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UNIVERSITAT DE VALÈNCIA

FACULTAT DE FILOLOGIA, TRADUCCIÓ I COMUNICACIÓ

TREBALL DE FI DE GRAU DE

LLENGÜES MODERNES I LES SEUES LITERATURES

VERFOLGUNG VON HOMOSEXUELLEN IM DRITTEN


REICH UND IN DEN FOLGENDEN JAHREN: DIE
ERINNERUNG NACH DEM SCHWEIGEN

Presentat per Adrián Granero Chisvert


Dirigit per Ana Giménez Calpe
Curs: 2018-2019
Zusammenfassung
Viele Kollektive wurden im Dritten Reich diskriminiert, verfolgt und gefoltert. Kollektive
wie die Juden, die Zigeunern oder die LGBTI+-Bevölkerung wurden verachtet und
ermordet. Die Kultur der deutschen Erinnerung brauchte jedoch lange, um diese Opfer zu
erkennen, und das Kollektiv, das lange Zeit in Vergessenheit geriet, war die der
Homosexuellen. Warum war es dieses Kollektiv, das so lange in Vergessenheit geriet?
Wer hat es entschieden? Gibt es Zeugnisse von Überlebenden, an denen man sich
festhalten kann? In diese r Arbeit analysiere ich die Texte von Josef Kohout, Rudolf
Brazda und Pierre Seel, den einzigen homosexuellen Überlebenden der
Konzentrationslager, die ihre Geschichte ausführlich erzählt haben, wie ihre Verfolgung
war und wie sie ihre Homosexualität im Konzentrationslager lebten.

Schlüsselwörter
LGBTI+, Homosexualität, Rosa Winkel, Konzentrationslager, Heinz Heger, Josef
Kohout, Rudolf Brazda, Alexander Zinn, Pierre Seel, Aleida Assmann,
Erinnerungskultur.

2
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung…………………………………………………………….........…….5

2. Historischer Kontext……………………………………………………….……7

3. Die Erinnerungskultur in Deutschland. Wie wird die Verfolgung von


Homosexuellen erinnert? …………………………………………...………..…...12

3.1. Wie ist die deutsche Erinnerungskultur?..............................................................12


3.2. Individuelles und kollektives Gedächtnis…………………………………..…...13

3.3 Das Schweigen und die Erinnerungskultur……………………………..………..15


3.3.1. Anerkennung des Holocausts………………………………………..…….18

4. Ein Rosa Winkel in dem KZ sein: die Erfahrungen von Josef Kohout und Rudolf
Brazda……………………………………………………………………….....…..20

4.1. Heinz Heger: Die Männer mit dem rosa Winkel……………………………........20


4.1.1. Kohouts Weg zum Konzentrationslager ……………………...…...…..….21
4.1.2. Organisation und Hierarchie in dem Konzentrationslager Sachsenhausen-
Oranienburg……………………………………………………….......…….…...24
4.1.3. Arbeit und Folterung als ein Rosa-Winkel-Häftling in Sachsenhausen-
Oranienbürg………………………………..…………………………...……......25
4.1.4. Arbeit und Folterung als ein Rosa-Winkel in Flossenbürg……...…….….28
4.1.5. Sexualität in dem Konzentrationslager. Die Erzählung von
Josef Kohout………………………………………………………...........….29

4.2. Alexander Zinn: Rudolf Brazda: Das Glück kam immer zu mir……..……..…..31
4.2.1. Erste Jahre der Ruhe und Unbekümmertheit………………….…….....…32
4.2.2. Der erste Prozess: Brazdas Weg zum Konzentrationslager………......…..33
4.2.3. Neues Leben in Karlsbad………………………………………….….......34
4.2.4. Organisation, Arbeit und Folterung in dem Konzentrationslager
Buchenwald………………………………………………………….….........…36
4.2.5. Sexualität in dem Konzentrationslager Buchenwald…………….….....…38

5. Vergessene Geschichten: die Erinnerung an die Rosa-Winkel……..……..…….…39


5.1. Was geschah mit Joseph Kohout nach dem Fall des Dritten Reiches?..........41

3
5.2. Was geschah mit Rudolf Brazda nach dem Fall des Dritten Reiches?...........42
5.3. Warum das Schweigen? Das Beispiel von Pierre Seel, Aktivist und Verteidiger
der Erinnerungskultur…………………………………………………………....44

6. Abschluss…………………………………………………………………….…..47

7. Anhang……………………………………………………………………..….....50

8. Bibliographie………………………………………………………………...…...52

4
1. Einleitung

In dieser Abschlussarbeit werde ich die Verfolgung, Folter und Verurteilung

homosexueller Personen im dritten Reich analysieren.

Eines der Hauptziele meiner Arbeit ist, das Leben von Homosexuellen1 in so

unterschiedlichen Geschichtsperioden wie die der Weimarer Republik, des Dritten

Reiches und des vorherrschenden Schweigen der folgenden Jahrzehnte zu untersuchen.

Die Erfahrung der Verfolgung, der Folter in den Konzentrationslagern und das Erlebnis

der Sexualität der Homosexuellen unter diesen schrecklichen Umständen wird dafür eine

zentrale Achse meiner Arbeit sein.

Wir wissen, dass im Dritten Reich rassische Minderheiten verfolgt wurden. Minderheiten

wie die Juden, die Zigeuner, aber auch andere, die ,,von der Norm abweichend" waren,

wie die Kommunisten, die damals so genannten ,,Asozialen’’ und auch die

Homosexuellen wurden in Konzentrationslagern eingesperrt. Jede dieser Gruppen litt

unter den schwerwiegenden Folgen der Hitler-Diktatur, aber die Juden, die Zigeuner und

die Homosexuellen bildeten die niedrigsten sozialen Schichten im Konzentrationslager

und hatten die geringsten Überlebenschancen. Als der Krieg endete und Hitlers Reich

zusammenbrach, lag Deutschland in Trümmern. Die Rekonstruktion des Landes wurde

so das Hauptziel und, wie im Folgenden ich in Bezug auf die Thesen von Aleida Assmann

und ihrer Reflexion über die Kultur der deutschen Erinnerung erklären werde, wurden die

Opfer in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht anerkannt.

1
Obwohl es mir bewusst ist, dass lesbisches Frauen (gekennzeichnet durch ein schwarzes Winkel
als Asozialen), Bisexuelle (oft mit Homosexuellen verwechselt), Transsexuelle (schwer zu konkretisieren,
wenn sie mit dem Aufstieg von Transvestismus und Transformationismus verwechselt werden) und
Intersexuelle auch in Hitlers Drittem Reich verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, habe ich mich in dieser
Arbeit wegen der enormen Menge an Literatur - im Vergleich zum Rest der LGBTI+-Bevölkerung - auf
homosexuelle Männer konzentriert, denn es gibt im Moment mehr Zeugnisse von ihnen . Trotzdem ist die
Analyse von Leid, Folter, Tod und vor allem der Kampf ums Überleben und die Akzeptanz der sexuellen
Vielfalt ist Teil des gesamten LGBTI+-Kollektivs und so werden die anderen Gruppen auch nicht
vergessen.

5
Mit der Entwicklung der Erinnerungskultur wurden Kollektive wie die Juden (etwa sechs

Millionen von ihnen starben), Zigeuner oder politische Gefangene als wahre Opfer eines

fremdenfeindlichen Völkermords anerkannt, aber diese Erinnerungskultur ließ jedoch die

Gruppe der Homosexuellen aus. Mein Ausgangspunkt ist in diesem Sinne das Vergessen

von Schwulenopfern im Dritten Reich. In dieser Arbeit werde ich versuchen zu erklären,

warum dieses Kollektiv ausgelassen wurde, warum sie nach der Befreiung der

Konzentrationslager nicht wieder freie Menschen wurden und, vielleicht die wichtigste

Frage, warum sie in Vergessenheit geraten durften, und es so lange dauerte, bis eine

Anerkennung ankam, wobei für einige leider zu spät. Deshalb habe ich meine Arbeit in

vier Hauptpunkte unterteilt: den historischen Kontext, in dem ich über die

Übergangsjahre von der Weimarer Republik zur Hitler-Diktatur sprechen werde, in der

Homosexuellen verhaftet und in Konzentrationslager geschickt wurden. Im zweiten

Punkt werde ich als Bezugspunkt und theoretischen Rahmen die Arbeit von Aleida

Assmann nehmen, um die Erinnerungskultur Deutschlands zu analysieren. Ich werde

mich jedoch auf das Schweigen über die Homosexuellen konzentrieren. Der dritte und

vierte Punkt widmet sich zusammen mit Assmanns Theorie der Analyse der Zeugnisse

der Opfer von NS-Konzentrationslagern wegen ihrer Homosexualität und dem, was sie

in den Jahren nach ihrer Befreiung getan haben, die dieses Schweigen und Fehlen in der

Kultur der Erinnerung verursachten. Diese letzten Punkte werden wichtig sein, denn in

dem damaligen Europa die Homosexualität noch ein Tabu blieb, und aus diesem Grund

haben viele beschlossen, bis viele Jahre später zu schweigen.

Das Schweigen und die Unsichtbarkeit der Homosexuellen war so groß, dass ich mich

zur Untersuchung dieses Themas nur auf die berühmtesten Zeugnisse der letzten

Überlebenden verlassen kann, die wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslagern

waren. Die wichtigsten Zeugnisse, die ich in meiner Arbeit und allgemein bei der Suche

nach Literatur von Homosexuellen während des Dritten Reiches finden könnte, sind das

Zeugnis von Josef Kohout, die seine Biographie mit dem Hilfe des Journalisten Heinz

Heger im Buch ,,Die Männer mit dem Rosa Winkel" schrieb, die Biographie von Rudolf

6
Brazda, auch mit Hilfe von Alexander Zinn im Buch ,,Das Glück kam immer zu mir"

geschrieben, und das Zeugnis von Pierre Seel, geschrieben mit Hilfe von Le Bitoux im

Buch ,,Pierre Seel: Deported Homosexual".

2. Der Historische Kontext


In Bezug auf den historischen Kontext ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit die Gründung

der Weimarer Republik, einer Zeit, in der es zwar Gesetze wie der Artikel 175 gab, der

die Homosexualität kriminalisierte. Trotzdem kann man feststellen, dass zu dieser Zeit

eine Atmosphäre von Freiheit herrschte.

Die Weimarer Republik beginnt am 6. Februar 1919 durch die

Nationalversammlung: ,,Wir haben den Krieg verloren. Diese Tatsache ist nicht die Folge

der Revolution. [...] Das waren die Erklärungen von Volkskommissar Friedrich Ebert auf

der Sitzung der Nationalversammlung".2

Dazu war die Situation zur Gründung der Republik eine sehr instabile Situation. Vor

allem die ersten Jahre (1920-1924) wurden besonders kompliziert, vor allem wegen den

Veränderungen, die dieser Wandel mit sich brachte: den Fall der Monarchie, aber auch

die ideologische Spaltung in der Bevölkerung. Es gab melancholische Stimmen, die sich

an das alte Regime erinnerten, aber auch andere, die den Sozialismus annahmen und sogar

die Sowjetrepublik als Zweck der Weimarer Republik betrachteten.

Obwohl die ersten Jahre der Republik sehr instabil waren, war es möglich, wie Möller

erklärt, die Probleme zu überwinden und gestärkt aus ihnen hervorzugehen: ‘Tras la toma

de posesión del cargo del primer ministro Heinrich Held (BVP), que gobernó desde 1924

hasta 1933 [...] inició una política de apaciguamiento de orientación centro derecha. La

solución de los principales problemas financieros y políticos contribuyó decisivamente a

la estabilización que caracterizó a los años posteriores.’’ (Möller, 2012: 221).

2
Möller, H., & Sánchez De Muniain Cidranes, P. (2012) La República de Weimar. Boadilla del
Monte (Madrid): A. Machado Libros. Hier: S. 12-20.

7
Ab 1924 erlebte die Republik die sogenannte beste Fünfjahresperiode (1924-1929), in der

sich Deutschland als Demokratie zu verstehen begann, aber nicht nur im politischen,

sondern auch im sozialen Bereich. Diese waren die Jahre, in denen Rudolf Brazda, wie

danach ausführlich beschrieben wird, sein Leben als Homosexuell zusammen mit seinen

Freunden, auch Homosexuellen, in völliger Freiheit und wenig Diskretion entwickelte:

Sie trafen sich oder gingen in Tanzsäle in benachbarten Dörfern.3

In diesem Fünfjahreszeitraum hat sich die Feindseligkeit von rechts und links nicht

verringert, obwohl es eine Verbesserung des als ,,Dawes-Plan" bezeichneten

Wirtschaftssystems gab, das es geschafft hat, die deutsche Wirtschaft wieder auf Kurs zu

bringen. Wie Möller erzählt, kommt zu diesem Erfolg noch ein weiterer Erfolg hinzu:

„En julio de 1925, el desalojo de la Cuenca de Ruhr por parte de los franceses, así como

la retirada francesa de Düsseldorf y Duisburg el 25 de agosto , que continuó hasta el 31

de enero de 1926 con el desalojo de la zona de Colonia por parte de los británicos. El 30

de junio de 1930 los aliados abandonaron finalmente Renania“. (Möller, 2012: 224)

All dies, gefördert durch die Außenpolitik des Außenministers Gustav Stresemann. Aus

diesem Grund spiegelten die Ergebnisse der Wahlen von 1924 und 1928 diese Stabilität

(innerhalb der Instabilität) wider, die dank der Republik erreicht wurde, wo Parteien wie

die NSDAP mit 2,6% der Stimmen in Mindestzahlen gesehen wurden und wo die SPD

mit 29,8% erfolgreich war, was der Kontinuität des von ihnen geleiteten demokratischen

Projekts entsprach.

Diese kurze Zeit des Wohlstands, die 1929 endet, diente zweifellos der wirtschaftlichen

Entwicklung, einer Ebene, die stark mit einem Thema verbunden war, das in meiner

Arbeit eine größere Relevanz hatte, der damals erlebten sozialen Entwicklung. Während

dieser Jahre der Liberalisierung versammelten sich in der gesamten Republik

verschiedene schwule Pubs, Kabaretts und Cafés. Die ersten Zeitschriften mit

3
Zinn, A. (2011). Das Glück kam immer zu mir. Frankfurt am Main: Campus Verlag: S. 35.

8
ausschließlich homosexuellen Themen wie Der Eigene wurden geschrieben und die

ersten Assoziationen gegen homosexuelle Repressionen entstanden:

[...] was the first homosexual emancipation magazine: ,,Der Eigene’’ which the

twenty-one-year old Adolf Brand founded in 1896. The following year, Magnus

Hirschfeld co-funded homosexual emancipation’s first organization, the Scientific

Humanitarian Committee and it presented its first petition to the Reichstag calling

for the repeal of Paragraph 175.4

Ein zentrales Thema für das Leben von Homosexuellen in der Weimarer Ära war dagegen

das Gesetz 175 des Strafgesetzbuches, das homosexuelle Beziehungen jeglicher Art

kriminalisierte. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1871 war im Laufe der Zeit geschwächt

worden und entpuppte sich mit der Liberalisierung der Gesellschaft der Weimarer

Republik als ein wenig verbreitetes Gesetz mit Mindeststrafen von einem Tag. In diesem

Fünfjahreszeitraum erscheint einer der größten Befürworter des homosexuellen Kampfes

und auch ein großer Verleumder vom Artikel 175: das von Magnus Hirschfeld gegründete

Institut für Sexualwissenschaften. Die Homosexuellen fingen an, sich an einem Kampf

zur Aufhebung vom Artikel 175 auf der Grundlage von Demonstrationen zu beteiligen.

Tatsächlich wurde am Ende der besten republikanischen Fünfjahresperiode und sehr kurz

vor der Machtübernahme Hitlers über das Schicksal vom Artikel 175 abgestimmt, doch

mit einer katastrophalen Folge für die Homosexuellen:

People assumed that the new penal code would not contain the Paragraph 175. The

vote was not, however, a simply repeal of the sodomy law. It was an effort to replace

it. The day after the penal code reform committee voted to cut Paragraph 175, it

approved Paragraph 297. This new law instituted criminal penalties for male-sex in

three instances. It outlawed sex between two men if one was under twenty-one and

4
Marhoefer, L. (2015). Sex and the Weimar Republic. Toronto, Buffalo, London: University of
Toronto Press. S. 24.

9
the other was not, if one party used a position of influence the other or if one paid

the other. (Marhoeffer, 2015: 120)

1929 fand der Zerfall der Republik und Hitlers Machtübernahme statt. Zu dieser Zeit

wurde die Situation für die Homosexuellen unerträglich, wie die Zeugnisse, die in der

vorliegenden Arbeit zu untersuchen sind, dargestellt haben. Aber wo können wir das

Scheitern der Weimarer Republik einordnen, das dem Terror Hitlers Platz macht? Möller

datiert den Beginn des Endes der republikanischen Demokratie auf den 27. März

1930: ,,fecha en la que se derrumbó el gobierno de la gran coalición del canciller

socialdemócrata Hermann Müller. Desde el 30 de marzo de 1930 hasta 1932 gobernó un

gabinete en minoría encabezado por el canciller Heinrich Brüning, miembro del

Zentrum.’’ (Möller, 2012: 327).

Für Reinhard Kühnl war ein wichtiger Wendepunkt, wie er in seinem Buch Die Weimarer

Republik beschreibt, als Hitler “durch eine Politik der Gewalt und des Terrors selbst die

letzten Überreste demokratischer Institutionen zerstört und sich der Vorbereitung eines

neuen Eroberungskriegs verschrieben hat".5 Hitler wird die ehemals demokratische

Weimarer Republik in ein Drittes Reich umwandeln. Diese Diktatur wird Kriterien

aufstellen, die auf der Reinheit der deutschen Rasse und der Diskriminierung und

anschließenden Vernichtung von Rassen, die die Rasse ''schmutzig" machen, wie Juden

oder Zigeuner, basieren. Auch die Homosexuellen wurden während des Dritten Reiches

stark diskriminiert, wie ich in meiner Arbeit untersuchen werde. Die Verhärtung der

Gesetze gegen Homosexualität markierte den Beginn von Hitlers Mandat und begann

bald, verheerende Auswirkungen auf die großen europäischen Städte zu haben, die in der

Republik große Freiheit genossen.

5
Kuhnl, R. (1991). La república de Weimar: establecimiento, estructuras y destrucción de una
democracia / Reinhard Kühnl ; [traducción de Ramir Reig y Elisa Renau]. València: Edicions Alfons el
Magnànim, Institució Valenciana d'estudis i Investigació:.. 223

10
Wie Günter Grau beschreibt, war Hitlers Mandat durch seinen Hass auf Homosexuellen

und deren Verfolgung gekennzeichnet. Dafür wurden mehrere staatliche und polizeiliche,

Maßnahmen ergriffen, um Homosexuellen zu verfolgen und sie hart zu verhören:

Schließlich hatten die Nazis aus ihrem repressiven Vorgehen kein Geheimnis

gemacht. Im Gegenteil. Homosexualität galt ihnen als Gefahr für

Bevölkerungswachstum und die sogenannte arische Rasse. Propagiert wurde die

„Ausmerzung“ der Homosexualität. (Marhoefer, 2014: 35-39)

Die Nazis sahen Homosexualität als einen biologischen Defekt, der es der arischen Rasse

nicht erlaubte, sich zu entwickeln. Wie Dams und Stolle in ihrem Buch Die Gestapo:

Herrschaft und Terror im Dritten Reich (2017) erklären, waren die Kündigungen der

effektivste Mechanismus, den die Gestapo hatte: ,,Während der Denunziationsanteil bei

Heimtückfällen der Stapo-Stelle Saarbrücken sogar bei 87,5% lag, war die

gruppenspezifische Denunziationsquote bei der Verfolgung der Homosexuellen mit 9 bis

15 Prozent eher gering.“6 Der nationalsozialistische Hass auf Homosexuelle nahm

allmählich zu, mit dem höchsten Gipfel und dem Beginn der schrecklichen Verfolgung

mit dem Mord vom Kommandant der Nazi-SA Ernst Röhm: ,,On June 30, Hitler himself

went to the resort in Hanselbauer, Bavaria where Ernst Röhm were vacationing and

assisted in Röhm’s arrest. [...] On July 1, Hitler gave orders to eliminate Röhm. [...] The

Röhm Putsch effectively relinquished all SA political influence of the Third Reich.7

Nach der Ermordung von Ernst Röhm gerieten Homosexuelle zunehmend ins Visier der

Gestapo. Mit Drohungen, Gefängnisstrafen und KZ-Haft sollten die Homosexuellen zu

Heterosexuellen <<umerzogen>> werden. Die Verschärfung des Strafgesetzbuches im

Juni. 1935 erlaubte die Verfolgung schon bei Verdacht auf <<widernatürliche

Unzucht>>. (Dams & Stolle, 2017: 122)

6
Stolle, M., & Dams, C. (2017). Die Gestapo: Herrschaft und Terror im Dritten Reich. München:
Verlag C.H.Beck. S. 87.
7
Wilcox, D. (2016). The Rise of the Nazi SS . Bloomington: Xlibris Corp. S. 54

11
3. Die Erinnerungskultur in Deutschland. Die Thesen von Aleida Assmann. Was

passierte mit den Homosexuellen?

Der Zweite Weltkrieg und all die durch den Holocaust verursachten Unglücke wurden

mit der Zeit Aspekte, die, sobald Frieden und Stabilität in Deutschland angekommen

waren, nicht einfach vergessen wurden. Somit entstand die sogenannte

Erinnerungskultur.

Deutschland war nach dem Krieg ein gebrochenes Land, das zum zweiten Mal besiegt

wurde, in dem Verwirrung und Schuld herrschten, einige, weil sie zum Nazi-Regime

beigetragen hatten, andere, weil sie es zugelassen hatten, ohne etwas getan zu haben, um

es zu stoppen. So musste das Land wieder von Grund auf neu aufgebaut werden. Aber

diesmal kam zum ersten Mal ein neuer Aspekt in die Geschichte. Ab Ende der 60er Jahren

entstand in Deutschland eine Kultur, die versuchen würde, sich an alles zu erinnern, was

geschehen war, die Opfer dieses Unglücks, die Millionen von Menschen und

verschiedenen Minderheiten, zu ehren, und vor allem mit der Erinnerung zu vermeiden,

dass sich dies nie wieder wiederholen würde. Diese Erinnerungskultur wurde im Laufe

der Jahre nach den Ereignissen im Dritten Reich entwickelt und von den nachfolgenden

Regierungen gefördert, diesmal demokratisch.

Um ausführlich auf dieses Thema einzugehen, habe ich das Werk von Aleida Assmann

gewählt. Ich werde Assmanns Thesen und die Schlussfolgerungen, die ich dazu gezogen

habe, erklären. Diese Ideen sind in verschiedenen Teile unterteilt. Zum Schluss werde ich

auf die Erinnerungskultur und die Verfolgung der Homosexuellen eingehen.

3.1. Was ist die deutsche Erinnerungskultur?

Die Erinnerungskultur, die Aleida Assmann untersucht, ist diejenige, die alle

Bemühungen und sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beiträge umfasst, um sich an

12
die dunklen Zeiten des Holocaust und ganz besonders an die jüdischen Opfer zu erinnern.8

Diese Erinnerungskultur geht von der Grundlage der Schuld und der Absicht aus, Fehler

zu korrigieren, die in der Vergangenheit entstanden sind. Obwohl die Kultur der

Erinnerung auf guten Absichten basiert, beginnt Assmann ihren Text ,Das neue

Unbehagen an der Erinnerungskultur mit einem negativen Substantiv: „Unbehagen“.

Damit wird dieses Unwohlsein durch die Tatsache hervorgerufen, dass Assmann heute

verteidigt, die Kultur der Erinnerung, die in den Protesten von 1968 begann und in den

90er Jahren fortgesetzt wurde, nicht mehr gültig ist. (Assmann, 2011: 13-15). Nach ihrer

These herrscht jetzt ein Unwohlsein wegen verschiedenen Gründen, die verschiedene

Experten in der Kultur der Erinnerung uns aufzeigen.

Assmann schlägt uns zunächst vor, die Erinnerungskultur auf eine Grundlage zu stellen,

auf der es notwendig war, eine Selbstkritik zu üben: Alle waren schuldig, nur diejenigen,

die die deutsche Heimat gerettet haben, waren diejenigen, die vor einem inneren Urteil

gerettet wurden. Aber was passiert, wenn die neuen Generationen weiterhin geboren

werden und die Deutschen weiter von den Ereignissen entfernen? (Assmann, 2011: 17)

Wir stehen auch vor einer schwierigen Frage: Was wird passieren, wenn die Ära der

Zeugnisse aus den Konzentrationslagern endet, wird es nur ein weiteres Kapitel in den

Geschichtsbüchern sein? Das Thema meiner Arbeit ist, wie das Leiden der

Homosexuellen während des Nazismus Teil der Erinnerungskultur Deutschlands wurde.

Warum gibt es gewisse Geschichten, die mehr als andere in Erinnerung bleiben? Einige

sind praktisch in Vergessenheit geraten. Wo ist die Grenze zwischen dem, was erinnert

werden muss, und dem, was nicht erinnert werden darf?

8
Assmann, A. (2013). Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur: eine Intervention.
München: C.H. Beck. 12-15.

13
3.2. Individuelles und kollektives Gedächtnis

Um die Kultur der Erinnerung und das, was erinnert wird und was nicht, tiefer zu

untersuchen, schlägt Assmann vor, sich zu fragen, ob Erinnerung und Vergessen

kognitive Merkmale eines Individuums oder eines Kollektivs von Menschen und

Gesellschaft sind. Um diese Frage zu beantworten, sollten wir auch beantworten, ob es

das gibt, was wir das ,,kollektive Gedächtnis” nennen, d. h., die Erinnerungen einer

Gruppe von Menschen, die dieselben historischen, sozialen und politischen Ereignisse

durchlebt haben. In diesem Fall natürlich mit Fokus auf die Opfer des Holocausts.

Aleida Assmann greift in ihrem Text die Thesen von Reinhart Koselleck auf, einem

berühmten Verleumder der Erinnerungskultur, genauer gesagt, des kollektiven

Gedächtnisses und seiner vermeintlichen Auferlegung. Seine Aussagen zum kollektiven

Gedächtnis waren die folgenden:

Ich kann nur das erinnern, was ich selber erfahren habe. Erinnerung ist an die

persönliche Erfahrung zurückgebunden. Ich habe keine Erinnerung bis auf das, was

ich selbst erfahren habe. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass jeder Mensch

ein Recht auf seine eigene Erinnerung hat. Das ist das Recht auf seine eigene

Biographie, das Recht auf seine eigene Vergangenheit, die ihm durch keine

Kollektivierung, durch keine Homogenisierung, durch keine Zumutung genommen

werden kann. 9

Koselleck versucht zu erklären, dass die Erinnerungen jedes Einzelnen einzigartig sind,

wie jeder Mensch und seine Geschichte. Wir können dies leicht veranschaulichen, wenn

wir uns zwei Personen vorstellen, die sich im Kontext des Holocausts in der gleichen

Situation befanden. Einer war ein SS-Wächter und einer ein KZ-Häftling. Ja, sie haben

9
Reinhart Koselleck, Gibt es ein kollektives Gedächtnis? Rede, gehalten am 6. Dezember 2003 in
Sofia bei der internationalen Konferenz <Pierre Nora. Erinnerungsorte und Konstruktion der
Gegenwart>. Zitiert in Assmann, 2013: 17-25.

14
beide Erinnerungen, die in der gleichen Raumzeit passiert sind, aber auf keinen Fall kann

dies zu einem kollektiven Gedächtnis werden, da ihre Geschichten individuell radikal

unterschiedlich sind. Aus diesem Grund kann nach Koselleck die Kultur des deutschen

Gedenkens kein einheitliches kollektives Gedächtnis auferlegt werden, denn es wäre

ungerecht gegenüber denen, die sich nicht mit dem System identifiziert fühlen. Aleida

Assmann demontiert im Gegensatz zu Koselleck diese These und erklärt, dass, obwohl

heute niemand mehr an die Ereignisse eines so markierten Datums wie dem 27. Januar

(Befreiung von Auschwitz) erinnert, es für die deutschen immer noch notwendig ist, einen

Tag zu haben, um uns an dieses Ereignis zu erinnern, da dies für die neuen Generationen

eine wichtige Rolle spielt, warum dieser Tag geschah. (Assmann, 2013: 19)

Die nächste Frage ist dann: Wer entscheidet, was kollektives Gedächtnis ist und was

nicht? Was passiert dann mit den politischen Gefangenen, die auch in den

Konzentrationslagern gefangen waren? Was passiert mit den Zigeunern? Alle diese haben

in den öffentlichen Diskursen eine niedrigere Repräsentation gehabt. Obwohl sie in

Erinnerung geblieben sind, sind sie Gruppen mit einer niedrigeren Berücksichtigung. Und

gerade ein Gruppengedächtnis, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs praktisch zum

Schweigen und zur Unsichtbarkeit verurteilt war, sind die Homosexuellen. Was ist aus

den homosexuellen Gefangenen in Konzentrationslagern geworden? Hier kommt das

Schweigen ins Spiel. Bis Anfang des 21. Jahrhunderts wurden keine Denkmäler errichtet,

ihre Geschichten wurden fast kaum veröffentlicht und ihre Bücher wurden auch sehr

selten in den Schulen gelesen. Deshalb standen sie kurz vor dem Vergessen, wenn es nicht

das Wiederaufleben der homosexuellen Bewegung und einiger Zeugen gäbe, mit denen

es möglich war, das doppelte Schweigen, das des Holocausts und das des Closets, zu

besiegen.

Diese Idee ist sehr wichtig, denn wenn wir uns an die Kultur des primitiven Gedächtnisses

und die bereits weiter entwickelte Kultur der 90er Jahre halten, werden wir feststellen

können, dass es nur eine kleine Spur von anderen Minderheit als der jüdischen gibt. Wir

15
sprechen von Diskriminierung innerhalb der Diskriminierung, die von Minderheiten wie

die Zigeunern oder der Homosexuellen-Gefangene während des Holocausts.

3.3. Das Schweigen nach dem Zweiten Weltkrieg

Aleida Assmann zeigt vor allem die Grundlagen der Erinnerungskultur auf, um das wahre

Unbehagen darin zu finden. Sie beschreibt, dass Deutschland nach dem Krieg und der

Suche nach einem zerstörten deutschen Staat nicht von der gesamten deutschen

Bevölkerung ein ,,mea culpa" erwarten konnten. Der Schockzustand war überall

verbreitet und die alliierten Staaten besetzten das Gebiet noch immer, so dass es nicht viel

mehr zu bedenken war, dass das Land bei Null anzufangen und es aus demokratischer

Sicht wieder aufzubauen.

So fing nach Ende des Dritten Reiches ein “Schweigen" in Bezug auf den Zweiten

Weltkrieg und den Holocaust, denn die Themen wurden nicht an öffentlichen Orten und

nur privat gesprochen. Ein Schweigen, das etwa 17 Jahre dauern wird, als Alexander und

Margarete Mitscherlich es wagten, dieses in der Gesellschaft bereits sehr gefestigte Tabu

durch eine psychologische Analyse der deutschen Bevölkerung zu schwächen. Ihre

Studien kamen zu dem Schluss, dass es dem deutschen Volk nicht gelungen war, diese

Ereignisse zu trauern. Im Gegenteil hatte sich das Land auf den Wiederaufbau des Landes

konzentriert und eine Stille hinterlassen. So wurde eine Mauer gebaut, die verhinderte,

dass über jedes Thema im Zusammenhang mit dem, was im Dritten Reich geschehen war,

gesprochen wurde, ohne falsch betrachtet zu werden oder zu sagen, dass es aus dem

Zusammenhang geriet. (Assmann, 2013: 33-36)

Etwas später, parallel zum Aufbau der Erinnerungskultur, die versuchte, diese Mauer

niederzureißen, machte der Philosoph Hermann Lübbe bestimmte Aussagen über das

deutsche Schweigen und definierte wie folgen das deutsche Volk: ,,Natürlich könnte ein

ganzes Volk nicht schlagartig vergessen, aber es konnte sich darauf einigen, über die

16
schlimme Vergangenheit, die man soeben hinter sich hatte, zu schweigen.’’10 Lübbe

argumentiert dann, dass das Schweigen die einzige realistische Möglichkeit für die

damalige deutsche Bevölkerung war. Ich denke jedoch, dass auch wenn es nicht

verwunderlich ist, dass diese die Antwort des deutschen Volkes war, da es gerade aus

einer Tyrannei herausgekommen war, in der das Schweigen den Grundlagen des NS-

Systems selbst war, so hätte dieses Schweigen nicht so lange dauern sollen.

Darüber hinaus wurde noch ein weiteres Problem hinzugefügt: der Begriff der Schuld.

Die Deutsche sollen sich fragen, warum sie nichts getan haben, wie sie das geschehen

ließen, oder sogar wie sie zu dieser Barbarei beitragen konnten. Die ersten Versuche, das

Schweigen zu brechen, kamen aus der Kollision zwischen der ersten Generation,

derjenigen der Stille, und der zweiten, ihren Kindern, die als Generation 68 bekannt war.

Diese war eine Generation, die Antworten und Gerechtigkeit vor einem Zustand des

Schweigens sucht. So fing die Erinnerungskultur in Deutschland an.

3.4. Die Anerkennung des Holocausts

Aus diesem Generationenkonflikt entwickelte sich eine sehr aktive Generation, die laut

Assmann eine Anerkennung des Wortes Holocaust und der Mehrheit seiner Opfer, der

Juden, beansprucht. Vor allem in den 80er Jahren fing in Deutschland die Arbeit nach der

Anerkennung der Opfer an.

Die jüdischen Opfer wurden als Individuen betrachtet, als Menschen mit Namen und

Geschichten, die durch die Hölle gegangen waren. Deshalb fühlten sich die neuen

Generationen von Deutschen, so die Soziologen Christian Schneider und Ulrike Jureit,

identifiziert und hatten großes Mitgefühl mit den jüdischen Opfern. In den 80er Jahren

waren die Juden die Gruppe, die mehr Bedeutung gewann, während von den anderen

Kollektiven nie die Rede war. Im Falle von den Homosexuellen, wurden sie darüber

10
Lübbe, H. (2007). Vom Parteigenossen zum Bundesbürger: Über beschwiegene und historisierte
Vergangenheiten. München: Wilhelm Flink Verlag. Zitiert in: Assmann, 2013: 43.

17
hinaus nach dem Verlassen der Konzentrationslager noch als Straftäter anerkannt, wie

wir im Buch von Pierre Seel lesen können.11

In diesem Sinne spricht Assmann von Machtkonstellationen, die entschieden haben, was

offiziell in Erinnerung bleiben sollte und was nicht. In diesem Fall, was nicht als

Erinnerung markiert ist, wurde vergessen, wie es bei der Homosexuelle- Häftlinge der

Fall war. Ich werde auf dieses Thema in den Punkten 4 und 5 eingehen, in denen die

Verfolgung und Folterung von Homosexuellen in den Konzentrationslagern untersucht

werden soll. Doch es ist wichtig jetzt zu verstehen, wie die LGTBI-Bevölkerung aus einer

sehr schmerzhaften und traumatischen Phase hervorgegangen ist, um ein Europa zu

finden, das ihre Rechte immer noch nicht akzeptiert hat. Nachdem sie aus den

Konzentrationslagern befreit wurden, konnten sie nur erst viele Jahrzehnte später aus dem

Schrank kommen, um als Opfer des Holocausts in ihrem vollen Recht anerkannt zu

werden. Leider kam diese Anerkennung in den meisten Fällen sehr spät.

3.3.1. Wo sind die Homosexuellen in der deutschen Erinnerungskultur?

Als ich mit dieser Abschlussarbeit begann, war ich überrascht von der geringen Literatur

– sowohl Primär-wie Sekundärliteratur - über Homosexualität im Holocaust. Es gibt drei

sehr wichtige Bücher von Überlebenden, die ich beim Schreiben der Arbeit entdeckt habe.

Doch es gibt fast keine literarische Texte, die die Erfahrungen der Homosexuellen

literarisiert haben, wie Kai Hammermeister in seinem Artikel,,Inventing History. Toward

a Homosexual Holocaust Literature" feststellt.12

Hammermeister argumentiert, dass eine schwule Holocaust-Literatur notwendig ist, aber

dass sie nicht existiert oder sehr minoritär ist. Homosexuelle Überlebende von

Konzentrationslagern hinterlassen keine Literatur, die die neue Generationen lesen

11
Seel, P., Le Bitoux, J., Petit, J., Delgado, M., Monclús, J., Delain, O., & Lozano González, J.
(2001). Pierre Seel: Deportado homosexual. Barcelona: Edicions Bellaterra.
12
Hammermeister, K. (1997). “Inventing History: Toward a Gay Holocaust Literature”. The
German Quarterly, 70(1), 18-26.

18
können. So bleibt für sie unbekannt, was mit der LGTBI+-Bevölkerung in den

Konzentrationslagern passiert ist: Warum diese Abwesenheit von homosexueller

Literatur? Hammermeister gibt verschiedene Gründe, aber einer der wichtigsten ist, dass

die meisten homosexuellen Häftlinge in den Konzentrationslagern starben

(Hammermeister, 1997: 20). Mit einem rosa Winkel gekennzeichnet, dem

Unterscheidungsmerkmal homosexueller Häftlinge in den Konzentrationslagern, wurden

Sie zu einem sicheren Tod als Gefangene der untersten Kategorie verurteilt, unterlegen

sogar gegenüber Juden.

Es ist daher der Mangel an homosexueller Literatur, der zentrale Aspekt, mit dem jeder

Arbeit, die sich mit dem Thema beschäftigt hat, die Analyse anfängt.

Das Problem, so Hammermeister, liegt auch heute noch vor: ,, According to a recent

survey commissioned by the American Jewish Committee, only about half of the adults

in Britain and a mere quarter of the United States, know that gays were victims of the

Holocaust’’ (Hammermeister, 19)

Die jüdischen Opfer des Holocausts und ihre Erinnerungen wurden durch individuelle

Erzählungen, persönliche Biografien (wie die von Anne Frank) bearbeitet, die wir heute

mit dem jüdischen Völkermord in Verbindung bringen. Leider ist dies im LGBT-Fall

nicht der Fall. Hammermeister führt die Knappheit der LGBT+-Literatur auf einen

gewissen Wissensdefizit der Öffentlichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch

viele Vorurteile in einem Europa, das sich gerade vom Faschismus befreit hat. Ein

weiteres Argument, das meiner Meinung nach das genaueste ist, bezieht sich auf die

komplizierte Situation der Homosexuellen nach ihrer Befreiung. Die Homosexuellen

fühlten sich nicht frei, weil sie weiterhin kriminalisiert und wegen des Gesetzes 175

diskriminiert wurden.

For them, the fear did not end with the forces of liberation. They lived in continual

fear of being re-arrested. Some were treated as repeat offenders after the war, under

the same law against homosexuality, Paragraph 175 of the criminal code, that was

originally put in place in 1871 and which was revised and strengthened by the

19
Nazis. The Nazi version of Paragraph 175 was, in fact, explicitly upheld in 1957 by

the West German supreme court. Anti-gays laws and prejudice had existed before

Hitler came to power, argued the court, and therefore couldn’t be seen as peculiar

to Nazi ideology. (Hammermeister, 1997: 20).

Deshalb, so Hammermeister weiter, wurden homosexuelle Opfer nach 1945 nicht

anerkannt, ihr Holocaust endete nie wirklich. Einige der Holocaust-Opfer wurden nach

ihrer Entlassung durch das Gesetz 175 bestraft und begingen am Ende Selbstmord.

Deshalb weigerten sich die homosexuellen Häftlinge von den Konzentrationslagern, über

ihre Erfahrungen in den Lagern zu sprechen oder zu schreiben, da sie dadurch wieder dem

Gesetz ausgeliefert würden (Le Bitoux, 1994: 82-83). Hammermeister erklärt, dass eine

homosexuelle Holocaust-Literatur unter solchen Bedingungen praktisch unmöglich zu

erschaffen ist. Der Wendepunkt war nach Hammermeister die Stonewall-Krawallen und

der Schwulenbefreiung aus den 1970er Jahren, als die schwule Geschichte untersucht

wurde, um diese große Abwesenheit zu finden.

4. Ein Rosa Winkel in dem KZ sein: die Erfahrungen von Josef Kohout und
Rudolf Brazda
Dieser Teil meiner Abschlussarbeit besteht aus den Kapiteln 4 und 5, in denen ich die

Bücher von Heinz Heger und Rudolf Brazda analysieren werde. Diese Texte stellen die

Erlebnisse von direkten Zeugen dar. Die Texte haben mit der Zeit die Aufmerksamkeit

der Kritik auf sich gezogen, obwohl sie den Kanon der Erinnerungsliteratur nicht erfüllt

haben. Mit Hilfe dieser Bücher wissen wir, fast 74 Jahre nach der Hölle, was die

Homosexuellen ertragen mussten, wie ihre Lebensbedingungen waren, nur weil sie eine

andere sexuelle Orientierung als die normative hatten. Es ist auch notwendig zu betonen,

dass beide ähnliche Geschichten gelebt haben, obwohl sie sich in völlig unterschiedlichen

Situationen befanden, denn Kohout lebte in Österreich und Brazda in Tschechien. So

kann man die Ähnlichkeiten und Unterschiede von den Erfahrungen, die diese Hölle in

verschiedenen Teilen Europas gemacht haben, beobachten.

20
4.1. Heinz Heger: Die Männer mit dem rosa Winkel

Heinz Heger ist das Pseudonym von Hans Neumann, einem Schriftsteller, der in den

1970er Jahren Joseph Kohout traf, einem KZ-Häftling, der glaubte, dass er nicht

vorbereitet war und nicht über die nötige Kompetenz verfügte, um alles, was er lebte, in

ein Buch zu übersetzen. Hans Neumann begann, diese Erinnerungen zu bearbeiten und

veröffentlichte sie schließlich 1972 als erstes autobiografisches Buch über die

Erfahrungen eines Homosexueller in den Konzentrationslagern. Die Männer mit dem

Rosa Winkel ist bis heute das Buch, das den Schrecken eines Homosexuellen im Dritten

Reich, eines so genannten rosa Winkels, das sein Identifikationssymbol war, am besten

darstellt.13 Kohouts gesamte Erfahrung wird in der ersten Person erzählt, so dass Heger

an keiner Stelle im Buch erscheint. Das Buch ist linear strukturiert. Er fängt mit

Verhaftung von Kohout (1939) und endet mit den Reflexionen des Überlebenden in der

Gegenwart (1972).

4.1.1. Kohouts Weg zum Konzentrationslager

Joseph Kohout beginnt seine Erinnerungen 1939 in Wien und stellt einige Aspekte von

seiner Jugend und den politischen Veränderungen dar, die vor seinen Augen harmlos

waren. Er sah, wie der Nazismus zu wachsen begann und an den Universitäten

auftauchte: ,,Da ich politisch nicht sehr interessiert war, gehörte ich weder ein NS-

Verbindung an, noch war ich Mitglied der Partei oder einen ihren Gliederungen’. 14

Seine Familie war katholisch und gehörte der Kleinbourgeoisie, was am Anfang

widersprüchlich mit der Anziehungskraft, die Kohout für Männer des gleichen

Geschlechts empfand, war: ,,Anfangs dachte ich mir nichts Besonderes dabei, doch als

13
Heger, H. and Knörr Argote, E. (2002). Los Hombres del triángulo rosa. Madrid: Amaranto.

(15-17).
14
Heger, H. (1972). Die Männer mit dem rosa Winkel: der Bericht eines Homosexuellen über
seine KZ-Haft von 1939-1945. Hamburg: Merlin Verlag.

21
meine Klassenkameraden in der Schule sich in Mädchenfreundschaften und Liebeleien

einließen und ich noch immer in schwärmerischen Zuneigung an einem primaner hing,

machte ich doch Gedanken über meine Veranlagung.’’ (Heger, 1972: 10). Trotzdem,

erschien ihm seine Homosexualität mit der Zeit nichts Außergewöhnliches. Die

beruhigende Antwort seitens seiner Mutter führte dazu, dass er seine Homosexualität mit

völliger Natürlichkeit akzeptierte, und als er an die Universität ankam, gründete er mit

anderen Freunden eine Studentenvereinigung, die nach und nach wuchs. Unter dem Bild

der akademischen Vereinigung war diese eine Bruderschaft von LGBT-Jugendlichen

verborgen, die ihre Sexualität mit völliger Normalität lebten und wo Kohout die Liebe

seines Lebens, Fred, den Sohn eines hohen Nazikommandos, traf.

Wir dürfen jedoch nicht die politische Situation Österreichs vergessen, und so dauerte es

nicht lange, bis Hegers Unglück an einem Freitagabend begann:

Es war ein Freitag, gegen 13 Uhr, fast auf den Tag genau ein Jahr, dass Österreich

nur mehr eine „Östmark“ war, als bei mir zu Hause die Türklingel zweimal läutete.

[...] Auf mein Öffnen überreichte mir an der Tür ein Mann mit Schlapphut und

Ledermantel mit dem knappen Wort „Gestapo!“ eine Karte mit der vorgedruckten

Aufforderung, mich zu einer Einvernehmung um 14 Uhr im Hauptquartier der

Gestapo im Hotel Metropol am Morzinplatz zu melden. (Heger, 1972: 12-13)

Als er zum Verhör ging, traf er sein Schicksal in Form eines Arztes, der ihn direkt

beschuldigte, Homosexuell zu sein. Kohout wurde dann aller Freiheit beraubt und im

Alter von 24 Jahren in dem Kerker gesperrt.

Er wurde zusammen mit anderen Kriminellen, die wegen Betrug und Diebstahl verurteilt

worden waren, in einer Zelle eingesperrt, so dass Kohout beschloss, seinen

homosexuellen Status zu keinem Zeitpunkt zu erzählen. Er litt nicht nur wegen dem

Nazionalsozialismus, sondern auch wegen der verbreiteten homophobischen Ideologie

einer Österreicher Bevölkerung, die immer noch nicht akzeptierte, dass zwei Männer sich

in irgendeiner Weise lieben konnten.

22
Alle Voraussetzungen für die Inhaftierung nach dem Artikel 175 erfüllten sich bei

Kohout, schlimmer noch, mit fotografischen Beweisen und Zeugenaussagen gegen ihn.

Während des Prozesses konnte Kohout den Aufenthaltsort seiners Partners Fred, dem

Sohn eines Nazi-Führers, erfahren, der freigesprochen wurde.

Das Verfahren gegen den Zweitangeklagten, meinen Freund Fred, wurde wegen

Sinnesvewirrung diesen Angeklagten ausgeschieden und eingestellt. (...) Hier hatte

eine ,,höhere Macht’’ ihre Hand im Spiele gehabt und das Gerichtshtsverfahren

beeinflusst. Wahrscheinlich hatte Freds Vater, der ja einer der Machthaber des

Dritten Reiches war, seinen Einfluss geltend gemacht und seinen Sohn aus der

Anklage heraushalten können. (Heger, 1972: 20)

Kohout selbst macht deutlich, dass die Macht, die Fred gerettet hatte, auch die Macht sein

würde, die ihn für so viele Jahre verfolgen würde, indem sie ihn schließlich in ein

Konzentrationslager brachte. Obwohl sein Aufenthalt Kohout stärkte, kam nach sechs

Monaten die Nachricht, dass er in Haft bleiben und nach Liesl zurückgebracht werden

sollte, wo er ohne weitere Erklärung in ein Konzentrationslager geschickt wurde. Kohout

wurde zusammen mit vielen anderen Unglücklichen, die sich der schrecklichen Erfahrung

des Konzentrationslagers gegenübersahen, in einem Viehzug transportiert. Dreizehn

Tage lang (die Reise ins Konzentrationslager verlief durch Salzburg, München, Frankfurt

und Leipzig) war er in einem Spezialwagen mit Einzelzellen für die schlimmsten

Verbrecher eingesperrt. Als Kohout gestand, dass er ein Opfer des Gesetzes 175 war,

begannen seine Gefährten, ihm etwas zu sagen, das für ihn bereits repetitiv klang: ,,[...]

dass sie als Schwerstverbrecher und Raubmörder doch sicherlich noch am ehesten aus

einer Volkgemeinschaft ausgeschlossen waren, kümmerte sie nicht. Sie betonten immer

nur ausdrücklich, dass sie >>normale Männer<< seien.’’ (Heger, 1972: 25) Die Frage

nach Kohouts ,,Normalität’’ ist ihm wieder in den Sinn gekommen. In diesem Zug erlebt

er auch zum ersten Mal den sexuellen Missbrauch, als einige der Gefangenen ihn

zwangen, wie auch später die Heuchler der Aufseher im Konzentrationslager machen

23
würden, Oralsex mit ihnen zu haben. Sie taten das, was sie stark kritisierten, nur weil sie

in einer ,,Notfallsituation"15 waren: ,,Mit Pfuffen und Schlägen zwangen sie mich dann,

da ich mich nicht freiwillig dazu bereitfand, abwechselnd an ihrem Glied zu saugen, das

sie in meinen Mund pressten, wobei dies jeder von ihnen von mir mehrmals am Tage

verlangte.’’ (Heger, 1972: 25-26)

4.1.2.Organisation und Hierarchie in den Konzentrationslagern Sachsenhausen-

Oranienburg und Flossenbürg

Die erste Information über die Konzentrationslager im Buch ist gerade ein Kommentar

darüber, wie das Lager selbst organisiert war, mit drei Zonen:

Der Häftlingsbereich bestand aus einer einer großen Anzahl von Eckige Klammer.

[...] Der Kommandanturbereich, der sich abseits des von Stacheldraht umzäunten

Häftlingsbereichs befand, enthielt das Kommandanturgebäude, die verschiedenen

Verwaltungsdhäuser mit ihren Büros, die Kasernen der SS-Wachbataillone, die

Villen der hohen SS-Führer, das SS-Führer und Unterführerkasino, meist noch eine

Reithalle und andere Betriebsgebäude und Anlagen wie Gärtnerei, Geflügelfarm

usw. Die dritte Bereich war die Wohnsiedlung der SS, stets weiter abseits von den

beiden vorher genannten Bereichen gelegen, auf landschaftlich schöneren und

geeigneteren Plätzen als das Häftlingslager. (Heger, 1972: 26-27)

Der Text beschreibt auch die soziale Hierarchie, die auf dem Lager entstanden ist.16 Man

unterscheidet zwischen zwei Gruppen: die, die die Hauptfunktionen hatten, und die

Untergebenen, die andere untergeordnete Funktionen ausgeübt haben und die in der Regel

unter den Gefangenen selbst ausgewählt wurden. Von denen mit den Hauptfunktionen

war der Lagerkommandant die Person, die die größte Macht im ganzen Lager hatte.

Kohout beschreibt im Detail, wie diese die Gefangenenzone kontrollierten und sie die

15
Mit ,,Notsituationen" meinten sie sexuelle Beziehungen mit Männern zu haben, weil es für sie
unmöglich war, mit Frauen zu sein.
16
Siehe die Diagramme, die ich erstellt habe, im Anhang I und II der Arbeit.

24
wahren Herren dieser Zone waren: „[Sie] übten eine unumschränkte Gewalt im

Häftlingsbereich aus.“ (Heger: 1972: 28). Auf einer niedrigeren Ebene befanden sich die

Rapportführen, die dafür verantwortlich waren, ihre Vorgesetzten über alles, was im

Lager geschah, zu informieren, andere Verwaltungsaufgaben zu erledigen und

Informationen in den Akten der Gefangenen zu sammeln. Alle diese Positionen sind

Immunpositionen, denn sie alle gehörten der SS. Die SS-Arbeitskommandoführer

wählten auch Gefangenen, die Obercapos und Capos sein könnten, die für die Arbeit und

Leistung der arbeitenden Gefangenen verantwortlich waren. Doch, wie im Buch erklärt

wird, gab es Unterschiede zwischen den Häftlingen: ,,Alle diese Posten, vom

Lagerältesten bis zum kleinsten Capo, durften- von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen

- nur von Häftlingen mit roten oder grünen Winkeln besetzt werden, also nur von

Politischen und Kriminellen.’’ (Heger, 1972: 30-31).

Es gab ein Klassifizierungssystem, das mit Winkeln mit unterschiedlichen Farben

gekennzeichnet wurde: gelb für Juden, rot für politische Gefangenen, grün für Mörder

und Kriminelle, schwarz für Asoziale17, lila für die Zeugen Jehovas, blau für

Auswanderer, braun für Zigeuner und rosa für Homosexuelle.

4.1.3. Arbeit und Folterung als ein Rosa-Winkel-Häftling in Sachsenhausen-

Oranienbürg

In diesem Abschnitt werde ich erklären, wie Kohout im KZ überlebt hat und welche

Folterungen, Normen und Vorurteile Homosexuelle im KZ Sachsenhausen-Flossenbürg

erlitten haben. Für Kohout war der erste Tag im Lager Sachsenhausen bereits ein

Märtyrertum: Der Kommandant schlug ihn bis er zu Boden fiel. Dann wurden die Rosa-

Winkel-Häftlinge vom Rest der ,,normalen" Gefangenen getrennt.

17
Das schwarze Dreieck wurde für lesbische Frauen und Prostituierte.verwendet.

25
Kohouts Block war nur für Homosexuelle. Auch die Regeln für das Schlafen

unterscheiden sich von denen der anderen ,,normalen" Gefangenen und die Strafen waren

viel strenger:

Schlafen durften wir nur im Nachthemd und mit den Händen ausserhalb der Decke,

denn: >>Ihr schwulen Arschlöcher sollt euch nicht selbst begeilen können.<< (...)

Wer mit der Unterhose im Bett angetroffen wurde oder die Hände unter der Decke

hatte -es fanden fast jede Nacht Kontrollen statt-, wurde zur Strafe im Freien mit

einigen Kübeln Wasser übergossen und eine gute Stunde stehen gelassen. Diese

Prozedur überstanden die wenigsten, das mindeste war eine Lungenentzündung,

und wer als Schwuler in das Krankenrevier eingeliefert wurde, verliess es fast nie

mehr lebend. Denn wir mit dem rosa Winkel waren im Krankenrevier bevorzugt

für medizinische Experimente vorgesehen und es wurden an uns Versuche

angestellt, die meist mit dem Tode endeten. (Heger, 1972: 34-35)

Kohout erzählt, dass die die Männer, die zur Gruppe der Homosexuellen gehörten, sehr

unterschiedlich war: es gab Männer von verschiedenen Ethnien, von verschiedenen

sozialen Schichten, reich und arm. Alle waren dort durch das Schicksal, im Deutschland

Hitlers homosexuell zu sein, wieder vereint.18 Aber diese war nicht die einzige, denn in

den Konzentrationslagern führten die Forscher unterschiedliche Experimente, um ein

sogenanntes ,,Heilmittel" für Homosexualität zu finden. So beschreibt Florian

Mildenberger in seinem Artikel ,,Verjüngung und ,,Heilung'' der Homosexualität'' die

Experimente mit Homosexuellen in den Konzentrationslagern:

,,Im Dunstkreis Heinrich Himmlers gedieh die „Welteislehre” ebenso wie manch

andere „Welt-Anschauung”. Überzeugt davon, dass die Homosexuellen die

Existenz des deutschen Volkes bedrohten, verlangte der Reichsführer-SS eine

18
Auch wenn nicht sehr bekannt, ging es in der Nacht der langen Messer auch darum, Homosexuelle
aus den höheren Positionen der Partei zu entfernen. Ernst Röhm, der Führer der SA und Homosexuelle, war
der wichtigste Name, der in dieser Nacht ermordet wurde.

26
Lösung des „Homosexuellenproblems”. 1943 diente sich der dänische Arzt und

Endokrinologe Carl Vaernet der deutschen Besatzung als Kollaborateur an. Er hatte

sich kurz zuvor einen „Pressling zur Einpflanzung als Arzneimittel in den lebenden

Organismus”, also ein Hormonpräparat, patentieren lassen (Röll 1992: 35). Ein Jahr

später durfte er - mittlerweile SS-Sturmbannführer - den Einsatz der „künstlichen

Sexualdrüse” an homosexuellen Häftlingen erproben (Scherf 1987: 136). Ein Teil

der 15 Probanden wurde zunächst kastriert, den anderen Häftlingen wurde das

Implantat sofort unter die Bauchdecke genäht.’’19

Angesichts der geringen Überlebenschancen der Rosa-Winkel-Häftlinge, musste Kohout

seine Karten richtig spielen, wenn er lebendig aus dem Lager rauskommen wollte. Die

Arbeit, die er mit den anderen Häftlingen erfüllen sollte, war jedoch sehr hart:

Diese [erste] Arbeit musste so lange durchgeführt werden, bis wieder ein neuer

Trupp Häftlinge mit rosa Winkel in unserem block eingeliefert wurde und dann

ablöste. [...] Wir mussten den Schnee vor unserem Blockgelände vormittags von

der linken Strassenseite unserer Lagerstrasse auf die rechte Seite schaffen.

Nachmittags den gleichen Schnee wieder von der rechten Seite auf die linke

zurücktragen. [...] Mit den Händen, mit den bloßen Händen, da wir ja keine

Handschuhe hatten. (Heger, 1972: 36-38)

Nach dieser Erfahrung, beschreibt Kohout auch, wie er und die anderen Rosa-Winkeln

für die Tonlagerstätte bestimmt waren, obwohl diese in der ganzen Welt als ,,die

Todesgrube’’ bekannt sind.. So wird im Buch die extreme Arbeit, die die Häftlinge

geleistet haben, detailliert beschrieben:

Je fünf bis sechs Häftlinge mussten mit Schaufeln die Loren mit Ton beladen,

während andere Gruppen mit der gleichen Häftlingsanzahl die beladenen Loren

19
Florian Mildenberger. (2002). ,,Verjüngung und Heilung der Homosexualität: Eugen Steinach in
seiner Zeit”. Zeitschrift für Sexualforschung, 15. S. 302 – 322. Hier: 317

27
bergauf schoben. Dazu gab es fast ununterbrochen Schläge der Capos und der SS,

die mit Stockhieben die Arbeit beschleunigen wollten, zugleich aber ihrem

sadistischen Trieb freien Lauf ließen. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich fast

täglich Häftlinge von den loren finger oder Zehen, oft sogar Hände und Füsse

abfahren ließen, um von diesem Kommando in der Tongrube wegzukommen. Doch

alle diese Selbstverstümmler wurden zwar in das Krankenrevier eingeliefert, aber

man sah sie nie wieder gesund und lebend herauskommen. Sie bildeten den nie

abreissenden Strom der menschlichen Versuchskaninchen für die >>ärztliche<<

Forschung. (Heger, 1972: 40-41)

4.1.4. Arbeit und Folterung als ein Rosa-Winkel in Flossenbürg

Auch in diesem Konzentrationslager, wo Kohout später geschickt wurde, hatten die

Homosexuellen wieder einen Job, der nur für sie und die Juden bestimmt war, diesmal

im Granitsteinbruch. Dort musste Kohout mehrere anstrengende Aufgaben ausführen.

Kohout unterstreicht noch einmal seine Reflexion über das Schicksal dieser in der Mine

abgebauten Blöcke:

Viele, viele Tote forderten die Steinbrüche durch die grosse Zahl von

Arbeitsunfällen, die von der SS und den Capos meist absichtlich herbeigeführt

wurden. Welcher Autofahrer, der heute auf den deutsche Autobahnen dahinfährt,

weiss schon, dass an jedem Granitrandstein, der sie einsäumt, Blut von

unschuldigen Menschen klebt? Blut von Menschen, die nichts verbrochen hatten,

sondern einzig auf Grund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer politischen

Weltanschauung oder ihres Fühlens zum eigenen Geschlecht in den KZ schmachten

und verrecken mussten. […]Aber wer mag schon daran denken? Zu gerne hüllt man

heute über alle diese Dinge den Mantel des Schweigens und das Vergessens.

(Heger, 1972: 58-59)

28
Angesichts dieser Reflexion lädt Heger uns ein, über die Erinnerung an Homosexuelle
nachzudenken, die in den Jahren, in denen das Buch veröffentlicht wurde, praktisch
inexistent war.

4.1.5. Sexualität in dem Konzentrationslager. Die Erzählung von Josef Kohout

Die Sexualität in den Konzentrationslagern war immer sehr umstritten: Einerseits wurden

diejenigen bestraft, die sich frei - oder nicht frei - Homosexuelle nannten, und andererseits

führte die Situation, die das Konzentrationslager mit der völligen Abwesenheit von

Frauen schuf, dazu, dass Männer ,,homosexuelle Notfall-Praktiken" durchführten. Diese

wurden nicht so schlecht angesehen, nur weil diejenigen, die das machten, dies taten, weil

sie keinen anderen Ausweg hatten, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, und

außerhalb des Lagers „normale Menschen" waren.

Kohout entdeckte jedoch bald, dass, so heuchlerisch diese Argumentation auch

erscheinen mag, homosexuelle Praktiken mit seinen Vorgesetzten ihm Nahrung und

Schutz bieten könnten, was in den Konzentrationslagern für das Überleben von

entscheidender Bedeutung war.

Zwei Tage lang kam ich wie durch ein Wunder unverletzt durch den Kugelregen,

des Übungschiessens, da machte mir ein Capo, ein >>Grüner<<, das Angebot, mich

nur zum Einschaufeln der Erde in die Schubkarren einzuteilen und nicht mehr zum

Fahren, falls ich sein Freund sein wolle und ihm zu Gefallen sei. (...) Nach kurzem

Zögern sagte ich zu, denn mein Lebenswille war stärker als jede innere Einstellung

zur Anständigkeit und Charakterfestigkeit. (Heger, 1972: 51)

Dieser Schutz hielt für Kohout nicht lange an, denn am 15. Mai 1940, kurz nach Beginn

dieser Beziehung, wurde ein Transport organisiert, der ihn und andere Rosa-Winkel ins

Konzentrationslager Flossenbürg brachte. Als Kohout in Flossenbürg ankam, wurde ihm

klar, dass die meisten Gefangenen homosexuelle Beziehungen zu anderen Gefangenen

29
hatten und dass die ranghöchsten Gefangenen wie die Kapos fast alle einen Liebhaber

hatten:

Von einer SS-Wache wurden wir zu unserem Block geführt, um den dortigen SS-

Blockführer übergeben zu werden. Dieser ließ uns eine ganze Zeit stehen und

warten, während eine Gruppe von acht bis zehn Capos um uns herumstand und uns

begutachtete. Nun, ich war ja schon erfahren und wusste genau, warum wir von

einem Teil der Lagerprominenz - und die Capos zählten ja dazu - so angestaunt

wurden. Sie suchten sich unter den Neuzugängen einen möglichen Freund aus. (...)

Ich fand, dass die Situation, in der wir fünf uns befanden, sehr viel Ähnlichkeit mit

einem Lustknaben-Sklavenmarkt im alten Rom hatte. (Heger, 1972: 54-55)

Ein anderes wichtiges Thema in Bezug aud sie Sexualität im Konzentratiosnlager ist die

Beschreibung, die im Buch vom Bordell gemacht wird. Das Bordell wurde im Lager

eingerichtet, um die Kriegsgefangenen und die SS-Offiziere zu unterhalten. Im Sommer

1943 wurden Bordellen in speziellen Blöcken gebaut, deren Sexarbeiter von anderen

Konzentrationslagern inhaftiert waren und denen es versprochen wurde hatte, dass sie

danach freigelassen würden. Die hohen Beamten des Dritten Reiches beschlossen, dass

ein guter Weg, die Homosexualität der Gefangenen zu ,,heilen" darin besteht, sie zu

zwingen, regelmäßig sexuelle Beziehungen zu den Prostituierten des Bordells zu pflegen.

Diese Praxis wird jedoch im Buch als ein Zeichen von Unkenntnis der Homosexualität

charakterisiert:

Nach dem Willen Himmlers aber sollten wir Häftlinge mit dem rosa Winkel durch

einen regelmäßigen Zwangsbesuch im Häftlingsbordell von unserer

gleichgeschlechtlichen Veranlagung geheilt werden. Es war vorgesehen, dass wir

homos einmal wöchentlich Pflichtbesuch im Bordell zu machen hätten, damit wir

die >>Freuden des anderen Geschlechts<< kennenlernten. Aber diese

Reichsanordnung zeigte nur, wie wenig die SS-Reichsführung und ihre

wissenschaftlichen Berate von der Homosexualität verstanden und wie borniert sie

30
eine Triebrichtung des menschlichen Wissens einfach als Laster abtaten und

Bordellbesuche als >>Heilung und Kur<< vorschreiben. Die gleiche Borniertheit

ist freilich noch heute, nach mehr als fünfundzwanzig Jahren

wissenschaftlichen >>Fortschritts<< bei den meisten der >>maßgeblichen<<

Herren anzutreffen. (Heger, 1972: 129)

Neben diesen kritischen Bemerkungen ist Kohouts Zeugnis von wesentlicher Bedeutung,

weil er damit zeigt, wie er sich an eine wirklich schwierige Situation anpassen könnte.

Die Mechanismen, die er wählen musste, um im Konzentrationslager zu überleben,

gingen über die Grenzen seiner ethischen und moralischen Werte hinaus, aber er wusste,

dass er das moralische Dilemma überwinden musste, weil diese die einzige Art des

Überlebens war.

4.2. Alexander Zinn: Rudolf Brazda: Das Glück kam immer zu mir
Parallel zu Hegers Buch, das die Erfahrung der Deportation und Leben von Joseph

Kohout in den Konzentrationslagern erzählt, werde ich im Folgenden die Geschichte, die

Rudolf Brazda zur gleichen Zeit lebte, untersuchen. Die Darstellung seiner Erfahrungen

erschien 2008, nachdem ein Artikel in der französischen Zeitung L'Alsace seine

Geschichte beleuchtet. Schließlich war Brazda ermutigt worden, seine besondere

Geschichte von Leid und Überleben im Konzentrationslager Mullhouse zu erzählen. Im

Gegensatz zu Hegers Text, in dem wenig über das Leben vor dem Lager erzählt wird,

geht ,,Das Glück kam immer zu mir’’ in die LGBT-Gesellschaft der Weimarer Republik

ein, kurz bevor Hitlers homophobes Kriterium durchgesetzt wurde.

Heger hat die Geschichte von Kohout aus der europäischen Perspektive von 1972

vorgestellt; jetzt haben wir die gleiche Geschichte vom Leid und Diskriminierung, doch

erzählt aus der Perspektive eines 95-jährigen Mannes, der beschließt, sein Zeugnis durch

einen Fachmann, in diesem Fall Alexander Zinn, abzulegen. Seine Perspektive ist jetzt

eine andere, denn die Geschichte von Rudolf Brazda wird in einem Europa im Jahr 2008

erzählt, in dem sich die Perspektive seit den Kohout-Jahren erheblich verändert hatte.

31
Zinns Buch ist fast immer in der ersten Person geschrieben und erzählt Rudolf Brazdas

Geschichte von seiner unbeschwerten Jugend (1930) bis zur Befreiung des Lagers und

später (1945. An einigen Stellen werden diese Informationen mit anderen, die in der

dritten Person erzählt werden, verbunden, so dass Zinn entscheidende Informationen

über das Schreiben des Buches und sogar aus der Gegenwart (2008) und dem Zeitpunkt

des Todes von Brazda, dem letzten homosexuellen Überlebenden der

Konzentrationslager des Dritten Reiches im Jahr 2011, liefern kann.

4.2.1 Erste Jahre der Ruhe und Unbekümmertheit


Rudolf Brazda wurde am 26. Juni 1913 in Brossen, einem kleinen Dorf in Sachsen,

geboren. Sein Vater musste zum Militärdienst marschieren, als Brazda erst 2 Jahre alt

war. Als er vom Militärdienst zurückkam, arbeitete er in einer Mine und starb dort.

Brazdas Leben in seinen frühen Jahren war ziemlich ruhig, obwohl seine Familie - seine

Mutter und seine Geschwister - nie zu Hause waren, weil alle arbeiten. Deswegen gibt er

selbst zu, dass er praktisch allein aufgewachsen war. (Zinn, 2011: 12) Im Alter von

vierzehn Jahren entschied er sich, die Schule zu verlassen, weil er einen Kurs wiederholt

hatte und eine seiner Schwestern, ihn in die Welt des Nähens eingeführt hatte. Obwohl

es Rudolf klar war, dass er ,,[e]inen Posten in einer Konfektionsgeschäft als Dekorateur''

(Zinn, 2011: 14) wollte, waren die Zukunftsperspektiven nicht sehr gut.

Obwohl einige Mädchen versuchten, ihm nahe zu kommen, akzeptierten viele andere

bereits seine Sexualität und intervenierten, als sie im Sommer 1933 vorschlugen, dass er

sich einen Jungen mit der gleichen sexuellen Orientierung ansieht: ,,wieder im

Meuselwitz unterwegs, zusammen mit fünf Freundinnen aus dem Tanzverein läuft er vor

dem Rathaus entlang, als auf einmal eines der Mädels sagt: >>Mensch, schau mal da, der

schöne junge Bursch da, der ist auch so wie du!<<.’’ (Zinn, 2011: 50)

Dort sah er Werner Bilz zum ersten Mal, eine Liebe auf den ersten Blick, und er zögerte

nicht, ihn nach Hause zu folgen, obwohl er nicht den Mut hatte, mit ihm zu sprechen, da

32
sie sich nicht kannten. Rudolf und Werner bauten von diesem Moment an eine Beziehung

auf.

4.2.2. Der erste Prozess: Brazdas Weg zum Konzentrationslager


Vor seiner Ankunft im Konzentrationslager musste Rudolf Brazda mehrere

Verurteilungen und Verhöre erleiden. Wir gehen auf das Jahr 1934 zurück, als die

Gestapo und die SS beschlossen, den Absatz 175 des Strafgesetzbuches zu verschärfen.

Angesichts der Verhärtung dieses Gesetzes und der Verhaftung einiger Freunde von

Brazda beschlossen Werner und Rudolf, sich zu trennen. Diese Trennung wurde vor allem

von ihren damaligen Umständen erzwungen, da Werner zum Militärdienst geschickt

wurde und Rudolf nach Leipzig ging, wo er als Aufzugsführer zu arbeiten begann, um zu

versuchen, dass die Ermittlungen von KRIPO20 ihn und seine Vergangenheit bei Werner

in Meuselwitz nicht ansahen. Trotzdem betrafen zu dieser Zeit die Ermittlungen ihn und

seinen von ihm gegründeten Kreis homosexueller Freunde schon lange. Rudolfs Strategie

konnte die Untersuchungen nur für einige Wochen ablenken, und so begann er am 8.

April 1937 den langen Weg, der ihn und alle seine Bekannten in Konzentrationslager,

insbesondere das von Buchenwald, führen würde:

Am 8. April wird Rudolf Brazda rabiat geweckt. Irgendjemand donnert gegen die

Tür der kleinen Kammer im vierten Stock des Paulaner-Thomasbräus. Rudolf steht

im Bett - ihm ist sofort klar, wer so früh und so lautstark Einlass begehrt. Als er die

Tür öffnet, stehen dort zwei Herren in Zivil: >>Kripo Leipzig, Herr Brazda? Wir

haben einen Durchschungsbeschluss!<< Kriminalassistent Feldmann und

Kriminalsekretär Skodnik wühlen sich durch das bisschen Hab und Gut, das Rudolf

sein Eigen nennt. Schnell finden sie die Brief, die er zwei Tage zuvor aus

Meuselwitz geholt hat. (Zinn, 2011: 120)

20
KRIPO ist der Name für die damalige Kriminalpolizei.

33
Nach dem Besuch der Ermittlungspolizei in Brazdas Wohnung und der Untersuchung

seines Schlafzimmers setzte er seinen Weg durch die Baracken fort, um sich einem

Verhör zu unterziehen, in dem er versuchte, eine Strategie zu entwickeln: sich nicht die

Schuld für das Verbrechen zu geben und Ihre Fragen mit fundierten Antworten zu

beantworten.

Rudolf wurde in einer Zelle unter Beobachtung eingesperrt, wo er bis zu drei Wochen

verbrachte, bis die Untersuchungen abgeschlossen waren. Fast ein Monat verging, und

schließlich kam der Prozess an. Angesichts aller Beweise der Staatsanwaltschaft und des

ständigen Drucks, dem Brazda einen Monat lang ausgesetzt war, ließ er

zusammenbrechen:

>>Brazda fing an zu weinen<<, heisst es in Feldmanns Vernehmungsprotokoll.

Rudolf gibt das Versteckspiel auf und erklärt: >>Ich will nun heute die Wahrheit

sagen. Mit dem erwähnten Bilz habe ich zusammen onaniert, und zwar habe ich in

den Jahren 1934/35 angefangen.<< Offenherzig erzählt Rudolf nun über sein Leben

mit Werner: >>Ich hatte den Bilz sehr gern und fühlte mich aus Liebe zu ihm

hingezogen [...] Bei gemeinsamen Ausflügen habe ich mich mit Bilz sehr oft

geküsst und aus diesem Grunde wurde er in Freundeskreisen als meine Frau

bezeichnet.<<. (Zinn, 2011: 128-129)

Rudolf wurde von Leipzig nach Altenburg geschickt, um das Urteil zu verkünden. Er

wurde zu sechs Monaten in Altenburg verurteilt, nachdem er die Zeit, die er bereits in

Untersuchungshaft verbracht hatte, abgezogen hatte.

4.2.3. Neues Leben in Karlsbad und der zweite Prozess

Seine Haft in Altenburg dauerte bis zum 9. Oktober 1937, als er befreit, aber in die

Tschechoslowakei vertrieben wurde - noch nicht an Deutschland angeschlossen. Rudolf

fand bald seinen alten Freund Joseph in Karlsbad, der ihn ohne Zögern für unbestimmte

Zeit in seinem Haus willkommen hieß. Brazda musste irgendwie seinen Lebensunterhalt

34
verdienen und indem er die Kraft aus seinem musikalischen und gestalterischen Talent

schöpfte, bekam er einen ganz besonderen Job:

Viel lieber zieht Rudolf abends los, gemeinsam mit Josef und Anton, in die

Gasthäuser, auf die Tanzböden, in die Schwulenbars. (...) >>Weil ich ja auch schon

früher getanzt habe, auch manchmal aus Vergnügen, in einem Tanzlokal, auch in

großen Sälen, bin ich dorthin gegangen (...) Ich imitierte Josephine Baker, die

Musikkapelle hat einen Tusch gegeben und jemand gab bekannt, dass ein

Talentierter jetzt, was vorzeigen will: die Josephine Baker<< (...) Wenn ich fertig

getanzt habe, dann haben die Leute geklatscht, und ich bin mit dem Teller

rumgegangen, wie ein Bettler. Macht nichts, alles muss der Mensch mal ausprobiert

haben.<< (Zinn, 2011: 157-158)

In einer dieser Shows traf Brazda Bruno, einen Schauspieler aus einer Theatergruppe, der

Brazda die Türen öffnete, um zu reisen und mit seinem Talent zu leben, bei der Kleidung

zu helfen und sogar kleine Rollen zu spielen. Diese Theatergruppe stellte einen großen

Kontrast zu dem dar, was in derselben Region geschah, wo der Hass auf die Anderen

durch die Nazi-Propaganda und den Anschlussansatz der Tschechoslowakei exorbitant

wuchs. In dem Versuch, sich an ein neues Karlsbad anzupassen, das viel feindseliger war,

wird das Leben von Toni und Rudolf streng geheim gehalten, bis der Kommissar Beyer

von der Geheimpolizei einen anonymen Brief bekam und so begann, der Kreis von

homosexuellen Bekannten von Brazda kontrolliert zu werden:

Am 31 Dezember 1940 geht bei Kriminalsekretär Beyer ein handgeschriebener

Brief ein, der eine Person aus Rudolfs Umfeld ins blickfeld der Polizei rückt: >>Ich

möchte Sie aufmerksam machen, dass bei uns im Haus Reichsadler ein Warmer

Bruder Namens Josef Nawrocki wohnt und nur immer Herrenbesuche empfängt

und auch frech mit den Hauseinwohnern ist. Heil Hitler.<< (Zinn, 2011: 195)

Nach Erhalt dieses Schreibens untersuchte Inspektor Beyer schließlich Josef Nawrocki,

einen Freund Brazdas seit er in Meuselwitz lebte. Der Name Rudolf Brazda und der seines

35
Partners Toni wurden sehr schnell bekannt, und so fing kurz danach der zweite Prozess

für Brazda an.

Rudolf wurde wieder von KRIPO vorgeladen und gestand am selben Tag, dass er bereits

eine Strafe wegen Homosexualität hatte und dass er sexuelle Beziehungen zu Toni hatte.

4.2.4. Organisation, Arbeit und Folterung in dem Konzentrationslager


Buchenwald
Rudolf Brazda kam in das Konzentrationslager Buchenwald am 8. August 1942. Die

Organisation unterschiedlicher Konzentrationslager unterschied sich in der Regel nicht

sehr stark voneinander, so dass wir viele Ähnlichkeiten zwischen Kohouts und Brazdas

Erinnerungen über das Leben im Lager finden21. Sehr ähnlich ist die Beschreibung wie

das Lager aussah, wie es organisiert war, wie es empfangen und gefoltert wurde.

Ähnlichkeiten gibt es auch zwischen den Lagern Buchenwald, Flossenburg und

Sachsenhausen in Bezug auf die Hierarchie22 und die Klassifizierung der Gefangenen, d.

h., in Bezug auf die Zahlen und Winkel.

>>Ja, einen Winkel. Wir wurden doch eingekleidet mit einem gestreiften

Sträflingsanzug, mit blauen und weissen Streifen und jeder, der irgendwie

Politischer, Krimineller, Arbeitsscheuer, Asozialer, Bibelforscher war, alle, jeder

bekam einen anderen Winkel angehängt. Die Bibelforscher bekamen lila Winkel,

die Vorbestraften hatten grüne Winkel, die Politischen rote Winkel, und die

Asozialen bekamen schwarze Winkel. (...) Die politischen Häftlinge haben nicht

nur in der Kleiderkammer das Sagen. Die meisten Zeit dominieren sie die

gesamte >>Häftlingsverwaltung<< von Buchenwald. Diese besteht aus

21
Obwohl die Konzentrationslager, in denen Brazda und Kohout waren, ihre Ähnlichkeiten haben,
muss man sich daran erinnern, dass es andere Konzentrationslager gab, in denen die Lebensbedingungen
viel härter waren, wie in Auschwitz.
22
Über die Hierarchie der Konzentrationslager siehe die bereits erklärte Anhänge I und II dieser
Arbeit.

36
dem >>Lagerältesten<<, den >>Blockäñtesten<<, den >>Kapos<< und anderen

Funktionshäftlingen, denn die SS administrative Aufgaben übertragen hat. (Zinn,

2011: 229).

Die Lebensbedingungen waren auch sehr ähnlich mit denen der Lager von

Sachsenhausen- Oranienbürg und Flossenbürg: ungesunde Situationen, in denen es

schwer zu überleben war. Auch die Tatsache, dass die Menschen entmenschlicht und

entindividualisiert werden, wird bei Brazda stark betont: Häftlinge wurden nur als Zahlen

oder als Träger eines Winkels gesehen.

Der Steinbruch ist auch im Buchenwald der Arbeitsplatz, an den alle Homosexuellen

geschickt wurden. Die Gefangenen waren billige Arbeitskräfte - praktisch kostenlos - und

ihr Leben war so wenig geschätzt, dass ihr Tod nichts änderte. Doch Brazda hatte, wie er

mehrmals erklärt, Glück in seinem Unglück, denn der Kommandant, der Brazda zugeteilt

wurde, obwohl er einer der gewalttätigsten war, fühlte eine gewisse Anziehungskraft auf

Brazda:

Als besonders brutal gilt der Kapo des Steinbruchs: Alfred Müller, ein politischer

Häftling. (...) Auch Rudolf macht bald die Bekanntschaft von Alfred Müller. Doch

für ihn erweist sich die Begegnung mit dem Steinbruch-Kapo als

Glückfall: >>Einmal, ich weiss nicht warum, kam der Kapo, der Legionär, vom

Arbeitskommando, der kam zu mir und sagte: >Du, lass mal deine Schaufel liegen,

ich will dir einen anderen Posten geben zum Arbeiten.< Er hat mich in eine

Sanitätsbude eingeteilt. (...) Es ist paradox, aber ausgerechnet Rudolfs rosa Winkel

ist es, der diese bevorzugte Behandlung durch Alfred Müller auslöst. Und das im

Steinbruch, in dem man die homosexuellen Häftlinge besonders schindet! (Zinn,

2011: 238-239)

Hier können wir eine detailliertere Analyse des Titels des Werkes, „Das Glück kam

immer zu mir'', machen. Das Glück, auf das er sich bezieht, ist im ganzen Buch präsent.

Aber wie kann sich ein Mensch in einer so schrecklichen Situation glücklich fühlen?

37
Brazda fühlt sich glücklich, weil er es geschafft hat, lebendig aus einer Situation

herauszukommen, in der seine Überlebenschancen sehr gering waren. Die Motive dafür

waren verschiedene: entweder weil der Capo ihn mag, wegen seines Wissens über

Bedachungen oder sogar wegen der Freunde, die er im Lager gemacht hat. Aus diesem

Grund hält er sich, viele Jahre später, für glücklich, denn das Glück war immer an seiner

Seite. So hat er wieder Glück mit seiner nächsten Arbeit im Lager, als er als Dachdecker

arbeitete. Diese neue Arbeit ermöglichte ihm einige Freiheiten und auch neue

Freundschaften, wie Fernand, der in der spanischen Guerilla gegen Franco gekämpft hatte

und mit dem er eine lange Freundschaft schloss, die über das Konzentrationslager

hinausging. Brazdas Freundeskreis ist ein weiterer Aspekt, den ihn der paradoxen

Beschreibung als glücklicher Mann ergänzt. Da er wegen seinen Freunden und seiner

Arbeit über gewisse Unterstützung und Schutz verfügte, musste er, im Gegensatz zu

Kohout, nicht diesen Schutz bei den Kapos suchen und so wird die Homosexualität in

Das Glück kam immer zu mir nicht als Überlebensmechanismus dargestellt.

4.2.5. Sexualität in dem Konzentrationslager Buchenwald

Kohouts Erzählung und Brazdas unterscheiden sich in diesem Punkt, denn Brazda

beschreibt sehr detailliert, wie er seine Sexualität in seiner Jugend und im Allgemeinen

sein ganzes Leben lang gelebt hat, doch er behandelt kaum, wie die Homosexualität im

Konzentrationslager war. Dagegen fokussiert Kohout die Sexualität während seines

gesamten Aufenthaltes im Lager und stellt sie, wie schon erklärt wurde, als ein

Überlebensmechanismus. Der große Unterschied, den wir in Brazdas Geschichte

beobachten können, ist, wie und wo er mit der Sexualität seiner Geschichte umgeht:

Wenn es um sich selbst geht, beschreibt er sie mit vielen Details, aber immer, wenn er

sich auf Beziehungen bezieht, die außerhalb des Lagers stattgefunden haben.

Andererseits, wenn er sich auf homosexuelle Beziehungen bezieht, die im Lager

aufgebaut wurden, spricht er sehr oberflächlich von ihnen und sehr selten von sich selbst.

38
Ein Ausnahme ist zum Beispiel, wenn er die Beziehung zwischen den Capos und einigen

Jugendlichen, die aus Polen kamen, beschreibt:

,, Als nach dem Überfall auf Polen 1939 eine ganze Reihe junger Polen nach

Buchenwald verschleppt wird, entwickeln sich zwischen ihnen und einigen

Funktionshäftlingen regelrechte Beziehungen. (...) Denn die meisten

Funktionshäftlinge, die sich >>Puppenjungen<< halten, sind keineswegs

homosexuell. Im Gegenteil: Viele von ihnen sind ausgesprochen

homosexuellenfeindlich eingestellt. Und ihre Vorurteile legen sie auch nicht ab, nur

weil sie sich unter den Bedingungen des Konzentrationslagers selbst homosexuell

betätigen.’’ (Zinn, 2011: 240-242)

So wird das heuchlerische Verhalten in den Lagern sowohl in Kohouts als auch in Brazdas

Text aufgezeigt, wobei mit unterschiedlichen Nuancen. Kohout betrachtet all diese

homosexuellen Beziehungen aus der Ferne, und obwohl er normalerweise andeutet, dass

er auch Teil dieses Überlebensmechanismus war, macht er es nie ganz klar, welche seine

Erfahrungen waren. Unabhängig davon, ob Brazda in diesen Überlebensmechanismus

eingetreten ist oder nicht, ist die Wahrheit, dass er fast nur über seine Sexualität außerhalb

des Lagers spricht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er die Beziehungen im Lager

wertlos oder unwichtig fand, da sie von den anderen als Notsituationen verstanden

wurden.

5. Vergessene Geschichten: die Erinnerung an die Rosa-Winkel


Bisher haben wir uns in der Arbeit auf die Erfahrungen und das Leiden, das Joseph

Kohout in dem Buch Die Männer mit dem rosa Winkel und Rudolf Brazda in Das Glück

kam immer zu mir beschrieben, konzentriert. Aber was geschah nach der Befreiung des

Lagers? Waren all diese Rosa-Winkeln-Häftlinge danach frei, um ein freies Leben mit

ihrem sexuellen Orientierung zu führen? Wurden die emotionalen oder wirtschaftlichen

Schäden behoben?

39
Leider ist die Antwort in den meisten Fällen eine negative Antwort. Die Rückkehr aus

dem Konzentrationslager bedeutete in keinem Fall, dass sie über ihr Leiden sprechen

konnten. Sie mussten schweigend über ihre Erfahrungen bleiben. Deshalb erklären beide

Kohout und Brazda, dass die ersten Jahre die schwierigsten waren, weil sie immer noch

in einem Europa lebten, das mit den Rechten der LGBTI-Gemeinschaft weit zurückliegt.

Ein klares Beispiel davon ist, dass der so gefürchtete Artikel 175 erst fast 20 Jahre später

aufgehoben wurde.

In den ersten Jahren, so Alexander Zinn, hat die Tatsache, dass die Alliierten das Gesetz

175 nicht aufgehoben haben, katastrophale Folgen für diejenigen mit sich gebracht, die

gerade aus der gleichen Hölle gekommen waren: ,,Die Zahl der Verfahren nach den 175

und 175a geht denn auch kaum zurück. 1945 kommt es in den westlichen

Besatzungszonen zu 1181 Verurteilungen [...] In 1950 auf über 2.000 und 1957 sogar auf

über 3.000 jährlich.’’23

Dies veränderte sich mit den ersten Demonstrationen der LGBT-Freiheitsbewegung, als

die nachfolgenden Generationen der Überlebdenden mehr über das Vergangene wissen

wollten:

Initiativen gingen allerdings nicht von Vertretern der vergleichende

Politikwissenschaft oder der akademischen Zeitgeschichte aus. Vielmehr kamen sie

aus der Betroffenengruppe selbst. Es waren Angehöriger der Nachkriegsgeneration

schwuler Männer, die das Verschweigen der Schicksale homosexueller Männer

unter dem NS-Regime anprangerten und eine Rehabilitierung der Opfer forderten.24

23
Zinn, A. (2018). "Aus dem Volkskörper entfernt?": Homosexuelle Männer im
Nationalsozialismus. Frankfurt am Main: Campus Verlag CH. 500-502.

24
Schwartz, M.: Homosexuelle im Nationalsozialismus: Neue Forschungsperspektiven zu
Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945.
Köln: De Gruyter. Seiten: 43

40
5.1. Was geschah mit Joseph Kohout nach dem Fall des Dritten Reiches?
Während des ganzen Jahres 1944 und bis zu ihrem Höhepunkt 1945 überstiegen die

Konzentrationslager die in ihnen verfügbaren Plätze. Als die Niederlage des Dritten

Reiches unvermeidlich war und die alliierten Truppen näher rückten, wurden die

Konzentrationslager befreit. In einigen Fällen kam es jedoch zu einem Phänomen namens

„Todesmärschen", mit denen die Nazi-Kommandanten, versuchten, Gefangene in andere

Konzentrationslager zu evakuieren, und diejenigen, die an Müdigkeit starben, wurden

erschossen.

Kohout überlebte diese Todesmärsche. Als er nach Hause zurück kehrte, fand er heraus,

wie sein Vater dem gesellschaftlichen Druck erlegen war, ein homosexuelles

Häftlingskind zu haben und Selbstmord beging. Seine Mutter wartete jedoch immer

darauf, dass er nach Hause zurückkehrte. Wie alle anderen Überlebenden lebte er seine

homosexuelle Vergangenheit schweigend, obwohl er für eine Anerkennung kämpfen

wollte,, wie in der spanischen Einleitung des Textes erklärt wird:

Nach Kriegsende ging Joseph K. in das provisorische Büro, das der Wiener Stadtrat

für die Rückkehrer aus den Konzentrationslagern eingerichtet hatte. Im Büro wurde

ihm zu verstehen gegeben, dass er in seiner ,,Qualität von Homosexuell’’ keine

Hilfe erwarten sollte. Sie schlugen vor, dass er die Farbe seines Winkel ändert, dass

er einer politischen Partei beitritt, um es von rosa auf rot zu ändern. Joseph lehnte

den Vorschlag ab. (Heger, 2002: 17)

Obwohl Kohout nie anerkannt wurde, machte er eine große Geste, indem er als erster

seine Erfahrungen als homosexueller Häftlinge eines nationalsozialistischen

Konzentrationslager in einem Buch veröffentlichte. Auch wenn zu seiner Zeit das Buch

problematisch war, hat es eine sehr wichtige Rolle für die Erinnerungskultur von den

Homosexuellen Opfern gespielt. Dank Menschen wie ihm kann ich heute über diese

Fakten lesen und schreiben und die neuen Generationen informieren, damit das Leiden

der damaligen Gefangenen nicht in Vergessenheit gerät.

41
5.2. Was geschah mit Rudolf Brazda nach dem Fall des Dritten Reiches?
Brazdas Fall unterschied sich leicht von dem von Kohout, da er unter allen Umständen

versuchte, den sicheren Tod, der mit den ,,Todesmärschen" verbunden war, zu vermeiden,

indem er sich mit Hilfe eines Arbeiters im Schweinestall versteckte. Er blieb dort

tagelang, bis das Lager befreit wurde und er wieder ein freier Mann wurde (Zinn, 2011:

277-279) .

Brazda beschloss, anstatt nach Hause zurückzukehren, wo die Rote Armee noch

vorankam, seinem Freund Fernand nach Frankreich zu folgen. Die Tage nach der

Befreiung des Konzentrationslagers sind für Brazda verwirrend, aber er erinnert sich an

die Rede, die die Amerikaner gehalten haben, um die Gefangenen und die gebrochene

deutsche Bevölkerung zu ermutigen.

Der amerikanische General, der uns eingenommen hat, sagte: >Ihr seid jetzt die

besten Bürger im Lande, die ihr so viel unter den Nazis gelitten habt.< Die

psychologische Wirkung dieser Worte ist groß. (...) Er notiert die Worte auf einen

kleinen Zettel, zusammen mit einer Nachricht, dass es ihm gut geht: >>Meine

herzige Mutter, ich bin gesund. Komme bald nach Hause. Euer lieber Rudl. Der

amerikanische Kommandant hat gesagt, Ihr zählt jetzt zu den besten Menschen der

Welt.<< (Zinn, 2011: 282-283)

Fernand heiratete ein elsässisches Mädchen und Rudolf verließ Fernands Haus. Er

versuchte, sein Leben wieder aufzubauen, und so zu leben, wie er in seiner Jugend lebte,

mit seiner freien Sexualität, aber er entdeckte ein ernsthaftes Problem: Alle Staaten, die

das Dritte Reich erobert hatten, hatten das Strafgesetzbuch reformiert, um den Artikel

175 hinzuzufügen, und nach dem Dritten Reich wurde er weder in Deutschland noch in

den anderen Staaten, in denen das Gesetzt selbst eingesetzt wurde, eliminiert. Wie Zinn

erklärt, fanden viele der Homosexuellen, die das Konzentrationslager verlassen hatten

und freie Männer geworden waren, heraus, dass ihnen ihre Freiheit wieder genommen

wurde, als sie versuchten, ihre Sexualität frei zu leben. Rudolf nimmt den Kontakt zu

42
einigen seiner homosexuellen Freunde wieder auf, um herauszufinden, was viele von

ihnen machen. Doch er blieb immer in Frankreich und versuchte, seine Vergangenheit als

homosexueller Gefangener des Dritten Reiches zu verbergen.

In den 1950er Jahren trifft Rudolf den 18-jährigen Edi, mit dem er eine intensive

Beziehung, die mehrere Jahrzehnte dauerte, begann. Ihre Beziehung basierte immer auf

dem Prinzip, versteckt zu sein, um ein glückliches Leben zu führen, weg von den

Meinungen der Menschen und von Artikeln wie dem 175, der in Deutschland erst Ende

der 1970er Jahre aufgehoben wurden, zur selben Zeit, als Die Männer mit dem rosa

Winkel veröffentlicht wurde und die ersten LGBT-Freiheitsbewegungen anfingen.

Als Edi jedoch starb, änderte sich alles. Der Abschied war schwer für Brazda, aber er

wusste, dass sich die Zeiten geändert hatten und dass es Zeit war, aus der Anonymität

herauszukommen. Im Jahr 2008, nach der Einweihung des Tiergartendenkmals in Berlin,

kontaktierte Brazdas Nichte mehrere LGBT-Vereine, die, überrascht, dass es noch einen

letzten Überlebenden gab, ihm zum Treffen beim Denkmal einluden. Von hier aus trifft

er Zinn, den Autor des von mir untersuchten Buches, der Brazdas Memoiren schrieb, und

alle seine Erzählungen mit historischen Dokumenten verglich. Rudolf Brazda starb am 3.

August 2011 und mit seinen Text hinterließ er dieses Zeugnis von Folter, Verfolgung und

Schweigen, das in den schlimmsten Jahren Europas entstanden ist. Seine Erfahrungen

während des Dritten Reiches, die er in seinen Memoiren beschreibt, werden auch in einem

Denkmal repräsentiert, in dem ein Video von zwei Männern, die sich küssen wollen, in

Schleife in einem Betonblock wiedergegeben wird. Das Denkmal, wie auch Brazdas Text,

ruft in Erinnerung, dass wir für die Freiheiten der Minderheiten kämpfen und nie die

Wachsamkeit aufgeben müssen, wenn sie es uns entreißen wollen, denn, wie Zinn selbst

im Text argumentiert, werden heute noch die Homosexuellen diskriminiert: ,,Ein

schwuler Kuss war nicht nur für die Nazis strafwürdig. Zwei küssende Männer werden

auch noch heute als so provokativ empfunden, dass einige am liebsten zuschlagen

wurden.’’ (Zinn, 2011: 327).

43
5.3. Warum das Schweigen? Das Beispiel von Pierre Seel, Aktivist und Verteidiger
der Erinnerungskultur
Wie bereits gesagt wurde, wurden Homosexuelle auch nach dem Konzentrationslager

weiter verfolgt, da der Artikel 175 der Verfassung in Deutschland und in den anderen

Nachbarländern praktisch nicht verschwand.

Deshalb gibt es heute so wenige homosexuelle Zeugnisse über ihre Verhaftung während

des Dritten Reiches: Viele zogen es vor, zu schweigen, ein diskretes Leben zu führen und

zu versuchen, nach der Hölle glücklich zu sein. Deswegen sind die zwei untersuchten

Beispiel so wichtig, denn ohne diese haben wir ein unvollständiges Szenario über die

Wirklichkeit der Konzentrationslager während des Nationalsozialismus. Dieses Szenario

würde für den Rest der Tage so bleiben, wenn Menschen wie Joseph Kohout oder Rudolf

Brazda nicht beschlossen hätten, ihr Schweigen zu brechen, mit all den Konsequenzen,

die sich daraus ergeben könnten. Wie wir gesehen haben, haben sie mit dem Schweigen

zu unterschiedlicher Zeiten unterbrochen. Im Folgenden will ich auch über Pierre Seel,

einen anderen homosexuellen Häftling, der dieses Schweigen brach, sprechen.

Seels Inhaftierung in Schirmeck dauerte bis November 1941, als ein General ihn zu sich

in sein Büro rief. Gegen alle Widerstände bot ihm der General einen Vertrag an, in dem

er seine Verurteilung im Lager loswerden konnte, im Austausch dafür, dass er über all

das, was er gesehen hatte, schweigt. Offensichtlich war dies nicht die einzige Bedingung,

denn als er nach Hause zurückkehrte, wurde er zum Krieg einberufen. In Frankreich

erlebte er auch die Schrecken des Krieges, wo er einen Partisan töten musste und wo er

alle Zähne verlor. Nach dem Krieg, kehrte Seel nach Hause zurück, wo auch das Dritte

Reich verheerende Schäden angerichtet hatte. Er wusste, dass er nicht über alles reden

konnte, was ihm zugestoßen war, nicht wegen des Vertrages, den er mit dem Dritten

Reich geschlossen hatte, sondern weil das Reden, wenn er es täte, ernste Folgen für ihn

haben könnte:

44
Es cierto que Alsacia estaba liberada y de nuevo bajo jurisdicción francesa (...)

Ahora bien, tras la liberación, el gobierno de De Gaulle había realizado una

limpieza muy superficial del código penal francés. Si desaparecieron las

vergonzosas leyes antisemitas, la que concernía a la homosexualuidad sobrevivió.

Hicieron falta incluso vigorosas batallas para que la ley cesara de existir, cuarenta

años más tarde en 1981. Como conocía la existencia de dicha ley, comprendí

también que al hablar me arriesgaba a ser amenazado por el lado judicial. (Le

Bitoux, 1994: 83-85).

Unter diesen Zuständen beschloss er, zusammen mit seinem Wunsch, ein Zuhause zu

finden und die anklagenden Stimmen und Blicke seiner Familie und Freunde zum

Schweigen zu bringen, nach einer Frau zu suchen, die er heiraten konnte. Über eine

Heiratsagentur fand er eine Tochter eines spanischen Flüchtlings, der in Spanien zum

Tode verurteilt worden war. Beide hatten es eilig, zu heiraten, so dass es nicht viel zu

erwarten gab, und am 21. August 1950 heiratete Pierre Seel und versuchte, seine eigene

Sexualität zu verleugnen.

Había decidido borrar de mi vida mi homosexualidad. ¿Pero se puede impedir

pensar? [...] Mis únicos instantes semanales de evasión eran los viernes por la tarde,

cuando iba en coche a una gran superficie para hacer las compras [...] A la vuelta,

pasaba por un paseo de Toulouse conocido por su ambiente homosexual. Aparcaba

y, protegido por la oscuridad, soñaba observando las maniobras en la sombra. Esa

vida me estaba prohibida, pero ¿qué valía la que me estaba autorizada? ¿Qué

balance que no fuera agobiante podría hacer para entonces? Volvía a la casa más

silencioso que nunca. Se incubaba una depresión. Se anunciaba mi decadencia. (Le

Bitoux, 1994: 100-102)

Seine Beziehung zu seiner Frau war bis zu dem Punkt erschöpft, dass er um eine

Scheidung bat und aufhörte, seine Kinder zu sehen. Dreißig Jahre nachdem er versucht

hatte, ein falsches Leben zu schaffen, um den gelebten Schrecken und die Stigmatisierung

45
der Gesellschaft aus sich selbst zu entfernen, traf er die Entscheidung, dass sein

Schweigen ein Ende hatte:

Una semana después del acceso de François Mitterrand a la presidencia de la

República, el 27 de Mayo de 1981, se organizó un debate en Toulouse. (...) El

debate trataba principalmente la deportación de homosexuales por los nazis. (...)

Tenía cincuenta y ocho años, trabajaba desde enero de 1969 empleado en una

compañía de seguros e intentaba una última reconciliación con mi esposa. (...)

Presentaban el libro de su nueva editorial: Les Hommes au triangle rose, el diario

de un deportado homosexual austríaco, víctima también de los nazis. (...)Encontré

equivalencias en la situación, en la descripción del mismo dolor y de las mismas

brutalidades. (...)Le dije a Jean Pierre Joecker: >>Señor, lo que ha contado aquí yo

lo he vivido.<< (...) Nos intercambiamos nuestras direcciones y concertamos una

cita para el día siguiente (...) Por primera vez desde hacía treinta años, desde que

mi madre estaba moribunda, me sorprendí pudiendo hablar. (Le Bitoux, 1994: 109-

111)

Am 8. April 1982 enthüllte Pierre Seel, der es das Schweigen und die Ungerechtigkeit

satt hatte, seine wahre Identität und schrieb einen Brief, in dem er alles, was ihm passiert

war, erzählte mit dieser Tat, über die Vergangenheit zu sprechen, zeigte Pierre Seel, wie

wichtig es war, dass die Gesellschaft die Wahrheit über die Verhaftung von

Homosexuellen endlich kennen könnte. Gerade er, der sich nicht getraut hatte, seine

Homosexualität frei zu zeigen und nie über seine Erfahrungen im Lager gesprochen hatte,

sah, dass er nur seine Identität behaupten könnte, wenn das Schweigen über die

Deportation von Homosexuellen gebrochen wurde. Er wurde so ein Aktivist und zeigte,

wie wichtig es war, mit den Tabus zu brechen und das vergangene Leiden der

homosexuellen Opfer öffentlich zu bearbeiten. Ihre Texte ermöglichten den Anfang von

einer Erinnerungskultur über die Konzentrationslager, die auch die Erfahrungen von

homosexuellen Opfern bearbeitete. Neben diesen Texten gibt es auch einige wenigen

46
Denkmäler, die in Deutschland zum Gedenken an diese Deportierten geschaffen wurden:

Der erste war der 1994 eingeweihte Frankfurter Engel, der zweite war der rosa Winkel

von Köln vom Jahr 1995 und schließlich das berühmteste im Jahr 2008 eingeweihte

Denkmal des Tiergartens von Berlin, den Rudolf Brazda als letzter homosexueller

Überlebender des Dritten Reiches noch besuchen konnte.

6. Abschluss
Nach der Analyse der drei direkten Zeugnisse, die dieses Unglück erlitten haben, können
wir viele Schlussfolgerungen ziehen. Unter ihnen die These, dass die Homosexuelle eine
der Gruppen waren, die mehr Probleme im Dritten Reich hatten, und, später, nach der
Befreiung, am meisten Probleme hatten, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Sie
wurden viele Jahre lang vergessen, weil es unangenehm war, über Homosexualität in
einem in dieser Hinsicht noch geschlossenen Europa zu sprechen.

Es waren die homosexuellen Aktivisten selbst, die dieses Thema in den 1970er Jahren
aus dem Vergessen retteten, viel später als bei den anderen Gruppen, die auch verhaftet
wurden, wie die Zigeuner, die Juden oder die politischen Gefangene.

Nach der Analyse der Bücher über die Erfahrungen von Kohout, Brazda und Seel habe
ich Ähnlichkeiten in ihren Erfahrungen gefunden, von denen die wichtigste das Erlebnis
der Sexualität im Konzentrationslager ist. Die gleiche Sexualität, die die drei Zeugnisse
und Tausende weitere Menschen in Konzentrationslager geschickt hatte, wurde vor allem
für Kohout ein Überlebensmechanismus, denn in den Konzentrationslagern fand eine
Art ,,Notsituation" statt. Dieser Ausdruck wurde von den Capos und heterosexuellen
Machthabern häufig verwendet, um ihre homosexuellen Beziehungen zu anderen
Gefangenen zu rechtfertigen. Diese homosexuellen Beziehungen ähnelten oft den
Praktiken Roms, wo jemand, der eine hohe gesellschaftliche Klasse beherbergte,
homosexuelle Beziehungen zu Sklaven unterhalten konnte. Tatsächlich ist es Kohout, der
seine Ankunft im Konzentrationslager Oranienburg mit dem Sklavenmarkt des alten
Roms vergleicht (Heger, 1972: 54-55).

Andererseits zeigt uns die Analyse dieser Bücher, wie das Leiden der Homosexuellen bist
kürzlich verschwiegen wurde, denn nach monatelanger Forschung habe ich entdeckt, dass

47
die drei in meiner Arbeit offenbarten Zeugnisse die einzigen sind, die wirklich in der Zeit
veröffentlicht wurden und die knappe homosexuelle Literatur des Dritten Reiches geprägt
haben. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, den Artikel von Kai
Hammermeister über die Nicht-Existenz dieser Art von Literatur zu besprechen, da das
Interesse, was mit den Homosexuellen während des Dritten Reiches passierte, nur ab den
90er Jahren anfing.

Anlässlich der Erinnerungskultur habe ich versucht mehrere Fragen zu beantworten: ,


Wer entscheidet, was es wert ist, erinnert zu werden und wer nicht? Es scheint mir klar
nach dieser Analyse, dass nicht die Bevölkerung ein übertrieben langes ,,Schweigen"
brauchte, um sich von dem Schock zu erholen, sondern, dass die politischen Kräfte es
vorzogen, nicht über ein Thema zu sprechen, das, bis es nicht normalisiert wurde, nicht
behandelt werden konnte.

Dieses Schweigen und vor allem die lange Zeit, die man brauchte, um den Artikel 175
des Strafgesetzbuches zu elimnieren, wirkte direkt auf das Leben derjenigen aus, die
weiter „inhaftiert“ blieben, da sie nach dem Strafgesetzbuch als Kriminelle betrachtet
wurden. Dies veranlasste, dass die meisten Homosexuellen sich verstecken und
versuchten, ihre Vergangenheit zu verdrängen und eine neue oder normativere sexuelle
Identität kreierten, wie Pierre Seel, der seine eigene Sexualität verleugnete, indem er eine
Frau heiratete.

Ich halte es für wichtig, den Mut zu betonen, den nicht nur direkte Zeugnisse wie Kohout,
Brazda oder Seel hatten, sondern auch den Mut von Menschen wie Alexander Zinn oder
Heinz Heger, Journalisten jüngerer Generationen, die den Zeugnisse ermutigten, in einem
so widrigen Kontext wie dem von Kohout (1972) zu erzählen, der bis dahin geheim
gehalten wurde und für den er kürzlich ins Gefängnis geschickt wurde.

Jeder einzelne Mensch, der an diesem Prozess beteiligt ist, hat dazu beigetragen, mehr
über das Vergangene zu wissen und ihre Handlungen werden nie vergessen werden.
Deshalb ist diese Arbeit eine Möglichkeit, denjenigen, die gelitten haben und dies
schweigend tun mussten, eine Stimme zu geben. Auch denjenigen, die ihre Stimme
erhoben und nie aufgehört haben, für die Befreiung, Akzeptanz und Normalisierung der
LGBTI+ Menschen zu kämpfen. Durch diese Arbeit habe ich versucht, ihre Stimmen
stärker zu machen und weiter zu gehen. Allen von ihnen widme ich diese Arbeit.

48
7. Anhang

Anhang I und II

49
Anhang III

50
8. Bibliographie

Primärliteratur

Heger, H. und Knörr Argote, E. (2002). Los Hombres del triángulo rosa. Madrid:

Amaranto.

Heger, H. (1972). Die Männer mit dem rosa Winkel: der Bericht eines Homosexuellen

über seine KZ-Haft von 1939-1945. Hamburg: Merlin Verlag.

Schwab, J. (2011). Rudolf Brazda: Itinerario de un triángulo rosa. Madrid: Alianza

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