Sie sind auf Seite 1von 2

Zeitungsartikel

Schnee in Deutschland, hat mir meine Mama geschrieben, die Schmalsburbahn


kommt nicht mehr auf den Brocken. Schwer vorstellbar, wenn man nach dem
Aufwachen in einer Hängematte in einem Hochhaus, direkt am Strand der
brasilianischen Stadt Recife, den grünen Atlantik bewundert. Die Sonne steigt schnell
aus dem Meer, und schon um 7 wird die Hitze auf dem Balkon unerträglich. Aber
aufstehen muss ich, denn die Arbeit im Projekt wartet schon.
Ich war einen Monat Gast bei Familie Schlegel, die für ein Jahr in einem Projekt Lar
de Caritas arbeitet, dass brasilianischen Straßenkindern das Leben erleichtern soll.
Hier konnte ich mein Praktikum machen.
Am Strand von Recife stehen die Hochhäuser dicht an dicht, die von den reicheren
Bewohnern der Stadt bevölkert werden. Für diese stehen auch diverse teure
Shoppingcenter zur Verfügung. Hier findet man die neusten Computer, Kinos, Mc
Donald und Schmuckläden.
Bewegt man sich allerdings weiter Richtung Inland werden die Häuser allmählich
immer kleiner. Bis zu dem Ort, an dem die asphaltierten Straßen aufhören. Und
genau dort fängt unsere Arbeit an. Eine lange schnurgerade Straße führt ins Beiro
(Slum). Rechts und Links stehen meist unverputzte Ziegelbauten, zwischen denen
hier und da stets abgeerntete Kokospalmen herausragen. Fenster und Türen sind
aus Angst vor nächtlichen Einbrüchen vergittert. An vielen Häuser steht ein kleines
Schild mit der Aufschrift ‚Tem Picole’ einem selbst hergestellten Wassereis aus
verschiedenen Fruchtsäften oder Kokosmilch, was für wenige Centavos verkauft
wird. Andere Menschen verdienen ihr Geld dadurch, dass sie Nachts die städtische
Müllabfuhr unterstützen, indem sie mit einem Karren, den sie meist selbst ziehen,
weiterverwertbaren Müll suchen. In einer Müllsammelstelle auf dem Weg zu unserem
Projekt schaben einige Frauen den ganzen Tag Etiketten von Plastikflaschen, um am
Tagesende 9 Real, also 3 Euro, zu verdienen. Diese haben dagegen noch Glück,
das sie eine feste Arbeitsstelle haben, denn Müll kommt immer.
Ab und zu kreuzt ein kleiner Abwasserkanal, der meist nicht mal eine Rinne oder
etwas ähnliches hat, die Straße.
Auf diese Weise erreicht man das ‚Lar de Caritas’, welches zwar sauber aber trist
mitten im Slum steht.
Doch zu meiner großen Enttäuschung begrüßt mich kein fröhliches Kinderlachen,
denn diese haben noch Sommerpause, weil die Renovierung des Hauses länger als
geplant dauert. Und so sind die Gänge und Treppen noch eine Baustelle. Doch jetzt
weiß ich, dass in Brasilien alles etwas länger dauert. Was nicht unbedingt gegen das
Land spricht.
Ich habe mich dann dem Bau verschiedener Hilfsmittel für Helen Schlegels
ergotherapeutische Arbeit gewidmet. Doch meine eigentliche Werk in dieser Zeit war
der Bau eines kleinen Spielhäuschens, indem die kleineren Kinder tollen und sich
verstecken können. Wie lange es gedauert hat bis wir endlich Holz hatten, dass
einigermaßen in Ordnung war ist eine Geschichte für sich.
Die Schlegels sind allesamt begeisterte Capoeiristas geworden. Capoeira ist ein
Kampftanz, der Paarweise mit dem Gegner gekämpft wird, ohne ihn dabei zu
berühren. Die Kunst des Sports besteht aus der schnellen Bewegung und der
Beobachtung des Gegners, um Tritte oder Schläge sofort abbrechen zu können,
wenn der Partner nicht entsprechend reagiert. Dazu erklingen Berimbau und
Trommel.
Auch ich hatte die Möglichkeit bei dem äußerst lässigen Capoeiralehrer mit dem
Spitznamen ‚Muganga’ Unterricht zu nehmen. Und auf diese Weise bin auch ich in
den Genuss gekommen, jeden Morgen mich bis an die Grenzen des erträglichen zu
dehnen, das Radschlagen und Handstände zu üben.
Meiner Meinung nach hätte mir in noch einige Zeit mehr in Brasilien sehr gut getan.
Nur Leider wäre die Schule da anderer Meinung gewesen. Aber ich kann mich ja
nicht beklagen, denn mein Direktor Karl Büchsenschütz hat mir diesen
Erfahrungszuwachs erst ermöglicht, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Das könnte Ihnen auch gefallen