Inhalt
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Vorwort von Metropolit Kallistos Ware xv
Biographische Skizze von Erzdiakon John Chryssavgis | XxxI
Historische Perspektiven
Die Orthodoxe Kirche und das Okumenische Patriarchat 1
Gesang und Raum
Kunst, Architektur und Liturgie 17
Die Gabe der Theologie
Grundlegende Prinzipien und Perspektiven 31~
Berufung der Liebe
Ménchtum als Wahl und Berufung 47
Spiritualitat und Sakramente
Gebet und spirituelles Leben 61
Das Wunder der Schépfung
Religion und Okologie 73
Glaube und Freiheit
Gewissen und Menschenrechte 97
VIII Die Welt verindern
1. Soziale Gerechtigkeit: Armut und Globalisierung 17
2. Religion und Gesellschaft: Fundamentalismus und Rassismus 139
3. Krieg und Frieden: Konflikt und Dialog 167
Epilog. Die Hoffnung in uns 187
Weitere Literatur 193
Namensverzeichnis 195
Bibelstellenverzeichnis 197Vorwort zur deutschen Ausgabe
Begegnung mit dem Mysterium — unter diesem Titel wendet sich Seine All-
heiligkeit der Okumenische Patriarch Bartholomaios im vorliegenden Buch
an orthodoxe und nicht-orthodoxe Leser, um einen Einblick in die orthodoxe
Theologie des 21. Jahrhunderts, vor allem aber auch in die gelebte Lebenswirk-
lichkeit der Orthodoxie zu liefern. Es ist mir eine besondere Ehre, einige ein-
leitende Bemerkungen zu diesem wichtigen Buch zu machen; es freut mich
ganz besonders, dass auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, seinerseits in
das Buch einfithrt.
Begegnung ist ja ein Leitmotiv im Leben des Okumenischen Patriarchen,
der nach seinem Studium in Chalki an katholischen und evangelischen Hoch-
schulen und Universititen studiert hat, der bei der ,Kommission fir Glaube und
Kirchenverfassung* des Weltkirchenrates ebenso wie in der internationalen
Gesellschaft fiir das Recht der Ostkirchen entscheidende Akzente gesetzt hat.
Nach seinem Amtsantritt als Okumenischer Patriarch im Jahre 1991 hat er die
Begegnung mit den iibrigen Vorstehern der autokephalen orthodoxen Kirchen
sozusagen institutionalisiert, indem er mehrfach ein fortan Synaxis genanntes
Konsultations- und Entscheidungsgremium einberief. Begegnung praktizierte
Patriarch Bartholomaios aber auch in dkumenischer Hinsicht: Erwahnt seien
hier seine vielen Reisen, die ihn zum Beispiel mehrfach nach Rom fiihrten, wo
er mit allen Papsten seiner langen Amtszeit zusammentraf. Gleiches lasst sich
iiber die Begegnungen mit den Vertretern der reformatorischen Kirchen und
des Okumenischen Rates der Kirchen sagen. Patriarch Bartholomaios ist von
den Staatsoberhauptern und Regierungschefs unziihliger Linder empfangen
und geehrt worden. Die Zahl seiner Ehrendoktorate wachst standig: Auch dies
weist ja auf die interdizipliniire Kompetenz des Geehrten und seine Dialog-
bereitschaft hin. Desgleichen ist im interreligiésen Gesprich die Stimme des
Patriarchen nicht zu iiberhéren und leistet einen bedeutenden Beitrag. Und mit
dem Stichwort ,Begegnung‘* lasst sich sicherlich auch das historische ,Heilige
und Gro&e Konzil der Orthodoxen Kirche‘ beschreiben, das im Sommer 2016
in Kreta stattfand, und bereits heute als der Héhepunkt der Lebensleistung des
unermiidlichen Patriarchen Bartholomaios gilt. Das Konzil von Kreta, an dem
ich persinlich als Mitglied der Delegation des Okumenischen Patriarchates
teilnehmen durfte, war ja nicht nur eine Begegnung der Konzilsviiter und ihrer
jeweiligen Delegationen, zu denen iibrigens auch weibliche Delegierte ge-
hérten. Auch dkumenischen Gasten, zu denen auch der bereits erwahnte Vor-
sitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland gehérte, sind wir invi VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
der Orthodoxen Akademie von Kreta, in Heraklion und Chania in jenen heifen
Sommertagen des Konzils begegnet. Aber die eigentliche - und bleibende -
Bedeutung des Konzils war ja, was man als die Begegnung der Orthodoxen
Kirche mit der Moderne, mit der heutigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen,
wissenschaftlichen und ékumenischen Wirklichkeit bezeichnen kann. Sowohl
in der ,Botschaft* des Konzils, als auch in der Enzyklika spiegelt sich das auf-
richtige und dynamische Engagement des Patriarchen wider. So heift es zu
Beginn der Botschaft des Konzils: ,Die Grundlage unserer theologischen Dis-
kussionen war die Gewissheit, dass die Kirche nicht fiir sich selbst lebt. Sie
iibermittelt das Zeugnis des Evangeliums der Gnade und Wahrheit und bietet
der ganzen Welt die Gaben Gottes: Liebe, Frieden, Gerechtigkeit, Verséhnung,
die Kraft des Kreuzes und der Auferstehung und die Erwartung der Ewigkeit7
Eine ganz besondere Dimension der Begegnung ist fiir den Patriarchen der
Dialog zwischen Glauben und Naturwissenschaften. Es geht ihm dabei nicht
darum, die wissenschaftliche Forschung zu bevormunden, und er bezieht —
trotz seiner auch auf diesem Gebiet zweifellos vorhandenen Kompetenz —nicht
zu jeder wissenschaftlichen Frage Position. Fiir ihn bedeutet die Begegnung
mit der Naturwissenschaft vielmehr, unbekannte Dimensionen der Schépfung
Gottes sichtbar zu machen. Deshalb hért er auch die ihm vielfach zugedachte
Bezeichnung des ,Griinen Patriarchen‘ nicht ungern, da diese fiir ihn zundchst
den Lobpreis des Schipfers beschreibt, der eine zentrale Rolle in seinem
Leben spielt. Dass dieser Lobpreis dann zum Erkennen und Anerkennen der
eigenen Schuld gegeniiber der Schépfung Gottes und schlieglich zum tat-
kraftigen Engagement zur Bewahrung derselben fihrt, versteht sich von selbst.
So gipfelt dann die Konzilsbotschaft in folgender Feststellung: ,Das Heilige
und Gro8e Konzil hat unseren Horizont in Richtung der vielfiiltigen und viel-
gestaltigen Welt von heute erweitert. Es hat unsere Verantwortung in Raum
und Zeit, allerdings immer in der Perspektive der Ewigkeit, hervorgehoben.”
Diese Horizonterweiterung der Kirche, die man als Leitmotiv des Konzils, aber
auch seines Vorsitzenden, des Okumenischen Patriarchen Bartholomaios, be-
zeichnen kann, ist allerdings kein simples Aggiornamento, keine Anpassung
an innerweltliche Realititen, sondern ein diachronisches Ziel.
An dieser Stelle kommt nun der Begriff des Mysteriums ins Spiel, den Seine
Allheiligkeit fiir dieses Buch gewahlt hat. Auch in diesem Werk nimmt - wie
in vielen seiner Reden und Vortrage - dieser in der orthodoxen Theologie
und Spiritualitit dominierende Terminus eine zentrale Rolle ein. Fir den
Patriarchen beschreibt er nicht nur die Erfahrung der Beziehung zu Gott,
sondern bereits jede zwischenmenschliche Begegnung, Fiir ihn bezeichnet
das Mysterium die Vielschichtigkeit und den Reichtum, den es in jedem Mit-
menschen zu entdecken gilt, Niemals kann man jemanden nur auf einenVORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE vi
Aspekt seiner Persénlichkeit reduzieren. Deshalb muss man dem Anderen
immer wieder mit einem liebevollen Wahmehmen begegnen. Patriarch
Bartholomaios wendet hier den in der orthodoxen Theologie haufig ver-
wandten Begriff der apophatischen Sprache auch auf die Anthropologie an.
In diesem Sinn beschiftigt sich der Verfasser dann in diesem Werk auch mit
ethischen Fragen der heutigen Theologie, ebenso wie mit den Sakramenten
oder dem Gebet der orthodoxen Kirche.
Kurz gesagt: Ich wiinsche diesem Buch eine weite Verbreitung, denn es
fihrt in die Grundlagen orthodoxer Theologie ein; es ist von einer begnadeten
kirchenleitenden Persénlichkeit unserer Zeit geschrieben und ist deshalb ein
Werk, das so angelegt ist, dass es in herausragender Weise hilt, was sein Titel
verspricht: Begegnung mit dem Mysterium!
Metropolit Augoustinos von Deutschland
Exarch von Zentraleuropa
Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD)
Anmerkungen
1 Botschaft des Heiligen und Groen Konzils, zit. n. Synodos. Die offiziellen Dokumente
des Heiligen und Groen Konzils der Orthodoxen Kirche (Kreta 18.26, Juni 2016), Bonn
2018, §. 42.
2 Bbd,S.a9.