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INT ERNATIONAL COUNCIL ON MONUMENTS A ND S T TE S
CONSEIL INTERNATTONAL DES MONUMENTS ET DES SITES
CONS EJO INTERNACIONAL DE MONUMENTOS Y S I TIOS
ME>KllYHAPO.llHhIA COBET no BOTIPOCAM ITAMJITHHKOB H .llOCTOITPHMElfATEJJbHbIX MECT
BILDERSTURM
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OSTEUROPA
DIE DENKMALER DER KOMMUNISTISCHEN ARA IM UMBRUCH
ICOIVlOti
DEUTSCHES NATIONALKOMI f t.t
Gcschottsstelle
Bayer. Londesarııt für Denkmolpflegr
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ICOMOS C A HIE R S DU COMITE NATIONAL ALL EM AND XIII
ICOMOS JOURNALS OF THE GERMAN NATIONAL COMMITTEE XIII
ICOMOS HEPTE DES DEUTSCHEN N ATION ALKOMITEES XIII
ICOMOS, Hefte des Deutschen Nationalkomitees
Herausgegeben vom Naıionalkomitee der Bundesrepublik Deutschland
Prasident Prof. Dr. Michael Petzet
Yizeprasident Dr. Kai R. Mathieu
Generalsekretar Dr. Wemer von Trützscbler
Geschaftsstelle: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4. D-80539 München
TSBN 3-87490-611-6
INHALT
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VORWORT
Gemeinsam mit dem lnstitut fılr Auslandsbeziehungen und der Tbe conference in Berlin, at which preservationists and hisıo
Senatsverwaltung Bertin veranstaltete das Deutsche National rians took positions on these issues, included several conlribu
komitee von ICOMOS in der Botschaft der Russischen Föde tions and reports from the former eası block counlries. A phoıo
ration in Beriin vom 18. bis 20. Febnıar 1993 eine intemationale exhibition in the embassy foyer and an excursion to monuments
Tagung mit dem Titel ,Bildersturm in Osteuropa - Die Denk froın the era of the fonner Genııan Democratic Republic ac
maler der kommunistischen Ara im Umbrucb<. Es ging um companied the conference. The photo exhibition, 'Preserving -
die Frage, ob diese Denkmaler als ausschlie8lich politische Destroying - Changing / Political Monuments of the GDR in
Denkmiiler einer nur politischen Wertung zu unterziehen sind, East Berlin' was organized by Eberhard Elfert and Martin
oder ob sie als Teil einer geschicbllicben Epoche Anspruch Schönfeld. Tbe conference plan was developed ıogetber with
auf Denkmalschutz und Denk.malpflege haben. Nachdem schon Prof. Dr. Helmut Engel, a member of the Gennan National
in den ersten Tagen der Befreiung von kommunistischer Committee of JCOMOS, and Erika Richter of the instituıe for
Zwangsherrschaft viele Monumente aus verstandlichen Grün Foreign Relations. My thanks also go to Prof. Klaus Daweke,
den der spontanen Empönıng der Bevötkerung zum Opfer General Secretary of the lnstitute for Foreign Relations, for the
gefallen sind, wird ihre Beseitigung inzwischen auf Verwal effective collaboration. As a follow-up to the conference, which
tungsebene verordnet (Beispiel das demontierte Lenin-Denkmal met with a broad public response, a syınposium on StalinisL ar
in Berlin-Friedrichshain). Wird hier Geschichte verdrangt und chitecture is planned for 1995. again in Berlin.
damit auch »Vergangenbeitsbewaltigung« verhindert, oder
ist die weitere Demontage von Statuen, Hoheitszeicben, Mau
soleen u. a. ein notwendiger Akt der Befreiung? Gebı es um AVANT-PROPOS
die Rettung von Kunstwerken oder um die Beseitigung von
Politk:itsch? Du 18 au 20 fevrier 1993, le Comite National Allemand de
Die Veranstaltung in Berlin, bei der Denkmalpfleger uııd Hi l'lCOMOS a organ.ise, en coJJaboration avec l'lnstitut des
storiker zu diesen Frageo StelJung nabmen. darunter eine Reihe Relations Exterieures et I'Administration du Senat de Bedin, a
von Beitragen und Berichten aus den ehemaligen Ostblockstaa l'ambassade de la Pederation Russe de Bertin, un colloque
ten, war von einer Potoausstellung im Foyer der Botschaft uod intemational consacre a I' dconoclasme en Europe de l'Est - les
einer Exkursion zu den Denkmiilem aus der Zeit der früheren monumenıs de J'ere communiste face au renversemenL poli
DDR begleitet. Die Fotoausstellung >Erhahen -Zerstören -Ver tique>. Le probleme a debattre etait celui-ci: doit-on soumeıtre
iindern/Politische Denkmliler der DDR in Ostberlin< wurde von les monuments en question, vu leur caractere eminemment poli
Eberhard Elfert und Martin Schönfeld organisiert. Das Konzept tique, a une evaluatioo pureınent politique, ou doit-on au con
der Tagung wurde gemeinsam mit dem Kollegen Prof. Dr. Hel traire leur conceder le droit, en tant que temoins d'une epoche,
mut Engel, Mitglied des Deutschen Nationalkomitees von ICO a une protection et a une conservation monumentale? Dans les
MOS, und Frau Erika Richter vom lnstitul für Auslandsbezie debuts du mouvement de liberation du joug communiste une
hungen entwickelt. Zu danken habe ich fılr die gute Zusammen bonne partie de ces monuments a succombe, pour des raisons
arbeit auch Herm Prof. Klaus Daweke, dem Generalsekretar des bien comprehensibles, au soulevement spontane de la popula
Instituts für Auslandsbeziehungen. ln Nachfolge der Tagung, tion; a l'heure actuelle en revanche leur suppression est or
die ein breites Echo in der Öffeotlichkeit hatte, ist 1995, wieder donnee par decret officiel (le monument de Lenine demonte a
in Bertin, ein Symposium über stalinistische Architektur ge Berlin-Friedrichshain, par exemple). Le demoııtage de ces
plant. statues, ces symboles, ces mausolees ete. est-il done l'expres
sioo d'urı refoulement psychique, destine a empecher tout tra
FOREWORD vail mental d'assirnilalion du passe immediat, ou reprcsente+il
plutôt un acte de liberation? S'agit-il de sauver des ccuvres d'art,
Together witb the lnstitute for Foreign Relations and the Bertin ou efe se debarasser de pompierismes politiques?
Senate Administration the German National Comminee of !CO Cette reunion de Berlin a permis a des conservaıeurs el a des
MOS organized an intemational conference under the title ·1co historiens de se prononcer sur ces questions, un bon nombre des
noclasm in Eastem Europe -The Monumenıs of the Communist comtes-rendus el des rapports presenıes provenant des pays de
Era in Upheaval', held in the embassy of the Russian Federati l'Europe de l'Est. Parallelement, une exposition photographique
on in Berlin on February 18-20, 1993. The central issue was a eu lieu dans le foyer de ı · ambassade et des excursions condui
whether these monuments are to be subjected to political ap sant aux monuments de l'ancienne RDA ont ete organisees.
praisal only as exclusively political monumenıs. or whether they C'est a Eberhard El fert et Martin Schönfeld qu'etaü d0e l'expo
have a claim to monument protection and care as part of a bi sitioo phoıographique, placee sous le Litre de <conserver- detnıi
sıorical epoch. After many monuments understandably fell vic re- transformer / monuments poliliques de la RDA a Berlin-Est>.
tim to the sponıaneous outrage of the people already during the Le projeı du colloque a ete forme en collaboration avec le Prof.
first days of liberation from the communist ıyranny. by now Dr. Helmuı Engel. membre du Comite National Allemand de
their removal is decreed on an adminstrative level (the demoun l'lCOMOS et Madame Erika Richter de l'lnstitut des Relmions
ted Lenin Monument in Berlin-Friedrichsba.in, for example). ls Exıerieures. Je remercie le Prof. Klaus Dawcke, Secretaire
history being repressed here, ıhus preventing efforts ıo come ıo General de l' lnstituı des Relations Exterieures. de son concours
terms with the pası. or is the further dismantling of statues, na precieux. Faisant suite a ce colloque, qui a trouve une large au
tional emblems, mausoleurns. ete. a necessary act of liberation? dience aupres du public, un symposium sur ı·architeclure stali
Is it a question of saving works of art or of removing political nienne esı projete pour 1995. a Berlin egalement.
kitsch? Michael Petzet
5
GRUSSWORT VON WLADIMIR M. POLENOW
- BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION -
M eine Damen und Herren, ich darf Sie zur aktuellen Ta
gung des Deutschen Nationalkomitees von lCOMOS
sein, sicb an die Worte von Hegel zu erinnem: »Die Menschen
meinen oft, sie seien fertig, wenn sie das mit Recbt Tadelhafte
und des Instituts für Auslandsbeziebungen zum Thema »Bilder aufgefunden baben; sie haben freilich recht. aber sie haben auch
sturm in Osteuropa« hier, in den historischen Riiumlichkeiten unrecht., daB sie das Affırmative an der Sache verkennen«.
der Berliner Au8enstelle der Botschaft der Russischen Föderati Die heutige Tagung soll. meine ich, helfen, manche Denk
on, selır herz1icb wiUkommen heiJ3en. Der Leiter der Au8enstel schablone und imaginiire Fehlkonstruktionen zu überwinden
le, Herr Botschafter V. A. Koptelzew, der beute morgen einen und Gescbiclıtsbewu.Blsein, vor allem bei Bildungs- und Ent
Termin in Mecklenburg-Vorpommem wahrnehmen mu8, lii8t scheidungstriigern, schiirfen zu lassen.
die Tagungsteilnehmer ebenso herzlich grüBen und wünscht der
Veranstalrung einen harrnonischen Yerlauf. Wir hoffen, da8 die Meine Damen und Herren,
se pracbtige Kulisse alicin schon zum Gelingen Ihres Yorbabens Ru81and wagt den Aufbruch zu neuen Ufem. Es isi politisch,
in nicht unwesenilichem MaBe beitragen kann und freuen uns, wirıschaftlich, sozial und psychologisch ein schwieriger, für
daB Sie unser Haus als Tagungsort gewahlt habeıı. manche ja schmerzhafter Prozess. Die Würfel sind aber schon
Sie werden hier bei der naheren Betrachtung der wohl sehr gefallen. Wir haben uns für die uns aile verbindenden Werte der
einpragsarnen architektoruschen Gestaltung unserer Reprasen Freiheit, der Demokratie, der Marktwirtschaft entschieden. Wır
tationsriiumlichkeiten manche Zeugnisse der nun endgültig ver arbeiten heute gemeinsam mit der übrigen ziviJisierten Welt für
gangenen Epoche ausfındig machen. Das ist ein Bestandteil der eine menschenwürdige und umweltgerechte Zukunft. Wir be
Geschichte dieses Hauses. das ist ein Bestandteil unserer Histo schaftigen uns auch intensiv mit der Vergangenheit, um unter
rie wie auch Ihrer deutschen Nachkriegsentwicklung. anderem auf Nummer sicher gehen zu können. daB sie uns nie
Es wiire ebenso töricbt wie unproduktiv, die eigene Geschicb wieder einholt.
te leugnen oder völlig verdrangen zu woUen. Mit dem Gedan Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte tut fıir alle not, ob
ken, sie gar umschreiben zu lassen, können sich in unserer Zeit in Ost oder Wesı. Um nicht die Noten für vollbrachte oder un
nur noch Wirrköpfe anfreunden. Wir waren aUe das, was wir terlassene Leistungen nı verteilen, sondern daraus zu !emen und
waren, und wir alJe sind das, was wir sind. Und von uns selbst gemeinsam die Strategie der WeiterentwickJung der einst ent
biingt es ab, was wir sein werden. zweiten Staaten und V ölker erarbeiten ı.u können. Die Arbeit
Demnach kame ein Sturmlauf gegen Bilder und Denkmiiler derjenigen, die diese Aufgabe zu bewiiltigen verhelfen, verdient
aus der jüngsten Vergangenheit aus meiner Sicht dem Versuch Respekt und Anerkennung.
gleich, den Spiegel wegen des eigenen, nun nicht mehr liebsam ln diesem Sinne wünsche ich Lhnen, meine Damen und Her
gewordenen Spiegelbilds zerstören zu wollen. ren, produktive, aufschluB- und erkenntnisreiche Tagungstage
Natürlicb möchte ich damıt nicht der noch anstebenden Dis und möchte, dal3 Sie sich bei uns im Rahmen der Veranstaltung
kussion vorgreifen. zugleich aber scheint es mir angebracht zu wohl fühlen.
7
Michael Petxet
<l Sta/İn-Staıue wİrd İTi das Mııseıım ,Opfer des Sta/İrıismııs, İrı Wi/ııa abıraıısportİerı, 1988
9
werden auch die in einer gleichsam natürlicben Reaktion gegen deshalb muBten >)gewollte Denkmale ... in einer Zeit, da es noch
ctie unmittelbar vorangehende Zeit verpönten Zeugnisse be kein Verstiindnis für ungewollte gegeben hat, rettungslos der
stiınmter Epochen in den Augen der Öffentlichkeit allmablich Auflösung und Zerstörung verfallen, sobald diejenigen, für die
»denkmalwürdig«, was u. a. dazu geführt hat, daB nacb und nach sie bestimmt waren und die ein stets gegenwartiges Interesse an
auf Tagungen die Zeugnisse der zwanziger, dreiBiger und vier ibrer Erbaltung hatten, in Wegfall gekommen waren.«6
ziger sowie der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts aufgear Wenn ınan nun aber in unserem Fail davon ausgeht, daB der
beitet wurden. ursprünglich intendierte Anspruch der gewollten Denkmaler der
Unsere Berliner Tagung kann dagegen nicht für sich bean kommunistischen Ara nicht mebr besteben kann und darf, daB
spnıcben, das ganze groBe Thema >Architektur und Stadtebau diese Ara zu Ende ist, dann müBten nach Riegls Terminologie
der kornmunistischen Ara< abzubandeln. Dies bleibt Folgever die gewollten Denkmaler - um Anspruch auf Erhaltung zu ha
anstaltungen vorbehalten, für ctie es wohJ wieder kaum einen ben - als ungewollte Denkmaler verstanden werden, die eine
passenderen Ort als ctieBotschaft der Russischen Konföderation ganz andereBotscbaft als die von ihren Urhebern beabsichtigte
geben dürfte. Unsere Tagung beschriinkt sich weitgehend auf vermitteln. Und dabei geht es wieder wie bei den ungewollten
bewuBte Denkmalsetzungen, die natürlich jeweils in einem ar Denkınalem um Auseinandersetzung der Gegenwart mit Ge
chitektonischen und stiidtebaulichen Kontext zu sehen sind - schichtszeugnissen, immer unter der Voraussetzung, daB die
denken wir an die Beriiner Stalinallee, wo der 195 l aus der So Auseinandersetzung mit den Zeugnissen der Vergangenheit,
wjetunion importierte Stalin bereits zebn Jabre spiiter in einer aucb wenn es Zeugnisse einer Zwangsherrschaft, einer Diktatur
niichtlichen Aktion der Nationalen Volksannee demontiert wur sinci, helfen kann, diese Vergangenheit zu bewaltigen.
de. Derart bewuBl als Zeugnis der Erinnerung, eben als >Denk Dieser notwendige EntwicklungsprozeB vorn »gewollten«
miiler< geschaffene Denkmaler, etwa der Obelisk eines iigypti zum »ungewollten« Denkrnal vollzieht sich natürlich leichter in
schen Herrschers oder der Triumpbbogen eines römischen Kai gröBerem zeitlichen Abstand, wenn die historische Bedeutung
sers, aber waren zu allen Zeiten in besonderem MaB auf » Wür in ihrer ganzenBandbreite bis hin zur kunsthistorischenBedeu
de« bedacht, wie sie u. a. in der hocbaufgerichteten Form, der tung faBbar wird. Denkmaler sind »Gegenstii.nde aus vergange
»Erhabenheit« des Denkmals, zum Ausdruck kommen kano; die ner Zeit« heiBt es deshalb mit guten Gründen im Bayerischen
Botschaft, deren man sich zu erinnern hatte, wurde zusiitzlich Denkmalschutzgesetz, worunter rnan den Abstand nacb etwa ei
durch Inschriften erliiutert, und es bestand ein Anspruch auf ner Generation zu verstehen biitte, die jüngsten Zeugnisse der
Vermittlung ctieserBotschaft auf Dauer-ein Ewigkeitsansprucb kommunistischen Ara aus den siebziger und achtziger Jabren al
des Monuments, der durch die Festigkeit und Widerstandsfa.hig so eigentlich nocb gar nicht als >Denkmaler< im Sinn des Geset
keit des Materials, Stein oder Bronze, gewalırleistet werden zes definieren könnte. Doch auch wenn wir hier fast noch mit
soUte. ln dieser Tradition stehen auch noch die politischen ten im groBen UrnwalzungsprozeB nach dem Ende einer Epocbe
Denkmiiler, die dem Personenkult der komrnunistischen Heroen stehen, kann und darf dies die Denkmalptleger, vor ailem die
und der dauemden und allgegenwartigen Verkündung kommu Denkmalpfleger der betroffenen Liinder, eigentlich nicht hin
nistischer ldeologie dienen sollten, Denkrniiler, die verbunden dem, Stellung zu beziehen.
mit entsprechenden Zeremonien die grö8te Aufrnerksamkeit Oberster Grundsatz der Denkmalpflege ware auch hier das
schon bei ibrer Grundsteinlegung bzw. ibrer Einweihung erreg Konservieren, das Bewabren der Denkrnaler und zwar nicht nur
ten, und deren Sturz, gerade weil hier symbolisch der diktatori das Konservieren von historischer Substanz, sondem auch von
sche Ansprucb einer Person oder einer ganzen Epoche »fiilli«, historischer Gestalt tınd der mit ihr verbundenen »geistigenBot
wieder zum spektakularen Ereignis werden kann, unter Um schaft der Vergangenheit«, von der in der Praambel der Charta
stiinden sogar bewuBt als Medienspektakel inszeniert wird. von Veoedig die Rede ist, dem wicbtigsten intemationalen
Alois Riegl, einer der Gründerviiter der Denkmalpflege des Grundsatzpapier der Denkmalpflege. Eine solcbe Botscbaft der
20. Jahrhunderts, hat in seiner Analyse des »rnodemen Denk Vergangenheit kann gerade im Bereich der gewollten Denk
malkultus«• zwischen »gewollten« und »ungewollten« Denk rnaler aber nicht nur die Inschrift, sondern auch die getilgte Jn
ınalern unterschieden, wobei die gewollten Denkmaler früherer scbrift übermitteln, also die Spuren einer bewuBten »darnnatio
Jahrhunderte so lange eine Chance hatten, als noch bei einzel memoriae«, nicht nur die Herrscherstatue auf ihrem Sockel,
nen Familienmitgliedem oder Bevölkerungsgruppen ein gewis sondern auch der leere Sockel, denken wir an den leeren Sockel
ses Interesse an ibrer bereits für die Entstehung des Denkmals von Girardons Reiterstatue Ludwigs XIV. auf der Place Ven
verbindlichen Botschaft bestand. Dem neuen aUgemeinen Ge dôme (nur der linke FuB des Königs konnte sich vor dem Ein
schichtsbewuBtsein entsprechend, wandte sich dann die Denk schmelzen ins Museurn retten). Bezeicbnend ist auch die dana
malptlege des 19. Jabrhunderts Schritt für Schritt von den folgende, die Geschichte Frankreichs widerspiegelnde Ge
Denkrnalem der »vaterlandischen Geschichte« den historischen schicbte der Monumente auf diesem Platz bis zur Wiedererrich
Denkmalem aller Art zu, bis schlieBlich die heute ja im Verhalt tung der 1871 umgestürzten Saule oder auch die Geschichte der
nis zu den gewollten weitaus überwiegende Masse der unge Monıumente auf der Place de la Concorde, wo Ludwig XVI.
wollten Denkmaler Ansprucb aufBewahrung anrnelden konnte. bald nach derBeseitigung des Standbilds seines Vorgangers hin
Diese ungewollten Denkmaler aber erhalten ihren Erinnerungs gerichtet wird - Geschichte zweier berühmter Pariser Platze, die
wert durch unsere eigene lnterpretation in der Gegenwart, auch irnrner wieder umbenannt wurden, Geschichte, wie sie sich
wii.hrend uns der Erinnerungswert des gewollten Denkmals heute auf rnanchen bekannten Platzen in Osteuropa zu wieder
»von anderen (den einstigen Urhebern) oktroyiert« wird: >)Der holen scbeint, wo nun plötzlich der leere Sockel als ein deutlich
gewollte Erinnerungswert«, heiBt es bei Riegl, >)bat überhaupt »sprechendes«, vielleicbt sogar mit neuen Beschriftungen sich
den von Anbeginn, das heiBt von der Errichtung des Denkmals selbst interpretierendes Denkmal erscheint.
gesetzıen Zweck, einen Moment gewissermaBen niemals zur Mu8 rnan aber nun angesichts leerer Sockel auf den inzwi
Vergangenheit werden zu lassen, im BewuBtsein der Nachle schen umbenannten Platzen vieler osteuropaischer Stadte gleich
benden stets gegenwiirtig und lebendig zu erbalten«j. Und eben von »Bildersturm in Osteuropa« reden, also von Il<onoklasmus
10
im Sinn des Bilderstreits in der byzantioischen K.irche des 8. und Soweit Lenin, von dem schlieBlich nicht weniger als l24 öf
9. Jahrhunderts, der 726 n. Chr. mit einer kaiserlichen Verord fentliche Denkmaler allein im früheren Leningrad standen, die
nung gegen den üblich gewordenen christlichen »Bilderdienst« natürEch nicht vom allgemeinen »Uınbruch« verschont blieben,
begann? Soll man Vergleiche ziehen zu den für zahllose kirchli trotz eines strengen Erlasses von Prasidenı Gorbatschow vom
che Kunstwerke ebenso verhangnisvollen Bilderstürmen in Zu 13. Oktober 1990 mit entsprecbenden MaBnahmen zur »Unter
saınmenhang mit reformatorischen Bestrebungen des L6. Jahr bindung einer Schandung von Denkmalern, die mil der Ge
hunderts? schichte des Staaıes und seinen Symbolen verbunden sind «. Ab
Auch der in der französiscben Revolution 1793 mit einer Ver gesehen davon, daB heute auch angesichts der schwierigen wirt
ordnung zur Beseitigung der Attribute des Königtums an alJen schaftlichen Situation weniger Enthusiasmus fıir die Errichtung
öffentlichen Bauten begonnene und nach der Aufüebung des ka neuer Denkmaler bestehen dürfte, lieBe sich Lenins Dekret im
tholischen Kults mit der systematischen Devastierung der zur Ubrigen wohl in einer Reihe von Punkten mit heutigen admini
Plünderung freigegebenen Kathedralen endende Bildersturm ist strativen Weisungen in den früheren Ostblockstaaıen verglei-
natürlich schon in seinen grauenvollen Konsequenzen für das
europaische Kulturerbe mit den derzeitigen Vorgangen bei der
Beseitigung von Relikten der kommunistischen Herrschaft auch
nicht annahemd vergleichbar. Trotzdem wird man einen auf re
ligiöser Ebene liegenden Hintergrund mit sehr unterschiedli
chen Voraussetzungen hinter ailen ikonoklastischen Aus
brüchen, also auch in Zusammenhang mit unserem Thema, fest
stellen können: Natürlich waren nicht nur die Mausoleen mit
den einbalsamierten roıen Heroen als Kultstatten gedacht, son
dem auch die sonstigen Monumente der konımunistischen Ara
hatten - wie einst die Reiligenbilder - ihren eigenen, zu be
stimmten Anlassen zelebrierten »Bilderdienst«, waren die neu
en Il<onen der kommunistischen WeltreEgion.
Dem Bildersturz unserer Tage na.hem wir uns bereitS mit dem
bekaıınten Dekret Lenins vom 12. April 1918 »über die Denk
maler der Republik«, weil damit nicht nur der Sturz der zaristi
schen Denkrnaler, sondem auch die Errichtung neuer Denkmaler
verordnet wurde, die derzeit ihrerseitS »im Umbruch« stehen:
»In Würdigung der groBen Umwalzung, die RuBland mitge !::, Eimııeihııııg ıınd Zersrörııııg 'il eines Zareııdenkmals
stalteı hat, beschlieBt der Rat der Yolkskomissare:
1. Die Denkmaler, die zu Ehren der Zaren und ihrer Diener er
richtet wurden und weder historischen noch kiinstlerischen
Wert besitzen, sind von Platzen und StraBen zu entfemen und
teils in Lagem aufzubewahren, teils als Altrnaterial zu ver
werten.
2. Eine Sonderkommission, bestehend aus den Volkskommis
sionen für Volksbildung und fıir Sıaatseigentum, sowie dem
Leiter der Abteilung für bildende Kunst beim Volkskommis
sariat für Volksbildung wird auferlegt, im Einverstandnis mit
dem Kunstkollegium Moskaus und Petrograds festzustellen,
welche Denk:maler zu entfemen sind.
3. Dieselbe Kommission wird verptlichıet, die Kunsıschaffen
den zu mobilisieren und einen breiten Wettbewerb zur Bear
beitung von Denkmalsentwürfen zu organisiererı, um die
groBen Tage der Russischen Sozialisıischen Revolution zu eh- • •
�
ren.
4. Der Raı der Volkskornmission drückt den Wunsch aus, daB
zur Maifeier die scheuBlichsten Götzen entfemt werden und eben, wieder mit der Bildung von Kommissionen, die sich Ge
die ersten Modelle neuer Denkmaler zur Beurteilung durch danken über den historischen und künstlerischen Wert machen
die Massen aufgestellt werden. sollen. wieder mit Überlegungen zur Frage der Finanzierung.
5. Dieselbe Komrnission wird beauftragt, schnellstens die Aus wobei sich Lenin wohl kaum hatte ıraumen lassen. daf3 einmal
schmückung der Stadı zur Maifeier vorzubereiten und die al die Enrfemung einer einzigen Leninstatue in Berlin
ten lnschriften, Embleme, StraBennamen. Wappen u. a. m. 500.000 DM kosıen würde. Doch wahrend es alleiıı auf dem
durch solche zu ersetzen. die die Jdeen und GefühJe des revo Territorium der Russischen Föderatiorı rıach einem Bericht der
lutionaren werktatigen RuBlands widerspiegeln sollen. Moskauer Gewerkschaftszeitung Trud im Soınmer vergangenen
6. Die Deputiertensowjets der Gebieıe und Gouvemements tref Jahres noch iınmer rund 850 000 Lenin-Denkmaler gegeberı ha
fen entsprechende MaBnahmen nur im Einverstandnis mit der ben solJ, die auf Entscheidungen der lokalen Administration
erwahnten Koınınission. wartNen, scheinen die Probleme in anderen Landem wie Polen
7.Nacb Einrichtung und KJarung ihrer praktischen Notwendig langst im Sinn eines Neubeginns entschieden, bei dem für die
keit sind die notwendigen Summen zu bewilligen.«' Relikte der kommunistischen Ara kein Platz bleibt.
11
Erlauben Sie mir noch einen kurzen Blick auf die uns als Doch trotz der Chancen und Mögiichkeiten im Rahmen einer
Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS besonders interessie auch die Neuinterpretation und kommentierte Prasentation von
rende Situation in Berlin und den neueo Bundeslii.ndem, wo es Reli.k:teo der komrnunistischen Ara erleichternden allgemeinen
verschiedeoe, bei unserer Tagung sicher noch zu Wort kom »Museajjsierung« wird die Denkmalpflege, die das Museum
mende Initiativen gegeben hat, sich mit dem historischen Erbe nur als eine in bestimmten Ffillen unumgangliche letzte Zu
der früheren DDR zu beschaftigen. Mein Dank gilt in diesem fluchtsstatte für Denkmaler betrachtet, auch hier zunachst ein
Zusaınmenhang Eberhard Elfert und Martin Schönfeld, die eine mal an ihrem Grundsatz der Erhaltung in situ festhalten müssen.
1990 konzipierte AussteUung- >Erhalten, zerstören, verii.ndem? Denn jedes Monument verliert mit der Entfemung vom Ort, för
Denkrnaler der DDR in Ost-Berlin< (Neue Gesellschaft für den es geschaffen wurde, ja ganz entscheidende Qualitliten.
Bildende Kunst, Berlin 1990)- für die Tagung noch einmal auf Doch ein blo8es Konservieren, ja womöglich eine die Spuren
gebaut haben. Entscheidungen stehen in den neuen Bundes der Revolution beseitigende Restaurieruog eines an Ort und
landem hier wohl nur noch für Denkmaler im eigentlichen Sina Stelle belassenen Monumenıs setzt gerade angesichts des gerin
an. Denn denkmalpflegeriscb unproblematische Umbeneonun gen Abstands von den Ereigoissen der vergangenen Jahre je
gen von Stra13en uod Orten sind eine selbstverstii.ndliche Folge weils eine intensive geistige Auseinandersetzung und Neuinıer
der Wende, und die Hoheitszeichen der ehemaligen DDR pretation des als Geschichtszeugnis verstandenen Denkmals
wurden aufgrund eines Volkskammerbeschlusses vom 1. Juni voraus, also wieder in der Diktion Riegls die Wandlung vom
1990 innerhalb weniger Tage ebenso entfernt wie zahlreiche Ge »gewollten« zum »ungewollteo« Denkmal, das zum Mahnmal
denktafeln. werden karın.
Die Denkmaler sind in der am Rand uoserer Tagung gezeig Bekannt als eine besondere Art des Umgangs mit den Denk
ten Ausstellung nach folgenden inhalUichen Schwerpunkten ge miilem der kommuoistiscben Ara ist der Versucb, ihnen durch
ordnet: »Ideentrager des Sozialismus«, »Statten der revo Umgestaltung einen neuen Sinn zu geben, also kreative Verii.n
lutionaren und demokratischen Bewegungen in Deucschland bis derung, zum Beispiel wenn das Berliner Betriebskampfgrup
1933« sowie »Statten der Verfolgung, Vernichtung und des pendenkmal als Ergebnis eines Beschlusses des Bezirksamts
antifaschistischen Widerstandes 1933-45«, dann unterschied Prenzlauer Berg durch zwei Brucbstücke der Berliner Mauer er
jjche Denkmiiler zur Geschichte der DDR mit Hinweisen auf ganzt wurde oder im Rahmen einer Kunstaktion mit einer
bestimrnıe pofüische Ereignisse und im Sinn gesellschaftlicher schnelJ wachsenden Rebe den Blicken zeitweilig entzogeo wer
Leitbilder wirkende Denkmaler, schjje8jjch als besonderes den sollte. Beispiel einer mit künstlerischen Mitteln erzielten
Kapitel »Denkmaler für im Dienst ums Leben gekommene Verfremdung war auch der berühnıt gewordene rosa angestri
Grenzsoldaten<ı. Bereits solche inhaliliche Kriterien aber legen chene Sowjetpanzer in Prag. Eio gelegentlich phantasievoller,
verschiedene Wege des Umgangs mit den Denkmalem nahe: auch satirischer Umgang mit den Denkmalem der kommunisti
Denn wahrend Gedenkstatten, die Opfer des faschistischen schen Ara. deren ideologische Funktion auf solche Weise ge
Terrors ehren, dem wiedervereinigten demokratischen Staat gut wissernıa8en demontiert wird, ohne das Denkmal selbst zu ent
anstehen - auch wenn der mit manchen Denkmii.lern demon femen und die Geschichte des Ortes ganz zu tilgen, ist, zumin
strierte »Antifaschismus« der DDR auf einen Legitimations dest aus denkmalpflegerischer Sicht, radikaleren künstlerischen
versuch für das DDR-Regime hinauslief8-, wird man es viel Eingriffen vorzuziehen, etwa dem Vorschlag, ein Denkmal zu
leicht ganz einfach aus moralischen Gründen kaum eruagen zerstören und zur Erinnerung an den Zusammenbruch des Sy
können, da8 gleichzeitig mit den Mauerschützenprozessen stems die Trümmer einf ach liegen zu lasseo: Der Lenin anı
Gedenkstatten für andere Mauerschüızen nichı abgeraumt Dresdener Hauptbahnhof ist vor diesem Schicksal nach Bayern
werden. geflohen, nachdem ihn die Stadı nicht dem KünsUer, sondern
Schon von dem, was wahrend der revolutionaren Ereignisse dem bereits erwahnten Steiometz überlassen hat.
in den Lii.ndem des ehemaligen Osıblocks hinweggefegt wurde Wenn es aber um Zerstörung oder Erhaltung geht, fragt bereits
- in der früheren DDR wohl relativ wenig verglichen mit den Lenins Dekret von J 918 nach dem künstlerischen Wert der Ob
Baltischen Staaten, die scheinbar sehr rasch und gründlich vor jekte, und auch heute wird sich so manche Kommission Gedan
gegangen sind -, isi manches in die Museen gelangt. Die Auf ken über »Kunstı< oder »Unkunst« macben. Hier wird man mm
nahmefühigkeit der Depots setzt allerdings einer vollstandigen zwar unterscheiden können zwischen neuen Bilderfindungen,
»Entsorgung« des kommunistischen Götterhimmels durch die künstlerisch nıehr oder weniger originellen Schöpfungen, zwi
Museen enge Grenzen, vor allem wenn es um Kolossalfiguren schen dem individuellen Einzelwerk und der immer gleichen
geht. Nun gibt es zwar vermutlich in ailen betroffeoen Landem Portriitbüsten und anderen Ikonen des real existierenden Sozia
Projekte, die Monster der vergangenen Epoche an bestimmten lismus, deren künstlerischer Rang nicht durch tausendfache
Platzen zu versammeln, also etwa im Hof des früheren Ministe Wiederholung begründet wird. Dabei wiire auch nicht auszu
riums Fıır Staatssicherheit in Berjjn ein »Gruselkabinett des so schlieBen, da13 der zwingeode politische Anspruch, die ur
zialistischen Realismus« zu schaffen. Doch ıatkraftig gehandelt sprüngliche Botschaft eines bestimnıten Denkmals tatsiichlich
hat bisher vor ailem der bei unserer Taguog anwesende bayeri einmal im zeitlichen Abstand ganz binter dem besonderen Rang
sche Steinmetz Josef Kurz, der auf einem Gelii.nde bei Gundel eines Kunstwerks zurücktreıen könnte. Trotzdem bleibt der
fingen mit mehreren riesigen Staruen eine Art Fossilienpark für >Kunstwert<, wie bereits Riegl dargelegt hat, ein sehr relativer
die Herrscher der kommunistischen Ara gescbaffeıı hat. Musea Begriff, und die Frage nach der künstlerischen Bedeutung wird
füierung und Deponierung unterschiedlicher Art aber verwan im Lauf der Zeit immer sehr unıerschiedl.ich beantwortet wer
delt die von ibrem ursprünglichen Ort entfemteo Objekte von den. Angesichts der Denkmiiler der kornmunistischen Ara könn
geradezu kultisch verehrten Ikonen des real existierenden So te man sich auch fragen, ob sich nicht gerade das Gegenteil von
zialismus in aus einer gewisseo Distanz betrachtete Geschichts Kunst, das hohe Pathos eines nıonströsen Monuments oder ein
zeugnisse, die im übrigen plötzlich auch zu gesuchten Sammel - leichı durchschaubarer - Politkitsch anı besten für eine die ur
objekteo werden können. sprüngliche Absicht entlarvende Interpretation eignen würde.
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Neben dem ,Kunstwert< ware im Zusammenhang der Wand und analysiert worden sind, wenn unsere Geschichte nicht ge
lung vom gewol1ten zum ungewollten Denkınalwert natürlich waltsam »entrümpelt«, sondem nach den historischen Perspekti
nocb der >Alterswert< ins Feld zu fiihren, also alle Spuren der Ver veo gesucht wird, unter denen die bei unserer Tagung erörterten
gii.nglichkeit, wie sie die vergleichsweise neuen Denk.miller der )Denkmiiler im Umbnıch< vielleicht ihre Chance erhalten.
kommunistiscben Ara trotz der Auswirkungen der aHgemeinen Die hler diskutierten aktuellen Fragen zum Umgang mit Ge
Luftverschmutzung und des sauren Regens noch kaum zu bieten schichtszeugnissen siod in mancher Hinsicht für die Denkmal
haben - abgesehen von den Narben, die ihnen vielJeicht gerade pflege von grundsiitzlicher Bedeutung und richten sich nicht nur
die jüngste Geschicbte zugefügt hat. Wichtiger als die Riegls an die zum Teil bei uoserer Tagung versaınmelten Experten,
>Kultus des Alterswerts< begründende Erinnenıng an die Ver sondem in erster Linie an Öffentlichkeit und Politik. Das Deut
gii.nglichkeit aHes lrdischen aber ware in unserem Zusaınınenbang sche Nationalkornitee von ICOMOS hat deshalb in Vorberei
eben doch das Ringen um den >Geschicbtswert< des Denk.mals, tung der Berliner Tagung den Rednem im einzelnen keine eng
das aus einem Instrument totalitarer ldeologie ein auch für das begrenzten T hemen vorgegeben, sondem einfach um Erfah
Geschichtsverstandnis kommender Zeiten wicbtiges Mabnmal nmgsberichte der Kollegen aus den Liindem des früheren Ost
machen könnte. Fragen nach der Erhaltung, Veranden.ıng, Besei blocks gebeten. Wir könneo nur hoffen, da8 sich daraus ein
tigung lassen sich jedenfalls erst schlüssig beantworten, wenn die nicht nur fı.ir den Historiker aufschlu8reiches Gesamtbild ergibt,
als Geschicbtszeugnisse zu betracbtenden und daber auch gründ sondern da8 sich auch neue Perspektiven für den Umgaog mit
Uch zu dokumentierenden Objekte in ihrer Bedeutung dargestelll Geschichte eröffnen.
Anmerkungen
L Bild-Zeitung vom 1.11.1990. 5 Riegl (wie Anm. 4). S. 172 f.
2 Thomas Rietzschel, Marx und Lenin dösen in die Zukıınfı, in: 6 Riegl (wie Anm. 4), S. 151.
Frankfurter Allgemeine Zeiıung vom 29.10.1990. 7 Zitaı nach: Demontage ... revolutionlirer oder resıaıırativer Bilder
3 Kritische Beıichıe 3/ 1992. S. 3. sıurm? Texte und Bilder, Berfin 1992, S. 11.
4 Alois Riegl, Der modeme Denkmal.kulıus, sein Wesen und seine 8 Vgl. Bemd Faulenbach, Yon der Gegenwlirtigkeiı des Yergangenen.
Entstehung, in: Gesammelte Aufsiitze, Augsburg-Wiea 1929, Zur Neukonzepıion der Gedanksıiitıen in der ehemaligen DDR, in:
s. 144 ff. Weltspiegel, 7.2.1993.
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Helmut Engel
L4
konferenz sei durch SPD und CDU zu FalJ gebracbt worden. re.ine Kenntnis von Geschichtsablaufen und das Wissen um de
Dieser 1. VolkskongreB tagt vom 6. bis 8. Dezember ganz selbst ren Wirkungen in Gefühlsbindungen umsetzt.
verstiindlicb in Berlio im Admiralspalast in der Fri.edricbstraBe. Eine Aufgeschlossenbeit für die Botschaften der Geschichte
Die britische Regierung lebnt jedocb am 12. Dezember die ist nicht selbstverstandlich. Man wird sehr schnell feststeUen,
Einreiseantrage einer Delegation des Volkskongresses ab. Nur daB Bindungen an die Vergangenheit immer dann zunehmen,
zwei Monate spater fordert Marschall Sokolowski anı I J . Fe wenn einmal die Unzufriedenheit mit den Bedingungen der Ge
bnıar 1948 auf der Sitzung des Alliierten Kontrollrates, den genwart besonders ausgepragt ist, und gleichbedeutend mit sol
VolkskongreB für ganz Deutschland zuzulassen, denn anı 7. Fe cher Unzufriedenheit die Wirkungskraft des Fortschrittsgedan
bnıar hatte die arnerikanische Militiirregierung clie Wahlen für kens als treibender Kraft ziv i. lisaıorischer Weiterentwicklung
einen neuen VolkskongreB in ihrem Sektor untersagt. DaB der gebrochen isı. Die Wirksarnkeit von geschichtlichen Pragungen,
VolkskongreB weiterhin ein ungeteiltes, aber sozialistisch be die nichı mit nur noch leere Hüllen bewabrenden Traditionen
stimmtes einheitliches Deutschland anstrebt, macht Wilhelm gleicbzusetzen sind, ist sorniı selber ein historisches, zuma) weil
Pieck am 18. Mii.rz 1948- am Tag der hundertjiihrigen Wieder periodisch auftretendes Phanomen.
kehr der Revolution von J 848 - wahrend des il. Deutschen Es bedarf keines besonderen Hinweises auf die EinbuBen, die
Volkskongresses deutlich, wenn er eine gesarntdeutsche Volks der Fortschrittsgedanke in der jüngeren Vergangenheit erlitten
bewegung für einen deutschen Einheitsstaat mit Unterstützung hat: Der Zusammenbruch der sozialistischen Staatsform als ein
der Freunde im Westen schaffen will. Pieck kündigt femer die dimensionaJe, zwangslaufıg bereits enddefınierte Fortschritts
Ausarbeitung einer Verfassung für einen solchen deutschen entwicklung mit dem Endprodukt der kommunistischen Gesell
Einheitsstaat an. schaft in Osteuropa auf der einen Seite, im Westen andererseits
Und offensicbllich um die Emsthaftigkeit der sowjetischen die weit ins öffentliche BewuBtsein eingedrungene Einsicht
Bemühungen um das Zustandekoınmen und die Unterstützung über die ungeheuren Umweltschaden und fası unabweisbar ge
eines solchen deutschen Einheitsstaates zu belegen, wird der wordenen taglichen Umweltkatastrophen, die der technisch zi
Bau der Sowjetischen Botscbaft Unter den Linden mutmaBlich vilisatorische Fortschritt zwangslaufig zur Folge hat. Beide
spiitestens Anfang 1948 geplant. Dem offiziellen lnkraftsetzen Merk:male mögen als hinreichende Belege für die Erschütterung
der Baupliine mit Unterschrift Stalins anı 2. August 1948 folgt- des Glaubens an den Fortschritt und als Nahrboden des gegen
möglicherweise ein Zufall - arn 3. August die Billigung der wanigen MiBtrauens gegenüber der Modeme gelten. Nur- die
Richtlinien für die von Pieck arn 18. Miirz angekündigte Verfas se Einschrankung muB an dieser Stelle gemacht werden- jegli
sung einer Deutschen Demokratischen Republik durch den che Diskreditierung des Fortschritts beseitigt ihn nicht, er bleibı
Deutschen Volksrat. im einfachen Ablauf von Zeit als bestimmendes Phiinomen
Die Chronologie der nachfolgenden Teilung Deutschlands ist zwangslaufig bestehen. Eine Krise des Fortschrittsgedankens
zu bekannt, um hier noch einmal rekapituliert werden zu müs entkraftet nicht den Fortschriıt se.lber.
sen. Ergebnis auch der nur kurzen Erinnerung an die politiscben Das ganze 19. Jahrhundert war bereiıs durcb dieses Wechsel
Umstande zur Zeit der Entstehung der Botschaft: Sie isi nicht spiel zwischen der Hinwendung zur Geschichte einerseits und
nur Zeugnis der Architekturgeschichte, und darnit zugleich ein der Bindung an den Fortschritt andererseits gepragt worden. En
Dokument, das zum Zeitpunkt seiner Vollendung ideologische de des 18. Jahrhunderts hatte die Romantik in ihrer Abwehrhal
Auswirkungen auf das Bauschaffen der gerade gegründeten tu ng gegenüber den aJs gekünstelt empfundenen Zustanden des
Deutschen Demokratiscben Republik haben sollte, sondem sie Spatbarock einerseits und der konsequenten und als kail emp
transportiert für denjenigen, der sicb den Botscbaften der Ge fundenen Logik der Aufklarung andererseits die an die Wu.rzeln
schichte aufschlieBt, Stationen nicht nur der sowjeıiscben, son zurückfübrende rnittelalterlich-vaterliindische Geschichte wie
dem indirekt auch der deutschen Geschichte in die Gegenwart. die Zeit des Urchristentums als Zustand wie als Quelle unge
Durch die unmittelbare sinnliche Anschauung ihrer Zeugnisse brochen frischer, das heiBt ursprünglicher (originaler) Lebens
werden solche Mitteilungen der Vergangenheit in die Gegen und KunstauBerungen entdeckt, in die tunlichst die Moderne
wart transportiert. Wir !eben- ob wir wollen oder nicht- in der nicbt einbrechen möge. Schon um 1820 beginnt indessen die
Gegenwart von Geschichte. Abkehr von der Romantik, und um die Mitte des 19. Jahrhun
Das mag im vorliegenden Fall unseres Botscbaftsgebaudes derts verleihen die technischen Errungenschaften dem Forı
zunachst wie selbstverstandlich erscheinen, sind oder sollıen schrittsglauben im liberalen Bürgertum ungebrochene Zustim
doch die Deutschen nach der Vereinigung vom 3. Oktober 1990 mung, wahrend gleichzeitig die Ausrichtung an der Geschichte
besonders aufgeschJossen gegenüber den Fragen sein, wie es zur sich in die Form einer konservativen Staatsdoktrin kleidet, die
Teilung ihrer Nation und deren Überwindung gekommen ist. von einer standisch verfaBten Gesellschaft unter einem Sou
Diese Gegenwart von Geschicbte lieBe sich nun - würde man veriin ausgeht, der als Herrscher seine Legitimation immer noch
die Tauglicbkeit der jetzigen Botscbaft der Russischen Födera von ,Gottes Gnaden< beziehı; notfalls muB diese Gesellschafts
tion als einen solchen Beleg anzweifeln - durch beliebig andere ordnung mit militarischer Macht gegen das Prinzip der von den
Beispiele ersetzen. Das Botschaftsgebaude ist aber deshalb be Demokraten verfochtenen Volkssouveranitat behauptet werden.
sonders sinnfallig, weil es nicht nur - im Wortsinne - Boıschaf Der Konflikt zwischen Fortscbritt in die Zukunft und Bindung
ten zur deutschen, sondem auch zur Geschichte der ebemaligen an die Vergangenheit mit ihren ursprünglichen, weil unverdor
Sowjetunion und der junge Russiscben Pöderation übennittelt. benen Zustiinden laBt sich an zwei aus der Mine des 19. Jahr
Um deshalb zu wiederholen: Wir leben in der Gegenwart von hunderts sıammenden Zitaten besonders deutlich machen: 1855
und jetler besonders in der Gegenwart von >seiner< Geschichte, beschreibt der Berliner Volkskalender die Fabrikanlagen von
die zugleich unsere Geschichte ist, aber wir !eben nichı - auBer Augusı Borsig mit ihren sprichwönJich gewordenen rauchenden
wir wollen reaktionar sein - in der Geschichte, aus der Zukunft Schornsteinen in Berlin-Moabiı folgendermaBen: »... die Ge
bewuBt ausgeblendet wird. Einbeschlossen in diese Einsicht ist, genwart isi hinausgeeilt aus der Waldeinsamkeiı in das frische
daB sich das Begreifen der Gegenwart von Geschichte über die tatkraftige Leben, - sie fragt nicht mehr nach dem, was sich der
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Wald erziiblt, sondem deutet die Zeichen des elektrischen Tele Vergangenheit aus der Zeit der V ater-so die beutige öffentlicbe
graphen. Die Poesie der Gegenwart ist die Industrie, jeder Lo Meinung - holen die Söhne immer wieder ein. Darin unter
komotivzug ist ein Triumph des menschlicben Geistes, die Zeit scbeidet sicb die grundsatzlicbe Erfabrung des 19. und des 20.
der Romantik ist vorbei.« Das Sinnbild der deutschen Roman Ja.hrhunderts von den ınittelalterlicben Ordnungsvorstellungen,
tik, der Wald. wird gleichsam verachtlicb abgetan, das Rauschen »da das Denken über die dauemde Ordnung des Seins und nicbt
seiner Blatter durcb das Ticken des Telegrapben ersetzt. Der der Wandel, die >mutabilitas reruın< zentrale Bedeutung besaB,
»Triumpb des menschlicben Geistes« , die lnteUigenz, tritt an die da der Mensch, wie Theodor Litt sagt, Geschichte wobl >batte<,
Stelle der Allmacht des GefühJs. Die Gegenposition zu dieser sie erlebte, aber nicbt selbst Geschicbte >War<, sicb als >ge
neuen tecbnischen Welt lautet, formuliert von Immermann: schichtlich< empfand« - so Otto Brunner J 961. Unsere eigenen
» Yor aUen Dingen sollen die Fabriken eingehen und die Liinde Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit belegen eben, daB man
reien dem Ackerbau zurückgegeben werden. Jene Anstalten, sich nicht beliebig aus seiner Vergangenheit verabscbieden
künstlicbe Bedürfnisse künstlich zu befriedigen, erscbeinen nur kann, daB man nicbt -um Scbmid noch einmal zu wiederholen
verderblicb und schlecht. Die Erde gebört dem Pfluge, dem - »je und je von einer jungfraulicben Gegenwart aus autbre
Sonnenscbein und Regen, welcher das Samenkom entfaltet, cben<< kann. Immer nocb gilt, »daB« -wiederum Scbmid-»die
der fleiBigen, einfacb arbeitenden Hand.« Eingetreten wird also Wirkungen notwendig den Ursachen entspringen«. Darum ist es
für die Rückkehr zur einfacben bauerlicben Welt des selbst unerlaBlich, sich über die in der Gescbichte liegenden Ursachen
genügsamen Menschen, der in den Kreislauf der Natur einge Klarbeit zu verschaffen, wenn man ibre Wirkungen in der Ge
bunden ist. genwart versteben will. Wir !eben in der Gegenwart von Ge
Es kann bier ııicbt der Ort sein, die Geschicbte dieses Gegen schicbte, weil wir mit ibr leben müssen, denn wir können uns
satzpaares im 19. und 20. Jahrbundert zu verfolgen. Um aber zu ihren Wirkungen nicht entziehen.
belegen, wie sich dessen Bogen nocb bis in die fünfziger Jahre Bereits wa.hrend der ersten Entwicklungspbase des Fort
unseres Jabrhunderts spannt, sei auf einen Essay von Carlo schrittgedankens nach 1820 wird eine sebr genaue Kritik an der
Schmid >Über den Europaiscben Menscben< verwiesen, veröf sicb an Ur-Zustanden orientierenden Welt der Romantik geübt;
fentlicbt in >Die Neue Rundscbau 1950<, in dem er der Frage sie ricbtet sicb gegen das >dumpfe Gefühl< und die >unbedingte
nachgeht, »welcbe Eigenscbaften ... den europaischen Men Gewalt<, die diesenı Gefühl über den Menschen eingeraumt
schen« ausmachen -ein für die Autbrucbstimmung in der jun wird. Diese Kritik muB auch beute noch gelten. Weder ein nur
gen Bundesrepublik Deutschland überaus kennzeicbnendes Do nocb formelbafter Traditionalismus nocb die unreflektierte
kument. Den europiiiscben Menschen möchte Scbmid von der Empfındung können beute Grundlage des Umganges mit den
Last der Geschicbte befreit wissen, wenn er schreibt: »ln der Tat Geschichtszeugnissen sein, denn beide Haltungen - an sicb un
hat n.icbts anderes aus einer Halbinsel Asiens den Kontinent Eu fruchtbar -fü.hren eber die Konfrontation zwiscben den beiden
ropa werden lassen als jener immerwahrende Aufstand gegen Lagem mit ihren inzwiscben erstarrten Ritualen und Argumen
den Ansprucb der Natur und der Geschichte, den Menscben tationen weiter. als daB sie zur Überwindung der Gegenüber
scblecbtbin determinieren zu können; nicbts anderes denn jene steUung und daınit zu einer frucbtbaren Weiterentwicklung
immerwahrende Weigerung, sicb innerbalb der Scböpfungsord führen. Die Lösung kann nur durcb die Entwicklung einer dia
nung mit der Rolle eines Wesens, das nur erleidet, zufrieden zu lektischen Wechselwirkung zwiscben dem Alten, das dana -
geben.« Und die ScbluBfolgerung Scbınids lautet: »Zwar muB er und nicht nur notgedrungen - seinen Dokumentarcharakter be
wie jeder Menscb dieser Welt die Last der Geschichte tragen, wahren muB, und dem Neuen, das sich als erkennbare Moderne
aber er will es wissend tun, und darüber hinaus will er in jedem zu formulieren hat, gefunden werden.
Augenblick imstande sein, das Joch der Vergangenheit, die er
selber scbuf. abzuschütteln! Denn so gut der Menscb Europas Wenn der Fortscbritt sicb zwangslaufig bereits mit dem FluB
aucb weiB, daB die Wirkungen notwendig den Ursacben ent von Zeit einstellt, ware seine Vemeinung ein reaktionar töricb
springen, so will er docb nicbtsdesroweniger sein Leben so tes Unterfangen. Entscheidend bleibt deshalb, welches MaB an
fü.hren, als könne er je und je von einer jungfraulichen Gegen Macbt über uns diesern Fortscbritt eingeraumt wird - ob er mit
wart aus aufbrecben.« naturgesetzlicher Gewalt alles binwegraumen darf, was sicb
Deutlich wird aus dem Schmid'schen Wortlaut der Glaube ihm in den Weg steUt oder was ihm hinderlich, argerlich, viel
nocb der fünfziger Jahre, sicb nacb der Katastropbe des Zweiten leicbt auch nur lastig erscbeint oder was-weil nicht begriffen -
Weltkrieges zwar nicht ganzlicb von der Lası der Geschicbte be einfach als bedeutungslos angenornmen wird. MuB und darf
freien, sicb gleicbwohl aber über sie erbeben zu können. Und Fortscbritt folglicb imıner mit einem darwinistischen Recbt des
deutlicb wird auch, daB die Last der Geschichte nicbt als Ge Starkeren einhergehen? Und ist -um mit Goethe zu reden -er
schichtsbildung im wissenschaftlich akademiscben Sinne, als laubt, was gefıillt oder erlaubt, was sicb scbickt?
Gelehrsam.keit aufgefaBt ist, sondern daB die - und diese von Die deutscbe Denkmalpflege könnte - sicb auf ibre eigene
Scbmid der Gescbicbte beigelegte Eigenscbaft soll sicherlich Geschicbte in Verbindung mü der Heirnatscbutzbewegung um
wörtlicb genom.men werden - drückende Last der Geschichte die Jahrbundertwende berufend-gleicbsarn auf ibre traditionel
als so etwas wie eine Art gesellschaftlicbes und damit kollekti le Rolle des Widerstandes gegen die Zerstörung von Landschaft
ves Erinnerungsvennögen und darnit a1s Wissen um die Ge und Gescbichte durch den techniscb zivilisatorischen Fortscbritt
schicbtlicbkeit des eigenen Seins gemeint ist - wenn dieses kol verweisen, aber bier würde Berufung auf Gescbichte eben wie
lektive Wissen aucb als Fessel auf dem Wege zur Entfaltung des derum nur der Legitimation des eigenen Tuns dienen. Ziel soll
Wesens eines europaischen Menschen begriffen wird. te es aber sein, nicbt nur einen Sektor mit den Wirkungen seiner
Gerade die Erfahrungen der lebenden Generation belegen nur ibm innewohnenden mecbanistischen Abfolgen zu beden
aber, wie gefıihrlicb es ist, sich über die Lebren aus der Ge ken, sondem im Sinne eines gesellscbaftlicben Konsenses Ein
scbicbte erheben zu wollen oder sogar erheben zu müssen -po vemehrnen über die Notwendigkeit bestimmter Verhaltenswei
pulistisch ausgedrückt: sie zu verdrangen, denn die Scbatten der sen gegenüber den Zeugnissen der Geschicbte berzustellen -
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s .ich im Sinne Schmids einerseits mit der »drückenden Last der lamentarischen Demokratie herrschen gegenwartig .Rücksichı
Geschichte<< auseinanderzusetzen und gleicbzeitig darilber nahmen auf die Befindlichkeiten der einzelnen gesellschaftli
nachzudenken, daB nur erlaubt ist, »was sich ziemt«. Berufung chen Gruppen, und durcbsetzungsfühig ist das, was mehrheits
auf die legitimierende Wirkung von Geschichte würde lediglich fahig ist oder von dem der Politiker glaubt, daB es durchset
die Formalisierung von Traditionen bedeuten, wiihrend unser zungsfühig sei und ilım zur Rolle des Mehrheitsbeschaffers ver
T hema des Lebens mit Geschichte Jautet, Geschichte zu bewah hilft. Und zu machtig ist noch die kuJturgeschichtliche Kraft
ren und sie trotzdem gleichzeitig zu überwinden- mithin die Ja eben jener Übung, wonach der Sieger (mit dem Recht des Stlir
nusköpfıgkeit von Gegenwart zu begreifen, den Gegensatz nicht keren) Zeichen der Überwindung durch Zerstörung setzen zu
durch Konfrontation zu vertiefen, sondem in eioem neuen, sicb können glaubt.
gegenseitig bedingenden Verbaltois aufzulösen.
Gescbichte zu bewahren und gleichzeitig zu ilberwinden be Das einzelne Beispiel, das zum Leben mit der Geschichte her
deutet zunlichst zweierlei. Einmal: Es ziemt sich nicbt, Fort ausfordert, kann sich zu ganzen Geschichtslandschaften ver
schritt mit dem Mitte! der Zerstörung einhergehen zu lassen. di.ehten, in denen sich jenseits aller Staatsdenk.mliJer Bedeutung
Und: Der Fortschritt muB sich in seiner Eindimensionalitlit und Würde zu erkennen gibt. Zum anfangs dargelegten Einzel
durch die mabnende Wirkung der Geschichte brechen lassen. beispiel der Botschaft der Russischen Föderaıion mag - in der
Als Wechselwirkuog bewirkt Fortscbritt, daB das historische Darstellung ebenso verkürzt- desbalb die Gesclıichtslandschaft
Dokument tatslichlich der Geschichte anheimfal.lt, durch die treten, die sich mit der ehemaligen preuBischen via ıriuınphalis
Modeme gleichsaın in seine endgültige Position eingebracht zwischen ehemaligem StadtschloB im üsten und der Siegessliu
wird und in der Verbiodung mit der Modeme die drückende Ge le im Westen mit der Querachse Reichstag - WilhelmstraBe er
walt von Geschichte ilber die Gegenwart verloren geht. streckt.
Verzicht auf Zerstörung schJieBt nicht den Verzicht auf Ver Die ebemals auf das StadtschloB der Hohenzollern, jetzt auf
linderuog ein, doch kann Verlinderung jetzt nur noch unter der den Palast der Republik zuführende Achse des StraBenzuges
Vorgabe einer additiven Hinzufügung zum Gescbichtsdokument Unter den Linden wird mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zur
geschehen, wobei sich das Neue mit dem Alteo unter beidersei via triumphalis PreuBens. Ihren Ausgangspunkt findet diese Be
tigem Respekt vergesellschaftet. deutungszumessung durch den Einzug NapoJeons 1806 nach
Auf das Thema unserer Tagung angewendet: Auch die Revo dem mit der Niederlage von Jena und Auerstlidt eingeleiteten
lution verwirkt so das Recht, die Denkmliler und Zeugnisse der verheerenden Zusarnmenbruch PreuJ3ens. Die triumpbale Geste
verhaBten Yorglinger zu stürzen, denn mit dem Augenblick der des französischen Kaisers provoziert nach dem Ende der Be
Revolution ist der Vorzustand, wei] überwunden, der Geschich freiungskriege 1815 nachgerade den Einzug des jetzt siegrei
te anheimgefaUeo und deren mahnende Wirkung kann mit der chen preuBischen Heeres ilber die gleiche Route als Zeichen der
sinnlich erfahrbaren Gegenwart von Geschichtszeugnissen ein Überwindung der Schmach von 1806. Die Militarparaden Unter
treten, selbst wenn von Leidtragenden die dadurcb ausgelöste den Linden - oft in Anwesenheit von Staatsglisten, die Ausge
körperliche und psychische Schmerzhaftigkeit als unertrliglich staltung der unmittelbaren Umgebung der Neuen Wache mit den
empfunden wird. Vemichtung und Zerstörung bewirken indes Standbildem der Feldherren der Freiheitskriege, die Errichtung
sen Vergessen, und Vergessen schlieBt die Gefahr von Wieder des Denkmals Friedrich II. J 840 begründen eine Entwicklung,
bolungen ein. Die besorgnisvolle Beschwörung, mit dem Schutz die sich mit den Einzügen der Feldheere nach den Kriegen von
des Geschichtsdokumentes würden KuJtstlitten für Ewig Gestri 1864, 1866 und 1871 sowie mit dem Umbau des Zeughauses in
ge gescbaffen, belegt eine merkwürdige Zaghaftigkeit der Re eine Ruhmeshal le des preuBischen Heeres 1871 bis in das Ende
volutionlire und belegt gleicbermaBen, daB fehlende geistige des Zweiten Weltkrieges forst etzt. als sich Schukow und Mont
Überwindung der eigentliche Kem für die politische Angsı von gomery nach der Niederlage des Deutschen Reiches am Bran
Wiederholung ist. denburger Tor treffen, um sich an diesem symbolırachtigen ürt
Der Lenin-Platz in Berlin mit dem Denkrnal seines Namens gegenseitig ürden zu verl.eiben. Und mutmaBlich nicht zufallig
gebers war eine mebrfacbe Herausforderung, er war Stachel im treibt die Rote Armee am 2. Mai 1945 einen endlosen Zug deut
Gewissen der lebenden Generation. Der Platz in seinem heuti scher Kriegsgefangener von Westen über die klassische Parade
gen Zustand ist eine - im Worısinn- nicht begreifbare Leere. die strecke durch das Brandenburger Tor nach üsten in die Rüders
ınutmaBlicb bald die falsche ldylle vermeinıJicher Urbanitat dorfer Kalksteinbrüche. Ln einem Akt trotzigen Selbstbetruges
iiberzuckem wird. Es steUt nur einen KompromiB dar, daB das kehrt das geschlagene kaiserliche Feldheer des Ersten Weltkrie
Denkmal nicht zerstört, sondem- wenn aucb mit Schlidigungen ges Anfang Dezember 1918 durch dieses Tor nach Berlin
- abgebaut und eingelagert worden ist, wobei es zum Schutz vor zurück. Und Josef GoebbeJs lii13t Ende 1944 den Berliner Yolks
Andenkenjiigern eingegraben wird. Bereiıs dieses den Anden sturm - das letzte Aufgebot an alten Mannem, Kindem und
kenjagem Ausgeliefertsein kennzeicbnet den ersten Scbritt von Krüppeln- mit untauglichen Waffen, mit denen die Rote Armee
einem Monument der Ideologie in ein DenkmaJ der Geschichte aufgehaJten werden sollte, hier aufmarschieren. Nach 1945 bil
- bestes Beispiel wird die Berliner Mauer sein, die von Anden den die jahrlich stattfındenden Paraden der Westalliierten auf
kenjagem buchstliblich zernagt worden ist. der Westachse im Umfeld der Siegessliule sowie die Wachauf
Schutz des Geschichtsdokurnenıs vor Zerstörung bedeutet züge der Nationalen Volksarınee an der Neuen Wache schlieB
nicht. darauf zu verzichten. Zeichen der Überwindung zu setzen, lich den Bodensatz dieser Tradition.
gleichsam ein solches Denkrnal aus der Sicbt der Gegenwart zu W ahrend heuıe die StraBe Unter den Linden in ihrer Rolle als
kornmentieren. Solche Zeichen der Überwindung wlireo erst der bald wieder glanzvolle Einkaufs- und FlanierstraBe - als die In
eigentliche Beleg für eine tatslichliche Befreiung, für eine gei kamation des sprichwörtlichen weltstlidtischen BouJevards -
stige Überwindung von der »drückenden Last« der Geschicbte. bescbworen wird, gebt ibre geschichtliche Bedeutung im öffent
Es wlire töricbt zu glauben, daB sich solche Überlegungen in lichen Bewu13tsein nahezu unter: DaB die StraBe Uncer den Lin
die politische Realitlit einbringen lieBen. im Kraftespiel der par- den Schauplatz eines zweihundertjlihrigen Ganges der deut-
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schen Geschichte ist. in dessen Verlauf auf ebenso glanzvolle Bundesrat zunlichst im Neubau der KongreB-Halle, schlieB!ich
Siege abgrundtiefe Niederlagen gefolgt sind. die nahezu die durch Chrustschow unter Druck gesetzt und durch Tiefflüge von
letzte Kraft der Nation erschöpften. Solche mahnenden Wirkun Mig's aus AnlaB der Eröffnung der rv. Wahlperiode des Deut
gen bestehen nicht mehr: Da8 auf Siege Niederlagen schlimm schen Bundestages Uber dem Hause fası physisch bedroht.
ster Art gefolgt sind, daB Niederlagen aber auch immer wieder Letztlich doJ..."UJllemiert sich in diesen Standorten der Parlamen
die Krafte des Wiederautbaues freigesetzt haben. te über den Zeitraum von einhundertfünfzig Jahren und iiber al
Zu dieser via iriıııııphalis entwickelt sich seit der Mitte des 19. le au8eren und inııeren Bedrohungen die Eııtstehung der heuti
Jahrhunderts südlich enılang der Leipziger Stra8e so etwas wie gen Staaısform der Bundesrepublik mit den wamenden Ein
eine StraBe des Parlamentarismus, denn seit I849 und l85l ha brüchen der sogenannten Priisidialkabinette seit 1930 und des
ben das preu8ische Abgeordnetenhaus im Palais des ehemaligen Faschismus seit 1933. Dessen Machtzentrale war die Reichs
Staatskanzlers, des Fürsten Hardenberg, am Dönhoffplatz anı kanzlei und dann die Neue Reichskanzlei WilhelmstraBe/Ecke
östlichen Endpunkl der StraBe und das preu8ische Herrenhaus Vo8stra8e als Sitz Hitlers. Der Mittelpunkt der Volksverführung
auf dem Grundstück Leipziger Stra8e 3, auf dem Grundstück befand sich im Propagandaministerium des Josef Goebbels ge
der Familie Mendelssohn-Bartholdy, im Westen ihre Standorte genüber im ehemaligen Johanniter-Ordenspalais anı Wilhelm
gefunden. ln diesen Hausem ist die Wi_rkuogsstiitte Bismarcks. platz. Der Terror bis hin zum Versuch der Vernichtung ganzer
Die Unterbringung des provisorischen Deutscben Reichstages V ölker wurde von der Prinz-Albrecbt-StraBe 8 aus gelenkt. Die
ab 1871 auf dem Nacbbargrundstück Leipziger Stra8e 4 ver Verwebung dieser ganzen Geschichtslandschaft von via ırium
Stlirkı sogar noch d.iese Entwicklung der Leipziger Stra8e, bis plıalis, deutscher Parlamentsgeschicbte und Stiitten des Faschis
mit der Ferıigstellung des eigentlichen Reichstagsgebliudes mus war 1945 bereits so groB, daB das Reichstagsgebliude zum
nordwestlich vor dem Brandenburger Tor 1894 und dem 1905 quasi offıziellen Eroberungsziel der Roten Armee geriet und die
vollendeten Neubau des preu8ischen Landtages auf den zusam Fahne des Sieges folgerichtig oben auf seiner Kuppel gehiBt
mengelegten Grundstücken Leipziger StraBe 3-4 über die Wil wurde; vom 2. Mai 1945 an wi.rd der Reichstag zur Pilgerstlitte
helmstra8e als Regierungsstra8e gleichsam eine Querachse zur der Rotamıisten, die die Wiinde der Ruine über und über mit ln
via ıriııınplıalis entsteht. Politiscber Mittelpunkt der Wilhelm schriften bedecken.
stra8e wird der Wohn- und Amtssitz des Reichskanzlers, nach
der Reichsgründung von l871 eben Bismarcks. Die Wilhelm Das Schicksal aller dieser Standorte nıUBte eingehend betrachtet
straBe bleibt aber auch weiterhin als Wohnort Stra8e der Prinzen werden, um festzustellen, daB mit den Zerstörungen der Schau
des könjglichen Hauses uııd wird in einer seit dem spiiten 18. pliitze von Geschichte aucb Geschichte selber vern.ichtet wird -
Jahrhundert einsetzenden Entwicklung zunehmend Standart für Geschichte besteht nicht nur aus den sıaubsicher in den Archi
Ministerien, schüeBlich der diplomatischen Vertretungen der ven verwahrten Quellen, aus Forschung und Lehre, dem bürger
ausliindischen Miichte. lichen Bildungsvergnügen wie dem kollektiven, aber zeitLich
ln den Standorten der Parlamente vollzieht sich die Geschich begrenzten Erinnerungsvennögen der Öffenılichkeit, weil die
te des Streites zwischen den beiden das 19. Jahrhundert bis zur ses iınmer nachla8t, wenn die direkte, selber erUttene Eıfahrung
Niederlage des Ersten Weltkıieges beherrschenden Prinzipien - verblaBt, sondem gerade deshalb auch aus dem Ort des Gesche
einmal der Volkssouverlinitlit, der parlamentarischen Demokra hens. Denn nur über den Ort des Geschehens mit seiner unınit
tie als Volksvertretung. zum anderen der standisch verfa8ten telbar sinnlichen Erfahrbarkeit kann das kollcktive Erinne
konstiturionellen Monarchie. Noch dem Deutschen Reichstag rungsvermögen immer wieder genlihrt werden.
steht bis 1918 nicht das Recht zu, den Reichskanzler zu wiihlen. Es gilt, gleichsam zwei Zerstörungshorizonte zu unterschei
Erst Philipp Scheidemann proklam.iert von einem Fenster des den: Einmal bedeuteı die Zerstörung von Bauwerken den uıı
Reichstages aus anı 9. November 1918 die Republik, als ihm zu wiederbringlichen Verlusı von oft bedeutender Architektur und
getragen wird. Kari Liebknecht sei auf dem Wege zum Stadt auch der an sie gebundenen Geschichtsstlitte, doch karın selbst
schloB. um dort die sozialistische deutsche Republik nach dem über einen Neubau iınmerhin der Geschichtsort, wenn auch
Muster der jungen Sowjetunion auszurufen. Aber erst der nicht die Eindringlichkeit des unmittelbaren historischen Hand
ReichskongreB der Arbeiter- und Soldatenriite entscheidet sich lungsraumes indirekt fortgeführt werden. Die Gescbichtsland
am 19. Dezember 1918 im preu8ischen Abgeordnetenhaus für schaft bleibt trotz EinbuBe immer noch vor Ort beschreibbar.
das parlamentarisch denıokratische System und gegen dje Riite Mit der Zerstörung von Architektur und Topographie geschieht
republik. In diesen Kreis der Parlamentsstandorte ordnet sich dagegen über die Zerstörung voa Architektu.r hinaus die Ver
1949 - wenn auch wohl unbeabsicbtigt - der Gründungsort der nichtung von Geschicbte, denn der Ort des Geschehens wird -
Vo!kskaınmer der Deutschen Demokratischen Republik im weil nicbt mehr erkennbar - aufgelöst.
Festsaal des Hauses der Deutschen Wirtschaflskommjssion ein, Zerstört ist die Neue Reichskanzlei als - altviiterJjch ausge
dem vormaligen Reichsluftfahrtministerium Hemıann Görings, drückt - Ort des Bösen. Aber ist mit der Vemichtung des Ortes
in dem der moderne Luftkrieg geplant und begonnen worden auch das »faschistiscbe Ungeheuer« tatsachlich besiegt? Das
war. Als Zeichen des Freiheitswillens tagen Bundestag und Leben mit Gescbichte bleibt uns nicht erspart.
18
Dario Gamboni
•• ••
DIE ZERSTORUNG KOMMUNISTISCHER DENKMALER ALS BILDER-
STURM - HISTORISCHE UND TYPOLOGISCHE FRAGESTELLUNGEN
19
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Abb. / Überresıe des Sıa/iıı-Deııkıııals iıı Budapesı, 24. Okıober /956 Abb. 2 W. Mııchiııa, Arbeiter ııııd Kolc/ıo.seııbtiııeriıı, 1937, Moskaıı
Dies güt natürlich besonders für »politische« Funkt:ionen im wichtig und wirksam eine solche minimale Botschafr sein konn
engeren oder weiteren Sinne. Solange Bilder auch lnstrumente te. Anhand der osteuropaischen Ereignissen konnte Petra Roet
der Macht sind (und »Symbol« heifü u. a. Instrument) oder als tig auch kürzlicb schreiben, daB maoche »Denkmaler gerade
Instrumente einer Macht betrachtet werden können, beeinflu8en durch den Akt ihrer Zerstörung als Syınboltrager einer Ge
die Machtverhaltnisse und -kampfe den Umgang mit den Bil schichtsperiode emst genommen werden«. 11 Diese symbolische
dem. Schon existierende oder neu geschaffene Bilder sowie ih Neubelebung kano auch ohne physische Intervention stattfın
re direkte oder minelbare Veriinderung, Beschriftung oder Be den, wie wenn ein Kaıikaturist Wera Muchinas beriihmte Grup
seitigung, spielen in solchen Verhallnissen und Kampfen eine pe Der Arbeiter und die Kolchosenbiiuerin von 1937 (Abb. 2)
nicht unbedeutende Rolle, und es braucht keinen irrationalen benutzt, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der
Glauben an ihre Macht, um sich ihrer symbolischen Effizienz zu ehemaligen Sowjetunioıı zu symbolisieren (Abb. 3). Als Bedeu
bedienen. Deswegen werden kollektive Bildzerstörungen, die tungs- und Identitatstrtiger eignen sich Denkmaler für solche
Verwendung der Reste und die Vennittlung der Ereignisse mei Umfıınktiooierungen. Besonders subtil bedienıe sich der Zeich
stens dramalisch inszeniert, um Bedeutung und Wirkung zu un oer Serguei des Bildersturmmotivs, um Michail Gorbatschow
terstreichen und zu erhöhen. Als in Budapest am 23. Oktober als Zauberlehrling darzustellen (Abb. 5) und, vielleiclıt, um den
1956 Sandor Mikus' Statue Stalins gestürzt wurde, wurde der ZusammenbaJt von Überbau und Unıerbau klarzumachen.
Vorschlag gemacht, man solle die verbliebenen Stiefel (Abb. 1)
als Mahnmal stehen lassen und den Stalinplatz in »Stiefelplatz«
umbenennen. 10 Der Denknıalsturz und die Pressefotografie des Typologien und Geschichte
Falles der Statue wurden schnell zu Symbolen des uogarischen
Aufstandes. Am Aofang seiner Geschichte des Vaııdalisıııus schlug Louis
1n einem provokativen und anregenden Aufsatz erinneı1e PauJ Reau eine »Psychologie der Vandalen« als Klassifizierungsmit
Veyoe die Ikonographen daran, daB es Kunstwerke ohne Zu tel vor. Die »Gründe, die man nicht eingestehen kann«, gleichen
schauer wie Riten ohne Glauben gibt und da8 etwa bei der Tra einer Liste von Sünden: Zerstörungstrieb, Habgier. Neid, lntole
janssaule oder der Colonne Vendôme nicht die Fülle an Kriegs ranz, Dummheit; die »Gründe, die man eingesıehen kann«, sind
szenen wahrgenomınen wurde, sondem nur die Höhe. die zen hauptsachlich religiöser, prüder, sentimentaler oder asthetischer
trale Lage und der Machtanspruch." Aber gerade der BeschJu8 Art.'3 Reau erwahnt noch die Möglichkeiı, den »Vandaljsınus«
der Kommune. die Colonne Vendôme als Symbol des Bonapar nach Tater oder Wirkung einzuıeilen, aber findet kein Kriteri um
tismus und des Militarismus zu stürzen (Abb. 4), zeigt, wie ganz befriedigend und entscheidet sich für eine chronologische
20
Abb. 3 Karikıırur voıı A. C/ıabaııoıv iıı lswesıja, I 992 Abb. 4 St1117.derColoıme Vendôme(Paris, 16. Mai 1871), Holı,sclırıiıı
Darstellungsweise. Andere Autoren möchten, je nachdem ob Derselbe Autor weist auf die Bedeutung der Geschichte der
iisthetische Kriterien oder tbeologisch motivierte BiJdeıfeind symboliscben Zerstörungen hin, wenn er bei der Reformation
licb.keit im Spiel sind, zwischen »Bilderstumı« und » Vandalis und bei der Französischen Revolution feststellt, die Kenntnis
mus«" oder zwischen einem »ikonoklastischen« und einem von früheren Fiillen habe die Ereignisse beeinflu8L' 8 Eine allge
»zerstörerischen« Master uııterscheiden.a Bestimmt haben reli meine Geschichte der »Bilderstürmerei« versuchte Karl-Adolf
giöse Bilderstürme nicht nur Bilder, sondem das Prinzip ihrer Knappe mit den Hauptstationen Byzanz, Reformaıion und Fran
Verweııdung in Frage gestellt. Eine iib.nliche Tabuisierung ist zösische Revolution zu skizzieren. Als generelle Entwicklung
aber auch unter politischen oder iisthetischen Umsıanden denk sieht er »ei.ne dreifache Ausweitung der wegen ihres Bedeu
bar. tungsgehalts in Frage gestellten Kunstwerke« und »eine Ver
Dem von Montalembert vorgeschlagenen Unterschied zwi dünnung der geistigen Substanz der Negaıion, in die nach und
schen »zerstörerischem« uııd »wiederherstellendem Vandahs nach auch iisthetische Momente eindringen.«'�
mus« hat Martin Warnke einen neuen, soziaJen Sinn gegeben,
wenn er die Zersıönıngen »von oben« und die »von unten« ge
geniibergestellt hat: »Diejenigen Zerstörungsakte, welche die Die Französische Revolution und die Folgen
Destrukıion durch eine neue Konstruk.tion ausglichen, werden
zu den gro8en Daten der Kunstgeschichte gerechnet. Diejenigen Die epochaJe Bedeutung der Französischen Revolution für die
Zerstörungsakte. die aus Ohnmachı heraus den Versto8 gegen se Entwicklung ist allgemein anerkannt. Das ZusammenfaJlen
Machtsymbole untemahmen. ohne neue Machtzeichen setzen der Zweihundertjalırfeier mü dem Fail der Berliner Mauer
zu können, werden als sinnlose Bilderstünne beklagı und de machte den Vergleich unvermeidbar. 1789 wurde auch ein un
nunziert. Zerstörung geriit den Siegem zum Privileg, den Unter gewolltes Denkrnal, aJs Hauptsymbol der überwundenen Welt
legenen zum Sakrileg.«'6 Neulich hat Olivier Christin diesen ordnung, feierlich und völlig zerstört (Abb. 6/8) und aus seinen
Unterschied zwischen Bilderstürmen der Herrschenden und de Stücken wurden profane Reliquien produziert und verteilt
nen der Behen-schten in der Organisation und Ausführung der (Abb. 7/9). Klaus Herding. der zu dieser Gegenüberstellung
Zerstörungen unıerstrichen und gezeigt, wie die »offiriellen« beitrug, mit der Beurteilung, »da8 die VorschUige der Jakobiner
Bilderstiinner am liebsten ordenılich und gesetzlich Bilder wıı sehr viel besser durcbdacht, ja vernünftiger waren als etwa die
funktionieren, eher ganz eliminieren und erseızen, aJs brutaJ be der deuıschen Poliıiker nach der Niederlegung der DDR«, be
schiidigen, die wertvollen Materialien wiederverwenden und zeichnete kürzhch »fünf Arten des Umgangs mit Denkmalern
versuchen, ein legitimes Zerstörungsmuster durchzusetzen. 17 des Ancien Regime« in der Revolution lhier in einer aııderen
21
Reihenfolge]: 1. Vemichtung, 2. Vergrabung, Enthauptung, Ver
bannung, 3. Umarbeitung oder Ersetzung von ganzen Bildwer
ken, 4. Umwidmung und Umbenennung (u.a. durch die Erseı
zung von Bildzeichen), 5. Enlfemung >>in gesonderte Gehiiuse.
in Museen mit eigener Aura«. 20
Die letzte Art ist hier enıscheidend. Die Zerstörung der »Sym
bole des Feudalismus« wurde zwar ein lnstrument und ein Sym
bol der politischen und sozialen Umwandlung (Abb. 10); aber
nach einer Zeit der spontanen Angriffe wurden die Zerstörungen
nicht nur kontrolliert, sondem zum Teil verhindert zugunsten ei
ner selektiven Konservierung und geistigen Transsubstantia
tion. Um es in Anlehnung an Herdings knapper Formel auszu
drücken, Alexandre Lenoirs Umkehrung des Denkmalbegriffs
von einem lnstrument der Machtausübung zu einem der ln
struktion und Abbe Gregoires Aneignung der Denkınaler als
Kunstwerke sowie seine Brandmarkung ihrer Zerstörung als
» Vandalismus« führen zusammen - mindestens prinzipiell - zur
Auflıebung desBildersturmgedankens.21
Viel weniger bekannt und höchst interessant ist die Frage in
Abb. 5 Karikaııır Gorbaıclıows von Serguei iıı ,Le Moııde,. 21. 9. 1990
den »Schwesterrepubliken« Frankreichs, wo der Sturz des An
cien Regime durch eine unterschiedliche Kombinaıion aus inne
rer Erneuerungsanstrengung und iiu-8erer lntervention stattfand.
In der Helvetischen Republik wurden die »Feudalisınuszei
chen«, u.a. auch die alten Staatsinsignien, hauptsachlich aufBe
fehl der französischen Armee entfemt oder »gereinigt«. ob
gleich von seiten der neu installierten Behörde etwa widerwil
lig.'2 Unter den vielen Gründen für die weitgehende Konservie
rung der politischen Embleme stehen die Folgen der bilderstür
merischen Reformation und das republikanische Selbstver
standnis der eidgenössischen SUinde, die einen sparsamen und
vorsichtigen Gebrauch von Bildem bewirkt hanen. Der staats
phjlosophische Aspekl ermöglichte es eben in manchen Fiillen,
alte Symbole wie den Freiheitshuı (Abb. 11) ohne physische ln
tervention neu zu interpretieren. So konnte sich 1791 ein Waadt
liinder Patriot, der wegen der Verteilung von Knöpfen mit fran
zösischen revolutionaren Symbolen (Abb..12) von der Bemer
Behörde verhaftet worden war, mit der Behauptung verteidigen,
es handle sicb um den Tellshut, »Embleın der Freiheit der
Abb. 6 Jolıaıııı Marıiıı Wi/1, »Sieg voıı der Basıill iıı Paris d. /4. Juli Schweizer«. Der Hut des Befreiers und Tyrannenmörders Wil
J 789«, Kııpfersıich helm Tell steht in engerBeziehung zum Hut des Vogtes Gessler,
Paradebeispiel eines »Denkınals« als reines Unterdrückungs
und Demütigungssymbol. Deswegen ist es för die neue Zeit be
zeichnend, daB Friedrich SchilJer. der 1788 in seiner »Ge
schichte des Abfalls der Niederlande« den Bildersturm verur
teilt und dem Pöbel zugeschrieben hatte,23 1804 seinen »Wil
helm Teli« mit der Frage schlieBt, was mit dem Gesslerhut zu
tun sei: »Mehrere Stimmen: Zerstört das Denkmal der Tyran
nenmacht ! / Ins Feuer mit ihın ! / Walter Fürst: Nein, JaBt ihn auf
bewahren ! / Der Tyrannei muBt' er zum Werkzeug dienen, / Er
sol! der Freiheit ewig Zeichen seyn!.«:ı.
Nach der Revolution hat sich der Begriff des »patrimoine«, des
Kunst- und Kulturerbes, allmiihlich durchgesetzt und erweitert.
Alois Riegl hat 1903 brillant diagnostiziert und zum Teil pro
phezeit, wie »der modeme Denkmalkultus« sicb nach den ge
wollten und den historischen Denkmiilem auch den Altersdenk
Abb. 7 Pierre-Fraııçois Pal/oy, Model{ der Basıille, ıım 1790193. malem aJJgemein widmen würde.ıı Die Verbreirung des Begrif
aııs Gips ımd - im Prirızip - eineııı Sıiick der Basıillemaııer; Bemisc/ıes fes » Vandalisrnus«, andererseits, hat es ermöglichı, der Kunst
Historisches Mııseıım, Benı zerstönıng nicht nur jede Legitinıitiit zu nehmen, sondem auch
22
jede Spezifitat abzusprechen. Die Jakobiner ersetzten zwar die
alten Zeichen durcb neue, aber die republikanischen und demo
k.ratischen Staaten fanden es in der Folge immer scbwerer, sich
bildlich darstellen zu lassen. Der Brucb mit der Auftragssitua
tion des Ancien Regime und die aJlrnahliche Öffnung der Mu
seen gegenüber der zeitgenössiscben Kunst machten aus der
Freiheit von jeder iiuBeren Bestimmung eine Grundlage des
Kunstwerts. Es komınt dazu, daB - nach Martin Wamke - die
Küostler sich nicht so sehr voın Staat befreit haben als sie von
ihm entlassen worden sind, zugunsten weniger fragiler und effı
zienterer Mitte! der Selbstdarstellung und Propaganda, wie es
die vervielfaltigteo Bilder und die elektronischen Mectien sind.
Da »die Herrschaftsstrukturen ionerhalb der Staaten und Gesell
schaften nicht mebr auf ctie Mitte! zurückgreifeo, die einen Bil
dersturm möglich machten [ ... ], bedeutet doch auch der Sturz
der Stalindenkrnaler in den sozialistischen Landem die Beseiti
guog von flagranten Relikten einer angestandenen Herrscbafts
form«.26
Nach den jüngsten Ereignissen scheint die Richtigkeit dieser
Abb. 8 Abbrııch der Berliııer Maııer rıaclı dem 9. November /989
Analyse in Frage gestellt. Auf der technischen Ebene muB man
bemerken, daB dort Photographien genau wie trad.itionelle Herr
scherbilder behandelt- d. h. angegriffen uod zerstört- wurden.
Übrigens dürfte eine genauere Untersuchung zeigen. daB es
vielfliltige kausale Beziehungen zwiscben Denkrnalzerstörun
gen und ihrer bildlichen Vennittlung oder Evokation i.o der Pres
se und in den elektronischen Medien gibt: Noch mehr als i.n der
Bildpublizistik der Französischen Revolution werden heute Bil
der der symbolischen Zerstörungen verwendet, um die gesell
schaftlichen Umwandlungen zu symbolisieren; die viel schnel
lere und breitere Vermittlung verleiht den modemen Denkmal
zerstörungen eine erhöhte Wirksarnkeit und ruft neue hervor. So
wurde die Hypothese geauBert, sie würden >>nach dem Muster
von TV-Show-Prozessen« inszenien,21 und man habe sich bei
den ostdeutschen Denkmalzerstörungen »offenbar an osteu
ropiiischen, durcb die Bildmedien vermittelten Vorbildem«
orientiert.18
Andere Gründe, Warnkes These zu relativieren. sind geogra
phisch-gesellscbaftlicher Namr. AuBerhalb der westlichen Welt
werden Bilder weitgebend in »traditioneller Weise« politisch Abb. 9 Zum Verkaııf aıısgesıe/lıe »auılıeıııisclıe« Sıiicke der Maııer iıı
benutzt und entsprechend zerstört. Es genüge hier, auf die Yer Plexiglas im Mııseıım Haııs am Clıeckpoiııı Cfıarlie, Ber/iıı, Jııli 1992
nichtung von zahlreichen »sandinistischen« Wandmalereien in
Nicaragua (Abb. 13) hinzuweisen. Künstlern aus der Dritten
Welt ist es übrigens auch manchmal gelungen, autonome, aber
immerhin politisch motivierte Werke im Westen anerkenoen zu
lassen.29 l 986 und inmitten einer sehr alten europiiischen Demo
kratie zeigte ein politischer Aktivist, daB selbst ein lange als
Kunstwerk und Teil des kollektiven Erbes anerkanntes Objekt
als politisches Zeichen mjBhandelt werden kano (Abb. 14/15).
Zwischen der Autonomisierung der Kuost und der Bildzer
störung gibt es unterschiedliche, zum Teil unerwartete Verbin
duııgen. Einerseiıs haben die (teilweise zerstörerischen) Kamp
fe von auıoritaren bzw. totalitaren Parteien und Regimen gegen
die »freie Kunsı« sowie ihre mehr oder weniger gelungenen
Versuche, die Kunst emeut zu instrumentalisieren, wesentlich
dazu beigetragen, einen gewalttiitigen (wenn nicht sogar den
kritischen) Umgang mit der »freien Kunst« sowie jede als in
strumental definierbare Kunst als illegitim erscheinen zu lassen.
Andererseits bat der Drang nach einer inımer gröBeren und stets
aktualisierten Freiheit der Kunst innerhalb der »Avant-Garde«
stiindig zu ikonoklastischen Halrungen gegenüber »traditionel Abb. 10 »Der gröflre al/er Despoıe11. voıı der Freilıeiı gesriirı.ı«.
len« Fonnen der Kunst geführt (Abb. 19), was auch als Angriff symbo/isclıe Darsre/lııııg der Zerstörııııg des Reiterstaıu/bildes voıı
gegen sozial breit verteilte Fomıen der Kunstverstiinctigung und Ludwig XN aııfder /ıeıııigeıı Place Veııd6me in Paris ( 12. Aııgıısr 1792)
23
Der avantgardistiscbe »IkonokJasmus« und die universalisti
sche Vorstellung. Kunst sei prinzipiell jedennano zuganglich,
erklaren die breit verteilten Abwebrreaktionen, die gegen mo
derne und zeitgenössische Kunst gerichtet sind und unter Um
standen auch die Form physischer GewaH annehmen können.
Dieser meistens anonymen Art von Kunstzerstörung wird ge
wöhnlich mit dem Begriff »Vandalismus« zu U nrecht jeder Sinn
abgesprocben. Gerade in Fillen, wo psychopathologische Ele
mente i n. Rechnung gesteUt werden müssen, zeigen doch die be
gleitenden Au8erungen und die öffentlichen Reaktionen, wie
viel Kollektives und Soziales im Spiel isı. Je mehr sich Kunst
werke der aurastiftenden Kulturraume wie auch des traditionel
len Kunstbegıiffs entschlagen, desto haufıger werden die An
griffe voo seiten der unauffiilligen, der >>norn1alen« Bürger.30 ln
schriften können ihr Ziel auch geistig treffen (Abb. 17), und Ver
suche, die >>Kluft zwischen der Kunst und dem Volk.« zu über
brücken, brüsk abgelehnt werden. In manchen Fallen werden
Ausstellungsobjekte als Unkunst angeprangert, weil man ihren
Anspruch als Kunstwerk nicht anerkennı (Abb. 20).
Meistens komınen bilderstürmerische Attentate auf Kunst
werke »von unten«. Im Fal I der Demontage bzw. der Zerstörung
von Richard Serras »Tilted Arc« in New York konnte Benjamin
Abb. il Johamı Cari Hedliııger; Berııer Verdieııstmedaille, 1751/52,
Silber. Berııisclıes Hisıorisclıes Mııseııııı, Bem. -Die Repııbllk Bem isı Buchloh zu Recht von einem »Vandalismus von oben« spre
dıırclı eiııe ılıroııeııde Mirıerva dargesıellı, die urııer anderen Aııribıııeıı chen, weil die zustandige Institution sich des Druckes von soziaJ
eiııe Sıaııge mit dem pileııs liberıatis lıiilı. und politisch hochplazierten, aber kulturell banausischen Stim
men nicht entziehen konnte oder wollte, im Kontext einer poli
ıischen Kampagne gegen »unmoralische Kunst«. Hinweise auf
den paradoxen Zusammenhang zwischen der hochlabiJen Situa
-aneignung verstanden werden muBte. Das durch diesen Fort tion der »freien Kunst« im westlichen öffentlichen Raum und
schrittsglauben und dieses ErneuerungsideaJ verursachte derjenigen der kornmunistischen DenkmaJer im üsten sind je
schnellere Veralten der Kunst führte auch dazu, daB Denkmaler doch selten geblieben. Einen interessanten Beiırag lieferte der
wie diejenige der Dritten Französischen Republik nicht nur un österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka anhand der Situation
ter politisch Fremdgesinnten (insbesondere wiibrend der deut in Bedin, wo die gestalterische Gegenüberstellung zweier
schen Besatzungszeit) leiden muBten, sondern auch unter Stadt Staatssysteme besonders akut geweseo war.
planem (Abb. 16/18).
24
ka-Gründer Felix Dzierzynski von Demonstranten, aber mit Be iisthetischen Moments der von Riegl angekündigten Aufhe
willigung des Bürgermeisters und unter MithiJfe der VerwaJtung bung des Unterschieds zwischen Kunstwert und Alterswert? Ich
zu Fall gebracht. Am anderen Extrem steheo die DenkmaJ- und denke eber, daB es eioe Folge der gnındsiitzlichen Illegitimitiit
Zeichenzerstörungen in der ehemaligen DDR. die meistens lan dieser meistens fremdbestimmten und zweckhaften Objekte isi,
ge nach der Revolution von 1989 ausgeführt worden sind. Ein wenn man sie mit dem nicht nur im Westen geliiufigen Kunst
visueller Vergleich zwischen dem Sturz der Dzierzynski-Statue begriff miBt. Die geteilten Meinungen in den betroffenen Lan
und der politisch wie techniscb iiuJ3ersı mühsamen Demontage dem uod der negative Konsens im Westen über den Kunstwert
des Lenin-Denkmals in Berlin-Friedrichshain kann diese Dis der »kommunistischen Denkmfiler« haben zweifeUos direkt und
krepanz veranschaulichen. Dieter Zimmer kommeotierte im Ok indirekt zu ihrer Zerstörung beigetragen. Es ist auch bezeich
tober 1991, der Moment sei verpaBt, und es hiitte etwas Peinli nend, daB die zaltlreichen >>gesonderten Gehiiuse« und Park
ches, »durch einen kalten, kaJkulierıen Verwaltungsakt nachzu anJagen, wohin viele Statuen verbannı worden sind, weniger
holen, was dem Volkszom zugestanden hiitte«. 33 Museen als Kuriositiiten- oder Schreckenskabineue, Flohmiirk
Wenn die Ahnlicbkeiten mit frühereo bilderstürmerischen te oder auch westliche »Skulpturenfriedhof«-Projekte37 evo
Taten uod Episoden verblüffen, darf man docb die Unterschiede zieren.
und deren Wichtigkeit nicht vergessen. In einer fiktionalen Andererseits wurde auch in Fachkreisen - obwohl manchmal
Erzahlung von Jorge Luis Borges geliogt es einem zeitgenössi- vergeb)jch - die veriinderte Konzeption des schutzwürdigen
Abb. J 3 Überpinse/ıı eiııer Waııdmalerei zııı· Gesclıichıe Laıeinamerikas aııfAııordmıııg der ııeııerı Stadıregienırıg, Maııagııcı. 26. Okıober J 990
schen Schriftsteller naınens Louis Menard, nach vielen an Denkmals und des Denkmalschutzes sichtbar, die nicht mehr
niihemden Fassungen Teile des >>Don Quichote« genau zu isolierte Objekte, sondern historische und plastische Zusam
rekonstruieren, und docb - so die Moral - entsteht ein geistig menhange und Ensembles erhalten und vermitteln will. Das
völlig anderes Werk, da die veranderten historischen Umsıiinde Berliner Lenin-Denkmal von Nikolaij W. Tomskij (erbaut
sowie die Tatsache selbst, da.13 es scbon einen »Quichote« gab, 1968/69) ist wieder ein exemplarischer Fall, bei dem die durch
allen Entscheidungen des Autors eine andere Bedeutung ge die Demontage verursachte »architektonische Lücke« mehr
ben.-" Vielleicht ist es beim Bildersturm auch so. Nicht nur gibt mals anerkannt und bedauert wurde. Die Geschichte dieses em
es ıechnische Neuerungen wie die schon erwiihnte bildliche Ver blematischen DenkmaJs und Denkmalsturzes ist auBerordenı
ınittluog oder die Sprühdose, die eine einfache, individuelle und lich gut dokumentiert und braucht hier nicht zusammengefaBt
effiziente Aneignung und Umwidmung von Denkmiilem er zu werden. 38 Die Vielfalt der beteiligten Akteure, Argumente,
möglicht." Die gedanklichen Neuenıngen sind gewichtiger. Vorschliige, Druck- und Widerstandsınittel (Abb. 21), die Wei
Zuerst kann man beobachten, wie selten. neben den historischen tersymbolisierung an Ort und Stelle, zeugen m. E. auch von
und psychologischen Argumenten zugunsten von Vergangen einer neuen Situation, selbst wenn die Entfemung des DenkmaJs
heitsdokumentation und -bewfiltigung für die ErhaJtung der als sichtbares Resultat dem Altbekannten gleicht. Der demokra
Denkmiiler auch iisthetische Argumente benutzt worden sind, tische und plural.istische Umgang mit den überlieferten und mit
wiibrend man ihrer Zerstörung oder Beseitigung u. a. mit ab aJlenfaJls neu zu setzenden Kunstwerken und Symbolen im öf
wertenden Begriffen wie »Unkunst« und »Geschmacksver fentJichen Raum ist auch im Westen keine selbstverstiindliche
bildung« Vorschub Jeistete.36 Entspricbt dieses Zurücktreten des und einfache Sache.
25
Anmerkungen
1 Wolfram Knorr, Tot ist der GöLZe, wenn er stürzt, in: Rheinischer in: L'Art et les revolutions. Akten des XXVIJ. Lnıemationalen Kon
Merkur, Nr. 37, 13. September 1991. S. 19. gresses für Kunstgeschichte, Stral3burg 1.-7. Septcnıber 1989. Sek
2 Louis Reau, Histoire du vandalisme. Les monumenıs deuı.ıiıs de l 'arı ıion 4: Les iconoclasmes. Stral3burg 1992, S. 275-284.
français, Paris 1959 (Zitat Bd. 1, S. 16). 11 Pau I Vcyne, Conduites sans croyance et reu vrcs d' arı sans specıa
3 Horst Bredekarnp. Kunsı als Medium soz.ialer Konflikte. Bilder teurs, in: Diogene, Nr. 143. Juli/Sepıember 1988, S. 3-22.
kiimpfe von der Spiitantike bis zur Hussitenrevolulİon, Frankfurt am 12 Peıra Roettig: Beredıe Denkmiiler. Zu einer Tagung über den »Fail
Main 1975. der Denkrniiler« in Leipzig, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 132, 1 O.
4 David Freedberg. lconoclasts and their Motives. Maarssen 1985. Juni 1992, S. 27-28.
5 Ebd.. S. 29-35. 13 Reau (wie Annı. 2), S. 16-25.
6 Vgl. David Freedberg, The Power of lmages. Studies in lhe History 14 Reiner Haussherr, Rezension von: Bildcrstumı- Die Zersıörung des
and Theory of Response, Chicago und London 1989. Kunstwerks. Hrsg. Martin Wamke, in: Kunstchronik, Bd. 27, 1974
7 Siehe Freedberg (wie Anm. 4). S. 9-10. (S. 359-369), S. 362.
8 Zit. nach: Demonıage ... revolutionarer oder restauraıiver Bilder 15 Claudc Langlois. in: Revolution française et »vandalisme revolu
sturrn? Texıe und Bilder, Berlin 1992, S. 1 J. ıionnaire«. Actes du colloque intemational de Clermont-Ferraod
9 George Kubler, The Shape of Time. Remarks on the History of 15-17 decembre 1988, recueillis et presenıes par Simone Bemard
Things, New Haven (Conn.) 1962. Griffilhs, Marie-Claude Chemin eı Jean Erhard, Paris 1992, S. 363
10 Siehe Laszl6 Beke, The Demoliuon of Stalin's Statue in Budapesı. (Debats).
26
<l Abb. 14 Gerec/ıtigkeiısbrııııııeıı mir der Haııs Gieııg zııgesclıriebeııeıı Brım
ııeııjigıır ( I 543), Bem, vor 1986 (S. 26, /iııks obeıı).
<l Abb. 15 Uıııgesıiirzre Stiıtle ııııd zersıörıe Figur des Gerec/ırigkeitsbruııııens.
Bem, in der Nachı des 12.113. Oktobers 1986. - Diese voıı der Jugeııdorgaııisaıioıı
des ,Rassembleıııeııt jurassien, gep/aıııe Aktioıı sol/re der ö/fenı/icheıı Deıııııızie•
ıwıg der Bemer Justiz dieııeıı (S. 26, /iııks uııteıı).
<l Abb. 16 Lyoıı, die Place Carnoı mit dem 1889 voın Arclıiıekıeıı V.A. Blaveue
ııııd vom Bildlıauer Emile Peyııor erriclııeteıı Deııkmal der Repııb/ik im ıırspriiııg
liclıeıı Zıısıaııd (S. 26, reclırs obeıı).
<l Abb. 17 Haııs Aesclıbacher. Figur il, 1962. Marıııor; mir der lıinwgefiigreıı
Jnschrift »R.I.P. Biel«. - Bei der /980 iıı der kleiııeıı lııdımriesıadı Biel staltfiııdeıı
deıı 7. Sclıweizer Plastikaıısstellııııg wıırde fası die Htilfte der im Aııj)eııraıım aııs
gesıellıen Werke anoııynı ııııd absiclıı/ich besclıtidigı bzw. zerstört. Diese lııschrifı
sıellre eiııe Verbiııdııııg zwisclıeıı der grabsıe/eııarıigeıı Fonıı der Skıılptıır wıd der
schwierigen wirısclıafılic/ıeıı Lage der Stadı her. R.J.P. sıelıı fiir »Reqııiescaı iıı
pace« (S. 26. rechıs ıııııeıı).
<l <l Abb. 18 E. Peyııoı, allegorisclıe Grııppeıı »Liberıe«. »Egaliteı< ııııd »Fra
ıemitıf«. Zııstand Oktober 1992. - Diese uıııereıı Teile des Denk:mals der Repııb/ik
wurderı naclı der an/tisslich des U-Balıııbaııs 1974 aıısgeflilırıe Deıııo111age des
Deııkma/s iıı eiııe periplıere öffenıticlıe Aıılage vo11 Lyorı gesrellı (S. 26. Mirıe).
<l Abb. 19 Jean Tıngııely. Skıılpıureıızertriiııımerungsmasclıirıe, 1960. zerstörı. -
Dieses im gleiclıeıı Ja/ır wie Tingııelys selbsızersıörerisclıes »Homage ıo New
York« eıırstcmdene Werk ılıemaıisierı aııclı iroııisclı deıı avaıııgardisıisclıen lkoııo
k/asmııs.
t> b,. Abb. 20 Josep/ı Beuys, Badewamıe. 1960. Privaısaııuııluııg. - Die voıı
Beııys Jıiııwgefiigıeıı Elemeıııe ııııırdeıı beseiıigı ımd das Werk - ııaclı der 1976 vom
Gericlıı besıtiıigteıı Aııffassııııg seines Aıııors und seirıes Besiızers infolgedesseıı
zersıörı. Uıııer aııderem die Taısaclıe, dajJ die origiııale lnsclırift »in dieser Wamıe
wurde Josef Beuys gebadeı« miı »offeııbar zıı /ıeifJ« ergtiıızt ııııırde. liiflt aıı der
Tlıese eiııes »MijJverstiiııdııisses« vveifelıı.
t> t> Abb. 21 Das Leııin-Deııkmal mit dem voıı der »lııiıiaıive poliıisclıe Deıık
maler der DDR« als Protesı gegen deıı geplaııteıı AbrijJ iııstallierıeıı Sprııclıbaııd
»Keiııe Geıııalt«, Berliıı-Friedriclıslıain, O/..wber 1991 (S. 28).
16 Martin Wamke. Bilderstürme. in: Warnke (Hrsg.), Bildersturm. Die ıe«: la fın de 1' Ancien Regiıne en Suisse et la conscrv ation des cm
Zersıörung desKunsıwerks. München 1973; Neuaun. Frankfurt am blemes poliıiques, in: L' Art cı !es revoluıions (wie Anın. 10). S. 213-
Main 1977, S. 7-13 (Zitat S. 10-11). 228.
17 Olivier Christin. Les iconoclastes savent-ils ce qu'ils font? Rouen. 23 Siehe dazu Warnke, Von der Gewalt gegen Kunst zur Gewalı der
1562-1793, in: Revolution française (wie Anın. 15), S. 353-360 (be· Kunsı. Die Sıellungnahmen von Sebiller und Kleist zum .Bilder
sonders S. 355-357). sıurm, in: Bildersturm (wie Anm. 16), S. 99-107.
18 Ebd.. S. 355. 24 Wilhelm Teli. Schauspiel von Schiller. Tübingen 1804. S. 212 f.
19 Karl-AdolfKnappe. Bilderstünnerei. Byzanz-Refomıation - Fran 25 Alois Riegl, Der modeme Denkmalkultus. sein Wesen und seine
zösische Revoluıion. in: Kunstspiegel, 3. Jg.. Heft 4/1981, S. 265- Entstehung. Wien 1903.
285 (Zitat S. 284). 26 Wamke, Bildersıürme (wie Anın. 16), S. 8.
20 Klaus Herding, Denkmalsturz und Denkmalkulı - Revolution und 27 Michael Diers, Von dem, was der Fall (der Dcnkmiiler) isı. in: Kri
Ancien Regime. in: Neue Zürcher Zeirung, Nr. 24. 30./31. Januar tische Berichıe. Jg. 20, Heft 3/1992 (»Der Fall der Dcnkmiilcr«).
l993, S. 63-64. S. 4-9 (Zitat S. 7).
21 Ebd., S. 64. Vgl. dazu Gabriele Sprigath. Sur le vandalisme revolu 28 Thomas Flierl, Denkmalstürze zu Berlin. Vom Umgang nıiı cinem
tionnaire (1792-1794), in: Annales historiques de la Revolution pr.:kiiren Erbe, in:Kritische Berichıe (wie Anın. 27). S. 45-52 (Ziıaı
française, Nr. 242, Oktober/Dezember 1980. S. 510-535. s. 47).
22 Siehe Dario Gamboni: »lnsıromenı de la tyrannie, signe de la liber- 29 Als Beispiel. s. dazu Laurance P. Hurlbun, The Mexican Muralisıs
27
in Lhe United Sıaıes. Albuqucrque 1989. u. a. für die aufschlu6reichc 35 Siehe Petm Rocııig, Sprechcnde Denkmaler. Von der lnscbrifı zum
Geschichte der Zcrstörung von Diego Rivcras Wandmalerei für das Graflito - Formen des Dcnkmalkoınmcntars. in: Kriıische Bcrichte
Rockefeller Cenıcr. ew York, 1933 (S. 159-174). (wie Anın. 27). S. 75-82; fıir cine lnıcrprctaıion von vergleichbaren
30 S. daıu Daıio Gamboni, Un iconoclasme modeme. Theorie eı pra Umfunktionicrungen al� »raıure« (Sıreichung). vgl. Richard Wrig
ıiques comcmporaines du vandalismc (Jahrbuch 1982/83 dcs lcy. Breaking tlıc Code: lnıcrpreting French Rcvolutionary lcono
Schweizcrischen lnsıiıuts för Kunstwisscnschafı, ZUrich), Lausannc clasm, in: Alison Yamingıon und Kclvin Everesı (Hrsg.), Rcllec
1983. sowie Waltcr Grasskamp (Hrsg.). Uneıwünschtc Monumcntc. tions of Revoluıion. London 1993. S. 182-195.
Modeme Kunst im Sıadtraum. München 1989. Neuausg. München 36 S. u. a. Tagliche Geschmacksverbildung, in: Tagesspicgel. 15. April
1993. 1991.
31 Peıer Funken, 1hr mit euren Denkmalem ... in: Dcmontage ... (wie 37 S. als Beispiel Niklaus Morgenıhaler, Pladoyer für einen »Skulptu
Anm. 8). S. 37-38. rcn- und Denkmalfriedhof«, in: Dic Wochcnzeiıung (Zürich). Nr.
32 Michael Baxandall, Limewood Sculpıor.. of Renaissance Germany, 40, 4. Oktobcr 1991, S. 28-29.
New Haven (Conn.) 1980, S. 74. 38 S. insbesonderc Ebcrhard Elfert, Die politischcn Denknılilcr der
33 Dieıer E. Zimmer, Was tun mit Lenin? in: Die Zciı. 18. Oktobcr DDR im ehcmaligcn Osı-Bcrlin und unscr Lenin, in: Denıonıage ...
1991. s. 102. (wie Anın. 8), S. 53-58; Hans-Ernsı Mittig, Gegen den AbriB des
34 Jorge Luis Borgcs, Pierre Menard auıor del Quijoıe. Erste Veröf Bcrliner Lcnin-Denkmals. Ebd., S. 41-46; Maria Rüger. Da� Berli
fenılichung in: Sur (Buenos Aires), Nr. 56. Mai 1939, S. 7-16. ncr Lenin-Denkmal. in: Kritischc Bcriclııe (wlc Anın. 27), S. 36-44.
28
Andr:z:ej Tomaszewski
ZWISCHEN
•• IDEOLOGIE, POLiTiK UND KUNST:
••
DENKMALER DER KOMMUNISTISCHEN ARA
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30
Abb. 2. Leııiııs ıınd Sıaliııs Porıriiıs, gezeich Abb. 3. Xawery Dııııikoıvski, eirıes der Bild Abb. 4. Xaweıy Dııııikoıvski, Eııtwıı,ffıir eirı
neı voıı polrıischeıı Grııııdsclıiilerıı im Zeiclıeıı /ıaııenrıodelle fıir eirı Sıaliııdeııkmal Sıalirıdeııkmal
ıııııerriclıı 11111 1950 (Dııııikoıııskimııseımı Warsclıaıı) (Dııııikowskiıııııseımı Warsclıau)
Nacb dem spontanen Vorgehen der russischen Revolutionare. der ganzen Zeit des Bestehens der Sowjetunion eher sporadisch
die auf Befehl Lenins die Skulpturen der »Klassenfeinde« von auf den Sockeln, als wlire dies nur eine Höflichkeitspflicht den
den Sockeln stiel3en, dabei aber die Sockel selbst vorsorgLich be verehrten Vorfahren gegenüber. Nach seinem Tod wurde jedoch
l ie13en, wurde intensiv zum Bau von Denkmii.lem zur Glorifızie Lenin, der Vater der sowjetischen Revolution und Sohn der rus
nıng der neuen, sozialistischen Sowjetwelı und ihrer Helden sischen Erde, in grol3er Zahl auf den Sockeln der gesamten So
übergegangen. Innerhalb dieser Denkmii.Jer lassen sich drei the wjetunion aufgestellt. Dies reichte bis zum Ende der kommuni
matische Gmppen mit verschiedenen ideologischen Überfrach stischen Ara, lediglich mit einer gewissen Abschwachung in der
tungen und unterschiedlicher Zeitstellu.ng erkennen. Spanne zwischen dem letzten Krieg und dem Tauwetter unter
Die erste Gruppe kano man als ideologisch-politisch, die Chruschtschow, als die jüngeren Genossen den Vorrang erhiel
zweite als ideologisch-kultııre/1 und die dritte als ideologisc/ı ten. Denkrniiler ftir Stalin, das »V aterchen« der gesamten so
paıriorisch bezeichnen. 1n der ersten Gruppe. die von der Revo wjetischen Nation. der gro13e, siegreiche Führer und Bezwinger
lution bis zur Zeit der stalinistischen Repressionen in den dreil3i des Faschismus im »vaterlandischen Krieg«. wurden schon zu
ger Jahren dauerte, treten besonders die Denkmaler der Revolu seinen Lebzeiten errichtet. nahmen aber erst nach seinem Tod.
tionshelden, sei es des unbekannten Revolutionars oder der kon in den letzten drei stalinistischen Jahren. die Form einer hysteri
kreten Persönlichkeit eines bedeutenden Anführers, hervor. 1n schen Explosion an. Eine der ldeen betraf dama Is die Erichtung
r
der gesamten kommunistischen Ara bis zur Perestroika füllte einer monströsen Plastik im Hof des Kremls, die böher als die
sich die ganze Sowjetunion mit massenweise aufgestellten Tiirme werden sollte. Die Autoren des Projekts hegten jedoch
Denkmalem, die die sowjetische Herrschaft symbolisieren: Ro erkennbare Bedenken denkmalpflegerischer Art und baten da
ter Stem, Hammer und Sicbel, auf einem Sockel in der Form ei her einige Experten aus den Staaten des Ostblocks um eine Be
ner Saule oder insbesondere des geliebten agyptischen Obelis urteilung. Einer von ihnen war nıein Hochschullehrer Prof.
ken. Damit einher gingen. ebenfalIs in massenhafter Anzahl, die Zachwatowicz, damals Generalkonservator der Volksrepublik
Denkmii.Jer. die die Arbeiter- und Bauemklasse glorifızieren, in Polen. Aus seinem Bericht weil3 ich, dal3 niemand den Mut auf
der Fomı einzelner Standbilder oder ganzer Figurengruppen brachte. cin Wort der Kritik zu aul3ern, obwohl aile Geladenen
junger, schöner uııd starker Arbeiter und Bauem - den Helden die Idee für absurd hielten. Zachwatowicz kam jedoch ein Ge
der sozialistischen Arbeit. danke: Er lobte das Projekt und fragte, ob die Autoren bedacht
Die Schöpfer des wissenschaftlichen Kommunismus. Marx hatten, dal3 ein solch hohes Denkmal eine Gefahr für Flugzeuge
uad Engels, zwar Auslander aber Intemationalisten, standen in darstellen würde und daher die Anbringung von roten, blinken-
31
den Signallampen anı Kopf und an den Armen Stalins unerliill 1n den von der Sowjetunion unterworfenen und in ihre Ab
Jich waren. Dieses Denkmal wurde, wie wir aile wissen, niemals hangigkeit gebrachten Staaten Mitteleuropas fand der Bau von
errichtet. Denkıniilem nach dem Vorbild und unter dem Druck des
Dagegen wurden in der Zeit Chruschtschows aile Stalindenk >GroBen Bruders< sowie mit dessen Hilfe statt: Kleioe Geschen
miiler entfemt, was erneut ein kommunistisches Beispiel bietet, ke machen Freude. Daran glaubte zumindest der >Grol3e Bruder<
wie mit den Standbildem gestürzter Götter zu verfahren sei. im Yerhiiltnis zu seinen Trabanten. Manchmal waren diese Ge
Nicht aile Standbilder unterlagen jedoch einer Zerstörung. Das schenke nicht gerade klein, wie beispielsweise der Kulturpalast
gro8e Stalindenkmal, das sich über Tifüs erbob, wurde sorgfıil in Warschau, der im Zentrunı der Stadı wie ein Phallus aufragt
tig im Magazin des stiidtischen Museums deponiert, wo ich es und - [ronie der Geschichte - fıir viele auslandische Touristen
betrachten konnte. Der Museumsdirektor sagte mir, er warte auf ein Synıbol für die Stadı. vergleichbar dem Eiffelturm in Paris,
andere Zeiten, denn schlieBlich war Stalin trotz allem der grö8- darstellt. 1n der Regel waren diese Geschenke jedoch fertige
te Georgier ... SkuJpturen. die aus Dankbarkeit auf Sockel gestellt werden
ln diesem Kontext muB an die Umstiinde der Entfemung muBten.
dieses Denkmals von seinem Sockel erinnert werden. Als aus Der Bau von Denkmalern in den eiozelnen Ostblockliindem
Moskau die Weisung zur Beseitigung der Stalindenkmiiler in der wies jedoch einen unterschiedlichen und stiirker differenzierten
ganzen Sowjetunion kam, befürcbteten die lokalen Behörden in Cbarakter auf, der die lokalen Bedingımgen widerspiegelte. So
Georgien Proteste der Bürger. Die beimlich vorbereitete Ab lassen sich die in diesen Staaten errichteten Denkmiiler in füof
nahme vom Sockel und der Transport der Skulptur in das verschiedene thematische Gruppen unterscheiden:
Museumsmagazin mit HiJfe eines Helikopters wurde wahrend in der ersten Gruppe, der ideologisch-politischen, verlief der
eines FuBballspiels Tiflis-Eriwan, als die StraBen der Stadı voll Proze8 ahnlich wie beim >GroBen Bruder<. Jedoch reizten die
kommen menscbenleer waren, durchgefıilırt. Jedoch r.i8 Symbole der komrnunistischen Machthaber in einigen Liindern
wiihrend der Abnahme der Skulptur ein Schuh ab und blieb auf nıcht allzusehr die Augen der Bevölkerung. Diese Staaten be
dem Sockel. Als die Menge das Stadion verlieB und sah, wie sal3en ofüziell das System von > Volksdemokratien< und steuer
Arbeiter mit Hilfe von Presslufthiimmem versuchten, den Schuh ten erst auf den Soz.ialismus zu. Marx, Engels, Lenin und Stalin
zu entfemen, bewarfen sie sie mit Steinen und zwangen sie so traten hier baufig gemeinsam auf, wobei letzterer die Gesell
zur Flucht. schafı 1956 verJassen muBte.
Die zweite Gruppe bilden die Denkmiiler für berausragende Der Abschied vom Denkmal des »Yatercben« verlief unter
Persönlicbkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Kunst, die je schiedlich in den einzelnen Uindern. Die Ungarn umschlangen
doch nicht nur nach ihren objektiv bewerteten Leistungen, son in der Zeit der ereignisreichen antikommunistischen Revolution
dem auch nach ihren »fortschrittlichen« Ansiclıten ausgewiilılt das gigantische Denk.mal mit Ketten und rissen es vom Sockel.
wurden. Aber es war schwer, unter den herausragenden Persön in Prag sprengten die Tschechen das monströse Gruppendenk
lichkeiten der vergangenen Zeiten Kommunisten zu fınden. Da mal mil k:Jeinen Sprengladungen Fragment für Fragmenı. um die
her wurde das Kriterium der »Fortschrittlichkeit« sehr dehnbar umstehenden Denkmiiler nkht zu beschadigen. Jn Bukarest
ausgelegt und haufıg wurde den Kandidaten auf den Sockeln wurde dem Sıalindenkmal der Kopf abgescblagen und durch
Ansicbten angedichtet, dje diese nicht besa8en oder zumindest den Kopf Lenins ersetzt. Warschau besa8 kein StalindenkmaJ. ln
nıe geauBert hatten, um sie dann künftig propagandistisch aus den fünfziger Jahren übertrug der Prasident der YR Polen den
zunutzen. Auf diese Weise enısıanden viele Denkmiiler für Entwurf eines Denkmals dem internationa1 bekannten polni
Leuchten, clie für immer einen Platz in der Geschichte fanden. In schen Bildhauer Xawery Dunikowski, einem ehemaligen Au
den sowjetischen Republiken auBerbalb RuBlands spielten d.iese schwitzbaftling. Dieser hatte zu diesem Zeitpuokt bereits sein
Denkm.aler eine wiclıtigeRolle, da sie die Verbindungen mit der Lebensreuvre dem Nationalmuseum vermacht und dafür die
nationalen Kultur starkten und den Prozel3 der Russifizierung höchsten staatlichen Auszeichnungen erhalten. Neben seinem
erschwerten. Ruhm als grol3er Künstler war Dunikowski als enfant terrible
1n der letzten Gruppe, die zur Nachk:riegszeit gehört, fmden und Witzemacher bekannt. Der Bildhauer fertigte eine Serie von
sich zahlreiche Denkmi:iler, clie zu Ehren der siegreichen Roten GipsmodeUen, von denen eine (Abb. 3) Stalin als Kosaken mit
Armee erricbtet wurden. Die Yerehrung clieser Armee und ihrer spitzem Hut mit Stem und in der Hand eine Welt- oder Kano
Helden schob sich damals auf den ersten Platz und hatte eine nenkugel haltend zeigt. Die ausgewiihlte endgültige Version war
wichtige ideologische Bedeutung in der Zeit des Kalten Krieges. eine Karikatur Sıalins: ein wulstiger Torso auf klotzigen Beinen,
Yon diesen Denkroiilern zu unterscheiden sind die Malmmale milgrol3en Fül3en und Handen sowie einem wutentbrannten Ge
und Friedhöfe für die im Krieg gefallenen Soldaten und die zi sichtsausdruck mit aufgedunsenen Wangen und Lippen, die ge
vilen Opfer des Krieges und der nationalsozialistischen Bar rade vor sich zu spucken scheinen. Wahrend der Priisentation
barei. Diese letzte Strömung besitzt seit der Pbase der Perestro der Modelle zur Bestatigung durch das Politbüro herrschte Kon
ika eine ganz besondere Kontinuitiit in der Gestalt von Denk sternaıion. Der Künstler entging glücklicherweise Schikanen,
mi:ilern für die Opfer des kommunistischen und vor ailem des das Denk.mal wurde nie errichtet (Abb. 4).
stalinistischen Terrors. Der mystische Glaube an die magiscbe Die zweite Gruppe besteht aus einer zahlreichen Serie von
Wirkung von Denkmalern auf die GeseUschaften dauert in Rul3- Denkrniilem der Dankbarkeit gegenüber der Roten Armee als
land weiıerhin an. Yor nicht gaoz drei Jahren konsultierte mich den Befreiern der Liinder von der nationalsozialistischen Okku
in Moskau der damalige. letzte sowjetische Kulturminister zo pation. Die poloische Yersion bestand in dem Denkmal für die
dem sowjetischen Vorschlag eines gemeinsam von Polen und »Waffenbrüderschaft der polniscben und sowjetischen Solda
Russen zu errichtenden Denkmals über den Grabern der I 5 000 ten«, deno, wahrend die Soldaten der übrigen befreiten Sıaaten
vom sowjetischen NKWD in Katyn ermordeten polnischen Of meist auf deutscher Seite geklimpft batten, kampften die polni
fıziere. Offen und mit Erfolg konnte ich ihn von diesem Gedan schen Soldaten im Lager der Alliierten und damit auch oıit den
ken abraten. Sowjets zusammen. Das Denkrnal der »Dankbarkeit« wurde be-
32
gleitet von den Standbildem für die Kommandanten der Abtei Engels zuhause und Lenin und Stalin nur ihre gro.Ben
lungen, die die einzelnen Lander und Stiidte befreit hatten. [n Schüler. Bs febJte also ııicht an lokalen Heiligen des Konı
Krakau beispielsweise befand sich das Standbild des Marschall munismus, wogegen es an den Helden des prokoınmunisti
Koniew, der sich jedoch eher in die polnische Geschichte einge schen Widerstands mangelte.
tragen hat als eine Person, die im Oktober 1956 Warschau mit Das massenhafte Errichten von Denkmalem in den kommuni
einem Ring von sowjetiscben Panzern umgeben hat, um den stischen Sraacen, die sich in der postkommunistischen Phase als
Yerrat des Sozialismus zu vereiteln. Folglich schenkten die Reaktion fortsetzt, ist eine sehr komplexe, uneinheitJicbe Er
dankbaren Krakauer in den Jetzteıı Jahren das StandbiJd des scheinung mit sehr unterscbiedlichen Motiven und Inspiratio
Marschalls seiner Herkunftsstadt am Dom. Fraglich bleibt, war nen. Sie ist das Ergebnis eines ideologischen Kampfes und eines
um diese Preundschaftsgeste die Kritik des sowjetischen Kul Kompromisses der regierenden kommunistischen Elite und den
turrninisters fand. sie unterstützenden gesellschaftlichen Minderheiten mit dem
Die dritte Gruppe stellen die Denkmaler lokaler Heiliger und ganzen Rest der unterjochten Gesellschafr. Die Zentren der
Helden des Kornmunismus. Den neubekehrten Staaten mul3te Macht entwarfen und realisierten eine Politik der Tndoktrination
eine eigene kommunistische Herkunft angefertigt werden. Nicht der Gesellschaft unter anderem durch die massenweise Errich
überall war dies so einfach wie in der DDR. Einerseits wurden tung von Denlcmalem. Dabei mu8ten sie jedoch auf die Gefüh
dazu Personen, die für die Sache das Sozialismus gekampft und le der Gesellschaft und deren Initiative achten. Daher enıstanden
deshalb von den Gerichten verfolgt oder verurteilt worden wa auch Denkmaler von unpolitischem, kulturellem oder humani
ren, aus dem Schatten geholt und auf die Postamente gestellt. stischem [nhalt, bei denen die Gesellschaft sich emotional und
Andererseits wurden die relativ k:leinen prokommunistischen fınanziell engagieren konnte.
Gruppierungen des Untergrundwiderstands und ihre Führer auf Wie uneioheitlicb und von eineın Extrem ins andere fallend
gebauscht und glorifiziert, wobei der Hauptanteil des Wider die Landschaft der Denkmalskulpturen der kommunistischen
stands, der gegen die Deutschen und für Freiheit and Demokra Ara war, kann das Beispiel Warschaus zeigen, wo fast zur sel
tie aber nicht für den Kommunismus gekampft hatte, voHkom ben Zeit und nur in Entfemung von einigen hundert Metern das
men beiseite geschoben wurde. Denkmal für den blutigen Henker der sowjetischen Revolution.
Die letzte, zahlreiche und sehr wichtige Gruppe von Denk Felix Dzierzy(ıski, und das Denkmal für die Helden des War
mlilern und Onen ist den Opfern des letzten Krieges gewidıneı. schauer Ghettos, vor dem Willi Brandt niederkniete, entstanden.
Dabei müssen einige verschiedene Arten unterschieden werdeo. Dies sind bisher unerforschte Erscheinungen. die eine ernst
Dazu gehören die zahlreichen. im ganzen Bereich des Kriegs bafte, interdisziplinare Erforschung verdienen. Die erste Aufga
theaters verstreuten Friedhöfe der gefallenen sowjetischen Sol be sollte dabei die Anfertigung einer wissenschaftlichen Doku
daten, in deren Bezirke sich haufıg auch Denknıaler befınden. mentation der Denkmaler als Materialsammlung für weitere Un
Sie erinnem an das grö8te Opfer, das ein Mensch bringen kano tersuchungen sein.
- das Opfer des eigenen Lebens - in diesem Fail für die Freiheit Der gesamte Fragenkomplex der Denkmaler der kommunisti
anderer. Die Grö8e dieses Opfers wird nicht durch die Tatsache scben Epoche verlangt eine Betrachtung mit gro8er olympischer
verringert, da8 durch die Befreiung des Landes von einer Ruhe und Distanz. Das totalitlire System ist zusarnmengebro
Fremdbesaızung eine andere vorbereitet wurde. Die Entschei chen. Wir worıen es nicht durch einen neuen Toıalitarismus er
dung fıel jedoch nicbt auf dem SchJachtfeld, sondem in Jalta setzen, der die Platze auf den Sockeln für neue Götter und Hel
und Potsdam. den braucht. Yielmehr bauen wir eine Demokratie auf der Basis
Und schlie81ich sind die zahlreichen Denkmaler für das von Meinungspluralismus und Achtung für den Nachsten auf.
Kriegsmartyrium zu nennen: Auf den Gebieten der Konzentra Die Periode der kommunistischen Herrschaft liillt sich weder
tionslager, der Ghettos und der Hinrichtungsstlitıen. Dies sind aos der Geschichte der Staaten und Nationen ausradieren, noch
heilige Orte, deren lnerinnerunghaltung eine moralische Yer aus der Kulturlandschaft der Stadte und Dörfer entfemen. Es ist
pflichtung ist. eine nur zu verstlindliche Sache, da8 die aggressiven Symbole
Für die letzten Jahre lassen sich zu der besprochenen Gruppe der kommunistischen Herrschaft verschwinden, zumal sie meist
die Denkmaler für die Opfer des Kommunismus und för die Kitsch oder zumindest Objekte von recht geringem künstleri
Helden der nichtkommunistischen Gruppierungen des Wider schen Wert sind. ln bezug auf die verbleibenden Denkmaler mit
stands, was manchmal auf das gleich hinauslauft, hinzuzahlen. politischen Aussagen par excellence mu8 eine Selektion, die
Auf diese Weise versucbt die neueste Geschichte gewisser sich lediglich an asthetisch-kulturellen Kriıerien orientiert,
ma8en die Rechnung zu begleichen, indem sie ailen gefallenen durchgeführt werden. Die wertvollsten milssen an ihren Pllitzen
Opfern und Gequalten die gleiche Ehrerbietung entgegenbringt. bleiben. Andere können in speziellen Freilichtmuseen für sozio
lnnerhalb des dargestellten Zusarnmenhangs lassen sich zwei realistische Kunst gesammelt werden. Wenn man die Liebe der
besondere Falle herausstellen: Deutschen zu ihren Gartenzwergen kennt, kann man glauben,
l . in den kommunistischen Staaten, die nicht der sowjetischen da8 solche Museen in diesem Lande sich einem lnteresse er
Hegemonie unterstelJt waren, wurden fast ausschlieBlich freuen können. Die Denkınliler mit unpolitischem Inhalt, vor al
Marx ond Engels toleriert und keine huldigenden Denkmaler lem diejenigen, die dem Martyrium gewidmet sind, verlangen
für die Sowjets errichtet. Dagegen wurde die Aufstellung von eine sehr sorgsame Pflege und den Schutz vor Yandalismus.
Denkrnalern für lokale Heilige und K.ampfer des Kommunis Pür Beriin hatte ich einen Vorschlag: ErhaJten wir das Lenin
mus intensiv genutzt, um damit die nationalistische Propa denkmal als Symbol des Endes und bringen wir an seinenı
ganda zu unterstützen. Sockel - als Syıııbol des Beginns - eine lnscbrift an, die an die
2. Der einzige Staat des Ostblocks, der mit dem >Gro8en Bru Yerdienste des Berliner Ehrenbürgers Michail Gorbatschow für
der< konkurrieren konnte und wollıe, war die DDR. SchJieB das demokratische Deutschland erinnert. Ihm verdanken wir
lich war Deutschland und nicht RuBland die Geburtsstatte auch. da8 wir hier und heute unsere Tagung abhalten können.
des wissenschaftlichen Sozialismus. Hier waren Marx und Leider komrnt mein Vorschlag zu spat.
33
Kirill Razlogov - Anna Vasilieva
»DAMNATIO MEMORIAE«
NEUE NAMEN - NEUE DENKMALER iN RUBLAND (1917-1991)
<l Zersplitterıer Sockel des Sı•erdlov-Denkmals am Plaı� der Reı•o/uıioıı in Moskaıı ııach den Ereignisseıı im Aııgııst /99/. Spliıer ıvıırde an dieser
Sıel/e das orthodoxe Kreı� errichıeı.
35
Seine Symptome waren schon bei der erslen Welle der erinoerungen sich an den alten Namen beleben. Das liegt aber
Mythenbek.ampfung unverkennbar, die seit 1985 nichl nur von auf der Ebene der Psychologie. Aus geschichtlicher Sicht hat
oben bewilligt, sogar angeordnet wurde. Wobei man sich schon man ja keinen Grund, gerade den Anfang des Jahrhunderts zu
damals das Goldene Zeitalter aichl irgendwo in der Zukunft als wiihlen: Wenn man schon aJte Namen wiederherstellen will,
Gespensı des Kommunismus, sondem in Form der guten slawo warum nichl die aus dem 16. Jahrhundert oder aus der Zeit vor
philen Tradition -eher in der Vergangenheit-vorstellte. Daruoı der Mongolenherrschaft (um aJle tatarischen Wurzeln auszu
brach so schoell die offiz.ielle Version zusammeo, die das Ver reillen) oder vor der Christianisierung RuBlands? Waruın könn
weilen bei »WiederhersteUung der Lenischen Normen« ver te man sich nicht daran erinnern, da8 auch Moskau zur Zeiı sei
langte. Als ausschlaggebend erwies sich der Vektor, den man, ner Gründung gar nicht Moskau hieB?
um den Titel beliebter amerikanischer Serien zu paraphrasieren.
aJs »vorwiirts in die Vergangenheil« bestinunen könnte. Die Das von oben bestiitigte und abgesegnete Verdriingen der
Riickwiirtsbewegung vom Primat der aUgemein menschlichen jüngsten Geschichte führt zu unmittelbaren Folgen: Viele Denk
Werte gegenüber den klassengebundenen Werten zur orthodo maler, die keinen direkten Bezug zur Lobpreisung des politi
xen Religion als Gnındlage des Dri.tten Rom, vom Leninismus schen Regimes haben, sind nicht mehr geschützt. So werden
zum Mouarchismus und weiter zur Bauerngemeinde und zum zum Beispiel in der Republik der Mari aus den Listen geschütz
Altglauben gewann einem globalen Charak:ter, indem Demokra ter Denkmiiler viele Obelisken gestrichen, die zu Ehren der im
ıie, Marktwirtschaft und lrreversibilitiit der Reformen verkündet Zweiten Weltkrieg Gefallenen aufgestellt wurden. Als Vorwand
werden. dazu dient das Fehlen des kiinstlerischen Werts. Aus diesem
Grund könnte man. ohne zu zögem, 99% aller Denkmiiler der
Der Bildersturm verwandelte sicb in einen Kampf für die Erde entfernen. So bietet sich die Möglichkeit der Ausplünde
Wiederherstellung der alten Tkonen, wobei auf eigenartige Wei rung; die russische Geschichte (auch die jüngste) ist reich an
se die lnteressen der KPdSU (spiiter auch der »Demokratie«), solchen Beispielen.
der schöpferischen lntelligenz und der orthodoxen Kirche in Mit Hitfe iihnJicher Argurnenle rechtfertigt man auch, da8
eins zusammenflossen. Und auf denselben Fahnen, wo noch ge entfernte Denkrniiler nicht schriftlich erfaBt werden, die ınanch
slern Losungen wie »Proletarier aller Liinder, vereinigt euch!« mal mit groBem Gewinn auf internationalen Auktionen verkauft
und »Es !ebe die KPdSU« gescbrieben stand, heiBt es heute werden und dann auf der Ranch von MiUioniiren aus Texas her
»Christus. aufersteh« oder »Vaıer Sergios, rene RuBland!«. umstehen - wohl bis zur niichsten Kampagne für die Rückgabe
russischer Kunstgegenstiinde in die Heimat.
Gerade darin besteht unserer Meinung nach der gruodsiitzli
che Unterschied zwischen dem BiJdersturm im Jahre 1917 und Andererseits ist der künstlerische Wert kein Hindemis, wenn
dem Bildersıurm im Jahr 1991. Der erste ist völlig auf Zukunfı es sich um den Sturz von politischen Symbolen handelt. So
orientiert - aite Namen werden gegen neue getauscht, aite sanktionierten die Machtorgane, den herrischen Instinkten der
Denkmiiler werden entfemt, um fiir neue Denknıiiler Platz frei vandalierenden Menge gehorchend, d.ie Entfernung der Dzier
zumachen; der zweite ist auf Vergangenheit ausgerichtel - neue zynski-DenkmaJs vom Lubjanka-Plaız, der ebemals nach dem
Namen werden annulliert und alte wiederhergestellt (ein beson »Eisemen Felix« benannt wurde, obwohl gerade dieses Denk
ders anschauliches Beispiel dafür ist St. Petersburg selbst), die mal. das Gesamtbild des Platzes vollendet hat. Mit der Umbe
Denkmiiler werden entweiht und vemichtet, und an ihrer Ste!Je nennung des Dzierzynski-Platzes in Lubjanka-Platz ist auch ein
werden spontan oder organisiert Kreuze errichtet. Es gibt gar anderes kennzeichnendes Paradox verbunden: ln den letzten
keinen Plan für die Errichtung neuer Denkmiiler - bestenfalls Jahrzehnten wurde in volkstümlicher Umgangssprache der
einen Stein aus Solowski auf dem Lubjanka-Platz oder Reste der KGB (Komitee für Staatssicherheit) >>Lubjanka« genannt. Den
Barrikaden neben dem >WeiBen Haus<. offiziellen Namen KGB auszusprechen, war nicht möglich, dies
konnte Unglück bringen. Jetzt aber ist der alte Name Lubianka
Das ist aus der Sicht der sozialen Psychologie mehr als be eine eigenanige Verewigung ... des in Sicherheitsministerium
zeichnend. Wiihrend der Tausch eines aJten Namens gegen ei umbenannten, unheilverkündenden Kornitees. Das ist nur ein
nen neuen (in jedem System von kulturellen Symbolen) wenig Paradoxon der heutigen Situation, wo die auf ein bestimmtes
stens von geschichtlicher Denkweise zeugı, spricht die Rück Ziel gerichteten Bemühungen der Behördeıı das entgegenge
kehr der Vergangenheit für das verborgene Streben, die jüngsten setzte Ergebnis hervorrufen.
Jahrzehnte zu streichen, sie aus den lebendigen Erinnerungen
der Menschen zu verdriingen und in die sündlose. priihistorische Bin letzter, eigentlich künsLerlischer-stilislischer Aspekt:
Vergangenheit der angeblich ewigen »allgemein menschlichen Heute, wo der >Stalinistische Barock< schon der Vergangenheit
Werte« zurückzukelıren. im Kampf für die »geistige Wiederge angehört, ist vielen Kunstwissenschafılern klar geworden, dall
burt RuBlands«, für die Wiederherstellung des ideologischen dies einer der letzten Versuche war, eioen globalen Stil der Epo
Monismus als Gegengewicht zum deklarierten Pluralisnıus ist che zu schaffen, der eher mit den altorientalischen Despotien als
nicht nur die Entfemung der Denkmiiler, sondem auch die Li mit dem 20. Jahrhundert im Einklang stand. Lm Rahmen dieses
quidienıng der Erionerungen an den »Totalitarismus« offizieJJ groBeo Stils existierte eine eigene Art der Baukuost (Hochhiiu
sanktionierı. Gleichzeitig nimmt die Welle zu. die Denkmiiler ser), eigene Melodien (»Du bist weit, mein Heimatland«), eige
der vorangegangenen Perioden, darunter auch die lauı dem zi ne Plastik (»Arbeiter und Kolchosbauerin« oder >>Der Ptlaster
lierten Oekret enrfemten, unter Denkmalscbutz zu stellen. stein ist die Waffe des Proletariats«), eigene Filmgestalten. Ins
gesamt war er eine Herausforderung für fremde Motive, wie
Indem 70 Jahre einfach ausrad.iert werden, wird die Pseudo küostlerisch hochstehend sie an sich auch geweseo sein mögen.
konlinuitlit der Entwicklung wiederhergestellt. die den hochbe Das zieht sogar die besten Entwiirfe zur Auswechslung von
jahrten Akademierniıgliedem anı Herzen liegt. deren Kindheits- Standardobctisken gegen Skulpturen, die in eincm andcren Stil
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Die Eıııferııııııg des Dzierzyfıski-Deııkma/s am 22. Aııgıısı l 991, im Felix Dzierzyfıski, im Volksmıınd der ,Eiserııe Felix, geııaııııı, ııaclı
Hiıııergrımd das Gebtiııde des KGB. deınAbbaıı.
gestaltet sind, in Zweifel, wie z. B. im offiziell gebilligten Plan mal3en Erinnerungen weckt und das Erbe der vergangenen Epo
der Auswechslung der Denkmiiler im Ring der Verteidigungs che verewigen soll. Nach einem Rekonstruktionsptan für das
linie um Leningrad wiihrend der Btockade. Aber dies wiire ein Geliinde, welches das )>Zentrale Haus des Künstlers« am Krym
Thema für eine andere, rein kunstwissenschaftliche Untersu ski WaJ umgibt. wird vorgesehen, den in der letzten Zeit ent
chung. ferncen Monumenten ein Eckchen zuzuweisen. - sofem sie
Um diesen Berichı nicht mit einer pessimistischen Note zu be natürlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht für »nützliche Zwecke«
enden, solt noch ein Projekt erwiihnt werden. das gewisser- veruntreut worden sind.
Kar/-Marx-Deııhııal iıı Moskau. Aııf dem Posıa Karl-Marx-Deııkmal iıı Moskaıı. Auf dem Das Sverdlov-Deııkma/ om Plar:. der Revolurion
meııı srelıt: »Proletarier aller Uiııde,; vereiııigt Postaıııeııı sıelır: »Prolerorier a/ler liiııder. ver ııor der Emfemııııg. Aııf dem Sockel srelıt:
eııclı im Kamp/ gegeıı deıı Koıımıwıismııs!« zeilıeıı Sie mir birre.« »Heııker«.
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Bogdan S. Tscherkes
<l Lenin-Deıılı.7na/ ouf dem Miillobladeplatz des Kiewer Kııııstkoıııbiııaıs im Febrııar 1993
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W. leııiıı, Bekrö11uııg des Projekıs des Sowjeı Feli.x Dzierzynski, Begrüııder des KGB, iıı der ,Leııirı als Kirıd<, eiıı Meıer Höhe, voıı den
palasrs iıı Moskaıı (1935), Bildlıaııer Sergej Stadı Dııiprodserslıynsk (1948), Bildhauer Bi/dlıaııerıı E. Fridmamı ıınd J. Beiosıozkij.
Merkıırow, 100 Meıer Hölıe. Sergej Merkurow. Kiew 1940-50.
wert, wurden aus nichtdauerhaften Stoffen enichtet und sind in ses Volk entweder zu vernichten oder zu assimilieren. Anı An
ihrem ursprünglichen Zustand bis in unsere Zeit praktisch nicbt fang wurden mehr als 80 Wissenschaftler und Künstler erschos
erhalten geblieben. Als ein Beispiel für deraıtige Denkmıiler sen. hn Winter 1932/33 wurde von Lenins und Stalins Gefolgs
kann man die Lenindenkmiiler im Dorf Witawa, Bezirle leuten und Kampfkameraden eines der schrecklichsten Verbre
Winnytsja (J 924, Bildhauer-Arbeiter I. Tscherwinskij, M. und chen organisiert - eine künstliche Hungersnot, der zehn Millio
L. Sawkows, T. lschtschuk u.a.), in den Stadten Mykolajiw nen Menschen zum Opfer fielen. Fast die halbe Nation wurde
(1927, Bildhauer W. Koslow), Korosten (1927, rekonstruiert begraben. Der Wille zur nationalen Selbstfuıdigkeit war gebro
1947) nennen.4 1nteressantere, im Stil des Konstruktivismus ver chen. Als ein Grabstein der Ukrainer wurde in Charkiw, der ehe
fertigte Denkmaler wurden von dem talentierten Bildhauer lwan maligen Haupıstadt der Republik, eio Denkmal des gröBten
Kawaleridse Artem (echter Name F. Sergejew}, einem der Füb ukrain.ischen Dichte�S, T. Schewtschenko, aufgestellt. 1935
rer der ukrainischen Kommunisten, in den Stiidten Bacbmut wu.rde dieses talentvolle Werk von dem Moskauer Bildhauer
(1924) und Slawjanogorsk (1927) im DonbaB geschaffen. 16 M. Maniser und dem Architekten 1. Langbard errichtet. Eine der
Mitte der zwanziger Jahre fing man an, Lenfodenkrnıilerwett fürchterlichsten Taten Stalins, »des Führers aller V ölker«. war
bewerbe durchzuführen. Die Festigung der komınunistischen zu Ende gebracht. Zu Ehren ahnlicher, nicht weniger schreckli
politischen und ökonomischen Macht ermöglichte das Heran cher Taten in anderen Teilen des Sowjetreichs hat Sergej Mer
ziehen der ukrainiscben und nıssischen Bildhauer der jungen kurow nur in der Hauptstadt riesige Monumente der kommuni
und der alteren Generation zu diesem Thema. 1n der Kunst be stischen Füh.rer errichteı: Stalin- uııd Lenindenkmfiler. je 26 m
gannen die ersten Absolventen der sowjetischen KunsUehran hoch, anı Anfang des Moskaukanals im Jahr 1937; das 16 m ho
stalten zu arbeiten. 1924/25 wurden Wettbewerbe in Kiew und he Stalindenkmal von 1939 auf dem Territorium der Allunions
1925 in Odessa durchgeführt. Bemerkenswert ist eine Tendenz, landwirtschaftsausstellung. Das gewaltigtste Gebaude, der
Projekte aus Moskau und Leningrad für die besten zu halten. So Moskauer Sowjetpalast, wo alJein die Leninstatue eine Höhe
siegten im Wettbewerb in Kiew d.ie Autoren aus Moskau, S. von 100 Metern haben sollte, wurde von demselben Merkurow
Merkurow und L Osipow. Merkurow hat immer gesiegt. Er zusammen mit dem Architekten B. B. lofan, W. Hel frejk und W.
machte die Totenmaske von Lenin, um auf d.iese Weise den Schuko projektiert.3 GroBe Denkmaler baute man auch in ande
»Heiligen« des kommunistischen Olymp berühren zu köıınen. ren Stadten des Landes.12
1n Odessa siegte der künftige Klassiker des Sozialistischen Rea ln der Ukraine wurden die FührerpersönJichkeiten meistens
lismus, der Leningrader Architekt I. Rudnew. Sein Projekt stelh als sich nach blutigen und »mühevollen« Taten erholende und
einen riesigen Obelisken dar. in den ein Leninprofil, der Erd unterhaltende Gestalten dargestellı: z.B. Lenin und Stalin, voo
umriB und die aufgehende Sonne eingemeiBelı sind. Das Thema den Bildbauem J. Belostozki, H. Piwowarow, E. Fridmano;2
»Lenin-die Sonne<< ist auch mit einenı aoderen Projekt aus Le Stalio und Gorki, von Bildhauer A. Kruglow;20 Stalin von Bild
ningrad von Architekt 1. Langbard vertreten (Anm.14, S. 5). An hauer G. Petraschewytsch.19 Um ilınen gi.instigere Rahmenbe
spruchslosere Projekte durfıen aucb ukrainische Künstler ver dingungen zu verschaffen, wurden sie in Parks, Garten und
wirklichen, wie zum Beispiel das Lenindenk:ınalprojekt im Grünanlagen, wie z.B. im Garten LeninskohJengrube im Don
Rayonzenter Schostka von Bildhauer I. Kawaleridse. baB, plaziert. Unter dem EinfluB des HypermaBstabs der Archi
Die dreiBiger J ahre waren die tragischste Epoche der Ukraine tektur des Moskauer Sowjetpalasts versuchte man in der Ukrai
in ihrer ganzen Geschichte. Stalin stellte sich die Aufgabe, die- ne auch die Diktatorenstatuen in die Archicektur der Gebaude zu
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Typisches Leııiıı-Deııkma/ der seclıziger und Die Deııkmtiler der Fiilırer der ııkraiııisclıeıı Variaıııe des Soıvjeıkomııırıııismııs iıı Kieıv: S. Kosi
siebziger Ja/ıre iıı Saporialıja( /964). Bild or. /970, Bildlıaııer /. Makogoıı, Arclıitekt /. Kaıerııoga (liııks) ııııd G. Peıroıvskij, 1970, Bifd
Jıauer M. Lyssenko ıınd N. Srıclıodolow. lıaııer A. Olijııyk. Arclıiıekı /. Laııjko (reclırs).
integrieren. Das geschah sogar in kleinen Stlidtchen. Als Bei row 1944-46 ein Lenindenk.mal in Kiew. Danach begann die
spiel kann das 1940 geschaffene Projekt des Stalinkulturpalasıs Wiederherstellung und der Bau der Zentralsıra13e Chreschtscha
in Kramatorsk von den Bildhauem Lalin, Swirski und Sawads tyk (Anın. J O, S. 2), wo man eigenartige kommunistische Zele
kj dienen.' brationsformen sehen kann. Derselbe Merkurow schuf gemein
1935 wurden zuerst in Charkiw und dann in Kiew und Lwiw sam mit den Architekten S. Franzus und W. Scharapenko 1952
staatliche Bildhauerwerkstiitten gegrilndet. 7 Diese Organisaıio ein Lenindenkmal in Lwiw. Es ist zu bemerken, daB diese Wer
nen hatten in der Ukraine bei der Darstellung von Führern des ke sich der gebauıen Umgebung anpassen. Hoch isı auch die
Sowjelkommunismus eine Monopolstellung in der Denkmiiler Ausfühnıngsqualitiil der architektonischen Bestandteile der
produktion. Ihren Tiitigkeitsbereich in der zweiten Hiilfte der Den.kmaler, des Sockels. der Treppen. Biinke. Blumengarten.
dreiBiger, vierziger und Anfang der fünfziger Jahre illustriert der Beleuchtungsanlagen. Eine mehr zum HyperrnaBstab tendieren
>Katalog von Skulpturen und Dekorationswerken<, der in Kiew de Lösung stellt das Lenindenkmal in Jalta dar (Bildhauer P. Ja
1949 veröffenllicht wurde.11 Wie es im Katalog heiBı, sind da zyno, Architekt A. Fomin).
»Werke der berühmtesten Bildhauer der Ukraine« dargesıellt, Das Muscerexemplar eines Stalindenkmals sollte in den fünf
die man in Gipsausführung, in Beton. Granit, Bronze, Marmor ziger Jahren ein 51 Meter hohes Monument von Bildhauer
und Marmorersatz bestellen kann. Zu den »berühmtesten« S. Merkurow und Archiıekı R. lsraelan werden. Es sollıe in Jer
gehörte das Tandem, bestehend aus den Bildhauern E. Fridmann ewan aufgestellt werden. Aber die Verurteilung des Sıalinkult.�
und E. Belostozki, der Akademiker M. Lyssenko und der Bild auf dem 20. Parteitag der KPdSU l 956 störte die Verwirkli
hauer K. Didenko sowie die Autorengruppe M. Wronski. chung dieses Projekts. Nach den Berichıen von Augenzeugen
A. Olejnyk und S. Knishıı.ikow. und Vollzugsorganen wurden danach in der Ukraine alle Stalin
Das Tandem hat eine Leningestalı von 3.75 Metern und den statuen im Laufe einer Woche in der Nacht abgenommen. Der
einen Meter bohen Lenin als Kind ausgearbeitet. Der Akade erste Myıhos war verwehı. Das Götzenbild war gefallen.
miker bosselte eine 2,25 Meter hohe Stalinskulptur. und clie AuBer Lenin- und Sıalindenkmalern wurden bis in clie fünfzi
Autorengruppe modellierte Lenin und Stalin in der gleichen ger Jahre auch Denkmaler der kleineren Führer des Sowjetkom
Höbe von 2,85 Metern. Die Denkmliler wurden zwei Monate munismus aufgestellı. Neben den schon erwahnten Denkmiilem
nach Auftragseingang aufgestellt. Man hat mit diesen Skulpnı sind hier folgende charakterisıische Beispiele zu nennen: das
ren das ganze Territorium der Ukraine »befruchtec«. fhre Anwe Kotowskidenkmal in der Stadt Uman (l 926. Bildhauer J. Belo
senbeit war ob)jgatorisch für Stiidte und Dörfer, Fabriken und stozki und E. Erdmann), das Kirovdenkmal in der Stadı Kiro
Betriebe, Parks und GrünanJagen, Scbulen und Kinderglirten. wograd (1936, Bildhauer L Maruser. Archüekt W. Witınan), das
Neben den entsprechenden Filınen, Büchem, Bildem, Gedich Dzierzynskidenkmal in der Stadt Dniprodsershynsk (l 948,
ten und Liedem sollten diese Götzen einen neuen Sowjetmen Bildhauer S. Merkurow), das Kalinindenkmal in Dnipropetro
schen erziehen. Dieses Ziel wurde erreicht. Es erschien ein wsk (1949. Bildhauer W. Tschekanew, Architekt W. Selidow),
»homo sowieticus«. das Budjonnydenkmal in Donezk (1950). Mehrere von diesen
AuBerdem vergab man schon in den ersten Nachkriegsjahren Denkmalem wurden spater umgebauı und wesentlich veriindert.
an auserwiihlte Bildhauer und Architekten kostbare Auftriige. Der BeschluB des Obersten Sowjets der UdSSR von 1945.
So errichtete der Haupcbildhauer von Sowjetführem, S. Merku Denkmaler der zweimaligen Helden der Arbeit und Helden der
row, zusammen mit den Architekten A. Wlasow und W. Jelisa- Sowjetunion zu errichten, rjef eine neue Denkmiilerart ins Le-
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>Die siclı erlıoleııdeıı Flihrer, Sıalin ııııd Gorkij (links) mıd Leıı.iıı ıınd Sıa!iıı (reclııs), wie sie iıı der Ukraiııe ııaclı der küııstlich
lıerbeigefiilırteıı Huııgerkaıasıroplıe voıı 1932/33 dargesıellt wıırdeıı: Bildhauer A. Krııglow.
ben, die die ldeen der kommunistischen Führer verbreiten soll Meter hohes Lenindenkrnal auf einem niedrigen Granitsockel
te. Haupısachlich Büsten waren sehr lukrativ und dienten als errichtet, der die Steinkohlenschicbten darsteUen soll. Dieses
wesentliche Einkommensquelle für mehrere sowjetische BiJd Denkmal wurde ohne besondere Varianten in der ganzen Repu
hauer. Die Denkrnaler wurden vor den Kolchos- und Betriebs blik kopiert. Die ukrainische Kunstwissenschaft halt es für eines
kontoren, in Klubs und Dorföiten aufgestellt. [bre Entwi.ckJung der besten (Anın. 26, S. 28). lnteressant sind die Überlegungen
kann man anhand der folgenden Beispiele von Büsten beispiel von E. Kunzewytsch hinsichtlich seines Werks, die das Denken
haft erkennen: Büste der Gruppenleiterin H. Koschewaja (195 l , eines Künstlers in einem totafüaren System widerspiegeln. Er
Dorf Welykopolowezke, Gebiet Kiew. Bildhauer I. Kawalerid schreibı: »Die grö8ten Errungenschaften der sowjetischen
se. Architekt I. Dnestrow), Büste von H. Burkazka (1969, Dorf Kunst sind mit der Leniniade verbunden. Jede Künstlergenera
Heronymiwka, Gebiet Tscherkassy, Bildhauer H. Kaltschenko, tion setzt die Arbeit an der Leningestall fort, immer neue Züge
Architekt I. Kabemaga), Büste des Erfinders G. Bajda (1962, des Führers aufdeckend. Das Leninthema braucht die volle
Dorf Lesky, Gebiet Tscherkassy, Bildhauer A. Shirazkow, Ar Schaffensk:raft der Künstler. leh glaube aucb, in der Zukunft das
chitekt D. Schtscherbakow), Büste des Kolch9svorsitzenden Glück zu haben, an dessen VerwirkJichung zu arbeiten« (Anın.
P. Sheluk (1978, DorfTyman.iwka, Gebiet Winnytsa, Bildhauer 13, S. 34). 1n den meisten Fiillen lie8 sich »dieses Glück« mit
S. Moros, Architekt A. Snisarew), DenkmaJ des Brigadiers hohen Autorenhonoraren erklaren, die für ein Lenindenkrnal
I. lsotow ( 1968, Dorf Gorliwka, Bildhauer W. Kostin, Architekt drei- bis fünfmal höher waren als für gewölınliche Arbeit. Ge
M. Jakowlew).2> gen Mitte der achtziger Jahre wurden in ailen Gebiets- und
Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, nach dem be Rayonszentren der Ukraine Lenindenkmliler errichtet. Bis Ende
kannten Kampf gegen die Mal3losigkeit in der Architektur, be der achtziger Jahre zahlte ınan in der Ukraine mehr als 4000
gann in der Ukraine eine neue Etappe der Errichtung von Denk (viertausend!) Lenindenkmaler. Die oben erwahnten Monumen
mfilem für die Führer des sowjetiscben Kommunismus.26 Man te hielt man für die qualitlitsvollsten. Einen Teil der Denkmaler,
begann mit der Errichtung von Lenindenkmalem in den Stlidten die untauglich wurden, rekonstruierte oder emeuerte man. Als
Dnipropetrowsk (1957) und Charkiw (1963) von den Bildhau Beispiel der charakteristischsten Lenindenkmliler, die in den
em M. Wronski und A. Olejnyk und dem Arcbitekten A. Sy siebziger und achtziger Jahren in der Ukraine errichtet wurden,
dorenko sowie in der Stadt Saporoshje (1964) von den Bildhau waren die Denkmfiler in der Stadt Nishyn ( 1974, Bildhauer
em M. Lyssenko, N. Suchodolowa und den Architekten B. Pryj A. KowaJow, Architekt W. Shiguün) und in Ternopil (1978,
mak und W. Ladnyj. Diese Denkmfiler, hauptslichlich aus Bron Bildhauer A. Robermaıın, Arcbitekt G. Karassjow) zu nennen.
ze und Granit, stelJen Lenin aJs einen sechs bis acht Meter ho Aber für kommunistische ldeologen war das noch zu wenig.
hen Tribun auf bohem Sockel (8- J 4 Meter) dar, wo Reliefs und Zu den Jubiliiumsdaten wurden Stiidte und Dörfer mü Bildern
Figuren mit Themen der bolschewistischen Revolution, die die von kommunistischen Führern und Revolutionsdarstellungen
Verwirklichung der ldeen des Len.inismus schildern, sowie Bil geschmilckt. Das nannıe man »Monumentalpropaganda«. Dazu
der von Arbeitern, Kolchosbauern und Jugend untergebracht bedurfte es riesiger Mengen Stoffe, Farben, MetaJI und Holz.
werden. Noch weiter in der modemistischen Behandlung der Am Vortag eines Jubilliums veröffentlichte man anschauliches
Leningestalt gingen der Bildhauer E. Kunzewytsch und die Ar Lehrmaterial für dessen künstlerische Ausgestaltung. Zum
chitekren N. lwantschenko und W. lwantschenko: [n der Stadt hundertjahrigen Jubillium des Geburtstags von Lenin veröffent
Donezk, der Bergleutehauptstadt der Ukraine, wurde ein 7,5 lichte man zum Beispiel in Kiew ein Album »Feierliches
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Deııkmal des Grofteıı Okıobers iıı Kiew( 1977). Bildlıaaer W. Boroılaj, W. Sııoba, l. Sııoba. Arclıiıekıeıı A. Malyııoıııskij, N. Skybyıskij
Schmücken von Stiidten ıınd Dörfem«, in dem 200 verschiede vernichtungen von Konterrevoluüonaren durchgefıihrt und den
ne Varianten der Darstellung von Lenin auf Stra8en und Pllitzen, Hunger organisiert. Anders gesagı, sie haben alle Wünsche Sta
an den Hliusem und in Innenriiumen, in Betrieben und wii.hrend lins verwirklicht und sich dabei völlig verausgabt.
der Manifestationen vorgestellt wurden.' Diese kommunisti Gegen Ende der dreiBiger Jahre duıfte das Reich schon nicht
schen Vorfühnıngen beschi.iftigten eine ganze Annee von mehr so viele Führer haben. Deshalb wurden bis 1939 fast aile
Künstlem und verschlangen ein gewaltiges Kapital. diese Parteiführer erschossen. Einer der Führer der Ukraini
Höhepunkt des Leninthemas in der Ukraine wurde das schen Koınmunistischen Partei. Mykola Skrypnyk, beendete
>Den.kına) des gro8en Oktobers<, das auf dem Zentralplatz von sein Leben schon 1933 mit Selbstmord, nachdem er das ganze
Kiew im November 1977 eröffneı wurde. Die Bildhauer Grauen des Weges, durch den die ukrainischen Kommunisten
W. Borodaj, W. Snoba, 1. Snoba und die Architekten A. Mali das Volk führten, erkannt hatte. Bis Ende der sechziger Jahre
nowski und N. Skibizki entwickelıen das berühmte Lenin-The durfte man sich nicht an diese Leute erinnem. Aber die Wahl
ma - die Fahne. Die sieben Meter hohe Bronzefıgur des Führers von Petro Schelesı zum Ersten Sekretar des ZK der KPdSU iin
aus rotem Granit bewachten vier Bronzefiguren: der Arbeiter, derte die Situation. Als erster versuchte er, eine autonome Poli
der Rotgardist, der Matrose und die Kriegerin. Der Platz wurde tik einzuflibren. Dafür wurde er 1972 als Nationalist verurteilı
mit Springbrunnen und unglaublichen Granitıuengen ge und auf kommunistische Weise anathematisiert. Aber Schelesı
schmückt. W ii.hrend der Deııkmaleröffnung auftretend, sagte hatte noch ZeiL gehabL. der Errichtung der Denkmaler von Füh
Wolodymyr SchtscherbyzkL der ehemalige Erste Sekretiir der rem des ukrainischen Kommunismus den Weg zu bahnen. So
Kommunistischen Partei der Ukraine: »Jahrhunderte werden wurden nacb lihnlichem Schema die Denkmiiler fllr politische
vergehen. neue Generationen kommen. Und das heute eröffnere Funktionare des ukrainischen Kommunismus errichtet: M.
Monumeııı wird zu einem ewigen Symbol unserer gro8en Re Skrypnyk (1968, Charkiw, Bildhauer N. Owsiankin, Architekt
volution, zu einem Symbol des Triumphes der unsterblichen W. Gnesdy low), S. Kosior ( 1970, Kiew, Bildhauer 1. Makogon,
Ideen des Marxismus-Leninismus!« (Anın. 23. S. 2). Niemand Architekt N. Katemoga), G. Petrowski (1970, Kiew, Bildhauer
konnte sich vorsteUen, daB die Pioniere. die neben dem Denk A. Olijnyk, Architekt l. Lanjko), W. Tscbubar (1970, Kiew,
mal Wache hielten, vierzebn Jahre spliter dieses Denkmal ab Bildhauer I. Scbapowal, Architekt 1. Schemsedinow). AuBer
bauen würden. Wabrhaftig, die Wege Gottes sind unbegreiflich. dem wurden damals in Tschemigiw die Denkrnliler derer errich
Es sei aucb noch eine rein ukrainische Besonderheit bemerkt. tet, die in der Ukraine den Kommunismus durch blutige Ge
Wie schon anfangs gesagL, war die bolschewistische Revolution waltherrschafı gefestigt hatten: J. Kotsjubynski (1970, Bildhau
in der Ukraine aus Ru8land importiert worden. Neben den Trup er F. Kotsjubynski. Architekt G. Urusow), W. Primakow (1972,
pen der Roten Armee von Lenin-Troıskij besclıliftigte sich mit Bildbauer F. Koısjubynski, Architekt W. Ustinow).6 Die Höhe
Einführung ıınd Festigung der Sowjetmacht in der Ukraine vor dieser Darstellungen betrligt vier bis sechs Meter. Aile genann
ailem die in Moskau gebildete Kommunistische Partei der Bol ten kommunistischen Führer, auBer G. Petrowski, waren in Sta
schewiki der Ukraine. Diese Parıei und ihre Führer harten hier lins Gefangnissen erschossen worden.
in den zwanziger und dreiBiger Jahren keinen geringeren Ruhm, Al_s 1985 Michail Gorbatschow zur Macht kam, regierte in der
als die oberen Führer in Moskau. Sie haben die Ukrainisierung Ukraine W. Schtscherbytski, der bereits für sich selbsL ein Denk
und dann die Kollektivisierung und Industrialisierung durchge mal errichtet hatte (l 979, Sıadt Werchnedniprowsk, Bildhauer
fülırt., die Intelligenz und die Bauemschaft vemicbtet, Massen- W. Tschekanew, Architekl L. Suponin). auBerdem fiir seinen
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Lehrer und Laııdsmann Leonid Breshnew (1976, Stadt Dni Fiillen liegen sie auch in Lagem der Kommunalwinschaft oder
prodsershynsk, Bildhauer W. Sosnyk, Archirekten S. Kulow und der Skulpturfabriken. in den Stadten und Dörfem stehen noch
M. Kruglow). Die ukrainische Kommunistische Partei ist für nicht vollstiindig zerschlagene Sockel. Bine ganze Epoche geht
ihren Konservaıismus und ihre felsenfeste Einheit bekannL. For dahin.
mell nach dem Moskauer Putsch zusammengebrochen, existiert ln der Zentral-. Ost- und Südukraine ist ein anderer Umgang
sie in anderen Gestalten und hat auch jetzt nocb groBen EinfluB. mit den Denkmalem der kommunistisclıen Führer zu beobach
Aber obwobl sie 1990 noch die Siruation in der Ukraine voll ten. Sogar die Tatsache der Zerstörung des zentralen Leninmo
stiindig kontrollierte. war der in der Westuk:raine beginnende mrnıents in Kiew nach dem Putsch 1991 hatte keinen grof:\en
ProzeB der Zerstörung der Denkmaler des Sowjetkommunismus EinfluB. Und die ökonomische Krise der letzten Zeit verstiirkt
nicht zu stoppen. in diesem Zusammenhang sei daran eriıınen, die kommunistische Orientierung. im groBen und ganzen kano
daB dieser Bestandteil der Ukraine der Sowjetunion erst ab l 939 man das Territorium der Uk:raine nach dem Verhalten der Be
angehörte. völkerung zu den Denkmiilem der Führer des Sowjetkommu
Die ersıe Stadt der Ukraine, in der ein Lenindenkmal zerstört nismus in folgende vier Zonen einteiJen:
wurde, war Tscherwonograd (Gebiet Lwiw). Ohne Zweifel be 1. Westukraine, wo aile Totalitarismusdenkmaler bereits ver
günstigte diese Tat die im Juli 1990 vom Obersten Rat der ukrai nichtet sind;
nischen SSR verkündete >Deklararion über Staatssouveriinitiit< 2. Territorien. wo diese Denkmaler noch zerstört werden
der Ukraine. Danach »ging der ProzeB weiter«. wie Gorbat (Zentralukraine);
schow gem zu sagen pflegte. Bis Oktober 1990 wurden in vie 3. Gebiete, in denen koınmunistische Ideen aktiv wiederbelebt
len Stiidten der Westukraine die Lenindenkrniiler abgetragen. werden (Krim, Donezker und Lugansker Gebiete);
Aber noch staod ein Denkmal in der Hauptstadt der Westukrai 4. Territorien rniı einem passiv-besinnlichen Verhalten gegen
ne - in Lwiw. lm Oktober wurde auch dieser Lenin entfemt. Ein über den Denkmiilern der kommunistischen Fiihrer (vgl.
Hauptmythos des Sowjetkommunismus war gebrochen. Die Abb.).
Fülırerfigur, vor der man noch gestem den Treuescbwur ableg Wir sehen also einen deutlichen Zusammenhang zwischen der
te, wurde zum Lager der Stadtkommunalwirtschaft abtranspor politisch-ökonomischen Orientierung der Bevölkerung und der
tiert. Die groBartigen Grartitniesen legte man auch hier neben Einstellung zu den Denkmiilem der kommunistisclıen Führer.
den Zaun, weil man für sie sonst keinen Platz fand. Zur Zeit wer Wiihrend das Problem des tecbnischen Zustands der Deokmiiler
den diese Bodenplatten zum Teil der Hochschule fiir angewand noch eine gewisse Rolle spielt, wird ibre Bedeutung als Kunst
te und dekorative Kunst fıir Studentenarbeicen übergeben, zum werk kaum in Betracht gezogen. Ungeachtet dessen. daJ3 die
Teil einfacb gestohJen. Die Skulptur selbst hatte mehr Glück. Lenindenkmiiler in Kiew und Lwiw in ausgezeichnetem ıechni
Sie erhielt ihren Platz im Depot der Lwiwer Bildergalerie. Bis schen Zustand und von küostlerischer Qualitiil waren, wurden
Herbst 1991 wurden keine Lenindenkmiiler mebr in der West sie abgenommen. Und zur gleichen Zeit bleiben die Festdenk
ukraine stehengelassen. Betonmonumente wurden zerbrochen, miiler in Dnipropetrowsk, Tultschyn und anderen Orten der
Bronzeskulpturen in neue Bildwerke umgeschmolzen (z. B. das Ukraine stehen. Zweifellos briiuchten wir derzeit eine Klassifı
Denkmal für T. Scbewtschenko), als Metali verkauft. In seltenen zierung aller dieser Denkmiiler als Kunstwerke, um von dieser
Die zerstörten Deııkıııtiler: deınoıııierıe Lenin-Skıılpıuren aııfdem Territoriıım der lwiıver Skulpıııreııfabrik im Oktober 1992.
44
GrundJage aus un. sere Einstellung zu ihnen zu kHiren, aucb um 5 B. 1. Boshko, W. J. Schwedow, Feierliche Ausgcstalıung von Stlid
die Bevölkerung entsprecbend zu informieren. Aber wie soll ıen und Dörfem, Budiwelnyk, Kiew 1969, S. 192.
man dies dem erbosten und zum Teil bettelarmen Yolk ange 6 Ok'toberkiimpfer, Denkınaler des revolutionaren Ruhınes in der
Ukraine (Photoalbum), Mysterztwo. Kiew 1973.
sichts der schweren wirtschaftlichen Krise erk.la.ren, das fast ein 7 L. W. Wladytsch. Morıumenıalpcopaganda in der Ukraine 1918-
Jahrhundert lang gewohnt war, seine Erfolge und MiBerfolge 1922. aus: Nach Leninplan, Mysıeıztwo, Kiew 1969, S. 17-53.
mit guten oder bösen Paneigötzen und nicht mit seinen eigenen 8 Arkadi Shukowski. Orcst Subtelnyj, Grundrisse der Geschichte der
Kriiften in Verbindung zu setzen. Uk:raine, Lwiw 1981. S. 232.
Unter diesen Yoraussetzungen wird man die Bedeutung von 9 Nach Leninpları. Monumemalpropaganda in der Ulcraine in den er
sten Jahren der Sowjeımacht. 1918-1922. Dokumenıe. Materialien.
fachlichen Vorsclılagen hinsichtlich der koınmunistischen
Erinncrungerı, Mysıetzrwo, Kiew 1969, S. 124.
Denkmiiler nicht überschatzen dtlrfen, auch wenn Vorstellungen 10 S. I(_ Kilesso, Gang der ukrainischen Leniniana, in: Bau und Archi
der internationalen Gemeinscbaft von einem gewissen Einflu13 ıektur, Kiew 1980, Nr. 4, S. 1-3.
sein könnten. lm übrigen haben wir noch keinen genügenden 11 Kontor flir Skulptur- und Dekoraıionsarbeiten des Trusts »Monu
Abstand von der komınunistischen Epoche, um das historische membau«. Katalog von Skulpıuren und Dekorationswerken, Ver
Erbe dieser Zeit objektiv einschatzen zu können. waltung für Architektur bei Sowınin USSR, Kiew 1949, S. 19.
12 M. G. Kruglowa, Monumente in Arcbiıektur der Stlidıe, Staatsvcr
Zum SchluB möchte icb die Worte von Friedrich Nietzsche lag Literatur flir Bau und Archiıektur. 1952. S. 124.
aus seineın Werk »Vom Nutzen und Vorteil der Historie für das 13 K. Kuntzewyısch. Wie ich an Lenins Gestah arbeiıeıe, in: Bildende
Leben« anführen, die ıneiner Meinung nach genau den Zustand Kunsı, Kiew 1970, Nr. 2. S. 34.
unserer Gegenwart widerspiegeln. Frei übertragen auBerte er die 14 G. A. Lebedew, Erste Lenindenkmiiler in der Ukrainc. in: Bau und
Meinung. daB jede Tatigkeit der Vergessenheit bedarf. ebenso Architekıur, Kiew 1970. Nr. 1, S. 3-6.
15 W. 1. Lenin, Gesanıınelte Werke. Bd. 24. S. 128.
wie jedes organische Leben nicht nur Licht, sondem auch Dun
16 A. Nimenko. Kawaleridse - Bildhauer. Mysıerzıwo. Kiew 1967.
kelheit braucht. Ein Mensch. der alles nur streng historisch ede S.77.
ben möchte, würde einem Menschen gleichcn. der dem Schlaf 17 A. Ninıenko, Ukrainische Sowjetische Skulpiur, in: Sowjetukraine,
enısagen wollte, sowie einem Tier ahnlich, das dazu veruıteilt Kiew 1960. S. 40.
ist, stets nur ein und dasselbe Futter wiederzukii.uen. Es ist böch 18 Friedrich Nietzsche, Vom Nurzen und Vorıeil der Hisıorie fllr das
ste Zeit zu verstebeo, daB nur der, der die Zukunft baut, als Rich Leben. in: Nieızsche, Werke in zwei Blinden, Bd. 1, Mysl, Moskau
1990. S. 158-230 (Überseızung von J. Bermann).
ıer der Vergangerıheit auftreten darf. (Anın. 18, S. 162 f, 198 t) 19 Bildende Kunst, Kiew 1940, Nr. 5, S. 3.
leh bin voller Hoffnung, daB wir diese Zukunft zu baueo 20 Bildende Kunst. Kiew 1941, Nr. 1. S. 10.
schon begonnen haben. 21 Denkmal des GroBen Ok'tobers, Moskau, Sowjetmaler, 1982, S. 36.
22 Orest Subtelnyj. Ukraine, Geschicbte. Lybid, Kiew 199 l , S. 512.
Anmerkungen 23 Die Arbeit - die Gro8tat, Denkmaler des Arbeitsruhmes in der
Ukraine (Phoıoalbum), Mysıetztwo, Kiew 1982, S. 208.
1 Architektur der Sowjetukrairıe. Kiew 1938, Nr. 10-11, S. 8. 24 D. Janko, Kaınpfer für Freiheiı des Volkes. in: Bildende Kunst,
2 Architekıur der Sowjetukraine, Kiew 1939, Nr. 1, S. 11. Kiew 1977, Nr. 5. S. 8-12.
3 Archiıektur der Sowjetukraine. Kiew 1939, Nr. 8, S. 8. 25 D. Janko, Monumenıale Lcniniana der Ukraine, in: Bildende Kunsı,
4 Archiıektur der Sowjetukraine. Kiew 1940. Nr. 8, S. 7-9. Kiew 1970, Nr. 1, S. 5-9.
Aııfteilımg des Terriıoriııms der Ukraiııe je ııaclı dem Verlıalteıı der Bevölkerımg zu deıı Fiilırerdeııkmiilerıı des Sowjetkomıııwıisııırıs. Situaıioıı im
Febrııar 1993: J - Wesrııkraiııe, wo die Deııkmliler zersıön siııd, 2-Terriıorierı, wo Denkmiiler zersıörr werderı, 3. - Gebieıe, iıı deııeıı komıııııııi
stische fdeerı akıiv wiederbelebı werden. 4 - Gebiete des passi,,-be.rclıaııficheıı Verhalterıs zıı deıı Koııımııııismıısdeııkıııiilerıı.
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ıııııınıı.t
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45
Emin Riza
46
monuments de culte furent prives d'attention. Le but de substi ments. A cause des problemes financiers qui se posent acıuelle
tuer la religion traditionnelle par la «religion comrnuniste» in ment en Albanie et dans les conditions d'un budgeL assez mo
tolerante et aotihuınaine mena al'interdiction de la religion dans deste, le nombre des interventions de reslauratioıı a beaucoup
le pays en 1967. Comme toujours quand on prenaiL de pareilles diminue et les publications som interrompues pour le moment.
decisions, le dictateur disait qu'il exerçait ainsi la volonte du Naturellement il s'agit d'une situation passagere qu'on espere
peupJe. La revision des listes des monuments de culte par une surmonter dans peu de temps. Le probleme de specialisation des
coınınission speciale, mit hors de liste quelques valeurs qui fu restaurateurs, surtout des restaurateurs des reuvres d'art, devient
rent detruites immediatement apres. Si Jes representants de imminent. Les relations avec Jes insıitutions paralleles quali
l'lnstitut a cette comrnission n'avaient pas insiste les conse fıees a I'etranger, representent des alLematives plus realistes
quences auraient ete beaucop plus negatives. L'interdiction de la pour un changement qualilatif dans le domaine des monumenıs,
religion eut pour consequence la destruction d'un grand nombre puisque la plupart d'entre eux renfcrment des valeurs balkani
de constructions de culte qui n'etaient pas comprises dans la li ques et quelquefois meme europeennes. L'utilisation des monu
ste des monuments. Prenant en consideration l'experience mo ments ades fins touristiques devient actuelJement un danger po
desce des chercheurs albanais dans ce domaine, on peut adınett tentiel pour leurs valeurs.
re que la destruction de ces reuvres non qualifit':es «monuments» Etant donne que les avantages et les desavantages deıneurent
causa de grandes pertes au fonds de la culture albanaise. Meme en liaison dialectique, il ııous incombe de conserver ce qui est
pour les lieux de culte compris dans la liste des monuments, on bien du passe et de fairc beaucoup d'efforts pour etre inclus dans
ne fit pas grande attention. Le manque de I 'exercice des rites re la mentalite avancee de l'epoque. Dans ce contexte, f aurais
ligieux apporta de graves consequences directes aux fresques et voulu souligner que non seulement en Albanie, mais dans tous
aux icônes. La negligence d'une specialisation pour les restau les pays excommunistes il serait en faveur de notre noble cause.
rateurs des reuvres d'art el le manque d'u1ıe technologie ade de garder le centralisme dans ce domaine. n s'agiı du droit inat
quate fireni accroıtre le rhythme des endommagements. Les in taquable qu'un ou quelques institutions specialisees develop
terventions de sauvetage entrepıises par les jeunes restaura pent leur activite pour la sauvegarde des monuments depuis les
teurs albanais etaienı insuffisantes. Entre temps, on faisait gran recherches jusqu'a l'application des travaux de restaurati.on.
de attention a la restauration des monuments qui se rattachaienc Ainsi, on evitera le dilettantisme et les limites relativemem lar
ala fıgure d'Enver Hoxha et la-dessus on n'epargnait ıien, tout ges de l'interpretation des principes de restauration ne per
etait contrôle par l'reil vigilent des diıigeants du parti. L'isole mertront pas des atlitudes erronnees.
ment complet du pays eut ses graves consequences meme dans
le domaine des monuments. L'idee absurde de l'appui sur nos
propres forces, qui, dans le cas des monuments, voulait dire se
cloisonner dans une auto-specialisation. done loin de l'experi
ence contemporaine avancee, eut de graves consequences pour
les monuments albanais. Le peu de contacts avec les institutions
paralleles ou les personnalites competentes, n'apporterenı pra
tiquement rien d'important du fait qu'on etait oblige de ne pas
parter des besoins reels mais de menre en relief les reussites en
les attribuant tout le temps au regime au pouvoir. La methode
utilisee pour choisir les specialistes, basee sur les liens faJniliaux
ou individuels avec le parti, devenait un obstacle seıieux pour
engager dans ce domaine les meilleurs specialistes. Si l'on tient
compte egalenıent de la preponderance des diıigeants du parti,
qui etaient des specialistes «parfaits,>, et par leur ignorance com
mandaieut la restauration, on comprendra dans quelles condi
tions on a travaille en Albanie.
La revolution deınocratique en Albanie apporta un nouveau
climat dans le domaine culturel. L'expeıience qualifiee profes
sionnelle occupe la place qui Jui convient dans le domaine des
monuments. De pair aux avantages evidents qu'il est superflu de
mentionner, il y a plusieurs problemes qui se posent a la nou
velle situation. Les monuments en propriete pıivee dont la plu
part appartiennent au domaine de rarchitecture populaire, exi
gent de puissantes interventions financieres afın de surrnonter
les limites prevues par la legislation de la protection des monu-
47
Snjeska Kneievic
<l Deııkmal zu Ehreıı der gefalleııen Soldaıen der Roteıı Armee in Baıina Skela iiber der Doııarı voıı Aııtıııı Aııgıısıiııcic. 1945 - 1947. Die Zeıııral
figur sıellı deıı Sieg dar, die Figııreıı ıım deıı Pfeiler die verschiedeııeıı Militargaıtuııgen.
49
sich vornehmlich mü der eigenen kurzen Geschichte bescha:f fi.adet sich immer in einem groBangelegten, frei gestalteten Gar
tigte und die übrige Vorgeschichte in seinem Sinn deutete. Ge ten. In angemessenem Abstand befinden sich dann Sportanla
schichte wurde stark idealisiert und mytisiert. Nicht nur die gen, Hotels. Gaststiitte und etliche Freizeiteinricbtungen. Diese
führenden Ideologen, sondem auch die anonymen Lokalpoliti Möglichkeiten des verlangerten, mit verschiedenen Aktivitiiten
ker bauten an diesem Mythos: die einen aus idealistischen Mo ausgefüllten Aufentbalts haben die Gedenkstatten zu ziemlich
tiven und aufrichtiger Überzeuguog, die anderen aus prakti populiiren touristischen Zielpunkten stilisie. rt, mit dem eigenar
schen und lukrativen Gründen. So entstand ein ricbtiger Wett tig zusammengesetzten Angebot - ganz in Geist des jugoslawi
kampf im Bezeiclınen der Orte, wo die Kiimpfe siegreich ge scben Weges.
führt, der Orte, wo die Organe der Volksmacht konstituiert, aber Oiese geschichtlich wie politisch wichtigen Den.kmiiler wur
auch scbreckliche Terrortaten gegen das Volk ausgeübt wurden. den seit 1945 den Künstlern als neue und dauemde Aufgabe an
Dabei gab es jedocb viel Übertreibung. Aber manche wicbtige geboten. Es gibt keinen kroatischen Bildhauer, der sich in der
und scbwerwiegende Daten wurden übersehen, vergessen oder Errichtung der öffentlichen Monumente der sozialistischen Ara
abgewertet, nicht aUe zufüllig und unbewuBt. nicht beteiligt hiitte. Spiiter gesellten sich zu den Bildhauern
Die AufsteUung einer groBen Menge an Kriegsdenkmiilern auch die Architekten. Der öffentJiche Auftrag gab der ınonu
bing vom Willen und persönlichen Gescbmack der Regional mentalen GroBplastik die einzigartige Chance der Entfaltung,
oder Lokalmachthaber und Veteranenverbiinde ab. So überflute was sonst. in den Lebensumstanden der Nachkriegszeit und
ten bestimmte Modelle das ganze Land. Sie sind als eigenartige auch spater sicberlich nichl möglich gewesen ware. Die Entfal
Folklore zu deuten: naive Volkskunst im Dienste einer profanen tungs- und Experimentiermöglichkeiten waren von Bedeutung
Religion. Sie hat ein meist realistisches, reduziertes Vokabular, für jedes eiuzelne Werk, für das sonst nur der Atelier- oder Stu
ein einfaches, auf das ungebildete Publikum gerichtetes ikono dioraurn und ein entsprechend kleiner MaBstab geblieben wiire.
graphisches Programın; sie ist stark in der Übertreibung aller Als Gattung GroBplastik und als individuelle Schöpfungen
Art, weil sie auf die Erregung starker und elementarer Gefühle der Künstler bleiben die Denkmaler der sozialislischen Zeit ein
zielt. Offen für die Tradition, offen für die rezente >)höfische Bestandteil der kroatiscben Kunst. Als Antwort der Künstler auf
Kunst« und offen für die Massenkultur wird diese Kunst selbst Fragen der Nachkriegszeit an das Gewissen der Zivilisation (die
zur spezifıschen Art der Massenkultur. Sie ahınt vorurteilslos Adomo in der Frage zusammenfaBt, ob Kultur nach Auschwitz
nach: Ihre Vorbilder sind oft die Monumentalplastiken namhaf noch möglich sei) sind die sozialistischen Denkmaler Kroatiens
ter Künstler, die in schweren Wettbewerben die ersten Preise ge - nicht aile, nicht im gleichen MaBe - ein Bestandteil der eu
wonnen haben. Die Geschichte der öffentlichen Monumental ropaischen Kultur.
plastik der sozialistischen Ara kann auch aus dieser » Volks Die Denkmfiler der sozialistischen Ara in der Republik Kroa
kımst« abgelesen werden. Bis zu den sechziger Jahren herrscb tien wurden bis jetzt nicht massiv angegriffen und zerstört wie
te der idealisierte akademi_sche Realismus und pathetische Na das in einigen ehemaligen kommunistischen Liindem geschah.
turalismus, der bekannter als >Sozialistischer Realismus< ist. Au8er dem Denkmal des heldenhaften Volk Slawoniens in Ka
Danach durften auch Gedenkmale und Monumente in ailen mensko - das gesprengt und vernicbtel wurde - sind auf diese
Ausdrucksmöglichkeiten der abstrakten Kunst geforrnt werden Weise nur einige kleinere Denkmiiler zerstört worden. Aber sehr
- bis zur Minimal-Art und Konzeptkunst. Alle fanden ibren re viele Gedenktafeln, Reliefs, Plastiken und Figuren sind ohne
duzierten, vemiedlicbten, entschiirften NiederschJag in der Gewaltanwendung aus den Kasemen, öffentlichen Gebiiuden,
Volksgedenkkunst. Aber auch die Vorbilder der bürgerlichen Pliitzen, StraBen und Grünanlagen entfernt worden. Die Denk
und feudalen Kultur - die nie so verpönnt waren wie in anderen malpflegeiimter - lokale, regionale und das zentrale Denkmal
komınunislischen Llindern - war ibr nicht fremd, besonders bei pflegeamt der Republik Kroatien in Zagreb - bekommen ojcht
den Grab- und Opfermalen, Gedenkrniilem und Gedenkstatten. iınmer Nachricbt von solchen Absichten. In den Fiillen, wo die
Nichı selten wurden einzelne Elemente, die aus verschiedenen Inforrnation rechtzeitig und offiıie)) eintrifft, helfen die Denk
Kulturepochen und Stilrichtungen frei nach Geschınack aus malpfleger mit Rat und Tat: Die Denkmiiler sollen sacbkundig
gewiihlt waren, auf eigenartige Weise kombiniert und zu einem abmontiert und gelagert werden. GroBe Probleme gab es bis
eigentlich unmöglichen Ganzen verschmolzen: Manche haben jetzt nicht, weil Monumentalplastiken und Gedenkstatten jegli
eine besondere Kraft, viele muten wie bloBe Karikaturen an. cher Art nicht angetastet wurden.
Diese Denkmiiler, von den bescheidensten Gedenktafeln bis zu Eine offizielle StelJungnahme des Kulturministeriums oder
den monumentalen Kompositionen, erregen jetzt den Zom des eine gesetzliche Regelung für djese Problematik, die verpflich
Volkes, das sie gefeiert hat, das jetzt aber einem anderen Kult zu tend für aile wiire, die eingreifen möchten, gibt es bisher nicht.
dienen beginnt. Aber das Tbema wird in Fachkreisen intensiv diskutiert und
Jene Orte und Gegenden, die nach der Beurteilung der politi Meinungen, die sich dabei herauskristallisieren, bereiten eine
schen Führung und der offiziellen Geschichtsscbreibung her solche, zweifellos notwendige, offizielle Stellungnahme in ge
vorragende geschichtliche Bedeutung für die ganze Epoche ha wisser Hinsicht vor.
ben, waren seit 1945 planmiillig mit entsprechenden Symbolen Wie die Expertenkommission, die sich 1985 mit der Neukate
ausgestaneı. Bis zu den sechziger Jabren waren das Monuınen gori sierung der Denkmaler der sozialistischen Ara zu beschiifti
te, danach wurden ganze Gegenden und Bereiche in der Koope gen begann, denken heute auch die Kunst- und Kulturhistoriker,
ration der Plastik und Architek--ı:ur als Gedenkstatte - Memorial Denkmalpfleger und Kritiker, daB die Grundlage der Erhaltung
milieus, wie es hierzulande hieB - errichtet: eine sonderbare Mi und Pflege der Denknıiiler aile Epochen von einer objektiven
schung der sakralen, kultiscben Bestimmung und des profanen Beurteilung und Wertschatıung der geschichtlichen Ereignisse
Konsumcharakters. Den Kem der Gedenkstatte bildet das mo und Persönlichkeiten begleitet werden muB, die im Denk.mal
numentale Gedenkzeichen - meistens Gro8plastik, zuweilen verewigt werden sollten. Das ist Sache der Geschichtswissen
Grabstatte, wenn es sich um ein Opfer- oder MabnmaJ handelt, schaft. Aber dazu wird Zeit und Ruhe benötigt. die es in Kroati
zuweilen das Gedenkgebaude. Das symbolische Monument be- en leider nicht gibt: Zeit nicht. weil die neuen Verhaltnisse, neue
50
Weıtvorstellungen in aJlen Lebensbereichen Veriinderungen Beispiel des Architekturregionalisrnus der sechziger Jahrc. wo
hervorrufen und Revisionen erfordern; Ruhe nıcht, weil gegen Parteiıagungen und iihnliche Veranstaltungen stattfanden. wur
die Republik Kroatien, seit sie selbstandi.g geworden ist, im Na de zum Hotel umfunktioniert. im Volksrnund heiBt Kuınrovec
men der ErhaJtung des sozialistischen Jugoslawiens ein grausa »Titoland«.
mer Krieg geführt wird, der nicht aufhören wiU. Das Schicksal des Petrusbergs. Petrova Gora. der grö8ten und
Bine Hilfestellung mögen hier die oicht diskutierbaren ethi sicherlicb scbönsten Gedenkstane, isı völlig ungewiB. Sic gilt
schen und iisthetischen Grüode geben, die keiner Entideologi als die komplexeste und interessantesıe Gedenkstiitte in Kroati
sierung bedürfen. Asthetische MaBstabe sind schon langst von en und enthiilt- wie schon gesagt-authenıische Denkmliler. un
der Kunstkritik gesetzt und formuliert worden. die politisch ter ihnen den einzigartigen Kriegsfriedbof im Bergwald. wo
nicht manipulieıt war. Der iisthetische Wert müBıe den Denk Griiber mit einfachen Kreuzen bezeichneı sind. 0ft waren die
miilem die Dauerbafıigkeit sichern. Er ist das unumstrittene Kıi Namen in die Baumstiirnrne eingeschnitzt. Schr diskrete Ein
terium des Schutzes. Er wird wohl die symbolische Bedeutung griffe verwandelten diese historische Grabstiilte in einen Ge
überleben und übertönen. Die ethischen Gıiinde sind ebenso un denk- und Kultbereich, in dem Andacht, Kontemplation und
umstritten: Wer hiitte das Recht, den unschuldigen Opfern des Stille herrschen. Die Krankenlıiiuser, auch die unıerirdischen,
Terrors und der KZ-Lager, dem qualvollen Tod, Leiden und wurden sorgfaltig rekonstruiert. im gröBten befındet siclı ein
Scbmerz, die Ehrenmale zu entziehen, Mahn- und Opferstiilten kleines Museurn miı vielen erhaltenen Gegenstiinden und Erin
anders zu deuten als sie gedacbt waren, im ehemaligen Jugosla nerungsstücken. lm Gedenkbereich gibı es neben dem monu
wien, im jetzi.gen Kroatien, wie in ganz Europa? Das gleiche gilt mentalen Siegesmal auch mehrere andere Denkmaler. die ver-
Deııkıııal des Aufsıaııds des kroa Die Gedeııksrlirte :ur Eriııııeru11g aıı die Opfer des Fasclıismııs voıı Jadov• Bekröııııng des Derıkıııa/s iıı Bati•
lisclıeıı Va/kes in Srb, voıı Vanja ııo ist das Werk voıı Vanja Radaııs ııııd wıırde /956 erriclııeı.Symbolıriiclı· ııa Skela (Aııssclıııiıt, vgl. Abb.
Radaus, 1950; die ersterı Monıı• ıige, arclıiıekııırlıafıe Zeiclıeıı ki/ııdeıı 110111 Orı des Todes ııııd leidens, eiııe S. 48). Der Bildlıauer Amıın
ıııerıte der Naclıkriegszeiı /elııren Wiese lıoclı in deıı Gebirgen des Velebitııuıssiı•s. ıvo Hllfıliııge ıııırer freieııı Aııgıısıiııtit. eiıı sclıoıı ııor dem
sich aıı die Tradition: klassisclı· Hiıııme/ aıifden Tod iıı deıı Masseııgröbem warıeıeıı. lıı dieseııı improvi Krieg bekamıter Kiiıısıleı; war
idealisiereııde Lösııııgeıı, akade• sierıeıı Aıiffaııglager, das 90 Tage besıa11d. lıabeıı 300000 Meıısclıe,ı das eiıı Zeiıgeııosse ımd Freııııd des
ıııischer Realisııws. lebeıı ııerlore11. Marsclıal/s Tiıo.
von den Denkmiilem, die des antifaschistischen Widerstands ge schiedene Ereignisse und Personen evozieren. im Naturschutz
denkeo, der sich in ganz Europa ausbreitete und zu siegen gebiet Petrova Gora gibt es einige Erholungszentren mit Hotels,
begann. Aber jene Denkmiiler, die in apologetischer Huldigung Gaststiitten, Fu8- und -wanderwegen. Sportanlageıı und -ein
einem Mythos dienten, der die ausgesprocheae Funktion der richtungeıı. die Somrner- und Wintertourismus groBe Enıwick
Sciirkuog der autoritiiren Macbt in den sozialistischea und kom luogschancen geben. Heute isı Petrusberg das Zemrum des Auf
munistischen Staaten hatte, diese Denkmiiler werden sicherlich ruhrs der serbischen MinderheiL okkupiert von pararnilitiiri·
jene stören, die gegen den Totalitarismus aufgesıanden sind. Es schen Einheiten und der jugoslawischen Arrnee. Lm Zentral
lohnt sich eigentlich oicht, über ihr weiteres Schicksal nachzu denkmal, einem monumenıalen Gebilde aus Stahl, halb Plastik,
den.ken. halb Architektur, in dessen lnnem ein Museum des Widerstan
Eine spezifisch kroatiscbe Gedenkstiitte - es handelt sich wn des und der Befreiung eingerichtet werden sollte. befindet sich
Titos Geburtsdorf Kumrovec (Tito war bekanntlich Kroaıe) - das Fernsehzentrum der selbstemannten Serbischen Republik
zeigt eine Möglichkeit auf, die nıcht ailen gleich anmuteı. Krajina.
Früher stand hier alles im Dienst der Ehrung der persönlichen Die Probleme der Erhaltong, des Schutzes und der Pflege der
Geschichte des Marschalls. Jetzt wird das niedliche Dorf. das Deokmaler der sozialistischen Ara sind in der Republik Kroati
liebevoll restauriert worden ist, als Ethnopark- so heiBt es offı en nicht zufallig beiseite geschoben, obwohl das BewuBtsein
ziell - gezeigt. Nebenbei wird aucb Titos Geburtshaus mit dem voa diesem Problem besteht. Das zerstörte Kulturerbe, das im
Den.icmal erwiihnı. Das Aeim der Kiimpfer und der Jugend, ein Krieg gegen die Republik Kroatien als Triiger der nationalen
51
Das Deııkıııal flir die erfroreııeıı Parıisaııeıı auf der Wiese ,Maıi{: Pol Parıisaııeııfriedhof aııf dem Peırıısberg, Peırova Gora. Das Deııkıııal
jaııa, iıı der Niilıe des Orts Vrgiıımosı voııı Arclıiıekıeıı Ueııko Silo, fiir die Ar:.ıirı Marija Schlesiııger aııf dem Eiııgarıg iıı das ıııııerirdisclıe
/968. lııı Febnıar 1944, wdlırend eiııes Marsches, lıabeıı 20 Kömpfer Parıisaııeııkraııkeıılıaııs, ıı•o sie wiilıreııd eiııer Ojfeıısive, eiııgesperrı
das Lebeıı bei lıefıiger Kiilıe ı•er/oreıı ııııd ıııelır als 80 er/iııeıı sclıwere mit ilırerı Paıieııteıı, aıı eiııer Jııfekıioıı gesıorbeıı isı.
Verleızımgeıı.
52
Identitat zum Ziel der Vemichtung wurde. ist die vordringliche Seit dem Ende der Berliner Tagung sind in Kroatien nach An
und emsıe Sorge der Denkmalpflege. Gemessen an dem, was gaben des Verbands der anıifaschisıischcn Kiimpfer Kroatiens
beispielsweise in Dubrovnik oder Vukovar - um die bekannıe mehr als 2 500 Geden.lnafeln und DcnkmiiJer enıfemt worden.
sten Bcispiele anzuführen - geschehen ist, scheincn die Proble Einige Denkmaler sind zerstön, viele sind nicht fachmiiııııisch
me der Denkmiiler einer Epoche, im Namen deren Fonbestc abmontien und ebensoviele in ungünstigen Riiumcn unıerge
hens die es Verbrechen an der Kulrur begangen wurde, rechı un bracht wordcn. Fası aile StraBen und Pllitzc. die an den antifa
wichtig. Die neuc, allgemeine Sensibilitiit für das Kulturerbe, schistischen Widerstand und Partisanenkampf erinnern sollten,
hervorgerufen durch die massiven Verlusıe. wird aber hoffenı sind umbenannı worden. Der Proze(I der Venilgung der Erinne
lich auch dem Erbe der sozialistischen Ara zugute kommen, das rung an diese Geschichısepoche hat den Charakter einer Bewe
auch dem kroatischen Volke gehört, ob es das will oder nicht. gung angenommen.
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Gojko Zupan
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tyres est effacee. / Mais souviens-toi de ce jour terrible / et la Les monuments ont ete changes dans presque la moilie des
pierre grise fera na1tre une fleur rouge.» unites administratives (communes). On a demoli, abtme ou
La seconde periode, celle de la figaralion abstraite, s'etendait, (<repare» un peu plus de 60 monumenıs et plaques. il y a eu 23
en gros,jusqu'i'ı l'annee des reforrnes economiques en Yougos enleveınents et 39 endommagements majeurs et mineurs. 11 y a
lavie, i'ı savoir jusqu'en 1965. A l'epoque, on erigea moins de eu 11 enleveınents ou endomınagemenıs de l'eıoile rouge i'ı cinq
monuments publics. Les realisations etaient plus grandes et de branches (un liers). Elle a ete detachee du monumerıt du Front
meilleure qualite plastique (lale, 1965; mrska Bistrica). Nous de Liberation bien que ce monument ait ete conçu par Joze
trouvons une geometrie des signes, une fonraine lyrique et une Plecnik, la plus grande autorite dans le domaine de l'architecnı
colonne abstraite dans Zale. A Ilirska Bistrica,il y a une forrne re de Slovenie. En 1984 deja,La premiere et la plus grande etoi
abstraite qui n'a plus de marques symboliques typiques. Le mo le a cinq branches a ete remplacee sur le plus haut sommet de
nument dedie aux victimes de la guerre de TrijeZeblji, Pohorje, Yougoslavie et de Slovenie aujourd'hui, le mont Triglav. Seule
est un exemple typique de ınonument qui a ete cree i'ı la limite ment deux monuments qui rappelaiem la guerre civile ont ete
entre les deux periodes (ilJ. 1 ). Une sculpture qui ne fait meme detnıiıs, quatre statues portrait ont ete enlevees, trois d'entre el
pas deux metres de hauteur se trouve sur un socle bas. Mais dans les representaient Edvard Kardelj. On compte des centaines
le jeu de lignes verticales creees par les sapins, le tout s'est d'enlevemenıs de statues des salles de feıes (Velenjski Tito).
transforme en coloones de cathedrale et le monumenı horizontal Les autres ouvrages qui ont ete enleves etaient consacres adi
prend l'allure d'un autel du sacrifıce. Pendant cette periode, les vers themes: victimes. techniques (imprimeries), personnages.
arclıitectes et !es sculpteurs accordaient, dans leur travail, autant Les donnees stalistiqucs couvrent la periode de mai l99 0 i'ı la fin
d'attent.ion a l'espace dans Jequel ils placaient les monuments, de 1991. Ce qui eıaiı egalement caracteristique, c'esı que les
qu'aux tendances mondiales de J'epoque. La plus jeune genera polemiques declenchees lors de ces enlevemenıs de statues ont
t.ion d'artistes a pris la tete, notamment les sculpteurs forrnes partiellemenı servi a la propagandc politique avant les elections,
apres la guerre. ce qui indique une paraUele inıeressante avec les panneaux po
La troisieme periode a marque !es deux decennies suivantes et litiques et leur rôle dans l'espace public.
je l'appelle le temps de la erise et de la stagnarion des arts pla Les signes dans ı · environnement restenı. tout comme les egli
stiques. Pendant les prernieres annees qui ont suivi la reforme, il ses baroques au sommct des collines et !es calvaires ala croisee
n'y a presque pas eu de nouveaux monuments. Plus tard, on a es des chernins. Le temps est le meilleur critique et juge; quant a
saye d'accrottre la signifıcation des temps passes par la quantite. nous, nous ne sonımes. avec nos debats. que les temo.ins de nou
Les rares monuments majeurs onı iınite le style des deux peri veaux evenements cruciaux. participants d'une epoque qui voit
odes precedentes. Les realisations abstraites de certains auteurs deja naıtre de nouveaux monuments, par exemple les monu
individuels ont depasse la mauvaise qualite. (Lenassi: Portoroz, ments dedies aux victimes de la guerre de dix jours de Slovenie.
1977; Ormoz, 1973). Les trames photographiques dans les Et la fın d·une histoire est le commencemenr d'une autre.
noyaux de l'espace de Tihec ont meme depasse Vasareli (Mari
bor, 1975). Par except.ion, le demier monument majeur de meil
leure qualite plastique qui a ete erige aLjubljana al'occasion du
40 e anniversaire de la liberation a imite le neoconstructivisme
en donnant une superstructure ironique i'ı Tatlin et El Lissitzky .
Moııımıeııı aux vicıiıııes de la gııerre de Trije l.eblji, Polıorje faiı par
Ces mats pour drapeaux ont ete !es premieres vict.imes du neı Slavko 17/ıec eı Braııko Kocıııııı eıı 1959.
toyage de Ljubljana, ils sont tombes avant le 9 mai 1991. La re
ponse la plus breve ala question: «A+on detruit les monuments
du realisme socialiste en Slovenie?» serait: «Non, car il n'y en a
pratiquement pas en Slovenie.» Nous pouvons affırmer pour la
Slovenie que nous avons abattu quelques monuments du socia
lisme, mais la majorite qui depassait l'expression patbetique est
restee en place. Les noınbreuses sculpnıres qui decoraienı les lo
caux des ecoles, des usines et des comınunes, les busıes de Tito
et de Kardelj ont ete entreposes dans les depôıs de musees.
La majeure partie des monuments publics est restee. Dans leur
inventaire, les services de la sauvegarde des monuments se sonı
limites aux monuments publics car notre milieu est plein de mo
numents de constructioo differente, d'usines, de blocs d'appar
tements avec ıoutes Jes caracteristiques de la planification, de la
meotalite socialiste et de ses autres valeurs positives et negati
ves.
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Laszlo Beke
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die »Rebabilitalion« bzw. die Erricbtung von Denkmalern für Zu einer verhiiltnismiiBig beruhigenden Lösung kam es in der
die Gefallenen des Ersten und sogar des Zweiten Weltkriegs. Statuen-Frage im vergangenen Jahr. Die Hauptstiidtische Voll
Femer verlangt man auch die Wiedererrichtung der Statue von versammlung schrieb einen Wettbewerb über die Schaffung ei
Nagyatadi Szab6 Istvan vor dem Landwirtschaftsministerium nes Statuenparks aus und stellte zugleich das Verzeichnis derje
und des Aranybulla-Denkmals (Goldene Bulle) bei Szekes nigeıı politischen DeııkmiiJer - etwa 40 an der Zahl - zusam
feMrvar. (Beide wurden in den fünfziger Jahren zerstört. An men, die in das iin 22. Stadtbezirk von Budapest anzulegende
der Stelle des letztgenannten Denkmals wurde ein Panzer aus >Reservat, kommen müssen. Bei diesem Wettbewerb hat Akos
dem Zweiten Weltkrieg aufgestelJt, den man jetzt natürlich ent Eleöd gewonnen, nach dessen Meinuog »der Park folgenden ge
femt bat.9 danklichen Hintergrund haben soU: l . Die in den Park verbann
Was das Scbicksal der alten Statuen betrifft, sind bereits 1989 ten Werke sind Andenken an ein an seinem eigenen antidemo
zahlreiche ldeen aufgetaucht, von denen manche schon dem Be kratischen Wesen gescheitertes, unmöglich gewordenes System.
reicb der Folklore angehören. So wollte man beispielsweise aus 2. Gleichzeitig sind aber die in den Park verbanmen Werke
den Bronzestatuen Glocken gieBen. deren Gelaute die Men Kuııstsclıöpfimgeıı!« Die Bewerbung enthlilt viele geistreiche
schen an die Diktatur erinnem würde, oder die Statuen sollten Lösungen. Die >Befreiungsdenkrniiler<. die >Persönlichkeiten
begraben werden, um dadurcb der Nacbwelt eine archaologi der Arbeiterbewegung, und die >Begriffe der ungarischen Ar
sche BoLSchaft zu hinterlassen ... Man schlug auch vor, die Sta beiterbewegung< werden entlang »dreier endloser Promenaden«
tuen zu verkaufen. Meines Wissens schJugen zwei solche Ver aneinandergereiht. Die Wege stoBen übrigens auf Mauem. in
sucbe fehl, namentlich im Zusamınenbang mit der Lenin-Statue der Mitte des Parks erinnert eine aus entsprechend gepflanzten
in Vac und dem Marx-Engels-Denkmal. das neben dem Gebiiu Blumen gestaltete Figur an den ehemaligen füofzackigen Stem
de des eberualigeo Budapester Parteikomitees staod. Am besten auf dem Adam-Clark-Platz. Aus den an den Eingangssiiulen be
konnte sich der Plan der Eiorichtung eines Statuenparkes durch festigten Lautsprechem ertönen Lieder und Miirsche der Ar
setzen. Die Standorte, die man auf Initiative der Jungdemokra beiterbewegung. Auf dem Parkplatz stehen ein Pobeda, ein
ten von Bekescsaba und Gy6'r vorschlug, sind das Gelande der Tschajka und ein Wolga.
Weltausstellung an der Budapest-Autobahn sowie, als Idee der Der Statuenpark wird laufend erweiten. Er wird die zu entfer
ehemaligen Gefangenen in Recsk, der aufgelassene Teil des nenden Denkmaler aufnehmen, darunter auch solcbe, an die die
Steinbnıcbs voo Recsk. Die früheren Gefangenen batten es übri Budapesıer Bevölkerung auch heute noch mit einer gewissen
gens vor ailem auf die Lenin-Statuen und die übrigen Denk Nostalgie zurückdenkt (z.B. von Jenö Kerenyi bzw. Sandor Mi
miiler mit sowjelischem Thema abgesehen.10• kus angeferligten Stauten zweier sinnlos gestorbener, sowjeli
leh muJ3 gestehen. daB ich von Aofang an der Meinung war, scher Parlamentiire, cüe Kapitiine Ostapenko uod Steinroetz, de
daB man die Denkınliler der vergangenen Ara an ihrer ursprüng ren Sıatuen zu Ortsbezeichnungen wurden, die jedem bekannt
lichen Stelle belassen solJte und zwar schon als Belehrung für sind). Die Postameote der entfemten Statuen stehen vorlaufig
die jüngere Geoeration und die künftigen Generationen. Dieses noch leer da.
Prinzip gilt insbesoııdere für die sowjetischen Heldendenk
maJer. Nach der gegenwiirtigeo Vorstellung wird ein Teil dersel
ben in den hauptstiidtischen Neuen Öffentlichen Friedhof ver
setzt.
Die provisorische Abdeckung der Deııkmliler erwies sicb als Anmerkungen
eine eigenartige ZwischenJösung. Besonders Jeidenschaftliche t Janos Dobszay, Magna Domina Hungaronım. Sıaıue auf den Ruinen
Diskussionen löste d.ie Aktion des Direkrors der Galerie Bar16k der Kirehe, in: Magyar Nemzeı. 8. Mai 1990.
32, Tamas Szentj6by aus, der im vergangenen Jahr die Budape 2 Magyar Nemzeı, 1. Marz 1990.
ster Freiheitsstatue, ein Werk von Zsigmond Kisfaludy Strobl. 3 Magyar Nemzet, 12. Febrııar 1990.
auf Vorschlag von Julia Lorinczy in ein nıit zwei Löchem ver 4 Magyar Nemzeı, 13. Miirz 1990.
sehenes weiBes Tuch einhtillte. Dadurch vergegenwiirtigte er 5 Berichl in der Zeitung Nepszabadsag. 22. Marz 1990.
6 Bericht in der Zeiıung T6r-kep, 22. Mart 1990.
die »Statue der Seele der Freiheit« am Tag des >Budapester Ab 7 Berichte in den Zeiıungeo Mai Nap, 22. Miirz 1990 und Nepsza
schieds<, d. h. anı Jabrestag des Tages, an dem der letzte sowje badsag, 6. August 1990.
füche Soldat Ungam verlieB. Die Aktioo, die zwar ııiemandem 8 Muzeumi Rirlevel, Mai 1990, S. 24-25.
irgendeinen Schaden zufügte, löste deshalb eioe Diskussion aus, 9 Magyar Nemzel, 21. August 1990. Mit der dialektischcn Beziehung
weil die Statue viele Leute - ohne jede weitere polilische zwischen der Errichıııng neuer und der Entfemung alter Statuen
wird sich aber mein Kollcge Emo Marosi ausftihrJicher beschlifti
Konnotation - für das »Denkrnal des Friedens«, den »Genius
gen.
der Freiheit« halten. NatürHch erst, nachdem die Gestalt des 10 J. 1.. Sıatuenpark an der Stelle des Vemichtungslager, in: Magyar
sowjetischeo Soldaten entfemt wurde. wie dies bereits eiıımal, Nemzet, 27. Aprıl 1990.
im Jahr 1956, und jetzt, in der jüngsten Vergangenheit, auch 11 im bereits ziıierıen Werk von J. 1. und lmre Del Medico: Wessen
geschah. 11 Statue? in: Nepszabadsag. 13. August ı 990.
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Ernö Marosi
K urz vor me iner Abreise aus Budapest fand ich auf der Ti
telseite vom. 27. Januar 1993 des angesehenen. im Unter
iiuBersı sellenen und meist erst nach ihrer schriftlichen Fesıle
gung fa8baren mündlichen QuelJen der Kunstgeschichte ge
titel als »sozialistiscb« bezeichneten Tageblatts Nepszabadsag wiihren. Andererseits zeugen sie davon, wie es sich im Leben
zwei - wohl zufiillig - nebeneinander gedruckte Nachrichten.' mit den Kategorien der Wissenschaft verhiilt. die mit viel
Die eine war ein Bericbt über das Schicksal der voo den öffent Scharfsinn herausgearbeiteı wurden. In unserem Fa.il handelt es
lichen StraBen, Pliitzen und Gebiiuden von Budapest eolferııteo sich um die sorgfaltig getrennten Begriffe des »gewollten Denk
Denkmale und über die Ergebnisse der Bemühungen, sie durch mals« und des Kunstdenkmals bzw. um den des »modernen
diejenigen Statuen zu ersetzen, die ehemals - vorwiegend in der Denkmalkultus«, etwa im Sinn von Alois Riegl.3
Zwischenkriegszeit - an ihrem Platz gesıanden habea, von der Diese Kategorien sind jetzt offenbar ins Scbwanken gera
Zerstörung glücklicherweise verschonı geblieben waren uııd in ten.Organisatorisch ausgedrückt: die bisber klar umgrenzten
verschiedenen Depots geborgen werden konnten. (Man soll und voneinander sorgfiiltig getrennten Tiitigkeitsfelder, die in
gleich bemerken, daB im zitieııen Artikel nur vom Glücksfall Budapest der Aufsichtsbehörde fıir Monumente (Eınlekmü
dje Rede war, daJ3 die Denkmale noch auffrndbar waren, nichı felügyelöseg) und das Amt für Kunstdenkmiiler (Müeınlek
aber über das nicht seltene Gegenıeil. daJ3 sie namlich bereits felügyelöseg) hatten, wurden verwischt. Nebenbei kann be
früher zerstört oder eingeschmolzen wurden, was für die Denk merkt werden, wie schön die ungarische Sprache diese Distink
malpfleger die Frage nach der Berechtigung des Neuschaffens tion ausdrück:t, als Zusammensetzungen aus densefben Worten
von Denkmalprothesen entstehen laBı. Diese Frage soll hier für »Denkmal« und »Kunst« in umgekehrter Reihenfolge ein
oicht berührt werden.) mal Monument (emlekmü), das an.dere Mal Kunstdenkmal
Dazu war ein lnterview mit dem Generaldirek:tor der Galerie (müemlek) bedeuten, was oft selbst im ungarischen Sprachge
}Budapest< zu lesen, der neben anderen Kunstangelegenheiıen brauch kunsthistorisch wenig geschulter Leute zu MiBverstiind
auch in Fragen der öffentlichen Denkmale der ungarischen nissen fühn. Und bildstürmerische Akte sind meist das Werk ge
Hauptstadt zustiindig ist, und zwar unter der ScbJagzeile »Statu rade kunsthistorisch wenig geschulter Politiker und Massen.
enwalzer: Der Park wird im Mai eröffnet«. Der in der letzten Sie sind es, die rue Darstellung mit dem Dargesıellten, das
Zeit viel strapazierte Mann verkündet nun hier eine Endlösung Symbol mit dem Bezeichneten identi.fizieren und die Tnschriften
in der Sache der verbaBten politischen Denkmale der nahen Ver und die Tice] der Form gegenüber bevorzugen. Nach den ersten
gangenheit, eine diplomatische Lösung des Scbkksals des Ansiitzen, rue 1989 mit der Entfernung der Budapester Lenin
wichıigsten russischen Soldatendenkmals anı Budapester Frei statue vom Schauplatz des Trauerfests der Miirtyrer der Revolu
heicsplatz, das in den leızten Monaten im Mittelpunkt heftiger tion von 1956 begannen und nach - z. T. willkürlich, d. h.
Debatten stand: Man wollte es sogar sprengen. Die von ihren ur behördJich nicht bewiltigten - bilderstürmerischen Aktionen in
sprünglichen Aufstellungsorıen entfernten Denkmale, d.ie »in der Provinz. verabschiedete der Stadtrat von Budapest im De
künstlerischer und iisthetischer Hjnsicbt keineswegs ausnahms zember 1991 die Eorfernung von insgesamt 61 Monumenten
los scblecht sind« - so das Lnterview - werden in einem Park un und Gedenktafeln.' Es sind lauter Denkmiiler der Befreiung
tergebracht, der in ganz Europa »ein wahrhaftes Unikum, ein durch die Rote Armee, der Unterdrückung der Revolution von
politisches Panoptikum, ein visuelles Memento der Diktaıur 1956, der Riiterepublik von 1919 bzw. von PersönJichkeiten der
darstellen soll.« Früher. als das Denkmal der klassischen Zwil intemationalen und ungarischen Arbeiterbewegung. Russische
linge Marx und Engels von seinem Postarnent entfernt wurde, Heldendenkmale, die von den Pliitzen der Hauptstadt entfernt
hat ein lınks eingestellter Nostalgiker diese museale Anlage kur uod in Friedhöfen wieder aufgestellt wurden, sind in diesen Li
zerhand als »Spottpark« bezeichnet.2 Nun erführt man aus dem sten nicht inbegriffen. lnzwischen, mit dem Auftritt exıremisıi
lnterview, daB selbst die Nachbam des für den Park gewiihlten scher Richtungen auf der ungarischen politischen Szene, wur
Geliindes gegeo die Aufstellung der Denkmale bereits prote den gewaltsarne Angriffe auf Denk:male hiiufiger. Derarıige Ak
stierten, weshalb sie durch ein Gebüsch verdeckı werden müs tionen, z. T. auch Demonstrationen und Bedrohungen mit weite
sen. Die eigentliche Sensation der zitierten Nummer von Nepsz ren Zerstörungen im August 1992 haben zur eiligen Durch
abadsag bestand nun in der danebenstehenden Nachricht von fübrung der früberen Raısbescblüsse geführt.'
der Heimkehr der Asche des Landesverwesers der Zwi Wie stark und konsequent die oben aogeführten Grundsiitze
schenkriegszeiı, Admiral Horthy. der damııatio memoriae wirkten, zeigt die Entfernung der bei
Damit möchte ich den -je nach Belieben endlos fortsetzbaren den relativ harmlosen Fahnenschwinger - russische Parlamen
und fur Kollegen aus den ebemaligen Ostblockstaaten überaus tarier, die bei der Belagerung der Stadt Ende 1944 unter wenig
vertrauten - Anekdoten aus der Zeitgeschicbte ein Ende setzen. geldiirteo Umstanden ums Leben kanıen. Sie waren an zwei
Es wird wohl klar sein, daJ3 selbst d.iese Anekdoten eine beson wichtigen Autobahnausfahrten der Hauptstadt als eine Art bron
dere Topik aufweisen, typische Reaktionen und Ausdruckswei zene Verkehrspolizisten in der Zwischenzeit fası schon farniJiiir,
sen verraten: Sie sind gar nicht so bunt, wie sie auf den ersten ja volkstümlich geworden. Aber auch für sie gab es kein Erbar
Blick erscheinen. 1hr Werı liegt einerseits darin, daJ3 sie einen men. Angesichts der politischen Tendenz und der erbitıert.eo
Einblick in die Entstehung und in das Funktioniereıı der sonst Heftigkeit der Bilderstünner fıelen rasch Bemerkungen wie
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»Ersatzhandlung«,6 die in dfosem Zusammenhang wohl nicht Theologie, fassen ınöchte, - man begegnet ruer gewiB einern
nur liuBeclicbes politisches Handeln, sondem auch Bildermagie Faktor, der auch für die Kunstgeschichte von Interesse sein daıf.
bezeichnen darf, oder-unter EinfluB der Massenstimmung viel Auf der anderen Seite erscheinen negative Erfahrungen im Be
leicht berechtigt- »heuıe die Statııen, morgeıı Menschen«. 7 Die reich des Totenkults ebenfalls wichtig: Erst 1989 hat es sich her
se Befürchtuogen deuten l<Jar eine Stimmung an, in der sehr al ausgestellt, daB die 1958 hingerichteten Persönlichkeiten der
tertümliche Züge der Wahmehmung von Bildern sozusagen ent Revolution nicht nur heirnlich, unter AusschluB jeder Vereh
fesselt zu Tage treten. nıng, sondern sogar begleitet von seltsamen und uoerhörten Ri
So spontan, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, warenje ten der Totenschandung beerdigt wurden.
doch die Vorglinge nicht. Sie folgen einer sich periodisch wie War der bilderstürmerische Akt tatsachLich folgerichtig? Bin
derhoJenden Choreograpbie, die seit dem spaten 19. Jabrbundert Beispiel llillt diese Folgericbtigkeiı allerdings bezweifeln. Gera
zum Ritual politischer Umwiilzungen in Ungam gehörr. 8 Selbst de das höchste Denkmal der Befreiung des Landes auf der Spit
in der Zeit. aJs beim Ausbau zur ınodernen GroBstadt die Aus ze des Gellertbergs in Budapest blieb im wesentlichen erhalten,
schmückung von Budapest durcb Statuen begann, die als urba nach der Enrfemung des fünfzackigen Stems, der kyrillischen
nistisches Mobiliar und aJs Ruhmesdenkmale zugleich verstan lnschrifıen und der Figur des russischen Soldaten am Sockel.
den wurden. mul3te das Denk:mal von Hentzi, dem 1849 gefalJe Heuıe wird diese weibliche Figur als Freiheitsstatue gedeutet, 12
nen. verhaBten österreicruschen Burgkommandanten, abgeris trotz der eindeutigen Nebenfiguren und ihrenı Attribuı, dem
sen werden. Auch die Rliterepublik von L9J9 fand trotz ibrer Palmzweig, das aucb andere, seitdenı gestürzı-e Statuen als ver
Kurzlebigkeit Anla8, die historische Heldengalerie des Millen haBte Siegesdenkmaler der fremden Besatzungsmacht auswies.
niuınsdenkmals zu überarbeiten. 9 Yon 1945 bis in die frühen Wohl spielt bei dieser KompromiBlösung vieles eine Rolle: rue
fünfziger Jahre wurden die politischen Denkrnale der Zwi Gewöhnung, die Wertschatzuog und die gute fünpassung des
schenkriegszeit gestürzt und rue gesamte Tkonographie der Stadı DenkmaJs in das Stadtbild, auBerdem rue Furcht vor den Kosten
sorgfültig gesliuben. Besonders die Zurückdrangung der Hel des Abbruchs, auch die Aonehrnbarkeit des stilistisch tatsach
dendenkmale aus dem Ersten Weltk:rieg und das Verbot der Er lich konservativen Oenk.rnals für einen konservativen Ge
irnıenıng an die Gefallenen des Zweiten Weltk:riegs bat das schnıack.
Pietlitsgefiihl von groBen Massen beleidigt. Umso mehr, als der Der Stil des Denkmals anı Gellertberg entspricht einem spli
Totenkult nıssischer Soldaten offıziell geförden wurde. Das ist ten klassizisierenden Historisnıus, desseo inıemational aner
wohl der wichtigste Ansatzpunkt des Bildersturms gewesen. kannter Spezialist sein Bildhauer Kisfaludy Strobl war, und so
Und Vorbild, oft von verschiedenen Seiten genannter Legitima mit dem traruüonellen Begriff dieser Gattung, wie ihn auch heu
tionsgrund war der Höhepunkt der Revolution von 1956, der te wieder gescbatzıe alıere Denkmüler vertreten. Eine splitere
Sturz der Budapester Stalinstatue. '0 Tendenz dagegen, in der sich nach 1956 eine merkwürdige To
Scheinbar haodelt es sich hier um eine Förderung der Wie leranı. der Kulturpolirik der modemen Kunst gegenüber offen
derherstellung des staıus quo aıııe im Sinn nostalgischer Her barte, hat auch zur Diskreditierung der Fom1enwell der Avant
aufbeschwörung der glücklichen Vergangenheit oder eines poli garde des 20. Jahrhunderts beigetragen. StiJ- und Formziraıe,
tischen Konservativismus. AJs Parallelerscheinung sind Umbe wie der Gebrauch dcs Motivs eines Werbeplakats von 1919 anı
nennuııgen von StraBen, Pliitzen und lnstitutionen und massen DenkmaJ der Raterepublik, wirkten nicht nur im Simıe eines Hj
weise Herstellung neuer Stra8enschilder wohlbekannt. Diese storismus. sondem haben expressionistische Stilelemenre in ei
Praxis wurde von Bewegungen im Sinn der Heimatpflege, der ne abschreckende Bnıtalitlil umgedeuıet. Oieselbe Methode, die
Stadtverschönerung eingeleitet, die in Ungarn seit den siebziger im Fonnenzitat auch eine Quelle der Glaubwürdigkeit suchte,
Jahren eine Art Vorschule der bürgerLichen loitiative bildeten ist wohJ ein Kennzeichen für den letzten pseudonıodemen Stil
und sich auf behördlich nicht geschützıe Werte. besonders der der Monumentalkunst der Kadar- Ara gewesen.
Griinderzeit, konzentrieren.11 Die geistigen Wuneln reichen Wie es sich mit dieser Authenti:ıitat verbielt, bezeugt das
aber tiefer. Soziologen und Asthetiker, ja sogar Fachleute der peinliche ikonographische MiBverstlindnis des Motivs des offi
Nationalökonomie haben seit den sechziger Jahren Wandel im ziellen Hauptdenkmals der Unterdrückung der Revolution von
Totenkult und in der Gestallung der Graber beschaftigt, die auf 1956, das in der Nlihe des damals von den Massen gestürmten
dem ersten Blick als reine Verschwendung erschienen. Grab komnıunistischen Parteihauses errichtet wurde. Die Figur wur
bauten gröBeren MaBstabs, soLiden Materials und oft selbst Ein de einer Plıotographie nachgebildet, rue damaJs in der Weltpres
richtung oder Beigaben haben - anscheinend unabhangig von se bekannt war und vom Regjme oft zur lllustrierung von
der ReLigionszugehörigkeit - auf einen Wandel im Jenseitsglau WeiBbüchem verwendet uod als Beweis antikommunistischen
ben rungewiesen und - oft zu Lebzeiten des Grabbesitzers er Terrors benutzt wurde. Ersı vor kurzem. als bekannt geworden
richıete Denkmliler- Furcht vor den letzten Dingen, eine Angsl ist, daB die Photographie den Tod eines im Kugelbagel der Ge
vor dem spurlosen Verschwindcn ausgedrückt. Wie auch immer heim!)Olizisten gefallenen Reporters von Paris Match darstellt,
man diese Erscheinung in Begriffen unterschiedlicher wissen isl das Symbol des Opfertods zum Symbol der Lüge geworden.
schaftlicher Disziplinen, angefangen von der Ethnologie bis zur ln Kenntnis der wahren Bedeutung der Figur würde aber der Ge-
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danke nach einer eventuellen Umtaufe gerade in diesem Fail auf Unter solchen Verhiiltnissen wiegen wissenschaftliche Argu
der Hand liegen. Das schlie8t jedoch der penetcant zeitgebunde mente und scha.rfsinruge Unterscheidungen nicht besonders
ne Stil des Denkmals von vornherein aus. schwer. Die meist überaus leise ausgesprochenen Gegenargu
Bisher haben wir lauter Erscheinungen besprochen, die es un mente baben sich vor allem auf diejenigen Wertfaktoren be.ru
möglich machen, die politischen Denlanale der letzten vierzig fen, die nach der Kategorisierung Riegls entweder dem »relati
Jahre als rein künstleıische Objekte zu betrachten oder als ven Kunstwert« oder dem >>historischen Wert« entsprechen mö
Kunstdenkınale.r unter Schutz zu stellen. Auf eine pa.radoxe gen, wobei der »gewollte Eıinnerungswert« überhaupı nicht in
Weise wirken in den Leidenschaften, clie die Massen ihnen ge Frage steht. Entweder müssen sie als ein Stück Kunstgeschich
genüber bewegen und die wohJ berecbnende Poljtiker oft zu nut te enden oder im speziell für sie eingerichteten Freilichtrnuseum
zen verstehen, gerade diejenigen Herausforderungen fort, für der Denkmiiler der Dik:tatur. Dabei ist schon heuıe klar: Ehe sie
die sie gemacht wurden. Offen gesagt, entstanden sie kaum als als Kunstdenkmiiler oder selbst als historische Denkmiiler aner
Kunstwerke, sondern als Kultobjekte. Bühnenrequisiten für kannt werden können, ınüssen sie durch das Fegefeuer wandern.
Handlungen wie EnthüUungen. Massenversammlungen, Kund Es scheint, da8 der Weg zum Kunstdenkmal erst durch den Ra
gebungen und Kranzniederlegungen. Thr Sturz ist so gesehen ein ıitiitswert führt.
letztes Lebenszeichen, eine folgerichtige AbschJu8handlung ih Wie könnte es anders in einer Gesellschaft sein, wo selbst
res Kults, der von da auf andere, n.icht weniger für die Ewigkeit Bauinschriften und ursprüııglich als datierende Mittel an
gedachte Jdole übertragen wird. Die leer gewordenen Sockel gebrachte Wappen als politische Symbole entfemt und emeuert
fordem zu Statuenerıichtungen au� und es hiiufen sich bereüs wurden. An den Pfeilem der um die Mitte des 19. Jahrhunderts
die Vertreter einer neuen Generation von Denk.nıalem. errichteten Kettenbrücke in Budapest wurde vor kurzem gerade
Für die Mlirtyrer von 1956 wurde am öffentlichen Fıiedhof die fünfte Form des jeweiligen Staatswappens von Ungarn
von Rakoskereszrur vom Klinstler György Jovanovics ein durch angebracht. Davon fallen vier auf die Zeitspanne zwischen
vielfach geschichtete Symbolik beladener, zur Meditation einla 1945 und 1990, und das letzte ist dasjenige mit der HeiJigen
dender Memorialbau errichtet, der sich bewuBt auf eine konti Krone Ungams, das 1990 gesetzLich für die Republik Ungam
nuierliche Kulturtradition der Sepulkralkunst beruft.'3 Dagegen wiedereingeführt wurde. Laut ungarischer Staatstheorie, deren
wurde von Mitgliedem seiner Familie eine Bildnisstatue für lm Wurzeln auf das Spiitrnittelalter zurückreichen, stehı kein
re Nagy bei dem anı meisten beschiiftigten Bildhauer und Denk Widerspruch zwischen der republikanischen Yerfassung und
malspezialisten der vorausgehenden Zeit bestellt (Bilanz seiner der Königskrone, da die Stef anskrone das Sinnbild der mysti
bisherigen Tatigkeit, nach eigenen Worten: nur fünf wegen ihres schen Körper des Landes ist. Dieser staatstlıeoretische Ansatz
politischen lnhalts fragwürdig gewordene bei insgesamt 330 f and in unterschiedlichen Versuchen seine akt1ıelle Fortsetzung,
Denkmii.lem"). Und im Sommer 1992, als das Denkmal von Jo die l."Unsthistorisch eindeutige Feststellung über den byzant:i
vanovics fertiggestellt wurde, haben Rechtsextremisten die nischen Ursprung und die relatjve Spatdat:ierung des Kernstücks
Nachahmung eines in Siebenbürgen geliiufi.gen holzgeschnitz der Krone zu bezweifeln.' 8 Zweck dieser Beınühungen war,
ten Szeklertores erıichtet. Ursprünglich tnıg es die Inschıift: die Krone zuınindest als diejenige des heiligen Königs Stefan
»Du solist dieses Tor allein mit ımgarischer Seele dıırclısclırei zu betrachıen, sie aber womöglich für ein ii.lteres Produkt
ten«. ıs Diese Version der Dante'schen »voi clı'erıtrate« wurde heidnischen ungarischen Ursprungs zu erklii.ren. Auch in diesem
allerdings ku.rz danach, im Lauf der Yerhandlungen mit den Er FaU war die Kunstgeschichte zu einem Rückgefecht ge
bauern. die gegen einfache baupolizeiliche Regeln versto8en zwungen.
haben, folgenderma8en gemjldert: » Wir habeıı dieses Tor mit Dieses Referat versteht sich als eine Momentaufnahme im
ımgarischer Seele erriclıtet, dıı solist es mit rei,ıer See/e durclı Februar 1993. Inzwischen wurde das Budapester Freilichtmu
schrei.teıı«. Bei diesen Debatten hat der Vorsitzende des Natio seum der Denkrnale des Kommunismus stalinistischer Archi
nalverbands der Ungam den Memorialbau von Jovanovics als tektur eingerichtet und 1994 eröffnet. Aus diesem AnlaB
»eiııe grieclıische Kloarılage« bezeichnet. 16 Der durch diesen erschienen im Juni und Juli 1994 wiederum Veröffentlichungen,
nationalistischen Ak1 ausgelöste Kontlikt bildete den Auftakt zu die jedocb eine erneute Yerscbiebung der Wertung des aktuellen
Protestakten für die massenhafte Entfemung der politischen pofüischen Wandles (Wahlsieg einer sozial-Jiberalen Koalition)
Denkmale von Budapest. 17 zeigen.
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Anmerkungen
ı Nepszabadsag, 27.1.1993.
2 Nepszabadsag, 3.10.1992.
3 Alois Riegl, Der modeme Denkmalkultus, sein Wesen. und seine
Entstehung, 1903, in: Gesammelte Aufsatze, Augsburg-Wien 1929.
4 V gl. das Rundschreiben des lnnenministers an die Bürgernıeister
des Landes, enısprechende Beschlüsse zur Vorbeugung der Massen
demonstrationen zu treffen: Nepszabadsag. 10.10.1991. Hier wer
deo als zu befolgende Prinzipien aufgeführt: Durchfiihnıng. der eu
ropaischen Tradition entsprechend, unıer Einbeziehung, der öffenı
lichen Meinung, ohııe überfli!ssige Beleidigung menschlicher Ge
fühle und Schonung künstlerischer und historischer Werte. - Eine
historische Übersicht der füeignisse von E. Csoknyay in: Nepszava,
6.8.1992.
5 S. die Listen der 1991 zum Abbruch verurteilten Denkmale in der
Budapester Tagespresse vom 6.8.1992: z.B. Magyar Hirlap.
6.8.1992, immer neben dem Ultimatum des Ungarischen Weltver
bands von 1956, und Nachrichıen über die denıonstrative Beschtidi
gung eines Befreiungsdenk:ınalsfo der Form von Nike im m. Bezirk
von Budapest. Mit den Abbrucharbeiten wurde Anfang Sepıember
begonnen gemiill Nepszabadsag, 10.9.1992.
6 lnıerview mit dem Historiker J. P6ı6 in: Magyar Hfrlap, 23.9.1992.
7 Nepsazava. 9.10.1992. -Bereits zwei Jahre früher findeı man aile
Argumente, insbesondere diejenigen ihrer künstlerischen und kunsı
historiscben Bedeutung im Artikel von L. Mravik: Kritika 1990/5,
S. 9 f.
8 Aus dem diesbezüglichen Schrifttum s. vor ailem J. P6r6: Emlek
müvek. politika. közgondolkodas (Denkmale. Politik und politi
sches BewuBısein) Tarsadalom- es müvelödestörteneti Tanul
m.inyok 7, Budapesı 1989 mit besonderer Berücksichtigung des
Schicksals der Denkmale der Zwischenkriegszeit sowie zwischen
1945-49 und der Geschichte der Errichtung des Stalindenk:ınals von
Budapesı. -Diesen Studien ging allerdings eine intensive Beschiif
tigung mit der Geschichte der Monumentalskulptur des 20. Jhs. ins
besondere von Budapest voraus. s. die Kataloge: Monumentumok az
elsö vü.ighaborı1b61 (Monumente aus dem Ersten Welıkrieg), hrsg.
A. Kovacs, Budapest 1985, und Budapest közteri szobrai 1692-1945
(Die Statuen an öffenılichen Pltitzen von Budapesı), hrsg. A.
Szöllössy. A. Szüagyi, L. Hadh.izy, Budapesı 1987, sowie Negyven
ev közteri szobrai Budapesten, 1945-1985 (Die öffenılichen Sıamen
aus vierzig Jahren in Budapesı), Hrsg. L. HadMzy. A. Szilagyi, A.
Szöllössy, Budapesı 1985.
9 K. Sink6, A nemzeti enılekmü es a nemzeti ıudat valıoz.isai (Die
Vertinderungen des Nationaldenkmals und des NationalbewuBt
seins), in: Müveszettörteneti Enesrtö (XXXJII) 1983, S. 185-201
und E. Gı'ibor, Az ezredeves emlek (Das Milleniumsdenkmal),
S. 202-21.7: vgl. auch J. Szab6-Marosi, Hungarian Political Changes
in 1918-1919: Evolution and Revolution in the Arıs and Politics, in;
CIHA :xxvne Congres Inıemational d'histoire de l'art, SıraBburg
1989. L'art et les revoluıions, section 2, Changements et continuiıe
dans la creaıion artistique des revolutions politiques, SıraBburg
1992, S. l 26 ff.
10 L. Beke, The Demolition of Stalin's Sıaıue in Budapest, StraBburg
1989 (wie Anm. 9), secıion 4. Les iconoclasnıes, StraBburg 1992,
s. 275-284.
11 E. Marosi, Ungarische Denkmalpflege arn Scheideweg? in: Kunst
chronik 43 (Oktober 90), S. 574-582, 5 Abb. und derselbe. Brüchi
ge Vergangenheiı. Denkmalpflege in Budapest, in: Neue Zürcher
Zeitung, 4/5. 1.1992, Nr. 2, S. 47 f.
12 S. etwa V. Komor, in: Magyar Nemzeı, 27.J Ll99l .
13 Gy. Jovanovics, Eksztatikus katal6gus egy tömegsfr esztetikaj.iboz
(Ein Ekstatischer Katalog zur Asthecik eines Massengrabes), in: Kri
tika 1992/10, S. 3-5.
14 in: Reform, 24.10.1991.
15 Ziı. von G. Boros. in: Elet es Irodalom, 12.6.1992.
16 Wie Anm. 14, vgl. eine Übersicht der Geschehen, in: Beszelö,
27.7.1992, s. 25-28.
17 Nepszabadsı'ig, 3.8.1992.
18 S. die Beitrtige von E. Kov.ics, Zs. Lovag und E. Marosi, in: Milve
szeıtörteneti Ertesftö XXXVI, 1986.
61
•
- •
Gheorghe Vida
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chen Symbolen ausgestatteı sind. Auf diese Weise wird eine Das erst 1971 errichtete Standbild Grozas hat eigentlich wenig
Tradition wieder erschlossen. die von den Kommunisten für lan mit dem anderen gemein. doch erlitten sie beide aufgrund
ge Zeiı verdrlingt worden war. ciner unvorhergesehenen historischen Entwicklung das gleiche
ln den letzten Jahren von Ceausescus Nationalkommunismus Schicksal.
war bereits alles für eine direkte Glorifiı.ierung des »Conduca Boris Caragea (1906-1983), der Autor des imposanten Lenin
tor«. des Führers, vorbereiıeı: Es gab eine Reihe von Projekten monuments: war in der Zwischenkriegsıeit als Veıtreter eines
für öffentliche Standbilder gleich jenen in Nordkorea. Sie war temperierten Klassizismus in der Nachfolge von Bourdelle be
ıeten nur darauf. in einer gigantischen MaBstabsvergröBerung kannt, wobei ein Hang zum Monumentalen unverkennbar war.
realisiert zu werden, wie es im Bercich der Architektur und des Nach dem Ende des Krieges zerstörte er einen Tcil seiner Wer
Stiidtebaus bereits geschehen war. Die Zeit aber reichte nicht ke (die wohl von den damaligen Kunstdogmatikem als formali
mchr aus. Heutc sind uns die »Reliquien« übriggeblieben: stisch bezeichneı wurden) und entwickelte sich zu einem der ge
Gem!ilde, Wandteppiche. Mosaiken, Plastiken. clie in hunderten fragıesten offiziellen Künstler. Er vennied aile Spannung und
von Hyposıasen das immer gleichc Sujct darstellen. Dramatik und kam somit dem triumphalistischen Optimismus
Spektakultiren und relevanten Bildersturm gab es in Rum:ini des Regimes aufs beste cntgegen. Es muB gesagt werden, daB
en nur in LWCİ Fiillen, als die Leninstaıue des Bildhauers Boris unter den gegebenen Bedingungen diese Leninstaıue vorzüglich
Caragea (Abb. 1-5) und das Denkmal von Dr. Petru Groza in den architektonischen und Naturkonıext paBte. Das Standbild
des Bildhauers Romul Ladea von ihrcn Sockeln geholL wurden. Lcnins bczeichnet die Hauptachse der >Casa Scinteii<. des >Hau-
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ses der Flamme<, einer stalinistischen Konsıruktion reinsten sterprasidenı einer kommunistisch dominierten Regierung und
Stils, die beinahe ihr Modeli, die Lomonossow-Universitliı, gill als Hauptakteur in der Absetzung des Königs, die den Ein
übertrifft, das den Pseudo-Funktionalismus und die üppig zug dcs Kommunismus in Rumanien besiegelte. Seine Gleich
unnütze Dekoration zur Perfektion entwickelte.' Abgeseben von setzung mit einer kommunistischen Symbolfıgur spricht davon.
den gesellschaftlichen und historischen Gegebenheiten ware es wie das Fehleıı einer Staıue Nico.lae Ceausescus oder von des
vielleicht ideal gewesen, das architekıonische und plastische sen Vorgiinger Gheorghc Gheorghiu-Dej durch die Zerslörung
Ensemble wegen seines wachsenden ikonographischen und do des Grozamonuments kornpensierl wurde - ein bezeichnendes
kumentariscben Werts zu konservieren. Doch Ende Februar des Beispiel für das Bedürfnis nach Zerstörung von ldolen iıı efjigie.
Jahres 1990 meldeten die Zeitungen6 die Gegenwart mehrerer Niemand zeigte sich noch daran inıeressiert. daB der Autor die
erregter Menschengruppen, die den Sturz des Denkmals forder ses Monuments der Bildhauer Romul Ladea (1901-1970) war.
ten. Ein Pope hatte diese Forden.mg sagar durch seinen Hunger ejner der reprasentalivsten rumiioischen Künstler mit einern
streik vor Ort unterstützt. Die frisch installierten Machtbaber ebenso umfassenden wie koharenten CEuvre, mit eiııer barock
reagierten prompt und eifrig und lieBen unter den Augen und gepragten. konlinuierlichen Stilentwicklung, ohne Spurcn des
dem Beifall der Menge die Bronzestatue vom Sockel beben. Der sozialistischen Realismus,' eiıı Künstler der mit dieser Arbeit
frei stehende Stumpf dient nun als bizarre LitfaBsaule. Die Sta nur einen offıziellen Auftrag ausgeführt und eine politische Per
ıue li.egt zusammen ınit jener von Petru Groza in eiııer Holzver sönlicbkeil dargestellt hatıe, die sicb damals allgemeiner Aner
schalung in einem Lagerraum des rumanischen Künsllerver kennung erfreuıc. Die Plastik könnte rnöglicherweise in einern
bands. Es gab Angebote aus Kanada und Japan, das riesige Museum ausgestcllt werden, da sie ihrem Wert entsprcchend
StandbiJd (5 m Höhe mit Sockel) zu kaufen, aber die Verhand zum nationalen Kullurguı zu rechncn ist.
lungen führten zu keinem Resultat. Sollte es zu einer wirt Diese Ausführungen sind den Umstanden entsprechend un
schaftlichen, politischen und sozialen Stabilitat kommen, könn vollstandig und wollen nur die AufnıerksamkeiL auf die Situati
te sie in einem Museum für zeitgenössische Geschichte oder ei on nach einem Umsıurz richten, der die Zerstörung von Symbo
nem Museum der Diktatur ihren Platz fınden. len und Idolen nach sich ziehL lhre Umwandlung in historische
lm Fail des Broıızemonuments auf einem Granitsockel (Ge Zeugnisse rnü8te aufmerksam verfolgl werden. Histoıiker.
samthöhe 4,5 m), das den Politiker Dr. Petru Groza darstellt. Kunsthistoriker. Museographen und Soziologen sollten konkrete
kam der Sturz. gleich nach jenem der Leninstatue. Petru Groza Konservierungsvorschlage erarbeiten, um einen unumkehrbaren
war bereits in der Vorkriegszeiı Politiker gewesen, akzeptierte ProzeB der Spurenverwischung zu verhindem. Denn es sind Spu
den Pakt mit den Kommunisten, wurde am 6. Marz 1946 Mini- ren. die unsere eigene Existenz schmerzhafL gezeichnet haben.0
Anmerkungen
1 Barbu Brezianu, Histoirc des sepı statucs d'lvan Mestrovic erigees 5 Vgl. Kapitel: L'arcbiıecLUre de Russie au cours des annees qui onı
en Roumanie, in: Revue roumaine d'histôire de rart, serie Beaux - prccede la seconde guerre mondiale (1933-1941). in: Anclrei fkon
arts. ı. 28, 1991, p. 3-11. nikov. L' archiıecture russe de la periode sovietique, 1990, p. 187 ff.
2 lonel Jianou, Demou Diıuitrios, in: [onel Jianou u. a., Les artistes 6 Vgl. z. B. Romarıia Libera vom 27. Februar 1990.
roumains en Occident, Ed. American Rornanian Academy of Arts 7 Negoita Lapıoiu, Romu! Ladea, Bucuresti 1985.
and Sciences, f.a. p. 61. Sein beutiges Werk dıiickı nach Meinung 8 Ein anderes. Dr. Peını Groza darsıellendes Monurnent in Deva
des Exegeten »die Freude der Befreiung, die Scbaffenskraft, die (Kreis Huncdoara), das 1965 von Consıanıin Baraschi geschaffen
über die Materie herrscht« aus. wurde. entfemte man ebenfalls.
3 Las.zlo Beke, Thc Demolirion of Stalin's statue in Budapest, in: 9 Einer der jungen KUnsıler. die sich mit diesem Philnomen auseinan
xxvne Congres intemational d'histoire de l'an, Strasbourg 1989. dersctzen. isl Theodor Graur (geb. 1953), der programmaıisch sol
L'art et les revolutions, Section 4: Les iconoclasmes, Strasbourg, ehe Syrnbole der Vergangenheit benutıt und resemantisiert wie in
]992, p. 275-284. der Ausstellung »Theodor - Graur - Muscum«, Bukarest. Novem
4 Vgl. die dem Künstler von Amelia Pavel gewidmete Monographie: ber 1990, in der er Photographicn vorn Stur.ı; der Lcninstatue vcr
Boris Caragea, Bucuresti 1970. wendet haı.
<l
AbrijJ der Bııkarester
leııiııstaıue des Bild
haııers Boris Caragea,
Miirı. /990
I>
Wladimir /. leııiıı ııııd
Dr. Peırıı Grow. ııaclı
ihreııı Srıırz vereint
65
Marek Konopka
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italienischer Kommunist erwerben. SchlieBlich wurde sie an ei fünfziger Jahren wurde er leider nach Polen geschickt, um die
nen schwedischen Bürger für 20000 Dollar verkauft. Das Geld Loyalitlit polnischer Soldaten zu überwachen und wurde zum
wurde von der Bebörde dazu bestimınt, das Denkmal für die im MarschalJ der Polnischen Armee emannt. 1956 kam er in die
Zweiıen Weltk:rieg kiimpfenden Po.len zu errichten. Sowjetunion zurück. Ein zu seinen Ehren errichtetes Denkmal
Das zweite Denkınal erhielt Lenin in Poronin, einem k.leinen stand in Legnica, in Niederschlesien, wo sich das Zentrum der
Bergdorf in der Tatra. Die Starue wurde gegenüber dem Haus Gamison sowjetischer Truppeo befand, gegenüber dem Haus
aufgestellt, in dem ein Lenin-Museum eingerichtet worden war. des Sowjetiscben Offiziers. wo jetzt die Bischofskurie ihren Sitz
Wahrend des Ersten Weltk:rieges wohnte Lenin ein paar Mona hat. im Noveınber 1992 wurde die Statue in der Nacht in den
ıe in Polen, bevor er in die Schweiz reiste. Spli.ter stellte sich her Kommunallagerraum transporıieıt, obwohl die Führung der
aus, daB Lenin in Poronin nur seine Briefe aufgab, und in einem Nordarmee der Russischen Pöderation heftig dagegen prote
Nachbardorf, Bialy Dunajec gewobnt hatte, wo ebenfalls ein stiert hatte.
ihm gewidmetes Museum eingerichtet wurde. In beiden Museen Auf diese Art und Weise verliiuft der ProzeB des Abbaus von
gab e-s natürhch keinen einzigen origioalen Gegensrand jener groBeo figürlichen Denkmli.lem, von denen nicht mehr viele ge
Zeit oder in Verbindung mit Lenin. 1990, bevor die Entschei blieben sind, die die ganze Figur darstellen. Dagegen befinden
dung getroffen wurde, beide Museeo zu liquidieren, stürzten un sich in Polen noch zahlreiche Denkmiiler zu Ehren der Roten
bekannte Tiiter die Statue um, die übrigens schon iınmer ver Arnıee, die aber eher aus bildhauerischen Kompositioncn beste
spottet worden war: ln den fünfziger Jahren wurde auf dem hen oder Klischeedarstellungen eines Soldaten mit sowjetischer
Kopf de-s Führers der Revolution ein Nacbttopf einzementiert. Maschinenpistole sind. Denkmli.ler. die auf den Friedhöfen ste
Die Leninstatue des Bildhauers Szwall, ein Geschenk der Stadt hen, wecken keineEmotionen, ganz im Gegensatz zu denen, die
Leningrad von I 950, wurde in die Lagerrli.ume des historischen in gröBeren oder kleineren Stlidten aufgestellt wurden. Doch der
Museums iıı Krakau abtransportiert. Abbau ei.nes Denkmals, zuma! eines solide errichıeten, ist sehr
Ein li.bnliches Schicksal wurde Boleslaw Bierut zuteil, dem teuer, und die Gemeinden verfügen nur über sparliche Geldmit
ersten Staatsprasidenten Polens nach Kriegsende und spaterem tel, um solche Vorhaben zu finanzieren. Die Einwohner sind
Parteisekretiir. Bierut war immer unbeliebt, weil er die Terror auch oft der Meinung, daB es wichtigere Aufgaben gibt, als den
peri.ode der Stalinzeit verkörperte. Er war auch Agent der NK Abbau der Denkmaler. Yor kurzem habe ich im Fernsehen einen
WD wli.hrend des Krieges. Nach dem Krieg gewann er im Wahl Bericht aus Szubin in Pommem gesehen, wo eine einfache Sau
kampf mit Wladyslaw Goınulka, der die polnischen Kommuni le mit einer Aufschrift steht. Da die Versuche, sie wegzuschaf
sten vertrat, die wli.hrend des Krieges in Polen geblieben waren. fen, miBlangen, sieht sie jetzı wie ein durch Biber zemagter
Bieruts ldol war Stalin. Bierut bereitete auch ei.nen ProzeB ge Baum aus. Manchmal findet man aber Monumente von gro.Bem
gen Gomulka vor, indem er ibm eine radikale Rechtsanschau künstlerischen Werı und voller Symboli.k, z. B. ein Denkmal bei
ung und die Verbindungen mit Tito vorwarf. Nur wegen Stalin Wladyslawowo in Pommem, das einen erschöpften sowjeti
und klırz nach Bieruts Tod wurde die Untersuchung eingestellt. scheo Soldaten darstellt.
Es war also selbstverstli.ndlich, daB zu Gomulkas Regierungszeit Titel meines Berichtes ist eine Paraphrase der lateinischen
der Name Bierut von der offizieUen Propaganda kaum erwahnı Sentenz über die Bücher, dic ihrem Schicksal nicht entgehen
wurde. Ziemlich spat, erst in der Jetzten Zeit der Regierung von können. Das Won Bücher kano durchaus mil dem Worı Denk
Edward Gierek, erhielt BieruL sein Denkrnal, aufgestellt im Zen mfiler ersetzt werden. ln unserem Alltag werden die Denkmaler
Lrum von Lublin, wo die ersre kommunistische Nachkriegsre allerdings kaum beachtet; sie werden nur von den Touristen be
gierung gebildet worden war. HeUle steht seine Statue im Gar sichtigt. Doch sie gehören zum Stadtbild, sind zu einem lden
ten des Museums in Kozlowka. Der Figur fehlt aber die ausge titatsfaktor für die Einwohner geworden. genauso wie Baudenk
streckte rechte Hand: W iihrend des Transpons mit dem sowjet mfiler insgesamt, wie die allgemeine architektoniscbe Gestal
ischen Lastkraftwagen KAMAZ wurde die Hand abgebrochen. tung einer Stadt. Die Denk:rnliler einer Stadt bilden einen gewis
Erwahnenswert ist auch das Schicksal zweier sowjetischer sen Kanon von Persönlichkeiten und verkörperten gewisse Wer
Marschli.lle und ihrer Statuen. Marschall Ivan Koniew, Held des te. Es ist also selbstverstii.ndlich, daB von auBen aufgezwungene
Zweiten Weltkrieges, Führer der Truppen, von denen Krakau Werte und Ideen von der Gesellschaft nie anerkannt werden: Sie
befreit wurde, dessen Strategie die Stadt unbeschiidigt lieB. in existieren nur, weil es verboten ist, gegen sie Einspruch zu er
Anbetracht dessen bekam der Marscball sein Denk.mal, eotwor heben. Das gilt auch für die Denknıfiler von Persönlichkeiten,
fen von Stanislaw Hajdecki. Die Statue zahit zu den wenigen die an sich keine Antipathie wecken. leh meine hier General Ka
künstlerisch hervorgehobenen Werken jener Zeit. Trotz man ro] Swierczewski, ermordet 1947 von ukrainischen Truppen:
cher Proteste wurde das Deııkmal abgebaut und nach Kujbys Nicht er selbst, sondem seine Anschauungen waren den Ein
zew geschickt, wo es wiedererrichtet wurde. wohnem Warschaus verhaBt. So verschwanden auch seine
Marscball Konstanty Rokossowski, polnischer Abstammung DenJ.-mliler.
übrigens, Gefangener des sowjetischen Lagers, zeichnete sich Das Scbicksa1 der Monumente (genauso wie anderer Kullur
im Krieg durch besondere militlirische Fahigkeiten aus. [n den denkmaler von symbolischer Bedeutung) unterliegı immer dem
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Weııbewerbseııtıvıııfftir das Siegesmoıııımenı iıı Tal/iıııı der leııiııgrader Arc:lıitekıeıı Boıclıarev, liıoııısc/ıeııko ııııd Tııııosclıkoıı, 1952-53
Urteil der Geschichte. Je nachdem werden dann dic zu einem Zum SchluB möchte ich an einc interessanıe Gescbichte er
bestimmten Zweck aufgestellten Denkmaler gep0egt und ge innem, verbunden mit einem erhaltenen, aber noch nicht auf
achtet oder vergessen. lntcrcssant war die Geschichtc des Denk gestellten Denkmal. Yor dem Zweiten Weltkricg beschlossen
ınals für dic Schlacht bei Bouvines 1214 zwischen dem franıö die Behörden in Kat0wice. daB Marschall Jozef Pilsudski ein
sischen König Philipp August und dem Kaiser Otto iV., be Denkmal erhalten solle. Der Marschall war Sieger im Krieg von
schrieben von Georges Duby. Je nachdem wie sich die Bezie 1920, war SoziaJist, der im Vergleich zum Nachbarregimc ein
hungen zwischen Franzosen und Dcutschen gestaltetcn, war das mildes autoritares Regierungssystem in Polen schuf. Den Wctt
Denkmal cnıweder euphorisch verehrt oder ganz vergessen. bewerb gewann der jugoslawischc Bildhauer Augustinici't. Die
Verhaltnismlillig geringe Emotionen wecken die Denkmaler von groBen Kosten der Arbeit wurden von Spenden gedeckı. Nach
Gelehnen und Erfindem, die gröBten Emotionen dagegen die der Vollendung und Bezahlung dcs Werkes brach der Krieg
Denkıniiler von Politikem und Soldatcn. lm Jahr 1917, nach der aus, so daB die Statue in Jugoslawien blieb. Noch 45 Jahre spa
wiedererlangıen Unabhüngigkeit Polens. wurden dic Denkmaler ter. als der Name dcs Marschalls unerwünscht war (man durfte
von Zar Alexander I. und General Paskicwicz und das Den.kmal ihn nur im negativen Zusammenhang erwtihnen), stand die
zu Ehren der ruBlandtrcuen Bürger umgestürzt. Aile wurden Statue im Museum des Bildhauers. Nach 50 Jahren, fast im letz
aber nach dem Zusammenbnıch des Novemberaufstandes von ten Moment, ist es nun gelungen, die Statuc nach Polen ein
1830 wieder aufgestellt. Es kommt auch vor. daB Denkmli.ler auf zuführen.
ihren Platz zurückkehren. So war es mit den wahrend der deut Auch die ungewollten und unbeliebten Denkmaler sind Zeu
schen Besatzung zielbewuBt zersıönen Warschaucr Denkmaler gen der Geschichte. Sie sind ein Element der Vergangenheit. die
des Komponisten Chopin, des Schusters Jan Kilinski, des Schau doch nicht auszulöschen ist. Nun werden sie in verschiedenen
spielers Wojciech Boguslawsk.i. des Astronomen Mikolaj Ko Lagerraumen aufbewahrt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wcr
pemik. in Krakau wurde auch zielbewuBt das Denkmal für die den sie noch die Zeit crleben, in der wir sie unseren Enkelkin
Schlacht bei Tannenberg 141 O zerstön. lnzwischen sind sie aile, dern zeigen wollcn, - nicht mehr auf ihren Sockcln, sondem in
konservien oder rekonstruien. an ihren Platz zurückgekehrt. der Galerie der historischen Sehenswürdigkeiıen.
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Ants Hein
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Eröffiıııııg des Ka/iııiıı-DeııAwals (Bildlıaııer A. Kaasik) iıı Talliıııı am 6. Novenıber 1950
de nach den Worten der Jury als »ideologisch klarster« der Ent stalinistischer Gigantoınanie. Diese riesigen Siegessiiulen und
wurf des Moskauers J. Medwedjew befunden - eine 40 Meter Triumphbögen hiitıen für mehr als ein Römisches Reich ge
hohe Siiule, >}die von der Statue des Genossen Stalin als Symbol reicht. Hinterher, beim Bliittem in den Pliinen dieses Wettbe
des Sieges gekrönt ist«. Der 1952/53 folgende zweite Sieges werbs, ertappen wir uns bei dem Gedanken, daB es die »proleta
siiulen-Wettbewerb gestaltete sich dann mit 131 aus der ganzen rische« Kunst vielleicht gar nicht gibt- schon bei der erstbesten
Sowjetunion eingereichten Arbeiten zu einem wahren AJpı:raum Gelegenheiı wandelt sie sich ins Kleinbürgerliche.
Weırbeıverbseıırwwfftir das SiegesmoıııımeTII iıı Talfiıııı der Moskaııer Arclıirekıeıı A. 8. Stepaııov, E. G. Rozaııo ııııd V. N. Sclıesıopalov, /952-53
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Eigentlich war auch das Haus der Sowjets, das man ali die Im Vergleich zur ersten Arbeit, dem Denkmal flir die gefalle
Nachkriegsjahre hindurch, bis 1954, in Tallinn projektierte, als nen Soldaten, war die Lösung der spateren Denkmiiler viel scha
Monument geplant. Mit seinem 100 Meter hohen Turm ist es blonenhafıer - alle stellten eine auf einem Postament sıehende,
eine eigenartige >>KathedraJe des Kommunisınus« geworden. meistens die rechtc Hand zum Gru8 erhebende. Figur dar.
Die gigantischen Ausma8e bedingten eine reichlichere Glie Au8erdem wurdeıı sie gewöhnlich in bedeuıend kleineren
derung der Fassade. Somit entfernte man sich vom einfachen MaBen ausgeführt, aJs sie in den Wettbewerbsarbeiıen vorgese
Klassizismus und das Gebaude wirkte eher wie eine Skulpıur - hen waren.
richtiger: wie eine riesige Torte im Traum eines irrsinnigen Neben diesen. sich an die Klischees der Sowjetunioo halten
Konditors. den und künstlerisch recht unprlitentiösen Monumenten, wirken
Ungeachtet dessen, daB die Projektierungsbüros in ali diesen einige in diesen Jahren in Tallinn errichtete dekorreichen Ge
Jahren fıeberhaft arbeiteten, blieb das Nachkriegsjahrzehnt in baude, vor ailem das 1946/47 wiederaufgebaute Theater Estonia
Estland ziemlich arın an Monumenten. Oben haben wir auf eine (Architekt Alar Kotli) und das 1953 beendete Haus der Balti
gewisse Hierarchie in der stalinistischen Architektur hiagewie schen Marineoffıziere (Architekt Aleksander Kusnetzow), be
sen. Zweifelsobne bestand eine Hierarchie auch im »Vertei deuıend unruhiger. Die Seitenwande des Theaıersaals ziert ein
lungsplan« der Monumente zwischen den verschiedenen Sow Fries, der die Freundschafı der Sowjetrepubliken syınbolisiert,
jetrepubliken: Wenn für Moskau, Kiew und Minsk die groBar die Decke schmückt ein Deckengemlilde (Elınar Kits, EvaJd
tigsten vorgesehen waren, so mu.Bte sich Estland als ldeinste der Okas, Richard Sagrits). Ahnlich Veroneses »Triumph der Ve-
Weııbewerbseııtwıırfftir das Siegesınoıııımenı in Talliıııı, 1952-53 der Arc/ıiıekten R.A. Begıınts, V. G. Makareviıs ımd A. B. Kareıclıev aus Moskau
Sowjetrepubliken auch mit bedeutend zurück:haltenderen Mo nezia« ise don der sowjetische Feiertag des Sieges dargesıellt. In
numenten begııügen. den zahlreichen Flachreliefs des Hauses der Mariııeoffiziere ise
Das erste sowjetische Monument wurde in Estland erst l 947 die vollstandige Geschichte der russischen Marine seiL Anbe
errichtet-das Monument der im Seprember 1944 in den Kamp ginn untergebracht worden, - ganz wie eine biblia pauperum.
fen um TaWnn gefallenen sowjetischen Soldaten. Der Bildhau Die letzten, dem Stil nach stalinistischen Monumente sind in
er Enn Roos und der Architekt Amold Alas Jösten die Aufgabe Estland das Friedrich-Reinhold-KreutzwaJd-Denkmal der Bild
ohne sonderlichen Pathos: Auf dem Hintergrund einer schlich hauer Martin Saks und Ende) Tani.loo sowie das von Leınbit Pa
ten Kalksteinmauer ist ein Krieger mit in Trauer gesenktem luteder emworfene Monument der Revolution des Jahres 1905.
Kopf dargestellt. 1m Jahr 1950 folgten das Kalinin-Denkmal Das erste stellı den Dichter, dessen Hand auf einem Buch liegt,
(Bildhauer Aleksander Kaasik), das Stalindenkrnal und das im Lehnstuhl sitzend dar. Auf den ersten Blick könnte man mei
Lenindenknıal (beide von Nikolai Tomski) in Tallinn, 195 1 das nen, das Werk sei nicht 1958, sondem 100 Jahre fıilher entstan
Kingissepp-DenkmaJ (E. Roos) in Tallinn und das Stalindenk den. Mit dem Monument der Revolution von 1905 erhielt die
mal (A. Kaasik) in Parnu, 1952 das Lenindenkmal (Ferdi Hauptstadı Estlands 1959 auch noch ihre Laokoon-Gruppe.
Sannaınees, Garibaldi Pommer, August Vomm) in Tartu/Dorpaı, Die Ablösung der sıalinistischen Periode wurde gewisser
1953 das Lenindenkmal (E. Roos, Arseni und Signe Mölder) in ma8en von oben wie von einem Deus ex. machina verordneı.
Jôhvi u.a.m. 1954 fand in Moskau eine Allunions-Konferenz der Architekten
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kablen Wandflachen und schmalen Fensteröffnungen wirken sie
heute besonders monströs. Einerseits wurde die sowjetische Aı·
ch.itek-tur durcb den Erla.B vom zwei Jahrzehnte andaueaıden
Diktat des Neoklassizismus befreit, andererseits zu strengster
Sparsamkeit verurteilt. Wenn früher staatliche Pramien manch
maJ nur aufgrund von kolorierten Entwtirfen und ModelJen er
teiit worden waren, so scbien es jetzt auf den Kostenvoranschlag
anzukommen. Dabei blieb die Grenze zwischen Erlaubtem und
Unerlaubtem verschwommen, weshalb die damaligen Lösungen
viel UnkJares und Eklektisches enthaJten. Unter diesem Ge
sichtspunkt mag die Chrustschowara im Vergleich zur Stalinara
für die Architektur noch unglücklicher erscheinen.
Der MonumentaJkunst brachte das politische Tauwener je
doch bedeutende Erleichterungen. Es bedeutete nicht nur Be
freiung von den Fesseln des strengen Akademismus und Nattı
ralismus. Auch der Kreis der Personen und Ereignisse, denen
man überhaupt Monuınente errichten durfte, erweiterte sich.
Abgesehen von ein paar mit Estland verbundenen Militarch.irur
gen (Nikolai Burdenko, Nikolai Pirogow), hatte man es bisher
nur mil Denkmiilem für Partei- und Staatsleitem zu tun gehabt.
Jetzt ergab sich zum ersten Mal die Möglichkeit auch das An
denken von Menschen zu verewigen, die nicht unbedingt eine
Moıııııııenı der Telııınıardi-Sclı/aclıt aııf der insel Saaremaa/Ösel voıı
A. Mıırdmaa ııııd deıı Bi/dlıaııerıı R. Kııld ııııd M. Varik. 1967 rote Aureole begleiten muBte. Die Geschichte Estlands in der
Nachkriegszeit ist voll Konfrontationen und Kompromissen. die
sich zwangslaufıg in den damaligen Monuınenten spiegeln: Auf
und Baumeister sıatt. Und im November des folgenden Jahres der einen Seite das unverbohlene Terrorregime, auf der anderen
erschien der ErlaB zur >Beseitigung von Übertriebenheiten beim Seite die Lebenskraft des estnischen Volkes und seiner Kultur,
Projektieren und Bauen<. Vemıerkt wurde, da.B »infolge der Be die jede kJeinste Lücke im System nutzte, um hervorzudringen
tonung der AuBenseite und der sich ausbreitenden Asthetisie und sich nach Möglichkeit durchzusetzen. Hinterher fallı es
rung und Archaisierung in der Architektur zuviel staatlicbe Mit schwer zu verstehen, wie in jenen Jahren solche wunderbaren
tel verbraucht worden seien« und da.B man sich der ökonomi Denkmaler entstehen konnten, wie die der Schriftsteller Eduard
schen industrielJen Bauweise zuwenden solle. Diese neue Ar Wilde (Bildhauer Albert Eskel, Arcbitekt Allan Murdmaa,
chitekturpolitik machte die weilere Verwendung von Türmen, 1965), Anton Hansen Tammsaare (Jaak Soans, 1978) und Krist
Saulen u.a. unmöglich. Sogar eine Reihe der schon im Bau be jan Jaak Peterson (J. Soans, 1983), der Künstler Kristjan Raud
fındlichen Gebaude, z.B. der Jaan-Tomp-KuJturpalast in Tal (KaJju Reitel, 1969) und Johann Köler (Edgar Viies, 1976), des
linn, muBten auf den vorgesehenen Dekor verzichten. Mit ihren Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struwe (Olav Manni.
Architekt Udo Ivask, 1969), des Schauspielers Voldemar Panso
(J. Soans, 1980) sowie die Denkmiiler zu Ehren der Gefallenen
in der St.-Matthiastag-Schlacht, die 1 21 7 stattfand (Rinaldo
Deııkıııa/ der Sclılaclıı am Maııhiasıag 1217 bei Viljaııdi/Fel/iıı voıı
Archiıekt Ü. Stöör ımd Bildlıaııer R. Veeber. /969 Veeber, Architekt Ülo Stöör, 1969), der estnischen Siingerfeste
(A. Murdmaa, 1969) u.a.
Natürlich blieb auch die Formsprache der Kriegs- und Revo
lutionsdenkmaler von den mit dem »Auftauen« einsetzenden
Veranderungen nicht unbertihrt.Eins der ersten Monumente, das
von den neuen asthetischen Erkenntnissen getragen ist, war der
1960 errichtete Obelisk der Eisexpedition (Mart Port, Lembit
Tolli), womit Tallinns Silhouette der erste modernistische Touch
verliehen wurde. 1963 wurde auf Saaremaa das Monument des
Aufstandes von l9l9 (Endel Taniloo) und im nachsten Jahr das
Monument der Opfer des Faschismus (Elmar Rebane) in Tartu
eröffnet. Der starke Eindruck, den beide Monumente machen,
liegt zum groBen Teil in der robusten Bearbeitung des Dolomits,
und auch die Figuren hat man schon recht gewagt deformiert.
Der Architekt Allan Murdmaa, der 1965 begonnen hatte, sich
auf dem Gebiet der monumentalen Kunst zu betatigen, brachte
mit den Bildhauenı Mati Varik und Riho Kuld eine ganze Reihe
von neuen Lösungen. lhre ersten gemeinsamen Werke waren
das Monument der Opfer des Faschismus auf Saaremaa und der
Obelisk der Tehumardi-Schlacht (1967), der ein riesiges gebro
chenes Schwen darstellt. Spater schuf Murdınaa mit Varik das
Monument des Aufstandes vom 7. Dezember 1924 in Tallinn
(1975), das Leninmonument in Parnu u. a. Man muB dazu er-
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wii.hnen, daB meistens gerade die Monumente für die Bildbauer Reliquie. der Baum, an dem der Matrose Jevgeni Nikonov vom
und auch für die Architekteo die eintraglichsten Arbeiten waren. Kreuzer >Minsk< im August 194 J verbrannt worden sein soll, ei
Die überaus hohen Honorare bedeuteten aber auch, daB bei den ne Mystifıkation isı: Nach verschiedenen Angaben lehte dersel
lukrativen Auftrageo groBe Konkurre112 herrschte. Gelegentlich be Jevgeni Nikonov bei bester Gesundheit noch viele Jalıre nach
entstanden daraus auch lntrigen. Höchstwahrscheinlich hat der dem Krieg.
estnische Schriftsteller Enn Veteınaa eine solche »Monument Die bei Michail Gorbatschows Machtantritt begonnene Pe
geschichte« in seinem 1965 ersch.ienenen Kurzroman »Das Mo restroika füh.rte nicht nur die gan.ze Sowjetunion, sondern auch
nument« verwendet (auf Deutsch 1981 erschienen, Verlag die sie aufrech.t haltende ldeologie zum Kollaps. ln Estland kul
»Volk und Welt«, Berlin). mi.nierıe die Entwicklung im Sommer 1988 in der >Singenden
Obwoh.J die Bildbauer Ende der sechziger Jahre die abstrakte Revolution<. Danach war es klar, daf3 die Denlcmaler der frühe
Fonn für Monumente ziemlich frei benutzen durften, galt für ei ren Machtbaber des Kreınls hier keine lange Bleibe haben wür
nige Themen diesbezüglich aucb weiterhin ein Tabu. Als lllu den. Gewalttatigkeiten gegen Kunstwerke ist ein extremes Vor
stration dazu dient der 1968 veranstaltete Wettbewerb för ein gehen, aber man sollte n.icht vergessen, daB der damalige Zu
neues Lenindenkmal in Tallinn. Den ersten Preis gewann eine stand selbst seinem Wesen nach extrem war. Als erster wurde im
Arbeit von Allan Murdmaa, in der vorgesehen war, Lenins Kopf Herbst 1989 in Tartu/Dorpat Lenin von seinem Postament ent
als eine die Welt symbolisierende Kugel darzustellen. Höheren femt. Der Tallinner Lenin vor dem eheınaligen Hauptquartier
Orts wurde das als Heiligenschandung aufgefaBt, - sogar die der kommunistischen Partei wurde einige Tage nach dem rniB
Veröffentlichung der Wettbewerbsarbeiten wurde verboten und lungenen Augustputsch im Jahr 1991 herunıergenommen.
eine Zeitschri ft, die das Photo der siegreichen Arbeit in einer ho Manchmal haben die Esten es auch leichter gehabt- hier bei uns
hen Auflage voreilig gedruckt hatte, wurde eingezogen und die hat es keine derartige Überschwemmung mit Lenindenkmlilem
ganze Auflage vernichtet.
Ungeachtet dessen, daB in Estland wahrend der sechziger und gegeben wie zum Beispiel in RuBland, wo sein Denkmal fast in
siebziger Jahre hunderte von Monunıente entstanden, fehlte jedem Kolchoszentrum und auf jedem Betriebshof stand. Yon
noch im.mer das den Sieg symbolisierende, zentrale Memorial den fünf gröBeren Leninmonumemen, die es in Estland gab,
ensemble, das nach dem aUgemeinen Szenarium in der Haupt stehf heuıe nur noch eins- in der estnisch-russischen Grenzstadı
stadt jetler Sowjetrepublik halle sein sollen. So ein Memorial Narva. Insgesarnt reicht die Zahl der beseitigten sowjetischen
(eigentlich nur sein erster Teil) wurde in Tallinn erst 1975 eröff Monumeote an die zwanzig. Obwohl es bei der Beseitigung von
net, und wieder war Allan Murdmaa der Hauptautor. Seiner We eiaigen recht stürnıisch zuging, wurde ein Teil auch, ohne be
sensart nach stellt das Memorial eine sowjetische Variante der sondere Au:fmerksarnkeit zu erwecken, beseitigt, und an einem
land art dar - tiefgezogene Graben mit verschiedenen, sich anspruchsloseren Ort aufgestellt (so z. B. die Süsten von Johan
kreuzenden Gebilden aus Stein und Bronze. 1n das Ensemble hat nes Lauristin, Jaan Anvelt, Johannes Vares-Barbarus).
man auch den fünfzehn Jah.re alteren Obelisken der Eisexpediti Jn letzter Zeit drohı den Monumenten eine weit gröBere Ge
on einbezogen. Die Wirkung des Memorials wird weitgehend fah.r in Verbindung mit dem im allgemeinen wiııschaftlichen
durch seine Lage untersrützt: Es ist auf dem Plateau des Mari Chaos sich explosionsartig verbreitenden Edelmetall-Handel.
enberges, direkt anı Meer, errichtet und bietel einen herrlicben Den Kupfer- und Bronzedieben ist es schlieBlich egal, ob sie das
Blick auf die Stadt. Nur ist es eine lronie des Schicksals, daB Metall von »roten« oder »weiBen« Denkmalem abbrechen.
man das Memorial gerade an der Stelle erbaut hat, wo wahrend Gleichzeitig mit der Frage der Demontage der Monumente
des Zweiten Weltkrieges schoo ein deuıscher Soldatenfriedhof der Sowjetınacbt kam auch die ldee, sie aile zu sammeln und als
angelegt worden war, und daB eine zum Memorial gehörende eine Art stalinistisches »Anti-Memorial,< zu exponieren. Yon
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L
Gedeııkstiliteftir die Kamp/er der Sowjetmaclıı auf dem Marienberg in Talliıın von deıı Arclıitekıerı A. Mıırdıııaa ııııd M. Porı ıırıd dem Bildlıaııer
L Tol/i. /960-1975
Mıf.ı,6$ıtlLLJ,ıfii
tr 1,J-l ! 1 1Ö :17jLi j
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den wenigen ldeenskizzen dazu kann ich nur eine vorstellen, die
Variante der schwedischen Architektin Kristiina Hellström. Sie
schJiigt vor, einen fünfecl<lgen Monumentenpark anzulegeo, der,
mit anderen Attrakliooen reichlich versehen, gleicbzeilig eine
Art Ti voli wiire. Natürlich ist es ihr nicht gelungen, ihre Idee zu
realisiereo, denn das hiesige Publikum hat die »Bronzegötzen«
so gründlicb satt, daB schon der bloBe Gedanke, sich wieder mit
ihnen befassen zu müssen, Abscheu erregte.
Literatur
Architektur des 20. Jahrhunderts in Tallinn, Dokumentation über eine
Ausstellung, bearb. von Karin Hallas. Ants Heiıı, Mart Kalın. Leon
hard Lapin und lke Volkov, Stadtplanungsamı Kiel, Kiel 1986.
Eesti kunsti ajalugu. 2. kd.• Nöukogude Eesti kunst 1940-1965 (Ge
schichte der estnischen Kunst. Bd. 2, Sowjetestniscbe Kunsı 1940-
1965), Tallinn, in: Kunsı 1970.
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Gedeııksraııe fıir die Kömpfer der Soıııjeımaclıı aııf dem Marieııberg irı Tal/iıırı von derı Arclıitekıeıı A. Mıırdıııaa ııııd M. Porı
ımd dem Bild/ıaııer L. Tol/i, 1960-1975
Die ııeııe Zeiı briııgı ııeııe Deııkıııiiler: Der sclııvedisclıe Köııig Cari
XVT. Gııswv eröffııeı 1992 das Deııkmal fiir Gıısıav il. Adolf. den
Grander ıler Dorpaıer Universitliı.
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Janis Lejnieks
77
Oııe of ılıe Bretlıreıı Ceıııeıeries in latvia - /arge scale ıııemorial iıı Valıııiera dııriııg ı/ıe opeııiııg ceremoııy in /985
[> Monuıııent of lenin in Jıırıııala, erecıed iıı ılıe seveııties, noıv desıroyed
[> Morııımeıı.t of Lenin at ıhe main sıreet of Rigafıvııı /950 ti// 1993
[> Tlıe same srreeı in the centre of Riga in the /aıe ılıirties. Tlıe neıvs-stand
iıısıead of lenin '.s ıııomıınenı - ıvi/1 ılıis be tlıe fııtııre of tlıis p/ace?
Wehnnacht Burials in Latvia are in the Documentation Centre. buih a lot of monuments for this purpose, some of them as wide
The Treatınent between Latvia and Germany, Latvia and Russia scale memorials: in Riga, Valmiera, PriekuJe, Vatka, Tukums,
and other states on the object of the care taking of war cemete Vietalva and others, totaJly up to 40. The art and architecturaJ
ries is actua.l. Not only foreign countries, but Latvia too has bu critics are to demonstrate their objectiviry and judge them as the
rial places abroad, where deported persons died, both in East object of culture without any sense of politics. This process de
and West. mands lime, which is the best of judges.
One aspect of War Cemeteries is most complicated. These are The variety of forms of the monumenıs in the period between
the MemoriaJs, which are built and devoted to the Soviet Army 1940 and 1990 corresponds to the complexity of the history of
as the liberator from fascism. in the post-war period there were Latvia in the 20th century. The first invasion of the Red Army in
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1940 was too short to ınanage something Like the destruction of The period of iconoclasm seems to go to its end. The biggest
monuınents. During tbe second, the German invasioo. some mo problem for Larvia in the field of preservation is the coordinati
numents were transfonned. Ln Jelgava (Mitau) the monument. on of conservation politics by the Govemment, the local muni
erected in 1938 and devoted to the Latvian iodependence was cipalities and public organizations, while new monuments are
changed, as one of its heroes was the Black Knight, symbolizing comiog. The fırst ones were erected after the bloody events in
the German invasion from tbe 13ııı century. After the war, in the January 1991. when five persons were killed in the very cemre
second soviet period, it was deınolished totally, together with of Riga by the Russian coınmandos. Five solid stones sıand at
the other ones, devoted to the Latvian independence. After May the places of the victimes. People loved to put flowers at these
the 4,. 1990. announcing the indepeodence agaiu, most of the places from the very day when this event took place. The artist
pre-war Lime monuments were renovated. and the architect only were to give ıhe shape to this ritual.
79
Stefan Slachta
81
t:,.
Zilina, Haııııııer un.d Siclıel
voıı D. Bertik. 1975
Braıis/awı, Deııkıııa/
des Volksıııi/izsoldaıeıı voıı
Jtiıı. Kııliclı, 1973
<)
Ziliıuı, Zersıörııııg des Lerıiııdeııkııuıls ı•oıı Jtiıı. Kııliclı. 1990 Brmis/cıı•a, Verlıiillııııg des Volksmilizsoldaıeıı, /990
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des Monumentalschaffens anscheinend am markantesteıı den in der Tschechoslowakei gab es nach dem November 1989
Gedankenreichtum und die humanistischen Werte der Ideen des eine Welle heftiger Diskussionen über dieses Problem, in der
Sozialismus manifestierte. « Diese Aussage dokumenliert ein sich PersönUchkeiten aus der Kultur, Politiker, Historiker und
deutig, da8 es sich hier überhaupt um keine wirk.liche Kunst Theoretiker und manchmal auch die Künstler selbst zu Wort
handelte und an erster Stelle Agiıation und Propaganda standen. meldeten.
Die Kommunisten waren sich jedenfalls des Einflusses des Zu den interessantesten Vorschliigen gehörte die Schaffung
Monumentalschaffens und seiner Bedeutung für die Ideologie eines »Skansen politischer Leichen« , wo ınan wenigstens einen
sehr woW bewu8t- schlie81ich gab es hler schon lange voraus kleinen Teil von Lenins und Gottwalds Statuen als Besichti
gehende Erfahrungen in der Sowjetunion- und deshalb widme gungsobjekte an einem Platz versammeln wollte. Schade, daB es
ten sie der Offensive der soziaListiscben Kunst zur Beeinflus uns die ökonomische Lage nicht erlaubt, diese ldee zu realisieren.
sung der Massen nicbt geringe Mittel. Das Bestreben. die Symbole der Diktatur zu erhalten, stieB auf
Auf Dauer half dies nicbt. Michail Gorbatschows Perestroika starken Widerstand in der Öffentlichkeil. die daran erinnerte.
und der darauffolgende Zusammenbruch der kommunistischen daB Genosse Gottwald in Bratislava stiindig >>b1utige Hande«
Regime in den Staaten von Ost- und Mitteleuropa kam trotz der gehabt habe. Das Symbol der Volksmilizen wurde »ala Christo«
»helleo Perspektiven der sozialistischen Gesellscbaft«. Mit die perfekt verhüllt und die Magistrate lieBen schlieBlich einige die
sem Fall kam auch der Fail vieler Götzen des SoziaLismus, de ser Statuen beseitigen. Die Schuleo für bildende Kiinste erhiel
nen zuvor vierzig Jahre lang Denkmiiler gebaut worden waren. ten auf diese Weise gratis eioe Menge von qualitiitsvollem
Begann nun wieder die Zeit der Denkmalliquidierung? Haben Steinmaterial för Studentenarbeiten.
wir die traurige Tradition der Denkmalzerstörung fortgesetzt? Auf die erste Welle der Euphorie nach der sanften Revolution
folgten, nachdem man die auffallendsten Beispiele beseitigı hat
19 18 wurden Denkmaler der österreich-ungarischen Monar te, die ökonortıischen Sorgen. Die Toleranz begann zu siegen.
chle liquidiert, unter ihnen auch das wertvolle Mannordenk Auch zuvor waren die Deııkmaler der Sowjetsoldaıen nichl
ma1 Maria-Theresias in Bratislava. berührt worden. Die Ehrfurchı vor den gefallenen Kiimpfem aus
1939 wurden die Denkrniiler der tschechoslowakischen verschiedenen Liindern Europas, ob aus dem Ersten oder aus
Staatlichkeiı liquidiert, unter ihnen das Werk des beriihmten dem Zweiten Weltkrieg, von denen viele in slowakischer Erde
tschechischen Bildhauers B. Kafka in Bratislava. ruhen, erlaubte keine einzige Allacke.
- 1956 Iiquidierten wir die Denkmiiler des Generals M. R. Trotz höchst umerschiedlicher Ansichten Uber den Charakter
Stefanik und die von Josef Wissarionowitsclı. des Slowakischen Nationalaufstands wurden die Denkmiiler des
ln der Zeit der »Normalisierung« in den siebziger Jalıren li Aufstands seitens der Öffentlichkeit nichı angerühn. Auch hier
quidierten wir Denkıniiler von »unrichtigen« Künstlem. z.B. siegte die Ehrfurcht vor dem geopferten Leben.
das Werk des heutigen Rektors der Akademie der bildenden Zu den populiiren Woıten des November 1989 gehörte auch
Künste in Bratislava, Jozef Jankovic. die Losung »Wir sind nicbt so wie sie«. Viele von uns haben
- 1990 begannen wir die Leııin-, Gottwald-Denkmiiler zu zer noch den Vorgang der »Normalisieıung« in den siebziger Jahren
stören. im Gediichtnis, als mit den liquidierten, abgesiigten und besei
tigten Deokmii .lern auch die Plastiken jener Künstler verloren
Setzt sich also die Tradition fort? Als ich die Einladung zu die gingen, die u. a. ilır MiBfallen mit dem Eingreifen der befreun
ser Konferenz erhalten hatte und über das Thema nachgedacht deten Arnıeen im Augusı 1968 oder mit der Politik der Norma
hatte, entscbied ich nıich, darüber zu sprechen, ob wir das Recht lisierung zum Ausdruck gebracht hatten. Wir aber möchten
haben, diese Dokunıente unserer Zeit zu zerstören und zu Hqui wirkJich nicht so sein wie sie. lcb kann deshalb feststellen, daB
dieren. Das ist kein spezifisch slowakisches Problem - ich glau in der Slowakei zwar viele StraBen, die die Namen kommunisti
be, das ist ein allgemeines Problem hauptsiichlich in den Staaten scher Politiker, Partisanen und sowjetischer Generii.le trugen,
des Ostblocks, einschlie81ich der ehemaLigen Sowjetunion. Das umgenannı und ihre Tafeln beseitigt wurden. Doch es wurden
ist ein Problem, das Geschichte, Ethik, Politik und Architektur nur wenige Denkmiiler liquidiert - und kein einziges von bild
berührt. nerischer Qualiıiit.
83
Hubert Staroste
Y
der Nachkriegs:ı:eit im ehemaligen Ost•Berlin<
or wenigea Tagen hat die vom Senat von Berlin berufe Vergleicht man diese überlieferten Quantitiiten jedocb mit der
ne »Koınmission zum Umgang mit den politischen Situation in den andereo ehemaligen sozialistischen Staaten
Denkmalem der Nachkriegszeit im ehemaligen üst-Bertin« ih Ost-, Südost- und Mitteleuropas, so erscheinl der Denkmalkult
re EmpfehJungen vorgelegt.' Die Resonanz der Medien war bis der SED vergleichsweise zurückhaltend. Hierbei ist jedoch zu
her beachtlich. Nun kann man bei einzelaen Empfehlungen der beachten, da8 der gesamte Bestand an sowjetischen Befreiungs
Koınmission durchaus anderer Meinung sein. Tnsgesarnt jedoch denkmiilem und Friedhöfen, so ist es in einem bilateralen
orientieren diese auf einen behutsamen, abwiigenden Umgang. Staatsvertrag festgelegt. einen besonderen Schutz genieBı und
Die in der öffentlichen Diskussion geiiuBerte Extremposition, somit ınicht zur Disposition steht, so da8 er aucb die Arbeit der
daB aile politischen Denkmiiler als Geschichtsdokurnente zu er Kommission nicbt tangierte.
halten sind, wurde ebenso abgelehnt wie die VorsteHung, saınt DaB dennoch in Ost-Berlin, iınmerhio die Hauptstadt der ehe
licbe in der SED-Zeit geschaffenen politiscben Denkın!iler aus maligen DDR, dieser Bestand an politischen Denkmfilem, ge
dem Stadıbild zu enlfemen. meint sind faktisch aile zwischen 1945 und 1989 errichteten Pla
Politische Denkmiiler sind »gewollte Denkmiiler« - diese von stiken, Gedenksteine, GedenkanJagen und Tafeln, deren poli
Alois Riegl eingebrachte Begrifflicbkeiı wurde bereits einge tisch-ideologische lntention deutlich ist, einen beachtlichen
hend erJ!iutert, so daB ich hier darauf verzichten kann - und wi Umfang erreicht und über eine herausgehobene Syınboltriich
derspiegeln auf besonders eindrucksvolle Weise das Verstlindnis tigkeit verfügt, mu8 hier nicht besonders begründet werden. Zu
der herrschenden Kriifte einer Gesellscbaft von Geschichte und dem hatte die SED in den Zeiten ihrer Herrschaft dafür gesorgt,
Politik. Sie dienen vordergründig der Legitimation und Festi da8 ei ne nicbt geringe Zahl dieser Anlagen als eingetragene
gung des Herrschaftssystems, sie sind ein probates Mitte! der Denkmaler einen besonderen gesetzlichen Schutz erhielten.
Selbstdarstellung. In einer autoritiir oder diktatorisch verfa8ten Damit ist der besondere Konfli.kt, in dem sich die Denkrnal
Gesellschaft wird dieses Gescbichtsbild von oben verordnet. pflege in Berlin befindet, beschrieben. DaB clieser Konflikt in
Wenn solch ein Herrschaftssystem verfüUt oder gestürzt wird, der an Umbrüchen nicht armen jüııgeren deutschen Geschichte
vedieren die von ihm geschaffenen Denkmiiler, soweit sie der so an8ergewöhnlich nicht ist, hat Winfried Speitkamp in einem
Legitimation und Festigung dieses Herrschaftssystems dienten, Aufsatz »Das Erbe der Monarchie und die Denkmalpflege in der
ibre Funktion und damit, das ist die giingige politische Sicht, ib Weiınarer Republik«1 eindrucksvoll beleuchtet. Beachtenswert
re Existenzberechtigung. Das gilt besonders dann, wenn es sich erscheint mir hier die Analogie der Argumentationen der Denk
bei dem untergegangenen Systern um cine Unrechts- und Ge malpflege beim Umgang mit gefahrdeten poiitisclıen und sym
wa.ltherrschaft handelt, die von den Bürgern des nachfolgenden boltrlichtigen Denkmlilem.
Systems enrschieden abgelehnt und veıurteilt wird.1 Der Konflikt zwischen fachlich begründeten denkmalpflege
Haben Denkmiiler, die ausschlieBlich der Selbstdarstellung rischen lntentionen und aktueller Politik wurde in Bertin mit
und ideologischen Überhöhung der koınmunistischen Diktatur dem Abrill des von Nikolai W. Tomski geschaffenen Lenin
bzw. der Yerherrlicbung ihrer Machthaber und Funktionstriiger Denkmals (Abb. l) offenkundig. Mit dem AbıiB des Lenin
dienten, in einer demokratischen Gesellscbaft überhaupt noch Denkmals, einem Momıment von l9 m Höhe aus rotem ukraini
einen Platz? Die Kommission kam zu dem Ergebnis: Ja, unter schem Granit, mit einer aus dem Unterbau herauswachsenden
der Voraussetzung, daB diese politischen Denk.miiler als Ge kolossalen Standfigur Lenins in sieghafter Pose vor stiJisiertem
schichtszeugnisse der untergegangenen Gesellschaft akzeptiert Fahnentuch, dessen bewegte Umrilllinie von dem gestaffelten
werden. das heiBt, um Alois Riegls Begrifflichkeit aufzuneh Hochhaus dahinter aufgenommen wurde, begann die eigentli
men, die Metamorphose vom »gewollten ... zum gewordenen che öffentliche Diskussion mit dieser Hinterlassenschaft der
Denkmal«. Diese Akzeptanz wachst, das ist eine allgerneine Er DDR.
fahrung, mit zunehmender historischer Distanz. Die dafür not Zwar batte die bereits seit 1990 aktive »Initiative politischer
wendige Zeit bekommen wir jedoch nicht eingerii.umt, so daB Denk.miiler« mit einigen Ausstellungen das Problem aufgegrif
Entscheidungen über den Umgang mit den politischen Denk fen und einen sensiblen, differenzierten Umgang angemahnt.•
miilem zwangsliiufig starken Emotionen und politischen Ein War hier clie Resoaanz der Öffentlichkeit noch dürftig, so weck
flüssen unterliegen müssen; die ungarischen Kollegen haben te der Abrill des Lenin-Denkmals Emotionen und Proteste. Da
diese Einflüsse gestem deutlich geınacht. bei waır es vor allem die Ar t und Weise des Vorgangs, im Hau
Der überlieferte Bestand an politischen Denkmiilem ist zu ruckverfahren. ohne sacbliche Diskussion, vollendende Tatsa
dem begrenzt, er wiichst nicht nach, so da8 Yerluste unwieder chen schaffend, die Unmuı erregte und zu lautstarken Protesten
bringlich sind. Nun haı der sang- und klanglose Zusammen föhrte.
bruch der SED-Herrschaft und die Wiedervereinigung »revolu Nach einigem Zögern uad auch heute noch schwierig nachzu
tioniiren Volkszom« oder »spontanen Bilderstunn« im Gegen voUziehendem Hin und Her reagierte der Senat voıı Berlin und
satz zu einigen osteuropiiischen Staaten gar nicht erst aufkom
men lassen, so da8 die Hinterlassenschaft solcher »politischen �ri �f die_von vielen, aucb der Denkmalpflege, geforderte Kom
nussıon, ın der dann auch Mitarbeiter der Berliner Denkmal
Denkmaler« beachtlich und vielfültig ist. pflege mitwirb.1.en.
84
Mit der Beschraııkung auf Ost-Berlin wurde jedoch die Chan Unter der Abwagung ali dieser Kriterien gab es nicht die ein
ce verspielt, die Denkmliler der Nachkriegszeit in ganz Bertin fache Altemative »abraumen« oder »erhalten«. Selbst wenn ein
einer kritischen Berrachtung zu unterziehen. lmmerhin handeli Denkmal aJs nicht erhaltensweıı betrachtet wurde. wie z.B. das
es sich hierbei um »eine in ihrer konfrontativen Bezogenheit auf von Lew Kerbel geschaffene und 1986 aufgestellte (Abb. 2)
der Welt wohl einmaligen Denkmal-Landschaft, um ein künst Emst-Thiilmann-Denkmal, galt es abzuwagen, wie dringlich -
lerisches Zeugnis des Kalten Krieges«.5 Unbestritten wurde je z. B. auch angesichts knapper Haushaltsmiuel - seine Entfer
doch Zeit gewonnen für eine sachliche Diskussion zum Umgang nung ist.9
mit den politischen Denkmlilern im Ostteil der Stadt. Auch ist zu prüfen. welche zukünftigen Planungen und Ge
Die Kornnıission hatte sich im Verlauf ihrer Tlitigkeit mit ca. staltungen notwendig sind, um »entstan.dene Lücken« im Stadt
400 Objekten zu befassen, neben monumentalen, symboltriich bild zu schlieBen. Hier solJte uns das nach dem AbriB des Lenin
tigen groBen Anlagen auch eine Vielzahl kleinerer Gedenkstei Denkmals entstandene »Loch« als warnendes Beispiel dienen.
ne und Erinnerungsanlagen. Auch die Empfehlung, ein Denk.mal zu belassen, schlieBt par
Es wurden Fachleute und auch Bürgerinitiativen einbezogen tielle Veriinderungen, kritische Kommentierungen und iihnli
bzw. angehört. Natürlich erreichte der gewonnene Kenntnis ches mehr nicht aus. Das Problematische solcher Konımentie
stand hiiufig nicht die wünschenswerte Tiefe; dies verhinderte rungen oder Verfremdungen war der Kommission durchaus be
allein der Umfang der zu Ieistenden Arbeit ebenso wie der ein wuBt; ich habe gestem bereits anhand konkreter Beispiele dar
gerliumte Bearbeitungszeitraum und nicht selten auch die dürf auf tıingewiesen. Die Zukunft wird zeigen, was hier bei einem
tige QueUenlage. Die Komnıission stellte fest, daB es sich bei phantasievollen Umgang möglich sein wird.
der groBen MehrzahJ der politischen Denkmiiler um solche han Dies führt natürlich zu einem Verlust an Authentizitat. Es hat
delt, die an Personen und Ereignisse vor Beginn der SED-Herr sich im Verlauf der Kom.missionsarbeit flir die beteiligten Denk
schaft erinnem, diese Erinnerungen jedoch im Dienst der Tradi malpfleger als das wohl schwierigste Problem erwiesen, hier
tionsbildung und Legitimation der SED standen. Die Erinne mehrheitsfahige Voten gerade im Sinne der Bewahrung authen
rung an die Revolution von 1848, an die sozialistische Bewe tischer Zustiinde zu erreichen. So zieht sich durch nicht wenige
gung und ihre herausragenden Köpfe, an die Revolution von Empfehlungen der Kommission gerade zu monumemalen, sym
1918/19, an die Gegner und Opfer des Nationalsozialismus ist boltriichtigen Anlagen neben der Erhaltung dieser Denkınaler
wenn auch in unterschiedli.cher Weise und lntensitat- durch das haufıg die Forderung nach Entsiegelung. 10 Darnil wird eine ur
Politik- und Geschichtsverstiindnis der SED überformt und den sprüngliche Funktion dieser Anlagen, sie waren haufig Ort
politischen Interessen des SED-Staates dienstbar gemacht grö8erer MassenveranstaJtungen, Meetings, Appelle u. ii. m.,
worden. nicht mehr sichtbar, zudem verlieren die (umgebenden) Fliichen
Aus der Erkenntnis des Gesarntbestands heraus wurde der Be ihre Bedeutung aJs Gestaltungselement (Treppen, Terrasseo
richt und die Empfehlungen der o.g. Chronologie untergeordnet usw.) för die Gesamtanlage.
und wie folgt gegliedert: Icb möchte dies anı Beispiel der Marx-Engels-Denkmalanla
1. Denkmiiler zur Geschichte der Arbeiterbewegung; dies um ge im Herzen Berlins verdeutlichen (Abb. 3). Deren Monumen
faBt den Zeitraum, gemii8 dem Traditionsverstandnis der talitiit artikuliert sich hier tliichenhaft. Die hier reflektierte Bot
SED, von der bürgerlichen Revolution 1848/49 bis zur Ent schaft muB man sich erlaufen. Das Marx-Engels-Denkmal kano
wicklung der KPD bis 1933, für sich in Anspnıch nehmen, über die personelle Darstellung
2. Denkmiiler des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, hinaus eine mar:xistische lnterpretation geschichtlicher Zusam
3. Denkmiiler zur Entwicklung der DDR. menbiinge vermitteln zu woUen. im Zentrum der weitlaufigen,
1n den von der Kommission erarbeiteten (Bewertungs-)Kriteri durchschreitbaren Anlage steht auf einem niedrigen Sockel die
en heiBt es: überlebensgroBe Gruppenplastik von Kari Marx und Friedrich
»Da die Erinnerung an die demokratischen und sozialisti Engels, eine Momentaufnahme, an ein Phoıomotiv erinnemd
schen Traditionen, an die Opfer der nationalsozialistischen Ge (von Ludwig Engelhardı). Um die Marx-Engels-Gruppe sind
waltherrschaft und an diejenigen, die dieser Gewaltherrschaft vier Doppelsıelen angeordnet. ln deren gescbliffene Hohlkörper
widerstrebten und entgegenzuwirken versuchten, in einer demo• aus Edelstahl sind pbotographische Dokumente intemationaler
kratischen Gesellschaft nicht nur weiterhin sinnvoU, sondem und nationaler revolutioniirer Ereignisse eingearbeiıet.
unabdingbar ist, bedarf es eines besonders behutsamen Um Als »au1lere« Schale wurden eine fünfgliedrige Marrnor
gangs mit diesen Denkmiilern uod Gedenkstiitten. 1n jedem Ein skulpturreliefwand von Werner Stötzner - Unterentwicklung,
zelfall muB geprüft werden, ob die Geschichte, an die erinnert Unfreiheit, Bedrohuog uod Not des Menscheo zeigend - sowie
werden solJ, hinter der poHtischen Überforroung hinreichend zwei bronzene DoppelreJiefs - Scbönheit und Würde des be
sichtbar wird bzw. wie sie wieder sichtbar gemacht werden freiten Menschen darstellend- aufgesteJJt. Zwischen diesen bei
kann.«6 den Allemativen menschlicher Existenz stehı die Marx-Engels
Diese vierzig Jahre DDR-Geschicbte gleichsam zu tilgen Gruppe und danıit die angebotene Lösung des Problems. Die
bzw. deren Zeugnisse Jediglich in einen »Park für unerwünsch Gestaltung des Marx-Engels-Denkrnals verfolgt zweifellos eine
te Denkrnaler« zu verbannen, fand keine Zustimmung.7 aufweodige und durchaus bemerkenswerte kUnstlerische Kon
1n der Gesamt-Berliner Denkmal-Landschaft soUten die Ost zeption.
Bezirke mit ihrer besonderen Geschichte erkennbar bleiben. wie Partieller Verzicht auf einzelne Bestandıeile wiire hier ebenso
umgekehrt auch die Westbezirke. DaB dabei wichtige Traditio uosinnig wie eotsiegelte und eingepflanzte Störungen, die das
nen unserer demokratischen GeseUschaft in den östlichen Be Erschreiten und Erfassen der »Botschaft« einschriinken oder gar
zirken stiirker zur Geltung karnen - einmal sei an den Wider verhindem.
stand gegen das NS-Regime erinnert -, sollte nach der Überwin Auf einen interessanteo Aspekt möchte ich noch hinweisen.
dung ihrer politischen Instrumentalisierung durch die SED auch Durch den Übergang von einem politisch-gesellschaftlichen Sy
künftig sicbtbar bleiben.8 stem zum anderen können sich auch ohne unmittelbare Eingrif-
85
fe in die einzelne DenkmalsanJage deren Funktion und Bedeu
tung verandern: »Aus einem Symbol der Macht kann so ein Zei
chen der Ohnmacht, aus einer Drohgeblirde ein Ausdruck der
Hilflosigkeit, aus einer Siegesgeste ein Bild der Niederlage wer
den.<< 11
Als Beleg für diese Aussage soll die Gedenkstane der Soz.ia
listeo auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde dienen, eine Ge
denkstlitte, die wohl wie keine andere in Deutschland an Per
sönlichkeiten der deutschen Arbeiterbewegung erinnert. Der
Zentralfriedhof Friedrichsfelde diente traditionelJ bereits der in
Berlin anslissigen Fühnıngsgruppe der deutschen Sozialdemo
kratie als letzle Ruhestlitte. Die SED inszenierte im Roodell,
dem Herzstück der Anlage, eine »Ahneareihe<< von hervorra
genden Vertretern der »revolutionliren deutschen Arbeiterklas
se«. Beginnend mit Wilhelm Liebknecht fand diese »Ahnenrei
he« über die führenden Köpfe der KPD ihre Fortsetzung mit der
Bestattung von Mitgliedem des Politbüros der SED. Da der
Platz für die Bestattung von Politbüromitgliedem an der das
Rondell begrenzendeo Gedenkmauer schlie8lich aicht mehr
ausreichte, mu8te die Anlage durch zwei freistehende Klinker Abb. 1 Leııindeııkıııal iıı Berlin-Friedriclıshain
mauersegmente erganzt werden. Die Gedeokstaue der Soziali
sten vermittelt somit neben dem ausgeprligt selektiven Tradi
tionsverstandnis auch einen Eiııdruck voın elitliren Selbstver
stlindnis der SED-Führungsriege. Zugleich gibt sie mit dem Ab
bruch dieser selbstgefıilligen Bestattungszeremonie im Herbst
1989 Auskunft über das Ende der SED-Herrschaft. Dies gilt
auch für den Ehrenhain am Pergolenweg, dessen bewu8t unifor
me Gestaltung ein enUarvendes Selbstverstlindnis der Nomen
klatura widerspiegelt.
Ein Gedanke noch zum Abschlu8: ln den demokratischen Ge
sellschaften sind die politischen Denkmaler einer lilteren. vor
demokratischen Zeit in der Regel durch ibre Historisierung
»entschlirft« worden, wie das in der alten Bundesrepublik bei
den Denkmalern des Kaiserreichs oder bei manchen Krieger
denkmlilern zu beobachteo war. Eine Bedrohung der demokrati
schen Verfassung unserer Gesellscbaft geht von diesen Denk
mlilenı zweifellos nicht mehr aus. Diese Erfahrung sollte uns zu
eioem gelassenen Umgang auch mit den po.litischen Denk-
mlilern der SED-Zeit ermutigen." !llll7J.ra
Anmerkungen
86
Monika Flacke
87
politischen Denkrniiler stellt sich clie Frage, welcbe erhalten
werden sollen und welche nicht. Was passiert in Zukunft mit
diesem Erbe? Sollte man sich nicht mit dem Gedanken anfreun
den, etwas vergessen zu können?
Das Bedilrfnis, Geschichte ins UnbewuBte abzusenken, the
matisiert eine Hamburger Künstlerin - Sigrid Sigurdsson - mit
ihrer Arbeit »Vor der Stille«. Betrachteı ınan clie Arbeit, so
scheint die Künstlerin möglicherweise das Vergessen überhaupt
für notwenclig zu halten, um in der Gegenwart bandlungsfahig
zu bleiben. Das Vergessen wird in dieser lnstallation als pro
duktive Möglichkeit angesehen, das kreative und schöpferische
Potentiııl im Menschen erst frei zu seızen. Doch vor dem Ver
gessen steht dııs Verstehen. in einer Aussıellung in Aamburg
stand 1991 ein Tısch mit einem gro8en Buch, das von der Künst
lerin prapariert war. Der Besucher konnte darin blattem, aber
auch eigene Erinnerungen hineinschreiben. Er soUıe die Ge
schichıe weiterschreiben, die eigene, die fremde, die die eigene
ist usw. Gestapelt werden die Bile her dann in einem Regal. Man
che Bücher verhalten sich dort wie die Büchse der Pandora.
Manche sind zugeniiht, damit sie nicht mebr geöffnet werden
können. Sie sind weggeschlossen, da die Geschichte, die sie er
zahlen, für die Künstlerin abgeschlossen scheint, vieUeicbt auch
ist- wie z.B. ihre Tagebücher.
Anmerkungen
88
Gabi Dolff-Bonekamper
89
Friıı Cremer. ,Spaııienkömpfer,. /968
Verhaltnb lU den Ausdrucksmİtteln der zeİtgenössİschen wcsı ditİon der Inıerbrigaden hochzuhalten İst aber kein Exklu
lichen Kunsı lU bewerten. sivrecht der DDR, SED oder POS! Es gibt ıatsachlicb im ehe
Die Fİgur İSi nİcht crscheinungsgctrcu gestalteı. ihre Bewe maligen Westdeutschland keine öffentliche Denkmalplastik, dİe
gungsmotivc sİnd unorgnnİsch, sie bchindem, ja blockieren sich der lnterbrİgaden gedenkt. ln meİnem Schulunterricht in Nord
gegenseitig. Damİt entsıeht, bei aller Dynaınik der Darstellung, rhein-WcsıfaJen erwahnıe man wohl den Bombenangciff der Le
ein lahmender Stillstand. So wird dİe Figur zum SinnbİJd fılr die gion Condor-und Picassos Bİld. Dİe lnterbrigaden karnen nicht
Aussİchtslosigkeiı des Kampfes. an dem dİe lnterbrigaden teİl vor. in der DDR wurde dagegen dİe historisch verbürgte Lİquİ
nahmeo. Fritz Cremers Plastik spem sİcb gegen dİc Projektion clierung anarchİstİscher lnterbrİgadisıen durch den Geheİm
von Heldentrliumen von Stumı und Sieg. Das wissen auch die al dienst der Sowjetunion verschwiegen. Sie konnte in Cremers
ten lnterbrigadisıen. Auf Nachfrage sagte Kurt Goldstein: »Die Denkmal nİcht problematisiert werden.
Cremer-Figur spiegelı dİe Realitlit des Spanİenkrieges, die Tatsa Was macht dieses Spanienklimpfer-DeokmaJ sİchtbar, was ver
che, daB wir alle ihn verloren haben.« Die asthetische Komple deckt es? Eine demokratische Aneignung der Tradİtİon der lnter
r
xitat der Plastik Cremers straft dİe pathetische lnschrift Lügen. brigaden und ihres Dcnkmals am FuB des F iedrİchshains muB
neben der Würdigung der Kampfer aucb die hİstorische Recher
Die Inschrifı vemıittelt die lnterbrignden als Vorbİld für die »Ju che befördem. Beides isı im geeinten Deutschland unverzichtbar.
gend unseres sozialİstischen Vaterlandcs«. - Gedenken und Tra- Das Spanienkampfer-Oenkmal wird weiterhin gebraucbt.
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Autoren
Prof. Dr. Lasl6 Beke, Hungarian National Gallery, Pf.: 31, Wladimfr Polenow, Botschaft der Russischen Föderation, Unter
H-1250 Budapest den Linden 63-65, D-1O117 Beri in
Dr. Gabriele Dolff-Bonekamper, Senatsverwaltung für Stadıenı Prof. Kirill Railogov, lnstitute for CuJtural Research, Berse
wick:lung und Umweltschutz, Facbabteilung Denkmalpflege, nevskaya nab. 20, 109072 Moskau, Ru8Jand
LindenstraBe 20-25, D-10958 Bertin Dr. Emin ruza, Place »Fan Noli«, Tirana, Albanien
Prof. Dr. Helmut Engel, Senatsverwaltung für Stadtentwickluııg Dr. Ing. arch. S tefan SJachta, Academy of Fine Arts & Design,
und Umweltschutz, LindenstraBe 20-25, D-10958 Bedin Aviezdoslavovo nam. 18, 81437 Bratislava, Slovakei
Dr.Monjka Flacke, Deutsches Historiscbes Museum, Zeughaus, Prof. Dr. Andrzej Tomaszewski, Leszczyfıska 6/14, 00-336 War
Unter den Linden 2, 10117 Berlin schau. Polen
Prof. Dr. Dario Gamboni, 7 Rue des Capucins, F-69001 Lyon Bogdan S. Tscherkes, Ministry of Education of Uk:raine, Lviv
Dr. Ants Hein, Institute of History of Estonian Academy, Policechnical Instiıute, Faculty of Architecture, Myru st. 12,
Rüütli 6, Tallinn EEOOJ O, Estland Lviv, 29046, Uk.rrune
Prof. Sneska Knezevic, Visoka ulica 20, 41000 Zagreb, Kroatien Anna Vasilieva, Russisches Min.isterium für Kultur, Abteilung
Marek Konopka, Osrodek Dokumentacji Zabytk6w, A. Ujaz Denkmalpflege, Moskau, RuBland
dowskie 6, 00-461 Warschau, Polen Georghe Vida, Ministrul Culturii, Piata Presei Libere no. 1.
Janis Lejnieks, Documentation Centre for Monuments of RO-7000 Bukarest, Rumanien
Latvia, Klostera Tela 5, LV-1050 Riga, Lenland Gojko Zupan, Ministry for Culture, lnstitute for Conservation of
Dr. Emö Marosi, Instituı d'Histoire de I' Art de I' Academie Natura! and Cultural Heritage, Plecnikov trg 2, 6 LOOO Ljubl
Hongroise des Sciences, Uri u. 49, H-1O14 Budapest jana, Slowenien
Abbildungsver:z:eichnis
Uınschlagvorderseite: Sipa Press, Photo J. Alfred; Uınschlag Gerhard Howald, Martin Hesse (oben links); Photo Denkmal
rückseiıe: Bogdan Tscberkes; S.2/3: Sipa Press, nach: >Die pflege der Stadt Bern (unten links); Photo Seeberger, Arch.
Zeit<, 29. Dezember l 989; S. 4: Ernanuel Parvu; S. 6: Sepia Pbot. Paris/S.P.A.D.E.M. (oben rechrs); Photo Jeanne Chavlier,
Press, Photo P. Adins; S. 8: VaJentinas Juraitis: S. 20: nach P. Bienne (unten rechts): Dario Gamboni (Mitte); S. 27:
Gosztony. Histoire du soulevement hongrois, Lyon 1966 (links); Ute Klophaus. Wuppertal (oben rechts); Natalie Waag (unten
nach Wladirnir Kernenow, The USSR Academy of Arts, Lenin link.s); S. 28: Landesbildstelle Berlin; S. 34, S. 37 oben:
grııd 1982 (rechts); S. 21: nach >Le Courrier lntemational<, A. Tjagny-Rjadno; S. 37 unten: E. Domogarkjch; S. 55:
August 1992 (links); nach Victor Hugo, L'annee terribJe, Paris Muzej Narodne Osvoboditve; Photo Joze Kovacic: S. 62164:
1874 (recbts); S. 22: nach >Le Monde<, 21. September 1990 Emanuel Parvu; S. 65: Theodor Graur; S. 70171: Estnisches
(oben); Heeresgeschichtliches Museum, Wien (Mitte); Berru Historisches Museum, Talünn; S. 72/73/74175: Enn Kıinnas;
sches Historisches Museum, Bern, Photo S. Rebsamen (unten); S. 79: Gunars Janaitis (rechts unten); S. 80: Rajmund Müller;
S. 23: Photo Pavel Sima (oben); Photo Dario Gamboni (Mjne); S. 81: Archiv C.S.T.K., Bratislava; S. 82: Lubo Stacho (links
Bibliotheque Nationale, Paris (unten); S. 24: Bernisches oben): Arcbjv C.S.T.K., Stefan Slachta; S. 90/93: Wolfgang
Historisches Museum, Bem (oben); Musee Historique de Bittner. Die resilichen Abbildungen stammen aus dem Besitz
Lausanne (unten); S. 25: Photo Mauricio Duarte; S. 26: Pboto der Autoren.
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