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Executive MBA – 3 Environmental Changes

Transferbericht zum Kurs «Wirtschaftsethik»

Illegale Beihilfe der UBS zur


Steuerhinterziehung in den USA im
Rahmen der Subprime -Finanzkrise

Jean-Luc Barras
Klasse Bern A/08

17. Juli 2009

Berner Fachhochschule
Fachbereich Wirtschaft und Verwaltung

Expert: Josef Naef


Zusammenfassung

In 2008 wurde die illegale Praxis der schweizerischen Grossbank UBS in


den USA zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung entdeckt. Gleichzeitig, und
wegen schlechtes Risikomanagement auf dem US-Immobilienmarkt in 2007
und einer zu starken Exponierung im Finanzmarkt, wurde die UBS durch
den schweizerischen Staat massiv unterstützt aufgrund des «Too big to fail»-
Prinzips. Ursachen dieses Falles sind in der Besonderheit und Wichtigkeit
der Finanzplatz Schweiz, in der Subprime -Krise, in der Grösse und in der
Dominanz der UBS in der Schweiz, und letztendlich in der Dominanz der
Marktlogik auf den Finanzmärkten und in den Unternehmensstrategien zu
finden.
In dieser Arbeit wird dieser Fall innerhalb der Integrativen Wirtschaft-
sethik von Peter Ulrich analysiert. Nicht nur die Unternehmensverantwor-
tung der UBS, sondern auch die Verantwortung des Staates Schweiz als
Wirtschaftsakteur, werden analysiert. Es wird gezeigt, dass die allgemeine
Verantwortung dieser Situation trägt nicht nur die Bank, sondern auch der
Staat Schweiz und die Schweizerische Bevölkerung, und dass mit dem Ansatz
der integrativen Wirtschaftsethik diesen Fall verhindert werden könnte.
Inhaltsverzeichnis

1 Der Wirtschatsethisch relevante Fall 4


1.1 Vorstellung des Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1.1 Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA . . . . . 4
1.1.2 Beitrag der Schweiz zur Rettung der Bank . . . . . . . 5
1.1.3 Fokus der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2 Die moralisch relevante Sache and diesem Fall . . . . . . . . . 6
1.2.1 Die Rolle der Finanz für die Schweiz . . . . . . . . . . 6
1.2.2 Das Schweizer Bankkundengeheimnis . . . . . . . . . . 6
1.2.3 Die Finanzierung öffentlicher Güter . . . . . . . . . . 7
1.2.4 Moralische Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3 Über mögliche Ursachen dieses Falles . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.1 Die Subprime -Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.2 Marktbedingungen und Wettbewerbssituation im der
internationalen Finanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.3 Sanierungen der Grossbanken durch öffentlichen Mit-
teln: das «Too big to fail»-Prinzip . . . . . . . . . . . 9
1.3.4 Mögliche Ursachen des Falles . . . . . . . . . . . . . . 9

2 Die wirtschaftsethische Theorie 12


2.1 Ausgewählte wirtschaftsethische Theorie . . . . . . . . . . . . 12
2.2 Vorstellung der wirtschaftsethischen Theorie . . . . . . . . . . 12
2.3 Analyse des Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.1 Unternehmensverantwortung der UBS . . . . . . . . . 14
2.3.2 Realität des Bankkundengeheimnis: die Verantwortung
der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Literaturverzeichnis 18

2
Kapitel 1

Der Wirtschatsethisch
relevante Fall

1.1 Vorstellung des Falles


UBS AG ist eine schweizerische Bank mit Hauptsitz in Zürich, die den
grössten Finanzinstituten weltweit gehört. Sie erbringt Dienstleistungen im
Vermögensverwaltung (Wealth Management), Wertschriftengeschäft, Invest-
mentbanking, und Anlagenverwaltung (Asset Management) in der ganzen
Welt.

1.1.1 Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA


Am 19. Juni 2008, bekannte sich der ehemalige UBS-Banker Bradley Bir-
kenfeld um die Beteiligung an betrügen die IRS durch die Unterstützung
eines UBS Kunden in der Vermeidung von US-Berichterstattung über Ein-
kommen auf Schweizer Bankkonten schuldig. In seiner Erklärung informierte
Birkenfeld über die gewöhnliche Praxis der UBS bei der Unterstützung von
UBS US-Kunden in ihrer Verheimlichung von Vermögenswerten durch off-
shore-Einrichtungen und falschen Einreichung IRS Formulare:

«According Birkenfeld, UBS assisted wealthy United States taxpayers


conceal their assets in off-shore UBS accounts nominally held by en-
tities formed in overseas juridictions, many of were tax havens. UBS
collaborated with United States taxpayers to prepare false and mislea-
ding IRS Forms W-8BEN [...] claiming that the sham entities owned
the accounts, and they failed to prepare and file IRS Forms W-9 that
should have identified the United States taxpayers owned the accounts,
UBS would not submit Forms 1099 reporting income earned on the off-
shore accounts. By concealing the United States taxpayers’ ownership
and control over the assets in the off-shore accounts, UBS assisted these

4
Vorstellung des Falles 5

United States taxpayers evade the reporting and payment of their in-
come tax.»1

Am 30. Juni 2008 bestätigte das US Department of Justice (DoJ), dass es


beim US-Bezirksgericht in Florida einen Antrag gestellt habe, um der Inter-
nal Revenue Service (IRS) Zugriff auf Kundendaten von UBS zu gewähren.
Darin bat das DoJ das Gericht um die Genehmigung, die IRS dazu zu
ermächtigen, gegen die Bank ein so genanntes «John Doe Summons»-Ver-
fahren zu beantragen. Über dieses Verfahren versucht die IRS, Informatio-
nen über allfällige Steuerhinterziehungen durch Personen, deren Identität
unbekannt ist, zu erhalten.
In Dezember 2008 stellte die Eidgenössiche Bankenkommission (EBK)
in einer Verfügung fest, dass

«die UBS AG gegen das Gewährs- und Organisationserfordernis des


Bankengesetzes verstossen hat.»2

1.1.2 Beitrag der Schweiz zur Rettung der Bank


Wegen ihrer Überexposition auf dem Immobilienmarkt in den USA inner-
halb der Subprime-Krise wurde in Herbst 2008 die UBS in der Schweiz durch
öffentlichen Geld aufgrund des sog. «Too big to fail»–Prinzips mit folgenden
Massnahmen massiv unterstützt:3

1. Übertragung illiquider Aktiven der UBS an eine durch die Schweizeri-


sche Nationalbank kontrollierte Zweckgesellschaft für einen maximalen
Betrag von 60 Milliarden US-Dollar.

2. Stärkung der Eigenkapitalbasis der UBS durch die Zeichnung einer


Pflichtwandelanleihe in der Höhe von 6 Milliarden Franken durch den
Bund.

1.1.3 Fokus der Arbeit


In dieser Arbeit handelt es sich, die Verantwortung einer schweizerischen
Grossbank Staaten gegenüber zu analysieren, im Zusammenhang mit dem
Risikomanagement vor der Finanzkrise, der wirtschaftlichen Wichtigkeit der
Finanzplatz für die Schweiz, und der Perspektive der Allokation öffentlicher
Mitteln zur Unterstützung Grossunternehmungen.
1
[IRS 2009], §27
2
[FINMA 2009], S. 2
3
[BR 2008]
Die moralisch relevante Sache and diesem Fall 6

1.2 Die moralisch relevante Sache and diesem Fall


1.2.1 Die Rolle der Finanz für die Schweiz
Als rohstoffarmes Land hat die Schweiz die Wichtigkeit der wirtschaftlichen
Differenzierung sehr früh anerkannt.
Insbesondere wurde – und ist – die Finanzplatz ein Grundpfeiler der
schweizerischen Volkswirtschaft. Günstige Rahmenbedingungen, in denen
wir die politische Stabilität wegen einer Konkordanzdemokratie, und die ge-
setzlich geschützte Vertraulichkeit der Finanztransaktionen finden können,
haben es gefördert, diese Finanzplatz Schweiz zu stärken. In der Schweiz er-
wirtschaftet der Finanzsektor 11,4 % der Wertschöpfung der schweizerischen
Volkswirtschaft und beschäftigt rund 6 % der Arbeitskräfte.4
Die Schweizer Banken spielen international in den Bereichen der Anlage-
beratung und Vermögensverwaltung eine führende Rolle. Die zwei grössten
Schweizer Banken, UBS und Credit Suisse sind beide selbstverständlich
international tätig, insbesondere in den USA (UBS ist der zweite grösste
schweizerische Arbeitgeber in den USA hinter Nestlé, und Credit Suisse der
sechste)5 und tragen zur Prosperität der Schweiz bei.
Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen eines Verfalls einer Grossbank
wären für die Schweiz aber hoch katastrophal: infolge der Blockierung ihrer
Konten und der Unterbrechung ihrer Kreditbeziehungen wären Haushalte
und Unternehmen nicht mehr in der Lage, laufende Ausgaben und Investi-
tionen zu tätigen. Es würde daher auch kurzfristig die Liquiditätsversorgung
gefährden und das Zahlungssystem der Schweiz destabilisieren.6

1.2.2 Das Schweizer Bankkundengeheimnis


Durch die Natur selbst ihres Geschäfts haben Banken Zugriff zur persönlichen
finanziellen und wirtschaftlichen Informationen ihrer Kunden.
Sehr breit bekannt, ist der Schweizer Bankkundengeheimnis eine gesetz-
liche Verpflichtung der Banken, die ökonomische Privatsphäre der Kunden
gegenüber Dritten zu bewahren und sicherzustellen. Den Banken wird vor-
geschrieben, keine kundenbezogenen Bankinformationen preiszugeben. Das
Schweizer Bankkundengeheimnis ist nicht nur eine Tradition, sondern ist
gesetzlich7 (und politisch) verankert.
Diese Schweigepflicht ist aber nicht absolut: im Rahmen z.B. von Stra-
funtersuchungen oder eines Konkursverfahrens sind die Banken verpflichtet,
Informationen an die zuständigen Behörden zu liefern. Aber in Schweizer
Recht ist die Steuerhinterziehung kein gültiger Grund, das Bankkundenge-
heimnis aufzuheben.
4
[EVD 2009]
5
[SECO 2009]
6
[BR 2008], §1.2, S. 8958-8959
7
Art. 13 BV (SR 101) Schutz der Privatsphäre, und Art. 47 BankG (SR 952.0)
Die moralisch relevante Sache and diesem Fall 7

Im Zuge der Globalisierung wird der Wettbewerb zwischen den Finanz-


plätzen deutlich härter. Das Bankkundengeheimnis ist ein interessantes und
wichtiges Element für Investoren (auch natürlich von Ausland) und hat
dazu den Schweizerbanken geholfen, komplexe Finanzmontagen für Ihre
Kunde mit einem Steueroptimierungsziel aufzubauen. Diese Kompetenz ist
natürlich auch für betrügerische Kunden hoch interessant. Um Dieses Risi-
ko zu vermeiden hat die Schweiz gesetzliche Massnahmen genommen, u.a.
das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor mit
verbindlichen Meldepflicht von verdächtigen Transaktionen, und passt ihr
Recht an die Entwicklung der Finanzmärkten regelmässig an.8

1.2.3 Die Finanzierung öffentlicher Güter


Theoretisch gesehen sollte der Markt einen Optimisationsmechanismus ge-
nerieren, um die knappen Ressourcen möglichst effizient zu benutzen, und
die optimale Güter zu produzieren, die nachgefragt werden (die «unsichtba-
re Hand» von Adam Smith). In der Realität funktioniert aber dieses Me-
chanismus nicht vollständig optimal (Marktversagen), zum Beispiel für sog.
öffentliche Güter, d.h. für Güter oder Leistungen, die keine Rivalität im Kon-
sum generieren (z.B. Information, Kultur) und auch keine Ausschliessbarkeit
vom Konsum zeigen (z.B. Bildung in der Schweiz, gemäss unserer Bundes-
verfassung).9
Zur Finanzierung der Produktion dieser Güter und Erbringung dieser
Leistungen sind die Mitglieder einer Gesellschaft (die Bürger) gefördert, fi-
nanziell beizutragen. Dieser Beitrag kann aus dem Äquivalenzprinzip beste-
hen (z.B. Gebühren), oder für die Mehrheit der öffentlichen Güter, aufgrund
des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dieses letzte System integriert de facto ein
Solidaritätsprinzip, wo Bürger mit einer grossen Leistungsfähigkeit mehr
zum allgemeinen Effort bringen, als die weniger leistungsfähige Bürger.

1.2.4 Moralische Sache


Die UBS ist in der Schweiz und auch international (insb. in den USA) ein
anerkanntes Finanzinstitut mit einer «Schweizerischen» Reputation. Diese
Reputation bildet auf einem globalen Finanzmarkt eine sehr wichtige Rolle.
Vertrauen liegt im Zentrum des Bankgeschäftes. Mit ihrer Kenntnissen und
Sachkompetenzen im Bankgeschäft und auf den Finanzmärkten, aber auch
wegen dieses Vertrauenskapital, dürfte die UBS weltweit höchst profitabel
und mächtig werden. Die politische Stabilität der Schweiz, ihre gesetzliche
und wirtschaftliche Bedingungen zu Gunsten einer stärken Finanzplatz ha-
ben es erlaubt, dieses Vertrauenskapital aufzubauen.
Aber mit Macht erhebt man auch Verantwortung.
8
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA. http://www.finma.ch/d/regulierung
9
[HOTZ 2008], S. 86-88
Über mögliche Ursachen dieses Falles 8

Für die Finanzplatz Schweiz, und daher für die ganze Wirtschaft des
Landes, hat die UBS so eine wichtige Rolle übernommen, dass die wirt-
schaftliche Fähigkeit und Stabilität der Schweiz in gleicher Masse und die
wirtschaftlichen Fähigkeit und Stabilität der UBS zusammen hängen.
In diesem Sinne ist die UBS der Schweiz – und anderen Staaten, wo
sie hoch profitabel Geschäft generiert – gegenüber verpflichtet, Werten zu
übernehmen. Insbesondere sollte die UBS die rechtliche Grundlagen respek-
tieren und alles beitragen, sodass ein Staat in der Lage sei, seine öffentliche
Güter und Leistungen zu finanzieren.
In den letzten Jahren hat sich die UBS den Staaten und der Öffentlichkeit
gegenüber arrogant verhalten. Man hat Zeichen, die beweisen, dass die UBS
sich dem Markt gegenüber verantwortlich gezeigt hat, aber zu den Kosten
von staatlichen und öffentlich orientierten Werten. Einerseits Steuerhinter-
ziehung fördern und unterstützen, und andererseits eine finanzielle Staats-
hilfe annehmen, ist ein widersprüchlich und inkohärent.

1.3 Über mögliche Ursachen dieses Falles


1.3.1 Die Subprime -Finanzkrise
Im Frühsommer 2007 begann mit der Immobilienkrise in den USA (auch
Subprime -Finanzkrise genannt) eine wichtige und heftige Krise, die den
Banken- und Finanzsektoren, und mit einem Domino Effekt, die ganze Wirt-
schaft, betroffen hat. Diese Krise ist Folge eines spekulativ aufgeblähten
Wirtschaftswachstums in den USA und einer weltweiten kreditfinanzierten
Massenspekulation. Die Krise betrifft seit Ende des Jahres 2008 auch die
Realwirtschaft.
UBS war in 2007 auf dem US-Immobilienmarkt sehr aktiv. Ihre Exponie-
rung wurde unterschätzt, und hat im 3. Quartal 2008 zur einer verschlech-
terten Liquiditätssituation – und einer Existenzgefahr der Bank selbst –
geführt.

1.3.2 Marktbedingungen und Wettbewerbssituation im der


internationalen Finanz
Alle Banken und Finanzplätze stehen vor der Herausforderung der Globali-
sierung der Finanzmärkte, wo ein aggressiver Wettbewerb die Regel ist.
Diese Situation wird in der Schweiz, wo das Sektor «Private Banking»
zum Kerngeschäft unserer Finanzplatz (insb. auch für ausländische Kunden)
gehört, von Wirtschaftsakteuren gewünscht:

Offene Finanz- und Kapitalmärkte sowie Investitionsfreiheit haben sich


als Motor für Wirtschaftswachstum und Wohlstand erwiesen. Beson-
ders für die Schweiz mit ihrem bedeutenden Finanzplatz ist ein möglichst
Über mögliche Ursachen dieses Falles 9

freier, transparenter Kapitalmarkt von entscheidender Bedeutung.10

Dieser Sektor befindet sich aber im starken Umbruch. Lange haben die poli-
tische Stabilität der Schweiz, die Stabilität des CHF und das Bankkundenge-
heimnis ein natürliches Wettbewerbsvorteil für Schweizer Banken geschaffen.
Mit der Erscheinung «neuer» Finanzplätze und Änderungen der politi-
schen und wirtschaftlichen Spielregeln betreffend der Finanzflüssen, befinden
sich die Schweizer Banken unter hohen Druck.

1.3.3 Sanierungen der Grossbanken durch öffentlichen Mit-


teln: das «Too big to fail»-Prinzip
Das «Too big to fail»-Prinzip11 erklärt sich folgendes: wenn ein Unternehmen
im Konkursgefahr sich befindet, und diese so wichtig für die Volkswirtschaft
eines Landes (oder sogar für mehrere Länder) ist, wird es entschieden, die-
ses Unternehmen (teilweise) mit öffentlichem Geld zu retten. In der Schweiz
wurde dieses Prinzip nur seit 2000 schon zweimal benutzt: in 2001 für Swis-
sair, und in 2008 für UBS.
Die (Subprime -)Finanzkrise hat staatliche Massnahmenpakete zur Sta-
bilisierung des Finanzsystems und zur Rettung einzelner Finanzinstitute in
historischen Grössenordnungen nicht nur in den Schweiz, sondern in prak-
tisch allen wirtschaftlich bedeutenden Industrieländer notwendig gemacht.12
Diese umfangreiche Konjunkturprogramme sollen finanziert werden und alle
wichtige Industrieländer befinden sich vor der Herausforderung, Finanzie-
rungsquellen zu finden.
Die (neue) Aggressivität der Staaten gegen Steuerhinterziehung und Steu-
erbetrug (viele Länder machen hier kein Unterschied!) und Steueramnestie-
programme sind hier nur Beispiele von Massnahmen in diesem Kontext.

1.3.4 Mögliche Ursachen des Falles


Der in dieser Arbeit analysierten Fall erscheint als eine Konsequenz der
Markt- und Profitorientierte Politik der UBS.
Unter Wettbewerbsdruck hat das Management das Risiko genommen, an
der gesetzlichen Grenzen zu arbeiten. Die Krise hat die Rahmenbedingungen
verstärkt und erlaubte es, dieses Verhältnis aufzudecken. Es bleibt aber eine
offene Frage: In wieweit war es in der Risiko Analyse der UBS integriert,
dass wegen ihrer Grösse (auch in den USA), eine Anwendung des «Too big to
fail»-Prinzips eine Verurteilung und deren Konsequenzen vermeiden könnte.
10
Website economiesuisse > Themen > Wettbewerb & Regulatorisches > Finanz-
markt: http://www.economiesuisse.ch/web/de/themen/wettbewerb/finanzmarkt [letz-
ter Zugang: 16. Juli 2009]
11
Dieses Prinzip sollte auf English «Too big to let fail» formuliert werden, sonst würde
es beudeuten können, dass grosse Firmen keine Fehler machen!
12
[BR 2008] § 3.1.2, S. 8971-8972, und Anhang 1, S. 8992-8998.
Über mögliche Ursachen dieses Falles 10

Sogar wenn wir die Überexponierung der UBS innerhalb der Subprime -
Krise, und die resultierende indirekte finanzielle Unterstützung des Schweiz,
mit dem Fall der Beihilfe an Steuerhinterziehung in den USA entkoppeln,
bleibt noch die Tatsache, dass die UBS finanzielle und gesetzliche Risiken
genommen hat, in beiden Situationen verloren hat, und die Konsequenzen
(noch) nicht zu tragen hat.
Kapitel 2

Die wirtschaftsethische
Theorie

2.1 Ausgewählte wirtschaftsethische Theorie


Für die Analyse des Verhältnis von UBS den Staaten gegenüber ist die
Integrative Wirtschaftsethik von Peter Ulrich1 ausgewählt worden. Diese
Theorie wird von Peter Ulrich selbst als

[. . . ] eine Wirtschaftsethik ohne Reflexionsstopp vor irgendwelchem


empirischen oder normativen Bedingungen der Marktwirtschat.2

kurz zusammengefasst.
Im unserem Fall haben wir ganz klar das Geschäftsverhältnis einer Un-
ternehmung, das nur in der Markt ihre Begründung gesucht hat, und das
– wie vorher beschrieben – ungeachtet von Grundwerten einer modernen
Gesellschaft (Respekt der gesetzlichen Regeln, Übernahme der Verantwor-
tung bei einer falschen Schätzung der Risiken in gefährlichen wirtschaftlichen
Konditionen).
Im Zentrum der integrativen Wirtschaftsethik steht die politisch-ökono-
mische Reflexion, und die Analyse der Konsequenzen einer Handlungsart auf
das Leben der Bürger als aktive und mündige Mitglieder einer Gesellschaft.

2.2 Vorstellung der wirtschaftsethischen Theorie


Wirtschaftssubjekte wie Personen, Unternehmungen oder sogar Staaten (aus
der Sicht ihrer wirtschaftlichen Rolle) stehen vor der Herausforderung bei
Knappheit von Ressourcen wirtschaftliche Entscheidungen zu nehmen, und
sie anderen zu legitimieren.
1
[Ulrich 2008]
2
[Ulrich 2008] S. 133.

12
Analyse des Falles 13

In der aktuellen liberalen Gesellschaft ist sehr oft die Marktlogik (i.e.
eine externe Logik) zitiert, um diese Entscheidungen zu erklären. Die in-
tegrative Wirtschaftsethik basiert sich auf das Prinzip der Integration der
politisch-ökonomischen Aspekten in ihrem ethisch-politischen Kontext. In
diesem Sinne bietet die integrative Wirtschaftsethik eine Alternative einer-
seits an eine (an die Wirtschaft) angewandte Ethik (managerial point of
view), und andererseits an eine (ethisch) normative Ökonomik (economic
point of view). Sie bietet in diesem Sinne ein moral point of view.
Peter Ulrich definiert die integrative Wirtschaftsethik im Gegensatz zur
aktuellen Dominanz der Leitgedanken der freien Marktwirtschaft im Sinne,
dass ein vernünftiges Wirtschaftens nicht durch seine Rentabilität (i.e. seine
Übereinstimmung mit der theoretischen Definition eines Marktes) bewertet
werden soll, sondern durch seine Lebensdienlichkeit,3 und prangert ganz klar
die Wirtschaftliche untergeordnete Rolle der Politik an:
«Die Unterscheidung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft ist irgend-
wie verschwommen. Und wir haben eigentlich 20 Jahre lang jetzt eine
gewisse Verkehrung der Verhältnisse erlebt. Wir haben eine flächen-
deckende Ökonomisierung von fast allem erlebt. Ökonomisierung al-
ler Lebensbereiche, Ökonomisierung der Welt, Globalisierung genannt,
und eben auch eine Ökonomisierung der Politik. Das heisst, die Po-
litik wurde mehr und mehr zum Verwalter der Sachzwänge, die das
eigensinnige marktwirtschaftliche System der Politik vorgibt.»4
Die Integrative Wirtschaftsethik ist eine Art politische Ethik, die um die
Etablierung eines zwangloser politisch-ökonomischer Dialog unter mündigen
Bürger geht, und ist als eine Art normativer Unterbau für eine andere, sozial-
ökonomische Rationalität positioniert. Unter mündiger Bürger versteht Pe-
ter Ulrich ein Wirtschaftsakteur, der Wirtschaftsziele fördert, die er als Mit-
glied einer Gesellschaft gutheissen kann.5
Mit diesem Dialog, der auf den verschiedenen Mikro-, Meso- und Makro-
ebenen stattfinden kann und darf, soll einen internen diskutierten Konsens
gefunden werden, um Legitimationskonflikte zu lösen.
Auf der Mesoebene (Unternehmen), soll man einen sog. Stakeholder-
Dialog institutionalisieren.6

2.3 Analyse des Falles


Der im Kapitel 1 beschriebenen Fall hätte mit einem auf der integrativen
Wirtschaftsethik basierten Ansatz sicher verhindert werden können. Folgen-
des wird die Verantwortung der UBS auf zwei Stufen analysiert: die Stufe
3
[Ulrich 2008], § 3.3.3, S. 132-135.
4
[Ulrich 2009]
5
[Ulrich 2007]
6
[Ulrich 2008], § 10.3, S. 473-493.
Analyse des Falles 14

der Geschäftsintegrität (1. Stufe) und die Stufe des Unternehmens innerhalb
seiner Wettbewerbskonditionen (2. Stufe). Dann wird die Verantwortung der
Schweiz und ihrer Bevölkerung etwas kritisch angeschaut.

2.3.1 Unternehmensverantwortung der UBS


Im Zentrum des Falles steht die Verantwortung der UBS. Als wichtige und
mächtige multinationale im Finanzbereich tätige Unternehmung hat die
UBS die Möglichkeit oder das Risiko, die globale Marktbedingungen zu be-
einflussen. Sie ist in der Lage, Spielregel zu definieren und gilt als Referenz
für andere Wirtschaftsakteure.
Folgendes wird diese Verantwortung mit der Sicht der integrativen Wirt-
schaftsethik und im Sinne einer integrativen Unternehmensethik analysiert.

1. Stufe der Verantwortung: Geschäftsethik


Nach Peter Ulrich, enthält diese Stufe die

Suche nach rentablen Wegen sozialökonomisch sinnvollen und legitimen


Wirtschaftens innerhalb der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen
(Geschäftsintegrität).7

Nach diesem Prinzip hätte UBS auf das off-shore Geschäft in «Private Ban-
king» in den USA verzichten sollen, dass es klar war, dass das Geschäfts-
modell sich ausserhalb der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen befand.

Man kann aber ein wenig weiter gehen und die Unternehmungsstrategie
nach diesem Prinzip analysieren. Jede Unternehmung hat eine frei gewählte
unternehmerische Wertschöpfungsaufgabe (i.e. die Mission, die nach Defi-
nition in Unternehmungsstrategie, den Existenzgrund der Unternehmung –
ihre raison d’être – deklariert). Die aktuelle Strategie der UBS8 ist eine
Strategie der freien Marktwirtschaft mit Positionierungsprinzipien (Market
Leadership), und enthält sehr wenige Elemente, wo die Unternehmung Ziele
im Sinne von sozialökonomisch sinnvollen Wirtschaftens deklariert.9
Mit einer integrativen Unternehmungsstrategie hätte UBS in 2007 das Ri-
sikomanagement ihrer Aktiven auf dem US-Immobilienmarkt anders verwal-
tet und durch Stakeholder-Gespräche die Gefahr der Überschuldung priva-
ter US-Hauseigentümer früh genug identifizieren können. Die reine Gewinn-
orientierte Strategie hat progressiv nur zu einer Überexponierung der Bank
geführt, die 2008 in Existenzgefahr sich befunden hat.
7
[Ulrich 2008], § 10.2.4, Schema S. 465
8
UBS Website: Strategische Prioritäten. http://www.ubs.com/1/g/investors/
strategy/strategic_priorities.html [letzter Zugang: 16. Juli 2009]
9
Einige solche Elemente sind aber in den Werten des Unternehmens zu finden.
Analyse des Falles 15

Dieses Beispiel zeigt eine Situation, wo eine reine gewinnorientierte Stra-


tegie, gekoppelt zu einer Eigendynamik der Kreditbranche, zu einer Kata-
strophe geführt hat.

2. Stufe der Verantwortung: Republikanische Unternehmensethik


Nach Peter Ulrich, enthält diese Stufe die

Kritische Hinterfragung gegebener Wettbewerbsbedingungen, die in


unternehmerische Dilemmasituationen führen.10

In beiden Situationen (Falsche Schätzung der Risiken bei Immobilienkredite,


und Beihilfe zur Steuerhinterziehung) hat UBS die Wettbewerbssituation
nicht gekämpft, sondern durch strukturierte Finanzprodukten gefördert.
Als Mitglied der «Global Players» der Finanz, ist UBS in der Lage, den
Markt zu beeinflussen. Ihre Kompetenz, die Marktentwicklung mathema-
tisch zu simulieren, ist zum Beispiel bekannt, und ihre Transaktionen an der
Börse werden von anderen kleineren Akteuren beobachtet und analysiert.
Für die Subprime-Kredite, und die resultierende Finanzkrise, ist es erkannt,
dass die von den Grossbanken generierte Dynamik, die negativen Effekte
beschleunigt hat (Spirale nach unten).
Eine nach den Prinzipien der integrativen Wirtschaftsethik kritische Hin-
terfragung der Marktbedingungen hätte auch in diesem Fall (und auch bei
jedem Abbau einer spekulativen Blase) die Heftigkeit der Krise mindestens
bremsen können.

2.3.2 Realität des Bankkundengeheimnis: die Verantwortung


der Schweiz
Im Zentrum der illegalen Beihilfe der UBS zur Steuerhinterziehung in den
USA steht das Problem des Schweizerischen Bankkundengeheimnis.
Theoretisch gesehen ist das gesetzlich geschütztes Bankkundengeheim-
nis ein sehr wichtiges Instrument zur Schutz der Privatsphäre und ist für
das Bankgeschäft nötig. Wir haben es gesehen, dass der Staat Schweiz die
Schweizer Grossbanken und die Finanzplatz durch gute Rahmenbedingun-
gen aktiv unterstützt hat.
Die Finanzplatz Schweiz hat aber auch zur Prosperität des Landes di-
rekt beigetragen. Die schweizerische Bevölkerung ist davon bewusst und
unterstützt Vorschläge und gesetzliche Änderungen, die im Sinne einer För-
derung der Finanzplatz sind. Das Bankkundengeheimnis gehört zu den Merk-
malen der Schweiz, mit dem die Schweizerinnen und Schweizer verwachsen
sind. Aber Teil davon ist die rechtliche Besonderheit in der Schweiz, ein
Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu machen.
10
[Ulrich 2008], ibid.
Analyse des Falles 16

In der aktuellen Situation ist dieser Unterschied im Ausland nicht mehr


angenommen und die Schweiz steht unter politischen internationalen Druck,
ihr Recht an internationalen «Normen» anzupassen.
Die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz befinden sich in einer indi-
rekten Situation eines Legitimationskonflikts. Bei der demokratischen De-
finition wirtschaftlicher Rahmenbedingungen erlauben wir oder verbieten
wir Geschäftsmöglichkeiten für Schweizer Banken im Ausland. Politisch und
nach internationalem Recht geht man davon aus, dass ein demokratischer
Entscheid nicht diskutabel ist, aufgrund der Freiheit der Völker, ihre Um-
gebung selbst zu definieren.
In diesem Dialog werden nicht nur moralische und ethische Elemente
integriert werden (was der Fall sein könnte für eine kleine Unternehmung, die
kein Einfluss auf der Makroebene haben kann), sondern wegen der führenden
und wichtigen Rolle der UBS für die Wirtschaft Schweiz auch existentielle
Elemente. Wegen dieser Element hat in Dezember 2008 dieses Dialog leider
gar nicht stattgefunden.
Der Dialog auf der Ebene der Staaten zur Definition von internationalen
Normen scheint innerhalb internationalen Organisationen demokratisch und
transparent zu sein, ist aber wegen der Konkurrenz zwischen der verschie-
denen Finanzplätzen, weit vom idealen Dialog der integrativen Wirtschaft-
sethik.
Literaturverzeichnis

[BR 2008] Schweizerischer Bundesrat: Botschaft zu einem Massnahmenpa-


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[EVD 2009] Eidgenössisches Finanzdepartement (2009): Kennzahlen zum


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[HOTZ 2008] Hotz-Hart, B., Schumki, D., Dümmler, P. (2008): Volkswirt-


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[letzter Zugang: 14. Juli 2009]

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[Ulrich 2008] Ulrich, P. (2008): Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen ei-


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[Ulrich 2009] Ulrich, P. und de Weck, R. (2009): Moralspritze für die Wirt-
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Literaturverzeichnis 19

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Videoarchiv (in 6 Teilen, 1. Teil: http://www.youtube.com/watch?v=
vzrpUPXbyvQ. [letzter Zugang: 14. Juli 2009]
Eine Transkription des Gesprächs ist unter dem Titel «Zuerst kommt die
Ethik, dann die Politik und dann erst die Ökonomie – Eine wirtschaftse-
thische Perspektive für das 21. Jahrhundert» abgedruckt in: Zeit-Fragen.
Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung, 17.
Jg., Nr. 25, 22. Juni 2009, S. 1-2 imd 7-8 http://www.zeit-fragen.ch/
ausgaben/2009/nr25-vom-2262009/ [letzter Zugang: 14. Juli 2009]

[SECO 2009] Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (2008): Länder-


informationen. Vereinigte Staaten von Amerika (USA). http://www.
seco.admin.ch/themen/00513/00561/00566/ [letzter Zugang: 14. Ju-
li 2009]

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