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BDS in Deutschland
Es wäre beunruhigend, wenn Deutsche all zu Diejenigen, die mit der Organisation einer BDS-
schnell eine Kampagne aufgreifen würden, die Kampagne in Deutschland beginnen, spielen daher
Erinnerungen an den Boykott jüdischer Geschäfte das Wort „Boykott“ eher herunter. Dabei gibt es
durch die Nazis wecken könnte, einen Vorboten des schon lange einen Boykott gegen israelische
Holocaust. Am 1. April 1933 belagerten deutsche Produkte in Deutschland, denn viele Angehörige
Polizisten und SS-Truppen jüdische Geschäfte, vor der großen Einwanderergruppen2. Juliaus
2010 Ausgabe dem
Palästina, VII
die sie Schilder mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Libanon, Iran, der Türkei, Kurdistan und anderer
Juden!“ platziert hatten. Gerade die Einzelpersonen Länder des Nahen und Mittleren Ostens vermeiden
und Organisationen in Deutschland, die den Einkauf israelischer Produkte. Auf der
gewöhnlich auf der Seite der Menschenrechte Internetseite und dem Blog „Muslim
stehen, tendieren auch dazu, die BDS-Kampagne Markt“ (muslim-markt.de), 1999 von zwei
„im Kontext der deutschen Geschichte“ für eher schiitischen Brüdern türkischer Herkunft
ungeeignet zu halten. Sie befürchten, dass die gegründet, findet sich eine Seite mit
BDS-Bewegung zur Durchsetzung des Boykottaufrufen mit einer langen Liste zu
internationalen Rechts im heutigen Deutschland für boykottierender Artikel. Dieser Boykott durch
antisemitische oder andere rassistische Interessen Einwanderergruppen nennt sich zwar nicht BDS
vereinnahmt oder als mit rassistischen Bewegungen und wird nicht als politische Kampagne dargestellt,
wie Neonazis deckungsgleich erklärt werden dennoch enthält die Muslim Markt Webseite viele
könnte. Zeitungsartikel über BDS-Kampagnen weltweit.
Nehmen wir das Beispiel von Hermann Dierkes, Auch die ersten deutschen politischen
dem Oberbürgermeister-Kandidat der rheinischen Konsumentenboykotts von Nicht-Einwanderern für
Stadt Duisburg aus der Partei der Linken, einer die Rechte der Palästinenser wiesen sich selbst
fortschrittlichen Partei, die 2007 gegründet wurde, nicht als BDS-Kampagne aus. Bereits im Jahr 2002
inzwischen über mehr als 10% der Sitze im begann das „Frauennetzwerk Nahost“ mit einer
deutschen Parlament verfügt und sich dem Krieg in Postkartenkampagne, die die deutliche
Afghanistan strikt widersetzt. Während des Kennzeichnung von Produkten fordert. Die nach
Angriffs auf Gaza 2008/09 wagte Dierkes es, das wie vor weiterlaufende Postkartenkampagne ruft
Weltsozialforum in Belém zu erwähnen, das die KonsumentInnen dazu auf, keine israelischen
Unterstützung der BDS-Kampagne empfahl. Die Produkte zu kaufen, solange Israel nicht die
deutsche Presse beschuldigte ihn daraufhin des Besatzung beendet und einen gerechten und
„puren Antisemitismus“ und „fahrlässiger Nazi- dauerhafte Frieden mit den Palästinensern schafft.
Äußerungen“; die CDU warnte vor der „Nazi- http://www.frauennetzwerknahost.de
Propaganda“ der Linken und selbst die
Parteiführung der Linken wandte sich gegen ihn.
Der stellvertretende Vorsitzende im Bundestag
sagte gegenüber der Presse, Dierkes´ Worte würden
„unsägliche Assoziationen wecken und
fragwürdige Klischees bedienen“. Dierkes zog
seine Kandidatur für die Oberbürgermeisterwahl
zurück.
1
Im Sommer 2007 protestierten die Organisationen
„Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“
und „Arbeitskreis Nahost“ gegen die „israelische
Woche“ der Warenhauskette Galleria Kaufhof. In
27 Filialen in Deutschland lud Galleria die Kunden
zu einer „kulinarischen Entdeckungsreise durch
Israel“ ein, unterließ es aber, sie darüber zu
informieren, dass einige der zum Verkauf
Pax Christi den Anteilseignern der Deutschen Bank
angebotenen Nahrungsmittel wie Olivenöl, Honig
den internationalen Kampf gegen die Apartheid in
und Süßigkeiten in besetzten Gebieten hergestellt
Südafrika ins Gedächtnis und forderten sie auf, im
werden. Der Konzern setzte sogar eine Landkarte
Aufsichtsrat der Deutschen Bank bei dem
von „Israel“ auf seine Webseite, die Gaza, das
Vertrauensantrag der Geschäftsführung mit „Nein“
Westjordanland und die Golanhöhen schlichtweg
zu stimmen, weil die Bank ihre Beteiligung an
als Teile Israels darstellten. In Berlin, München und
Elbit Systems nicht aufgebe und somit von
Hamburg wurden vor den Galleria-Filialen
Menschenrechts- und Völkerrechtsverstößen durch
Broschüren verteilt, in denen die KundInnen
den Bau der Apartheidmauer profitiere. Vor dem
eindringlich darum gebeten wurden, keine
Gebäude, in dem die Hauptversammlung stattfand,
Produkte aus den besetzten Gebieten zu kaufen.
wurde zugleich lautstark demonstriert. Zur
Die Palästinensische Vertretung in Deutschland
Begründung ihrer Entscheidung, ihre Elbit-Anteile
erhob eine formelle Beschwerde gegen Galleria,
zu verkaufen, listete die Deutsche Bank zahlreiche
und deutsche Mainstream-Zeitungen wie die
internationale Standards und ethische Grundsätze
Frankfurter Rundschau und die Springer-Presse
auf, denen sie sich verpflichtet fühle, und zeigte im
schrieben sarkastisch über die falsche „Israel“-
folgenden, inwiefern die Investition in Elbit
Karte, welche Galleria schließlich still und leise
Systems gegen sie alle verstoßen würde - eine
von ihrer Webseite entfernte.
Erklärung, die ein Meilenstein für andere deutsche,
europäische und globale Finanzinstitutionen
Ebenfalls sind zwei
werden könnte.
Organisationen
nicht offiziell Teil
Zuvor, im August 2009, hatten sich Pax Christi
der BDS-
und IPPNW mit Organisationen wie der deutschen
Kampagne, die im
Sektion des Internationalen Versöhnungsbundes,
Mai dieses Jahres
der deutsch-palästinensischen Gesellschaft, der
einen spektakulären
Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Sieg erlangten,
und der Palästinensischen Gemeinde in
indem sie nämlich die Deutsche Bank dazu
Deutschland zusammengeschlossen und den
zwingen konnten, ihre Beteiligung von 2% an der
Koordinationskreis Palästina Israel (KoPI)
israelischen Firma Elbit Systems abzuziehen. Pax
gegründet. Das ist die Nachfolgeorganisation des
Christi und die Internationalen Ärzte zur Verhütung
deutschen Sektors der palästinensischen Kampagne
des Atomkrieges (IPPNW) setzen sich in ihrer
gegen die Apartheidmauer und hat sich nicht allein
Arbeit schon lange für die Rechte der Palästinenser
den Kampf gegen die Mauer auf die Fahnen
ein und organisierten eine langfristige
geschrieben, sondern auch gegen die Besatzung
internationale Kampagne gegen Elbit, einen
selbst und gegen die Blockade des Gazastreifens.
israelischen Rüstungskonzern, der für das
Nicht alle KoPI-Mietglieds-Organisationen
israelische Militär arbeitet und
unterstützen BDS explizit, doch die KoPI-Webseite
sicherheitstechnologische Komponenten für die
beinhaltet auch eine Seite über BDS
Apartheidmauer in die besetzten palästinensischen
Gebiete liefert. Nachdem bereits Pensionsfonds in www.kopi-endederbesatzung.de
Norwegen, Schweden, Dänemark und Holland ihre
Elbit-Aktien verkauft hatten, riefen IPPNW und
2
Im vergangenen Jahr wurden in mehreren Städten Automobil- wie ein Rüstungskonzern ist, mit drei
Deutschlands lokale BDS-Gruppen ins Leben Fabriken in Deutschland und mehr als hundert
gerufen. Keine hat mehr als 20 AktivistInnen, von Tochtergesellschaften weltweit, können weitere
denen die meisten aus verschiedenen Bewegungen Recherchen den Weg für entsprechende
für Frieden und soziale Gerechtigkeit und/oder aus Konsumentenboykotts weisen.
Einwandererorganisationen kommen. Die
deutschen BDS-Gruppen haben ihre Arbeit noch
kaum koordiniert; KoPI hat indessen Ende Juni ein
Seminar organisiert, um BDS-AktivistInnen aus
ganz Deutschland, aus der Schweiz, Holland und
Palästina zusammenzubringen und die
Koordination der Kampagnen zu besprechen.