im Kurs Kunstgeschichte
an der FH Potsdam
bei Prof. Jelena Jamaikina
Geschichte des
elektronischen
audiovisuellen
Gesammtkunstwerks
und seiner Künstler
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Inhalt
Einleitung............................................................ 4
Kapitel Eins......................................................... 5
Elektrische Optoakustik
Kapitel Zwei........................................................ 24
Die Bilder der Bits
Schlusswort......................................................... 30
Quellenverzeichnis............................................. 34
Anhang................................................................ 35
Email von Denise Gallant
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im Laufe der Geschichte deutlich wider. Mit zunehmender
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V werden jedoch von denen, die sie in Aktion gesehen haben,
Kapitel Eins
als ein Beleg dessen gefeiert, dass es tatsächlich so etwas wie
Bild-Musik geben kann. Es werden vor allem “die herauste-
chend vibrierenden Farben, die in Formen auftauchen, welche
Elektrische Optoakustik zu schweben scheinen”, gelobt. Es gibt zwei Aufzeichnung aus
dem Guggenheim Museum u.a. von Marry Ellen Bute und
Ted Nemeth und eine Aufzeichnung von Dockum selbst, diese
geben jedoch nur schlecht den Gesamteindruck des Gerätes
wieder. Das Farbmobile V ist auch heute noch funktionsfähig,
Seit Beginn des zweiten Weltkrieges ging es technologisch in und drei seiner Kompositionen werden hin und wieder von
grossen Schritten vorwärts. Der Erste, der davon im Bereich seinen Angehörigen gespielt. Es beeindruckt auch heute noch
der Bildmusik profitiert, ist der in Texas geborene Ingenieur seine Betrachter.
für Elektrik an der Texas A&M Universität. Von Krankheit
geplagt, zieht er nach Arizona. Dort beschäftigt er sich mit der Doch es sollte eine Frau sein, die die hereinbrechende Technik
Entwicklung einer Maschine, die abstrakte Bilder erzeugen für sich weitaus besser zu nutzen wusste. Besessen von der
konnte, welche sich in Harmonie und Disharmonie bewegten. Idee, mit Licht zu malen, studierte die junge Mary Ellen Brute
Er nannte seine Erfindung Farbmobile und hatte seine ersten Bühnenbeleuchtung an der Universität in Yale/USA, um mit
Auftritte um 1936. 1942, etwa zur gleichen Zeit wie Oskar dem erlangten Wissen ihre eigene Farborgel zu bauen. Jedoch
Fischinger, bekam auch Charles Dockum ein Stipendium am änderte sich ihr Plan, als sie die Musik-Theorien von Joseph
Guggenheim Museum. Er wurde beauftragt, dort eine farb- Schillinger hörte. Er philosophierte über die mathematischen
mobile Installation zu erstellen. Er brauchte 8 Jahre, um sein Grundlagen von Kunst - vor allem Musik - und belegte diese
Gerät zu verfeinern. 1950 brachte er es dann nach New York sehr eingehend. Frau Bute wollte diese Formeln unter Zuhil-
ins Museum. Der Farbmobile IV-Projektor musste jedoch von fenahme von geometrischen Formen und Farben visualisieren
Hand bedient werden. Das stiess auf wenig Gegenliebe der Ku- und wechselte kurzerhand von der Bühnenbeleuchterin zur
ratorin des Museums Baroness Rebbay. Deswegen wurde sein Filmemacherin. Der Versuch, Schillingers Idee visuell umzu-
Gerät nach nur zwei Aufführungen eingemottet und wenig setzen, scheiterte jedoch an der Komplexität der Graphiken,
später zerlegt. Dockum gab jedoch nicht auf und baute weitere welche mehreren Animatoren Jahre gekostet hätten, um sie
Versionen, zunächst das Farbmobile V in den frühen 1960ern. umzusetzen. Schlecht für Frau Bute war aber auch, dass sie
Dieses Gerät kam in mehren Veranstaltungsorten in Kalifor- sich fast ausschliesslich mit der mathematischen Seite aus-
nien zum Einsatz. Etwa fünf Jahre später begann Dockum, an einandersetzte, aber Gefühlslagen, tonale und interpretato-
dem Nachfolger Nr. VI zu bauen, welcher sich zum ersten Mal rische Qualitäten der Musik vernachlässigte, einen Fehler, den
auch computerisierten Elementen bediente. Diesen konnte er viele von Schillingers Anhängern konträr zu dessen Intenti-
aber nie fertig stellen. Als er 1977 starb, hinterließ er ein zum onen auch in der musikalischen Umsetzung begangen. Mit
damaligen Zeitpunkt bereits von der rasant fortschreitenden dem Film “Rythmus im Licht” jedoch entfernt Sie sich von den
Computerwelt überholtes Gerät. Dockums Farbmobiles IV und rein geometrischen Formen und führt Techniken ein, die sie
zuvor bei Melville Webber gesehen hat. Dieser benutzte zerbro-
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chene Spiegel, Tennisbälle und geschliffene Glasaschenbecher
um ausgeschnittene Formen zu verzerren. Bute benutzte diese
Möglichkeiten zusammen mit Cellophanpapier, Schmuck und
Wunderkerzen, um rythmische und abstrakte Schatten und
Lichtformen zu erzielen. Unscharfe und transparente Bilder
wurden unter ihrer Regie von dem Werbekameramann Ted
Nemeth aufgenommen den Mary Ellen Bute später auch heira-
tete. Zwei weitere in schwarz-weiß gedrehte Filme “Synchromy
Nr. 2” (1936) und “Parabola” (1938) beschäftigen sich weiterhin
mit einer Mischung aus Animation und abstrakten Formen.
1936 folgt sie Oskar Fischingers Beispiel und verkauft ein spe-
zielles dreiminütiges Stück an Universal Pictures zur Vorfüh-
rung in den Nachrichtenstreifen, die sich in dieser Zeit in den Mary Ellen Bute: Polka Graph 1952
Kinos größter Beliebtheit erfreuten. Photo von William Moritz
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Das erste Mal wird Musik relativ erfolgreich durch eine stum- verfolger produzierte er den “Katalog 1961”, um zu beweisen,
me Geschichte visualisiert - ein Fakt, auf den ich im Anhang dass seine Techniken auch kommerziell einsetzbar waren. Der
eingehen möchte - und zum anderen spielt der Film ganz und Promotionstreifen wurde zu einem Hit in der in den 1960ern
gar in der Realität der Comics und zeigt wie auch einige der immer größer werdenden psychedelischen Szene. 1966 bekam
comic- ähnliches Versuche Fischinger, dass dieses abstrakte er die Chance, bei IBM an neuen Supercomputern zu arbeiten
Medium sehr gut zur Visualisierung von Musik geeignet ist. und verstand es umgehend, diese für seine Harmonie-
Leider war die Produktion von 1940 die erste und letzte von Theorien zu benutzen. “Hommage and Rameau” ist sein erstes
Walt Disney zu diesem Thema und grosse Filmstudios igno- Werk bei IBM und in seiner weiteren Laufbahn verfeinerte
rierten den Trend nach 1950 ebenfalls nahezu vollständig. er seine Techniken. Harmonische Verläufe waren fortan sein
Motto und er wollte mit seinen Werken einen Dialog zwischen
Die rasant fortschreitenden technischen Innovationen sollten Ton und Licht schaffen. Mit dem Film “Arabesque” (1975),
jedoch die Kunstform weiterhin und auf lange Zeit vollkom- welcher sich den geometrischen Figuren der islamischen Welt
men beherrschen und der Film als Medium dieser Kunstform bedient, beendete er sein Schaffen als reiner Cinematograph
für einige Zeit in den Hintergrund gedrängt werden. John
Whitney ist ein Beispiel für diesen Wandel. Nach der Produkti-
on einiger experimenteller Filme zusammen mit seinem Bru-
der wird auch er - wie schon Dockum und Fischinger - 1948
als Stipendiar in das Guggenheim Museum eingeladen, um John Whitney: SlitScan
an der Erforschung von Zusammenhängen zwischen Bild und Photo von Charles Eames
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und verliess den optischen Drucker. In den späten achtziger Technologien sollten unter dem Namen “Video Synthesizer”
Jahren entwickelte er dann eine erste, den Lichtorgeln ähnliche die nächsten Jahre dominieren. Die Videosynthesizer waren
Installation. Diese steckte jedoch komplett digital in einem auf analoger Elektrotechnik aufbauende Geräte, die zuerst in
Computer. Es waren spezielle Programme und Hardware, die den 1960er Jahren auftauchten, um Bilder auf den Bildschirm
hier miteinander spielten. Im Unterschied zu den analogen zu bekommen oder bereits vorhandene Videos zu verfremden,
Vorgängern anderer Künstler konnte seine Computer-gestützte zu verändern oder auf diverse Art mit Musik zu verbinden.
Installation auch gleich den Ton mit erzeugen. Er nannte die Diese analoge Videosynthese kann Video-Bilder erzeugen - so,
Installation ´Spiralen´ (1987). Bis zu seinem Tod komponierte er wie Audiosynthesizer Klänge hervorbringen. Im Gegensatz
noch weitere Programme und Installationen, wie zum Beispiel zur Klangwelt bedarf dies jedoch eines vielfach größeren tech-
die “Mond Trommel”S- erie, in der er seine Idee aus “Arabesque” nischen Aufwands. Das Frequenz-Spektrum eines Videos ist
aufgreift - nur dass er diesmal mit den Zeremoniesymbolen etwa 100 Mal größer und es muss immer eine exakte Zeitsyn-
der Indianer spielt. Die Suche nach der Verbindung von Ton chronisation eingehalten werden. Diese Umstände erforderten,
und Licht zog sich als roter Faden durch Whitneys Leben. 40 dass sich die Entwicklung der künstlerisch experimentellen
Jahre lang arbeitete er mit diesem – damals wie heute – revo- Videotechnik erst viel später vollzog als es bei der Geräusch-
lutionären, neuen Medium Computer. Er brachte Program- synthese der Fall war. Viele unterschiedliche Systeme wurden
mieren und Kunst auf eine Stufe und viele der noch heute im Laufe der Jahre entwickelt. Sie orientierten sich an den
gängigen abstrakten Computerprogramme, die automatisch technischen und künstlerischen Erfahrungen ihrer Erbauer
Musik-Bilder erzeugen gehen auf seine frühen Arbeiten zurück. und schöpften alle elektronischen Möglichkeiten ihrer jewei-
Das erste Computerprogramm, das jemals Bilder zur Musik ligen Zeit aus. Die Ausgabe einiger Geräte war mehr durch die
erstellte, wurde von ihm geschrieben. verbauten Schaltkreise geprägt, während andere versuchten,
einen bestimmten bildlichen Effekt zu erzielen. Die analogen
Doch das Zeitalter der Computer sollte noch eine Weile auf Synthesizer funktionierten meist ähnlich einem Oszilloskop
sich warten lassen. Eine andere Erfindung zog zunächst alle (und damit auch ähnlich wie die Audiosynthesizer). Es wur-
Aufmerksamkeit auf sich - der Fernseher. den mehrere Sinuskurven erstellt und gegeneinander verscho-
ben, die Größen verändert, eingefärbt und ausgeschnitten. Da-
Dieses Gerät, dass es schaffte, in kürzester Zeit in so gut wie durch kam man zu unendlich vielen Effekten und Formen die
allen Haushalten Einzug zu halten, brachte den Musik-Malern bis vor noch etwa 10 Jahren kein Computer hätte in Echtzeit
eine willkommene Bühne. Anstatt jedoch Inhalte für den Fern- erstellen können. Generell kann man vier verschiedene Arten
seher zu produzieren, zerlegte man ihn und “missbrauchte” von analogen Videosynthesizern unterscheiden.
seine Bildröhre für allerlei Experimente. Das Zeitalter der “Vi-
deokünste” brach herein. Namen wie Nam Jun Paik, Stephen
Beck sowie Woody und Steina Wasulka machten die Runde
und sie alle verschrieben sich der Musik-Bebilderung. Die
komplizierten Techniken ihrer Vorgänger (man erinnere sich
an die mechanisch aufwendigen Farb-Orgeln von Castel und
Co.) waren Vergangenheit. Umgebaute Fernseher und ähnliche
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Die Kamerabild-Prozessoren videofähigem Format aufzuzeichnen. Das Bild des Abtastmo-
nitors besteht bei den meisten Geräten dieser Art aus einem
Zu diesen Geräten zählt man speziellem Oszilloskop und kann auf verschiedenste Art in
hauptsächlich Farbkorrek- Größe, Position und Rotation verändert und animiert werden.
toren, welche es ermöglichen Nach dem Abtasten werden dann eine Füllung, Farbe und
ein Schwarz/Weiß Signal zusätzliche Effekte hinzugefügt. Als Beispiel hierfür gelten das
einzufärben. Beispiele hier- Scanimate, dessen Vorgänger der Animac und der Rutt-Etra-
für sind die Fairlight Electric Scanprocessor.
Paintbox, der Paik Abe Video
Synthesizer und die Cox Box.
Ausgabe des Paik/Abe Synthesizer
Die nicht-aufnahmefähigen Synthesizer
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durchblicken. Edwin J. Tajchman war der Elektroingenieur, der
Harrison bei der Umsetzung seiner Ideen half. Die Idee des
Animac war es, etwas zu entwickeln, mit dem man schnell
und relativ einfach Cartoon-Charaktere animieren konnte.
Dazu benutzen die beiden Entwickler Oszilloskope und frühe
röhrenbasierte Flip-Flop-Schaltungen. Diese zeichneten Striche
auf einen Röhrenmonitor, welche die “Knochen” symbolisieren
sollten. Es war möglich, die erzielten Bewegungen abzuspei-
chern und später mit anderen zusammenzufügen. Interessant
an dem Gerät waren die verschieden Möglichkeiten der Einga-
be. Es gab Joysticks, Knöpfe und sogar einen Anzug mit vielen
Potentiometern, welcher, wenn getragen, die Bewegungen des
Trägers auf die virtuellen Knochen übertrug, wohl das erste
digitale Motion-Capturing-Verfahren. Der Animac war jedoch
nur Prototyp und kam eigentlich nie zum Einsatz. Er diente
jedoch als Grundlage des legendären ScaniMate und auch gab
es etwas später eine kommerzielle Version des Character Ani-
mators CAESAR.
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aufteilt und diesen dann Farbwerte zuweist. Desweiteren läßt Im Schatten von Paik wuchs jedoch die Video Szene und mit
sich mit dem Gerät ein Videofeedback erzielen und das Bild ihr die Geräte, die die bunten abstrakten Bewegtbilder ermögli-
stark verzerren. Sieben verschiedene Videoquellen lassen sich chten. Auch Dan Slater entwarf seine eigenen analogen Video
auf verschiedenste Art und Weise miteinander verbinden. Die Synthesizer seit 1966, vor allem des Spasses wegen. Seine 1970
Qualität des Videos, welches aus dem Synthesizer heraus kam, gebaute Slit-Scan Camera wurde jedoch in einigen kommer-
bezeichnet Paik selbst als “schlampig, schludrig, unordentlich” ziellen Filmen benutzt und auch in dem Film “Space Odysee:
und ist sehr rau, was Paiks Ästhetik entsprach. Paik nahm vor- 2001” zusammen mit der ähnlichen Entwicklung von John
nehmlich Bilder aus verschiedenen Kontexten und mischte sie Whitney eingesetzt. Später entwickelte Slater optisch/mecha-
zusammen um eine, meist politisch-philosophisch orientierte nisch/elektrisch-analoge Film-Synthesizer die unter anderem
Aussage zu machen. Die meisten dieser über 100 Performances im ersten Star Trek Film eingesetzt wurden, um ein Wurmloch
von Paik beinhalteten Musik als Element und er legte viel Wert zu simulieren. Danach ging er in die Luft und Raumfahrt und
auf eine Symbiose der beiden Medien. Es scheint, als wäre dies hörte auf, sich den visuellen Künsten zu widmen.
aber nie sein Hauptanliegen gewesen, jedoch gilt sein Stil als
Inspiration von vielen nachfolgenden Künstlern, die sich mehr Noch engagierter war jedoch Eric Siegel. Von jung an beschäf-
mit der Symbiose beschäftigten. Paik kann auch als Vater der tigte sich der 1944 in New York geborene Siegel mit dem Be-
Videokunst generell gesehen werden, zumindest hat er diese wegtbild und dem Fernsehen. Mit 14 Jahren baute er sich einen
Ausdrucksform salonfähig gemacht, ihr Inhalt und Energie eigenen Fernseher. 1969 entwarf er die Installation “Psych-
gegeben. delivision” in Farbe für die Ausstellung “TV als ein kreatives
Medium” in der Howard Wise Gallery. Daraus entstand sein
Werk “Einstein” in dem er das Bild Albert Einsteins mit seinem
“Eric Siegels Colorizer” einfärbte und durch ein wiederholtes
abfilmen einen Videofeedback-Effekt erzielte und diesen wohl
Nam June Paik
www.michaelromanos.com als Erster künstlerisch einsetze.
Etwas einmaliges war mit uns geschehen, als wir das flammen-
de Gesicht Einsteins am Ende des Korridors sahen. Für uns
etwas Visionäres, für mich endlich etwas frei von Film.
Woody Vasulka
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Art und Weise einzufärben. Dabei wird ein Farbträgersignal
auf dem Video Frequenzband erzeugt. Dies geschieht, indem
die verschiedenen Helligkeitswerte aufgefächert und verschie-
dene Farben zugeordnet werden. Nam June Paik und Woody
Vasulka waren unter den ersten, die dieses Gerät schätzen
lernten. Auch hier finden sich wieder Sequenzen in der Welt-
raumsaga “Space Odysee: 2001”, wo dieses Gerät eingesetzt
wurde. Zwei Jahre nach seinem ersten künstlerischen Erfolg
mit dem Colorizer baute Eric Siegel einen Video-Synthesizer.
Dieser war für seine Zeit extrem klein und sogar portabel. Sei-
nen eigenen Angaben zufolge konnte man ihn sogar mit Bat-
terien betreiben (und zum Meditieren mit auf den Berg neh- Eric Siegels Colorizer
men, wie er schreibt). Der Synthesizer war als erster fähig, ein audiovisualizer.com
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1972 verbrachte Eric Siegel ein halbes Jahr in Indien, wo er in- die Studios der Künstler ein. So auch bei Pellegrino, der gleich
dische Medezin studierte und eine Videoreihe “Die Hindustan zu Anbeginn begriff, dass diese Geräte seine Kunstform stark
Bänder” (“Goa 1&2”, “Heilung 1-3”, “Dehli”, “Bombay”, “Afgha- verändern werden. 1983 benutzte er bereits ein ausgefeiltes
nistan”) produzierte. Siegels Werke sind stark von der Suche Programm auf einem Apple II Computer, welches ihm ermög-
nach der Verbindung von Musik und Bild geprägt. Das beste lichte, musikgesteuerte Grafiken zu projizieren. Von diesem
Beispiel dieser Experimente bildet “Tomorrow never knows”. Moment an waren Computer sein Werkzeug. Der auch heute
Es ist die psychadelische Interpretation eines Beatle-Songs. Hier noch aktive Pellegrino benutzt jetzt vor allem generative Soft-
kann man eine, für die damalige Zeit typische, Spontanität mit ware wie Artmatic.
dem Umgang der Videosynthese beobachten.
Doch zurück zu den “Psychadelic 60s” und den unzähligen
Videoeffektgeräten. Ein solches, viel benutztes kam von Glen
Southworth. Er entwickelte mit seiner Firma Colorado Video
“Der Amerikanische Traum entwickelt sich nicht weiter. Er ist Inc. 1969 den Video-Quantizer. Dieses Gerät wurde hauptsäch-
in einem verkommenen Zustand. Das Fernsehen muss befreit lich für den wissenschaftlichen Bereich erfunden, um interes-
werden.” sante Stellen in Röntgen- oder Wärmeanalysenbildern farblich
hervorzuheben. Dabei werden die Graustufen in 21 Bereiche
unterteilt und stark kontrastreiche Bereiche können dann mit
einer beliebigen Farbe belegt werden. Die isolierten Regionen
Ein Künstler, der etwas sparsamer mit der ihm vorhandenen können herausgelöst und miteinander neu gemischt werden.
Technik umging, ist Ron Pelligrino. Er fand sein Interesse an Auch ist es möglich, die Bereiche ganz herauszuschneiden und
visueller Musik, wie er sie nennt, als er begann, mit dem Moog so einen Helligkeitskey zu erreichen - ein auch heute noch
Audio Synthesizer zu experimentieren und einen Tektronix oft eingesetztes stilistisches Mittel. Glen Southworth hat Zeit
Oszillator anschloss, um diese Töne zu sehen und seinen Stu- seines Schaffens mit seinen Apparaten vor allem in den For-
denten das Prinzip des Synthesizers zu erklären. Er bemerkte schungsbereich gezielt, jedoch hat er wohl auch immer einen
bei einer Aufführung, wie gebannt die Zuschauer auf den Hang zur Kunst gehabt und es in dieser Szene vorgestellt. Eine
Oszillator schauten und beschloss, seine Forschungen in diese andere nennenswerte Erfindung ist die CVI Data Camera.
Richtung zu lenken. 1971 bekam er Geld für die Erstellung Gedacht, um Monitore abzufilmen ohne dabei die Synchro-
einer Serie von fünf Filmen: die “Lissajous Lives Film Series”. nisation zu verlieren, war sie Vorraussetzung für die späteren
Dabei zeichnete er die Bilder seines Oszillators live auf und Abtastapparate wie den ScaniMate.
lehrte später damit Musikern, diese Bilder so zu lesen, als ob
es Notationen wären. Nachdem Pellegrino sich mit Videosyn- Selbst Künstler der psychadelic Szene und wissenschaftlich
thesizern und den Formeln zur Steuerung dieser durch Musik mitarbeitender Ingenieur der elektrotechnischen Abteilung der
beschäftigt hatte, begann er, mit Laseranimationen zu expe- Universität von Kalifornien war Bill Hearn. Er entwickelte das
rimentieren. Als einer der Ersten brachte er sie auch 1975 zur sogenannte Vidium - und gab der Oszillatoren-Kunst damit
Aufführung. 1981 veröffentlichte er sein Buch “The electronic eine unerreichte Schönheit. Eigentlich ist es eine Weiterent-
Arts of Sound and Light”. 1983 zogen dann die Computer in wicklung einiger Oszillatoren, die er vorher gesehen hatte.
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Er kombinierte diese um, komplexere Formen zu erhalten. So „Wir gingen hinein, ohne das wir jemanden sahen, bis wir an
konnten Lissajous Kurven und Muster auf sehr harmonische dem schönsten elektronischen Bildermacher-Instrument anka-
Weise miteinander kombiniert werden konnten. Bill Hearn er- men, das ich jemals gesehen habe. Du bist im Exploratorium
fand zusätzlich eine spezielle Technik, die resultierenden Kur- und ich bin Bill Hearn, sagte der Mann, der sich über das
ven einzufärben und konnte dadurch die sehr schönen Formen Instrument lehnte... “
auch mit harmonisierenden Farben in Verbindung bringen.
Woody Vasulka
Ausgabenbeispiel Vidium
audiovisualizer.com
Bill Hearn
audiovisualizer.com
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bares, ausserdem war es extrem gut programmierbar. Bis auf
die Verbindung zu Dan Slater ist jedoch nicht bekannt, ob es
jemals zur Erstellung von “Bild-Musik” gebraucht wurde.
Das Gerät mit dem ersten, noch extrem kleinen, digitalem Spei- Becks Ansatz schien es immer gewesen zu sein, ein Bild direkt
chermodul kommt ebenfalls von Beck. Man malt mit einem aus dem Nichts, nur geformt durch Musik, entstehen zu lassen.
Cursor ein Muster auf den Bildschirm und das Gerät “webt” Repräsentatives Video versuchte er zu umgehen. Durchaus
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auch auf ihn zurückzuführen entstand eine generelle Diskus- nicht nur Farbe, sondern auch Form, Muster und Bewegung ist,
sion in den 1970er Jahren über natürliche Aufnahmen, “Bilder scheint diese Suche einen theoretischen Höhepunkt erreicht
von Gott” und Aufnahmen, die innerhalb eines Computers zu haben - vorerst. Einige von Becks interessantesten Arbeiten
entstanden. Beck erstellte eine ganze Reihe von Aufzeichnung, offenbarten wissenschaftliche Ideen einer breiten Masse, die
welche sich mit der Verbindung von Videokunst und Musik normalerweise nur für Experten zugänglich gewesen waren.
beschäftigten. Herausragend sind die Werke “Illuminated
Music”, in dem er sich mit der Licht-Ton-Synthese beschäftigte, Das Konzept seiner Videowebmuster fand er in den Magischen
und “Video Weaving”, welches er hauptsächlich mit dem Vide- Würfeln der arabischen Denker des sechsten und siebten Jahr-
oWeaver erstellte. Beck sah eine Unterteilung des Sichtbaren in hunderts. Sie sind reine Mathematik, er nannte es mathema-
einzelne Elemente: Farbe, Form, Textur und Bewegung. Den tische Harmonien.
Formteil kategorisierte er noch in Punkt, Linie, Fläche und Illu-
sion des Raums. Diese grundsätzliche Aufgliederung floss in
seine Arbeit an Videosynthesizern. Beck über Kandinsky:
„Die Leute fragen mich manchmal, “Ist das Mathematik? Wie
kann man das mit Mathematik in Beziehung setzen?” Und ich
sage, “Es ist Mathematik, genau so, wie auch Musik Mathema-
„Er ist wirklich der Maler, der meine Gedanken am meisten tik ist.” Man hat implizite Strukturen von Harmonie und Ver-
beeinflusst hat. Ich denke, das verbindet mein Video mit der hältnis. Anstatt von Musik, wo bekanntlich Vibrationen in der
Tradition in der Kunst... die nicht figürliche Tradition. Spiritu- Luft sind, sind es hier Vibration des Lichtes, mit verschiedenen
alität in der Kunst (ein Buch von Kandinsky) ist ein Meister- Farben und Mustern. Man muss es nicht als eine triste ma-
werk von jemanden, der diese Erfahrung niederschreibt... Ich thematische Theorie oder Gleichung sehen. Es nimmt eine viel
hatte die Erkenntnis, das Visuelle Feld in einzelne Elemente zu lebhaftere Gestalt an.“
zerlegen, und als ich den Synthesizer entwarf, habe ich diese
Elemente gegliedert: Farbe, Form, Muster und Bewegung. Und Aber sollte der rein mathematische Ansatz - wenn auch ausge-
ich unterteilte weiterführend das Element Form in die Unter- weitet von nur Farben auf Muster, Form und Bewegung - die
kategorien Punkt, Linie, Fläche und Illusion des Raums. Später endgültige Lösung des Problems darstellen - seine Vorgänger
las ich Kandinsky´s Arbeiten und fand, dass es sehr ähnlich war: Goethe, Kircher und Brute waren da anderer Überzeugung.
Ich hatte keine Vorkenntnisse über seine Arbeit, als ich an dem
gleichen oder einem sehr ähnlichen Entwurf ankam. Ich war Als Magnet der damaligen Videokunst und aktiver Beobachter
verblüfft. Ich las seine Notizen für seine Vorträge am Bauhaus der Szene galt das Paar Vasulka.
und da war sie, die genau gleiche Analyse.“
Steina Vasulka, eine Violinistin aus Island und Woody Vasulka,
ein Filmemacher aus der Tschechoslowakei, gehören zu den
wichtigsten Förderern und Denkern der frühen Videokunst,
Mit dieser Aussage beschliesst Beck eine Suche, die 2000 Jahre wollen sich selbst jedoch nicht als Pioniere sehen. Beide be-
vor ihm begann. Mit der Aussage, dass Musik-Visualisierung schäftigen sich mit elektronischer Kunst sämtlicher Art. Ihre
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Woody (l.) und Steina (r.) Vasulka
gesamte frühe Schaffensperiode zeichnet sich durch gemein-
sames Arbeiten mit anderen Künstlern aus, mit denen sie in vasulka.org
Das erste Werkzeug, was sich die Vasulkas zulegten, war ein
Steina Vasulka meint: Portapak (Videoaufzeichnungsgerät), das zweite, ein Audi-
osynthesizer. Beides verbanden sie miteinander und verän-
Wir näherten uns dem Kunstbezug, was bedeutet, dass wir derten ihre aufgezeichneten Bilder durch Musik.
uns mit Stromspannungen und Frequenzen beschäftigten. Wir
beschäftigen uns mit dem Signal, das ist das Audio-Signal und Woody setzt sich vor allem mit Narrativen in diesem Medium
das Video-Signal.... auseinander, ein Novum, Geschichten aus ihren unmittel-
baren Erfahrungen zu erzählen. Seit den Höhlenmalereien war
Woody Vasulka: dies in Vergessenheit geraten. Bei seiner Herangehensweise
benutzt er analoge und digitale Mittel, um Bilder zu produzie-
Wirklich und wahrhaftig bedeutungsvoll für uns war zu dieser ren, die sowohl in der Geschichte als auch der Struktur einen
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Sinn ergeben. Die Weltgeschichte beschäftigt ihn durch seine ein gemeinsames Werkeln im Gang. Zu ihrer Hochzeit waren
Arbeiten hinweg. Steina benutzt das natürliche Umfeld für ihre die mittwöchlichen Vorstellungen übervoll und “The Kitchen”
Abreiten. Sie baut Installationen, die das Bild selbst in Frage bekam einen Ruf über New York hinaus, als eines der pro-
stellen. Sie versucht eine Verbindung zwischen den digital gressivsten Videokunstzentren weltweit. Hier war es auch, wo
generierten Mustern und den natürlichen Formen zu finden. man die ersten audio-visuellen Videoperformances betrachten
In ihren Arbeiten vergessen die Vasulkas nie, dass sich Video konnte.
aus einem elektrischen Signal zusammensetzt und stellen die
Rolle des Mediums als blosses Mittel, die Welt anzuschauen,
fortwährend in Frage. Ihre Werke sollen den Betrachter anre-
gen, das Bild über den kulturellen Bezugspunkt hinweg anzu- Eigentlich sind wir ein Raum für Darbietungen, und Video wird
schauen und es mehr in Bezug zu dem spirituellen Raum um ein Instrument, genauso wie auch ein Musiker spielt.
uns herum zu sehen:
Shridhar Bapat
“Für mich ist der Gedanke der Organisation von Energie in einer
bestimmten Zeit der Schlüssel zu allen möglichen Änderungen Michael Tschudin ist ein Musiker, und er verband Live-Musik
im Lebens.“ mit Video.....
Jedoch waren die Vasulkas verantwortlich für das, was 1971 Die Künstler der Grossküche benutzten alle ihnen zur Verfü-
in der alten Grossküche des Broadway Central Hotels pas- gung stehenden Geräte, um mit dem Videobild zu experimen-
sieren sollte. Zusammen mit den führenden Videokünstlern tieren. So auch den gut programmierbaren Image Processor
schufen sie die Kunstkommune “The Kitchen”. Diese Lokalität von Daniel Sandin. Er hatte die Idee, einen Video-Synthesizer
füllte ein Vacuum, wie sie selbst sagten, zu einer Zeit, als die zu bauen während der Kambodscha Krise, als die Studenten
experimentelle Video-Szene zu explodieren schien. Nam June der Kunstfakultät der Universität von Illinois eine Videomoni-
Paik, Dimitri Devyatkin, Walter Rutt und viele mehr waren torwand bauten, um ihren Meinungen mehr Gehör (Geseh?)
reguläre Gäste und trugen zum Erfolg der umgebauten Küche zu verleihen. Vorher beschäftigte er sich hauptsächlich mit
bei. Es war eine Art Performance Bühne mit aktueller Technik dem damals sehr populären ersten Audio Synthesizer – dem
und einer heimischen Atmosphäre. Neben den Vorstellungen MOOG. Auf dem Konzept des MOOGs aufbauend, welcher
gegenüber der Öffentlichkeit ging es vor allem um ein Mitei- sehr modular war und die Fähigkeit besass, durch ein anderes
nander der Künstler. Man zeigte sich Techniken, Erfindungen Gerät gesteuert zu werden - eine frühe Form des bis heute
und schenkte sich gegenseitig Videobänder. Es war immer aktuellen MIDI-Protokolls -, entwarf Sandin den Image Proces-
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The Kitchen New York (1971)
vasulka.org
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sor, welcher vor allem aus Modulen zur Farbverfälschung und Konzept, das gerade in der Software Entwicklung der letzten
Farbbeeinflussung bestand. Jahre wieder stark an Bedeutung gewonnen hat und entgegen-
gesetzt zum Patentierwahn von Mary Hallock-Greenwald steht,
Das eigentlich Revolutionäre an dem Gerät war jedoch nicht die fast die gesamte Entwicklung der Abstrakten Filme (und
die Elektronik selbst. Sandin war von der Idee besessen, alle damit auch Videos) lahmgelegt hätte.
Information für jeden frei verfügbar zu machen und nur, wenn
es um Profit ging, wollte er auch einen Teil abhaben. Also Etwa zeitgleich - 1971 - erblickte ein Gerät das Licht der Welt,
entwarf eine frühe Form des Open Source (Freie Quelle) und welches viele der in den 1960er Jahren entwickelten Techno-
machte alle Schaltpläne und detaillierten Bauanleitungen der logien vereinte und für das boomende Geschäft der “Motion
Öffentlichkeit zugänglich. Sandin wollte jedem, der so ehr- Graphics” für das Fernsehen eine der wichtigsten Entwicklung
geizig war, diese Kunstform weiterzuentwickeln und zu er- bedeutete - jedoch durch den Preis und die Komplexität in
forschen, die Möglichkeit geben, dies auch zu tun. Diejenigen, der Videokunstszene kaum Verwendung fand. Der Scanimate
die Profit erwirtschaften wollten, sollten Sandin beteiligen. Ein ist einer der am umfangreichsten ausgestattete, analoge Gra-
phikcomputer, die jemals gebaut wurden. Nur acht Maschi-
nen wurden von der Computer Image Corporation in Denver
gebaut. Das erste Modell wurde etwa um 1972 ausgeliefert.
Das letzte Gerät ging etwa 1986 aus der täglichen Produktion,
heute gibt es nur noch ein funktionierendes Gerät im Privatbe-
sitz von Dave Sieg. Das Revolutionäre an dieser Maschine war
ihre Echtzeitfähigkeit in voller Auflösung. Man konnte Hun-
derte von Einstellungen wählen und das Ergebnis war sofort
zu sehen, alles war animierbar, wenn auch extrem schwierig
zu bedienen, mit 256 Knöpfen allein nur an der Positionie-
rungsmatrix. Um das Gerät zu nutzen, legte man eine stark
kontrastreiche Vorlage auf eine Durchlichteinheit. Diese wurde
dann durch eine erste Kamera abgefilmt. Das Ergebnis wurde
auf einem Oszilloskop- ähnlichen Monitor angezeigt, wo man
die Einzelteile trennen (zerschneiden) und animieren konnte.
Dieser Monitor wurde durch eine zweite Kamera wiederum
abgefilmt, um dann eingefärbt über ein Video gelegt zu wer-
den. Der Scanimate wurde hauptsächlich zur Titelgestaltung
eingesetzt, jedoch sind auch einige Musikvideos (z.B. Die Jack-
Daniel Sandin mit Image Processor
son 5) damit verschönert worden und es wurden viele mehr
aus Demovideo oder weniger abstrakte Animationen mit dem Gerät erstellt.
Die Animationen sind überragend weich, der Stil des Geräts
zeichnet sich vor allem durch die glühenden Umrandungen
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der Graphiken aus, die man zu dieser Zeit überall gesehen hat. damit eine flüssige Animationen erreicht werden. Das Gerät
war sowohl für Medienkünstler als auch Filmproduktionsstu-
Ron Hays, zusammen mit seinem Assistenten Chris Paukin dios bestimmt. Es fand jedoch bei letzteren keinen besonderen
gilt als einer der wenigen, die das Scanimate im Bezug zur Anklang. Jedoch ist der Rutt-Etra-Scanprocessor für die Medien-
Live-Bild-Musik – oder besser gesagt zur Vorproduktion von künstler, die sich einen ScaniMate nicht leisten konnten, sehr
Video Clips - benutzte, die er dann mit einem riesigen Eido- interessant gewesen und wurde in diesem Zusammenhang
phor Projektor in grossen Konzerten live mixte. Ron Hays auch unter anderen von Nam June Paik häufig eingesetzt.
ist jedoch noch mit einem weiteren Projekt in Beziehung zu
setzten. “Der Neue Fernseh Workshop” des Senders WGBH Die fortschreitende Miniaturisierung und Erweiterung der
unterstützte 1972 - 1974 damalige Videokünstler bei der Erstel- Technik erlaubte immer gewagtere Geräte. Der Spectron, oder
lung und Sendung von experimentellen Formaten. Der “Music Spectre wie er später genannt wurde, ist wohl der umfang-
Image Workshop” war ein Teil dieser Sendung, in dem Ron reichste Video Synthesizer überhaupt. Gebaut von dem oft
Hays vor allem mit dem Video-Synthesizer von Nam June Paik übersehenen Richard Monkhouse beinhaltet er ein gesamtes
Bilder zu Musiknotationen lieferte. Es finden sich aber auch professionelles Videostudio in einem Gehäuse, welches nicht
andere Videomusikkünstler der Zeit in dieser außergewöhn- einmal zwei Meter in der Breite maß. Mit diesem Apparat
lichen, von Regisseur David Atwood produzierten Sendung standen dem Künstler fast unendlich viele Muster zur Verfü-
wieder. Hays selbst produzierte nach seiner Zeit beim “Music gung. Man kann damit schwarz/weiß Videos einfärben, wie
Image Workshop” noch den Kurzfilm “Space for Head and auch immer es dem Bediener beliebt. Ausserdem kann es
Hands” zusammen mit Michael Tilson Thomas, der das Piano vielfältige Stand- oder Bewegtbilder generieren. Alles ist über
führte, eine Animation für den Film “Demon Seed” von Julie Audiosynthesizer steuerbar. Das Gerät ist wie ein Audiosyn-
Christie und seine mit dem Scanimate gefertigte Videokunst thesizer aufgebaut und verbindet alle bis dahin vorhandenen
Compilation der Musik “Ron Hays Music Image”. Möglichkeiten in einem Gehäuse. Zwar wurde dadurch die
Bedienung äusserst komplex und nur für geübte Künstler war
Ein regulärer Künstler des “The Kitchen” war Steve Rutt. Vor es ein Freude, ihn zu bedienen, aber die Möglichkeiten war so
allem die Tatsache, dass man spezifische Bildelemente beim gut wie nicht auszuschöpfen und damit definierte es damals
Paik-Abe-Videosynthesizer nicht einzeln verändern konn- den Terminus “elektronisch Malen” neu.
te, störten ihn und so entwickelte er kurzerhand zusammen
mit Bill Etra einen eigenen Videosynthesizer. Der Rutt-Etra- Doch das Zeitalter der analogen Videosynthesizer sollte noch
Scanprocessor konnte nicht nur Verzerrungen, sondern auch lange nicht beendet sein. Der S.A.I.D von Don Mc Arthur ent-
präzise Bildveränderungen vornehmen. Das Gerät bestand aus stand aus der Forschung nach besseren Time Base Korrektoren
einem veränderten Monitor, bei dem man die Elektromagneten, und Analog Digital Wandlern. Diese waren 1975 noch riesen-
welche die Ablenkung des Katodenstrahls beeinflussen, in ih- gross, unendlich teuer und so gut wie nicht zu bekommen.
rer Stärke variieren konnte. Dieses Videobild wurde dann mit Von Chip-basierten A/D Wandlern konnten die Videopioniere
einer Kamera wieder abgefilmt, um mit weiteren Videomateri- nur träumen. Der “Spatial and Intesity Digitizer” war der erste
al gemischt oder auf Band aufgezeichnet zu werden. Das Gan- Synthesizer mit einem digitalen Effekt. Er digitalisierte das
ze konnte mit einem grossen Bedienfeld “programmiert” und Videobild mittels einem eigens konstruierten, sehr billig her-
- 21 -
zustellenden 6 Bit (64 Graustufen) A/D Wandler. Dann konnte er zur Erzeugung von abstrakten Bildern, vor denen er dann
man die Farben ausdünnen, ähnlich dem heute noch an vielen ausgeschnittene Tänzer platzierte - ein Element, das heute
Videoeffektgeräten gebräuchlichen Posterize Effekt. Desweitern sowohl in Anzeigenkampagnen (Apple iPod), Musikvideos
war es möglich, die horizontale Auflösung stufenlos zu verrin- (so gut wie jedes RnB HipHop Video auf MTV) und bei vielen
gern, was einem horizontalen Mosaik Effekt (ebenfalls heute VJs starke Verwendung findet. Er führte dieses System beim
noch oft anzutreffen) nahekommt. Festival De La Rochelle 1983 und 1984 im Centre Pompideau
zusammen mit einer französischen Tanz Company auf. In den
späten 1980ern und durch die 1990er spielt er auf vielen Kon-
zerten mit der Videosynthese als Teil seiner Show. Sein Interes-
“Mit der Entwicklung der Wissenschaften und den daraus resul- se gilt dem Video, das elektronische Symphonien begleitet und
tierenden Fortschritten in der Technik, haben wir neue Werk- glaubt, dass Videomusik weich und subtil, zurückhaltend und
zeuge und neue Möglichkeiten, welche unsere Welt in vielerlei zart sein kann. Das steht, seiner Meinung nach, in starkem
Hinsicht beeinflussen. Diese neue Technik beeinflusst nicht nur Kontrast zu vielen heute aufgeführten Performances in Tanz-
die traditionellen Kunstformen, sondern lassen auch neue For- Clubs.
men der Kunst entstehen.”
Am Ende der Videosynthesizer-Ära betritt nochmals eine Frau
Don Mc Arthur das Showparkett. Denise Gallants Kunst definiert sich vor
allem durch ihren Video Synthesizer, den sie zusammen mit
Rob Schafer 1976 entwickelte. Sie selbst schreibt
- 22 -
amerikanischen Billboard Auszeichnung für “Bestes Unabhän-
giges Video” und ein Urkunde des American Institut. Das Ge-
rät gab es in seiner ursprünglichen Form nur als Prototyp und
wurde noch bis zum Jahre 2003 von ihr auf verschiedensten
Live-Performances im Zusammenhang mit elektronischer Mu-
sik eingesetzt. In der gesamten Zeit hatte es nie einen Defekt.
Von 1994 bis 1999 arbeitete Frau Gallant auf “Rave” Parties,
welche mit dreidimensionalen Projektionen aufwarteten. Diese
Parties wurden von dem Psychologen und Experimentator Ti-
mothy Leary veranstaltet und dienten der Erforschung psycha-
delischer Aspekte.
- 23 -
geboren. Mit dieser Software war es ihr möglich, alles in einer
zeitlichen Abfolge aufzunehmen, danach wieder abzuspielen
Kapitel Zwei
Die Bilder der Bits
und weiter zu verändern. Es war ein System, mit dem man
abstrakte Formen erstellen und wie ein Jazzlied neu interpre-
tieren konnte.
- 24 -
projektionen ausstattete und den er von 1979 bis 1988 leitete,
wurde als einer der zehn besten Clubs der Welt ausgezeichnet.
Doch die Liste seiner weiteren Auftritte ist lang - Love Parade,
13 Maydays (ein in Dortmund jährlich stattfindender Groß-
rave), die erste große Houseparty in Westdeutschland, und die
einzige offizielle Houseparty in der ehemaligen DDR - einen
Monat bevor die Mauer viel. Seine MAX-A-VISION! Video-Pro-
jektionen sind deutlich anders als die seiner psychadelischen
Kollegen. Im Gegensatz zu ihnen setzt er nicht auf generierte
Bilder, sondern mischt unzählige Videotapes rhythmisch und
gefühlvoll zur jeweiligen Musik. Was er vielen VJs der Neu-
zeit nach wie vor voraus hat, sind seine Inhalte. Als erster VJ
überhaupt legt er Wert auf Die Vermittlung von Information
und Meinung - ob Natur, Evolution, Technisierung, Kritik an
seinem Heimatland, den USA - er versteht es bis heute, seine
brisanten Inhalte in die Clubs zu bringen, in denen die Leute
normalerweise aus der Realität flüchten möchten. Neben seiner
Tätigkeit als VJ erstellte er noch diverse Kurzfilme, in denen
VideoKalos Erster Videomischer
audiovisualizer.com
er die Beziehung von Musik und Video beleuchtete - so zum
Beispiel sein Rythmic Moves. Desweiteren half er beim Aufbau
der öffentlichen Organisation für Unabhängige und Experi-
mentelle Filme in Holland. Heute (2005) ist er als Dienstältester
VJ kurz vor dem verdienten Ruhestand und hilft der jungen
VJ-Szene, sich zu definieren. Sein Stil - wenn auch aus heutiger
Sicht nicht immer modern - setzte für die Verbindung von Vi-
deo und Musik im Live-Umfeld neue Maßstäbe und stellt viele
der modernen, sinnleeren VJ-Performances in den Schatten.
- 25 -
entwickelt. Hergestellt von 1984 bis 1993 markiert es den Doch etwas Unvorhergesehenes sollte eintreten, was die ge-
Übergang rein analoger Videocomputer zu den digitalen. Alle sammte Forschung der Farb-Form-Video-Rythmic-Musik um
Effekte konnten in Echtzeit programmiert und benutzt werden. Jahre zurück warf - etwas, das interessanterweise selbst sehr
Diverse Schieberegler und Drehknöpfe dienten als Eingabe- viel mit dieser Kunstrichtung zu tun hat - das Musikfern-
möglichkeit, später kam dann noch eine Tastatur als Zusatz- sehen. Die Idee zu MTV kam Michael Nesmith, als er mit
möglichkeit dazu. Wie der Name impliziert, wurde dieses seiner Band “Monkees” 1975 durch Australien tourte und die
Gerät auch als Instrument verstanden und betrat mit seinen dortige Chartsendung “Top 40” im Fernsehen sah. Er fand die
digitalen Effekten erstmalig ein Terrain, dass sich seine vielen Idee von “zeitversetzten” Musikvideos gut, weil man dort die
analogen Vorgänger kaum zu erträumen gewagt hätten. Jedoch Künstler besser ins Licht rücken konnte. Er ging zu John Lack
hatte dieser frühe Vorbote digitaler Technik noch mit einigen von der Warner AMEX Satellite Entertainment Company und
Problemen zu kämpfen, die auch heute noch von hochgradi- stellte ein ähnliches Konzept - zunächst 30 Minuten - vor. Lack
ger Relevanz sind. Erstens war es ein geschlossenes System, fand die Idee gut und kaufte den Namen, den sich Nesmith
welches sich nicht von aussenstehenden Entwicklergemein- ausgesucht hatte - “Popclips”. Zuerst wurde diese Sendung auf
schaften erweitern lies – schnell sah man sich der limitierten zwei normalen Sendern ausgestrahlt und war extrem erfolg-
Anzahl von Effekten gegenüber, welche die Künstler stark ein- reich. 1981 unterbreitete Jack dann den Geldgebern seiner
schränkten und das Ergebnis vieler ähnlich aussehen liessen. Firma, Warner Brothers und American Express, die Idee, einen
Des weiteren plagte das System eine schlechte Auflösung und eigenen Sendern für dieses Spartenfernsehen zu gründen,
ein permanenter Rand, der nicht verändert werden konnte. wozu diese sich dann auch durchrangen. Am 1. August 1981
Jedoch wird das Fairlight heute noch als Lieberhaberstück in startete dann der Musikspartenkanal und brach innerhalb kür-
so manchen Australischen VJ-Aufführungen benutzt. zester Zeit alle Zuschauerrekorde. Die Moderatoren des Sen-
ders nannte man VJ (Video Jockeys), was sich auch schnell als
Abschliessend läutet das Chromachron das Ende der auf Begriff einbürgerte, obwohl sie eigentlich nur “Ansager” sind.
Hardware basierten Videosynthesizer ein. Ed Tannenbaum
entwarf das Chroma-Chron, nachdem er einige Vorgänger in Interessanterweise wurde mit dem Auftritt von MTV die
der Museums-Installationsreihe “Recollection” erprobt hatte. gesammte experimentelle Video Szene wie in einen Schockzu-
Das Design bestand aus einem umgebauten Apple ][ Com- stand versetzt. Die Pioniere verschwanden von der Bildfläche
puter und einer angebrachten Kamera. Das System bearbeitet und kümmerten sich um ihre Studien. Bis auf wenige - wie
die eingehenden Bilder in Echtzeit, um sie dann mit einigen Peter Rubin - schienen alle herausragenden Bewegtbildkünstler
speziellen Effekten zu belegen. Dazu gehörten vor allem Farb- der nächsten 10 Jahre nur eins zu wollen: ihr Video auf MTV
feedbacks mit einem sehr eigenwilligen Aussehen. Herr Tan- laufen lassen. So gab es bis in die frühen 1990er Jahre keinen
nenbaum selbst benutzte das Gerät in einigen Live Shows. Die bedeutenden Fortschritt in der Symbiose von Bild und Musik
wenigen verkauften Apparate durften laut Kaufvertrag nicht in einer Live-Umgebung. Es schien so, als ob die perfekt ge-
für Aufzeichnungen verwendet werden. Der Chromachron schnittenen Videos eine Vorlage lieferten, die wesentlich quali-
kann damit als erste Homecomputer-Softwarelösung gesehen tativer wirkte als alles was, die echten VJs live liefern konnten.
werden, welche heute den VJs so viele Möglichkeiten eröffnet. Die Grossbildprojektionen der Musikkonzerte wurden mehr
und mehr von Live-Kameraeinstellungen der Künstler bevöl-
- 26 -
kert und die rein experimentelle Video-Musik starb so gut wie andere Entwicklungen versprechen ab dieser Zeit wesentlich
aus. interessanter zu werden, um eine Beziehung zwischen Bild
und Musik herzustellen.
Erst mit dem Boom der elektronischen Techno-Musik Anfang
der 1990er Jahre und den damit verbundenen kreativen öffent- Zunehmend wurden die Computer immer erschwinglicher
lichen Räumen wurde das Interesse erneut geweckt. Zuerst und leistungsfähiger und fanden schnell größte Verbreitung
kamen zögerlich ein paar Videokünstler wie zum Beispiel die in der Video-Kunstszene. Vom Amiga Anfang der 1990er, der
Berliner Gruppe Mediamorph um die Künstler Hans Otto und für seinen Preis mit beachtlicher Leistung im Bereich Video
Elsa for Toys, die in dieser Zeit den legendären Club “e-werk” aufwartete, bis hin zu den Macintosh- und PC-Laptops Ende
mit ihren Videos bespielten und 1994 beim Chromapark - eine der 1990er Jahre, die portabel auf Shows einfach so mitgenom-
Technokunst Ausstellung im Berliner e-werk - die Video -Mu- men werden konnten, war den Möglichkeiten keine Grenzen
sik wieder ins öffentliche Bild rückten. gesetzt. Zuerst fehlte es jedoch an Software. Schnell wurde
deutlich, dass diejenigen, die programmieren konnten und
Eine etwas merkwürdiges Revival hatte auch Herr Castel - wir sich mit der Visualisierung von Musik beschäftigten, mehr aus
erinnern uns an seine Farb-Musik-Theorien und sein visuelles anderen Computer-Szenen kamen - wie die Demo-Coder den
Cembalo aus dem Jahre 1743. kleinsten, ungenutzten Raum auf Floppy Disks benutzten, um
beeindruckende kurze Bild-Ton-Sequenzen zu erzeugen - zwar
Mit der “Vater Castel und sein Farb Cembalo”-Konferenz (“Au- irgendwie auch live, aber als spontanes Instrument nicht zu
tour du Père Castel et du clavecin oculaire”) fand 1994 zum benutzen. Luminäre und VJs schienen direkt nicht wirklich
ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder eine interna- etwas von all den neuen Geräten zu haben und die meisten
tionale Konferenz zum Thema Farb-Musik statt. Vom 1. bis arbeiteten noch bis zum Ende der 1990er Jahre ausschließlich
3. Dezember trafen sich im französischen Clermont-Ferrand mit Videorecordern und Videomischern oder hatten nur eine
Urenkel alter Künstler und eine neue Generation von Anhän- Software, die rudimentär das Abspielen von einzelnen Video-
gern der Castelschen Farb-Ton-Theorie. Castel war es, der dem clips erlaubte. Nur einige wenige Software speziell für diesen
Kongress sein Motto gab und seine Farb-Ton-Theorie stand im Markt war vorhanden - wie zum Beispiel das viel benutzte
Mittelpunkt des Kongresses. So gab es einen Rückblick auf “Videodelic”, welches aber dem Künstler wenig Freiraum ließ
die Geschichte der Farb-Ton-Lehre und einen Überblick über
Theorien in der heutigen Zeit. Im Allgemeinen wurde hier
versucht, einen Gesammtüberblick der die Synästhesie be-
gleitenden Kunst zu liefern. Jedoch kam wie bereits über zwei
Jahrhunderte zuvor zum Ausdruck, dass es keine eindeutige
Zuordnung von Farben zu Tönen geben kann, auch wenn die Videodelic 1.0 VJ Programm
Instrumente, um dies zu “beweisen”, bei diesem Kongress viel uisoftware.com
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und man schnell an dessen optische Grenzen stieß. In den nen Rabatt. Die mit kryptischen Dokumentationen versehenen
1980ern gab es jedoch eine Entwicklung im Bereich der Mu- Erweiterungen erfreuten sich jedoch trotzdem weltweiter
siksoftware, die es auch den Nicht-Programmierern relativ Beliebtheit. Vor allem die vielen Effekte und das Ausnutzen der
einfach ermöglichte, komplexe Tonverarbeitungsprogramme vorhandenen Systemresourcen gaben den Benutzern unendlich
wie Synthesizer und ähnliches, zu erstellen. Mit dem spä- viele Möglichkeiten, live ihre Video-Musik zu erstellen. Von
ter unter dem Namen Max/MSP bekannten Programm ließ diesem Moment an schien weltweit die Bild-Musik eine eige-
sich mit Hilfe von kleinen Kästchen und Verbindungslinien ne Renaissance zu erleben - unzählige Künstler beschäftigen
visuell eine Programmstruktur aufbauen, die “live” getestet sich seitdem mit diesem Bereich und die Liste der verfügbaren
und verändert werden konnte. Diese Programmierumgebung Software ist unsagbar lang geworden. Schnell wurden dann
bekam um etwa 1997 dann auch eine Erweiterung für Video. auch neue Technologien wie die DVD eingesetzt und mit dem
Die nato 0.55 genannten Plug-ins kamen von einer bis heu- Computer verbunden. Über das Internet - vor allem die Mai-
te unbekannten Dame unter dem Künstlernamen Netochka lingliste “eyecandy” und später das VJ Portal VJCentral.com
Nezvanova, die in diversen Internetforen und Mailinglisten - organisierte sich die Szene in einem vorher nicht gesehenen
ihr Unwesen trieb und wahrscheinlich aus dem Bereich des Ausmaße. Im Jahre 2002 trafen sich dann VJs aus aller Welt im
ehemaligen Jugoslawien stammte. Die Erweiterungen waren in englischen Leeds, um bei der AVIT VJ-Konferenz zum ersten
sich selbst auch ein politisches Statement gegen die damalige Mal über die neuen Möglichkeiten zu diskutieren und sich
Invasion des Westens - Amerikaner mussten das Doppelte an gegenseitig ihre Kunst zu zeigen. Es wurde schnell klar, dass
Lizenzgebühren bezahlen - Osteuropäer hingegen bekamen ei- die unglaubliche Diversität eine eindeutige Beschreibung nicht
MaxMSP/nato 0.55++
Screenshot
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AVIT VJ Konferenz
und Workshop
avit.info
erlaubt. Video, abstrakte Formen, Fernsehremixes, Waveforms, die direkt aus einem 1970 gebauten Gerät stammen könnten.
Echtzeit-3D-Animationen, Narrative - alles was in irgendeiner
Form an Bewegtbildkunst in der Menschheitsgeschichte auf- Heutzutage gibt es so gut wie keine Musikveranstaltung mehr,
tauchte, wird von den VJs genutzt, um Musik für die Augen zu die keine Live-Visuals einsetzt und die Zahl der weltweit ak-
bieten. tiven VJs ist auf mehrere Tausend angewachsen. Immer mehr
junge Künstler versuchen sich in diesem Medium, als ob es die
Das Event wurde international beachtet und half der Kunst, letzte Möglichkeit ist, noch unbekannte Welten zu entdecken
ein wenig mehr ins Rampenlicht der Massenmedien zu rücken und Grenzen zu überschreiten. Nicht zu vergessen ist auch,
und MTV und Co zumindest den Namen “VJ” abzuluchsen. dass die Computer selbst einen Teil beitragen. Fast schon als
Kurz darauf fanden Firmen ein Interesse am neuen Markt mit intelligent anmutende “Visualizer” in populären Programmen
den VJs und stellten die seit Jahren ersten verfügbaren Geräte wie iTunes generieren in Anlehnung auf die Oszilloscope-
her, die nur auf sie zugeschnitten waren. So wurde zum Bei- Optik der 1960er Jahre ganz automatisch die wunderschönsten
spiel 2003 von Edirol ein Videomischer gebaut, der auf das Bild-Musiken und lassen Bill Hearns Vidium weit im Schatten
schnelle beatsynchrone Wechseln von Bildern ausgelegt ist. der Vergangenheit zurück.
Pioneer verkauft einen DVD Spieler, der angelegt ist wie ein
Plattenspieler-”Scratchen” von Videos und Korg bietet einen Doch wohin wird die Reise gehen?
“echten” Videosynthesizer - den Chaos Entrancer - mit Effekten,
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Er befand, dass es stark von der Prägung des Einzelnen abhing,
ob ein C nun Grün oder Blau gesehen wurde. Er selbst konnte
Schlusswort sogar ausmachen, dass seine Zuordnung auf ein Erlebnis “von
Glocken einer Kirche auf einer grünen Wiese” in seiner Kind-
heit zurückging. So ist diese individuelle Prägung wohl mit-
verantwortlich für die unterschiedlichsten Auffassungen von
Farb-Musik-Zuordnungen durch die Geschichte hinweg.
Aber auch hier ist die Magie noch nicht entzaubert. Die unend-
lich Formen und rhythmischen Gebilde sind für eine Zeit recht
“Als eine Regel gilt, reine fluoreszierende Farben sind laut. nett anzuschauen. Schnell werden sie aber langweilig und
Stille, das heißt, gebrochene Farben, mit einem hohen Anteil sobald man ein Konzept oder ein zugrunde liegendes System
von Schwarz und Weiß, sind sanft. Man kann auch sagen, entdeckt, wird das Resultat vorhersagbar.
es gibt eine Parallele zwischen Lautstärke und Farbreinheit.”
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Ähnlich ergeht es der physikalisch und elektrisch sichtbar wie Musik divers sein kann.
gemachten Musik. Das Oszilloscop, zuerst benutzt von Marry
Ellen-Bute, und dann mit Videosynthesizern wie zum Beispiel So gibt es - nach allen Bestrebungen, eine mathematische
Bill Hearns Vidium weiterentwickelt und mit heutiger “genera- Formel zu finden oder eine Universallösung, wonach Farben,
tiver Software” verfeinert, besitzt die Fähigkeit, in die sinusför- Formen bzw. Licht im generellen Sinne zu Musik, Notationen
migen Kurven der Musik einen Einblick zu gewähren. Das Bild, oder Tönen im Ganzen zugeordnet werden können - eine
das sie liefern, ist sowohl als eine Erweiterung der Rhythmik-, Auffassung, die wohl am besten dazu geeignet ist, die immer
Kontrast- und Form-Theorie als auch der Farb-Musik zu se- fortwährende Suche zu erklären. Jedoch ist dies keine definitive
hen. Es ist immer eine “perfekte” Übersetzung und darin liegt Lösung. Nichts, woran man sich festhalten kann. Es ist die Lö-
auch die Schwäche - ein modernes Technolied hat immer ein sung der Kunst, ein immer fortwährendes spannendes Finden
ähnliches Grundgefühl wie ein Minnesang des Mittelalters - von Harmonien und Emotionen.
lediglich “zappelt” das Bild weniger - aber sieht immer ähnlich
aus. Dies ist sehr gut in den Visualisierungserweiterungen der J.W. Goethe schrieb in seiner “Theorie der Farben”:
heute gängigen Musikabspielprogamme zu beobachten. Auch
wenn die Linien und Formen sich zu verschiedener Musik
anders bewegen, verschiedene Geschwindigkeiten aufwei-
sen, weniger oder stark gezackt sind und die Farben ebenfalls “Sie sind wie zwei Flüsse, die ihren Ursprung in ein und dem-
fundamental differieren, so fällt das Konstrukt spätestens selben Berg haben, aber nach und nach verfolgen sie ihren Weg
dann zusammen, wenn man zwei grundsätzlich verschie- unter vollkommen verschiedenen Bedingungen, in zwei voll-
dene Musikrichtungen hintereinander betrachtet. Das Gefühl ständig verschiedenen Regionen, so dass während des gesamten
scheint nicht zu stimmen - man kann die Bilder nicht mehr so Verlaufs der beiden keine zwei Punkte verglichen werden kön-
recht der Musik zuordnen - irgendwie tief im Inneren ist im nen.”
Gegensatz zur differenzierten Musik der optische Eindruck zu
homogen, viel besser als alle vorherigen Ansätze doch immer
noch nicht der heilige Gral.
Es scheint sich um ein höheres Gesetz zu handeln, nichts ma-
Die Pioniere Walter Ruttmann, Oskar Fischinger und Nam thematisches, was beides auf einer ästhetischen Ebene zusam-
June Paik legen zu den oben genannten Theorien noch die menbringt. Auch die physikalische Erklärung der Wellen ist
Ebene “Bildinhalt” und - wie später auch Peter Rubin - zum unzureichend. Aber dennoch gibt es eine Verbindung, gibt es
Teil auch die Narrative- bzw. Informations-Vermittlung dazu. den Drang, die Bilder des Lichts mit den Tönen und Rhythmen
Betrachtet man einige Werke dieser Künstler, bekommt die der Musik in inneren Einklang zu bringen. Es scheint etwas
Musik selbst auf einmal eine ganz neue Dimension - sie er- zu sein, was jenseits synästhetischer Wahrnehmungen einiger
zählt, leidet, tanzt - die Bilder selbst stehen durch die Musik in Auserwählter liegt, etwas, das alle betrifft, jedoch niemand
einem eigenen Kontext. Keiner der Künstler hat aber jemals wirklich fassen kann, etwas was uns berührt, bewegt, motiviert
gesagt, “die Note C muss ein Baum, A ein Haus sein”, sondern und zu einer erfüllteren Sinnerfahrung bringt. Es ist etwas,
sind in ihrer Interpretation frei und die Inhalte sind so divers was auch schon die Höhlenmaler, die in ihren mit Gesängen
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und Rhythmus gefüllten Höhlen vor 20.000 Geschichten aus
ihrer Umgebung an die Wände malten, Plato und Aristoteles
in ihren rauscherfüllten Orakeln und die Tanzenden in jenem
fiktiven Gebäude der East-India-Company 1897 im Unterbe-
wusstsein erfuhren.
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Anhang
Email von Denise Gallant
Im Laufe der Recherche hatte ich Email Kontakt zu mehreren Künstlern. Hier die auf-
schlussreiche Email von Frau Denise Gallant: Concerning Germany, as you are in Germany, I also did some video effect shooting with Tangerine
Dream (you can see one of my slides on the back of a live album from around 1985). I also had one of
From: “Denise” <denise.gallant@baymoon.com> the first CD art pieces out called Nightclub Earth. Steinberg (audio company from Germany?) used it
To: “’fALk’” <falk@prototypen.com> for a long time as interactive demo material for one of their visual music
Cc: “’Rob Schafer’” <rob.schafer...snip...Schafer” <SchaferInc?@aol.com> instruments.
Subject: RE: Video Synth Stuff
My husband, Kevin Monahan, and I pulled together a small web site last year, but it dreadfully needs
Wow. updating. Kevin was at EMU Systems (as in Emulator keyboards) for 22 years. Both he and I left our
How cool. companies about a year and a half ago, and are trying to make a go at it as independents
again. We do anything, do you will see weddings, etc. I promise to get up more recent demos, which
I could spend the next two hours writing, but my dogs are crying and barking at me because I said I are a bit more ‘artful’.
would “go for a walk”.(Priorities of life) So, lets keep writing...
You are right, up until a year or so ago, I was still doing ‘raves’ in San Francisco, etc.... I even did a
I will also copy this to Rob, who has been an engineer at CBS, New York for many years. Rob was the live show, using DVDs this December, but for a much more conservative Real Estate Christmas event.
‘chief engineer’ on the project, and creatively knew what to do with the latest chips that came out in the For about 5 years 1994-1999, I was working with live stereoscopic video and graphics, which was
1976-80 eras. REALLY fun. The largest of these events was a huge rave in San Francisco on July 4th, about 1994-5,
with the largest 3D projectors ever assembled, and linked to a large LA party via satellite. Timothy
My second senior thesis, which involved Rob, was for a teacher named Gordon Mumma, who is Leary hosted the event.
famous in the live audio synthesis scene. It was called Synesthesia (I think that is that word) which
means hearing and seeing together. We experimented a lot at UCSC, Santa Cruz. Actually, our As I said, I need to run...with the dogs.
earliest inspiration was playing audio patterns back on Rob’s dad’s oscilloscope in his office back in
1969. Rob was only 16, and I was about 18. Rob’s dad is Paul Schafer, who founded Radio Automa- Denise
tion. www.video4you.org
My entire career has been a blend of art and technology, sometimes to my loss, as I only stayed in the
LA studio scene for about 10 years and then another 17 years in Product Management for video and
Graphic companies such as Chyron (CMX and Aurora-Liberty), XAOS Tools, ElectroGIG? (out of
Amsterdam), and then Discreet (Montreal). (Sort of making tools for others to use). All, in all, it has
been about 34 years in one thing or another having to do with audio-video/film.
In the meantime, did you ever get a copy of “Watercolors”? It was the culmination of several years of
video art done in LA during the 1980-85 era with Brian Samuels (Laser Media) and music people such
as Steve Roach and Richard Burmer (who have several albums out). Because of it, I won the
Billboard Music Video Award for Best Independent Video for 1986. I can send you a copy on VHS or
DVD. I also need to pull together more examples of music directly effecting video. The synthesizer is
also still working (after all these years) so I can also generate new examples. OR send
pictures of the synthesizer.
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