagene Stimmgabel
sität auch als Schmerz empfunden. Auf- (128 Hz) wird auf Knochenvorspru"
nge
grund dieser anatomischen und funktio- Einzelne Empfindungsqualitäten (z. B. Hallux, Malleolus, Hand- bZ"l<> F-m.
vv .
nellen Verknüpfungen komm t es selten Berührungsempfindung (Ästhesie) gergelenke, Dornfortsätze etc .) geSetzt.
zu einem Ausfall isolierter Qualitäten. Es werden leic hte Berü hrungsre ize mit Auf der Stimmgabelskala wird die Am _
Vereinfachend werden die sensiblen der Finge rkuppe oder einem Watte- litude der Schwingunge n in Achteln p
Qualitäten in eine protopathische bausch gesetzt. Hypästhesie bezeich· dem Zeitpunkt abgelesen, an dem d zu
Sensibilität, deren Bahnen Schmerz, net eine Herabsetzu ng und Anästhesie Patien t die Vibration nicht mehr Wa~r.
Temperatur und grobe Druck- bzw. Tast- eine Aufhebung der Berührungsemp- nimmt. Besteht Unklarheit, ob der p r
empfindung führen, und eine epikriti- findun g. Nach Beginn der Prü fu ng im tient die Vibration tatsäcillich SPÜrt a-
sehe Sensibilität für Berührung, Vibra- gestörten Bereich (z . B. Dermatom, kann die Stimmgabel nach Bee nd e ~ d
tion und Lageempfinden eingeteilt I Abb. 2, oder peripheres Versorgungs· Schwingens auf den Knochenvorsp es
(Tr. spinothalamicus und Hinterstrang) . gebiet, I Abb. 1) soll der Patient ange- platziert und der Patient gefragt we~~ng
N. calcaneus
lat. (N. tibialis)
,
N. suralis ... N. peran. N. paran . Ramus cale. N. plantarls mod .
(N . tibialis) supertic. prof. (N . tiblalis) (N. tibialis)
I Abb. 1: Sensib le Inn erva tionsgebiete der peripheren Nerven. Di e se nsi ble I Abb . 2: S gm nl al V · r orglJi1 d r I-J aul (Do,m at om ). 11
Versorgu ng des Rum pfs durch die Nn . intercostales ist ident isc h mit den
Dermatomen von Th 2 bis Th 12. 11 51
Di agnost i k
34 1 35
Eine gezielte Koordination mit flüssigen spitzengang, wobei der Patient einige wirken von Agonisten und Antagonisten
Bewegungsabläufen beruht auf einer Schritte auf den Fersen bzw. Fußballen auch durch das pathologisc he "Re-
geordneten Aktivierung agonistisch und gehen soll. bound-Phänomen" (I Abb. 2) _Der
antagonistisch wirkender Muskelgrup- Patient soll gegen den Wid erstand des
pen _Die Beurteilung der Koordination, Untersuchung des Stands Untersuchers den Arm im Ellbogen-
des Gangbilds, des Stands und der Ziel- Der Patient wird zu nächst aufgefordert, gelenk flektie ren, woraufhin der Unter-
bewegungen erfolgt unter Berücksich- sich aufrecht mit geschlossenen Füßen sucher den angespannten Arm plötzlich
tigung sensorischer und motorischer (Füße berühren sich niCht!) hin zustel - loslässt Bei einer unauffälligen Reaktion
Befunde. So ist bei Patienten mit einer len_ Schwankt der Patien t ungerichtet federt der Unterarm zunächst in Rich-
Muskelschwäche oder einem Sensibili- und verliert immer wieder das Gleich- tung des Patienten. Die Bewegung Wird
tätsverlust auch eine Störung in den gewicht, liegt eine Standataxie vor. Eine aber rasch wieder abgefangen und der
Bewegungsabläufen an der betroffenen abgewandelte Form dieser Prü fung ist Unterarm ke hrt in die Ausgangsposition
Extremität zu erwarten. Läsionen des der Romberg-Versuch (s. S. 26)_ Be- zurück. Bei einer gestörten Kleinhirn-
Kleinhirns, der Stammganglien, der sen- steht eine spinale Ataxie oder ein beid- funktion werden die An tagonisten ve r -
siblen Hinterstrangbahnen sowie der seitiger Labyrinthausfall, so nehmen das spätet aktiviert und der Unterarm prallt
Vestibularorgane führen ebenfalls zu Schwanken und die Fallneigung mit gegen den Patienten .
abnormer Koordination (s. Kap. "Gang- geschlossenen Augen zu. Die Symptome
störungen" , S_62). können durch die visuelle Kontrolle
Bei der Prüfung des Rebound-Phäno-
kompensiert werden, was bei einer
mens sollte der Untersucher seine zweite
Stand- und Gangbild zerebellären Ataxie nicht möglich ist Hand bereits in der Ausgangsposition der
Die Gang- und Stand prüfungen sowie Untersuchung zwischen Patientenarm
Untersuchung des Gangs der Unterberger-Tretversuch (s. S. und Patientenkörper positionieren, um
einen möglichen Aufprall und somit Ver_
Der Patient wird aufgefordert, einige 26) dienen auch der Feststellung einer letzungen verhindern zu können.
Male auf und ab zu gehen. Beurteilt Schädigung der Vestibularorgane_
werden der flüssige Bewegungsablauf,
die Haltung des Patienten, das Mit- Bewegu ngskoordination Ein weiterer Test der Feinmotorik er-
schwingen der Arme und die Bewegung fOl gt durch Finger- oder Fußtippen.
der Beine (Absinken der Hüfte, Knie- Feinmotorik Der Patient führt so schnell wie mögliCh
streckung, Schrittlänge, Heben des Zur Prü fung der Feinmotorik wird der den Zeigefin ger und den Daumen zu-
Beins, Nachschleifen einer Extremität Patient gebeten, rasch alternierende Be- sammen und wieder auseinander oder
usw. )_ wegungen durchzuführen_ Som it wi rd tipp t im Sitzen jeweils einen Fuß durCh
Meist kann man eine latente Gangataxie die Fähigkeit einer schnellen abwech- Anheben des Knies so schnell wie mög_
nur durch eine gezielte Untersuchung selnden Aktivieru ng der Agonisten und lich auf den Boden. Eine leichte Parese
erkennen. Hierzu wird der Patient auf- Antagonisten (Diadochokinese) ge- zeigt sich in einer verla ngsamte n BeWe_
gefordert, auf einer gedachten Linie zu testet. Hierfü r eignet sich die schnellst- gung, extrapyramidale Störu ngen äu-
gehen und dabei jeweils mit der Ferse mögliche Supinations- und Pronations- ßern sich ebenfalls durch eine Verlang_
die Zehen zu berühren (Seiltänzer- bewegung der Hände (I Abb. I ). Der samung und eine immer kleiner wer-
gang) oder den Blindgang (s_S. 26) Bewegungsablauf ist bei dieser Unter- dende Amplitude der Bewegungen.
auszuführen. Eine sensitive Methode suchung unregelmäßig gestört (Dysd ia-
zur Prüfung einer möglichen Gang- dochokinese), wen n eine Kleinhirn- Zielbewegungen
ataxie ist der Hacken- bzw. Zehen- läsion, extrapyramidale Läsionen oder Bei der Durchführung der Zielbewegll. n _
eine Parese vorliegen_ Eine Tonuserhö- gen ist auf eine flüssige Bewegungsabfol_
hung der Muskulatur macht sich durch ge, Zielsicherheit, Ataxie und Intention _
eine Verlangsamung der alternierenden tremor zu achten_Eine häufig durch-
Bewegungen (Bradydiadochokinese) geführte klinische Untersuchung ist der
bemerkbar. Finger-Nase-Versuch (FNV), b i derl1
Ein sehr sensitiver klinischer Test, um der Pati ent mit g sc hloss nen Augen
eine Hemiparese aufzudecken, ist der den Zei efinger in in In w it aushol n-
sogenannte Arm rolltest, bei dem der den Bog n an di Nas füh r n soll. Eine
Patient beide Arme so schnell wie mög- Variante dieses V rsuchs ist di abw h-
lich umeinander rollen soll. Liegt eine s Inde B rührun g d I' i n n Nas und
einseitige M uskelschwäche vor, wird des Unt rsuch rfin rs (Au n off 11 ),
der gesu nde Arm eher um den pare- d r ca . in n halb n M t r vor den P _
ti schen gedreht. Bei einer Schäd igung ti nten ha lt n wird. Entspr h nd
des Kl ei nhirns zeigt sich neben einer ibt es für die unt re EX lI' mität d n
I Abb. 1: Prü fung der Diadoc hokinese. Inac h 191 Ataxie das unausgewog ne Zu samm n- Knie-Hacke-Versuch (KHV). Dab i
Diagnostik
36 I 37
I Abb. 2: Untersuchung des "Re-
bound-Phänomen s". [Nach 191
platziert der Patient im Liegen seine Ferse auf die Patella des Medikamente (ß-Sympathomimetika, Neuroleptika, Lithium,
anderen Beins und soll nun die Ferse entlang der Tibia nach trizyklische Antidepressiva), zum anderen der genetisch ver-
distal gleiten. Hypermetrie, Dysmetrie und Intentionstremor erbte benigne essenzielle Tremor. Meist sind bei Letztgenann-
sind Zeichen einer Funktionsstörung des Kleinhirns. Eine tem die Hände betroffen. Typischerweise tritt eine Besserung
konstante Abweichung der Zielbewegung zur betroffenen der Symptomatik nach Konsum kleiner Mengen Alkohol ein.
Seite im Barciny-Zeigeversuch weist auf eine Kleinhirnschä- Die Behandlung mit einem ß-Blocker ist gewöhnlich erfolg-
digung oder eine einseitige Vestibularisläsion hin. Bei diesem reich.
Test wird der Patient aufgefordert, erst mit geöffneten und
dann mit geschlossenen Augen seinen Zeigefinger bei ge-
strecktem Arm von oben auf den vorgehaltenen Untersucher-
finger zu setzen. Ei ne gute Möglichkeit, die Ausprägung des
Tremors zu dokumentieren, ist, den Patienten zu bitten, eine
Spirale auf ein Blatt Papier zu zeichnen, wobei der Stift mit
Zeigefinger und Daumen am distalen Ende gehalten werden
soll. Ruhetremor Haltetremor
Dyskinesien
Der Liquor diffundiert als Ultrafiltrat des raden Verbindungslinie zwischen den
Farbe Wasserklar
Blutserums aus den Gefäßen der Plexus Beckenkämmen mit der Wirbelsäule er-
Zellzahl < 5 Zeilen/pi
chorioidei. Diese befinden sich in den mittelt. Bestehen eitrige oder tumoröse
Differential- Ca. ' / , Lymphozyten, ca. '/ 3 Mono-
Ventrikeln und sind von einem Epithel Prozesse an der lumbalen Punktionsstel_
zellbi ld zyten
überzogen, das bei der Filtration die Zu- le - was gegen eine Manipulation in d ie-
Eiweiß Gesamteiweiß: 200 - 400 mg/ I,
sammensetzung des Liquors modifi ziert Albumin: $ 340 mg/ I, IgG: $ 40 mg/ I,
sem Bereich sprich t - , kann auch sUbok_
und ihn dann sezerniert. Der Liquor IgA: $ 6 mg/I, IgM: $ I mg/ I zipital (zwischen Okzipitalschuppe und
fließt von den Seitenventrikeln und dem Glukose Ca. 60% des Blutserumwerts, HWK 2) Liquor gewonnen werden _Die-
dritten Ventrikel über das Aquädukt in 40 - 70 mg/ dl, 2,7 - 4, I mmol / I ser Eingriff ist mit einem höheren Korn._
den vierten Ventrikel, wo er in den Laktat 10-20mg/dl plikationsrisiko verbunden und wird nUr
äußeren Liquorraum (Subarachnoidal- Liquordruck < 200 mmH,O in Ausnahmefällen durchgeführt.
raum ) gelangt. Er wird über die Arach- Die Punktion erfolgt unter sterilen Be-
I Tab . 1: Normalbefunde des Liquors.
noidealzotten im Schädel- und Wirbel- dingungen nach sorgfäl tiger Hautdesin_
säulenbereich sowie über Gefäße und fektion. An der vorgesehenen Punktions_
Lymphbahnen an den Spinalnervaus- steIle in der Mittellinie, parallel zwi-
trittsstellen in das venöse System aufge- eine Untersuchung der Gerinnungs- schen den Dornfortsätzen, wird ggf. ein
nommen. parameter im venösen Blut geprüft. Bei Lokalanästhetiku m intrakutan und in-
Am Tag werden ca_ 500 ml Liquor pro- antikoagulierten Patienten (Quick ~ 50%, terspinal injiziert. Anschließend wi rd
duziert. Das Volumen in den Liquorräu- PTT 2: 40 Sec) oder einer Thrombo- eine atraumatische Liquornadel mit
men beträgt 110- 160 ml. zytenkonzentration von wen iger als Mandrin vorgeschoben, bis das straffe
Die Zusammensetzung des Liquors ist 30_0001 ~tl ist die Indikation zur Liquor- Ligamentum interspinale und der leich _
1 Tabelle 1 zu entnehmen. punktion streng zu stellen. Es darf keine te Widerstand der Dura überwunden
Punktion durchgeführt werden, wenn sind_ Zieht man nun den Mandrin der
Lumbalpunktion die Thrombozytenzahl unter 5.0001 ~tl Liquornadel heraus, ka nn der Liquor
Indikation und Kontraindikation liegt oder entzündliche Prozesse im Be- langsam abtropfen (2- 3 ml pro Röhr-
Durch die Liquoruntersuchung können reich der Punktionsstelle vorliegen. chen)_ Ist der Versuch nicht erfolgreiCh
Erkrankungen des ZNS, der Meningen w ird der Mandrin wieder eingeführt '
und der Nervenwurzeln diagnostiziert Durchfüh rung und weiter vorgeschoben oder in verti _
werden. Die Lumbalpunktion wi rd Das Ziel bei der Lagerung des Patienten ka ler Ri chtung unter ku rzem ZurÜCkzie_
durchgeführt, wenn der Verdacht auf ist zum einen die Entspannung der Rü - hen neu platziert. Berührt die Nadel b ei
einen entzündlichen Prozess (z. B. Me- ckenmusku latur, zum anderen ein best- der Punktion eine Wurzel, kann der Pa-
ningitis, Enzephalitis, MS, Polyradikuli- möglicher Ausgleich der Lend enlordose, tient einen einsc hießenden elektrisie-
tis, Lyme-Borreliose, Neurolues) besteht. wobei durch ein Auseinanderweichen renden Schmerz in das Bein verspüren
Auch zum Nachweis einer Subarach- der Dornfortsätze ein besserer Zugang Hält dieser an, wird durch leichtes Zu- -
nOidalblutung oder eines malignen Pro- zum Rückenmarkskanal geschaffen wird . rückziehen und neues Platzieren der
zesses (z. B_ Meningeosis carcinomatosa, Die Lumbalpunktion kann im Li egen Nadel der Kontakt gelöst. Liquordruck
Hirntumoren mit Anschluss an das in Embryonalhaltung (a ngezogene Beine und -passage werden mitte ls einer Lum_
Liquorsystem ) kann die Liquordiagnos- und Arme ) des Patienten (I Abb. I ) balpunktion im Liegen geprüft, wobei
tik herangezogen werden_ oder im Sitzen, z_ B_ an der Bettkante, durch Ansch ließen eines sterilen Steig_
Ein erhöhter Hirndruck gilt als absolu te ausgeführt werden. In beid en Positio- rohrs der Druck abgelesen werden
Kontraindikation und muss deshalb vor nen beugt der Patient seinen Kopf und kann_ Durch Betätigung der Bauchpres_
der Durchführung einer Lumbalpunk- Rücken so weit wie möglich nach vorn. se kommt es bei freie r Liquorpassage Zu
tion ausgeschlossen werden, um ein Die Punktionsstelle liegt in der Regel einem Druckanstieg in diesem Mess-
Einklemmungssyndrom (z. B. Einklem- zwisc hen LWK 4/ 5 oder 314 und wird system_
mung des Hirnstamms im Foramen durch Palpation des Zwischenwirbel-
magnum) zu vermeiden . Hierzu wird raums an der Kreuzungsstelle einer ge- Komplikationen
der Augenfundus auf eine Stauungs- Die häu fi gste Komplikation (ca _5% d r
papille hin untersucht, die sich bei einer Fälle) sind postpunktionelle Kopf-
L4 L5
Hi rndruckste igerung nach einigen schm erzen, die sich b im Aufrichten
~l,/!&'_-c~"~"
:
Tagen ausbildet, allerdin gs auch aus- verschlimmern und im Li g n bessern
bleiben kann. Besteht der klin ische '-
Sie beruhen auf einem Liquorunter- .
~A·M MrY~ ·~ .. ·
Verdacht, wird die Anfertigung eines druck nach d I' Punktion, treten b vor_
r
CCT empfohlen, mit dem man genau- zu t bei nicht ausr ichender FIUssi .
"'-'---- keitsz ufu llr auf und halten in n bis IN _
ere Aussagen treffen kann_ Auch eine
hämorrhagische Diathese stell t ei ne I Abb. 1: Lageru ng de s Patienten zur Lumbalpunk- nige Ta e an. Häufig b ss rn i ich
Kontraindikation dar und wird durch tion im Liegen . 1I I1 nach Einnahm in r Korf intabl tt .
Diagnostik
38139
Gegebenenfalls kann parenteral Flüssig- t Laktat: Als Endprodukt des anaero- CSF
IgG - - Quotient
keit zugeführt werden. In seltenen Fäl- ben Glukoseabbaus wird im ZNS Laktat 100
Serum
Siderophagen im Liquor) rasch wieder Immunglobulinproduktion bedingt sein. Albumin Serum Quotient
klar. Nach Sedimentation der Zellen ist Die meisten Erkrankungen, die eine Er-
I Abb _2: Liquor-Serum-Quotienten-Schema nac h
der Überstand bei Blutung in den Liquor- höhung der Zellzahl im Liquor verur- Reiber und Felgenhauer. A: Norm albereich; B:
raum hämolysebedingt xanthochrom, sachen, bewirken auch eine Steigerung Schrankenstörung ohne intrat heka ie igG-Produk-
bei punktionsbedingter Blutung klar. des Gesamteiweißgehalts. Entzündliche t ion; C: Schrankenstörung mit intrathekaler IgG-
Produkt ion; D: intra thekale IgG-Produktion ohne
Weitere Ursachen für einen xantho- ZNS-Veränderungen führen zu einer
Sc hrankenstörun g; E: Werte in diesem Bereich
chromen Liquor können auch ein Ikte- vermehrten IgG-Produktion. Mithilfe komm en nicht vor oder beruh en auf Fehlern bei
rus und eine hohe Eiweißkonzentration des Delpech-Lichtblau-Ouotienten der Blutuntersuchung. [151
sein.
t Zellen: Die Bestimmung der Zell zahl 0= 'gG [Liquorl x Albumin [Seruml
erfolgt in der Fuchs-Rosenthal- Kammer IgG [Seruml x Albumin [Liquorl ruhen auf IgG-Klonen weniger B-Zellen
sofort nach der Punktion und spätestens und können im Blut und im Liquor
innerhalb einer Stunde, wobei Erythro- wird eine intrathekale IgG-Produktion nachgewiesen werden. Sind die Banden /'
zyten nicht mitgezählt werden. Bei Ver- (0 = > 0,7) von einer Bildung außer- nur im Liquor auffindbar, ist dies ein
dacht auf eine bakterielle Meningitis, halb des ZNS (0 = < 0,7) unterschie· sehr sensitives, jedoch unspezifisches
die einen trüben Liquor aufweist, sollte den. Auf eine Blut-Liquor-Schranken- Zeichen für eine Immunreaktion des
der direkte Erregernachweis mit einer störung (z. B. Meningitis, Hirntumor, ZNS (z. B. MS, Entzündung, Neopla-
Gram-Färbung versucht werden. Für Liquorabflussbehinderung, Schlaganfall) sien).
eine akute bakterielle Infektion spricht weist ein hoher Albuminquotient (Li- t peR: Mithilfe der Polymerase-Ketten-
auch eine Vermehrung der neutrophilen quor/Serum) hin. Das Reiber-Felgen- reaktion ist der direkte Nachweis eines
Granulozyten (oft;?: SOO/ml). Einer hauer-Schema (I Abb. 2) wird zur Un- Erregers möglich. Diese Methode wird
Leukozytose können auch maligne Pro- terscheidung einer Blut-Liquor-Schran- bei schwer zu diagnostizierenden erre-
zesse, Infektionen und systemische Ent- kenstörung und/oder intrathekalen gerbedingten Myelo- und Enzephalo-
zündungen (z. B. Sarkoidose) zugrunde IgG-Produktion herangezogen. Oligoklo- pathien (z. B. M. tuberculosis, Borrelia
liegen. Eine mononukleäre Zellver- nale Banden in der Elektrophorese be- burgdorferi, HSV) verwendet.
mehrung findet sich bei mykotischer
oder akuter viraler Meningitis oder Me-
ningoenzephali tis, einer an behandelten
bakteriellen Meningitis, maligner Infil-
tration der Meningen und chronischen Zusammenfassung
Entzündungen. Chronische Meningiti- *'
liquordiagnostik wird bei Verdacht auf entzündliche Prozesse des ZNS,
den, eine Enzephalitis und tuberkulöse Neoplasien und SAB durchgeführt.
Meningitis gehen in der Regel mit einer
Lymphozytose einher.
*'
Die Punktionsstelle befindet sich auf Höhe der Beckenkämme (LWK 4/5
werden können _Die Technik beruht auf ringförmige Speicherung ist bei einem
der digitalen Messung von Absorptions- Hirnabszess (scharf begrenzte Umran· wird als T 1- bzw. T2 -Relaxationszeit
werten der Röntgenstrahlung. Die dung, I Abb. 2), bei Metastasen (unre- angegeben. Werden die Bilder nach Tl
jeweiligen Messwerte entsprechen der gelmäßige Umrandung) und bei einem oder T2 gewichtet, er cheinen die
unterschiedlichen Dichte verschiedener Gliom zu beobachten. Auch die Gefäße jeweiligen Gewebestrukturen in unter_
Gewebe, die in Hounsfield-Einheiten können mittels CT dargestellt werden. schiedlichen Gl'austufen (I Tab. I ,
(HE) angegeben wird. I Abb. I ), wobei die Signalinte nsität ne-
Magnetresonanztomographie ben den Relaxationszeiten auch von der
(MRT) Protonendichte abhängt. Die Schnitt-
Je höher die Dichte ist, desto heller er-
ebene ist nicht an die transversale Rich_
scheint die Struktur (2. B. Knochen (hyper-
dens, > 500 HE) - weiB, Uquor [hypo- Die Magnetresonanzwmographie (Kern- tung gebunden, sondern kann in jede
dens, 10 HE] - schwarz; ' Abb. 1). spintomographie, Magnetic Resonance erwünschte Richtung gelegt werden.
Imaging, MRI ) ist ein bildgebendes Ver- Knochen und Verkalkungen haben eine
Ein großer Vorteil ist die digitalisierte fahren ohne Einsatz von Röntgenstrah- geringe Protonendichte und erscheinen
Aufzeichnung der Messungen, wodurch len. Diese Messtechnik verwendet ein dunkel. Durch die artefaktfreie Darstel_
eine nachträgliche Bearbeitung mit starkes Magnetfeld, um die im Raum lung und bessere Kontrastdiskriminie_
Rekonstruktionen möglich wird. Die CT unterschiedlich ausge richteten Proton en rung ist die MRT der CT in der Abbil-
ist billiger als die MRT und die häufigste von Wasserstoffkernen entsprechend dung von Weich teilen überlegen. Somit
momentan durchgeführte Bildgebung gleichsinnig auszurichten. Anschließend ist ihre Sensitivität zu m Nachweis vOn
zur Darstellung hirnorganischer Pro- wird ihnen in diesem Zustand mittels Tumoren in Gehirn und Rückenmark
zesse. Besonders zur Darstellung von Radiowellen Energie zugeführt (Anre- sehr hoch und sie sollte bei klin ischem
Knochenstrukturen ist die CT eine sehr gungsimpuls), was dazu führt, dass sich Tumorverdacht, aber unauffälliger Ci
sensible und aussagekräftige Methode. die Protonen nun energiereicher gegen immer durchgeführt werden. Der NaCh_
Als diagnostisches Mittel der Wahl wird das Magnetfeld ausrichten. Dann wird weis disseminierter Prozesse (z. B. MS)
sie zum Nachweis einer intrakraniellen der Anregungsimpuls ausgeschaltet und
Blutung (hyperdens) herangezogen. Des die Protonen fallen in ihre ursprüngliche
Weiteren nimmt sie in der Diagnostik Position unter Abgabe der Energie zu- Gewebe Tl T2
-----
eines vermuteten Bandscheibenvorfalls rück. Diese Energiefreisetzung wird als
Liquor Dunkel Hell
einen wichtigen Stellenwert ein. Hirn- MRT-Signal mit einer Radiospule aufge-
Hirnrinde Dunket Hell
tumoren werden ab einer Größe von fan gen und zu einem Bildsignal umge-
Hirnmark
ca. 2 cm in mehr als 90 % der Fälle nach- rechnet. Die Zeit, welche die Proton en
gewiesen. Atrophische, verkalkende Fett
benötigen, um von der angeregten tufe
und en tzündliche Prozesse sind neben in die Ausgangsposition zurückzufa llen, • Tab. I : Darstell ung von G webearten im
einem Hirnödem oder Hydrozephalus ist von der Gewebea rt abh ängig und T t- bzw. T2-gewicl1t eten MRT.
I Abb . I : Norrn alb efunde: a) T I-gewich tetes MRT koronar; b) T t-gewich tet s MRT sa itt at; c) C T· 1181
Diagnos t ik
40 I 41
und eine sehr frühe Darstellung isch- Doppler- und Duplex- ~ ~ I Abb . 3:
Digitale Sub-
ämischer Infarkte (bereits in den ersten sonographie traktion sangio-
fünf Stunden) ist möglich. Neben der graphie der
T1- und T2-gewichteten MRT ist auch Mit der Dopplersonographie kann die A. carotis . [41
die FLAIR-Aufnahme zu erwähnen, die Blutflussgeschwindigkeit in den extra-
sich wie ein T2-MRT darstellt mit Unter- kraniellen und den großen intrakraniel-
drückung des Liquorsignals (Liquor = len Gefäßen semiquantitativ gemessen
hypointens, dunkel). Das FLAIR-MRT werden. Durch eine lokal begrenzte
ist eine sehr sensitive Methode, um ent- Erhöhung der Flussgeschwindigkeit
zündliche Prozesse nachzuweisen. bzw. durch eine Flussumkehr können
Diese stellen sich stark hyperintens Rückschlüsse auf Stenosen gezogen
(hell) dar. Analog zur CT kann sich werden. Daneben ist es im Duplex mög-
nach KM-Gabe (Gadolinium) eine Schä- lich, Gewebeveränderungen der Arterie
digung der Blut-Hirn-Schranke zeigen. (z. B. Plaque) auszumachen.
Kontraindikationen sind implantierte
Schrittmacher oder magnetische Fremd- Emissionscomputer-
körper im Körper. tomographie
Mit dem EEG wird die elektrische Aktivität der Hirnrinde mit-
tel s Oberflächenelektroden von der Kopfh aut abgelei tet Nach
einem standardisierten Schema (10-20-System) werden die
Elektroden an fes tgelegten Punkten des Schädels angebracht
und nach zwei M ethoden miteinander verschaltet (I Abb_ I ):
ins Gewicht Diese Form der Ableitung ist artefaktreicher_ 3 regelm aßlge 10
The ta- r'N';('lI/VY~ Folge von 4 Spike,
Rhyt hmus I bi s 7 WelJen/ Sek Spill e
Die registrierte elektrische Aktivität entspricht (ähnlich wie 11
4 regelrnaßlge
---
beim EKG) Summenpotentialen bei Entladungen großer Neu- Oel ta- 'I f\ f\ f\ r f olge von 0,5
Polysptkes
\.J v V V
Rhy thmen biS 3 Wellen/ Sek. mulllpie
ronenverbände_ Beurteilt werden die Amplitude, Frequenz, Spillen
12
Lokalisation (Herde), die Form und spezielle Muster der EEG - 5
unregelmaßlg e Splke/ wave· Komplex aus
folge IlOly- Komplc, einem Sptk
Aktivität Verschiedene physiologische EEG-Graphoelemente De/( a-
Ak tivi tat
morpher 0,5 Spille- einer langsa".... ·'d
biS 1 Wellen/ Se\... Welle- Welle 'er)
werden je nach Wachheitsgrad unterschieden (I Abb_ 2): Komplel(
6 II
I~
Sub· Welle von ubet rhythmische
• a -Wellen (8- 12 Hz, Amplitude 20 - 100 ~ V) : wacher, ent- Oelta- I 000 inS Oauel Sp.kf\ and
Welle W(Wt=~
Sonderformen
t Schlaf-EEG: Durchführung in speziell hierfür eingerichte-
ten Schlaflabors, wobei neben der EE -Ableitun g im chla f
weitere Param eter wi e z_B_ Augenbew gungen (E ), Mus-
kelaktivität (EM G), 0 2- Partialdruck, EK u_a _aufg zeichn t
werd en (Polysomn ographi e)
Diagnost ik
42 143
im anschließenden Schlaf-EEG regis- oder einem hepatischen Koma können • Akustisch evozierte Potentiale
triert werden können. sich im EEG durch triphasische Wellen (AEP): Es werden akustische Reize
äußern. Ein typischer Befund bei einer (z. B. Klicklaute) über einen Kopfhörer
Indikation Herpesenzephalitis sind die sogenann- in jedes Ohr einzeln gegeben. Die Ablei-
Besonders in der Diagnostik epilepti- ten Rad ermecker-Komplexe (periodische tung der fünfgipfl igen Antwortpotentiale
scher Krampfanfälle (s. S. 88 ff. ) und in Komplexe aus steilen und langsamen erfolgt über dem MastOid, wobei die
der Kontrolle einer medikamentösen Wellen) oder eine 8-Aktivität, die bereitsGipfel der einzelnen Abschnitte der
Therapie spielt das HG eine bedeuten· im fr ühen Krankheitsstadium über dem Hörbahn zugeordnet werden können.
de Rolle. Es wird zur Beurteilung und beteiligten Temporallappen abgeleitet AEP werden in der Diagnostik von
Dokumentation von Vigilanzstörungen werden kann. Die Radermecker-Kom- Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, Akus-
(z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma), Be· plexe treten auch bei über 80% der Pa- tikusneurinom, Hirnstammprozessen,
wusstseinsstörungen und Koma heran- tienten mit Creutzfeldt-]akob-Erkran- zur objektiven Hörprüfung sowie zur
gezogen sowie in der Hirntoddiagnostik kung bitempora l auf. Viele weitere Differenzierung zwischen Schalllei-
eingesetzt. In der Schlafdiagnostik ist Erkrankungen mit hirnorganischer tungs- und -empfindungsstörung, in der
die HG-Kontrolle entscheidend . Auch Beteiligung gehen mit unspezifischen Verlaufskontrolle komatöser Patienten
Anzeichen für diffuse oder umschrie- pathologischen EEG-Veränderungen und in der Hirntoddiagnostik eingesetzt.
bene hirnorganische Prozesse wie z. B. einher (I Abb. 2). t Somatosensorisch evozierte Po-
Enzephalitis, Intoxikation, Stoffwechsel- tentiale (SSP): Elektrische Reize wer-
störung etc stellen eine Indikation zur Evozierte Potentiale den auf die Haut gesetzt oder gemischte
Durchführung ei nes EEG dar. periphere Nervenstämme (z. B. N. medi-
Mithilfe der evozierten Potentiale kön- anus, N. tibialis) stimuliert. Der kontra-
Auswertung nen die Funktionen verschiedener Reiz- laterale Gyrus postcentralis sowie die
Das EEG wird nach fo lgenden Gesichts- leitungsbahnen (visuell, akustisch, so- Wirbelsäule sind Ableitungsorte. SSP
punkten beurteilt: Vorliegen epilepsie- matosensibel, motorisch) isoliert beur- werden unter anderem zur objektiven
typischer Potentiale, besondere Muster, teilt und Störungen aufgedeckt werden. Prüfung von Sensibilitätsstörungen, z. B_
Grundrhythmusveränderungen konti- bei Schädigung der Hinterstrangbahnen
nuierlich oder intermittierend, generali- • Visuell evozierte Potentiale (VEP): oder raumfordernden Rückenmarks-
siert oder fokal. Rasche rhythmische Änderung der Licht- prozessen, und zur Lokalisation peri-
Bei etwa einem Drittel der Patienten intensität, z. B. durch Kontrastumkehr pherer Nervenläsionen herangezogen.
mit Epilepsie ist das EEG im Intervall eines Schachbrettmusters oder durch • Motorisch evozierte Potentiale
unauffälli g. And ererseits kann man Flickerlicht, führt zu Reizung der Seh- (MEP): Mit einem elektrischen Leiter
bei Vorliegen epilepsietypischer Muster rind e. Die Stimulation und Aufzeichnung (z. B. Magnetspule) erzeugt der Unter-
im EEG ohne klinische Symptome wird für jedes Auge getrennt durchge- sucher durch kurzzeitigen Stromfluss
(ca. 8- 10% der Bevölkerung) nicht die führt und die Reizantwort mit Oberflä- ein magnetisches Feld, das wiederum
Diagnose einer Epilepsie stellen. Bei chenelektroden okzipital registriert. Die Aktionspotentiale in den Nervenfasern
Verdacht auf epileptische Anfälle sollte VEP werden in der Diagnostik und Ver- hervorruft, die weitergeleitet werden.
neben dem normalen EEG immer ein laufskontrolle der Retrobulbärneuritis MEP werden bei Verdacht auf Stö-
Provoka tions-EEG (s_ 0_) durchgeführt bei MS eingesetzt. Schädigungen der ge- rungen der Pyramidenbahn, Schädigung
werden. Epilepsietypische Crapho- samten Sehbahn stellen eine Indikation des ersten bzw. zweiten Neurons u. a.
elemente (I Abb. 2) sind z. B. Spikes, zur Durchführung von VEP dar. durchgeführt.
Spike-Wave-Komplexe, Polyspike-Wave-
Potentiale, Sharp waves und eine Hyps-
arrh ythm ie (bei West-Syndrom).
Eine diffuse Verlan gsamung des Crund- Zusammenfassung
rhythmus 1_ 8 Hz) bei einem wachen x In der Diagnostik und Therapiekontrolle epileptischer Anfälle spielt das
Patienten ist pathologisch und findet EEG eine entscheidende Rolle.
sich je nach Ausprä un g di seI' Allge-
X Häufig ist das EEG bei Epilepsiepatienten im Intervall unauffä llig, zeigt aber
meinveränd rung b i Intoxikationen,
Hirndruck tei erun , opor, Koma, unter Provokation (z. B. Schlafentzug) epilepsietypische Graphoelemente
En zephalitis u. a. Li l ein foka ler patho- (z. B. Spikes, Spike-Wave-Komplexe, Polyspike-Wave-Potentiale, Sha rp
logisch I' I roz ss vor (z. B. Hirntu mor'J, waves) .
zeigen sich I ysrhythmi n, in um-
schri b n V rlan samung bzw. in X Mit evozierten Potentialen kann man die Reizleitung von der Peripherie
Abflacllung d s (X - ,r'und l'llythmu üb I' zum ZNS verschiedener Systeme (visuell, akustisch, motorisc h, somato-
der b Ir Ffen n lI irnr gi n. M taboli· sensorisch) isoliert prüfen.
sc h En lgl isun g n wi z. ß. b i rämi
Elektroneurographie und Elektromyographie --------------------~
Elektroneurographie anderen in Rich tung Rückenmark (anti- samung der NL bei normaler Amplitu_
drom) geleitet Der ein treffende Reiz dengröße auf. Für eine axonale Degene_
Die Elektroneurographie dient der löst in der Vord erhornzelle erneut ein ration ist eine normale NLG (solange
Ableitung motorischer und sensibler Aktionspotential aus, das wieder zum der Nerv nur inkomplett geschädigt ist)
Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG), Muskel zurückgeleitet und hier mi t mit etner verkletnenen Amplitude und
die mit Oberflächenelektroden regis- einer La tenz zum vorangegangenen einem verbreiterten MSAP kennzeich_
triert werden_ Reiz als F-Welle registriert wird _Deren nend. Ein lan gjähri ger Verlauf der PNp
Somit liegen ausgeprägte Unterschiede Amplitude ist niedriger und in manchen ze igt sich in einer Verlangsamung der
je nach untersuchtem Nerv und selbst Fällen gar nicht nachweisbar. Eine Ver- NLG sowie in einer Amplitudenreduk_
in den einzelnen Abschnitten im Ner- längerung der Laufzeit deute t auf eine tion_ Bei peripherer Nervenschädigung
venverlauf vor. Die Untersuchung sollte Leitungsstörung im Bereich des Plexus kann auch nur die sensible NLG ver-
demnach genau nach standardisierten und der Wurzeln hin _ mindert oder erloschen, die motorische
Messverfahren erfolgen_ Zur Beurtei- t Elektrophysiologische Refl exun- dagegen normal sein. Liegt eine Schädi_
lung der NLG gibt es für die jeweil igen tersuchung: Der Reiz wird so an den gung der motorischen Wurze l vor, ist
Nerven Normwerttabellen _Da die peripheren Nerv gesetzt, dass er die die NLG evtL herabgesetzt, die MSAP_
Leitungsgeschwindigkeit mit dem Alter afferenten Fasern reizt, aber zur Poten - Amplitude verkleinert und die sensible
abnimmt und auch von der Temperatur tialauslösung der efferenten Fasern zu NLG normal. Schädigungen des Plexus
abhängig ist, sollten die gemessenen schwach ist. So führt er über den führen hingegen zu einer Verlangsa-
Werte mit Vorsicht bewertet werden_ Reflexbogen zu einer Muskelkontrak- mung der sensiblen NLG und zu einern
tion, z_ B_O rbicularis-oculi-Reflex redu zierten sensiblen Nervenaktions_
Durchführung oder H-Reflex (= ASR )_ potentiaL Durch l~egi s tri erung der
Im Prinzip wird durch eine Oberfläch en- F-Welle und der elektrophysiologischen
elektrode ein überschwelliger Reiz Auswertung ReOexuntersuchung können Pl ex us-
gesetzt Eine weitere Elektrode (Ableit- Die Elektroneurographie wird zur Loka- läsionen oder Wurzelschädigungen
elektrode) registriert das Eintreffen des lisation und Verlaufskontroll e von peri- ebenfall s erfasst werden_
Aktionspotentials an ihrem Ort Es wird pheren Nervenläsion en herangezogen
die Zeitdifferenz zwischen Stimulus und (I Abb _1)_Primär demyelinisierende Elektromyographie (EMG)
Ableitung gemessen, woraus sich die Polyneuropathien weisen eine Verlang-
NLG berechnen lässt. Außerdem wird Mit der Elektromyographie können
die Amplitude der Reizantwort erfasst neurogene und myogene Muskelverän_
A (mV) derungen unterschieden werden.
• Motorische NLG: Der Reiz wird an Stimulus
mindestens zwei Stellen im Nervenver- Durchführung
lauf gesetzt und über dem Erfolgsmus- + Die Abl eitung der Muskela ktionspo ten_
kel abgeleitet. Die Reizstärke ist dabei tiale (MAP) erfolgt, indem eine konz nt-
so zu wählen, dass alle Fasern des Nervs a~ __~______________~ ri sc he Nadelelek trod in den zu unter_
gleichzeitig erregt werden und somit t(ms) suchenden Muskel g stochen wird. Die
das stärkste mögliche Muskelsummen- Potentiale werd en auf einem BildSChirm
aktionspotential (MSAP) mit der größt- A(mV) sich tbar gemacht sowi durch einen
möglichen Amplitudenhöhe abgeleitet Stimulus Lautsprecher auch akustisch dargest Ilt
werden kann _ Die elek trische Muskelaktivität wird in '
• Sensible NLG: Das sensible Nerven- + I~uh ,bei licht /' und b i maXimale "
aktionspotential kann orthodrom (ent- Musk Ikontrak tio n b urt ilt.
sp rechend der physiologischen Leitungs-
b ~--~~------------~
rich tung) und antidrom (entgegen der t (ms)
physiologischen Leitungsrichtung)
bestimmt werden_ Die Stimu lusstärke A(mV)
Zusammenfassung
• Bei vorwiegend demyelinisierenden PNP ist die NLG erniedrigt und die
Amplitudengröße weitgehend normal.
• Eine inkomplette axonale Nervenschädigung zeigt sich durch eine normale
NlG bei verkleinerter, verbreiterter Amplitude.
• Mithilfe des EMG kann man zwischen myogener und neurogener Muskel-
atrophie unterscheiden.
• Eine verlängerte Einstichaktivität und jede Spontanaktivität im EMG, die
vom entspannten, ruhenden Muskel abgeleitet wird, ist pathologisch .
Kopfschmerzen I
Kopf- und Gesichtsschmerzen werden • Gibt es auslösende Faktoren (Trigge r, Zur differentialdiagnostischen Einord-
durch Reizung schmerzsensibler Struk- z. B_ Menstruation, Alkohol, Zigaretten- nung der gefährlichen Kopfschmerz-
turen, wie der großen intrakraniellen rauch, Stress, Wetter)? formen sind neben Anamnese und kör-
Gefäße, Teilen der Meningen, der Sinus, • Familien-, Sozial-, Medikamenten- und perlich er Untersuchung ein CCT zum
der Hirnnerven und extrakranieller Konsumanamnese, Vorerkrankungen_ Ausschluss einer Subarachnoidalblutun
Strukturen, hervorgerufen_ Sie sind ent- und ei nes erhöhten Hirndrucks sowie g
weder Symptome spezifischer Erkran- Untersuchung eine Liquor- und Laboruntersuchung
kungen oder durch Funktionseinschrän- bei Verdacht auf Meningitis ausschlag_
kungen vasomotorischer oder neuraler Obwohl die körperliche Untersuchung gebend.
Mechanismen bedingt. Eine klinisch in den meisten Fällen unauffällig ist,
hilfreiche Einteilung erfolgt in gefähr- müssen einige Parameter überprüft wer- Subarac hnoidalblutung (SA ß)
liche und ungefährliche Kopfschmerzen _ den . Am Anfa ng sollte eine komplette Es hande lt sich um ein plötzlich auftre_
internistische und neurologische Unter- tendes, extrem schmerzhaftes Ereignis
Krankengeschichte suchung stehen _Besondere Beachtung das z. T. mit Bewusstseinsverlust, fOkaJe'n
sollten die in 1 Tabelle 1 aufgeführten neurologischen Ausfällen, vegetativen
Die genaue Erhebung der Anamnese ist Gesichtspunkte finden_ Symptomen und Nackensteifigkeit ein-
der entscheidende Faktor zur Diagnose- hergeht (I Abb. Ia; weitere Einzel-
findung, da die körperliche Untersu- Gefährliche Kopfschmerzen heiten s_ S. 80)_
chung meist unauffällig ist. Hierbei sollte
v_ a_auf Folgendes eingegangen werden: Gefährliche Kopfschmerzen zeic hnen Men ingitis
sich meist durch einen akuten Begi nn Der Kopfschmerz bei Meningitis ent-
• Wie lange besteht der Kopfschmerz? innerhalb von Sekunden bis Wochen wickelt sich über Stunden bis Tage und
• In welchem Zusa mmenhang und wie sowie durch erstmaliges und dann kon- ist progredienL Gleichzeitig beste hen
oft treten die Schmerzen auf? tinuierliches Auftreten aus. Fieber, Nackensteifigkeit, Übelkeit und
• Bestehen die Schmerzen kontinuier-
lich oder gibt es schmerzfreie Intervalle?
Wie lange halten die Schmerzen an?
• Nehmen die Schmerzen an Intensität b Men ingitis
a Subarachnoidalblutung
zu? Wie rasch?
• Wo sind die Schmerzen (genaue Loka- ;co
lisation)? '""c:
(/)
Q)
C
• Wie ist die Schmerzqualität (stechend,
dumpf, pochend, pulsierend, drückend)?
• Sprechen die Schmerzen auf Analge-
tika an?
Stunden
• Wie stark sind die Schmerzen auf
• Nackensteifigkeit • pnogrediente Kopfschmerzen
einer Skala von 1 bis 10 (1 = keine • plötzlich einsetzende, äußerst • Nackensteifigkeit
Schmerzen, 10 = schlimmste nur vor- starke Kopfschmerzen • Fieber
• Vigilanzstörungen • 99f. Hautveränderungen
stellbare Schmerzen)? • fokal neurologische Symptome • ggl. VIgilanzstörung
• Gibt es Begleitsymptome (Übelkeit,
Erbrechen, nasale Sekretion, neurolo-
gische Ausfälle, Fieber, Nackensteife, c Arteri it is tempo ra lis d Erhö hter HIrnd ruc k
:E
Erbrechen. Außerdem können Hautaus- klemmung besteht. Die konservative sollte die Behandlung mit Analgetika
schläge (z. B. Petechien bei Meningo- bzw. operative Therapie richtet sich vermieden werden, um nicht in einen
kokkeninfektion) und Bewusstseins- auch nach der zugrunde liegenden Ur- Kreislauf aus Medikamenten und anal-
eintrübungen assoziiert sein (I Abb. 1b; sache (s. S. 65) . Nach Möglichkeit sollte getikainduzierten Kopfschmerzen zu ge-
weitere Einzelheiten s. S. 104). sie unter kontinuierlicher Druckmes- langen. Zur medikamentösen Therapie
sung durchgeführt werden. wird Amitriptylin verwendet. Bei Unver-
Arteriitis temporalis (RiesenzeIl-
träglichkeit oder Unwirksamkeit können
arteriitis, M. Horton) Pseudotumor cerebri andere Antidepressiva eingesetzt werden.
Diese Vaskulitis betrifft mittlere und Die Patienten mit Pseudotumor cerebri
große Gefäße und tritt v. a. bei Frauen (benigne intrakranielle Hypertonie) sind Sinusitis
über 50 Jahren auf. Sie kann zu einer meist junge, adipöse Frauen. Sie klagen Die Schmerzen bei Sinusitis gehen bei
druckdolenten, verhärteten A. tempora- über Kopfschmerzen, die jenen bei er- Erwachsenen meist von den Stirn- und
lis mit Dauerkopfschmerzen im Frontal- höhtem Hirndruck gleichen. Weitere Kieferhöhlen aus und sind häufig mit
und Temporalbereich führen, die sich Symptome wie Brechreiz, beidseitige Fieber und Schnupfen assoziiert. Letzte-
besonders beim Kauen manifestieren Stauungspapillen, sich wiederholende res erleichtert die Diagnose.
(I Abb. lc). Bei einer entzündlichen Sehstörungen, Doppelbilder und Sinus-
Beteiligung der A. ophthalmica kann venenthrombosen können auftreten. Der Therapie und Komplikationen
die Komplikation einer ischämischen Liquordruck ist auf über 250 mmH 20 Operative Maßnahmen (z. B. Punktion)
Ophthalmopathie im schlimmsten Fall (Norm< 200 mmH 20 ) bei unauffälliger sollten erst nach Ausschöpfen der kon-
zur Erblindung führen. Es können Yen trikelgröße gesteigert. servativen Therapie (z. B. abschwellen-
Allgemeinsymptome wie sub febrile Die Ätiologie ist noch weitgehend un- de Nasentropfen, Wärmebehandlung,
Temperaturen, Abgeschlagenheit und klar; als Risikofaktor gilt Adipositas. Ein Inhalationstherapie, Antibiotikagabe)
Gewichtsverlust auftreten. Diese Form Zusammenhang mit oraler Kontrazep- eingesetzt werden. In manchen Fällen
der Vaskulitis ist häufig mit einer tion, Infektionen und Tetrazyklinen können lebensbedrohliche Komplikatio-
Polymyalgia rheumatica assoziiert, wird diskutiert. Therapeutische Optio nen aufgrund der topographischen Nähe
was sich klinisch durch Muskel- und nen sind Lumbalpunktionen, Diuretika zur vorderen Schädelgrube z. B. in Form
Gelenkschmerzen zeigt. und Gewichtsabnahme. einer Meningoenzephalitis nach Keim-
verschleppung, Sinusvenenthrombose,
Diagnostik und Therapie Ungefährliche Kopfschmerzen Thrombophlebitis bzw. Abszessbildung
Diagnostisch wegweisend sind eine im Epidural-, Subduralraum oder als
stark erhöhte BSG (Sturzsenkung, ca. Die ungefährlichen Kopfschmerzen kom- Hirnabszess entstehen. Weitere mögli-
100 mm / 1 h) und andere Entzündungs- men in der Bevölkerung sehr häufig vor che Komplikationen sind Ostitis, Osteo-
parameter im Labor sowie der Nachweis Die Ätiologie ist weitgehend unbekannt myelitis und orbitale Beteiligung (Orbita-
von Riesenzellen im Biopsat der A. tem- und nur bei der Trigeminusneuralgie ödem, Orbitaphlegmone).
poralis. Um einer Ophthalmopathie vor- vollständig geklärt.
zubeugen, ist eine frühzeitige Therapie
mit Kortikosteroiden (z. B. Prednisolon Spannungskopfschmerz
1 mgl kg KG ohne Augenbeteiligung, Dies ist die häufigste Kopfschmerzform;
3 mgl kg KG mit Augenbeteiligung, sie zeichnet sich durch eine Prävalenz
Erhaltungsdosis 5- 7 mg über mind. von 20 - 30% aus. Es handelt sich um a Spannungskopfschmerz
12 Monate) unerlässlich. einen episodischen bzw. teilweise chro-
nischen, meist beidseitigen, dumpf drü- einzelne
~ .... "
Erhöhter Hirndruck
Die Kopfschm erze n bei erhöhtem Hirn-
druck (s. S. 64) sind generalisiert, pro-
ckenden Kopfschmerz, der Minuten bis
Monate andauern kann (I Abb. 2a). Die
Betroffenen sind z. B. im Gegensatz zur
Kopf-
schmerz-
attacke '1 Tage oder Wochen
•
gredient und nehmen bei Husten und Migräne durch ihre Schmerzen nicht in
~
Veränd erung der Körperhaltung sowie dem Ausmaß behind ert, dass sie ihren Schmerz-
muster
in den früh en Morgenstund en an Inten- alltäglichen Aufgaben nicht mehr nach-
sität zu (I Abb. I d). Oft gehen sie mit gehen können. Fokal neurologische
Jahre
Erbrechen, Bewusstseinsstörun ge n, Ausfälle sowie Auren fehlen.
Beei nträchti gung der Hirnnerven und • kontinuierliche, intensitätsgleiche, dumpf
drückende, holozephale ggf. okzipital betonte
einer Stauun gspapille einher. Zur Dia- Therapie Kopfschmerzen
gnostik ist ein CCT un abdingbar. Bei • keine ausgeprägten Tagesschwankungen
Bei episodisch auftretend em Spannungs- • keine wesentliche Beeinträchtigung im Alltag
erhöhtem Hirndruck ist eine Liquor- kopfsc hmerz kann mit NSAR und Ent-
punk tion kontraindi ziert, da wegen der spannun gsü bungen therapiert werd en. I Abb. 2a : Syndrome bei ungefä hrlichen Kopf-
Druckverh ältni sse di e Gefahr einer Ein - Bei chronisc hem Spannungs kopfschm erz sc hmerzen. 131
Kopfschmerzen 11 --------------------------------~~
Trigeminusneuralgi e
Hierbei handelt es sich um oberflächliche, einseitige, blitzar-
tig einschießende, brenn end e Gesichtssc hmerzen meist im Zusammenfassung
Bereich von V2 und V3. Diese Attacken dauern Sekund en • Kopfschmerzen si nd ein sehr verbreit etes Symptom.
bis wenige Minuten an und können bis zu 200-mal täglich
• Eine grobe Einteilung kann nach klinischen Gesichts-
auftreten. Typischerweise werden sie durch Bewegungen
wie Mimik, Sprechen, Ka uen oder Berührungen getriggert. punkten in gefährliche und ungefährlic he Kopf-
Nicht immer sind während des Anfa lls ticartige Zuckungen schmerzen erfolgen.
(Tic douloureux) der mimischen MUSkulatur zu beobachten. • Die gefährlichen Formen sind sehr viel seltener als
Unterschieden wird eine symptomatische Fo rm, deren Ursa-
che eine Reiz ung des N. trigeminus durch ein kreuzendes die gutartigen.
Gefäß (meist A. cerebelli superior) ist, von einer idiopathi- • Die ungefährlichen Varianten treten meist episodisch
schen Neuralgie, für di e ätiologisc h jedoc h ebenfalls ein Ge- auL
fäß-Nerv-Kontakt di skuti ert wird. Häufig, aber nicht zwin-
• Zu den gefährlichen Kopfschmerzen zä hlen Subarach-
gend könn en Begleitersc heinunge n wie vege tative Symptome
(Rötun g, Speichelse kretion) auftrete n (I Abb. 2d ). noidalblutung, Meningitis, Arteri itis tempora lis, er-
höhter Hirndru ck, Pseudotumor cerebri und Sinusitis.
=2.. ..._.
Bewusstseinsverlust --------------------------~~
~ Eine Hyperventilation verursacht (Lachen, Erschrecken etc.) einen plötz- trisehe Aura voraus. Auch hier ist die
Hypokapnie und kann damit eine Syn- lichen Tonusverlust der gesamten Mus- Gabe von Antiepileptika indiziert.
kope hervorrufen. kulatur mit einem Blackout und stürzen
~ Beim Karotissinussyndrom kommt zu Boden. Eine Therapieoption ist die Transitorische ischämische
es infolge eines hypersensitiven Karotis- Gabe von Amphetaminen. Attacke (TIA)
sinus durch Kopfbewegungen oder ~ Intrazerebrale Drucksteigerungen Aufgrund von gefäßbedingten Verände-
Druck auf den Hals mit Reizung der durch eine Subarachnoidalblutung oder rungen, am häufigsten arteriosklero-
Barorezeptoren in der Karotisgabel zu einen Hydrozephalus können ebenfalls tisch, kommt es zu einer zerebralen
einer reflektorischen Vaguswirkung, die zu einem plötzlichen Bewusstseins- Minderperfusion und konsekutiv zu
zu einer AV-Blockierung bis hin zur verlust mit Kollaps führen. neurologischen Ausfällen. In diesem
Asystolie führen kann. Therapiert wird t Psychogene Anfälle sind schwierig Rahmen ist auch ein Bewusstseinsver-
diese Form der Synkope durch Schritt- abzugrenzen von oben genannten Diffe- lust möglich. Per definitionem müssen
macherimplantation. rentialdiagnosen. Üblicherweise sind die sich alle Symptome innerhalb von
~ Die häufigste Ursache einer Synkope Anfälle länger und theatralischer. Sie 24 Stunden vollständig zurückbilden
sind kardiale Funktionsstörungen. So können aus unkoordin iertem Fuchteln (s.S.78).
handelt es sich bei einem Adams- und Strampeln, Opisthotonus und
Stokes-Anfall um eine plötzlich auf- Zu-Boden-Sinken bestehen. Ein psycho- Transiente globale Amnesie (TGA)
tretende drastische Abnahme der Herz- gener Anfall beinhaltet keinen eigent- Diese Erkrankung ist ätiologisch unge-
leistung infolge von brady- oder tachy- lichen Bewusstseinsverlust, das Be- klärt. Diskutiert wird eine vorübergehen-
karden Herzrhythmusstörungen. Die wusstsein bleibt während des Anfalls er- de Beeinträchtigung des mediobasalen
bradykarde Form wird meist durch einen halten. Temporallappens. Ein Zusammenhang
AV-Block oder andere kardiale Ursachen mit einer Durchblutungsstörung wird
ausgelöst und durch Schrittmacherim- Bewusstseinsverlust diskutiert. Klinisch äußert sich diese Er-
plantation therapiert, während die tachy- krankung in einer plötzlich einsetzenden
ohne Sturz
karde Form durch eine kurzzeitige Tachy- Beeinträchtigung neue Informationen
kardie entsteht und antiarrhythmisch be- Absencen ins Gedächtnis aufzunehmen (Einspei-
handelt wird. Synkopen sind auch ein Absencen gehören zu den generalisier- cherstörung). Die Patienten sind wach,
Hauptsymptom der Aortenklappen- ten Krampfanfällen und treten v. a. bei wirken auf ihre Angehörigen häufig ver-
stenose, neben Schwindel, Atemnot Kindern im Grundschulalter auf (s. S. wirrt und ratlos. Dieselben Fragen wer-
und pektangiösen Beschwerden. Thera- 80fL). Die betroffenen Kinder fallen den wiederholt, häufig besteht eine Des-
pie der Wahl ist der operative Klappen- durch eine starre Haltung und einen orientierung zu Zeit und Situation. Die
ersatz. Ähnlich verhält es sich bei der abwesenden Blick auf und können sich Betroffenen sind jedoch in der Regel
Aortenklappeninsuffizienz, die bei anschließend nich t an die Episode erin- fähig, komplexe Fertigkeiten wie z.B.
höhergradiger Insuffizienz durch Atem- nern. Zum Teil führen sie Nesteibewe- Autofahren, Kochen, mit dem Hund spa-
not, eine große Blutdruckam plitude und gungen aus und es können eventuell zieren gehen etc. auszuführen. Die TGA
Pulsationen gekennzeichnet ist. myoklonische Augen- und Mundwinkel- kann bis zu 24 Stunden andauern und
zuckungen beobachtet werden. Eine an- bildet sich vollständig wieder zurück.
Generalisierter epileptischer tiepileptische Therapie ist einzuleiten. Meist besteht eine amnestische Lücke
Anfall für diese Zeit. Ein Rezidiv ist selten.
Generalisierte epileptisc he Anfälle si nd Komplex-fokale Anfälle
eine weitere Differentialdiagnose des Die häufi gste Form dieser Anfälle ist die Migräne
plötzlichen Bewusstseinsverlusts (s. S. 90). Temporallappenepilepsie, die durch Migräne (s. S. 48) kann verschiedene
einen trüben Blick, eine Bewusstseins- neurologische Ausfälle, u. a. Bewusst-
Weitere Ursachen eintrübung, orale Automatismen und seinstrübungen, zur Folge haben. Die
t Hypoglykämie: Ein Blutzuckerwert Grimassieren imponiert. Dem eigent- migrän etypischen Kopfschmerzen kön-
von weniger als 40 mg/ dl führt bei den liche n Anfall geht häufig eine epigas- nen diagnostisch wegweisend sein.
Betroffenen nebe n vegetativen Sym-
ptomen wie Schwitzen, Blässe und
Heißhunger zu Schwind el, Krampf- Zusammenfassung
anfällen, Bewusstseinseintrübung bis
hin zu m Bewusstseinsverlust und Kol-
*' Der Begriff "Bewusstseinsverlust" wird vom Patienten für verschiedene
laps. Ei ne sofortige Zufuh r von Glukose Situationen (z. B. Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung) verwendet.
i. v. ist indi ziert. *' Es sollte eine Fremdanamnese erhoben werden.
~ Narkolepsie ist eine seltene Ursac he *' Die häufigsten Ursachen für einen Bewusstseinsverlust sind Synkope:-:
fü r Bewusstseinsverlust. Die Patienten kardialer Genese und Krampfanfälle.
erleiden in bestimmten Situa ti onen
Bewusstseinsstörungen und Koma --------------------~
Bewusstseinsstörungen und Koma gehö- ämisches oder thyreotOXisches Koma Thrombosen) nach du rchschni ttlich
ren zu den häufi gsten und gravierends- oder eine Addison-Krise. Bewusstseins- 2- 5 Jah ren.
ten medizinischen Notfällen _Ein intak- störungen treten auch während oder
tes Bewusstsein basiert auf dem rei- nach einem epileptischen Anfall oder im Klinik
bungslosen Ablauf der Funktionen von Status epilepticus auf, aber auch psych- Die Klinik hängt auc h von der Art und
Hirnstamm und Kortex _Liegt hier eine iatrische Erkrankungen wie Katatonie der Lokalisation der Läsion ab. Fallen
Läsion vor, kommt es zu einer Bewusst- bei Schizoph renie oder ein hysterisches die Hirnstammrefiexe aus, ist dies ein
seinsstörung. Diese Abweichungen kön· Koma sowie psychische Ursachen kön- Zeichen für ein höh ergradi ges Koma-
nen unterschiedlichster Genese sein nen zugrunde liegen. stadium mit direkter oder indirekter
und bedürfen einer genauen Ursachen- Bei hohen mesenzephalen Läsionen (bei Hirnstammschädigung. Zu den
abklärung, um neben den Allgemein- Basilaristhrombose, Ponsblu tung) kan n Hirnstammrefiexen zä hlen der Husten_
maßnahmen mit spezifischen Behand- ein Locked-in-Syndrom entstehen, bei reflex, der Würgerefiex, der KorneaI-
lungen reagieren zu können. Eine dem es zu einer isolierten bilateralen reflex und der okuloze phale Reflex
Einteilung erfolgt nach dem Grad der Schädigung des Brückenfußes und somit (Puppen kopfphänom en; passive hori-
Bewusstseinsstörung: einer Unterbrechung zerebraler Affe- zontale und vertikale Kopfdrehung be-
renzen und Efferenzen kommt. Hier wirkt gegenläufige Bulbusbewegungenj_
t Somnolenz: Der Patient ist im schläf- sind die Patienten zwar wach und bei Ein wichtiges Kriterium sind auch
rigen Zustand, durch äußere Reize aber Bewusstsein, jedoch bestehen ei ne Hirn- Pupillenweite und -reaktion, di e je nach
leicht erweckbar. Optische Reize, wie nervenlähmung sowie eine Tetraparese. Komatiefe starr oder deren Reaktionen
z. B. das schnelle Heranführen der Hand Die Betroffenen können sich ihrer Um- träge sind. Aber auch pathologische Au-
an ein Auge des Patienten, lösen den gebung ausschließlich durch vertikale gensteIlungen und -bewegungen zeigen
Lidschlussreflex aus. Augenbewegungen und du rch Blinzeln sich bei Bew usstseinss törungen. So
t Sopor: Der Patient ist nur durch mitteilen. kann man divergente Bulbi, "Skew-
stärkste äußere Reize erweckbar. Spon- Das apallische Syndrom (Dezerebra- Deviation" (Augen stehen vertikal nicrn
tane Bewegungen sind nicht erhalten. tionssyndrom, Wachkoma, vegetative au f gleicher Höhe) bei Hirnsta mmläsion
Auf akustische Reize erfolgt kurzzeitig state) entsteht durch eine funktion elle "schwimmend e Bulbi" (d. h. spontane '
eine Orientierungsreaktion. Schmerz- Entkoppelung des geschädigten Groß- Hin-und -her-Bewegunge n der Bulbi ),
reize werden durch adäquate Abwehr- hirns vom intakten Hirnstamm, z. B. spontane Vertikalbewegunge n, Blick-
::ewegungen beantwortet. durch eine bilaterale mesenzepha le wendun gen und Nystagmusformen
Koma: In einem leichteren Koma- Läsion. Möglic he Ursachen können beobachten. Bei der differe ntialdiagnos_
"tadium reagiert der Patient nicht auf eine Hypoxie, ei ne globale Ischämie, ti sc hen Einordnung können vegetatiVe
:'ptische oder akustische Reize, jedoch eine Einklemmung oder ein Schädel- neurologische und sonstige Begleit- '
:.uf Schmerzreize mit undifferenzierten Hirn-Trauma sein. Hierbei werden die ersc hei nungen nützlich sein .
_-~bwehrbewegungen . Im tieferen Koma- zerebralen Afferenzen und Efferenzen Ein metabolisch veru rsachtes Koma
stadium zeigt der Patient keine Reaktion funktionell un terbrochen. Das Syndrom kann sich je nach zugrund e liegender
auf optische und akustische Reize und ist durch das Fehlen jeder kognitiven Pathologie durch spezifisc he klinische
ist selbst durch starke Schmerzreize Funktion, verbalen Äußerung oder Symptome zeigen . im Folgend en sind
nicht mehr erweckbar. gezielten Handlung gekennzeichnet. einige Beispiele aufgefü hrt:
Die Augen der Patienten können ge-
Ätiologie öffnet sein, jedoch ist keine Fixierung t Hypoglykämisches Koma: Entste-
Die Ursachen sind vielfältig. So können möglich, sodass der optokinetische Nys- hu ng plötzlich , Blässe, feuchte Haut,
z. B. Hirninfarkte sowie Raumforderun- tagm us typischerweise nich t erhalten normale Atmung, Tremor, hypertone
gen mit Einklemmungen oder Hypoxie ist. Die Beine werden in Streckhaltun g Musku latur, Hunger, evtl. epileptischer
zu zerebralen Läsionen mit Bewusst- und die Arme gebeugt oder gestreckt Krampfan fall
seinseinschränkungen führen, aber auch ge halten. Häufig treten orale Au toma- t Hyperglykämisches (ketoazidoti_
zerebrale Schäd en durch Traumata, Blu- tismen auf, die Primitivrefiexe sind oft sches) Koma: Entstehun langsa m
tunge n oder Enzephalitiden. Zu einem erhalte n und die Patienten haben über Tage, vermehrtes Durstgefühl, tro-
großen Prozentsatz sind Intoxikationen Schlaf-wach· Phasen. Die Prognose ist ckene Haut. Schwitze n; Aceton- bzw.
für Bewusstseinsstörungen verantwort- im Al lgemeinen sc hlec ht. Das apa l- obstarti er Ge ru ch; Ku ssrn aul-Atrnun
lich. So muss man immer auch differen- Iisc he Syndrom kann sich innerhalb Ii goanurie, hypoton Muskulatur (ni '
tiald iagnostisch an Alkohol, Medika- von zwö lf Monaten mit bleibenden Krämpfe)
mente und i. v. Drogenab usus (v. a. He· schweren Schäden zurückbild en. Dau- t Thyreotoxisches Koma: tad ium [:
roin, Morphium) denken. Häufig si nd ert der Zusta nd mehr als zwö lf Mona te psychomotorisc h Unruhe, Tachykard ie
Bewusstseinsstörun gen metabolischer an, ist eine Rü ckbildu ng eher unwahr- (> 150/ Min.), foi b r 4 1 ,Erbr -
0
Genese, wie Hyper- oder Hypoglykäm ie scheinlich. Die Patienten sterben an ehen, Du rchfall , hwit2 n, MllSk 1_
bei Diabetes mellitus, hepatisches, ur- Komplikationen [z. B. Pneumo ni , schwäch; tadium 11 : I .-ori nti rth It, .
....
Leitsymptome
52 I 53
• Urämisches Koma: braune Haut; Des Weiteren sollten der Urinabfluss Keine Reaktion
ziertes Koma: Morphinintoxikation: ggf. eine Intubation durchgeführt wer- Unzusammenhängende Wörter 3
Cheyne-Stokes-Atmung, Miosis; Alko- den. Zudem sind regelmäßige Labor- Unverständ liche Worte
holintoxikation: Mydriasis kontrollen sinnvoll. Keine verbale Reaktion
• Herniation: obere vs. untere Ein- Bei unklarem Koma sollte gemä ß der Moto- Befolgt Aufforderung
klemmung: Cheyne-Stokes-Atmung; großen Prävalenz von Diabetes mellitus ri sc he
Gezielte Schmerza bwehr
Mydriasis oder Anisokorie; einge- immer an die Kontroll e des Blutzuckers Reakti on
auf Massenbewegungen
schränkte oder erloschene Pupillen- gedacht werden. Ist dies in einem ver- Schmerz- Beugesynergien
reaktion [so S. 64) nünftigen Zeitrahmen nicht möglich, reize
Strecksynergien
kann in Ausnahmefäll en langsam eine
Diagnostik Glukoseinfusion gegeben werden, die Keine Reak ti on
Bei der Fremdanamnese sollte nach bei einer Hypoglykämie den Zustand Durch Add ition der Punkte lässt sich der Grad der
Koma t iefe beurtei len:
schleichendem oder plötzlichem Be- des Patienten rasch verbessert. Liegt
Coma- Zust and des Patienten Grad
ginn, Vorerkrankungen, Medi kamenten, ursächlich eine Hyperglykämie vor, ent-
Sca le
Alkohol , Drogen und psychischen Auf- steht im Vergleich zum potenziellen
6 -8 Pupillomo torik intakt. gezielte
falligkeiten gefragt werden . Die körper- Nutzen kein größerer Schaden. Jedoch Schmerzabwehr
liche Untersuchung sollte besonders im sollte die Infusion sofort gestoppt wer-
5- 6 Ungerichtete Schmerzabwehr,
Hinblick auf Einstichstellen, Kopfver- den, wenn sich nicht rasch eine Besse- divergente Bulbi
letzungen oder Zeichen eines epilepti- rung des Patienten ergibt. Wird ein 4 Keine Abwehr, Pupillenreaktion 111
schen Anfalls [Zungenbiss, Urin- oder Alkoholabusus vermutet, ist die Gabe verzögert. Muskeltonus erhöht
Stuhlabgang) vorgenommen werd en. von Thiamin zur Prophylaxe einer Wer- 3 Muskelton us scil laff, Pupille weit IV
Eine grundlegende Methode zur Klassifi- nicke-Enzephalopathie indiziert. Bei und reaklionslos, ke ine Schmerz-
reaktion
zierung der Bewusstseinsstörung ist die Überdosen mit bestimmten Substanzen
Glasgow-Coma-Scale [GCS, I Tab. I ). sollte das jeweilige Antidot verabreicht I Tab. 1: Glasgow-Coma-Sca le und ihre Bewer-
Sie stellt eine schnelle und einfache Me- werden (bei Opiaten Naloxon , bei Ben- t un g.
thode dar, den Zustand eines Patienten zodiazepinen Flumazenil ). Zeigen sich
einzuschätzen. Zudem ist ihre Bewer- Zeichen einer Hirndrucksteigerung,
tung international standardisiert, sodass kann eine Behandlung mit Mannitol,
eine Übergabe an weiterbehandelnde Dexamethason und Hyperventilation werden. Sind die Patienten an Menin-
Personen einfa ch und unmissverständ- erfol gen. Im Fall eines Status epilepticus gitis oder Enzephalitis erkrankt, bietet
lich ist. sollte eine Anfallsunterbrec hung mit sich eine Behandlung mit Antibiotika
Für die weitere Diagnostik spielen v. a. Benzodiazepinen oder Valproat versucht an .
CCT und MRT eine wichtige Rolle, um
Blutungen, Ischämien, Hirndrucksteige-
rungen, Tumoren oder Frakturen auszu-
schließen. Eine Liquorpun kLion sollte
bei Verdacht auf Entzündungen durch-
gefüh rt werd en. Ein EEG zur Suche
nach Herdbefund en oder Anfal lsko rrela- Zusammenfassung
ten und eine An giographi e zum Aus- • Bewusstseinsstörungen kann man vereinfacht in Somnolenz (schläfriger
schluss eines Aneurysmas oder einer Zustand, leicht erweckbar, Lidschlussreflex erhalten), Sopor (nur durch
Thrombose können ergänzend einge·
setzt werden. Die Labordia nosli k ollte starke Schmerzreize erweckbar, adäquate Abwehrreaktion) und Koma
Blutgase, Blutglukose, Elektrolyte, Nie- (nicht weckbar, unkoordinierte Abwehrbewegung) unterteilen.
ren- und Leberwerte sowie Ammoniak • Die Glasgow-Coma-Scale ist eine einfache und schnelle Methode, den
umfassen. So können sich Hinweis auf
Schweregrad der Bewusstseinsstörung eines Patienten zu erfassen und
Hypo- oder Hyperglykämie, EI ktro-
lytentgleisungen, Nieren· ode r L bel' eindeutig zu dokumentieren.
insuffi zienz erge ben. • Bei unklarem Koma immer an die Kontrolle des Blutzuckers denken.
Schwindel --------------------------------------~:
Unter "Schwindel" versteht man Scheinbewegungen, die (Scheinbewegungen, wenn Objekte nicht in der Fovea fiXiert
durch gegensätzliche Informationen der Sinnesorgane ausge- werden können und ständig Korrekturbewegungen ausge-
löst werden. Schwindel ist ein Symptom, das physiologisch führt werden). Am häufigsten ist der posteriore Bogengang
auftreten kann, aber auch bei zentralen, vestibulären oder betroffen . Bei Lagerung des Kopfes zum betroffenen Ohr setzt
psychogenen Störungen vorkommt. Unterschieden werden nach einer Latenz von wenigen Sekunden ein rotierender,
folgende Formen des Schwindels: zum betroffenen Ohr (nach unten) schlagender, erschöpf-
licher Nystagmus mit Crescendo-Decrescendo-Charakter ein_
t Drehschwindel: Hier besteht die Wahrnehmung, dass sich
Als Auslöser des benignen paroxysmalen Lagerungsschwin_
der Raum stets um einen dreht ("Karussellfahren").
dels wird eine Lageänderung des Körpers beschrieben.
t Schwankschwindel: Der Patient fühlt sich "wie auf einem
Ursache dieser Erkrankung ist eine Kanalolithiasis, d_h. Stein-
Boot" mit schwankendem Boden.
ehen, die sich aus den Makulaorganen gelöst haben und Lrn
Der Schwindel kann als Dauerschwindel, unabhängig von der posterioren Bogengang bei Bewegung die Sinneszellen reiZe n_
Körperposition, als Attackenschwindel oder auch als Lage- Zur Behandlung eignet sich das Lagerungstraining nach
oder Lagerungsschwindel auftreten: Brandt (I Abb. 1). Der Patient sitzt da zu auf der Kante einer
ebenen Liege. Er dreht den Kopf um 45° horizontal zur
t Lagerungsschw indel: bei Kopfbewegungen oder Ände-
gesunden Seite, anschließend wird der Oberkörper in dieser
rungen der Körperachse
Position rasch seitlich auf die kranke Seite gelagert. Diese
t Lageschwindel: nur in bestimmter Körper- oder Kopf-
Haltung wird gehalten, bis der Schwindel vergeht, bevor der
position auftretend.
Patient schnell in unveränderter Stellung auf die andere Seit
Für 70 %der Schwindelsymptome sind ursächlich vier Erkran- der Liege gelagert wird. Täglich jeweils fünf Durchgänge e
kungen verantwortlich: der benigne paroxysmale Lagerungs- bei 5- bis 1O-facher Wiederholung führen in der Regel nach
schwindel, die Neuritis vestibularis, der Morbus MeniEn und ca. zwei Wochen zur Beschwerdefreiheit. Bei therapierefrak_
der phobische Schwindel. Die Schwindelerkrankungen kön- tären Verläufen ist eine selektive Neurektomie in Erwägung
nen zudem in vestibuläre und nicht vestibuläre Schwindel- zu ziehen.
formen unterteilt werden.
Neuritis vestibularis
Diagnostik Bei der Neuritis vestibularis geben die Patienten anamnes-
tisch einen Dauerdr~h sc.~windel mit Übelkeit, Erbrechen und
Eine genaue Anamneseerhebung spielt eine maßgebliche Rol- OszIllopslen ohne Horstorung an. Der perIphere, einseitige
le in der Diagnostik von Schwindelerkrankungen. Wichti g Vestibularisausfal1 führt zu einem Spontannystagmus mit rOt _
sind besonders folgende Fragen: Welche Form des Schwindels torischer Kompon ente und Schwindel zur gesunden SOWie a
liegt vor? Wie lange dauert er an? Ist es eine Attacke oder ein einer Fallneigung zur erkrankten Seite. Der Erkrankungsgipf 1
Dauerschwindel? Gibt es Auslöser (z. B. bestimmte Positionen dieser zweithäufigsten Schwi ndelursache liegt um das e
des Kopfes, bestimmte Situationen)? Treten Begleitsymptome 50. Lebensjahr. Ein möglicher ätiologischer Zusammenhang
auf (Tinnitus, Hypakusis, Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen, mit einer vira len Infektion wird diskutiert. Durch zentrale
Nystagmus, Ataxie, Dysarthrie, Bewusstseinsstörungen etc.)? Kompensation erfolgt nach ca. zwei Wochen ei ne Spontan_
Bestehen Begleiterkrankungen (Infekte, kardiale Erkrankun- besserung. Therapeutisch sind in der Akutphase BettrUhe
gen, Hyper- oder Hypotonie, Epilepsie, Migräne)? Auch eine und Kopfruhigstellung notwendig. Zur Behandlung der
genaue Medikamemenanamnese ist von großer Bedeutung Übelkeit und des Nystagmus sind Antivertiginosa indiziert
(Antikonvulsiva, Antiarrhythmika, Antihypertensiva). Neben Unterstützend sollten Gleichgewichtstrain ing und Balance·_
der genauen neurologischen und internistischen körperlichen übungen erfolgen.
Untersuchung sollten auch eine Nystagmus-, eine Vestibula -
ris- und eine Hörprüfung erfolgen (5. S. 22 und 26). Zur Morbus Meniere
weiteren Abklärung neurologischer oder zentraler Ursachen Beim Morbus Menier wird in Hydrops d r Endolymphe im
können Untersuchungen wie eT, MRT, EEG, ENG, evozierte Labyrinth angenomm n, bei dem es v rmutlicll durch Risse.
Potentiale oder eine Dopplersonographie der hirnzuführen- der Membran des Saccus endolymphaticus zum Einstrom ka~~
den Gefäße eingesetzt werden. Ebenfalls sollten internistische umreicher Endolymphe in di P rilymphe und zu I esorptio 1
ns
Erkrankungen durch Untersuchungen wie EKG oder Schel- störungen kommt. I r vi rlhäufigst hwind I hat einen E -
long-Test ausgeschlossen werden. krankungsgipf I zw ischen d m 30. und 50. L b nsjahr. f-
Klini sch ze i en sich in Minut n bis tund n andauernder
Vestibuläre Schwindelformen Drehschwindel, Tinni tus und in lnn 11 hrs hw rhöri gkeit
für tie fe Frequ nzen. Au ßerd 111 ll'et n ympt m wie Naus
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel Erbrechen, Falln i un ,horiz ntal r Nysta mus und Bläs e ea,
Diese häufigste peripher-vestibuläre Schwindelform impon iert auf. Typisch ist in pl ötzli h l' ß-giI n, g fit v n inem lan. _
klinisch durch einen Sekunden bis Minuten andauernd en sa men Abkling n (5 - 10Jal1r ) in üb 1'80%d r Fäll. B i d g
Drehschwindel mit Übelkeit, Erbrechen und Osz illopsien Untersuchung ind in positiv s R rullm nt und in th 1'_ r
Leitsymptome
54155
Unter "Sehstörungen" fasst man Erscheinungen wie Schleier- linkes Gesichtsfeld rechtes Gesichtsfeld
(D "~. CJ)'""'PO""
sehen, Visusminderung bis zum totalen Visusverlust und Ge-
sichtsfeldausfälle zusammen_ In der Medizin gehören sie zu
den häufigen und wichtigen Beschwerden_ Für die Patienten
. 0
Einseitig e Am aurose
"mpm.,
(monookulärer
bedeuten Sehstörungen eine Einschränkung der Lebensquali- Gesichtsfeldausfall)
tät, Probleme im privaten Alltag und im Arbeitsleben_ Zud em
können visuelle Störungen Ausdruck einer gravierenden
Heteronym e bi nasale FasCiCUlus
Grunderkrankung, etwa eines Tumors, multipler Sklerose Hemianopsie optlCUs
oder eines Schlaganfalls, sein (I Tab_ 1)_ Die Art der Seh-
störung hängt von der Lokalisation der Schädigung ab.
Eine Minderung der Sehschärfe, z. B. mit Verschwommen-
sehen, deutet auf eine retinale Läsion oder eine Störung des
N. opticus hin, wohingegen Störungen der Sehbahn peripher
des Chiasma opticum eine unauffällige Pupillenreaktion
und Sehschärfe zeigen. Sind Strukturen der Sehbahn zwi-
schen dem Chiasma opticum und dem Kortex geschädigt,
treten Gesichtsfeldausfälle auf, die je nach Schädigungsort
ein typisches klinisches Bild zeigen können (I Abb. 1). ~
Q uadrantenanopsie Area striata
nach oben
Monokuläre Sehstörungen
G
Quadrantena nopsie
Ist nur ein Auge von den Sehstörungen betroffen, liegt diesem nach unten
Befund eine Schädigung von Strukturen des betroffenen Au- I Abb. 1: Ges ichtsfelddefekte in Abhängigkeit vom LOkali sa tionso rt der
ges selbst oder des Nervus opticus vor dem Chiasma opticum Sehbahnläsion. [N ac h 161
zugrunde.
tende Visusminderung häufig mit ßulbusbewegungsschmer_
Akute monokuläre Sehstörungen zen, die sich im Verlauf spontan bessern und VOllständig zu-
t Amaurosis fugax: Eine Verminderung des Blutflusses in rückbilden kann. Zunächst zeigt sich ein unauffälliger Fund
der Zentralarterie, z_ B. durch eine Stenose der A. carotis in- ("Patient sieht nichts, Arzt sieht nic hts"), nach einigen Wo- Us
terna, Herzrhythmusstörungen, eine Insuffizienz der kardi- chen allerdings wird häufig eine temporale Abblassung der
alen Pumpleistung oder starke Blutdruckschwankungen bei Papille beobachtet. Sie ist häufig Erstsymptom einer multipl
Gefäßstenosen, kann vorübergehend eine Ischämie der Retina Sklerose (s. S. 100) . Differen tialdiagnostisch muss auch an en
erzeugen. Dies äußert sich in einer akut auftretenden, ca. eine anteriore isc hämische Optikusneuropathie, an ei n Gla
5-15 Minuten anhaltenden einseitigen Blindheit und wird kom und ein Optikusscheidengangliom gedacht werden. u-
als Amaurosis fugax bezeichnet. Begleitsymptom e können • Retinale Migräne: Kennzeichnend fü r diese Form der
weitere TIAtypische Beschwerden sein (s. S. 78) . Bei der Un- ~i grä n e ist neben ~ e n t~pi sc he n K o pfsc hm e rz~ n und vegeta_
tersuchung findet man zwischen den Episoden einen unauf· tJVen Symptomen em plotzltcher, kompletter, einseitiger Vis
fälligen Augenbefund. Eine Doppleruntersuchung der Karoti- verlust. Dieser dauert un gefähr eine Stunde an. Betroffen Si Us-
den sollte erfolgen. Eine Amaurosis fugax kann ein Warnhin- vorwi egend jüngere Personen, die zu 60% eine familiäre nd
weis auf einen drohenden Schlaganfall sein. Belastung aufweisen.
t Zentralarterienverschluss: Ein ischämischer Infarkt der • Pseudotumor cerebri: Bei diese m Krankh eitsbild , das v
Retina mit Sehverlust auf der betroffenen Seite ist die nächste junge, adipöse Frauen betrifft, ko mm t es zu K op fschm erze~ a.
schwerwiegende Steigerung der Amaurosis fugax_Die Ursa- Stauungspapille und Sehstörungen in Form von transienler '
che hierfür ist häufig ein thromboembolischer Verschluss der Verdunkelung für weni ge eku nden sow ie zu Doppelbilder
A. centralis retinae. • Trauma: Verletzungen der oph thalmologischen Struktur n_
en
• Glaukomanfall: Hierbei handelt es sich um eine Notfall- (z. B. Abl atio der Retina nac h einer stum pfen ßUl buskontll _
situation durch einen plötzlichen intraokulären Drucka nstieg, sion, penetrierend e Verletzun gen mit kons ku tiver Entzün_
z. B. aufgrund einer Verlegun g der Tränenabflusswege. Die dung) können ebenfalls zu einem ein- od I' beid eitigen Vis
Patienten haben hefti ge orbitale Schmerzen und Sehstörun- verlust führen. lls-
gen. Das Auge ist stark gerötet und die Bindehaut geschwol- • Anteriore ischämische Optikoneuropathie (AI N):
len (Chemosis). Typischerweise reagiert die Pupille des betrof- Wegen alheroskleroti sc h bedin tel' Min d rperfusion des Seh _
fenen Auges träge auf Licht und ist entrundet. Die Patienten nel'vs komm t es zu in I' Visusmin d I'ung mi t s ktorfö rffii g
geben z. T. das Sehen farbiger Ri nge um Lichtquellen an. Eine Gesichtsfeldausfä ll n. Die eh töru ng n ntw ick In . ich ine n
rasche augenärztliche Intervention ist erforderlich. Min ute n bis Tagen. ß i der Fun doskopi z igen sich in Pa .
• Neuritis nervi optici (Retrobulbärneuritis): Die Optikus- lenödem und I' tinal Blutun g n. Di AI N kann mo nok UL~ll
neuritis imponiert durch eine innerhalb von Tagen auftre- oder binokulär auftr t- n. ind di ß tl' ff n n ält I' als 6S Jar
ah-
Leitsymptome
56157
----
empfunden Rückenmark sbahnen und POlyneurOpathi~1'1
Hyperästh eSie Gesteigerte Empfindlichkeit auf Berührungs- Periphere Nerve nläsionen
Ätiologie und Klinik reize
Periphere Läsionen Hypästhesie Herabgesetzte Empfindlichkeit auf Schädigung zen traler Sensibilitä tszentr~
t Durch die Läsion eines peripheren Berührungsreize Rück enmark sbahnen •
fig ein handschuh- oder strumpfförmiges Nackenbeuge- Bel MS. Halsl11arktul11or od r zervlkal e,; - - - -
zeichen in die Extremit äten fahrende elektri sierende Band scheib nvorfall
Verteilungsmuster (Polyneuropathie-
(Lhermitte) Dysästi1esien
syndrom).
Astereognosie Untersc heidung von Objek ten durch Ertaslen
t Tri tt ein Defekt der radikulären
----
nicht möglich
Strukturen ein , führt dies zu segmen-
tal angeordnete n Ausfällen entspre- I Tab. 1: Symptombesc hreibungen und mög liche Ursac hen der Sen ibilit älss törun' n.
Leitsymptome
58 I 59
Zentrale Läsionen Verlust der Propriozeption wird eher als peutisch steht die Behandlung der zu-
Die meisten zentralen Läsionen entste- Ungeschicklichkeit, Instabilität und als grunde liegenden Ursache im Vorder-
hen durch Raumforderungen wie Tu- Engegefühl um die Extremität empfun- grund.
moren, Abszesse, Blutungen, Ischämien den. Bei kortikalen Läsionen stehen Durch ergänzende apparative und
und Entzündungen_ Nach Kreuzung der Ungeschicklichkeit und Funktionsver- labortechnische Diagnostik können
epikritischen Fasern in der Medulla lust mehr im Vordergrund als der Sen- mögliche auslösende Erkrankungen wie
oblongata verursachen Läsionen im sibilitätsverlust. Auch die Zeitspanne bis Ischämien, Raumforderungen, Blu-
Hirnstamm mit Verletzung der entspre- zur Manifestation kann Hinweise auf tungen oder Entzündungen erkannt
chenden Bahnen eine epikritische und die mögliche Ätiologie geben. Thera- bzw. ausgeschlossen werden.
protopathische Sensibilitätsstörung ipsi-
lateral im Bereich des Kopfes und kon-
tralateral distal des Halses_ Begleitend Totaler Halbseitige Zentrale
Querschnitt Rückenmarksläsion Rückenmarksläsion
treten meist Hirnnervenausfälle und
motorische Störungen wie Paresen und
Ataxie auf- Eine Schädigung des Thala-
mus führt zu einem kontralateralen Sen-
sibilitätsausfall aller Oualitäten sowie
häufig zu einer Hyperpathie_ Auch hier
segmental
sind die sensiblen Symptome nicht iso- • Berünrung • Berührung • Beruhrung • BeriJhrung
• Vibration
liert vorhanden, sondern kommen oft in • Propriozeption
• Vibralion
• Propriozeption
J • V ibration
· Propnozeptlon
· V ibration
· Propriozepllon
• Schmerz
Kombination mit Ataxie, Choreoatheto- • Temperatur
• Schmerz
• Temperatur
• Schmerz
• Temperatur
• Schmerz
• Temperatur
se und evtL Hemianopsie vor_ Charakte-
ipsilateral Parese kaudal der Läsion segmentale Paresen
ristisch für eine Läsion in diesem Be-
reich sind der Thalamusschmerz und Läsion der Arteria·spinalis· Hirnstamm- Thalamus-
die Thalamushand (Fingerbeugung in Hinterstrangbahnen anterior-Syndrom läsion läsion
Tractus corticospinalis im Vorderstrang I Abb . 1: Durch d ie Vert eilung d er m otori sch en St örun ge n ka nn auf den O rt d er Läs ion gesc hl Osse n
des Rückenmarks herab. Im Vorderhorn d~ . I ~ WeG
erfolgt die Umschaltung auf das zweite
Motoneuron, das als motorischer Spinal· Klinik häufiger bilaterale Ausfäll e unterhalb
nerv zu den neuromuskulären Endplat· Läsionen des erst en der Läsion. Häufig sind bei Rücken.
ten zieht, wo Nervenimpulse auf die marksverletzun gen auch die sensible n
Motoneurons Bahnen betroffen.
Muskulatur übertragen werden. Störun·
gen auf den unterschiedlichen Ebenen Schädig ungen von Kortex, Hirn-
der motorischen Bahnen führen zu stamm oder Rückenmark Spastische Spinalpara lyse (heredi _
Auffälligkeiten im Muskelton us, der Läsionen in diese n Bereichen führen zu täre s~astische Spina lpara lyse, HSp)
Reflexe, der Muskelmasse (I Tab. 1 und einer Schädigung des ersten Moto· Diese Erkra nkung Wird heterogen ver-
S. 28 ff.) und der Kraft (I Abb. 1). Aller· neurons mit den daraus fo lgend en kJi· erbt (s. S. 98J und ist auf eine Degene
dings können auch nicht neurologische ra
nischen Zeichen (I Tab. I). Defekte im tion der Pyram idenbahn zurückZUfüh. -
Ursachen eine Schwäche oder Lähmun· Bereich vor der Kreuzung der Fasern in ren. Die Symptomatik manifestiert Sich
gen bedingen. der Pyram ide im Hirnstamm führen zu in der zweiten Lebensdekad e zunäch
. b . . st
kontralateralen Paresen. Es lassen sich be lD eto nt mIt el~ e r progredienten sPas-
Ätiologie positive Pyramidenbahnzeichen (z. B. tIsc hen Tonuse rhohung der Beine Und
Strü mpell·Zeichen,Oppenheim·Zei· greift häufi g erst nach einige n Jahren
Die Ursachen für Schwäche und Läh· ehen, Babinski·Zeichen) auf der gesc hä· auch auf die obere Extl'emität über.
mungen sind zahlreich (I Tab. 2). Zu digten Seite auslösen. Hierbei hand elt es
den häufigsten zählen Schlaganfälle, sich entwickJungsgeschic htlich um fr ü· Amyotrophe Lateralsk le rose (ALS)
Raumforderungen (Tu mor, Blutungen, he, unreife Reflexe, di e im Laufe der Die AL (s. . 98) Ist charakterisiert
Abszesse), Traumata und entzündliche normalen Entwicklung gehemm t wer· durch ine D neration d s ersten
Erkrankungen. den. Läsionen im Rü ckenmark zeigen un d zweite n Motoneurons mit den
1. Mo toneuron Spasti sch ges tei. Gesteigert. path o· Norm al Zentra le Schädigung SChlaganfall. MS, Traum . Blutung n. TU l11 ol cn. AbszeSse
gert (bei akuter logische Refl exe spa tisch plnalpo loly ,
Läsion zunäChst --------------------
Schädigung au f
schlaff)
I Tab . 1: Veränderungen der Mo t ori k en tsprechend d em Läs io nsort. I Tab. 2: Äl iologi von Mu kolsc hwäc ll und Pa,o on.
Leitsymptome
60 I 61
entsprechenden motorischen Ausfällen (I Tab. 1). Klinisch Poliomyelitis anterior
zeigen sich langsam-progrediente, asymmetrische Paresen. Bei der spinalen Kinderlähmung kann es nach einer Infektion
Die ALS manifestiert sich häufiger an den Extremitäten, mit einem Enterovirus zur Ganglienzelldegeneration im Vor-
jedoch ist auch eine bulbäre Primärmanifestation möglich. derhornbereich kommen. Klinisch zeigen sich neben Allge-
Das sensible System ist nich t bzw. selten und dann nur meinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und
gering betroffen. Gliederschmerzen asymmetrische schlaffe Paresen bevorzugt
an den proximalen Extremitäten, Ebenso imponieren Zeichen
Syringomyelie einer lymphozytären Meningitis. Die Krankheit ist melde-
Die Syringomyelie wird den Entwicklungsstörungen des Ge- pflichtig bei Verdacht, Erkrankung und Tod.
hirns und des Rückenmarks zugeordnet. Sie kann aber auch
nach einem Trauma, einem Tumor oder einer Entzündung Läsionen der neuromuskulären Endplatte
entstehen. Dabei kommt es zu flüssigkeitsgefüllten Höhlen- Die Myasthenia gravis pseudoparalytica gehört ebenso
bildungen in der grauen Substanz des Rückenmarks. Eine wie das Lambert-Eaton-Syndrom zum Formenkreis der
Schädigung des motorischen Systems ist daher je nach Lage myasthenen Syndrome (s. S, 122). Sie sind durch eine zuneh-
der Syrinx nicht immer vorzufinden und manifestiert sich mende Schwäche bei repetitiver Muskelkontraktion gekenn-
häufig erst in einem späten Krankheitsstadium. Auf Ebene der zeichnet. Dabei sind die Reflexe, der Muskeltonus, die Mus-
Läsion können dann periphere schlaffe, atrophische Paresen kelmasse und die Sensibilität unauffällig.
auftreten. Unterhalb der Schädigung kann es aufgrund einer
Läsion der Pyramidenbahn zu einer spastischen Parese kom- Läsionen der Muskulatur
men. Die Ätiologie von Myopathien ist heterogen (hereditär z. B.
myotone Dystrophie, Muskeldystrophie, Kanalerkrankungenj
Läsionen des zweiten Motoneurons entzündlich z. B. Polymyositis, Dermatomyositis; metabolisch
Schäden im Bereich des zweiten Motoneurons (Vorderhorn- z. B. Glykogenose, Lipidspeichererkrankung; toxisch z. B.
zellen, periphere Nerven) können degenerativ (z. B. SMA), Steroide, Alkohol; endokrin z. B. Hypothyreose; s. S. 124ff.).
metabolisch- toxisch (z . B. Diabetes mellitus) oder trauma- Klinisch charakteristisch sind meist proximal betonte Paresen,
tisch bedingt sein. Atrophie erhaltene Sensibilität, normale oder abgeschwächte
Reflexe und z. T. Muskelschmerzen.
Spinale Muskelatrophie (SMA)
Die spinale Muskelatrophie (s. S. 98) ist ätiologisch auf einen Nicht neurologische Schwäche
genetischen Defekt (SMN I , SMN2) zurückzuführen, infolge- Muskelschwäche kann sich aus orthopädischen Erkran-
dessen es zu einer Degeneration des zweiten Motoneurons kungen (z. B. Arthrose) oder Fehlstellungen entwickeln.
kommt. Es werden vier Typen sowie Sonderformen unter- Schmerzen jeglicher Art können bei der klinischen Unter-
schieden - Typ I: infantile Form (Werdnig-HoffmannJ, Typ 11: suchung Paresen vortäuschen.
intermediäre Form, Typ 111: juvenile Form (Kugelberg-Welan-
der), Typ IV: adulte Form - , wobei je nach Ausmaß des Gen-
defekts und des damit verbundenen Funktionsdefi zits des
SMN-Proteins die Schwere des Verlau fs differiert. Das kli-
nische Bild sind meist proximale beinbetonte, symmetrische
Zusammenfassung
Paresen und Atrophien.
x Das erste Motoneuron hat seinen Ursprung im Motor-
Bulbärparalyse kortex, zieht als Pyramidenbahn durch das Gehirn
Bei einer Läsion der motorischen Hirnnervenkerne V, VII, und als Tr. corticospinalis lateralis oder Tr, cortico-
IX- XII spricht man von einer Bulbärparalyse (I Tab. 3). Die
Patienten fall en durch Dysarthri e, Dysphagie, sichtbare Faszi- spinalis anterior das Rückenmark hinunter. Die Um-
ku lationen der Zun ge und eine beidseitige Fazialisparese auf. schaltung auf das zweite Motoneuron, das als peri-
pherer Nerv zu den Muskeln zieht, erfolgt in der Vor-
derhornzelle des Rückenmarks,
Bulbärparalyse P8eudobulbärparalyse
X Zeichen von Läsionen des ersten Motoneurons sind
Lä sion der motori schen Hirn- Läsion supra nukleä r Im Bereich des HIrn sl amms
nervenk erne, Läsion des zwei- oder der konikobulbärcn Fasern, Läsion des
spastische Parese, gesteigerte Muskeleigenreflexe,
ten Moton eurons ersten Motoneurons keine Atrophien. Pyramidenbahnzeichen.
Klinik : At rop hi en, Dysa rthri e, KIi'llk: verl angsamte lungenb w gu ngen,
Dysphagie, Fasziku lat lonen Spastlk der Extremltil ten, Dysartllrle, Dysphagie,
X Zeichen von Läsionen des zweiten Motoneurons sind
(an der Zunge sicll tb or) , Faszia- keine Alroph len, keine Faszikulatl on n. patholo- schlaffe Parese, abgeschwäc hte/erloschene Reflexe,
lisparcse glsellos Lael, on und Weinen
Atrophien, Faszikulationen ,
I Tab. 3: Bulbär- und Pseudobulbärparalyse.
Gangstörungen und Ungeschicklichkeit ----------------~
Gangstörungen Symmetrische Gangstörungen
• Die zerebellär-ataktische Gangstörung ist charakterisie t
Gehen ist ein komplizierter Prozess und hängt von folgenden durch eine breitbasige, unregelmäßige Schrittfolge mit Stand~
Faktoren ab: einem intakten Skelettsystem, Muskelkraft, unsicherheit und Schwanken (s. u.).
Gleichgewichtssinn, Propriozeption und Koordination. Zu • Der sensibel-ataktische Typ ei ner Ga ngstörung beruht auf
Gangstörungen kann es bereits kommen, wenn bei einem einer fehl end en oder mangelhaften Rückmeldung sensibler
dieser Faktoren eine Fehlfunktion vorliegt. Bahnen (Vibrations- und Lageempfind en) an das ZNS und
wird als "spinale Ataxie " bezeichn et. Zu den Wichtigsten
Anamnese und Diagnostik Ursachen zählen Polyneuropalhie, multiple Sklerose, Vitanu _
Neben der allgemeinen Anamneseerhebung sollte besonderer B1z-Mangel und die Fried reich-Araxie. Es kommt zu unter- n
Wert auf folgende Punkte gelegt werden: Wie lange liegt die schiedlicher Schrittlänge, wobei die Beine ungleichmäßig
Gangstörung vor? Trat sie plötzlich ein oder wurde das Ge· gehoben werden. Charakteristisch ist, dass die Gangunsic~n
hen allmählich schlechter? Wie weit und wie schnell ist das heit bei fehl ender visueller Fixierung z. B. im Dunkeln Ode er-
Gehen möglich? Kam es zu Stürzen? Bestehen Schmerzen in bei verschlossenen Augen stärker ausgeprägt ist, wobei sie r
einem oder beiden Beinen oder in der Lendenwirbelsäule? durch Fixierung der Umwelt mit den Augen eine Besserun
Treten diese Schmerzen nur beim Gehen auf oder sind sie erfahrt oder komplen kompensiert werden kann . g
auch in Ruhe vorhanden?
Es ist nicht nur eine neurologische Untersuchung notwendig, Sonderformen
sondern es muss auch besonders auf Fehlstellungen, Atro- • Die Gehstörung beim Morbus Parkinson zeichnet sich
phien und Hautveränderungen geachtet werden. Ein wich- durch einen kleinschrittigen Gang aus. Außerdem laufen d-
tiger Bestandteil der Diagnostik symmetrischer und asymmet- Patienten mit vornübergeneigtem Oberkörper und ange- le
rischer Gangstörungen ist die genaue Ganganalyse. winkelten Armen, di e beim Gehen kaum mitschwingen
(s. S. 94 ff. ). Auch zerebrovaskuläre Erkrankungen können
Ganganalyse und Klinik Gangstörunge n hervorrufen. Im Rahmen des M. Binswan
Asymmetrische Gangstörung kommt es je nach Lokalisa tion des Gewebeuntergangs zu ger
In der Regel führt eine einseitige Tonusveränderung oder eine Paresen . Sind die Stammganglien betroffen, ist oft ein kurz_
Halbseitenschwäche zu einem asymmetrischen Gangbild. sc hrittiger Gang zu beobachten. Charakteristisch ist ein br .
Auch Gangstörungen orthopädischer oder anderer nicht neu- basiges ataktisches Gangbi ld . elt-
rologischer Genese sind meist asymmetrisch. Sie können bei • Unter dem sogenannten Watschel- oder Trendelenbu
der Anamnese und genauen körperlichen Untersuchung er- Gang versteht man eine Störung, die durch eine Schwächrg-
kannt werden. der Mm. glu tei medii beidseits bei einer Wurzelläsion LS e
Hüftdysplasie oder Muskeldystrophien entsteht. Hierbei ka
• Die Symptomatik (Rigor, Tremor, Akinese) bei einem Parkin- durch eine Lähmung der Glutealmuskeln das Becken nichtn
son-Syndrom ist in den meisten Fällen nicht seitengleich aus- am Standbein fixi ert werd en und sinkt beim Laufen zur G
e-
geprägt, was sich klinisch als ein Hemi-Parkinson-Gang genseite ab. Außerdem kippt der berkörper auf der geläh
darstellen kann. Es handelt sich dabei um einen zögerlichen , ten Seite nach außen, um dem Schwungbein au f der Geg ~-
e
steifen Gang, wobei der Arm der betroffenen Seite kaum mit- seite ausreichend Spielraum zu geben. n
schwingt und der Oberkörper häufig zur Seite geneigt ist. • Bei Normaldruckhydrozephalus imponiert ein breit-
• Der hemispastische Wernicke-Mann-Gang ist charakteri- basiger, kurzschriuige r und am Boden hafte nder, Schlurfend
siert durch ein steifes Bein mit supiniertem Fuß, dessen late- Gang mit zögerl ic hem und unterbrochenem Muster. Der er
raler Rand am Boden schleift. Beim Gehen wird das Spielbein Seiltänze rgan g ist ni cht mö lieh. Die Haltung ist steif. Die
um das Standbein geschwungen (Zirkumduktion). Der Arm Form wird auch als "frontale Gangstörung" bezeichnet se
ist flektiert und proniert und schwingt nicht mit. Dieser • Das klass ische an mu t r bei Tabes dorsalis wird de;
Gangstörung liegen zerebrale Ischämien, Blutungen und Gruppe der spinalen Ata xien zugeordn t. Um diese auszu_
Tumoren zugrunde. Aber auch spinale Raumforderungen gleichen, werd en beim eh n di Kni hoch an ehoben
oder entzündliche Erkrankungen können Ursachen einer Eine beidseitig pastik d r ß in führt zum soge nannte~
Wernicke·Mann-Gangstörung sein. Scherengang, d r durch ein Zirkumduktion beider Beine
• Auch bei einer einseitigen Schwäche eines peripheren entsteht.
Nervs kann es zu einer Gangstörung kommen. So führt z. B. • Weitere außerg wöhnlich angstörun n k"nnen bei v-
eine Läsion des Nervus peronaeus zum "Steppergang"_ sc hied n n Erkrankung n auf tr t n. ß i choreatischen s~~_
Hierbei wird das Knie beim Laufen stärker angehoben, damit rungen (s. . 92) kann In dysto n rang v rli n, bel d
die hängende Fußspitze nicht am Boden schleift. Beim Auf- der langsa m . unsich I' Ca n dur h ch I' arisch, dyston ern
e
treten gibt es ein aufklatschendes Geräusch. Bewegun gen üb rla rt wird. D rartig Z Ich n können a
bei der Wilson-Krankheit aufLI' [ - n. Di Kombination Vo Uch
orthopädi eh n und n urologisc h n Erkrankun n kann zn
se hr bizarr n angstörungen führ n. U
Leitsymptome
62163
Kleinhirnsyndrome
Ät iologie
Zu den Ursachen einer Kleinhirnschädigung zählen u. a. Into-
xikationen mit Alkohol oder Antikonvulsiva, Atrophien bei
chronischem Alkoholabusus, entzündliche Erkrankungen wie I Abb. 1: Zerebelläre Atrophie im CT. [ 171
multiple Sklerose und Schlaganfälle. Außerdem können Tu-
moren, Traumata, Blutungen und degenerative Veränderun-
gen (I Abb.l ) Ursache einer zerebellären Störung sein.
Klini k
Schädigung der Kleinhi rn hemi sphäre Schädigung des Kleinhirnwurms
Auf der homolateralen Seite wird eine Ataxie der Extremitä- Die Bewegungsstörung ist hierbei eher stammnah betont. Die
ten bei den Ziel- und Zeigeversuchen beobachtet (Hypo- bzw. feinmotorische Prüfung der distalen Extremitäten ist nicht so
Hypermetrie). Dies äußert sich auch in einer ataktischen stark beeinträchtigt. Zu beobachten ist eine Rumpfataxie, die
Gangunsicherheit der betroffenen Extremität. Des Weiteren sich durch Schwanken und Fallneigung präsentiert und dem
findet man einen Intentionstremor, eine Störung der Fe in· Patienten das freie Sitzen erschwert bzw. unmöglich macht.
motorik (Dysdiadochokinese), einen herabgesetzten Muskel· Des Weiteren können ein Nystagmus und eine Muskelhypo-
tonus sowie Dysarthrie (skandierende Sprache, s. S. 36). tonie festgestellt werden.
Zusammenfassung
x Asymmetrische Gangstörungen: z. B. Hemi-Parkinson-Gang, Wernicke-
Mann-Gang, Ausfall einzelner peripherer Nerven (z. B. Steppergang),
oft orthopädische Erkrankungen
X Symmetrische Gangstörungen: z. B. zerebelläre Ataxie, spinale Ataxie,
beidseitige Spastik der unteren Extremität
X Bei einer Läsion der Kleinhirnhemisphären beobachtet man eine Extre-
mitätenataxie mit Intentionstremor und Gangunsicherheit sowie Muskel-
hypotonie, Dysarthrie und eine Feinmotorikstörung.
X Die Schädigung des Kleinhirnwurms zeigt sich in einer Rumpfataxie, Nys-
tagmus und Muskelhypotonie, jedoch einer geringeren Beeinträchtigung
der Feinmotorik.
Hirndruckerhöhung ------------------------------~
Der Hirndruck beschreibt den intrakra- nach Ischämie (z. B. Schlaganfall, Sinus- Bulbi ") und im Verlauf Störu ngen der
niellen Druck, der innerhalb des knö- venenthrombose, Blutdruckabfall ), Ur- Atemtätigkeit bei erhaltenen Hirnstam _
chernen Schädels besteht Der Referenz- ämie, M edikamen teneinnahme (be- re Oexen (Würgereflex, oku lozephaler m
bereich für einen Erwachsenen in hori- stimmte Antibiotika, Kontrazeptiva etc. ) vestibulookulärer und KornealrefleJr) ,
zontaler Position liegt bei 5 - 15 mmHg_ und Toxinen (z. B.lnsektizide) _ auftreten. Schließlich fal len die Patien-
Der intrakranielle Druck unterliegt Spit- Zytotoxisches und vasogenes Hirnöd em ten ins Koma mit gestörten Hirnstarnm_
zen, die beim Husten bis zu 100 mmHg können sich im Sinne ei nes Circulus reOexen, path ologisch er Motorik (frÜhe
erreichen können_ Durch dieses ge- vitiosus gegensei tig unterhalten. Phase: Beuge- und StrecksynergiSIne .
schlossene System aus knöchernem • Andere: Pseudotumor cerebri (s. S_ Spä tphase: keine bzw. vereinzelt pa~~_
Schädel und kaum komprimierbarem 47), Hyperkapnie. logische motonsch e Reaktionen, kaum
Hirnparenchym führen bereits geringe Spomanbewegungen), Pupillenstöru _
Volumenzunahmen zu einem Anstieg Eine Steigerung des Hirndrucks unter- gen (früh e Phase: Anisokorie, verzö_ n
des intrakraniellen Drucks. Die Mes- \ schiedlichster Ätiologie schränkt die gerte Lich treaktion; Spätphase: weit
sung erfolgt über eine Bohrlochtrepana- Blut- und Liquorzirkulation ein, was lichtstarre Pupillen) und krankhafte:;
tion durch Einlegen einer epiduralen über einen eingeschränkten Abtransport Atemmuster (früh e Phase: Tachypnoe
Messsonde, durch Einführen eines von Stoffwechselmetaboliten eine Vaso- Cheyne-Stokes-Atrnung; Spätphase. '
Katheters in einen Seitenventrikel oder dilatation bewirkt. Durch einen zentral Maschinenarmung, SCh nappatmun~
durch Messung im Parenchym, was die ausgelösten Anstieg des peripheren Blut- A(emstillstand j. '
genaueste, aber auch komplikations- drucks, die autoregulatorische Gefäß-
trächtigste Methode darstellt. Mögliche konstriktion und die gesteigerte CO 2 -Ab- Chronische Druckste igeru ng
Indikationen zu dieser invasiven Hirn- atmung wird versucht, eine ausreichen- Neben Kopfschmerzen, die beim Pres-
druckmessung stellen sich z. B. bei de Durchblutung aufrechtzuerhalten. sen und b. eim Lagewechsel zunehmen
klinischen Symptomen einer akuten Die 0 2-Minderversorgung und der sin- und mit Ubelkeit und Nüchternerbre _
Hirndrucksteigerung, bei weniger als kende pH-Wert stören den Zellstoffwech- chen Im Schwall verbunden sind do _
8 Punkten in der Glasgow-Coma-Scale sel und bewirken einen vermeh rten niert eine ausgeprägte Antriebs- ~nd lTlI-
(s. S. 52) und bei raumfordernden Ver- Wassereinstrom in die Zellen_Bei an- Or i e n ti e ru~ gss törun g. Außerdem kann
änderungen in MRT bzw. CT. haltender Minderperfusion und zun eh- etn e chroni sche Druckerhöhung ver-
Eine Hirndruckerhöhung stellt einen mend saurem Milieu ka nn diese Gegen- sch iedene Symptome an den Augen .
neurologischen Notfall dar, der inner- regulation nicht mehr aufrechterhalten Doppelbilder od er eine StauungSpapi~e
halb von Stunden bis Tagen zum Tod werden und es kommt zu einer Vasodi- zur Fol ge haben. Sensible und moto_
führen kann. latation mit Gefäß schra nkenstörung rische foka le Anfäll e und schmerZhaft
(extrazelluläre Ödembildung)_ Das er- Nervenau trittspunkte treten ebenfalI e
höhte intrazerebrale Volumen und das gehäuft bei der chronischen Drucker;ö_
Eine lumbale Uquorpunktion ist bei Ver- Ödem führen ihrerseits zu einer Volu -
dacht auf eine akute Himdruckstelge- hung au_f. Schlleßitch werden die PaUe _
rung kontraindiziert. menzunahme mit konsekutiver Hirn- ten schlafng und fallen ins Ko ma. n
druckzunahme_ Es entsteht ein Kreis-
lauf, der le(ale Folgen haben kann. So Komplikationen
Ätiologie und Pathogenese kan n es zum Sistieren der Durchblutung
kommen, wenn der Hirnd ruck den sys- Eine groß efahr d r Hirndruckstei
Im Folgenden sind häufige Ursachen für temischen Blutdruck übersteigt. Auch rung li gt in d I' ober n und unterenge-
eine Hirndruckerhöhung aufgeführt: eine Herniation (s. u. ) mit Schädi gung Eink lemmun , bei d r s du rch eine
n
der vegetativen Funktionen ist mö lich_ nicht 111 hr komp nsi rbaren intrakr _
• Intrakranielle Raumforderungen: Tu- II en ruckan tl g zu In r Massen _anl-
· ·
moren, Blutungen Klinik verschiebun von Hirn ew be mit B-
• Liquorabflussstörungen: Verschluss- kl mm ung .IIn l 'ento rium schlitz bz\V In-
hydrozephalus, hypersekretorischer Akute Drucksteigerung Foram n cc ipita l ma num kommt:
oder aresorptiver Hydrozephalus Die akute Drucksteigerung (S tund n bis ß id F rm n führ n hn ß handlu
• Hirnödem: vasoge nes Hirnödem (pri- Tage) beginnt mit Kopfschmerzen, Üb 1- zum Hirntod_ ng
märe Störung der Blut-Hirn -Schranke keit, Nüchternerbrechen, Desorienti -
durch Auflockerung der Tight junctions) rung, Nackenst ife und psychomoto- Obere Herniation (transtentorie ll e
im Rahmen eines Traumas, in Umge- rischer Verlangsamung. Mi t Fortsehr i- Herniation)
bung von Raumforderungen (z. B. Tu - ten der Druckerhöhun komm t es zu Man kann -in symm tri h Einkle
mor, Metastasen, Abszess) oder entzünd- verstärkten Bewusstseinsstörun g n mit l11ung b i diffus r intrakrani II I' VO lu~
lich (z. B. M eningitis bzw. Enzephalitis). Massenbewegun en und ung zielter m nzunahm vo n in r asyn metri .
Zytotox isches Hirnödem (primäre Stö- Schmerzabwellr. I es W iteren kÖnn · n $ h n, z. ß. b j ums hri b ner ins -t.
I I·
rung des zellulären Stoffwechsels) etwa eine ßulbusdiv rgenz ("schwimm nd g r Ralll11ford run g. uni rs h id n
Leitsymptome
64165
Diagnostik
um einen erhöhten zerebralen Stoff- Hirnödem gegen, Z. B. bei Tumoren. Bei
Bei Verdacht auf eine Hirndruckerhö- wechsel zu unterbinden. Mäßige bzw. posttraumatischer Hirndrucksteigerung
hung ist eine ständige Kontrolle der Be- starke Schmerzen können mi t Paracet- kann ein Therapieversuch mit Tris-Puf-
wusstseinslage, Hirnstammsymptome, amol oder Pethidin behandelt werden. fern unternommen werden. Kommt es
Pupillenreaktion, Augenbewegungen Weitere Maßnahmen zur Hirndrucksen- zu starker raumfordernder Wirkung mit
und des Augenhintergrunds von pro- kung sind osmotherapeutisch wirksame drohender Verlegung des Aquädukts
gnostischer Bedeutung. Im MRT oder Mittel wie Manni t, Furosemid, Sorbit oder Einklemmungsgefahr (Hirndruck
CT zeichnet sich der erhöhte Hirndruck und Glyzerin. Diese wirken besonders > 40 mmHg), ist eine rasche Druck-
durch folgend e Punkte aus: verstrichene dem zytotoxisc hen Hirnödem entgegen, entlastung indiziert (z. B. Trepanation,
Sulci, Mittellinienverlagerung, einge- Auch Glu kokortikoide steuern einem Ven tri keld rainage) .
engte Seitenventrikel, vo lumenver-
kleinerte basale Zisterne, eine Atrophie
des Dorsum sellae bei chron ischem Ver- Zusammenfassung
lauf und eine Verlagerung des Hirn- • Der Normwert des Hirndrucks eines Erwachsenen in horizontaler Position
stamms nach kaudal. Eine Hirndruck- beträgt 5 - 15 mmHg und kann durch eine Bohrlochtrepanation invasiv
messung kann ebenfalls indiziert sein .
gemessen werden .
• Bei Verdacht auf Hirndrucksteigerung si nd ständige Kon trollen von Vigi-
Therapie
lanz, Blutdruck, Herzfrequenz, Pupillomotorik und Augenhintergrund von
Als Basistherapie empfehlen sich Allge- großem prognostischem Wert.
meinmaßnahm en wie berkörp rhocl1-
lagerung, Kontrolle der Atmung mit Je Eine obere Herniation entsteht durch Einklemmung von Temporallappen-
Sicherung eines ausreichend n P 2, m . teilen in den Tentoriumschlitz, die untere Herniation durch Quetschung von
dikam entöse Reguli erun des arteriellen Kleinhirnteilen in das Foramen occipitale magnum.
Mi tteIdrucks und der Körp rtemp ratu!",
Verwirrtheit und Delir ------------------------------~;
Der Begriff "Verwirrtheit" wird im allgemeinen Sprachge- te beim Delir führen zu leichten bis ausgeprägten BeWUsst-
brauch nicht nur im medizinischen Sinne verwendet, was bei seinsstörungen, z. T. liegt bei den Betroffenen ein som nOlenter
der Anamnese berücksichtigt werden muss. Verwirrtheit ist Zustand vor. Auch der Schlaf-wac h-Rhythmus ist beeinträch_
definiert als inadäquates Verhalten mit Desorientiertheit zu tigt mit Schlaflosigkeit bei Nacht und einem erhöhten Schlaf-
Zeit, Ort und Person und weiteren auffälligen Verhaltens- bedürfnis bei Tag. Je nach Ursache der Verwirrtheit kommt
strukturen. Treten zudem noch Bewusstseinsveränderungen es zu unterschiedlichen Ausprägungen der Symptome. Wäh-
auf, wird von einem Delir gesprochen. Diese Symptome tre- rend die Verwirrtheit beim Delir, bei der Sc hizophrenie Und
ten bei Krankheitsbildern wie hirnorganischem Psychosyn- bei der Enzephalitis akut oder su baku t beginnt, entWickeln
drom, organischen Psychosen und metabolisch oder toxisch Si.Ch die Sympto~e b~i der Demenz (~. ~. 68) langsam progre-
bedingten Enzephalopathien auf. Bei bis zu 20% der statio- dient. BewusstselDsstorungen smd hauflg beim Delir und b .
nären und bei bis zu 50% der über 65-jährigen stationären infektiösen Erkrankungen zu finden, woh ingegen sie bei D:~
Patienten treten Verwirrung und Delir auf. Differential- menz oder Schizophrenie nicht unbedingt vorhanden sind_
diagnostisch müssen Demenz, Aphasie und Schizophrenie in
Betracht gezogen und von der organisch bedingten Verwirrt- Differentialdiagnosen
heit abgegrenzt werden. Wichtig in der heutigen Zeit ist das
Alkoholentzugsdelir, das neben den oben genannten Sympto- Wichtige Differentialdiagnosen sind eine zerebrale Ischämie
men auch vegetative Störungen zeigt. z. B. mit Aphasie, Schizophrenie und Demenz (I Tab. 2). Di _
se sollten immer in der Diagnostik mit berücksichtigt werdee
Ätiologie Eine Aphasie kann durch mangelnde Sprach fähigkeit einern n.
Verwirrtheitszustand ähneln. Dies kann durch ein genaues
Zahlreiche Ursachen können zu r Ausbildung einer Verwi rrt- und sorgfältiges Testen der Sprache geprüft werden.
heit oder eines Delirs führen (I Tab. 1). Außerdem sollten eine Wernicke-Enzephalopathie und ein
Korsakow-Syndrom abgeklärt werden. Beide beruhen auf
Klinik alkoholbedingten zerebralen Störungen. Die Wernicke-Enz _
phalopathie entsteht durch einen alkoholbed ingten Thiami e_
Verwirrtheit und Delir können sich in Stunden bis Tagen ent- mangel - im Vordergrund stehen Halluzinationen, neuro- n
wickeln. Die Symptomatik ist sehr variabel und kann starken ophthalmologische Störungen, Erregungszustände, AtaXie
Fluktuationen unterliegen. Meist fallen die Patienten durch und Merkfä hi gke itsstörungen. Das Korsakow-Syndrom zei t
eine allgemeine Verlangsamung auf. Diese betrifft v. a. das neben Desorientierheit, Gedächtnisstörungen und Konfab;
Denken und das Beantworten von Fragen. Auch kommt es zu la tionen ei n erhaltenes Bewusstsein.
unorganisiertem und erschwertem Denkablauf. Die Patienten
sind desorientiert zu Ort, Zeit und Person. Außerdem kann es Diagnostik
zu einer ängstlichen, weinerlichen und emotional instabilen
Persönlichkeitsveränderung kommen. Andererseits sind auch An amnese und körperliche Untersuchung
Veränderungen in Richtung Agitiertheit, Hyperaktivität und Das Erheben der Anamnese kann sich aufgrund des kogniti_
Aggression möglich. ven Zustands des Patienten als äußerst schwierig gestalten
Auch die höheren Hirnfunktionen können beeinflusst wer- Daher sollte, soweit möglich, auch eine ausführliche Frernct _
den. So kommt es zu Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, anamnese erfolge n. Beginn, Vorerkrankungen (wie Diabete
der Wahrnehmung (z. B. visuelle Halluzinationen), der Spra- mellitus, Epilepsie, Parkinson und kardial e Probleme) und S
che (z. B. Konfabulationen) und Reizverarbeitung. Die Defizi- Med ikamente sind für die Anamnese von großer Bedeutun
g.
-----
• Immunologisch ILupus erythematodes) rkrankung)
Halluzinallonen Visuell
Vaskulär Stattgefundener Schlagan fall; Subarachnoidalblutung
----------------------------~--
Extrinsisch Subduralblutung; Trauma; Hirndrucksteigerung
Sprache Inkoh ärenl Normal bis Wortflndun~
st rungen
I Tab. 1: Ursachen für Verwirrtheit. Besonderhellon Koordination sprobi 111 • Po"sön i lchk~
veg 1" llve Slörungen IJc r'l\ nd ~ run8e"
Angehörige nicht möglich, sollte auf alte Patientenakten und 4. Welcher Wochentag? 0/1
Untersuchung ist im Besonderen auf Zeichen einer Infektion, 6. ln welchem Land befinden wir uns? 0/ 1
einer Leber- oder Niereninsuffizienz und einer metabolischen 7. In welchem Bundesland? 0/ 1
Störung zu achten. Wichtig ist der Ausschluss einer Meningi- 8. In welcher Stadt? 0/ 1
tis oder Subarachnoidalblutung, besonders bei jüngeren Pa- 9. Wie heißt der Ort, an dem wir uns gerade befinden? 0/1
tienten. Die neurologische Untersuchung zeigt in der Regel
10. Welche Etage? 0/1
keine fokal-neurologischen Defizite. Möglicherweise gibt es
11. Der Untersucher nennt 3 Objekte und bittet den Patienten, 0/3
Hinweise auf vorbestehende neurologische Erkrankungen wie diese zu wiederholen und sie sich einzuprägen (z. B. Apfel, Lampe,
Parkinson oder Epilepsie. Tisch).
12. Ziehen Sie von 100 7 ab. Von dem Ergebnis, das Sie dann 0/5
Weitere Diagnostik erhalten, ziehen Sie wieder 7 ab und von dem Ergebnis, das Sie
dann erhalten, wieder 7. Fahren Sie fort, bis ich Stopp sage
Um Erkrankungen oder Ursachen besser erfassen zu können,
(fünfmal) . Wie ist das Ergebnis?
sollte eine sorgfältige labortechnische Untersuchung erfolgen,
13. Wiederholen Sie die Objekte von Frage 11. 0/ 3
mit Blutbild, CRP, Blutzucker, Leber- und Nierenwerten,
14. Benennen von Bleistift und Armbanduhr. 0/2
Elektrolyten und einem Drogenscreeni ng_ Außerdem sollten
15. Wiederholen Sie "Kein Wenn und Aber".
Blutkulturen abgenommen werden. Zur Abklärung renaler 0/1
Erkrankungen oder einer Harnwegsinfektion ist eine Urinun- 16. Drei-Ebenen-Manöver: Nehmen Sie das Papier, falten Sie es in 0/3
der Mitte zusa mm en, und legen Sie es sich auf den Schoß.
tersuchung nötig. Um weitere mögliche Ursachen zu finden,
17 . Der Untersuc her schreibt "Schließen Sie die Augen" und bittet 0/1
sollten Befunde durch ein CT oder MRT, eine Lum balpunk- den Pati enten, das Geschriebene zu lesen und ansch ließend
tion oder ein EEG erhoben werden. Zur Bewertung des men- auszu führen.
talen Zustands der Patienten gibt es verschiedene Tests_Der 18. Der Patient soll einen ihm bel iebigen Satz aufschreiben. 0/ 1
am häufigsten eingesetzte Screeningtest in der Klinik ist der 19. Der Untersucher zeichnet zwei überlappende Pentagramme und 0/ 1
Mini-Mental-Status-Test (MMST; I Tab. 3). Erreicht der Pa- bitt et den Patienten, diese zu kopieren.
tient von den 30 möglichen Punkten weniger als 23, besteht
I Tab. 3: Mini- Mental~Status~Test.
der Verdacht auf eine demenzielle Entwicklung_
Behandlung
Sind die Ursachen einer Verwirrtheit bekannt, können spezi- angemessene psychologische Unterstützung. Die Patienten
fische Maßnahmen ergriffen werden_ Daneben sind auch sollten sich in einer ruhigen, ihnen vertrauten Umgebung
Allgemeinmaßnahmen von essenzieller Bedeutung. Diese be- befinden und von ihnen bekannten Menschen versorgt und
inhalten eine optimierte Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, betreut werden_ Eigentlich sollte di e Gabe von Medikamen-
eine optimale Einstellung laborchemischer und metabolischer ten vermieden werden_ Die Gabe von sedierenden Medika-
Parameter (Blutzucker, Elektrolyte, Sauerstoffsättigung) sowie menten, wie Haloperidol, kann hilfreich sein_
Zusammenfassung
• Als "Verwirrtheit" wird ein inadäquates Verhalten mit Desorientiertheit be-
züglich Zeit, Ort und Person bezeichnet. Treten Bewusstseinsstörungen
hinzu, spricht man von "Delir".
• Differentialdiagnostisch sollte eine zerebrale Ischämie, Schizophrenie und
Demenz abgegrenzt werden.
• Der Mini-Mental-Status-Test (M MST) ist ein klinisches Screeningverfahren
zur Erfassung einer demenziellen Entwicklung.
L
Demenz J
And ere
Multiple Skl erose, Vask uliliden
bei Demenzformen. Va skul äre Infarkth erd e in Kort ex oder Marklager; ll1ikroanglopatl, lscl, su l)kortlk alo D "'onz IM. Bins
w anger)
Demenz
Klinik Front al empo-
Die Leitsymptome der Demenz im All- ra le Deme nz
Das Gehirn eines erwachsenen Menschen macht mit seinen Einteilung nach ätiologischen Faktoren
ca_ 1,5 kg nur etwa 2% des Gesamtkörpergewichts aus, wird Den neurologischen Ausfallerschein ungen liegt zu 80 - 85 %
aber mit rund 15%des Herzminutenvolumens versorgt. Es ein ischämischer Infarkt auf der Basis eines Gefäßverschluss
erhält ca. 20%des Gesamtsauerstoffbedarfs und ca. 60 %des zugrunde, in den anderen Fällen eine intrakranielle Blutun es
Gesamtglukoseumsatzes eines ruhenden Menschen. Außer g-
nach längeren Hungerperioden (Ketonkörper) ist Glukose der • Ischämischer Infarkt
einzige Energielieferant. Um diese aufwendige Versorgung - Arteriosklerotische Gefäßveränderungen und arteri _
des Hirngewebes aufrechtzuerhalten, unterliegt die zerebrale arterielle Thromboembolien der Hirngefäße. Hierbei 0
Durchblutung verschiedenen Regulationsmechanismen. erhöht eine Hypertonie das Risiko, einen Hirninfarkt zu e _
Durch die Autoregulation der Gefäßweite, die bei einem Per- leiden, gegenüber Normotonikern um das Sechsfach e. W, r_
1
fusionsdruck zwischen 70 und 140 mmHg optimale Funk- tere pathogenetische Risikofaktoren für die Arterioskleros: -
tionsbedingungen hat, soll eine konstante Durchblutung auf- zeigt I Tabelle I .
rechterhalten werden. Somit kommt es bei einem Blutdruck- - Kardiogene Embolie (z. B. absolute Arrhythmie bei Vor-
anstieg zur Vasokonstriktion, bei einem Blutdruckabfall zur hofflimmern, Mitral- und Aortenklappenvitienj
Vasodilatation der Hirngefäße (Bayliss-Effekt). Nach dem- - Gefaßdissektion (z. B. posttraumatische Dissektion der
selben Prinzip entfalten die Partialdruckänderungen der Blut- A. carotis int. oder A. vertebralis)
gase als metabolische Einflussfaktoren ihre Wirkung auf die - Vaskulitis (z. B_ Arteriitis cranialis, Panarteriitis nOdosa)
Gefäßweite. Eine Dilatation wird bei pC02-Erhöhung und - CADASIL (zerebrale aut.-dom. Arteriopathie mit subkoru_
p02-Erniedrigung, eine Konstriktion bei pC02-Erniedrigung kaIen Infarkten und Leukenzephalopath ie)
und p02-Erhöhung erreicht. Das autonome Nervensystem, • Hämorrhagischer Infarkt
das unter physiologischen Bedingungen so gut wie keinen - Hypertensive Massenblutungen (80%der Patienten rn.
Einfluss auf intrazerebrale Gefäße nimmt, soll bei plötzlichen hämorrhagischem Infarkt): Einriss von kleinen Arterien a It
intravasalen Druckänderungen die Blutversorgung regulieren. grund von Wandschwäche nach jahrelanger Hyalinisieru Uf~
Sympathikus und Parasympathikus greifen an den proximalen Blutein tritt in das Hirnparenchym ; am häufi gsten im Be- ng,
Arterien an und konstringieren bzw. dilatieren bei schnellem reich der Basa l~anglie n (loeo typico), weiterhin auch lObär_
Blutdruckanstieg bzw. -abfall. blutungen und mfratentonelle Blutungen möglich
Pro Minute werden 100 g Hirngewebe mit etwa 60 ml Blut
versorgt. Sinkt die Durchblutung auf unter 30%der Normal-
versorgung, kommt es zur relativen Ischämie in dem betrof-
fenen Bereich, die sich zwar durch Ausfall neurologischer
Rlslkof.ktoren der Atharombllduns Ralltlve Rillkoerhöhung
Funktionen bemerkbar macht, aber zunächst keine morpholo- tOr einen Hlrnlnt.rkt
gischen Gewebeveränderungen verursacht. Die vollständige Hypertonu s
Erholung des Gewebes ist bei baldiger Normalisierung der 3 ____
Diabetes mell itus
Perfusion möglich, sinkt jedoch, je länger die Unterversor- --------------------------3----------------
Ziga rettenrauc hen ____
gung anhält. Fällt nun die Durchblutung eines Areals auf un-
ter 15%des physiologischen Werts ab, werden die Nerven- Hyperli pidämie und Hyperchol sterln ämie 2 (b i Pa t. unter 50 Jah~
(Serum-HDL .j.)
zellen infolge einer totalen Ischämie im Kerngebiet der In-
Familiäre Belastung Ur1klar
farktzone irreversibel geschädigt. Durch eine im Randbereich
Alkoho lismus
noch vorhandene gewisse Residualdurchblutung kommt es 2 (v. a. bei Jungen Pa !. ) - -
2- 3 __
Östroge nha lt ige Kon trazeptiva
hier vorerst noch nicht zu einem endgültigen Gewebeverlust.
Dieser Übergangsbereich zwischen bereits ischämisch infar- I Tab. 1: Erhöhung des Il isikos ((jr in n Hirninf~ rkt b i atherOgene~
ziertem und noch erholungsfähigem Gewebe wird Penum- Fak tore n.
Vaskuläre Erkrankungen und Verletzungen des ZNS
72 I 73
- Subarachnoidalblutung (5 % aller Schlaganfälle): meist - Endstrominfarkt: Durch eine hämodynamisch wirksame
spontan durch Aneurysmaruptur an der Hirnbasis; das Blut Störung des Blutflusses wie z. B. bei einer extrakraniellen
breitet sich im Subarachnoidalraum aus (s. S. 80) Stenose (A. carotis communis, A. carotis interna) kommt es
- Traumatisch: meist nach schwerem Schädel· Hirn· Trauma zu einem Abfall des Perfusionsdrucks im Endstromgebiet
in Verbindung mit einem epi· bzw. subduralen Hämatom der langen Markarterien ohne Kollateralen. Hieraus resul-
(s. S.82) tiert zunächst eine Ischämie der "letzten Wiese" und
- Seltener: meist oberflächennahe arteriovenöse Angiome; schließlich ein Endstrominfarkt meist im subkortikalen oder
seltener auch intrazerebrale Aneurysmen; hämorrhagische periventrikulären Marklager (S. 74, I Abb. I) .
Diathese; sekundäre Einblurung in einen ischämischen - Grenzzoneninfarkt: Zu dieser Infarktform kann es nach
Hirninfarkt oder in eine Metastase. zunächst ausreichender Kollateralisierung bei extra- oder
intrakraniellen Stenosen durch einen systemischen Blut-
Einteilung nach betroffenen Regionen und Gefäßen druckabfall kommen. Er liegt zwischen den Versorgungs-
Eine grobe Lokalisation des betroffenen Gebiets liefert zu· gebieten zweier Hirnarterien wird daher als "Wasserschei-
nächst die radiologisch·morphologische Unterscheidung zwi· deninfarkt" bezeichnet (S. 74, I Abb. I) .
schen dem vorderen Hirnkreislauf (= Versorgungsgebiet • Mikroangiopathie
der aus der A. carotis interna kommenden Gefäße: A. oph· - Lakunärer Infarkt: Durch jahrelangen hyalinen Umbau
thalmica, A. chorioidea anterior, A. cerebri anterior sowie der Gefäßwände kleiner Endarterien und Arteriolen bei ent-
A. cerebri media) und dem hinteren Hirnkreislauf (= verte· sprechendem kardiovaskulärem Risikoprofil (arterieller
brobasiläres Versorgungsgebiet und A. cerebri posterior). Hypertonus, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Nikotin,
positive Familienanamnese) kommt es zu einer Lumenein-
Einteilung der Ursachen nach Art der engung und zunehmenden Einschränkung der Gefäßauto-
Gefäßveränderungen regulation bis hin zu deren Verlust. Die dabei entstehenden
Infarkte können durch makro· oder mikroangiopathische ischämischen Läsionen treten meist multipel in den Stamm-
Veränderungen verursacht werden. Durch eine Mikroangio· ganglien und im Marklager auf und haben einen Durch·
pathie verursachte Infarkte können sich als kleine, intrazere· messer von bis zu 1,5 cm.
brale Ischämiegebiete darstellen und betreffen in der Regel - Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
nicht kollateralisierende Arterien. Auch Blutungen entstehen (M. Binswanger, SAE): Auch hier gehen arteriosklerotische
meist durch Angiopathien infolge von Hypertonie oder Arte· Umbauvorgänge ursächlich den multilakunären Infarkten
riosklerose. im Bereich des Hirnstamms, der Stammganglien und des
Marklagers voraus .
• Makroangiopathie
- Territorialinfarkt: Dabei handelt es sich um einen throm· Einteilung der Infarkte nach der zeitlichen Rück-
botischen oder embolischen Verschluss des Hauptstamms bildung der Symptomatik
oder von Abgängen der A. cerebri media, A. cerebri anterior Man unterscheidet eine transiente ischämische Attacke (TIA)
oder A. cerebri posterior. Das Infarktareal erstreckt sich über von dem selten vorzufindenden progredienten Infarkt (eng!.
das gesamte Versorgungsgebiet der jeweiligen Hirnarterie progressive stroke) und dem kompletten Infarkt (eng!. com-
und stellt sich als keilförmiger kortikaler Infarkt oder als Ba· plete stroke); siehe I Tabelle 2. Das prolongierte ischämische
salganglieninfarkt dar. Am häufigsten erfolgt der Verschluss neurologische Defizit ([PJlR1ND) entspricht kleinen Infarkten
durch kardiogene Emboli oder durch das Loslösen frisch en (minor stroke) mit kompletter Rückbildung der Symptomatik
thrombotischen Materials auf ulzerierenden Plaques der innerhalb von 72 Stunden und wird häufig nicht mehr geson-
extrakraniellen Gefäße Iv. a. A. ca rotis interna und A. verte· dert aufgeführt.
bralis ).
StadieneinteIlung Klinik
Transitori sche isc hämische VOll ständige Rückbildung der neurologisc hen Symptome innerhalb
Attacke (TIA) von 24 Std.
111 Progredienter Infarkt Neurologische Ausfälle nehmen über Stunden hinweg diskontinuierlich,
langsam zu; nur teilweise reversibel
IV Zerebraler ischämischer Infarkt Sch lagartiges Eintreten der neurologischen Symptome; bildet sich nicht
zurück und verl duft niellt progredienl
I Tab. 2: Ein teilung von stenosebed ingten zerebralen Du rChb lutungsstörungen nach ze itli chem Verlauf
und Klinik .
Schlaganfall 11
1 Abb. 1: Schematische Darstellung von CCT-Befund en ischä mi sc her Hirn-
schäden unterschiedli cher Genese und Gefäßterritorien: I, 2) typisc he LäSio-
nen bei Mikroangiopathie; 3) hämodynami sc h verursaC hter subkortikaler
Hirninfarkt; 4) Grenzlinieninfarkte; 5) bilateral e Stammganglien nekro se nach
globaler Hypoxämi e; 6) diffu se Marklagerschädi gun g. (Modifiziert nach HOPf)
[ 15)
Klinik - Ipsilateral: einseitige Sehstörungen; des Fußes bei gebeugtem, etwas pro-
konjugierte Blickwendung zur Läsions- niertem, adduziertem Un terarm (Wer-
Ein Merkmal des Schlaganfalls ist die seite (" Der Patient schaut sich die Be- nicke-Mann-Typ ); homonyme Hemi-
schnelle Ausprägung der Symptome, die scherung an") ; evtl. partielles Horner- anopsie oder Ouadrantenanopsie;
sich charakterisUscherweise plötzlich, Syndrom Blickdeviation zur betroffenen Seite ,
innerhalb von wenigen Minuten ent- - Komralateral: Hemiparese mit Ausfall oft zu Beginn horizontale Blickparese
wickelt Im Gegensatz dazu entwickeln der Sensibilität - Sonstiges: Läsion der dominan ten
sich die neurologischen Ausfälle z_ B_ - Sonstiges: Bewusstseinsstörungen; Lä- Hemisphäre: Broca- oder Wernicke-
auf dem Boden entzündlicher Prozesse sion in der dominanten Hemisphäre: Aphasie, Agraphie und Apraxie; LäSion
(z_B. multiple Sklerose) in der Regel Aphasie (s. S. 14) der nicht dominanten Hemisphäre:
über Tage bis Wochen hinweg, diejeni- • A. cerebri anterior (ACA): seltene Raumorientierungsstörung, Anosogno _
gen von tumorösen Raumforderungen Lokalisation: ca. 5% sie; Neglect für di e kontralaterale
benötigen gewöhnlich mehrere Wo- - Kontralateral: beinbetonte, überwie- Raumhälfte [rec htsseitiger Infarkt)
chen, manchmal sogar Jahre. gend motorische Hemiparese; teils mit • A. chorioidea anterior: homonYme
Sensibilitätsstörungen, (rech tssei tiger Hemianopsie; sensible Hemisymptoma_
Infarkt), Hemineglect tik (seltener motorisch)
Obwohl Blutungen eher mit Kopfschmer-
zen einhergehen, kann zwischen einer
- Sonstiges: oft Harninkontinenz; gele- • A. ophthalmica: Amau rosis fu gax bis
Blutung und einem Infarkt klinisch nicht gentlich Antriebsstörung, Entschluss- hin zum Retinainfarkt.
unterschieden werden I Zur Abgrenzung unfähigkeit und Apathie, transkorti-
dient das CCl (I Abb. 1). kale motorische Aphasie Hinterer Kreisla uf
• A. cerebri media (ACM): beim • A. cerebri posterior (ACP):
Ischämischer Hirninfarkt thromboembolischen Infarkt am häufigs- Kontralateral: Hem ianopsie oder Qua-
Die klinischen Symptome resultieren ten betroffen drantenanopsie, gelegentlich optische
aus dem geschädigten Areal, was wiede- - Kontralateral: brachiofazial betonte Halluzinationen; Hemihypästhesie;
rum dem Versorgungsgebiet eines Gefä- Hemisymptomatik mit motorischen Läsion des Thalamus: Hyperpathie
ßes zugeordnet werden kann (I Abb. 2). und sensiblen Ausfällen; im Verlauf (brennender Dauerschmerz), Allodynie
In der Praxis ist die Symptomatik jedoch entwickelt der Patient ein charakteris· Störungen der Tiefensensibilität, cho- '
oft nicht so eindeutig. Im Folgenden tisches Gangbild mit Zirkumduktion reatische Bewegungsunruhe, Intentions_
sind die klinischen Manifestationen der des spastisch gestreckten Beins mit tremor, Ausbildung der "Thala mus-
wichtigsten Gefäßsyndrome dargestellt leichter Supina ti on und Plantarflexion hand" [= Flexion des Handgelenks und
Vorderer Hirnkreislauf
• A. carotis interna (ACI): Wird die Name Ipallaterale Symptome Kontral.!erale Symptome Li.lon.ort
...
Durchblutung über den Circulus Willisii Di ssoziierte Empfindungs-
Wallen berg N. V. X. XI, XII, Horner- Dorsolaterale Medulla oblo _
durch die kontralaterale ACI nicht ge- n
----
Synd rom, Hemia taxie störu ng g.ta (A. cerebelli inf. post.)
währleistet, können ausgedehnte Infark- Weber N. 1I1 Hemiparese Mittethirnfuß
te im Bereich der vorderen zwei Drittel Mi llard-Gubler N. VII M o t o ri sc h~ Hemiparese Brücke
einer Hemisphäre einschließlich der
1 Ta b. 3: Gekreuzte Hirnstammsyndrome.
Basalga nglien entstehen.
Vaskuläre Erkrankungen und Verletzungen des ZNS
74175
der Fingergrundgelenke bei Streckung • Kleinhirninfarkte: Aufgrund der ge- Hirnstammsyndrome; Pseudobulbär-
der Fingermittel- und -end gelenke), flüs- meinsamen Gefäßversorgung treten be- paralyse (Masseterreflexsteigerung,
sige Aphasie bei Läsion der dominanten stimmte Kleinhirninfarkte zusammen pathologisches Lachen und Weinen,
Hemisphäre_ mit Hirnstamminfarkten auf. Zu den Dysarthrie); thalamische Symptome
t A. basilaris und A. vertebralis: Ein Kleinhirnsymptomen zählen Allgemein- (halbsei tige brennende Schmerzen,
Verschluss führt zu unterschiedlich symptome wie Schwindel, Übelkeit, Temperaturregulauonsstörung).
schweren Hirnstamm- und Kleinhirn- Kopfschmerzen, zunehmende Bewusst-
syndromen. seinsstörung, aber auch ataktische Be- Differentialdiagnose
- Ein Verschluss des Basilaris- wegungsstörungen, Intentionstremor,
hauptstamms erzeugt einen ausge- Dysmetrie und Nystagmus. Die Ausfälle Die klinische Symptomatik des hypo-
dehnten Hirnstamminfarkt mit jegli- sind bei einseitigen Kleinhirnläsionen glykämischen Schocks ist Vielfältig
chem Grad einer Bewusstseinsstörung ipsilateral. und umfasst u. a. Somnolenz bis hin
[klares Bewusstsein bis hin zum zum Koma, epileptische Anfälle und
Koma), Schwindel, Erbrechen, Kopf- Intrakranielle Blutung gelegentlich auch fokale neurologische
und Nackenschmerzen, Verwirrtheit, Etwa 65% der intrazerebralen Blutun- Ausfälle_ Eine hypertensive Enze-
gelegentlich initiale Hemi- oder Tetra- gen sind im Bereich der Stammganglien phalopathie mit Blutdruckwerten
parese, Dysphagie, Dysarthrie, Störun- medial oder lateral der Capsula interna über 240 mmHg systolisch zu über
gen der Pupillo- und Okulomotorik, lokalisiert (Thalamus) . Häufig äußert 120 mmHg diastolisch kann mit Kopf-
Hirnnervenausfälle, Ocular bobbing, sich ein hämorrhagischer Infarkt in schmerzen, Bewusstseinsstörungen,
bei beidseitigem Infarkt des Brücken- Form von Kopfschmerzen, Übelkeit, epileptischen Anfällen, neurologischen
fußes: Locked-in-Syndrom [so S. 52). Erbrechen und Bewusstseinsstörungen. Herdsymptomen und einem Hirnödem
- Bei ca_ 60% der Patienten treten vor Bei etwa der Hälfte der Patienten einhergehen. Des Weiteren ist differen-
einer Basilaristhrombose Vorzeichen kommt es zur Bewusstlosigkeit mit tialdiagnostisch an Migräne oder einen
im Sinne von TIAs [Dysarthrie, Streckkrämpfen, was prognostisch ein fokalen epileptischen Anfall mit
Schwindel, Synkopen etc.) auf. ungünstiges Zeichen darstellt. Entspre- postparoxysmaler Parese (Todd-Läh-
- Im Hirnstamm führen bereits kleine chend der Ausdehnung und Lokalisa- mung) zu denken. Raumfordernde
lakunäre Infarkte zu weitreichenden tion der Blutung können sich - wie Prozesse wie Tumoren und Abszesse
Ausfällen. Infolge einer Versorgungs- beim ischämischen Infarkt - unter- können sich klinisch ebenfalls mit plötz-
unterbrechung der kleinen Äste der schiedliche neurologische Ausfcille lichen neurologischen Ausfällen mani-
A. basilaris werden beim Hirnstamm- zeigen, z. B_ ein Hemisyndrom , festieren.
infarkt dicht beieinanderliegende
Kerngebiete und Bahnen geschädigt
(I Tab. 3). Gefaßregion neurologische Symptomatik
- Einige dieser gekreuzten Hirnstamm- A. cerebrl anterlor beinbetonte (senso-) zerebrale Blasenstärung
motorische HennlD2,reSl' /1
syndrome [Alternans-Syndrome) sind
in 1 Tabelle 3 zusammengefasst. Für
die Symptomverteilung bei Hirnstamm-
E]j
~
infarkten gilt grundsätzlich: ipsilateral
~ Hirnnervenausfälle, kontralateral
~ motorische und/ oder sensible
Halbseitensym ptom e.
A. cerebri media Aphasie
0) ...·_·_·..··
. __
geben. Eine Angiographie ist nur in Kard iovaskuläre Ri sikofak toren Blutdruck, Blutzucker. Blutfettwerte (Triglyzeride, Choles terin). Nikotinkon sum
besonderen Fällen wie z. B. bei SAB bei Fam ilienanamnese I
unklarer Blutungsquelle und vor inva- Mögliche Emboliequellen (EGK, Echokardiogramm. 24-S tund en-EKG, ßlutkuituren). intra- und extra kra~
Gefäße (Doppler, Angiograrnrn)
siven Maßnahmen indiziert.
Zur Basisdiagnostik gehören weiterhin Hyperkoagulabilität Blutbi ld. Leberiunktion. Gerinnungsfaktorenbes ti mrnung (z. ß. Proteine C und" S ) -
Tum orscreening. Zelldeformi täten (z. B. Sichelzellanämie) ,
ein EKG zum Ausschluss eines Myoka rd -
Entzündliche Gefäßerkrankung Blutsenkungsgeschwindigkeit. ANCA. Anll kard lolipin-An ti körper. A rt e ri enbiop~
infarkts und ein Basislabor (Blutbild, (z. B. A. temporali s), Syphilisserologie
Geri nnung, Kreatinin, Blutzucker, CRP,
GPT und TSH) . I Tab. 4: Au swahl an Untersuchunge n zur Ur ac llenabk läru ng ein es isc ll ämisc ll en Infarkt s.
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Vaskuläre Erkrankungen und Ve r letzungen des ZNS
76 I 77
Komplikationen
Kontraindikationen zur systemischen Lyse
Transitorische ischämische Attacke (TIA) könn en und sich die Funktionsstörungen vollständig zurück-
bilden. Der vordere Hirnkreislauf ist am häufigsten betroffen.
Als "transitorische (transiente) ischämische Attacke (TIA)" Die Erhebung ei nes neurologischen Status nach ei ner TIA ist
bezeichnet man eine plötzlich eintretende vorübergehende unauffällig. Bewusstseinsstörungen oder ei n Bewusstseinsve r_
Störung neurologischer Funktionen auf dem Boden einer pas- lust sind eher selten. Aus diesem Grund sollten bei AUftreten
sageren Minderperfusion, die sich nach einigen Minuten bis eines dieser Symptome weitere Differentialdiagnosen ins
max. 24 Stunden vollständig zurückbildet. In der Klinik spielt Auge gefasst werden.
die Einteilung zwischen TIA und Schlaganfall eine Rolle.
Ätiologisch gehen der TIA meist arterio·arterielle oder kardio- Diffe rentialdiagnosen
gene Mikroemboli voraus. Ein Subclavian-Steal-Syndrom und t Ischämischer Insult (Minor stroke, S. 74): Die SymPto-
extreme Blutdruckschwankungen (insbesondere bei vorbe· matik bildet sich vollständig wieder zurück, in der Bildgebung
stehenden Stenosen mit hämodynamisch wirksamer Minder· (cMRT) Nachweis der Isc hämie.
perfusion) stellen seltenere Ursachen dar. Da 40 %der Patien- t Fokaler epileptischer Anfall: Die Symptome halten nur
ten mit TlA in den fo lgenden fünf Jahren einen SChlaganfall Sekunden bis Minuten an; bei Rezidiven ist der Ablauf sehr
erleiden, ist eine genaue Untersuchung und Behandlung be- stereotyp.
reits in diesem Stadium unerlässlich. t Migräne: Wird in der Regel begleitet von Kopfschmerzen .
die neurologischen Funktionsstörungen entwickeln sich lan~_
Klinik samer (etwa 30 Min. ). Oft geht den Ausfällen eine visuelle
Transitorische ischämische Attacken neigen zu Rezidiven, Aura voraus.
wobei sowohl die klinische Symptomatik als auch die Persis- t Intrakranielle Raumforderung: Die Symptomatik weist
tenz der Funktionsstörung bis zur Vollremission von Mal zu gewöhnlich einen progredienten Verlauf auf; gelegentlich
Mal variieren können. Das Krankheitsbild stellt sich in der auch interm ittierende Ausfall erscheinungen (z. B. durch Ein-
Regel innerhalb von Sekunden bis Minuten ein und bietet blutung in ei nen Tumor) oder epileptisc he Anfälle.
eine große Vielfalt an Erscheinungsformen. Durch diese t Metabolische Entgleisung: Ei ne Hypoglykämie kann bei-
Symptome kann man Schlüsse auf die Lokalisation des min- spielsweise vorübergehende neurologische Störungen verUr_
derdurchbluteten Areals im Karotisstromgebiet (vorderer sachen.
Hirnkreislauf) oder im vertebrobasilären Stromgebiet (hinterer t Periphere Nervenschädigung: Sie kann intermittierende
Hirnkreislauf) ziehen (s. S. 74) . Sensibilitätsstörungen (2. B. Karpaltunnelsyndrom) hervor-
rufen.
Symptome der TlA im Karotisstromgebiet
• Amaurosis fugax: flüchtiger Sehverlust auf einem Auge; cha-
rakteristisches Symptom
• Sprachstörungen wie z. B. Aphasie, Dyslexie oder Dysgra-
phie.
Zusammenfassung
• Bei der TIA bilden sich die neurologischen Ausfälle
innerhalb von 24 Stunden zurück.
• 40% der Patienten mit TIA erleiden in den folgenden
fünf Jahren einen Schlaganfall.
• Ätiologisch sind atheromatöse Gefäßveränderungen
und arterioarterielle oder kardiogene Mikroemboli zu
nennen.
• Oberstes Therapieprinzip sind die dauerhafte Kontrol-
le und Beseitigung von Risikofaktoren sowie gege-
benenfalls Sekundärprophylaxe mittels Thrombo-
zytenaggregationshemmern oder oraler Antikoagula-
tion.
Subarachnoidalblutung (SAB) J
t Angiographie: Sie dient der Lokali- V Koma, Mittelhirnsyndrom Konservativ, OP abhängig vom Hirndruck oder nach
sation und Größendarstellung des Aneu- 12 Tagen
rysmas und sollte so früh wie möglich I Tab. 1: Einteilung der SAß nach Hun t und Hess.
nach Diagnosesicherung erfolgen. Ein
nachgewiesener Vasospasmus stellt eine
Kontraindikation dar. In 10% der Fälle
lässt sich die Blutungsquelle nicht dar-
stellen.
Zusammenfassung
~
•~~~
SAB wird durch ein negatives CT I
nicht ausgeschlossen. Bei weiterhin
• Leitsymptome der SAB sind schlagartig einsetzende heftigste Kopf-
schmerzen mit Ausstrahlung in den Nacken-Schulter-Bereich, eine aus-
bestehendem klinischem Verdacht sollte
geprägte Nackensteifigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Vigilanzstörungen.
diagnostisch eine Lumbalpunktion durch-
geführt werden. • Differentialdiagnostisch kommen Meningitis, Migräne und zervikale
Schmerzsyndrome in Betracht.
Kompli kationen
• Der Nachweis einer Subarachnoidalblutung erfolgt über CCT und Lumbal-
Eine Verschlechterung des Zustands des
Patienten mit erneuter Eintrübung oder punktion, die Lokalisation der Quelle durch Angiographie.
Fortschreiten der neurologischen Aus- • Gefürchtete Komplikationen sind Nachblutungen, Hirninfarkte und die
fälle ist Anlass für eine Wiederholung Entwicklung eines Hydrozephalus; die Prognose ist ungünstig.
der diagnostischen Un terSUCh ung:
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Der Begriff fasst offene und gedeckte t Blutung in das Mittelohr mit evtl. Gehirns auf der Gegenseite en tstehen_
Schädelverletzungen mit Hirnbeteili- daraus entstehender Schwerhörigkeit. Sekundäre Gehirnschäden entstehen
gung zusammen. Bei intaktem Trommelfell sammelt sich durch posttraumatisc he Mechanismen
Das SHT gehört zu den häufigsten das Blut dahinter an, bei Perforation die zu einem intrakraniellen Druckan- '
Todesursachen bei Patienten unter läuft es aus dem Ohr. stieg führen (Co mpressio cerebri ). Das
40 Jahren. In Deutschland ist jährlich t Hirnnervenlähmungen (z. B. Augen- posttraumatische diffuse Ödem, die
mit ca. 800 SHT je 100000 Einwohner muskellähmung, Fazialislähmung) . Häma tom- und Abszessbildung SOWie
zu rechnen, wobei etwa ein Viertel auf Entzündungen spielen eine Rolle.
Verkehrsunfälle zurückzuführen ist. Je Hirnsubstanzverletzungen Präve ntio n und Schadensbegrenzung
nach Art und Stärke der einwirkenden diese r sekundären Prozesse sind Angriffs-
Kraft können Schädelfrakturen, Hirn- Traumatische Schädigung des Gehirns punkte der th erapeutischen Behand-
substanzverletzungen oder intrakra- kann Folge einer di rekten Gewaltein- lung.
nielle Hämatome resultieren. In der wirkung und somit primär sein. Hierbei
Regel sind es Kombinationsverlet- wird die Hirnsubstanz unmittelbar ge- Commotio cerebri
zungen. Grob differenziert man auch schädigt, wie es bei offenen Verletzu n- Die Commotio cerebri (Gehirnerschüt_
zwischen gedeckten/ geschlossenen gen, bei intrazerebralen Blutungen oder terung) stellt ein leichtes SHT (Grad 1)
(Dura mater bleibt als Barriere zur Axonschäden durch einwirkend e Scher- mit einer gä nzlic h reve rsiblen Funktions_
Außenwelt erhalten) und offenen SHT kräfte der Fall sein kann. Diese Verände- störung des Geh irns dar (I Tab. 3,
(Dura mater wird eröffnet). rungen finden sich in dem Bereich, auf S. 135). Das Leitsymptom ist eine kurz
denen die Kraft direkt einwirkt, sowie andauernde (::; I Std.) Bewusstlosigkeit.
Schädelfrakturen als Contrecoup-Verletzungen, die durch Hinzu kommen eine ku rze ante rograde
Akzeleration bzw. Dezeleration des und retrograde Amnesie, Kopfschmer_
Kalottenfraktur zen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel
Es werden zwei Formen unterschieden: und manchmal auch ein Nystagmus.
Neurologische Ausfälle sind nicht nach-
t Die Linearfraktur stellt sich als eine weisbar. Von der früh eren Annahme, es
Fissur in der Kalotte dar. Da eine Gefahr komme zu keinen morphologischen
für die Ausbildung eines epiduralen Veränderungen, nimmt man heute Ab-
oder subduralen Hämatoms besteht, stand, da neuere lVIRT-Aufnahmen reVer-
muss der Patient über 24 Stunden sta- sible Axonschädigungen zeigen konn-
tionär beobachtet werden. Bei kom pli- ten. Gelegentlich entwickelt sich ein
kationslosem Verlauf ist keine weitere postkommotionelles Syndrom mit lange
Therapie nötig (I Abb. 1). anhaltenden Kopfschmerze n, liChtemp_
t Bei der Impressionsfraktur kommt findlichk eit und Leistungsschwäche. Di e
es zur Verlagerung von Knochenfrag- Therapie besteht in einer Schonung des
menten ins Schädelinnere. Die Behand· Patienten über ei ni ge Tage, ggf. auch
lung offener Frakturen erfolgt neuro- Bettruhe, bei Bedarf in einer sympto-
chirurgisch. Geschlossene Frakturen matischen Behandlung mit Analgetika
werden dann operativ versorgt, wenn und Antiemetika. Die Commotio cerebr.
das Fragment tiefer als die Kalottendicke heilt in der Regel fo lge nlos aus. 1
in das Innere abweicht.
Contusio cerebri
Schädelbasisfraktur Die Contusio cerebri (Hirnquetschung)
Die Schädelbasisbrüche werden in Frak- ist ein mitteiseilweres bzw. schweres
turen der vorderen (frontobasal), mitt- SHT (Grad 2 bzw. 3) und gelegentlich
leren (IaterobasaJ) und hinteren Schä- nicht eindeutig von einer Commotio ab-
delgrube eingeteilt. Sie sind zwar in zugrenzen. Definitionsgemäß zeigt sie
Röntgenaufnahmen sc hwer zu erken- eine lokalisierbare Substanzschäd igung
nen, weisen jedoch charakteristische des GehIrns. Daraus ergeben sich oft
Merkmale auf, die zur Verdachtsdia- neurologische Ausfälle (Lähmu ngen,
gnose führen : zerebrale Krampfanfä lle, Anosmie,
Aphasie tc.), di e über eine längere Zeit
t Liquorabfluss über die Nase (Rhinor- hinweg nac hweisbar sein können. Die
rhö) oder das Ohr (Otorrhö) initiale ßewuss tlosi keit hält länger als
t Monokelhämatom, Brillenhämatom I Abb. I : Schädelkalottenfraktur nacll SHT mit gut eine tunde an. Di Entwicklung ei ner
oder retroaurikuläres Hämatom erkennbarem Frak turverlauf.ll BI traumatischen Psyc h se, di e oft in drei
Vaskuläre Erkrankungen und Verletzungen des ZNS
82 183
Stadien verläuft, ist möglich: Nach der Subdurales Hämatom autonomen Hirnstammfunktionen. Zur
initialen Bewusstlosigkeit fol gt häufig Zu einem subduralen Hämatom kommt Diagnosefindung wird ein CCT angefer-
ein deliranter Zustand mit psychomoto- es bei Einriss der Brückenvenen oder tigt, in dem sich das Hämatom akut als
rischer Unruhe, Verwirrtheit, wechseln- eines Sinus. Das Blut breitet sich zwi· hyperdense, nach einigen Tagen zuneh-
der Bewusstseinslage, Angst ete. Dieses sehen Dura und Arachnoidea aus. Ein mend isodens und hypodens werdende,
Delir kann sich innerhalb weniger Tage akuter Verlauf (innerhalb von 72 Stun· mondsicheiförmige Raumforderung zwi·
selbst limitieren oder in ein Korsakow- den) kann Folge eines schweren SHT schen Schädelknochen und Gehirn zeigt
Syndrom übergehen, das durch Merk- mit ausgedehnten Gewebeschäden sein. (I Abb. 3). Therapeutisch sollte die Indi-
fähigkeitsstörungen und Desorientiert- Dagegen kann ein chronisches sub- kation für einen operativen Eingriff eva·
heit bei klarem Bewusstsein charakte- durales Hämatom (Auftreten klinischer luiert werden, wobei beim chronischen
risiert ist. Es besteht die Gefahr einer Zeichen nach bis zu drei Wochen) nach Prozess die Anlage von Bohrlöchern mit
Compressio cerebri mit Einklemmungs- Bagatelltraumata entstehen. Die akute Drainage meist ausreicht.
syndrom. Da die Letalität bei einem Form kann klinisch dem epiduralen
schweren SHT mit über 30% sehr hoch Hämatom sehr ähnlich sein: z. B. mit Intrazerebrales Hämatom
ist, ist eine engmaschige intensivmedizi- Bewusstseinsverlust (allerdings ohne Eine intrazerebrale Blutung aufgrund
nische Überwachung unabdingbar. Auf- freies Intervall), ipsilateraler Pupillen- eines SHT ist meist oberflächlich im
grund der Schwere der Verletzung sind erweiterung, kontralateraler Hemipare- frontotemporalen Bereich lokalisiert und
ständige Kontrollen des intrakraniellen se und ggf. Einklemmungssymptomen. entsteht durch Gefäßverletzung im Prel-
Drucks und ggf. Maßnahmen zur Hirn- Die chronische Form verläuft meist sehr lungsgebiet. Klinisch zeigen sich ähn-
drucksenkung erforderlich (s. S. 64). langsam progredient mit zunehmenden liche Symptome wie bei einem Epidural-
Über 10% der Patienten bleiben hoch- Kopfschmerzen, psychischen Verände- hämatom. Die Therapie besteht in Hirn-
gradig invalide. rungen (Apathie, Aufmerksamkeitsstö- drucksenkung, ggf. mit operativer
rung, Verwirrtheit) , Hemiplegie, Stau· Entlastung. Ist ein operativer Eingriff
Intrakranielle Hämatome ungspapille bis hin zu Störungen der nötig, beträgt die Letalität ca. 50%.
Epidurales Hämatom
Durch eine Kalottenfraktur oder eine I Abb. 2 (links): Epidu-
Prellung des Schädels ohne Fraktur im rales Hämatom im CCT.
temporoparietalen Bereich kann es zu Rechts unterhalb der
Kalotte das hyperdense,
einer Verletzung der A. meningea media
konvex das Parenchym
ihrer Äste kommen. Die Blutung breitet verdrängende Hämatom
sich zwischen Schädel knochen und (Pfeil). Darüber ein
Dura mater aus und führt nach dem subgaleales Hämatom
(Pfeilspitze). [15J
Trauma rasch zur Bewusstlosigkeit des
Patienten. In ca. 35% der Fälle zeigt
I Abb. 3 (rec hts): Sub-
sich ein typischer Verlauf mit initialem durales Hämatom im
Bewusstseinsverlust, anschließendem CCT (so Pfeile). [151
wachem "freiem Intervall" (Minuten bis
10 Stunden) und letztendlich erneutem
Eintrüben bis zum Koma. Weitere Zusammenfassung
Symptome sind eine meist ipsilaterale • Beim SHT können primäre Hirnschäden als Coup- und Contrecoup-
Pupillenerweiterung, eine kontralaterale Verletzungen und sekundäre Substanzschäden durch posttraumatische
Hemiparese, Hirndruckanstieg bis zu
Hirndrucksteigerung entstehen.
lebensgefährlichen Einklemmungs-
syndromen und evtl. ein epileptischer • Als "Commotio cerebri" wird ein kurzfristiger Hirnfunktionsverlust mit
Krampfanfall. Die diagnostische Metho- vollstandiger Reversibilität bezeichnet. Bei einer Contusio cerebri kommt
de der Wahl ist eine schnellstmögliche es zur VerletzuAg der Hirnsubstanz mit oft bleibenden Schäden.
CCT, in der sich das Hämatom als
• Das Epiduralhämatom entsteht durch Einriss der A. meningea media und
hyperdenser, bikonvexer Bereich dar·
stellt und sich scharf vom umliegenden kann klinisch durch ein kurz dauerndes Erwachen des Patienten aus seiner
Gewebe abgrenzen lässt (I Abb. 2). Bewusstlosigkeit vor erneuter Eintrübung imponieren.
Therapeutisch sollte die Indikation zur
• Beim subduralen Hämatom besteht eine Verletzung der Brückenvenen.
operativen Entlastu ng geprüft werden.
Etwa ein Viertel der Fälle verläuft letal. Die akute Form resultiert aus einem schweren SHT, der chronische Verlauf
kann durch ein Bagatelltrauma ausgelöst werden.
Hirntumoren I j
25
Als "Hirntumoren" bezeichnet man 'H' und die neurologischen Ausfälle weisen
Neoplasien, die von neuroepithelialem 20 19 'M1
" . auf die Lokalisation des Tumors hin (s. u .)_
Gewebe, umgebenden Strukturen (z. B.
.l '5
Nervenscheiden) oder von embryolo-
gisch versprengten Zellen ausgehen.
-1j,
~ 10 ... Tritt ein epileptischer Anfall ers,t m,.I ..·
Erwachsenenalter auf, sollte immer
Von diesen primären Tumoren werden HIrntumor als Ursache in Betracht
Gefäßtumoren und Metastasen des ZNS gen werden.
Therapie
Epilepsie I
Ein epileptischer Anfall ist Folge einer Anfallstyp Erscheinungsform
abnormen zentralen Erregungsbildung
Generalisierte Anfälle Tonisch, klonisch, tonisch-kl onisch, myok lon isc h, aton isch !astati schJ,
und -ausbreitung. Die anfallsweise auf- Absencen (mit versc hiedenen Kom ponenten)
tretenden motorischen, sensorischen,
Fokale Anfälle
sensiblen, psychischen oder vegetativen
a) Einfach-foka le Anfäl le t Motorisch (mi l/ohne Ausbrei tung der Symptome)
Symptome werden durch eine zeitlich (ohne Bewusstsein ss törun g) t Sensibel oder sensori sc h
begrenzte synchronisierte Entladung • Vegetativ
zerebraler Neurone bedingt. Diese Ent- • Psychisch
ladungen bleiben entweder auf eine b) Komplex-fokal e Anfäl le • Einfach-fokaler Anfall, gefo lgt von Bewu ss tseinsstörung mit /o hne Autom ati smen
(mit Bewuss tseinsstörung) und vegetativen Symptomen
bestimmte Hirnregion begrenzt (fokal),
• Bewusstseinss törung von Begi nn an mit/ohne Aut oma ti smen und vege t ativen
breiten sich von einem Fokus aus (se- Symptomen
kundär generalisiert) oder entstehen pri- c) Sek undär-generalisierte • Einfach-foka ler An fall mit sek _Generalisierung
mär generalisiert. Bei 5% der Bevölke- fokal e Anfä lle • Komplex-fokal er Anfall mit sek. Generalisierung
rung tritt einmal im Leben ein epilep- t Einfach fokaler. dann komplex-fokaler Anfall mit anschließender Generalisierung
tischer Anfall auf, wobei J0% im EEG I Tab. 1: Einteilung der epi lepti sc hen Anfallsfo rmen (oh ne So nderfo rm en)_
eine erhöhte Krampfbereitschaft aufwei-
sen. Ein einmaliger zerebraler Krampf-
anfall wird als "Gelegenheitsanfall"
(z. B. Fieberkrampf, metabolische oder t Symptomatische Epilepsien: Die und Prognose. Entsprechend der Klassi-
toxische Ursache, Eklampsie etc.) Ursache der Anfälle ist auf morpholo- fikation der internationalen Liga gegen
bezeichnet. Die Epilepsie ist durch gisch nachweisbare Veränderungen der Epilepsie ist eine gebräuchliche Ein-
chronisch rezidivierende Krämpfe ge- Hirnstruktur zurückzuführen. Dies sind teilung der epileptischen Krampfanfälle
kennzeichnet und hat in Europa und u. a. intrauterine Entwicklungsstörun- die nach klinischen Kriterien (I Tab. l )_
Nordamerika eine Prävalenz von gen, perinatale Hirnschädigung, Narben Die Klassifizierung wird durch die Video-
600/ 100000 Einwohner. Die Inzidenz (z. B. postischämisch, SAE), Gefäßfehl- überwachung mit HG-Ableitung er-
beträgt 40-60/100000 Einwohner bildungen, Tumoren, Blutungen, toxi- leichtert.
jährlich und manifestiert sich in mehr sche (Alkohol), atrophische oder ent- Es gibt Epilepsieformen, die weder iso-
als zwei Dritteln der Fälle vor dem 20. zündliche Veränderungen. liert den generaliSierten noch den foka-
Lebensjahr. t Kryptogene Epilepsien: Dieser len Anfällen zuordenbar sind , da sie
Gruppe werden Anfallsformen zugeord- Merkmale beider Klassifikationen auf-
Pathogenese net, die eine vermutete, aber nicht weisen können. Zu diesen Sonderfol'-
nachweisbare symptomatische Ursache men gehören u. a_ das Aphasie-Epilep_
Der genaue Entstehungsvorgang zere- haben. sie-Syndrom (Landau-Kleffner-Syndrom)
braler Krampfanfälle ist nicht vollständig t Idiopathische Epilepsien: Ätiolo- und die Rolando-Epi lepsie.
geklärt. Die Depolarisationsbereitschaft gisch steht eine mögliche genetische
der Nervenzellen wird durch unter- Veranlagung im Vordergrund. Es gibt t Rolando-Epilepsie (benigne Partial-
schiedliche Faktoren gesteigert: eine Än- keine nachgewiesene oder vermutete epilepsie des Kindesalters): fam il iäre
derung der Ionenkonzentrationen (z . B. Ursache. Häufung in ca. 30 - 40% der Fälle mit
freies Kalzium ,j,), Ungleichgewicht ex- einem Manifestationsalter zwischen
zitatorischer und inhibitorischer Trans- In mehr als der Hälfte aller Epilepsien ist dem 3. und 12. Lj.; Anteil von 10 - 25%
mitter, Ödem, Hyperthermie, Alkalose, die Ätiologie unbekannt. Die hä ufigste aller Epilepsien im Kleinklndalter. Cha-
Hypoxie, Hypoglykämie, Medikamen- bekannte Ursache für zerebrale Krämpfe rakteristisch sind im Schlaf auftretende
ten- und Alkoholentzug. Nach elektri- ist mit ca. 15%eine perinatale Hirnschä- Symptome mit se nsiblen Erscheinun-
scher Stimulation leicht erregbarer Hirn- digung und in ca. 10%ein Schädel-Hirn- gen, Speichelfluss, Sprechhemmung
strukturen (z. B. Elektrokrampftherapie) Trauma. und hemifazialen Kloni , die generalisie_
können Nervenzellen ein epileptogenes ren können. Im Anfall zeigt das HG
Verhalten entwickeln. In manchen Fäl- Klassifikation Spikes oder Sharp waves über der Zen-
len ist es möglich, Krämpfe oder EEG- trote mporalregion. Diese Anfallsform
Veränderungen durch Lichtblitze sowie Da das Krankheitsbild der Epilepsie sehr sistiert in der Regel innerhalb von ZWei
spezielle akustische und sensible Reize komplex ist, müssen bei der Einteilung Jahren spontan.
zu provozieren. verschiedene Faktoren berücksichti gt • Aphasie-Epilepsie-Syndrom: un-
werden. Dazu gehören neben dem An- kJare Äti ologie; Manifestati on zwischen
Ätiologie fall styp z. B. auch Ätiologie, Auslöser, dem 3. - 7. Lj _mit neu auftretender
Ort des Geschehens, Manifesta tions- Aphasie so wie fokalen oder generalisier_
Es werden drei ätiologische Kategorien alter, Schweregrad der Anfälle, Chroni- ten to ni sc h-klonisc hen Anfällen meist
der epileptischen Anfälle unterschieden: zität, Beziehun gen zum Tagesrhythmus aus dem chlaf heraus. Un aUffäl liges
Anfa IIskran kheiten
~~----------------------------------------------------------------------------- 88 I 89
Wach-EEG, aber pathologische Verände- der CK und gegebenenfalls des Prolaktin- Anfallsfreiheit mit unauffälligem Ruhe-
rungen im Schlaf-EEG. Bis zu r Pubertät spiegels. EEG, kann bei geringem Rezidivrisiko
sistieren die Anfälle; die Prognose für eine vorsichtige stufenweise Reduktion
die Sprachstörungen ist ungünstig. Therapie der Medikamente mit Absetzversuch
über 6-12 Monate überlegt werden .
Diagnostik Ist die Diagnose eines epileptischen An- Ein chirurgischer Eingriff ist indiziert
fa lls gestellt, muss das weitere Vorgehen bei einer erwiesenen Pharmakoresistenz
Im Mittelpunkt der Diagnostik steht die entschieden werden . Eine kausale The- von mindestens zwei Antikonvulsiva in
genaue Erhebung der Krankengeschich- rapie steht im Vordergrund, falls der An- maximal verträglicher Dosis, wenn sich
te durch den Patienten selbst und fremd- fa ll auf eine behandelbare Ursache zu- ein Fokus lokalisieren lässt oder auf-
anamnestisch durch eine Person, die rückzuführen ist. Da nicht jeder epilep- seiten des Patienten durch seine Anfälle
einen Anfall beobachten konnte. Neben tische Anfall eine Behandlung erfordert ein großer Leidensdruck besteht. Hier-
dem detaillierten Ablauf der Symptome (z. B. Gelegenheitsanfall mit bekanntem bei kommt die Implantation eines Vagus-
sind folgend e GeSichtspunkte zu beach- und vermeidbarem Auslöser, einmaliger stimulators bei Unwirksamkeit der Che·
ten: Bewusstseinslage des Patienten, Anfall mit unauffälligem Ruhe-EE G, motherapeutika und bei Inoperabilität
Aura, Urin- bzw. Stuhlabgang, Verletzun- nach neurochirurgischen Eingriffen infrage_Bei nachgewiesenem operablem
gen (Zungenbiss, Schürfwunden u. a.l, ohne vorbestehende Epilepsie), ist die Fokus und nach Abwägen des operati-
postiktuale Reorientierungsstörung, Indikation für eine medikamentöse The- ven Risikos ist die Fokusresektion vorzu-
Müdigkeit, Dauer des Anfalls, Familien- rapie in jedem Fall individuell zu über- ziehen.
anamnese, Gehirnerkran kungen und legen und wird auch von persönlichen In jedem Fall sollte der Patient hinsicht-
Lebensführung (Alkohol, Medikamente, Faktoren (z. B. Lebensumstände) beein- lich einer ausgewogenen Lebens-
Schlafgewohnheiten etc.). Besteht der flusst. führung beraten werden. Neben vielen
Verdacht auf epileptische Anfälle, ist Eine medikamentöse Therapie anderen Faktoren spielen beispielsweise
neben einigen Zusatzuntersuchungen, (I Tab. 2) ist bei einer vitalen Gefähr- ein regelmäßiger Schlaf-wach-Rhyth-
die eine symptomatische Ursache aus- dung des Patienten oder aus sozialen mus, das Meiden von Auslösesituatio-
schließen sollen, in jedem Fall ein EEG Gründen (Beruf, Fahrerlaubnis) indi- nen (wie z. B. Diskobesuch) und Alko-
abzuleiten. ziert. Weiterhin besteht eine Indikation holabstinenz eine große Rolle. Ist die
bei zwei unprovozierten Anfällen. Die Einnahme zusätzlicher Medikamente
• BEG: Da im Intervall das EEG in den Therapie sollte auch bei einem oder angezeigt (z. B. Kontrazeptiva, Antibio-
meisten Fällen unauffällig ist, werden mehreren Spontananfällen begonnen tika, Impfungen etc.) , muss eine mögli-
Provokationsmethoden (Hyperventila- werden, wenn der Patient im Ruhe-EEG che Interaktion mit den Antikonvulsiva
tion, Schlafentzug, Photostimulation) epilepsietypische Potentiale aufweist. beachtet werden. Den Betroffenen wird
angewendet, um ein epilepsiespezifi- Eine individuelle Entscheidung zur The- die Führung eines Anfallskalenders emp-
sches Aktivitätsmuster nachweisen zu rapie sollte auch bei wenig beeinträch- fohlen , um Auslöser herauszufinden
können. Neben dem Schlaf·EEG kann tigenden Anfällen (z. B. einfach-fokale und den Serumspiegel der Chemothera-
ein Langzeit-EEG abgeleitet werden, Anfälle) oder bei sehr selten auftreten- pie im tageszeitlichen Verlauf besser ein-
was die Wahrscheinlichkeit erhöht, den Anfällen getroffen werden. Prinzi- stellen zu können. Auch an eine gene-
einen Anfall aufzuzeichnen. Durch eine piell ist eine Monotherapie anzustreben. tische Beratung sollte gedacht werden,
Simultane Videodokumentation sind ein- Bei Nachlassen der Wirksamkeit sollte da etwa 4%der Kinder mit einem be-
zelne Sequenzen besser zu beurteilen zunächst auf ein anderes Medikament troffenen Elternteil ebenfalls epilepti-
und die Art des Anfalls besser zu klassi - umgestellt und bei Wirkungslosigkeit sche Anfälle aufweisen. Dieses Risiko
fizieren . über eine Kombinationstherapie nachge- steigt auf 25%, wenn beide Elternteile
t Bildgebung: Morphologische Verän- dacht werden. Besteht über 2 - 3 Jah re an epileptischen Anfällen leiden.
derungen des Gehirns (z. B. Ischämie,
Tumor, Zyste, Atrophie, Narben) lassen
sich durch ein CCT oder MRT nachwei-
sen. Durch eine Angiographie können
Anf.llaform Medikation
Gefäßfehlbildungen ausgeschl osse n wer- 1. Wahl Z. Wahl
den. Die SPECT/ PET ermöglicht durch Toni sc h-klonische Anfälle (Grand-Mal ) VPA, TPM , LTG, PB LVT ZSD
die Darstellung von Durchblu tungs-
Absencen VPA, ESM, TPM, LTG LVT
veränderungen bzw. Stoffwechselun ter·
Myoklonische Anfälle VPA LTG, PB
schieden des Hirnparenc hyms eine
Einfache und komplexe fokale Anfälle CBZ, VPA, LTG, TPM LVT, OXC, GBP, TGB
genaue Herdlokalisation.
• Labor: Bei etwa einem Fün ftel der GBZ: Carbomezepill. ESM: Ethosu)(imid. GBP: Gabapentin, LTG: Lametrigll', L VT: Levaliracetam, OXG: Oxcarbazepin,
PB: Phenobarbita/. PHT: Phenyteill, TBC: Tiagabin. TPM: TopiramBt, VPA : VBlproinsäure, Z50 : Zenisamid
Fälle mi t tonisch-klonischen Anfä llen
kommt es postiktal zu einem Anstieg I Tab. 2: Medik ament öse antiepi lepti sche Be handlung.
Epilepsie 11
Generalisierte Epilepsien fen . Die Augen können geöffnet sein, sehen Anfällen begleitet. Eine Auswahl
die Pupillen sind mydriatisch und licht- der altersgebundenen Syndrome ist in
Generalisierte Epilepsien sind das Ergeb- starr, der Kopf sowie die Bulbi sind I Tabelle 4 dargestellt.
nis primärer oder sekundär generalisier- leicht zur Seite gewendet und die Arme
ter pathologischer Entladungen beider werden gebeugt und ggf. eleviert. Die Fokale Anfälle
Hemisphären und gehen mit Verände- Patienten sind tachykard mit Blut-
rungen des Muskeltonus sowie Bewusst- druckanstieg, schwitzen vermehrt, die Einfach-fo kale Anfälle
seinsstörungen einher. Bronchialsekretion ist gesteigert, die Bei den einfachen foka len epileptisch en
Muskelreflexe sind erloschen und das Anfällen kommt es definitionsgemäß
Genera li sierte tonisc h- klo ni sche Babinski-Zeichen ist oft positiv. Vor Be- nicht zu einer Bewusstseinsstörung.
Anfälle ("Grand- Ma l") ginn der klonischen Phase werden die Häufig gene ralisieren diese Anfallsfor-
Die Grand-Mal-Epilepsie ist mit ca. Arme gesenkt und die Hände flekti ert. men sekundä r. Im Erwachsenenalter
einem Drittel aller Epilepsien die häu- Die klonische Phase (30 - 50 Sek.) ist auftretende einfac h-fokale Anfälle sind
figste Form. Bei einem weiteren Drittel durch rhythmische Zuckungen des meist symptomatisch (z. B. Hirntumo-
gehen andere Anfallsformen in ein ganzen Körpers gekennzeichnet. Ein ren) . Man unterscheidet folgende For-
"Grand-Mal" über. Man versucht, die- vermehrter Speichelfluss ist möglich, men :
sen Begriff durch genauere klinische sodass es zu Schaumbildung vor dem
Anfallsbeschreibungen zu ersetzen (z. B. Mund kommen kann, der bei Zungen- t Motorische Anfälle: Je nach kortika-
nur tonisch-generalisierter Anfall) . biss blutig ist. In einem Drittel der Fälle ler Beteiligung treten rhythmische oder
wird Urin und seltener Stuhl abgesetzt. unregelmäßige klonische, myoklonisch e
Ätiologie Postiktal kann der Patient nach einer oder tonische Symptome an einer um-
Nach dem tageszeitlichen Muster des ca. zweiminütigen komatösen Phase mit sc hriebenen Region (Hand , Arm , Bein ,
Auftretens der generalisierten tonisch- vorübergehenden Orientierungsstörun- Gesicht etc. ) auf. Breiten sich die moto-
klonischen Anfälle können Rück- gen aufwachen oder direkt einen "Ter· rischen und / oder sensi blen, sensori-
schlüsse auf die Ursache gezogen wer- minalschlaf" anschließen. Die vegetati- schen Symptome von der betroffenen
den (I Tab. 3). ven Symptome normalisieren sich. Für Region auf die Körperhälfte aus, spriCh t
die Zeit des Anfalls besteht charakteris- man von "march of convulsion", der für
Klinik tischerweise eine Amnesie. den Jackson-An fall charakteristisch ist
In etwa 15% der Fälle geht dem tonisch- Beim Versivanfall wendet der Patient in
klonischen Anfall eine Aura voraus (z_ B_ Diagnostik und Therapie einer tonisch-klonischen bzw. toniSChen
epigastrisch, olfaktorisch, Derealisations- Selbst im anfallsfreien Intervall kann Bewegun g den Kopf und Rumpf und
erlebnisse [deja vu, ja mais vu], senso- zum Teil das charakteristische Muster hebt in einigen Fällen den krampfenden
risch, sensibel etc.), deren Symptome von "spikes and waves" in allen Ablei- Arm, wobei der zweite Arm adduziert
ein Hinweis auf die ursprüngliche Hirn- tungen des EEG gesehen werden. Das wird [Fechterste Il ung).
region sein können (genau genommen Mittel der Wahl fü r die medikamentöse t Sensible Anfalle: Die Patienten
also ein fokaler Anfall mit sekundärer Behandlung ist Valproat (I Tab. 2, S. 89). beschreiben Missempfindungen wie
Generalisation). In den meisten Fällen Kribbeln, Schmerze n, Stechen, die lokal
setzt die tonische Phase (ca. 20-30 Gene ra lisierte Epil eps ien und auftreten oder sich ausbreiten (sensibler
Sec.) plötzlich ein (manchmal mit "Initi- alte rsgebundene Sy ndrome Jackson-Anfall).
alschrei"). Der Patient stürzt zu Boden, Generalisierte Epilepsien manifestieren t Sensorische Anfci.lle: In Abhängig-
ist nicht mehr kontaktfähig, die Atmung sich in der Regel vor dem 20. Li. und keit vom betroffenen Hirnbereich sind
setzt aus (Pat. wird zyanotisch) und die werden oft im weiteren Verlauf zusätz- visuelle [Farben), akustische (Pfeifen),
Muskulatur beginnt, sich zu verkramp- lich von generalisierten tonisch-klon i- olfaktorisc he oder gusta tori sche Sym-
ptome möglich .
t Vegetative Anfälle: Oft berichten die
Auftreten (Häufigkeit) Ätiologie Prognose
Patienten von Empfindungen im Be-
Schlaf-Grand-Mal-Epilepsie (45%): Ca. 25% symptomatisch, genetische Medikamentöse Therapie: 50% an- reich des Magens oder Herzens (z. B.
wä hrend des Schlafs - kurz nach dem Belastung ist selten fallsfrei
Wärme, Druck), die sich ausweiten kön -
Ein schlafen oder beim Aufwachen Nac h Ab setzen: 30% Rezidiv
nen. Begleitet werd en diese von Tachy-
Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie (33%): Ca. 90% fa miliäre Disposition, 10% Medikamentöse Therapie: 70 - 80%
in den ersten zwei Stunden nac h dem symptomatisch; Hauptmanifesta- anfall sfrei
kardie, Pupillenerweiterung, SC hWitzen
Aufwachen tion sa ller zwischen 10. und 25. Lj. Nac h Ab setzen: 60% Rezidiv etc.
Diffuse Grand-Mal-Epilepsie (22%): Ca. 50% symptomati sch Medikamentöse Therapie: 50% an- t Psychische Symptome: Dazu gehö.
keine tageszeitiiche Bindung fallsfrei ren Aphasie, dysmnes tische ymptome
Nac h Absetze n: 30% Rezidiv
kogn itive lÖl'unge n, affektive ympto-'
I Tab . 3: Ätiologische Zuordnung genera lisierter toni sc h-klonischer Anfä lle in Abh ängigke it vom me, Illusionen und Halluzinationen.
ta gesze itlichen Auftreten.
Anfa Iiskrankheiten
90 I 91
Klinik mit den Kardinalsymptomen Aki- haItigen Zellen in der Substantia nigra Stadium IV Pati ent braucht Unterstützung in der
täglichen Routin e
nese, Rigor, Tremor und posturale Insta- zugrunde. Das führt zu einem Ungleich-
gewicht v_ a. zwischen dem doparniner· Stadium V Pflegebedürftig. häufig rollstuhlpflichtig
bilität führen_ Es erfolgt eine Untertei-
lung in ein primäres Parkinson-Syndrom gen und cholinergen System. Die Hypo- I Tab. 1: Stadieneinteilung des Morbus Parkinso
n
(Morbus Parkinson) und sekundäre oder Akinese ist hauptsächlich durch (nach Hoehn und Yahr).
Formen
Maskenhaftes
Gesicht
Morbus Parkins on
Für diese idiopathische Form, die mit
80 - 90% der Fälle am häufigsten ist,
sind die Ursachen noch weitgehend Arme schwingen
nicht mit
unbekannt. Zwar tritt der M. Parkinson
in der Mehrzahl der Fälle sporadisch
auf, doch verdichten sich die Hinweise
auf eine genetische Komponente.
Schlurfender Gang
I Abb . 1: Körperhaltung bei Morbu s Parkin son : a) mittl eres Stadium; b) End stadium. [24[
Degenerative Prozesse des ZNS
94195
geschrittenen Stadium kann der Patient die Finger nicht mehr oder Flapping-Tremor bei M. Wilson. Anamnestisch sollte
auseinanderführen. Der gleiche Versuch erfolgt an der unte- man auch ein Parkinsonoid auslösende Medikamente aus-
ren Extremität, indem der Patient im Sitzen mit einem Fuß schließen (Neuroleptika, Nifedipin, Metoclopramid). Zur Ur-
repetitiv das Knie anhebt und dann wieder auf den Boden sachenabklärung müssen eine genaue Labor- und Liquordia-
tippt. Die Amplitude sollte beibehalten werden. Verkleinert gnostik sowie eine Bildgebung erfolgen.
sie sich und bekommt der Patient schließlich den Fuß nicht
mehr vom Boden hoch, ist dies ein Zeichen für Akinese. Eine Parkinson-PI us-Synd rome
weitere Möglichkeit der Prüfung ist, den Patienten aufzufor- Als "Parkinson-Plus-Syndrome" bezeichnet man eine Anzahl
dern, so schnell wie möglich Kreise mit dem Finger auf den verschiedener Multisystemerkrankungen, die in ihrem Ver-
Handrücken der anderen Hand zu ziehen. Bei Anzeichen lauf Parkinson-Symptome aufweisen. Im Unterschied zum
von Akinese werden diese immer kleiner und im fortgeschrit- M. Parkinson sind diese meist nicht durch L-Dopa oder Dop-
tenen Stadium kann der Patient den Finger nicht vom Fleck aminagonisten günstig zu beeinflussen. Die Pathogenese der
bewegen. Parkinson-Plus-Syndrome ist weitgehend ungeklärt. Ursäch-
t Posturale Instabilität: Patienten mit Parkinson-Sympto- lich liegt eine Degeneration insbesondere der Basalganglien
men verlieren frühzeitig die Fähigkeit, Auslenkungen der ver- vor. Die meisten Syndrome sind rasch progredient. Zu den
tikalen Körperachse auszugleichen und das Gleichgewicht zu Parkinson-Plus-Syndromen werden folgende Erkrankungen
halten. Stellt sich der Untersucher hinter den stehenden Pa- gezählt:
tienten und lenkt diesen plötzlich zu sich nach hinten aus,
beginnt der Patient zu straucheln und kann sich nur schwer t Multisystematrophie (MSA): Man unterscheidet einen
wieder fangen und gerade hinstellen. zerebellären Typ (olivopontozerebelläre Atrophie; MSA-C)
und einen Parkinson-Typ (striatonigrale Degeneration;
MSA-P). Klinisch fallen die Patienten durch Parkinson-Sym-
Cave: Der Untersucher muss stabil stehen, um einen Sturz des
ptome, Pyramidenbahnzeichen, zerebelläre Symptome sowie
Patienten auffangen zu können.
Störungen des autonomen Nervensystems (Blasen-/Mastdarm-
störung, orthostatische Dysregulation, Impotenz) auf.
t Vegetative Symptome: Sie treten meist sehr früh im t Kortikobasale Degeneration: Die Patienten leiden neben
Krankheitsverlauf auf. Dazu zählen Obstipation, Hypotonie, den Parkinson-Symptomen an Demenz, Alien-Limb-Phäno-
Hyperhidrosis, Blasen- und Erektionsstörungen, im Verlauf men, Apraxie, Dystonie, Blickstörungen und Pyramidenbahn-
die seborrhoische Dermatitis ("Salbengesicht"). im Zusam- ausfällen.
menhang mit der Erkrankung stehen auch psychische Verän- t Progressive supranukleäre Ophthalmoplegie (Steele-
derungen. So nehmen Depression, Demenz (frontotemporale Richardson-Olszewski-Syndrom, PSP): Hier kommt es neben
Demenz) und Bradyphrenie einen hohen Stellenwert ein Rigor und Akinese zu einer vertikalen Blickparese, Demenz,
(Parkinson-Demenz-Komplex). Dystonie, Dysarthrie und Dysphagie. Im Gegensatz zu den
anderen Parkinson-Plus-Syndromen sind Rigor und Akinese
Diagnostik zumindest am Anfang auf L-Dopa und Dopaminagonisten
Die Diagnose des idiopathischen Parkinson-Syndroms basiert sensibel.
in erster Linie auf Anamnese und Klinik. Ein positives Ergeb- t Hallervorden-Spatz-Syndrom: Dieses Syndrom tritt v. a.
nis im Dopamin- oder im Apomorphin-Test, d. h. eine Verbes- im Kindesalter auf. Es handelt sich um ein autosomal-rezessiv
serung der Symptomatik nach Gabe dopaminerger Medika- vererbtes Krankheitsbild mit Rigor, Athetose, Optikusatrophie,
tion, erhärtet den Verdacht auf ein idiopathisches Parkinson- Fußdeformität und progredienter Demenz.
Syndrom. Zur Unterscheidung zwischen idiopathischem und t Lewy-Body-Syndrom: Klinisch werden die Patienten
symptomatischem Parkinson-Synd rom bedient man sich der durch Parkinson-Symptome, Demenz, Vigilanzstörungen und
Bildgebung und der Labordiagnostik. Halluzinationen auffällig.
• Progressive Pallidumatrophie (Hunt-Syndrom): sehr
Sekundäre Parkinson-Syndrome seltene autosomal-dominante Erkrankung mit einem aus-
Zu den wichtigsten Ursachen der symptomatischen Parkinson- geprägten Rigor, die in der Kindheit mit extrapyramidalen
Syndrome gehören Traumata, Tumoren, Stoffwechselerkran- Störungen beginnt.
kungen (wie Taurinmangel, M. Wilso n, M. Fahr), Intoxikatio-
nen (wie CO, Mangan, HzS) und Enzephalitiden (Fleckfieber- Des Weiteren sollte differentialdiagnostisch bei akinetischem
enzephalitis, Economo-Enzephalitis). Klinisch steht von den Syndrom mit im Vordergrund stehender Gangstörung an eine
Kardinalsymptomen die Akinese im Vordergrund. Die Patien- vaskuläre Genese des Parkinsonismus (SAE mit "Lower body
ten sind weniger von Rigor und selten von Tremor betroffen. Parkinsonismus") oder einen Normaldruckhydrozephalus
Zusätzlich können typ isc he Symptome der Gru nderkra nkung beachtet werden. Bei akinetischem Syndrom mit im Vorder-
auftreten, z. B. hirnorganische Psychosyndrome bei entzünd- grund stehender Demenz ist auch an die Alzheimer-Demenz,
licher Genese, Bewusstseinstörungen bei Intoxikationen, cho- an eine Multiinfarktdemenz (SAE) und Creutzfeldt-Jakob-
reatische oder athetotische Bewegungsstörungen bei M. Fahr Erkrankung zu denken .
Parkinson-Syndrome 11
I
Therapie Über- o thera·
peutiSCher
Abb . 2: Der therapeutische
Effekt von L- Dopa in verschie_
beweglichkeit Bereich
denen Stadien der Erkran-
Die Therapie der Parkinson-Syndrome ~;. ~a~~nten. kun g: a) im Frühstadium ;
gabe
basiert hauptsächlich auf eine medika- b) bei fortgeschrittener Er-
mentöse Behandlung_ Allerdings sollten ........ .. _. __ ....._.......:,~.........4.;;_...._....-:.'....", _. ~;; :_. _ ........ kran k ung - es kommt zum
Un- , .. .. , .. .. End-o f- Dose-Phänomen und
auch Allgemeinmaßnahmen beachtet beweglichkeit L--=-_ _ _ -=_ _ _ --;;:,---__-::-:.,. zur Pea k- Do se- Dyskinesie'
werden _Es sollte ein Normalgewicht an- ~:. ~:. ~:. Zeit
c) The ra piewechsel beim '
gestrebt werden. Ebenso können physio- b Patienten von b), der d ie
Über- Sy mptoma tik verb essert. (3)
therapeutische Behandlungen zur Pro-
phylaxe von Gelenkkontrakturen sowie
zum Erhalt der Lebensqualität dienen.
Wichtig ist auch eine sorgfältige Aufklä- ,,' . ......
rung des Patienten und des sozialen Um- Un- " .... ..
felds über die Chronizität und den mög-
beweglichkeit L --:::-_ __ -=_ __--::_ _ __.,.
lichen Verlauf der Erkrankung. In diesem ~:. ~:. ~:. Zeit
Wirkstoff
L-Dopa
Handelsname
Madopa r'"
Aklnese
+++
Rigor
++
Tremor Wlrkmechaniamu.
-
MAO-B-Hemmer Movergan'" ++ +/++ Hemmung des Dopaminabbaus
der Zellen überl eben
Selegilin
(+) + ++ Hemmung cholinerger Neurone I Tab . 3: Operalive Opti onen in d er Parkinso n _
Anticholinergika Akineton'"
th erapie .
Biperiden
I Tab. 2: Wi rkun g auf Akinese, Tremor und Rigor sowie Wirkm echani smus der Antiparkin sonmittel.
Degenerative Prozesse des ZNS
96 I 97
kinesie kommen [Peak-Dose-Dyskine- Auch hier ähneln die NW denen von t Die häufig auftretenden Schlafstörun-
sie). Zu erwähnen sind außerdem die L-Dopa. gen können je nach Ursache durch
psychischen NW wie Unruhe, Verwirrt- • Anticholinergika: Sie hemmen exzi- sedierende Antidepressiva oder aty-
heit bis hin zu Psychosen. Um eine tatorische cholinerge Neurone, um dem pische Neuroleptika gemildert werden.
wirksame Konzentration im Gehirn zu relativen cholinergen Überschuss bei t Bei vegetativen Symptomen ist eine
erreichen, wird L-Dopa zusammen mit Dopaminmangel entgegenzuwirken. Behandlung mit Imipramin indiziert.
Decarboxylasehemmern wie Benserazid Das Anticholinergikum Biperiden ist
und Carbidopa verabreicht, welche die Mittel der Wahl bei einem medikamen- Die medikamentöse Behandlung erfolgt
Umwandlung der L-Dopa-Vorstufe in die tös induzierten Parkinsonoid. Die peri- lebenslang und gestaltet sich durch das
wirksame Substanz in der Peripherie pheren Nebenwirkungen sind Mundtro- Fortschreiten der Erkrankung sowie
verhindern und somit die NW senken. ckenheit, Akkommodations- und Mikti- durch die zahlreichen Nebenwirkun-
Durch Dopaminantagonisten [wie Meto- onsstörungen, Obstipation und gen, v. a. von L-Dopa, sehr schwierig. Zu
clopramid oder Neuroleptika), Anti- Tachykardie. Zentralnervös zeigen sich Beginn der Erkrankung wird bei jünge-
hypertensiva [wie Methyldopa) oder Erregung, Halluzinationen, psychotische ren Patienten meist eine Monotherapie
Vitamin Bö kann die Wirkung von Zustände und Verschlimmerung einer mit Dopaminagonisten bevorzugt. Äl-
L-Dopa abgeschwächt werden. Demenz. tere Patienten erhalten von Beginn an
t Dopaminagonisten: z.