Sie sind auf Seite 1von 7

Die Einheit des „Ich denke“ bei Kant

1) In einem komplexen Aufbau von empirischem Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption (KrV A
115)  ist für KANT eine objektive Erkenntnis möglich. Die letzte Übereinstimmung von Denken
und Sein (Wahrheit) mit Referenz auf die Erfahrung wird dabei durch die verstandliche Synthesis
der transzendentalen Apperzeption begründet. Diese Synthesis oder Einheit ist die durchgängige,
notwendige Einheit des Bewusstseins - und damit Einheit der Erkenntnis eines Objektes (in der
Erscheinung).  
Berühmt ist jene Stelle, in der es heißt; „Das: „Ich denke“, muß alle meine Vorstellungen
begleiten können; (...)“ (KrV, B 132). In zahlreichen Verwendungen taucht die Synthesis der
transzendentalen Apperzeption in der „Transzendentalen Analytik“, Ausgabe A der KrV, auf – und
wird in der Ausgabe B § 16 ff eigens nochmals thematisiert – siehe KrV B 132ff.
KANT wollte damit die sein kritisches Geschäft leitende Frage auflösen, "ob man nicht die
menschliche Vernunft zwischen diesen beiden Klippen (sc. einem dogmatischer Idealismus und
einem empirischen Skeptizismus eines HUMES) glücklich durchbringen (könne) (...)“ (KrV, B
128).
a) KANT wird vor allem in der 2. Auflage der KrV nicht müde zu betonen, dass die Deduktion der
apriorischen Verstandesbegriffe durch die Funktion der transzendentalen Apperzeption geleistet
wird und die Kategorien nur für die „(...) Gegenstände möglicher Erfahrung“ (KrV, B 166)
gelten (oder siehe § 24, KrV, B 149ff). Aber wie können die apriorischen Bedingungen der
Möglichkeit von Erfahrung einsichtig im Wissen durch die transzendentale Apperzeption auf die
sinnliche Anschauung bezogen werden? Es sind zwei völlig „ungleichartige“ Sphären des
Verstandes und der Anschauung (vgl. KrV, B 176.177 u. a.), die aufeinander zu beziehen sind?
KANT kennt dafür die „transzendentale Synthesis der Einbildungskraft“ (KrV B 151)
das Schema. Diese Synthesis der Einbildungskraft bildet eine„figürlichen Synthesis“ (synthesis
speciosa) (KrV B 151 und KrV B 154), diese bestimmt sogar „den inneren Sinn sukzessive“(KrV B
154) 1.
Hier aber beginnt die Schwierigkeit und das Problem, das erst FICHTE lösen wird: Die  Synthesis
der Einbildungskraft, mithin auch das Schema, bleibt rückgebunden an die sinnliche Erfahrung und
Anschauung - tlw. spricht KANT sogar von "Realität" -,  sodass der innere Sinn der Zeitanschauung
und eine dogmatisch angesetzte "Realität" dem synthetischen  Denken vorgeordnet und bestimmend
voraus-gesetzt bleibt. Die apriorischen Denkformen (Begriffe) und die sinnlichen Anschauungen
sind zwar sekundär durch das Schema zu vermitteln versucht (Subsumtion der Anschauung unter
Begriffe und Restriktion der Begriffe auf die Anschauung), aber das konstitutionsgenetische
Prinzip, warum und wie das Schema Verstand und Anschauung vermittelt, bleibt ungeklärt.
Es ist zwar ein genialer Gedanke – in der Traditionsgeschichte als species sensibilis und species
intelligibilis immer schon da gewesen – in einer rationalen Synthesis  die Mannigfaltigkeit der

1 KANT hat in der 2. Auflage der KrV eigentlich bereits einen höheren Schematismus im
Selbstbewusstsein vorausgesetzt, wenn er sagen kann, dass die Handlung des Subjekts „(...) den
inneren Sinn seiner Form gemäß bestimmen, (sie) bringt so gar den Begriff der Sukzession
zuerst hervor (…) KrV, B 155, Bd. 3, 151). Er betont aber dann wieder, dass die
Anwendungsbedingung der kategorialen Verstandesbegriffe nur für den sinnlichen Bereich
gelten, wodurch die originäre Leistung der Einbildungskraft zwar vorausgesetzt, aber nicht mehr
reflektiert wird.
sinnlichen Anschauung zusammenzufassen und so zu den „species“ zu kommen, doch gerade die
schematisierende Vermittlung einer intellektuellen Synthesis (Apperzeption des "Ich denke") mit
der sinnlicher Anschauung verlangt selbst eine apperzeptive Form des Wissens, worin im
Schematisieren die Zeit und der Raum zusammen mit den Objekten hervorgehen,   anstatt
bloß faktisch aufgenommen zu werden. 2M. a. W. die von Kant zurecht geforderte
Rückbezüglichkeit (Reflexivität) des Wissens auf eine apperzeptive Form des Wissens, verlangt
einen formalen Grund der Einheit der Erscheinung, mithin auch einen begrifflichen Grund, wie
Kant das „Ich denke“ ja genial als subjektive wie objektive! Bedingung einer Erkenntnis eines
Objektes eingeführt hat (KrV B 132/133),  aber diese Einheit, begründet in der transzendentalen
Apperzeption, ist insofern eine bloß faktische Synthesis a priori von Anschauung und Begriff, weil
das a priori, im Sinne von „unabhängig von aller Erfahrung“, „vor aller Zeit“, sogar mit dem „vor“
eines logischen, formalen Grundes eines vorhergehenden Begriffes der Einheit des Objektes in der
Erscheinung ausgestattet, auf eine realistische Bestimmung im inneren Sinn der Zeitanschauung
angewiesen bleibt. Die innere Zeitbestimmung kann als solche nicht mehr so a priori reflektiert
werden, wie er es für die Gegenstände sinnlicher Erfahrung konzipiert – das „Ich denke“ ist
deshalb, wie ich sage, eine faktische Synthesis, weil mindestens die Zeit, aber auch die reine Form
des Raumes, nicht mehr als Gegenstände in ihrer Erscheinungsweise anschaubar sind, sondern als
Formen vorausgesetzt werden. Zeit und Raum bestimmen zwar zeitlich und logisch vorgängig die
Gegenstände der Erfahrung, „a priori“, in einem faktischen Sinne, aber nicht so a priori vom
Denken selbst her als notwendig gefordert, dass sie als notwendigen Bedingungen der
Wissbarkeit eines möglichen Selbstbewusstseins abgeleitet und verstanden werden könnten
Ich kann die immense Leistung FICHTE hier nur kurz skizzieren: Es ist das „Schweben der
Einbildungskraft“, die in Unterschiedenheit, aber nicht in Wohlunterschiedenheit (in
Unschärfe), Anschauung und Begriff vermittelt und darin, notwendig vom Denken her,
sukzessiv die Formen der Anschauung von Zeit und Raum bildet.
Das Schweben (dialegein) der Einbildungskraft zwischen dem durch den Anstoß verendlichten und
dem die Unendlichkeit ausfüllenden Ich liefert ein Bestimmbares, das von der Vernunft bestimmt
wird. Von diesem Punkte aus verfolgt die Wissenschaftslehre die systematische Konstitution der
(Innen- und) Außenwelt. “Das Vernünftige Wesen handelt; u. handelt auf eine gewisse bestimmte
Art. Man findet in seinem Handeln etwas einförmiges, festes, stets wiederkommendes: z. B. den
Begriff der Kausalität [angewendet). Diese Handelnsweisen [des Verstandes] heissen, nachdem sie
begriffen sind, [...] Allgemein Begriffe, wenn man die implicite Regel in Sätze bringt, Grundsätze
der Vft.” (J. G. Fichte, Akad.-Ausg. II,4, 49)
“Auf Veranlassung eines [...] Anstoßes auf die ursprüngliche Thätigkeit des Ich produciert die [...]
Einbildungskraft etwas [...] zusammengeseztes (cf. das Bestimmbare). Da im Ich, laut seines
Begriffes, nichts seyn kann, das es nicht in sich setze, so muß es auch jenes Faktum in sich setzen,
d.i. es muß sich dasselbe ursprünglich erklären, vollständig bestimmen und begründen. Ein System

2“Kant, der die Kategorien ursprünglich als Denkformen erzeugt werden läßt, und der von seinem
Gesichtspunkte (cf. der Kritik] aus daran völlig Recht hat, bedarf der durch die Einbildungskraft
entworfnen Schemate, um ihre Anwendung auf Objekte möglich zu machen” (J. G. Fichte,
“Grundriß des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre”, Akad.-Ausg. 1,3,189). “In der
Wissenschaftslehre (cf. als einem System der Vernunft] entstehen sie [sc. die Kategorien] mit den
Objekten zugleich und um dieselben erst möglich zu machen, auf dem Boden der Einbildungskraft
selbst.” (Ebd.)
derjenigen Thatsachen, welche in der ursprünglichen Erklärung jenes Faktum im Geiste des
vernünftigen Wesens vorkommen, ist eine [...] Wissenschaftslehre [...]. Ich sage mit Bedacht: die
ursprüngliche Erklärung jenes Faktum. Dasselbe ist ohne unser wissentliches Zuthun in uns
vorhanden; es wird ohne unser wissentliches Zuthun [...] nach den Gesetzen und der Natur eines
vernünftigen Wesens erklärt.” (Gr.d. E., Akad.Ausg. 1,3, 143.)
Die Form der Einbildungskraft bezieht sich dabei notwendig auf einen materialen, qualitativen
Gehalt des Wissens - wie KANT auf dem Prinzip der Erfahrung bestand in der Bestimmung der
transzendentalen Erkenntnisart -, aber gerade an und in diesem Gehalt (Hemmung oder Anstoß oder
interpersonalem Aufruf) verzeitet und versinnlicht sich  der Setzungs- und Seinsgrund des
Bewusstseins.  Es ist eine Form einer sich-verzeitenden Selbstanschauung in der 
Einbildungskraft – nicht unterbestimmt in der Form des objektivistisch vorausgesetzten  „inneren
Sinnes“ wie bei KANT - aber auch nicht überbestimmt in der Form eines göttlichen Verstandes, der
zugleich anschaut, was er begrifflich denkt. (KANT hat bekanntlich dieses divinatorische
Verständnis einer "intellektuellen Anschauung" abgelehnt.) Durch das Schweben der
Einbildungskraft werden Begriff und Anschauung mittels der sinnlichen Hemmung (primär als
Aufruf zu verstehen, dann als sinnliche Hemmung) zu einer Anschauung verarbeitet - und
sukzessive verobjektiviert,  verzeitet und verräumlicht. 
Die Anschauung im "inneren Sinn" zu generalisieren in einen Begriff hinein und umgekehrt, den
Begriff so zu restringieren, dass er auf die Anschauung im "inneren Sinn" passt – das war das
explizite Anliegen KANTS im Denken des Schematismus, aber notwendig musste ein Graben
zwischen Anschauung und Verstand bleiben, wie gesagt, weil die Zeit selbst noch in keiner
reflexiven Bestimmung (wie bei Fichte in der Form der Einbildungskraft) gefasst wurde. Durch die
faktische Bestimmung des "inneren Sinnes" in der Zeitanschauung trat das Dilemma ein, dass die
durchgängige Einheit der Erkenntnis des „Ich denke“ selbst nicht mehr transzendental-apperzeptiv
erkannt und eingeschaut werden kann. Es wird  dogmatisch, durch Selbstbeobachtung des "Ich
denke",  die Einheit vorausgesetzt.
KANT  bekommt dann allerhand Probleme, sodass er sich z. B. vor einer rationalen Seelenlehre im
Paralogismuskapitel der „ Transzendentalen Dialektik“ abgrenzen (KrV B 399ff, A 341ff) muss,
oder sich genötigt sieht, den Idealismus zu widerlegen.  Bezogen z. B. auf den Paralogismus: Eine
bloß logische Verwendung oder Prädizierung des "Ich denke" genügt noch nicht, eine
Seelensubstanz nachzuweisen. Dazu muss notwendig die Anschauung kommen. 3 Richtig, aber aus
der Sicht des Schwebens der Einbildungskraft bei FICHTE stellen sich diese Fragen eines
"Paralogismus" oder eines "Idealismus" nicht mehr. Durch und im Schweben der Einbildungskraft
entstehen Subjektivität (Objektivität) der Innenwelt und Objektivität der Außenwelt. Ein
"Paralogismus" ist ein Scheinproblem, ein Idealismus ein einseitiger Standpunkt. 
2) FICHTE wird sowohl in der GRUNDLAGE von 1794/95 wie in der WLnm (1796 – 1799) das
für die Sprachphilosophie oft so unbegreifbare Ich, d. h. die sich wissende Selbstbewusstseins-

3 Wie ein Hegel sämtliche Referenzprinzipien auf Anschauung und Erfahrung vernachlässigt - um
sie hintenherum doch wieder hereinzuholen - und weder KANT noch FICHTE folgt – beschreibt
R. LAUTH einmal präzise so: „Das Ich setzt sich im Setzen des Nichtichs, das freilich ein
relativ Absolutes ist, nicht als disjunktives Moment neben dem Nicht-Ich eine höhere Einheit -
so will es Hegel! -sondern in eins als umfassendes und als gegenüber dem Nicht-Ich teilbares
Ich. Auch ohne alle Bitte oder Gebot wird diese Grenze nie überschritten.“ R. LAUTH, Der
systematische Ort von Fichtes Geschichtskonzeption in seinem System, a. a. O., 101.
Einheit, die Reflexivität des Wissens,  in der Dialektik der Einbildungskraft, sowohl  sittlich-
praktisch wie anschauend-theoretisch bestimmen. Das Schweben (griech. „dialegein“) der
Einbildungskraft, wie oben zitiert, liefert zwischen dem durch den „Anstoß“ 4 verendlichten und
dem die Unendlichkeit ausfüllenden Ich ein Bestimmbares, das aus der übergeordneten, einen
Vernunft als Selbstbewusstsein genetisiert und bestimmt wird. In und von der höchsten Einheit der
Vernunft her, in einem zu erhellenden gnoseologisch sich-wissenden Setzen und einem ontologisch
vorauszusetzenden Sein dieses Setzens,  verfolgt die WL die systematische Konstitution der Innen-
und Außenwelt  in allen seinen Erkenntnis- und Seinsbedingungen.  
Zur nochmaligen, höchsten implikativen Begründung dieser Vernunfttendenz und des absoluten
Sollens - siehe Literatur z. B. von A. SCHURR - 5  
M. a. W., das „Ich denke“ ist nach FICHTE ein prädeliberatives, willentliches Handeln und
Erkennen und geht dem sekundärreflexiven Urteil des „Ich denke“ bei KANT voraus. Es ist ein
reflexives Wissen, durch Selbstbeschränkung nach dem Sittengesetz gebildet. Es ist in seinem
Handeln reflexiv sich wissend gesetzt, nicht blind oder bloß begrifflich. Das Ich, die Einheit des
Sich-Wissens -   von Sprachphilosophen gerne in eine grammatikalische Ecke gestellt - existiert  als
Reflexionsvollzug eines sich selbst bestimmenden Bestimmtwerdens, wodurch stets das
Prinzipiieren und das Heraustreten bestimmter und bestimmender Prinzipiate zugleich gesetzt sind 
- die Hauptbereiche der fichteschen Fünffachheit: sinnliche Natur, übersinnliche Moralität,
gesellschaftliche Natur und Religion, und deren Einheit in der philosophischen Vermittlung. 
3) Die WISSENSCHAFTSLEHRE ist deshalb Wissenslehre, vernünftige Erkenntnis der
Wirklichkeit in und aus Prinzipien der Erkenntnis - und natürlich auch Anwendung (Darstellung)
und Durchführung dieser Prinzipien! Sie ist nicht psychologische Ichlehre oder bloße Logik - wie
KANT den FICHTE aus Sekundärliteratur leider missverstand - oder "Subjektphilosophie" , auch
nicht „Handlungsphilosophie“, wie mir zufällig ein Werk von WITZLEBEN in die Hände fiel.
FRANK WITZLEBEN6 zerlegt den prädisjunktiven Erkenntnisakt des Setzens, wie ihn FICHTE
in der „Thathandlung“ beschreibt, in einen a) Aktbegriff und in einen b) Handlungsbegriff. Den
4 Die basale sinnliche Hemmung oder „Anstoß“ müsste jetzt weiter interpretiert werden: Der
Anstoß kann nur durch eine höhere intentionale Hemmung verstanden werden, wodurch
FICHTE nicht durch Zufall auf den Mangel der Ableitung der Interpersonalität bei KANT
gestoßen ist. Der intentionale d. h. interpersonale Anstoß ist notwendige
Konstitutionsbedingung, damit ein substantielles Sich-Wissen und Sich-Bestimmen möglich ist.

5 A. SCHURR, Der transzendentale Gedanke, S 371f . Die Aufforderung in der


Wechselwirksamkeit von Individualität und Interpersonalität muss auch verstanden werden.
Das Verstehen setzt aber wiederum einen Zweckbegriff voraus, und bedeutet ein
transzendierendes über sich Hinausverwiesen-Sein zu einem absoluten Bestimmtsein. Im
absoluten Bezugspunkt liegt der Sinn menschlichen Existenzvollzuges, die tragende
Gemeinsamkeit alles kommunikativen, sittlichen Austausches. Dieses Grundsein als Grundlage
jedes Selbstvollzuges des Bewusstseins muss deshalb in einem fraglosen Seinsollen begründet
sein - das im Gegensatz zu jedem faktischen Bestimmtsein nur als nicht-wandelbar gedacht
werden kann –, weil eine gegenteilige Annahme von der Undenkbarkeit ausgehen müsste, dass
ein absolutes Grundsein beides setzen könne, ein sich selbst begründendes und ein nicht sich
selbst begründendes Bestimmtsein. A. SCHURR, ebd. 37.

6  FRANK WITZLEBEN, Bewußtheit und Handlung. Zur Grundlegung der Handlungsphilosophie.


Fichte-Studien, Supplementa Bd. 9, Amsterdam-Atlanta, GA 1997.
Aktbegriff möchte er für einen bestimmten Begriff der Subjektivität reservieren, worin ein
Selbstbewusstsein in einer aktuellen Jetzt-Zeit denkbar gesetzt ist, der Handlungsbegriff hingegen
erzeugt nach gewissen Strukturen und Dimensionen (Operation, Beobachtung, Reflexion) die
Bewusstheit („Bewusstheit“ sic! bei WITZLEBEN) im Unterschied zum Bewusstsein des
Wissens. Die Handlung, so meine kritische Anfrage jetzt an WITZLEBEN, bringt selbst in ihrer
verschiedenen Strukturiertheit, zusammengehalten durch den Grenzpunkt eines Subjekts, ein
Begriffsverhältnis oder Gegenstandsverhältnis hervor? Die Handlung gilt WITZLEBEN – in
genauerer Systematik und Semantik von ihm noch aufgeschlüsselt – als Hervorbringung des
Gegenstandes aus dem Begriff? Dies ist und bleibt m. E. eine Variante von Idealismus und
entspricht nicht der – tlw. Idealistisch bleibenden - Intention KANTS bzw. der Weiterführung
FICHTES, die Erkenntnis als Hervorbringung des Begriffs gemäß und entsprechend dem wahren
Sein (Gegenstand)  und der intentionalen Wahrheit zu deduzieren. Die Relation zum Nicht-ich bzw.
die Anwendung der Kategorien muss anschauungsbezogen, "synthetisch a priori" im kantischen
Sinne bleiben, und kann  nicht bloßer, begriffslogischer, Vernunftschluss sein. Die Kategorien sind
von Kant her nicht so konzipiert, wenn auch unzureichend, dass sie Relationsbegriffe sind, sondern
Deduktionsbegriffe einer Synthesis; bei Fichte überhaupt objektivierte Denkformen aus der
absoluten Einheit von Subjektivität und Objektivität. 7
Die Unterscheidung WITZLEBENS zwischen Aktbegriff und Handlungsbegriff (mit weiteren
Aufschlüsselungen) ist m. E.  nicht zulässig, als der Handlungsbegriff hier nicht mehr substantiell
verstanden wird, sondern akzidentiell, als Eigenschaft eines idealistisch/realistisch vorausgesetzten
„Subjektes“. In weiterer Folge wird die bereits faktisch vorausgesetzte „Handlung“ der Kognition
eines substantiellen Aktes vorgeordnet. Das widerspricht deutlich den Aussagen FICHTES. Das
handelnde Tun des Wissens ist wissendes Tun,  anschaulich in der intellektuellen Anschauung und
interpersonal im performativen Sprechakt zu verstehen. 
Weil WITZLEBEN der dem Handeln zugrundeliegende „actus purus“ transzendentalphilosophisch
unauflösbar scheint, darf die Kognition nicht zugunsten der Exekution (so sein Begriff)
nachgeordnet und aufgegeben werden. Die kognitive Aussage bzw. das Wissen ist konstitutiv für
das Handeln, entsteht zugleich im Entwerfen eines synthetischen Zweckbegriffes  - und nicht
umgekehrt, dass zuerst gehandelt würde, ehe dann für das Wissen das Objekt des Handels erkannt
werden könnte.  Das platonische Vorwissen bzw. die apriorische Wissbarkeit von allem ist
konstitutive Bedingung jeder Einheit von Sprechen und Handeln, möge das Handeln dann weiter
zerlegbar sein, wie es WITZLEBEN tut, oder wie Fichte selbst oft bemerkt, dass es einen
Widerspruch gibt zwischen Sagen und Tun, wenn wir das von außen betrachten. Das Tun holt das
beabsichtige Erkennen (Sagen) nicht mehr ein.  Die Einsicht in die Art der Verfasstheit der
Wirklichkeit wie auch der Inhalt und die Normativität des Erforderlichen in der
Wirklichkeitsveränderung bzw. Wirklichkeitserzeugung (im Bereich des Ästhetischen und Sittlich-
Praktischen), das ist durch das prädisjunktive Prinzip des „Setzens“, wie es FICHTE eingeführt hat,
begründet und gerechtfertigt. Alles  Sein kann nur im Setzen und, wie er später immer sagt, im
reflexiven Sehen, gesetzt und angesprochen sein - und darf nicht blind als Handlungsbegriff oder
als sonstwie vorgegebene logische Form vorausgesetzt sein. 
4) Zurück wieder zu KANT: Es ist eine offene Frage:  Ist die Einheit des „Ich denke“ nur als
formale Vereinigungsbedingung von Vorstellungen „für mich“ (KrV B 132) gemeint, oder hat diese

7 Sehr erhellend ist hier für mich ein Artikel gewesen zur Sprechakttheorie und zur WL Fichtes von
Peter Baumanns, Der transzendentale Gedanke, Hamburg 1981, ebd. S 175 ff .
Einheit auch eine überindividuelle und vorallem inhaltliche, materiale Bedeutung? Man lese den
entsprechenden Abschnitt über die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption in § 16
KrV. 8  
Nochmals zur Erläuterung und Abgrenzung sei  F. WITZLEBEN herangezogen: Er möchte  in
seiner Handlungstheorie und Handlungsphilosophie den Akt der Spontaneität, der dieser Synthesis
des „Ich denke“ zugrundeliegt, weiter aufschlüsseln, indem er die dahinterliegende Handlung
dreifach strukturiert und analysiert, wie gesagt,  in einen Akt der Operativität, der Beobachtung
und der reflexiven Handlungskontrolle. Er gibt folgende Erklärung: „Der Akt der Spontaneität
kann nur gedacht werden, wenn sie einem Selbstbewusstsein zugerechnet wird. Die Einheit des
Selbst ergibt sich analytisch aus der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen
und umgekehrt. Das Selbst in der formalen Einheit des „Ich, das p denkt“ hat eine Begleitfunktion,
die die repräsentationale Legitimität (im erkenntnistheoretischen Sinne) von „p“ sichert.9
Ja, das ist eine Art wechselseitige Bestimmung eines Selbst und einer Mannigfaltigkeit in einer
Synthesis vorgestellt, eine analytische Einheit, aber eine faktische! Sozusagen die ganze kantische
Deduktion der Erkenntnisbedingungen - wie in der Analytischen Philosophie oft so gelesen
(Strawson)  - ist nur eine analytische Explikation des Erfahrungsbegriffes. Man braucht eigentlich
keine Synthesis a priori.
Die transzendental-kritische Frage in der Reflexion des Wissensbedingungen zielt aber genau
darauf: 1.) wie und warum die Mannigfaltigkeit der Anschauungen – bei FICHTE als Ordnung der
Bestimmbarkeit gesetzt - , angenommen werden kann? und 2.) wie die synthetische Einheit dieser
angeschauten Mannigfaltigkeit (Bestimmbarkeit) einsichtig, repräsentational,  gedacht werden
kann?
Die „analytische“ Einheit des Selbst ergibt sich nicht automatisch in und aus der „synthetischen
Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen“ oder umgekehrt, eine „Repräsentation“, die sich als
solche nicht wissen kann, ist keine Repräsentation!10
Dies kann m. E. in zweierlei Weise geschehen, gemäß den Argumentationsformen der WL: a)
dialektisch-abstrakt, im Aufzeigen einer implikativen und appositionellen Synthesis der Zeit- und
Raumordnung (GRUNDLAGE), worin sich Freiheit im Übergehen von Bestimmbarkeit zur
Bestimmtheit im Handeln manifestiert (repräsentiert), oder b) phänomenologisch durch ein
aufforderndes Soll von Ewigkeit her, vermittelt als intelligible Struktur eines „reinen Willens“
(Wlnm), der sich verzeitend ausschematisiert in den Selbstbewusstseins-Setzungen der
verschiedenen Wirklichkeitsbereiche wie Natur, Sittenlehre, Rechtslehre und Religionslehre und

8  Es gibt durchaus Aussagen bei KANT, die die transzendentale Einheit des "Ich denke" als
"numerische Identität" (siehe Paralogismuskapitel B 399ff) verstehen, als überindividuelle Einheit
des Vernunft, worin die ganze Wirklichkeit der erscheinenden Welt in übergeordneter Einheit
gebündelt wird.  Zumindest zeugt  sein Opus Postumum, dass er sich mit seiner logischen Variante
des Bezuges des Erkenntnisvermögens auf die Gegenstände der Erfahrung nie endgültig zufrieden
gegeben hat. Siehe dazu, MANFRED ZAHN, Selbstvergewisserung, Würzburg 1998, und den darin
befindlichen Aufsatz zu Kants Opus postumum.
9  F. WITZLEBEN, Bewußtheit und Handlung. Ebd. S 12.

10  Soweit ich Aussagen von M. FRANK gelesen habe, scheinen mir dort die Dinge um die leidige
Subjektivität der Erkenntnis ähnlich zu liegen!? Siehe dazu interner Link zu einem Blog zu M.
Frank. 
Geschichte.
(c) Dr. Franz Strasser, 5. 11. 2015
----------------------
1 „ (…) die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt, und Erkenntnis der Gegenstände derselben
beruht (auf): Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption“ (KrV A 115, Bd. 3, 173)

Das könnte Ihnen auch gefallen