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TREBALL DE FI DE GRAU DE
Schlüsselwörter
LGBTI+, Homosexualität, Rosa Winkel, Konzentrationslager, Heinz Heger, Josef
Kohout, Rudolf Brazda, Alexander Zinn, Pierre Seel, Aleida Assmann,
Erinnerungskultur.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung…………………………………………………………….........…….5
2. Historischer Kontext……………………………………………………….……7
4. Ein Rosa Winkel in dem KZ sein: die Erfahrungen von Josef Kohout und Rudolf
Brazda……………………………………………………………………….....…..20
4.2. Alexander Zinn: Rudolf Brazda: Das Glück kam immer zu mir……..……..…..31
4.2.1. Erste Jahre der Ruhe und Unbekümmertheit………………….…….....…32
4.2.2. Der erste Prozess: Brazdas Weg zum Konzentrationslager………......…..33
4.2.3. Neues Leben in Karlsbad………………………………………….….......34
4.2.4. Organisation, Arbeit und Folterung in dem Konzentrationslager
Buchenwald………………………………………………………….….........…36
4.2.5. Sexualität in dem Konzentrationslager Buchenwald…………….….....…38
3
5.2. Was geschah mit Rudolf Brazda nach dem Fall des Dritten Reiches?...........42
5.3. Warum das Schweigen? Das Beispiel von Pierre Seel, Aktivist und Verteidiger
der Erinnerungskultur…………………………………………………………....44
6. Abschluss…………………………………………………………………….…..47
7. Anhang……………………………………………………………………..….....50
8. Bibliographie………………………………………………………………...…...52
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1. Einleitung
Eines der Hauptziele meiner Arbeit ist, das Leben von Homosexuellen1 in so
Die Erfahrung der Verfolgung, der Folter in den Konzentrationslagern und das Erlebnis
der Sexualität der Homosexuellen unter diesen schrecklichen Umständen wird dafür eine
Wir wissen, dass im Dritten Reich rassische Minderheiten verfolgt wurden. Minderheiten
wie die Juden, die Zigeuner, aber auch andere, die ,,von der Norm abweichend" waren,
wie die Kommunisten, die damals so genannten ,,Asozialen’’ und auch die
unter den schwerwiegenden Folgen der Hitler-Diktatur, aber die Juden, die Zigeuner und
und hatten die geringsten Überlebenschancen. Als der Krieg endete und Hitlers Reich
so das Hauptziel und, wie im Folgenden ich in Bezug auf die Thesen von Aleida Assmann
und ihrer Reflexion über die Kultur der deutschen Erinnerung erklären werde, wurden die
1
Obwohl es mir bewusst ist, dass lesbisches Frauen (gekennzeichnet durch ein schwarzes Winkel
als Asozialen), Bisexuelle (oft mit Homosexuellen verwechselt), Transsexuelle (schwer zu konkretisieren,
wenn sie mit dem Aufstieg von Transvestismus und Transformationismus verwechselt werden) und
Intersexuelle auch in Hitlers Drittem Reich verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, habe ich mich in dieser
Arbeit wegen der enormen Menge an Literatur - im Vergleich zum Rest der LGBTI+-Bevölkerung - auf
homosexuelle Männer konzentriert, denn es gibt im Moment mehr Zeugnisse von ihnen . Trotzdem ist die
Analyse von Leid, Folter, Tod und vor allem der Kampf ums Überleben und die Akzeptanz der sexuellen
Vielfalt ist Teil des gesamten LGBTI+-Kollektivs und so werden die anderen Gruppen auch nicht
vergessen.
5
Mit der Entwicklung der Erinnerungskultur wurden Kollektive wie die Juden (etwa sechs
Millionen von ihnen starben), Zigeuner oder politische Gefangene als wahre Opfer eines
Gruppe der Homosexuellen aus. Mein Ausgangspunkt ist in diesem Sinne das Vergessen
von Schwulenopfern im Dritten Reich. In dieser Arbeit werde ich versuchen zu erklären,
warum dieses Kollektiv ausgelassen wurde, warum sie nach der Befreiung der
Konzentrationslager nicht wieder freie Menschen wurden und, vielleicht die wichtigste
Frage, warum sie in Vergessenheit geraten durften, und es so lange dauerte, bis eine
Anerkennung ankam, wobei für einige leider zu spät. Deshalb habe ich meine Arbeit in
vier Hauptpunkte unterteilt: den historischen Kontext, in dem ich über die
Übergangsjahre von der Weimarer Republik zur Hitler-Diktatur sprechen werde, in der
Punkt werde ich als Bezugspunkt und theoretischen Rahmen die Arbeit von Aleida
mich jedoch auf das Schweigen über die Homosexuellen konzentrieren. Der dritte und
vierte Punkt widmet sich zusammen mit Assmanns Theorie der Analyse der Zeugnisse
der Opfer von NS-Konzentrationslagern wegen ihrer Homosexualität und dem, was sie
in den Jahren nach ihrer Befreiung getan haben, die dieses Schweigen und Fehlen in der
Kultur der Erinnerung verursachten. Diese letzten Punkte werden wichtig sein, denn in
dem damaligen Europa die Homosexualität noch ein Tabu blieb, und aus diesem Grund
Das Schweigen und die Unsichtbarkeit der Homosexuellen war so groß, dass ich mich
zur Untersuchung dieses Themas nur auf die berühmtesten Zeugnisse der letzten
waren. Die wichtigsten Zeugnisse, die ich in meiner Arbeit und allgemein bei der Suche
nach Literatur von Homosexuellen während des Dritten Reiches finden könnte, sind das
Zeugnis von Josef Kohout, die seine Biographie mit dem Hilfe des Journalisten Heinz
Heger im Buch ,,Die Männer mit dem Rosa Winkel" schrieb, die Biographie von Rudolf
6
Brazda, auch mit Hilfe von Alexander Zinn im Buch ,,Das Glück kam immer zu mir"
geschrieben, und das Zeugnis von Pierre Seel, geschrieben mit Hilfe von Le Bitoux im
der Weimarer Republik, einer Zeit, in der es zwar Gesetze wie der Artikel 175 gab, der
die Homosexualität kriminalisierte. Trotzdem kann man feststellen, dass zu dieser Zeit
Nationalversammlung: ,,Wir haben den Krieg verloren. Diese Tatsache ist nicht die Folge
der Revolution. [...] Das waren die Erklärungen von Volkskommissar Friedrich Ebert auf
Dazu war die Situation zur Gründung der Republik eine sehr instabile Situation. Vor
allem die ersten Jahre (1920-1924) wurden besonders kompliziert, vor allem wegen den
Veränderungen, die dieser Wandel mit sich brachte: den Fall der Monarchie, aber auch
die ideologische Spaltung in der Bevölkerung. Es gab melancholische Stimmen, die sich
an das alte Regime erinnerten, aber auch andere, die den Sozialismus annahmen und sogar
Obwohl die ersten Jahre der Republik sehr instabil waren, war es möglich, wie Möller
erklärt, die Probleme zu überwinden und gestärkt aus ihnen hervorzugehen: ‘Tras la toma
de posesión del cargo del primer ministro Heinrich Held (BVP), que gobernó desde 1924
hasta 1933 [...] inició una política de apaciguamiento de orientación centro derecha. La
2
Möller, H., & Sánchez De Muniain Cidranes, P. (2012) La República de Weimar. Boadilla del
Monte (Madrid): A. Machado Libros. Hier: S. 12-20.
7
Ab 1924 erlebte die Republik die sogenannte beste Fünfjahresperiode (1924-1929), in der
sich Deutschland als Demokratie zu verstehen begann, aber nicht nur im politischen,
sondern auch im sozialen Bereich. Diese waren die Jahre, in denen Rudolf Brazda, wie
danach ausführlich beschrieben wird, sein Leben als Homosexuell zusammen mit seinen
In diesem Fünfjahreszeitraum hat sich die Feindseligkeit von rechts und links nicht
Wirtschaftssystems gab, das es geschafft hat, die deutsche Wirtschaft wieder auf Kurs zu
bringen. Wie Möller erzählt, kommt zu diesem Erfolg noch ein weiterer Erfolg hinzu:
„En julio de 1925, el desalojo de la Cuenca de Ruhr por parte de los franceses, así como
de enero de 1926 con el desalojo de la zona de Colonia por parte de los británicos. El 30
de junio de 1930 los aliados abandonaron finalmente Renania“. (Möller, 2012: 224)
All dies, gefördert durch die Außenpolitik des Außenministers Gustav Stresemann. Aus
diesem Grund spiegelten die Ergebnisse der Wahlen von 1924 und 1928 diese Stabilität
(innerhalb der Instabilität) wider, die dank der Republik erreicht wurde, wo Parteien wie
die NSDAP mit 2,6% der Stimmen in Mindestzahlen gesehen wurden und wo die SPD
mit 29,8% erfolgreich war, was der Kontinuität des von ihnen geleiteten demokratischen
Projekts entsprach.
Diese kurze Zeit des Wohlstands, die 1929 endet, diente zweifellos der wirtschaftlichen
Entwicklung, einer Ebene, die stark mit einem Thema verbunden war, das in meiner
Arbeit eine größere Relevanz hatte, der damals erlebten sozialen Entwicklung. Während
verschiedene schwule Pubs, Kabaretts und Cafés. Die ersten Zeitschriften mit
3
Zinn, A. (2011). Das Glück kam immer zu mir. Frankfurt am Main: Campus Verlag: S. 35.
8
ausschließlich homosexuellen Themen wie Der Eigene wurden geschrieben und die
[...] was the first homosexual emancipation magazine: ,,Der Eigene’’ which the
twenty-one-year old Adolf Brand founded in 1896. The following year, Magnus
Humanitarian Committee and it presented its first petition to the Reichstag calling
Ein zentrales Thema für das Leben von Homosexuellen in der Weimarer Ära war dagegen
das Gesetz 175 des Strafgesetzbuches, das homosexuelle Beziehungen jeglicher Art
kriminalisierte. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1871 war im Laufe der Zeit geschwächt
worden und entpuppte sich mit der Liberalisierung der Gesellschaft der Weimarer
Republik als ein wenig verbreitetes Gesetz mit Mindeststrafen von einem Tag. In diesem
und auch ein großer Verleumder vom Artikel 175: das von Magnus Hirschfeld gegründete
Institut für Sexualwissenschaften. Die Homosexuellen fingen an, sich an einem Kampf
zur Aufhebung vom Artikel 175 auf der Grundlage von Demonstrationen zu beteiligen.
Tatsächlich wurde am Ende der besten republikanischen Fünfjahresperiode und sehr kurz
vor der Machtübernahme Hitlers über das Schicksal vom Artikel 175 abgestimmt, doch
People assumed that the new penal code would not contain the Paragraph 175. The
vote was not, however, a simply repeal of the sodomy law. It was an effort to replace
it. The day after the penal code reform committee voted to cut Paragraph 175, it
approved Paragraph 297. This new law instituted criminal penalties for male-sex in
three instances. It outlawed sex between two men if one was under twenty-one and
4
Marhoefer, L. (2015). Sex and the Weimar Republic. Toronto, Buffalo, London: University of
Toronto Press. S. 24.
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the other was not, if one party used a position of influence the other or if one paid
1929 fand der Zerfall der Republik und Hitlers Machtübernahme statt. Zu dieser Zeit
wurde die Situation für die Homosexuellen unerträglich, wie die Zeugnisse, die in der
vorliegenden Arbeit zu untersuchen sind, dargestellt haben. Aber wo können wir das
Scheitern der Weimarer Republik einordnen, das dem Terror Hitlers Platz macht? Möller
datiert den Beginn des Endes der republikanischen Demokratie auf den 27. März
Für Reinhard Kühnl war ein wichtiger Wendepunkt, wie er in seinem Buch Die Weimarer
Republik beschreibt, als Hitler “durch eine Politik der Gewalt und des Terrors selbst die
letzten Überreste demokratischer Institutionen zerstört und sich der Vorbereitung eines
Weimarer Republik in ein Drittes Reich umwandeln. Diese Diktatur wird Kriterien
aufstellen, die auf der Reinheit der deutschen Rasse und der Diskriminierung und
anschließenden Vernichtung von Rassen, die die Rasse ''schmutzig" machen, wie Juden
oder Zigeuner, basieren. Auch die Homosexuellen wurden während des Dritten Reiches
stark diskriminiert, wie ich in meiner Arbeit untersuchen werde. Die Verhärtung der
Gesetze gegen Homosexualität markierte den Beginn von Hitlers Mandat und begann
bald, verheerende Auswirkungen auf die großen europäischen Städte zu haben, die in der
5
Kuhnl, R. (1991). La república de Weimar: establecimiento, estructuras y destrucción de una
democracia / Reinhard Kühnl ; [traducción de Ramir Reig y Elisa Renau]. València: Edicions Alfons el
Magnànim, Institució Valenciana d'estudis i Investigació:.. 223
10
Wie Günter Grau beschreibt, war Hitlers Mandat durch seinen Hass auf Homosexuellen
und deren Verfolgung gekennzeichnet. Dafür wurden mehrere staatliche und polizeiliche,
Schließlich hatten die Nazis aus ihrem repressiven Vorgehen kein Geheimnis
Die Nazis sahen Homosexualität als einen biologischen Defekt, der es der arischen Rasse
nicht erlaubte, sich zu entwickeln. Wie Dams und Stolle in ihrem Buch Die Gestapo:
Herrschaft und Terror im Dritten Reich (2017) erklären, waren die Kündigungen der
effektivste Mechanismus, den die Gestapo hatte: ,,Während der Denunziationsanteil bei
Heimtückfällen der Stapo-Stelle Saarbrücken sogar bei 87,5% lag, war die
allmählich zu, mit dem höchsten Gipfel und dem Beginn der schrecklichen Verfolgung
mit dem Mord vom Kommandant der Nazi-SA Ernst Röhm: ,,On June 30, Hitler himself
went to the resort in Hanselbauer, Bavaria where Ernst Röhm were vacationing and
assisted in Röhm’s arrest. [...] On July 1, Hitler gave orders to eliminate Röhm. [...] The
Röhm Putsch effectively relinquished all SA political influence of the Third Reich.7
Nach der Ermordung von Ernst Röhm gerieten Homosexuelle zunehmend ins Visier der
Juni. 1935 erlaubte die Verfolgung schon bei Verdacht auf <<widernatürliche
6
Stolle, M., & Dams, C. (2017). Die Gestapo: Herrschaft und Terror im Dritten Reich. München:
Verlag C.H.Beck. S. 87.
7
Wilcox, D. (2016). The Rise of the Nazi SS . Bloomington: Xlibris Corp. S. 54
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3. Die Erinnerungskultur in Deutschland. Die Thesen von Aleida Assmann. Was
Der Zweite Weltkrieg und all die durch den Holocaust verursachten Unglücke wurden
mit der Zeit Aspekte, die, sobald Frieden und Stabilität in Deutschland angekommen
Erinnerungskultur.
Deutschland war nach dem Krieg ein gebrochenes Land, das zum zweiten Mal besiegt
wurde, in dem Verwirrung und Schuld herrschten, einige, weil sie zum Nazi-Regime
beigetragen hatten, andere, weil sie es zugelassen hatten, ohne etwas getan zu haben, um
es zu stoppen. So musste das Land wieder von Grund auf neu aufgebaut werden. Aber
diesmal kam zum ersten Mal ein neuer Aspekt in die Geschichte. Ab Ende der 60er Jahren
entstand in Deutschland eine Kultur, die versuchen würde, sich an alles zu erinnern, was
geschehen war, die Opfer dieses Unglücks, die Millionen von Menschen und
verschiedenen Minderheiten, zu ehren, und vor allem mit der Erinnerung zu vermeiden,
dass sich dies nie wieder wiederholen würde. Diese Erinnerungskultur wurde im Laufe
der Jahre nach den Ereignissen im Dritten Reich entwickelt und von den nachfolgenden
Um ausführlich auf dieses Thema einzugehen, habe ich das Werk von Aleida Assmann
gewählt. Ich werde Assmanns Thesen und die Schlussfolgerungen, die ich dazu gezogen
habe, erklären. Diese Ideen sind in verschiedenen Teile unterteilt. Zum Schluss werde ich
Die Erinnerungskultur, die Aleida Assmann untersucht, ist diejenige, die alle
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die dunklen Zeiten des Holocaust und ganz besonders an die jüdischen Opfer zu erinnern.8
Diese Erinnerungskultur geht von der Grundlage der Schuld und der Absicht aus, Fehler
zu korrigieren, die in der Vergangenheit entstanden sind. Obwohl die Kultur der
Erinnerung auf guten Absichten basiert, beginnt Assmann ihren Text ,Das neue
Damit wird dieses Unwohlsein durch die Tatsache hervorgerufen, dass Assmann heute
verteidigt, die Kultur der Erinnerung, die in den Protesten von 1968 begann und in den
90er Jahren fortgesetzt wurde, nicht mehr gültig ist. (Assmann, 2011: 13-15). Nach ihrer
These herrscht jetzt ein Unwohlsein wegen verschiedenen Gründen, die verschiedene
Assmann schlägt uns zunächst vor, die Erinnerungskultur auf eine Grundlage zu stellen,
auf der es notwendig war, eine Selbstkritik zu üben: Alle waren schuldig, nur diejenigen,
die die deutsche Heimat gerettet haben, waren diejenigen, die vor einem inneren Urteil
gerettet wurden. Aber was passiert, wenn die neuen Generationen weiterhin geboren
werden und die Deutschen weiter von den Ereignissen entfernen? (Assmann, 2011: 17)
Wir stehen auch vor einer schwierigen Frage: Was wird passieren, wenn die Ära der
Zeugnisse aus den Konzentrationslagern endet, wird es nur ein weiteres Kapitel in den
Geschichtsbüchern sein? Das Thema meiner Arbeit ist, wie das Leiden der
Warum gibt es gewisse Geschichten, die mehr als andere in Erinnerung bleiben? Einige
sind praktisch in Vergessenheit geraten. Wo ist die Grenze zwischen dem, was erinnert
8
Assmann, A. (2013). Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur: eine Intervention.
München: C.H. Beck. 12-15.
13
3.2. Individuelles und kollektives Gedächtnis
Um die Kultur der Erinnerung und das, was erinnert wird und was nicht, tiefer zu
kognitive Merkmale eines Individuums oder eines Kollektivs von Menschen und
das gibt, was wir das ,,kollektive Gedächtnis” nennen, d. h., die Erinnerungen einer
Gruppe von Menschen, die dieselben historischen, sozialen und politischen Ereignisse
durchlebt haben. In diesem Fall natürlich mit Fokus auf die Opfer des Holocausts.
Aleida Assmann greift in ihrem Text die Thesen von Reinhart Koselleck auf, einem
Ich kann nur das erinnern, was ich selber erfahren habe. Erinnerung ist an die
persönliche Erfahrung zurückgebunden. Ich habe keine Erinnerung bis auf das, was
ich selbst erfahren habe. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass jeder Mensch
ein Recht auf seine eigene Erinnerung hat. Das ist das Recht auf seine eigene
Biographie, das Recht auf seine eigene Vergangenheit, die ihm durch keine
werden kann. 9
Koselleck versucht zu erklären, dass die Erinnerungen jedes Einzelnen einzigartig sind,
wie jeder Mensch und seine Geschichte. Wir können dies leicht veranschaulichen, wenn
wir uns zwei Personen vorstellen, die sich im Kontext des Holocausts in der gleichen
Situation befanden. Einer war ein SS-Wächter und einer ein KZ-Häftling. Ja, sie haben
9
Reinhart Koselleck, Gibt es ein kollektives Gedächtnis? Rede, gehalten am 6. Dezember 2003 in
Sofia bei der internationalen Konferenz <Pierre Nora. Erinnerungsorte und Konstruktion der
Gegenwart>. Zitiert in Assmann, 2013: 17-25.
14
beide Erinnerungen, die in der gleichen Raumzeit passiert sind, aber auf keinen Fall kann
unterschiedlich sind. Aus diesem Grund kann nach Koselleck die Kultur des deutschen
ungerecht gegenüber denen, die sich nicht mit dem System identifiziert fühlen. Aleida
Assmann demontiert im Gegensatz zu Koselleck diese These und erklärt, dass, obwohl
heute niemand mehr an die Ereignisse eines so markierten Datums wie dem 27. Januar
(Befreiung von Auschwitz) erinnert, es für die deutschen immer noch notwendig ist, einen
Tag zu haben, um uns an dieses Ereignis zu erinnern, da dies für die neuen Generationen
eine wichtige Rolle spielt, warum dieser Tag geschah. (Assmann, 2013: 19)
Die nächste Frage ist dann: Wer entscheidet, was kollektives Gedächtnis ist und was
nicht? Was passiert dann mit den politischen Gefangenen, die auch in den
Konzentrationslagern gefangen waren? Was passiert mit den Zigeunern? Alle diese haben
Erinnerung geblieben sind, sind sie Gruppen mit einer niedrigeren Berücksichtigung. Und
gerade ein Gruppengedächtnis, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs praktisch zum
Schweigen und zur Unsichtbarkeit verurteilt war, sind die Homosexuellen. Was ist aus
Schweigen ins Spiel. Bis Anfang des 21. Jahrhunderts wurden keine Denkmäler errichtet,
ihre Geschichten wurden fast kaum veröffentlicht und ihre Bücher wurden auch sehr
selten in den Schulen gelesen. Deshalb standen sie kurz vor dem Vergessen, wenn es nicht
das Wiederaufleben der homosexuellen Bewegung und einiger Zeugen gäbe, mit denen
es möglich war, das doppelte Schweigen, das des Holocausts und das des Closets, zu
besiegen.
Diese Idee ist sehr wichtig, denn wenn wir uns an die Kultur des primitiven Gedächtnisses
und die bereits weiter entwickelte Kultur der 90er Jahre halten, werden wir feststellen
können, dass es nur eine kleine Spur von anderen Minderheit als der jüdischen gibt. Wir
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sprechen von Diskriminierung innerhalb der Diskriminierung, die von Minderheiten wie
Aleida Assmann zeigt vor allem die Grundlagen der Erinnerungskultur auf, um das wahre
Unbehagen darin zu finden. Sie beschreibt, dass Deutschland nach dem Krieg und der
Suche nach einem zerstörten deutschen Staat nicht von der gesamten deutschen
Bevölkerung ein ,,mea culpa" erwarten konnten. Der Schockzustand war überall
verbreitet und die alliierten Staaten besetzten das Gebiet noch immer, so dass es nicht viel
mehr zu bedenken war, dass das Land bei Null anzufangen und es aus demokratischer
So fing nach Ende des Dritten Reiches ein “Schweigen" in Bezug auf den Zweiten
Weltkrieg und den Holocaust, denn die Themen wurden nicht an öffentlichen Orten und
nur privat gesprochen. Ein Schweigen, das etwa 17 Jahre dauern wird, als Alexander und
Margarete Mitscherlich es wagten, dieses in der Gesellschaft bereits sehr gefestigte Tabu
Studien kamen zu dem Schluss, dass es dem deutschen Volk nicht gelungen war, diese
Ereignisse zu trauern. Im Gegenteil hatte sich das Land auf den Wiederaufbau des Landes
konzentriert und eine Stille hinterlassen. So wurde eine Mauer gebaut, die verhinderte,
dass über jedes Thema im Zusammenhang mit dem, was im Dritten Reich geschehen war,
gesprochen wurde, ohne falsch betrachtet zu werden oder zu sagen, dass es aus dem
Etwas später, parallel zum Aufbau der Erinnerungskultur, die versuchte, diese Mauer
niederzureißen, machte der Philosoph Hermann Lübbe bestimmte Aussagen über das
deutsche Schweigen und definierte wie folgen das deutsche Volk: ,,Natürlich könnte ein
ganzes Volk nicht schlagartig vergessen, aber es konnte sich darauf einigen, über die
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schlimme Vergangenheit, die man soeben hinter sich hatte, zu schweigen.’’10 Lübbe
argumentiert dann, dass das Schweigen die einzige realistische Möglichkeit für die
damalige deutsche Bevölkerung war. Ich denke jedoch, dass auch wenn es nicht
verwunderlich ist, dass diese die Antwort des deutschen Volkes war, da es gerade aus
einer Tyrannei herausgekommen war, in der das Schweigen den Grundlagen des NS-
Systems selbst war, so hätte dieses Schweigen nicht so lange dauern sollen.
Darüber hinaus wurde noch ein weiteres Problem hinzugefügt: der Begriff der Schuld.
Die Deutsche sollen sich fragen, warum sie nichts getan haben, wie sie das geschehen
ließen, oder sogar wie sie zu dieser Barbarei beitragen konnten. Die ersten Versuche, das
Schweigen zu brechen, kamen aus der Kollision zwischen der ersten Generation,
derjenigen der Stille, und der zweiten, ihren Kindern, die als Generation 68 bekannt war.
Diese war eine Generation, die Antworten und Gerechtigkeit vor einem Zustand des
Aus diesem Generationenkonflikt entwickelte sich eine sehr aktive Generation, die laut
Assmann eine Anerkennung des Wortes Holocaust und der Mehrheit seiner Opfer, der
Juden, beansprucht. Vor allem in den 80er Jahren fing in Deutschland die Arbeit nach der
Die jüdischen Opfer wurden als Individuen betrachtet, als Menschen mit Namen und
Geschichten, die durch die Hölle gegangen waren. Deshalb fühlten sich die neuen
Generationen von Deutschen, so die Soziologen Christian Schneider und Ulrike Jureit,
identifiziert und hatten großes Mitgefühl mit den jüdischen Opfern. In den 80er Jahren
waren die Juden die Gruppe, die mehr Bedeutung gewann, während von den anderen
Kollektiven nie die Rede war. Im Falle von den Homosexuellen, wurden sie darüber
10
Lübbe, H. (2007). Vom Parteigenossen zum Bundesbürger: Über beschwiegene und historisierte
Vergangenheiten. München: Wilhelm Flink Verlag. Zitiert in: Assmann, 2013: 43.
17
hinaus nach dem Verlassen der Konzentrationslager noch als Straftäter anerkannt, wie
In diesem Sinne spricht Assmann von Machtkonstellationen, die entschieden haben, was
offiziell in Erinnerung bleiben sollte und was nicht. In diesem Fall, was nicht als
Erinnerung markiert ist, wurde vergessen, wie es bei der Homosexuelle- Häftlinge der
Fall war. Ich werde auf dieses Thema in den Punkten 4 und 5 eingehen, in denen die
werden soll. Doch es ist wichtig jetzt zu verstehen, wie die LGTBI-Bevölkerung aus einer
finden, das ihre Rechte immer noch nicht akzeptiert hat. Nachdem sie aus den
Konzentrationslagern befreit wurden, konnten sie nur erst viele Jahrzehnte später aus dem
Schrank kommen, um als Opfer des Holocausts in ihrem vollen Recht anerkannt zu
werden. Leider kam diese Anerkennung in den meisten Fällen sehr spät.
Als ich mit dieser Abschlussarbeit begann, war ich überrascht von der geringen Literatur
sehr wichtige Bücher von Überlebenden, die ich beim Schreiben der Arbeit entdeckt habe.
Doch es gibt fast keine literarische Texte, die die Erfahrungen der Homosexuellen
dass sie nicht existiert oder sehr minoritär ist. Homosexuelle Überlebende von
11
Seel, P., Le Bitoux, J., Petit, J., Delgado, M., Monclús, J., Delain, O., & Lozano González, J.
(2001). Pierre Seel: Deportado homosexual. Barcelona: Edicions Bellaterra.
12
Hammermeister, K. (1997). “Inventing History: Toward a Gay Holocaust Literature”. The
German Quarterly, 70(1), 18-26.
18
können. So bleibt für sie unbekannt, was mit der LGTBI+-Bevölkerung in den
Literatur? Hammermeister gibt verschiedene Gründe, aber einer der wichtigsten ist, dass
Sie zu einem sicheren Tod als Gefangene der untersten Kategorie verurteilt, unterlegen
Es ist daher der Mangel an homosexueller Literatur, der zentrale Aspekt, mit dem jeder
Arbeit, die sich mit dem Thema beschäftigt hat, die Analyse anfängt.
Das Problem, so Hammermeister, liegt auch heute noch vor: ,, According to a recent
survey commissioned by the American Jewish Committee, only about half of the adults
in Britain and a mere quarter of the United States, know that gays were victims of the
Die jüdischen Opfer des Holocausts und ihre Erinnerungen wurden durch individuelle
Erzählungen, persönliche Biografien (wie die von Anne Frank) bearbeitet, die wir heute
mit dem jüdischen Völkermord in Verbindung bringen. Leider ist dies im LGBT-Fall
nicht der Fall. Hammermeister führt die Knappheit der LGBT+-Literatur auf einen
gewissen Wissensdefizit der Öffentlichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch
viele Vorurteile in einem Europa, das sich gerade vom Faschismus befreit hat. Ein
weiteres Argument, das meiner Meinung nach das genaueste ist, bezieht sich auf die
fühlten sich nicht frei, weil sie weiterhin kriminalisiert und wegen des Gesetzes 175
diskriminiert wurden.
For them, the fear did not end with the forces of liberation. They lived in continual
fear of being re-arrested. Some were treated as repeat offenders after the war, under
the same law against homosexuality, Paragraph 175 of the criminal code, that was
originally put in place in 1871 and which was revised and strengthened by the
19
Nazis. The Nazi version of Paragraph 175 was, in fact, explicitly upheld in 1957 by
the West German supreme court. Anti-gays laws and prejudice had existed before
Hitler came to power, argued the court, and therefore couldn’t be seen as peculiar
anerkannt, ihr Holocaust endete nie wirklich. Einige der Holocaust-Opfer wurden nach
ihrer Entlassung durch das Gesetz 175 bestraft und begingen am Ende Selbstmord.
Deshalb weigerten sich die homosexuellen Häftlinge von den Konzentrationslagern, über
ihre Erfahrungen in den Lagern zu sprechen oder zu schreiben, da sie dadurch wieder dem
Gesetz ausgeliefert würden (Le Bitoux, 1994: 82-83). Hammermeister erklärt, dass eine
erschaffen ist. Der Wendepunkt war nach Hammermeister die Stonewall-Krawallen und
der Schwulenbefreiung aus den 1970er Jahren, als die schwule Geschichte untersucht
4. Ein Rosa Winkel in dem KZ sein: die Erfahrungen von Josef Kohout und
Rudolf Brazda
Dieser Teil meiner Abschlussarbeit besteht aus den Kapiteln 4 und 5, in denen ich die
Bücher von Heinz Heger und Rudolf Brazda analysieren werde. Diese Texte stellen die
Erlebnisse von direkten Zeugen dar. Die Texte haben mit der Zeit die Aufmerksamkeit
der Kritik auf sich gezogen, obwohl sie den Kanon der Erinnerungsliteratur nicht erfüllt
haben. Mit Hilfe dieser Bücher wissen wir, fast 74 Jahre nach der Hölle, was die
Homosexuellen ertragen mussten, wie ihre Lebensbedingungen waren, nur weil sie eine
andere sexuelle Orientierung als die normative hatten. Es ist auch notwendig zu betonen,
dass beide ähnliche Geschichten gelebt haben, obwohl sie sich in völlig unterschiedlichen
kann man die Ähnlichkeiten und Unterschiede von den Erfahrungen, die diese Hölle in
20
4.1. Heinz Heger: Die Männer mit dem rosa Winkel
Heinz Heger ist das Pseudonym von Hans Neumann, einem Schriftsteller, der in den
1970er Jahren Joseph Kohout traf, einem KZ-Häftling, der glaubte, dass er nicht
vorbereitet war und nicht über die nötige Kompetenz verfügte, um alles, was er lebte, in
ein Buch zu übersetzen. Hans Neumann begann, diese Erinnerungen zu bearbeiten und
veröffentlichte sie schließlich 1972 als erstes autobiografisches Buch über die
Rosa Winkel ist bis heute das Buch, das den Schrecken eines Homosexuellen im Dritten
Reich, eines so genannten rosa Winkels, das sein Identifikationssymbol war, am besten
darstellt.13 Kohouts gesamte Erfahrung wird in der ersten Person erzählt, so dass Heger
an keiner Stelle im Buch erscheint. Das Buch ist linear strukturiert. Er fängt mit
Verhaftung von Kohout (1939) und endet mit den Reflexionen des Überlebenden in der
Gegenwart (1972).
Joseph Kohout beginnt seine Erinnerungen 1939 in Wien und stellt einige Aspekte von
seiner Jugend und den politischen Veränderungen dar, die vor seinen Augen harmlos
waren. Er sah, wie der Nazismus zu wachsen begann und an den Universitäten
auftauchte: ,,Da ich politisch nicht sehr interessiert war, gehörte ich weder ein NS-
Verbindung an, noch war ich Mitglied der Partei oder einen ihren Gliederungen’. 14
Seine Familie war katholisch und gehörte der Kleinbourgeoisie, was am Anfang
widersprüchlich mit der Anziehungskraft, die Kohout für Männer des gleichen
Geschlechts empfand, war: ,,Anfangs dachte ich mir nichts Besonderes dabei, doch als
13
Heger, H. and Knörr Argote, E. (2002). Los Hombres del triángulo rosa. Madrid: Amaranto.
(15-17).
14
Heger, H. (1972). Die Männer mit dem rosa Winkel: der Bericht eines Homosexuellen über
seine KZ-Haft von 1939-1945. Hamburg: Merlin Verlag.
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meine Klassenkameraden in der Schule sich in Mädchenfreundschaften und Liebeleien
einließen und ich noch immer in schwärmerischen Zuneigung an einem primaner hing,
machte ich doch Gedanken über meine Veranlagung.’’ (Heger, 1972: 10). Trotzdem,
erschien ihm seine Homosexualität mit der Zeit nichts Außergewöhnliches. Die
beruhigende Antwort seitens seiner Mutter führte dazu, dass er seine Homosexualität mit
völliger Natürlichkeit akzeptierte, und als er an die Universität ankam, gründete er mit
anderen Freunden eine Studentenvereinigung, die nach und nach wuchs. Unter dem Bild
verborgen, die ihre Sexualität mit völliger Normalität lebten und wo Kohout die Liebe
Wir dürfen jedoch nicht die politische Situation Österreichs vergessen, und so dauerte es
Es war ein Freitag, gegen 13 Uhr, fast auf den Tag genau ein Jahr, dass Österreich
nur mehr eine „Östmark“ war, als bei mir zu Hause die Türklingel zweimal läutete.
[...] Auf mein Öffnen überreichte mir an der Tür ein Mann mit Schlapphut und
Ledermantel mit dem knappen Wort „Gestapo!“ eine Karte mit der vorgedruckten
Als er zum Verhör ging, traf er sein Schicksal in Form eines Arztes, der ihn direkt
beschuldigte, Homosexuell zu sein. Kohout wurde dann aller Freiheit beraubt und im
Er wurde zusammen mit anderen Kriminellen, die wegen Betrug und Diebstahl verurteilt
homosexuellen Status zu keinem Zeitpunkt zu erzählen. Er litt nicht nur wegen dem
einer Österreicher Bevölkerung, die immer noch nicht akzeptierte, dass zwei Männer sich
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Alle Voraussetzungen für die Inhaftierung nach dem Artikel 175 erfüllten sich bei
Kohout, schlimmer noch, mit fotografischen Beweisen und Zeugenaussagen gegen ihn.
Während des Prozesses konnte Kohout den Aufenthaltsort seiners Partners Fred, dem
Das Verfahren gegen den Zweitangeklagten, meinen Freund Fred, wurde wegen
eine ,,höhere Macht’’ ihre Hand im Spiele gehabt und das Gerichtshtsverfahren
beeinflusst. Wahrscheinlich hatte Freds Vater, der ja einer der Machthaber des
Dritten Reiches war, seinen Einfluss geltend gemacht und seinen Sohn aus der
Kohout selbst macht deutlich, dass die Macht, die Fred gerettet hatte, auch die Macht sein
würde, die ihn für so viele Jahre verfolgen würde, indem sie ihn schließlich in ein
Konzentrationslager brachte. Obwohl sein Aufenthalt Kohout stärkte, kam nach sechs
Monaten die Nachricht, dass er in Haft bleiben und nach Liesl zurückgebracht werden
wurde zusammen mit vielen anderen Unglücklichen, die sich der schrecklichen Erfahrung
Tage lang (die Reise ins Konzentrationslager verlief durch Salzburg, München, Frankfurt
und Leipzig) war er in einem Spezialwagen mit Einzelzellen für die schlimmsten
Verbrecher eingesperrt. Als Kohout gestand, dass er ein Opfer des Gesetzes 175 war,
begannen seine Gefährten, ihm etwas zu sagen, das für ihn bereits repetitiv klang: ,,[...]
dass sie als Schwerstverbrecher und Raubmörder doch sicherlich noch am ehesten aus
einer Volkgemeinschaft ausgeschlossen waren, kümmerte sie nicht. Sie betonten immer
nur ausdrücklich, dass sie >>normale Männer<< seien.’’ (Heger, 1972: 25) Die Frage
nach Kohouts ,,Normalität’’ ist ihm wieder in den Sinn gekommen. In diesem Zug erlebt
er auch zum ersten Mal den sexuellen Missbrauch, als einige der Gefangenen ihn
zwangen, wie auch später die Heuchler der Aufseher im Konzentrationslager machen
23
würden, Oralsex mit ihnen zu haben. Sie taten das, was sie stark kritisierten, nur weil sie
in einer ,,Notfallsituation"15 waren: ,,Mit Pfuffen und Schlägen zwangen sie mich dann,
da ich mich nicht freiwillig dazu bereitfand, abwechselnd an ihrem Glied zu saugen, das
sie in meinen Mund pressten, wobei dies jeder von ihnen von mir mehrmals am Tage
Die erste Information über die Konzentrationslager im Buch ist gerade ein Kommentar
darüber, wie das Lager selbst organisiert war, mit drei Zonen:
Der Häftlingsbereich bestand aus einer einer großen Anzahl von Eckige Klammer.
[...] Der Kommandanturbereich, der sich abseits des von Stacheldraht umzäunten
Villen der hohen SS-Führer, das SS-Führer und Unterführerkasino, meist noch eine
usw. Die dritte Bereich war die Wohnsiedlung der SS, stets weiter abseits von den
Der Text beschreibt auch die soziale Hierarchie, die auf dem Lager entstanden ist.16 Man
unterscheidet zwischen zwei Gruppen: die, die die Hauptfunktionen hatten, und die
Untergebenen, die andere untergeordnete Funktionen ausgeübt haben und die in der Regel
unter den Gefangenen selbst ausgewählt wurden. Von denen mit den Hauptfunktionen
war der Lagerkommandant die Person, die die größte Macht im ganzen Lager hatte.
Kohout beschreibt im Detail, wie diese die Gefangenenzone kontrollierten und sie die
15
Mit ,,Notsituationen" meinten sie sexuelle Beziehungen mit Männern zu haben, weil es für sie
unmöglich war, mit Frauen zu sein.
16
Siehe die Diagramme, die ich erstellt habe, im Anhang I und II der Arbeit.
24
wahren Herren dieser Zone waren: „[Sie] übten eine unumschränkte Gewalt im
Häftlingsbereich aus.“ (Heger: 1972: 28). Auf einer niedrigeren Ebene befanden sich die
Rapportführen, die dafür verantwortlich waren, ihre Vorgesetzten über alles, was im
Informationen in den Akten der Gefangenen zu sammeln. Alle diese Positionen sind
wählten auch Gefangenen, die Obercapos und Capos sein könnten, die für die Arbeit und
Leistung der arbeitenden Gefangenen verantwortlich waren. Doch, wie im Buch erklärt
wird, gab es Unterschiede zwischen den Häftlingen: ,,Alle diese Posten, vom
Lagerältesten bis zum kleinsten Capo, durften- von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen
- nur von Häftlingen mit roten oder grünen Winkeln besetzt werden, also nur von
gekennzeichnet wurde: gelb für Juden, rot für politische Gefangenen, grün für Mörder
und Kriminelle, schwarz für Asoziale17, lila für die Zeugen Jehovas, blau für
Oranienbürg
In diesem Abschnitt werde ich erklären, wie Kohout im KZ überlebt hat und welche
erlitten haben. Für Kohout war der erste Tag im Lager Sachsenhausen bereits ein
Märtyrertum: Der Kommandant schlug ihn bis er zu Boden fiel. Dann wurden die Rosa-
17
Das schwarze Dreieck wurde für lesbische Frauen und Prostituierte.verwendet.
25
Kohouts Block war nur für Homosexuelle. Auch die Regeln für das Schlafen
unterscheiden sich von denen der anderen ,,normalen" Gefangenen und die Strafen waren
viel strenger:
Schlafen durften wir nur im Nachthemd und mit den Händen ausserhalb der Decke,
denn: >>Ihr schwulen Arschlöcher sollt euch nicht selbst begeilen können.<< (...)
Wer mit der Unterhose im Bett angetroffen wurde oder die Hände unter der Decke
hatte -es fanden fast jede Nacht Kontrollen statt-, wurde zur Strafe im Freien mit
einigen Kübeln Wasser übergossen und eine gute Stunde stehen gelassen. Diese
und wer als Schwuler in das Krankenrevier eingeliefert wurde, verliess es fast nie
mehr lebend. Denn wir mit dem rosa Winkel waren im Krankenrevier bevorzugt
angestellt, die meist mit dem Tode endeten. (Heger, 1972: 34-35)
Kohout erzählt, dass die die Männer, die zur Gruppe der Homosexuellen gehörten, sehr
sozialen Schichten, reich und arm. Alle waren dort durch das Schicksal, im Deutschland
Hitlers homosexuell zu sein, wieder vereint.18 Aber diese war nicht die einzige, denn in
,,Im Dunstkreis Heinrich Himmlers gedieh die „Welteislehre” ebenso wie manch
18
Auch wenn nicht sehr bekannt, ging es in der Nacht der langen Messer auch darum, Homosexuelle
aus den höheren Positionen der Partei zu entfernen. Ernst Röhm, der Führer der SA und Homosexuelle, war
der wichtigste Name, der in dieser Nacht ermordet wurde.
26
Lösung des „Homosexuellenproblems”. 1943 diente sich der dänische Arzt und
Endokrinologe Carl Vaernet der deutschen Besatzung als Kollaborateur an. Er hatte
sich kurz zuvor einen „Pressling zur Einpflanzung als Arzneimittel in den lebenden
Organismus”, also ein Hormonpräparat, patentieren lassen (Röll 1992: 35). Ein Jahr
der 15 Probanden wurde zunächst kastriert, den anderen Häftlingen wurde das
seine Karten richtig spielen, wenn er lebendig aus dem Lager rauskommen wollte. Die
Arbeit, die er mit den anderen Häftlingen erfüllen sollte, war jedoch sehr hart:
Diese [erste] Arbeit musste so lange durchgeführt werden, bis wieder ein neuer
Trupp Häftlinge mit rosa Winkel in unserem block eingeliefert wurde und dann
ablöste. [...] Wir mussten den Schnee vor unserem Blockgelände vormittags von
der linken Strassenseite unserer Lagerstrasse auf die rechte Seite schaffen.
Nachmittags den gleichen Schnee wieder von der rechten Seite auf die linke
zurücktragen. [...] Mit den Händen, mit den bloßen Händen, da wir ja keine
Nach dieser Erfahrung, beschreibt Kohout auch, wie er und die anderen Rosa-Winkeln
für die Tonlagerstätte bestimmt waren, obwohl diese in der ganzen Welt als ,,die
Todesgrube’’ bekannt sind.. So wird im Buch die extreme Arbeit, die die Häftlinge
Je fünf bis sechs Häftlinge mussten mit Schaufeln die Loren mit Ton beladen,
während andere Gruppen mit der gleichen Häftlingsanzahl die beladenen Loren
19
Florian Mildenberger. (2002). ,,Verjüngung und Heilung der Homosexualität: Eugen Steinach in
seiner Zeit”. Zeitschrift für Sexualforschung, 15. S. 302 – 322. Hier: 317
27
bergauf schoben. Dazu gab es fast ununterbrochen Schläge der Capos und der SS,
die mit Stockhieben die Arbeit beschleunigen wollten, zugleich aber ihrem
sadistischen Trieb freien Lauf ließen. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich fast
täglich Häftlinge von den loren finger oder Zehen, oft sogar Hände und Füsse
man sah sie nie wieder gesund und lebend herauskommen. Sie bildeten den nie
Homosexuellen wieder einen Job, der nur für sie und die Juden bestimmt war, diesmal
Kohout unterstreicht noch einmal seine Reflexion über das Schicksal dieser in der Mine
abgebauten Blöcke:
Viele, viele Tote forderten die Steinbrüche durch die grosse Zahl von
Arbeitsunfällen, die von der SS und den Capos meist absichtlich herbeigeführt
wurden. Welcher Autofahrer, der heute auf den deutsche Autobahnen dahinfährt,
weiss schon, dass an jedem Granitrandstein, der sie einsäumt, Blut von
unschuldigen Menschen klebt? Blut von Menschen, die nichts verbrochen hatten,
sondern einzig auf Grund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer politischen
und verrecken mussten. […]Aber wer mag schon daran denken? Zu gerne hüllt man
heute über alle diese Dinge den Mantel des Schweigens und das Vergessens.
28
Angesichts dieser Reflexion lädt Heger uns ein, über die Erinnerung an Homosexuelle
nachzudenken, die in den Jahren, in denen das Buch veröffentlicht wurde, praktisch
inexistent war.
Die Sexualität in den Konzentrationslagern war immer sehr umstritten: Einerseits wurden
diejenigen bestraft, die sich frei - oder nicht frei - Homosexuelle nannten, und andererseits
führte die Situation, die das Konzentrationslager mit der völligen Abwesenheit von
wurden nicht so schlecht angesehen, nur weil diejenigen, die das machten, dies taten, weil
sie keinen anderen Ausweg hatten, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, und
erscheinen mag, homosexuelle Praktiken mit seinen Vorgesetzten ihm Nahrung und
Schutz bieten könnten, was in den Konzentrationslagern für das Überleben von
Zwei Tage lang kam ich wie durch ein Wunder unverletzt durch den Kugelregen,
des Übungschiessens, da machte mir ein Capo, ein >>Grüner<<, das Angebot, mich
nur zum Einschaufeln der Erde in die Schubkarren einzuteilen und nicht mehr zum
Fahren, falls ich sein Freund sein wolle und ihm zu Gefallen sei. (...) Nach kurzem
Zögern sagte ich zu, denn mein Lebenswille war stärker als jede innere Einstellung
Dieser Schutz hielt für Kohout nicht lange an, denn am 15. Mai 1940, kurz nach Beginn
dieser Beziehung, wurde ein Transport organisiert, der ihn und andere Rosa-Winkel ins
29
hatten und dass die ranghöchsten Gefangenen wie die Kapos fast alle einen Liebhaber
hatten:
Von einer SS-Wache wurden wir zu unserem Block geführt, um den dortigen SS-
Blockführer übergeben zu werden. Dieser ließ uns eine ganze Zeit stehen und
warten, während eine Gruppe von acht bis zehn Capos um uns herumstand und uns
begutachtete. Nun, ich war ja schon erfahren und wusste genau, warum wir von
einem Teil der Lagerprominenz - und die Capos zählten ja dazu - so angestaunt
wurden. Sie suchten sich unter den Neuzugängen einen möglichen Freund aus. (...)
Ich fand, dass die Situation, in der wir fünf uns befanden, sehr viel Ähnlichkeit mit
Ein anderes wichtiges Thema in Bezug aud sie Sexualität im Konzentratiosnlager ist die
Beschreibung, die im Buch vom Bordell gemacht wird. Das Bordell wurde im Lager
1943 wurden Bordellen in speziellen Blöcken gebaut, deren Sexarbeiter von anderen
Konzentrationslagern inhaftiert waren und denen es versprochen wurde hatte, dass sie
danach freigelassen würden. Die hohen Beamten des Dritten Reiches beschlossen, dass
ein guter Weg, die Homosexualität der Gefangenen zu ,,heilen" darin besteht, sie zu
Diese Praxis wird jedoch im Buch als ein Zeichen von Unkenntnis der Homosexualität
charakterisiert:
Nach dem Willen Himmlers aber sollten wir Häftlinge mit dem rosa Winkel durch
wissenschaftlichen Berate von der Homosexualität verstanden und wie borniert sie
30
eine Triebrichtung des menschlichen Wissens einfach als Laster abtaten und
Neben diesen kritischen Bemerkungen ist Kohouts Zeugnis von wesentlicher Bedeutung,
weil er damit zeigt, wie er sich an eine wirklich schwierige Situation anpassen könnte.
gingen über die Grenzen seiner ethischen und moralischen Werte hinaus, aber er wusste,
dass er das moralische Dilemma überwinden musste, weil diese die einzige Art des
Überlebens war.
4.2. Alexander Zinn: Rudolf Brazda: Das Glück kam immer zu mir
Parallel zu Hegers Buch, das die Erfahrung der Deportation und Leben von Joseph
Kohout in den Konzentrationslagern erzählt, werde ich im Folgenden die Geschichte, die
Rudolf Brazda zur gleichen Zeit lebte, untersuchen. Die Darstellung seiner Erfahrungen
erschien 2008, nachdem ein Artikel in der französischen Zeitung L'Alsace seine
Gegensatz zu Hegers Text, in dem wenig über das Leben vor dem Lager erzählt wird,
geht ,,Das Glück kam immer zu mir’’ in die LGBT-Gesellschaft der Weimarer Republik
Heger hat die Geschichte von Kohout aus der europäischen Perspektive von 1972
vorgestellt; jetzt haben wir die gleiche Geschichte vom Leid und Diskriminierung, doch
erzählt aus der Perspektive eines 95-jährigen Mannes, der beschließt, sein Zeugnis durch
einen Fachmann, in diesem Fall Alexander Zinn, abzulegen. Seine Perspektive ist jetzt
eine andere, denn die Geschichte von Rudolf Brazda wird in einem Europa im Jahr 2008
erzählt, in dem sich die Perspektive seit den Kohout-Jahren erheblich verändert hatte.
31
Zinns Buch ist fast immer in der ersten Person geschrieben und erzählt Rudolf Brazdas
Geschichte von seiner unbeschwerten Jugend (1930) bis zur Befreiung des Lagers und
später (1945. An einigen Stellen werden diese Informationen mit anderen, die in der
über das Schreiben des Buches und sogar aus der Gegenwart (2008) und dem Zeitpunkt
geboren. Sein Vater musste zum Militärdienst marschieren, als Brazda erst 2 Jahre alt
war. Als er vom Militärdienst zurückkam, arbeitete er in einer Mine und starb dort.
Brazdas Leben in seinen frühen Jahren war ziemlich ruhig, obwohl seine Familie - seine
Mutter und seine Geschwister - nie zu Hause waren, weil alle arbeiten. Deswegen gibt er
selbst zu, dass er praktisch allein aufgewachsen war. (Zinn, 2011: 12) Im Alter von
vierzehn Jahren entschied er sich, die Schule zu verlassen, weil er einen Kurs wiederholt
hatte und eine seiner Schwestern, ihn in die Welt des Nähens eingeführt hatte. Obwohl
es Rudolf klar war, dass er ,,[e]inen Posten in einer Konfektionsgeschäft als Dekorateur''
(Zinn, 2011: 14) wollte, waren die Zukunftsperspektiven nicht sehr gut.
Obwohl einige Mädchen versuchten, ihm nahe zu kommen, akzeptierten viele andere
bereits seine Sexualität und intervenierten, als sie im Sommer 1933 vorschlugen, dass er
sich einen Jungen mit der gleichen sexuellen Orientierung ansieht: ,,wieder im
Meuselwitz unterwegs, zusammen mit fünf Freundinnen aus dem Tanzverein läuft er vor
dem Rathaus entlang, als auf einmal eines der Mädels sagt: >>Mensch, schau mal da, der
schöne junge Bursch da, der ist auch so wie du!<<.’’ (Zinn, 2011: 50)
Dort sah er Werner Bilz zum ersten Mal, eine Liebe auf den ersten Blick, und er zögerte
nicht, ihn nach Hause zu folgen, obwohl er nicht den Mut hatte, mit ihm zu sprechen, da
32
sie sich nicht kannten. Rudolf und Werner bauten von diesem Moment an eine Beziehung
auf.
Verurteilungen und Verhöre erleiden. Wir gehen auf das Jahr 1934 zurück, als die
Gestapo und die SS beschlossen, den Absatz 175 des Strafgesetzbuches zu verschärfen.
Angesichts der Verhärtung dieses Gesetzes und der Verhaftung einiger Freunde von
Brazda beschlossen Werner und Rudolf, sich zu trennen. Diese Trennung wurde vor allem
wurde und Rudolf nach Leipzig ging, wo er als Aufzugsführer zu arbeiten begann, um zu
versuchen, dass die Ermittlungen von KRIPO20 ihn und seine Vergangenheit bei Werner
in Meuselwitz nicht ansahen. Trotzdem betrafen zu dieser Zeit die Ermittlungen ihn und
seinen von ihm gegründeten Kreis homosexueller Freunde schon lange. Rudolfs Strategie
konnte die Untersuchungen nur für einige Wochen ablenken, und so begann er am 8.
April 1937 den langen Weg, der ihn und alle seine Bekannten in Konzentrationslager,
Am 8. April wird Rudolf Brazda rabiat geweckt. Irgendjemand donnert gegen die
Tür der kleinen Kammer im vierten Stock des Paulaner-Thomasbräus. Rudolf steht
im Bett - ihm ist sofort klar, wer so früh und so lautstark Einlass begehrt. Als er die
Tür öffnet, stehen dort zwei Herren in Zivil: >>Kripo Leipzig, Herr Brazda? Wir
Kriminalsekretär Skodnik wühlen sich durch das bisschen Hab und Gut, das Rudolf
sein Eigen nennt. Schnell finden sie die Brief, die er zwei Tage zuvor aus
20
KRIPO ist der Name für die damalige Kriminalpolizei.
33
Nach dem Besuch der Ermittlungspolizei in Brazdas Wohnung und der Untersuchung
seines Schlafzimmers setzte er seinen Weg durch die Baracken fort, um sich einem
Verhör zu unterziehen, in dem er versuchte, eine Strategie zu entwickeln: sich nicht die
Schuld für das Verbrechen zu geben und Ihre Fragen mit fundierten Antworten zu
beantworten.
Rudolf wurde in einer Zelle unter Beobachtung eingesperrt, wo er bis zu drei Wochen
verbrachte, bis die Untersuchungen abgeschlossen waren. Fast ein Monat verging, und
schließlich kam der Prozess an. Angesichts aller Beweise der Staatsanwaltschaft und des
ständigen Drucks, dem Brazda einen Monat lang ausgesetzt war, ließ er
zusammenbrechen:
Rudolf gibt das Versteckspiel auf und erklärt: >>Ich will nun heute die Wahrheit
sagen. Mit dem erwähnten Bilz habe ich zusammen onaniert, und zwar habe ich in
den Jahren 1934/35 angefangen.<< Offenherzig erzählt Rudolf nun über sein Leben
mit Werner: >>Ich hatte den Bilz sehr gern und fühlte mich aus Liebe zu ihm
hingezogen [...] Bei gemeinsamen Ausflügen habe ich mich mit Bilz sehr oft
geküsst und aus diesem Grunde wurde er in Freundeskreisen als meine Frau
Rudolf wurde von Leipzig nach Altenburg geschickt, um das Urteil zu verkünden. Er
wurde zu sechs Monaten in Altenburg verurteilt, nachdem er die Zeit, die er bereits in
Seine Haft in Altenburg dauerte bis zum 9. Oktober 1937, als er befreit, aber in die
fand bald seinen alten Freund Joseph in Karlsbad, der ihn ohne Zögern für unbestimmte
Zeit in seinem Haus willkommen hieß. Brazda musste irgendwie seinen Lebensunterhalt
34
verdienen und indem er die Kraft aus seinem musikalischen und gestalterischen Talent
Viel lieber zieht Rudolf abends los, gemeinsam mit Josef und Anton, in die
Gasthäuser, auf die Tanzböden, in die Schwulenbars. (...) >>Weil ich ja auch schon
früher getanzt habe, auch manchmal aus Vergnügen, in einem Tanzlokal, auch in
großen Sälen, bin ich dorthin gegangen (...) Ich imitierte Josephine Baker, die
Musikkapelle hat einen Tusch gegeben und jemand gab bekannt, dass ein
Talentierter jetzt, was vorzeigen will: die Josephine Baker<< (...) Wenn ich fertig
getanzt habe, dann haben die Leute geklatscht, und ich bin mit dem Teller
rumgegangen, wie ein Bettler. Macht nichts, alles muss der Mensch mal ausprobiert
In einer dieser Shows traf Brazda Bruno, einen Schauspieler aus einer Theatergruppe, der
Brazda die Türen öffnete, um zu reisen und mit seinem Talent zu leben, bei der Kleidung
zu helfen und sogar kleine Rollen zu spielen. Diese Theatergruppe stellte einen großen
Kontrast zu dem dar, was in derselben Region geschah, wo der Hass auf die Anderen
wuchs. In dem Versuch, sich an ein neues Karlsbad anzupassen, das viel feindseliger war,
wird das Leben von Toni und Rudolf streng geheim gehalten, bis der Kommissar Beyer
von der Geheimpolizei einen anonymen Brief bekam und so begann, der Kreis von
Brief ein, der eine Person aus Rudolfs Umfeld ins blickfeld der Polizei rückt: >>Ich
möchte Sie aufmerksam machen, dass bei uns im Haus Reichsadler ein Warmer
Bruder Namens Josef Nawrocki wohnt und nur immer Herrenbesuche empfängt
und auch frech mit den Hauseinwohnern ist. Heil Hitler.<< (Zinn, 2011: 195)
Nach Erhalt dieses Schreibens untersuchte Inspektor Beyer schließlich Josef Nawrocki,
einen Freund Brazdas seit er in Meuselwitz lebte. Der Name Rudolf Brazda und der seines
35
Partners Toni wurden sehr schnell bekannt, und so fing kurz danach der zweite Prozess
Rudolf wurde wieder von KRIPO vorgeladen und gestand am selben Tag, dass er bereits
eine Strafe wegen Homosexualität hatte und dass er sexuelle Beziehungen zu Toni hatte.
sehr stark voneinander, so dass wir viele Ähnlichkeiten zwischen Kohouts und Brazdas
Erinnerungen über das Leben im Lager finden21. Sehr ähnlich ist die Beschreibung wie
das Lager aussah, wie es organisiert war, wie es empfangen und gefoltert wurde.
Sachsenhausen in Bezug auf die Hierarchie22 und die Klassifizierung der Gefangenen, d.
>>Ja, einen Winkel. Wir wurden doch eingekleidet mit einem gestreiften
Sträflingsanzug, mit blauen und weissen Streifen und jeder, der irgendwie
bekam einen anderen Winkel angehängt. Die Bibelforscher bekamen lila Winkel,
die Vorbestraften hatten grüne Winkel, die Politischen rote Winkel, und die
Asozialen bekamen schwarze Winkel. (...) Die politischen Häftlinge haben nicht
nur in der Kleiderkammer das Sagen. Die meisten Zeit dominieren sie die
21
Obwohl die Konzentrationslager, in denen Brazda und Kohout waren, ihre Ähnlichkeiten haben,
muss man sich daran erinnern, dass es andere Konzentrationslager gab, in denen die Lebensbedingungen
viel härter waren, wie in Auschwitz.
22
Über die Hierarchie der Konzentrationslager siehe die bereits erklärte Anhänge I und II dieser
Arbeit.
36
dem >>Lagerältesten<<, den >>Blockäñtesten<<, den >>Kapos<< und anderen
2011: 229).
Die Lebensbedingungen waren auch sehr ähnlich mit denen der Lager von
schwer zu überleben war. Auch die Tatsache, dass die Menschen entmenschlicht und
entindividualisiert werden, wird bei Brazda stark betont: Häftlinge wurden nur als Zahlen
Der Steinbruch ist auch im Buchenwald der Arbeitsplatz, an den alle Homosexuellen
geschickt wurden. Die Gefangenen waren billige Arbeitskräfte - praktisch kostenlos - und
ihr Leben war so wenig geschätzt, dass ihr Tod nichts änderte. Doch Brazda hatte, wie er
mehrmals erklärt, Glück in seinem Unglück, denn der Kommandant, der Brazda zugeteilt
wurde, obwohl er einer der gewalttätigsten war, fühlte eine gewisse Anziehungskraft auf
Brazda:
Als besonders brutal gilt der Kapo des Steinbruchs: Alfred Müller, ein politischer
Häftling. (...) Auch Rudolf macht bald die Bekanntschaft von Alfred Müller. Doch
für ihn erweist sich die Begegnung mit dem Steinbruch-Kapo als
Glückfall: >>Einmal, ich weiss nicht warum, kam der Kapo, der Legionär, vom
Arbeitskommando, der kam zu mir und sagte: >Du, lass mal deine Schaufel liegen,
ich will dir einen anderen Posten geben zum Arbeiten.< Er hat mich in eine
Sanitätsbude eingeteilt. (...) Es ist paradox, aber ausgerechnet Rudolfs rosa Winkel
ist es, der diese bevorzugte Behandlung durch Alfred Müller auslöst. Und das im
2011: 238-239)
Hier können wir eine detailliertere Analyse des Titels des Werkes, „Das Glück kam
immer zu mir'', machen. Das Glück, auf das er sich bezieht, ist im ganzen Buch präsent.
Aber wie kann sich ein Mensch in einer so schrecklichen Situation glücklich fühlen?
37
Brazda fühlt sich glücklich, weil er es geschafft hat, lebendig aus einer Situation
herauszukommen, in der seine Überlebenschancen sehr gering waren. Die Motive dafür
waren verschiedene: entweder weil der Capo ihn mag, wegen seines Wissens über
Bedachungen oder sogar wegen der Freunde, die er im Lager gemacht hat. Aus diesem
Grund hält er sich, viele Jahre später, für glücklich, denn das Glück war immer an seiner
Seite. So hat er wieder Glück mit seiner nächsten Arbeit im Lager, als er als Dachdecker
arbeitete. Diese neue Arbeit ermöglichte ihm einige Freiheiten und auch neue
Freundschaften, wie Fernand, der in der spanischen Guerilla gegen Franco gekämpft hatte
und mit dem er eine lange Freundschaft schloss, die über das Konzentrationslager
hinausging. Brazdas Freundeskreis ist ein weiterer Aspekt, den ihn der paradoxen
Beschreibung als glücklicher Mann ergänzt. Da er wegen seinen Freunden und seiner
Arbeit über gewisse Unterstützung und Schutz verfügte, musste er, im Gegensatz zu
Kohout, nicht diesen Schutz bei den Kapos suchen und so wird die Homosexualität in
Kohouts Erzählung und Brazdas unterscheiden sich in diesem Punkt, denn Brazda
beschreibt sehr detailliert, wie er seine Sexualität in seiner Jugend und im Allgemeinen
sein ganzes Leben lang gelebt hat, doch er behandelt kaum, wie die Homosexualität im
gesamten Aufenthaltes im Lager und stellt sie, wie schon erklärt wurde, als ein
beobachten können, ist, wie und wo er mit der Sexualität seiner Geschichte umgeht:
Wenn es um sich selbst geht, beschreibt er sie mit vielen Details, aber immer, wenn er
sich auf Beziehungen bezieht, die außerhalb des Lagers stattgefunden haben.
aufgebaut wurden, spricht er sehr oberflächlich von ihnen und sehr selten von sich selbst.
38
Ein Ausnahme ist zum Beispiel, wenn er die Beziehung zwischen den Capos und einigen
,, Als nach dem Überfall auf Polen 1939 eine ganze Reihe junger Polen nach
homosexuellenfeindlich eingestellt. Und ihre Vorurteile legen sie auch nicht ab, nur
weil sie sich unter den Bedingungen des Konzentrationslagers selbst homosexuell
So wird das heuchlerische Verhalten in den Lagern sowohl in Kohouts als auch in Brazdas
Text aufgezeigt, wobei mit unterschiedlichen Nuancen. Kohout betrachtet all diese
homosexuellen Beziehungen aus der Ferne, und obwohl er normalerweise andeutet, dass
er auch Teil dieses Überlebensmechanismus war, macht er es nie ganz klar, welche seine
eingetreten ist oder nicht, ist die Wahrheit, dass er fast nur über seine Sexualität außerhalb
des Lagers spricht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er die Beziehungen im Lager
wertlos oder unwichtig fand, da sie von den anderen als Notsituationen verstanden
wurden.
Kohout in dem Buch Die Männer mit dem rosa Winkel und Rudolf Brazda in Das Glück
kam immer zu mir beschrieben, konzentriert. Aber was geschah nach der Befreiung des
Lagers? Waren all diese Rosa-Winkeln-Häftlinge danach frei, um ein freies Leben mit
Schäden behoben?
39
Leider ist die Antwort in den meisten Fällen eine negative Antwort. Die Rückkehr aus
dem Konzentrationslager bedeutete in keinem Fall, dass sie über ihr Leiden sprechen
konnten. Sie mussten schweigend über ihre Erfahrungen bleiben. Deshalb erklären beide
Kohout und Brazda, dass die ersten Jahre die schwierigsten waren, weil sie immer noch
in einem Europa lebten, das mit den Rechten der LGBTI-Gemeinschaft weit zurückliegt.
Ein klares Beispiel davon ist, dass der so gefürchtete Artikel 175 erst fast 20 Jahre später
aufgehoben wurde.
In den ersten Jahren, so Alexander Zinn, hat die Tatsache, dass die Alliierten das Gesetz
175 nicht aufgehoben haben, katastrophale Folgen für diejenigen mit sich gebracht, die
gerade aus der gleichen Hölle gekommen waren: ,,Die Zahl der Verfahren nach den 175
und 175a geht denn auch kaum zurück. 1945 kommt es in den westlichen
Besatzungszonen zu 1181 Verurteilungen [...] In 1950 auf über 2.000 und 1957 sogar auf
Dies veränderte sich mit den ersten Demonstrationen der LGBT-Freiheitsbewegung, als
die nachfolgenden Generationen der Überlebdenden mehr über das Vergangene wissen
wollten:
unter dem NS-Regime anprangerten und eine Rehabilitierung der Opfer forderten.24
23
Zinn, A. (2018). "Aus dem Volkskörper entfernt?": Homosexuelle Männer im
Nationalsozialismus. Frankfurt am Main: Campus Verlag CH. 500-502.
24
Schwartz, M.: Homosexuelle im Nationalsozialismus: Neue Forschungsperspektiven zu
Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945.
Köln: De Gruyter. Seiten: 43
40
5.1. Was geschah mit Joseph Kohout nach dem Fall des Dritten Reiches?
Während des ganzen Jahres 1944 und bis zu ihrem Höhepunkt 1945 überstiegen die
Konzentrationslager die in ihnen verfügbaren Plätze. Als die Niederlage des Dritten
Reiches unvermeidlich war und die alliierten Truppen näher rückten, wurden die
erschossen.
Kohout überlebte diese Todesmärsche. Als er nach Hause zurück kehrte, fand er heraus,
wie sein Vater dem gesellschaftlichen Druck erlegen war, ein homosexuelles
Häftlingskind zu haben und Selbstmord beging. Seine Mutter wartete jedoch immer
darauf, dass er nach Hause zurückkehrte. Wie alle anderen Überlebenden lebte er seine
Nach Kriegsende ging Joseph K. in das provisorische Büro, das der Wiener Stadtrat
für die Rückkehrer aus den Konzentrationslagern eingerichtet hatte. Im Büro wurde
Hilfe erwarten sollte. Sie schlugen vor, dass er die Farbe seines Winkel ändert, dass
er einer politischen Partei beitritt, um es von rosa auf rot zu ändern. Joseph lehnte
Obwohl Kohout nie anerkannt wurde, machte er eine große Geste, indem er als erster
Konzentrationslager in einem Buch veröffentlichte. Auch wenn zu seiner Zeit das Buch
problematisch war, hat es eine sehr wichtige Rolle für die Erinnerungskultur von den
Homosexuellen Opfern gespielt. Dank Menschen wie ihm kann ich heute über diese
Fakten lesen und schreiben und die neuen Generationen informieren, damit das Leiden
41
5.2. Was geschah mit Rudolf Brazda nach dem Fall des Dritten Reiches?
Brazdas Fall unterschied sich leicht von dem von Kohout, da er unter allen Umständen
versuchte, den sicheren Tod, der mit den ,,Todesmärschen" verbunden war, zu vermeiden,
indem er sich mit Hilfe eines Arbeiters im Schweinestall versteckte. Er blieb dort
tagelang, bis das Lager befreit wurde und er wieder ein freier Mann wurde (Zinn, 2011:
277-279) .
Brazda beschloss, anstatt nach Hause zurückzukehren, wo die Rote Armee noch
vorankam, seinem Freund Fernand nach Frankreich zu folgen. Die Tage nach der
Befreiung des Konzentrationslagers sind für Brazda verwirrend, aber er erinnert sich an
die Rede, die die Amerikaner gehalten haben, um die Gefangenen und die gebrochene
Der amerikanische General, der uns eingenommen hat, sagte: >Ihr seid jetzt die
besten Bürger im Lande, die ihr so viel unter den Nazis gelitten habt.< Die
psychologische Wirkung dieser Worte ist groß. (...) Er notiert die Worte auf einen
kleinen Zettel, zusammen mit einer Nachricht, dass es ihm gut geht: >>Meine
herzige Mutter, ich bin gesund. Komme bald nach Hause. Euer lieber Rudl. Der
amerikanische Kommandant hat gesagt, Ihr zählt jetzt zu den besten Menschen der
Fernand heiratete ein elsässisches Mädchen und Rudolf verließ Fernands Haus. Er
versuchte, sein Leben wieder aufzubauen, und so zu leben, wie er in seiner Jugend lebte,
mit seiner freien Sexualität, aber er entdeckte ein ernsthaftes Problem: Alle Staaten, die
das Dritte Reich erobert hatten, hatten das Strafgesetzbuch reformiert, um den Artikel
175 hinzuzufügen, und nach dem Dritten Reich wurde er weder in Deutschland noch in
den anderen Staaten, in denen das Gesetzt selbst eingesetzt wurde, eliminiert. Wie Zinn
erklärt, fanden viele der Homosexuellen, die das Konzentrationslager verlassen hatten
und freie Männer geworden waren, heraus, dass ihnen ihre Freiheit wieder genommen
wurde, als sie versuchten, ihre Sexualität frei zu leben. Rudolf nimmt den Kontakt zu
42
einigen seiner homosexuellen Freunde wieder auf, um herauszufinden, was viele von
ihnen machen. Doch er blieb immer in Frankreich und versuchte, seine Vergangenheit als
In den 1950er Jahren trifft Rudolf den 18-jährigen Edi, mit dem er eine intensive
Beziehung, die mehrere Jahrzehnte dauerte, begann. Ihre Beziehung basierte immer auf
dem Prinzip, versteckt zu sein, um ein glückliches Leben zu führen, weg von den
Meinungen der Menschen und von Artikeln wie dem 175, der in Deutschland erst Ende
der 1970er Jahre aufgehoben wurden, zur selben Zeit, als Die Männer mit dem rosa
Als Edi jedoch starb, änderte sich alles. Der Abschied war schwer für Brazda, aber er
wusste, dass sich die Zeiten geändert hatten und dass es Zeit war, aus der Anonymität
kontaktierte Brazdas Nichte mehrere LGBT-Vereine, die, überrascht, dass es noch einen
letzten Überlebenden gab, ihm zum Treffen beim Denkmal einluden. Von hier aus trifft
er Zinn, den Autor des von mir untersuchten Buches, der Brazdas Memoiren schrieb, und
alle seine Erzählungen mit historischen Dokumenten verglich. Rudolf Brazda starb am 3.
August 2011 und mit seinen Text hinterließ er dieses Zeugnis von Folter, Verfolgung und
Schweigen, das in den schlimmsten Jahren Europas entstanden ist. Seine Erfahrungen
während des Dritten Reiches, die er in seinen Memoiren beschreibt, werden auch in einem
Denkmal repräsentiert, in dem ein Video von zwei Männern, die sich küssen wollen, in
Schleife in einem Betonblock wiedergegeben wird. Das Denkmal, wie auch Brazdas Text,
ruft in Erinnerung, dass wir für die Freiheiten der Minderheiten kämpfen und nie die
Wachsamkeit aufgeben müssen, wenn sie es uns entreißen wollen, denn, wie Zinn selbst
schwuler Kuss war nicht nur für die Nazis strafwürdig. Zwei küssende Männer werden
auch noch heute als so provokativ empfunden, dass einige am liebsten zuschlagen
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5.3. Warum das Schweigen? Das Beispiel von Pierre Seel, Aktivist und Verteidiger
der Erinnerungskultur
Wie bereits gesagt wurde, wurden Homosexuelle auch nach dem Konzentrationslager
weiter verfolgt, da der Artikel 175 der Verfassung in Deutschland und in den anderen
Deshalb gibt es heute so wenige homosexuelle Zeugnisse über ihre Verhaftung während
des Dritten Reiches: Viele zogen es vor, zu schweigen, ein diskretes Leben zu führen und
zu versuchen, nach der Hölle glücklich zu sein. Deswegen sind die zwei untersuchten
Beispiel so wichtig, denn ohne diese haben wir ein unvollständiges Szenario über die
würde für den Rest der Tage so bleiben, wenn Menschen wie Joseph Kohout oder Rudolf
Brazda nicht beschlossen hätten, ihr Schweigen zu brechen, mit all den Konsequenzen,
die sich daraus ergeben könnten. Wie wir gesehen haben, haben sie mit dem Schweigen
zu unterschiedlicher Zeiten unterbrochen. Im Folgenden will ich auch über Pierre Seel,
Seels Inhaftierung in Schirmeck dauerte bis November 1941, als ein General ihn zu sich
in sein Büro rief. Gegen alle Widerstände bot ihm der General einen Vertrag an, in dem
er seine Verurteilung im Lager loswerden konnte, im Austausch dafür, dass er über all
das, was er gesehen hatte, schweigt. Offensichtlich war dies nicht die einzige Bedingung,
denn als er nach Hause zurückkehrte, wurde er zum Krieg einberufen. In Frankreich
erlebte er auch die Schrecken des Krieges, wo er einen Partisan töten musste und wo er
alle Zähne verlor. Nach dem Krieg, kehrte Seel nach Hause zurück, wo auch das Dritte
Reich verheerende Schäden angerichtet hatte. Er wusste, dass er nicht über alles reden
konnte, was ihm zugestoßen war, nicht wegen des Vertrages, den er mit dem Dritten
Reich geschlossen hatte, sondern weil das Reden, wenn er es täte, ernste Folgen für ihn
haben könnte:
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Es cierto que Alsacia estaba liberada y de nuevo bajo jurisdicción francesa (...)
Hicieron falta incluso vigorosas batallas para que la ley cesara de existir, cuarenta
años más tarde en 1981. Como conocía la existencia de dicha ley, comprendí
también que al hablar me arriesgaba a ser amenazado por el lado judicial. (Le
Unter diesen Zuständen beschloss er, zusammen mit seinem Wunsch, ein Zuhause zu
finden und die anklagenden Stimmen und Blicke seiner Familie und Freunde zum
Schweigen zu bringen, nach einer Frau zu suchen, die er heiraten konnte. Über eine
Heiratsagentur fand er eine Tochter eines spanischen Flüchtlings, der in Spanien zum
Tode verurteilt worden war. Beide hatten es eilig, zu heiraten, so dass es nicht viel zu
erwarten gab, und am 21. August 1950 heiratete Pierre Seel und versuchte, seine eigene
Sexualität zu verleugnen.
pensar? [...] Mis únicos instantes semanales de evasión eran los viernes por la tarde,
cuando iba en coche a una gran superficie para hacer las compras [...] A la vuelta,
vida me estaba prohibida, pero ¿qué valía la que me estaba autorizada? ¿Qué
balance que no fuera agobiante podría hacer para entonces? Volvía a la casa más
Seine Beziehung zu seiner Frau war bis zu dem Punkt erschöpft, dass er um eine
Scheidung bat und aufhörte, seine Kinder zu sehen. Dreißig Jahre nachdem er versucht
hatte, ein falsches Leben zu schaffen, um den gelebten Schrecken und die Stigmatisierung
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der Gesellschaft aus sich selbst zu entfernen, traf er die Entscheidung, dass sein
Tenía cincuenta y ocho años, trabajaba desde enero de 1969 empleado en una
brutalidades. (...)Le dije a Jean Pierre Joecker: >>Señor, lo que ha contado aquí yo
cita para el día siguiente (...) Por primera vez desde hacía treinta años, desde que
mi madre estaba moribunda, me sorprendí pudiendo hablar. (Le Bitoux, 1994: 109-
111)
Am 8. April 1982 enthüllte Pierre Seel, der es das Schweigen und die Ungerechtigkeit
satt hatte, seine wahre Identität und schrieb einen Brief, in dem er alles, was ihm passiert
war, erzählte mit dieser Tat, über die Vergangenheit zu sprechen, zeigte Pierre Seel, wie
wichtig es war, dass die Gesellschaft die Wahrheit über die Verhaftung von
Homosexuellen endlich kennen könnte. Gerade er, der sich nicht getraut hatte, seine
Homosexualität frei zu zeigen und nie über seine Erfahrungen im Lager gesprochen hatte,
sah, dass er nur seine Identität behaupten könnte, wenn das Schweigen über die
Deportation von Homosexuellen gebrochen wurde. Er wurde so ein Aktivist und zeigte,
wie wichtig es war, mit den Tabus zu brechen und das vergangene Leiden der
homosexuellen Opfer öffentlich zu bearbeiten. Ihre Texte ermöglichten den Anfang von
einer Erinnerungskultur über die Konzentrationslager, die auch die Erfahrungen von
homosexuellen Opfern bearbeitete. Neben diesen Texten gibt es auch einige wenigen
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Denkmäler, die in Deutschland zum Gedenken an diese Deportierten geschaffen wurden:
Der erste war der 1994 eingeweihte Frankfurter Engel, der zweite war der rosa Winkel
von Köln vom Jahr 1995 und schließlich das berühmteste im Jahr 2008 eingeweihte
Denkmal des Tiergartens von Berlin, den Rudolf Brazda als letzter homosexueller
6. Abschluss
Nach der Analyse der drei direkten Zeugnisse, die dieses Unglück erlitten haben, können
wir viele Schlussfolgerungen ziehen. Unter ihnen die These, dass die Homosexuelle eine
der Gruppen waren, die mehr Probleme im Dritten Reich hatten, und, später, nach der
Befreiung, am meisten Probleme hatten, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Sie
wurden viele Jahre lang vergessen, weil es unangenehm war, über Homosexualität in
einem in dieser Hinsicht noch geschlossenen Europa zu sprechen.
Es waren die homosexuellen Aktivisten selbst, die dieses Thema in den 1970er Jahren
aus dem Vergessen retteten, viel später als bei den anderen Gruppen, die auch verhaftet
wurden, wie die Zigeuner, die Juden oder die politischen Gefangene.
Nach der Analyse der Bücher über die Erfahrungen von Kohout, Brazda und Seel habe
ich Ähnlichkeiten in ihren Erfahrungen gefunden, von denen die wichtigste das Erlebnis
der Sexualität im Konzentrationslager ist. Die gleiche Sexualität, die die drei Zeugnisse
und Tausende weitere Menschen in Konzentrationslager geschickt hatte, wurde vor allem
für Kohout ein Überlebensmechanismus, denn in den Konzentrationslagern fand eine
Art ,,Notsituation" statt. Dieser Ausdruck wurde von den Capos und heterosexuellen
Machthabern häufig verwendet, um ihre homosexuellen Beziehungen zu anderen
Gefangenen zu rechtfertigen. Diese homosexuellen Beziehungen ähnelten oft den
Praktiken Roms, wo jemand, der eine hohe gesellschaftliche Klasse beherbergte,
homosexuelle Beziehungen zu Sklaven unterhalten konnte. Tatsächlich ist es Kohout, der
seine Ankunft im Konzentrationslager Oranienburg mit dem Sklavenmarkt des alten
Roms vergleicht (Heger, 1972: 54-55).
Andererseits zeigt uns die Analyse dieser Bücher, wie das Leiden der Homosexuellen bist
kürzlich verschwiegen wurde, denn nach monatelanger Forschung habe ich entdeckt, dass
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die drei in meiner Arbeit offenbarten Zeugnisse die einzigen sind, die wirklich in der Zeit
veröffentlicht wurden und die knappe homosexuelle Literatur des Dritten Reiches geprägt
haben. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, den Artikel von Kai
Hammermeister über die Nicht-Existenz dieser Art von Literatur zu besprechen, da das
Interesse, was mit den Homosexuellen während des Dritten Reiches passierte, nur ab den
90er Jahren anfing.
Dieses Schweigen und vor allem die lange Zeit, die man brauchte, um den Artikel 175
des Strafgesetzbuches zu elimnieren, wirkte direkt auf das Leben derjenigen aus, die
weiter „inhaftiert“ blieben, da sie nach dem Strafgesetzbuch als Kriminelle betrachtet
wurden. Dies veranlasste, dass die meisten Homosexuellen sich verstecken und
versuchten, ihre Vergangenheit zu verdrängen und eine neue oder normativere sexuelle
Identität kreierten, wie Pierre Seel, der seine eigene Sexualität verleugnete, indem er eine
Frau heiratete.
Ich halte es für wichtig, den Mut zu betonen, den nicht nur direkte Zeugnisse wie Kohout,
Brazda oder Seel hatten, sondern auch den Mut von Menschen wie Alexander Zinn oder
Heinz Heger, Journalisten jüngerer Generationen, die den Zeugnisse ermutigten, in einem
so widrigen Kontext wie dem von Kohout (1972) zu erzählen, der bis dahin geheim
gehalten wurde und für den er kürzlich ins Gefängnis geschickt wurde.
Jeder einzelne Mensch, der an diesem Prozess beteiligt ist, hat dazu beigetragen, mehr
über das Vergangene zu wissen und ihre Handlungen werden nie vergessen werden.
Deshalb ist diese Arbeit eine Möglichkeit, denjenigen, die gelitten haben und dies
schweigend tun mussten, eine Stimme zu geben. Auch denjenigen, die ihre Stimme
erhoben und nie aufgehört haben, für die Befreiung, Akzeptanz und Normalisierung der
LGBTI+ Menschen zu kämpfen. Durch diese Arbeit habe ich versucht, ihre Stimmen
stärker zu machen und weiter zu gehen. Allen von ihnen widme ich diese Arbeit.
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7. Anhang
Anhang I und II
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Anhang III
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8. Bibliographie
Primärliteratur
Heger, H. und Knörr Argote, E. (2002). Los Hombres del triángulo rosa. Madrid:
Amaranto.
Heger, H. (1972). Die Männer mit dem rosa Winkel: der Bericht eines Homosexuellen
Editorial SA.
Seel, P., Le Bitoux, J., Petit, J., Delgado, M., Monclús, J., Delain, O. Lozano González,
Zinn, A. (2011). "Das Glück kam immer zu mir". Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Sekundärliteratur
Ayoub, P., & Paternotte, D. (2014). LGBT Activism and the Making of Europe. New
in seiner Zeit”. Zeitschrift für Sexualforschung, 15, 302 - 322. De Thieme - E-Journal
de una democracia; [übersetzt von Ramir Reig und Elisa Renau] València: Edicions
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Lübbe, H. (2007). Vom Parteigenossen zum Bundesbürger: Über beschwiegene und
Marhoefer, L. (2015). Sex and the Weimar Republic: German Homosexual Emancipation
and the Rise of the Nazis. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press.
Stolle, M., & Dams, C. (2017). Die Gestapo: Herrschaft und Terror im Dritten Reich.
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