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Berndt Stark

Lautsprecher-
Handbuch
Theorie und Praxis des Boxenbauens

Mit 135 Abbildungen, 68 Diagrammen und 9 Tabellen

7., völlig neu bearbeitete Auflage

Pflaum
Vorwort
Schon vor Jahren hat sich das Boxenbauen als faszinierendes und vielseitiges Hobby
in allen Bevölkerungskreisen etabliert. Und das aus gutem Grund. Denn wohl nur
auf diesem Gebiet kann man sich zugleich als Rechenkünstler, Designer, Tischler
und Akustikerbetätigen.
Und doch sind die Motive zum Boxenhauen ganz unterschiedlich. Der eine will
durchs Selbermachen einfach nur Geld einsparen, der andere ist bestrebt, ein ganz
individuelles Gehäuse zu realisieren, das optimal in seine Wohnung passt. Und ein
Dritter ist bemüht, ein spezielles Klangbild zu erreichen, fernab von all den
Sachzwängen einer Massenproduktion wohlklingenden möchte zum Beispiel
Lautsprecher miteinander kombinieren, die in keiner Fertigbox zu finden sind.
Um jedoch zu wohlklingenden Ergebnissen zu kommen, müssen alle auf ein
weitgefächertes Grundwissen zurückgreifen können über Lautsprecher, Gehäuse,
Frequenzweichen und Wohnraumakustik. Dieses Grundwissen bereitzustellen, ist
Aufgabe und Ziel des vorliegenden Lautsprecher-Handbuchs.
Um auch Anfängern einen Einstieg in die Materie zu ermöglichen, wurde Wert auf
eine allgemeinverständliche Sprache und auf eine
Erläuterung der wichtigsten Fachbegriffe gelegt. Hierbei mag das Sachregister am
Ende des Buches eine Hilfe sein.
Wesentliche grundlegende Textstellen sind mit einer Tonfläche hinterlegt.

5
Vorwort zur 7. Auflage
Rund eineinhalb Jahrzehnte ist es her, dass das Lautsprecher-Handbuch erstmals in
Druck ging, und über 20000 Exemplare wurden seitdem verkauft. Anlass genug, dem
Pflaum Verlag und vor allem den zahlreichen Lesern des Handbuchs an dieser Stelle
meinen herzlichen Dank auszusprechen. Anlass aber auch, das Handbuch zur hiermit
vorliegenden 7. Auflage noch einmal gänzlich neu zu schreiben.
Nicht dass sich die Akustik inzwischen so sehr verändert hätte. Doch nach all der Zeit als
Lautsprechertester und professioneller Entwickler war es mir ein Anliegen, einige Inhalte
zu straffen und ein paar neue Akzente zu setzen. Wer eine der früheren Auflagen las und
schätzte, dürfte aber nichts vermissen.

Berndt Stark

Hinweis
Die Schaltungen in diesem Buch werden ohne Rücksicht auf die Patentlage mitgeteilt.
Eine gewerbliche Nutzung darf nur mit Genehmigung des etwaigen Lizenzinhabers
erfolgen.
Trotz aller Sorgfalt, mit der die Abbildungen und der Text dieses Buches erarbeitet und
vervielfältigt werden, lassen sich Fehler nicht völlig ausschließen. Es wird deshalb
darauf hingewiesen, dass weder der Verlag noch der Autor eine Haftung oder
Verantwortung für Folgen welcher Art auch immer übernimmt, die auf fehlerhafte
Angaben zurückzuführen sind. Für die Mitteilung möglicherweise vorhandener Fehler ist
der Verlag dankbar.

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Inhalt
1 Grundlagen 11
1.1 Wie dynamische Lautsprecher funktionieren 11
1.2 Piezoelektrische Lautsprecher und andere Exoten 13
1.3 Frequenz, Wellenlänge, Amplitude, Schalldruck 15

2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher 17


2.1 Der Frequenzgang 17
2.1.1 Abstrahlwinkel und Schallbündelung 21
2.1.2 Interferenzen 26
2.2 Phasenverschiebungen 32
2.3 Das Impulsverhalten .36
2.4 Partialschwingungen und Membranresonanzen 43
2.5 Der Klirrfaktor 47
2.6 Intermodulations-Verzerrungen 51
2.7 Der Wirkungsgrad 55
2,8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke 59
2.9 Die Impedanz 67
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten 71

3.1 Bändchenhochtöner 71
3.2 Kalottenlautsprecher 75
Exkurs: Magnetofluide 78
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher 80
3.3.1 Hochtonhörner 81
Exkurs: Akustiklinsen 85
3.3.2 Mitteltonhörner 86
3.3.3 Ringstrahler-Hochtöner 92
3.4 Konuslautsprecher 95
3.4.1 Die Parameter eines Konuslautsprechers 97
3.4.2 Klangentscheidende Details 105

7
Lautsprecher-Gehäuse können mehr sein als simple Holzkisten. Oben:
Bandpaß-Subwoofer; darunter: Eckhorn; rechts: Transmissionline.
Inhalt

4 Lautsprechergehäuse 107
4.1 Geschlossene Gehäuse 108
4.2 Bassreflex-Gehäuse 117
4.3 Bandpass-Gehäuse 125
4.4 Transmissionline-Gehäuse 128
4.5 Exponential-Gehäuse 133
4.6 Expo-Reflex-Gehäuse 142
4.7 Expo-Transmissionline-Gehäuse 144
4.8 Gehäuseresonanzen, Stehwellen und Dämm-Material 146
4.9 Frontverkleidungen 151

5 Frequenzweichen 155
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher 155
5.2 Die Auswahl der Bauteile 170
5.3 Pegelanpassung 173
5.4 Der Aufbau von Frequenzweichen 175

6 Wohnraumakustik 177
6.1 Reflexionen im Hörraum 177
6.2 Räumliche Wiedergabe 183
6.3 Bassverstärkung von den Wänden 187
6.4 Stehende Wellen im Hörraum 189
Exkurs: Helmholtzresonatoren 194

7 Kabel und Verstärker 197


7.1 Lautsprecherkabel 197
7.2 Geeignete Verstärker 198

8 Bauvorschläge 202
8.1 Einstieg in die Praxis 202
8.2 Baupläne 206

Hersteller- und Vertriebsverzeichnis 242


Literaturverzeichnis 243
Sachverzeichnis 249

9
Die Verbreitung des mehrkanaligen Surround-Sounds erforderte magnetisch geschirmte
Lautsprecher, die Monitore und TV-Geräte nicht stören. Hier magnetisch gekapselte
Exemplare von Monacor und Visaton.

Zur Großraumbeschallung geeignete Konusmitteltöner mit kräftigem Magneten:


EminenceEM8-1 00 und Audax HR 170 TSM
Grundlagen
1.1 Wie dynamische Lautsprecher funktionieren

Lautsprecher können nicht nur laut sprechen, wie ihre Bezeichnung zunächst
vermuten lässt. Sie können auch flüstern, singen, kreischen und alle denkbaren
Instrumente nachahmen. Selbsttätig sind sie dazu allerdings nicht fähig, denn
sie sind bloß Energie-Umwandler. Auf sich allein gestellt, können sie nicht
einmal brummen oder rauschen.

Lautsprecher wandeln elektrische Energie (»Strom«) in


akustische Energie (Schall) um. Zur Umwandlung von Strom
in Schall nutzen dynamische Lautsprecher den
Magnetismus. Ihr Zentrum bildet daher ein Dauer- oder
Permanentmagnet.
Alle Magnete haben einen Nord- und einen Südpol und erzeugen ein
Energiefeld in ihrer nächsten Umgebung. Die magnetische Energie hat eine
Ausrichtung, und man stellt sie sich als Feldlinien vor, die vom Nordpol zum
Südpol verlaufen. Legt man zwei Dauermagnete nebeneinander, ziehen sie
einander an oder stoßen sich ab, je nachdem, ob sich gleiche Pole z. B. die
Nordpole - oder ungleiche Pole näher kommen. (s. Abb. 1). Auch
Elektromagnete erzeugen ein Magnetfeld um sich herum, das dynamische Laut-
sprecher auf Trab bringt.

Im Energiefeld des Permanentmagneten kauert ein


beweglicher Elektromagnet, die Schwingspule. Sobald
elektrischer Strom durch diese Spule fließt, schnellt sie vor
oder auch zurück, je nach Ihrer Polung.

11
1.1 Wie dynamische Lautsprecherfunktionieren

Membranbewegungen

Positive Amplitude Negative Amplitude

Abb. 4: Graphische Darstellung einer Membranschwingung

Die Wirkung des Magnetismus ist leicht nachzuvollziehen, indem man den
Pluspol einer Batterie (+) mit dem Plusanschluss eines Lautsprechers
verbindet und den Minuspol mit dem Minusanschluss. Die mit der
Schwingspule verbundene Membran saust dann unverzüglich vorwärts.
Vertauscht man beide Zuleitungen und verbindet (+) der Batterie und des
Lautsprechers, schnellt die Membran zurück, statt nach vorn. Dieser Vorgang
ist auf das Anziehen bzw. Abstoßen von Elektro- und Permanentmagnet
zurückzuführen. Allerdings erhält der Lautsprecher gewöhnlich
niederfrequenten Wechselstrom statt Gleichstrom vom angeschlossenen
Verstärker. Folge:

Die Schwingspule und die an ihr befestigte Membran


müssen bis zu 20000 Richtungswechsel pro Sekunde
vornehmen. Dabei werden die Membranschwingungen
auf die sie umgebenden Luftmoleküle übertragen, und
so entsteht hörbarer Schall.
Obwohl alle dynamischen Lautsprecher nach diesem Prinzip funktionieren,
gibt es dennoch enorme Unterschiede zwischen Ihnen. Je nach ihrem Aufbau
unterscheidet man zwischen Kalotten-, Bändchen-, Horn- und
Konuslautsprechern, von denen noch die Rede sein wird.

13
1 Grundlagen

1.2 Piezoelektrische Lautsprecher und


andere Exoten
Bei Piezo-Lautsprechern wird eine Kristallscheibe vom Wechselstrom zum Schwingen
angeregt. Eine mit dem Kristall verbundene Membran macht die Schwingungen hörbar, und
ein vorgesetzter Trichter oder Horn sorgt üblicherweise für ausreichende Lautstärke. Da sie
keine Magnete benötigen, sind Piezohochtöner leicht und billig, doch ihr bescheidener Klang

Abb. 5: Schematischer Aufbau


eines Piezo-Hochtöners

disqualifiziert sie für hochwertige HiFi-Boxen.

Interessanter, für den Selbstbau von Boxen aber kaum geeignet, sind zum Beispiel
elektrostatische Lautsprecher: Hier vibriert eine elektrisch leitende Folienmembran zwischen
zwei schalldurchlässigen Gittern, die mit Hochspannung vorgeladen sind. Die über die
gesamte Fläche angetriebenen Folienmembranen sind recht leicht und reagieren flink auf
musiktypische Signaländerungen, nur neigen manche von ihnen zu einem „flatterhaften“
Arbeitsstil, wenn sie älter werden und erschlaffen.
Über eine etwas festere Membran verfügt der Air-Motion-Wandler. Sie ist wie ein Vorhang
gefaltet und von kleinen Leiterbahnen überzogen. Mitten im Energiefeld eines sehr starken
Permanentmagneten bewegt sich dieser Vorhang im Takt des Wechselstroms und wird auf
diese Weise zur schallerzeugenden Membran.

14
1.3 Frequenz, Wellenlänge, Amplitude, Schalldruck

1.3 Frequenz, Wellenlänge, Amplitude,


Schalldruck

Kein Fachgebiet kommt ohne „Fachchinesisch“ aus, mit dem sich


alle Einsteiger herumschlagen müssen. Das gilt auch für die
Lautsprecher-Technik. Daher folgen nun Erläuterungen zu einigen
Grundbegriffen:

Als Frequenz bezeichnet man die Anzahl von Schwingungen innerhalb


einer Sekunde.

Die Frequenz wird in Hertz (Hz) angegeben, wobei 1Hz eine Schwingung pro Sekunde
bedeutet. Überträgt ein Lautsprecher Schwingungen von 15 000 Hz, also von 15 Kilohertz (=
15 kHz), so saust seine Membran 15000 Mal pro Sekunde vor- und zurück. 15 kHz
entsprechen einem sehr hohen Ton. Tieftöne haben es weniger eilig. Doch:

Niedrige Frequenzen (bis 300 Hz) erfordern große Membranen, die


zwar nicht so schnell vor- und zurückzuschwingen, dafür jedoch recht
weit auslenken müssen. Hohe Frequenzen (5 kHz bis 20 kHz)
verlangen von einer Membran mehr Schwingungen pro Sekunde,
dafür aber deutlich kleinere Membranauslenkungen.

In HiFi-Boxen wird der Übertragungsbereich in mindestens zwei


Teilbereiche gegliedert, wobei große Lautsprecher für die niedrigen,
kleine für die hohen Frequenzen zuständig sind. Dabei ist die
Wellenlänge nicht unwesentlich. Jede Frequenz hat ihre eigene
Wellenlänge, die wie folgt zu errechnen ist:

Bei einer Temperatur von 20 °Celsius beträgt die Schallgeschwindigkeit in der Luft 344 Meter
pro Sekunde. Der Frequenz 50Hz entspricht demnach eine Wellenlänge von:

15
1 Grundlagen

Bei 1000Hz (1kHz) beträgt die Wellenlänge 34,4 cm und bei 20kHz noch 1,7 cm. Und
wozu muss man das alles wissen? Sobald die Abmessungen einer Membran, einer
Lautsprecherbox oder eines Hörraums in die Nähe der Wellenlängen der
wiedergegebenen Frequenzen kommen, treten Schwierigkeiten auf, von denen noch oft
die Rede sein wird. Davon ist insbesondere die Lautstärke betroffen bzw. der
Schalldruck. Als Schalldruck wird der von Luftschwingungen hervorgerufene
Wechseldruck bezeichnet, der sich dem normalen Luftdruck überlagert. Er ist als
Schalldruckpegel objektiv messbar, im Gegensatz zur subjektiv empfundenen

Lautstärke.
Abb. 7 (3) und (4) haben eine unterschiedliche Wellenlänge, aber die gleiche Amplitude. Grob
vereinfachend könnte man sagen: Signal 3 und Signal 4 sind gleichlaut, jedoch entspricht Signal 4
einem höheren Ton.

16
2. Eigenschaften dynamischer Lautsprecher
Lautsprecher haben eine unvergleichliche Begabung: Füttert man sie mit
entsprechendem Wechselstrom, singen sie wie eine Diva, klimpern zur
Begleitung eine fröhliche Melodie und hauen zwischendurch noch mächtig auf
die Pauke. Nur scheuen sie sich auch nicht vor unschönen Missklängen, vor
Verzerrungen, die in lineare und nichtlineare unterteilt werden. Zunächst zur
erstgenannten
Spezies:

Lineare Verzerrungen führen zu einer lauteren, leiseren oder


verzögerten Wiedergabe bestimmter Frequenzen.

2.1 Der Frequenzgang


Eine Lautsprecherbox sollte alle hörbaren Frequenzen mit konstantem
Schalldruck übertragen. Sie sollte einzelne Töne also nicht bevorzugen und
andere nicht unterdrücken. Doch in dieser Hinsicht sind Lautsprecher den
anderen Komponenten einer HiFi Anlage absolut unterlegen. Außerdem ist der
Frequenzgang von Lautsprechern auch noch richtungsabhängig, sodass sich
Klang und Messergebnisse mit der Hör- oder Mikrofonposition ändern. Ziel-
vorgabe ist jedoch:

17
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

HiFi-Boxen sollen Frequenzen zwischen 60 Hz und 12 kHz in


typischen Hörwinkeln mit etwa gleichem Schalldruck wiedergeben.

Schwingungen unter 60Hz und oberhalb von 12 kHz spielen bei der Sprach- und
Musikwiedergabe keine maßgebliche Rolle. Und weil viele Wohnzimmer tiefe Töne
aufblähen, da ihre Abmessungen den Wellenlängen tiefer Frequenzen entsprechen, darf die
Schalldruckkurve unterhalb von 80 Hz sogar allmählich absinken, ohne dass
Bassinstrumente gleich völlig unterbelichtet wirken. Andererseits sind kräftige Tiefbässe
(Schwingungen unter 80 Hz) ein Luxus, der den Musikgenuss beträchtlich steigern kann.

Diagramm 1: (1) Theoretisch idealer Frequenzgang. Alle hörbaren Schwingungen


werden mit gleichem Schalldruck wiedergegeben. (2) Obergrenze für Frequenzgang-
Abweichungen guter HiFi-Boxen. (3) Untergrenze für hinnehmbare Abweichungen
vom Ideal.
Schalldruckunterschiede werden in Dezibel (dB) ausgedrückt. Eine
Differenz von einem dB ist so gerade noch wahrnehmbar, drei dB
sind sehr gut hörbar, und zehn dB entsprechen etwa der halben (—
10 dB) bzw. der doppelten (+10 dB) Lautstärke.

18
2.1 Der Frequenzgang

Diagramm 2: A: Noch akzeptabler Frequenzgang auf Achse einer preiswerten Regalbox in einem sehr
großen reflexionsarmen Messraum.
B: Praktisch alle Messgeräte ermöglichen eine Glättung des Frequenzgangs für Werbezwecke (Katalog
etc.).

Abweichungen in Höhe von 2 dB vom Mittelwert eines Lautsprechers sind noch relativ
unkritisch, 4 dB dagegen nicht - zumindest, wenn sie sich über eine halbe Oktave oder mehr
erstrecken. Eine Oktave umfasst eine Frequenzverdoppelung oder -halbierung, wie z.B. den
Bereich von 50Hz bis 100 Hz oder von 18kHz bis 9kHz.
Leider sind Frequenzgang-Messungen von Lautsprechern selten miteinander vergleichbar.
Denn neben der Position des Mikrofons haben die Eigenheiten des Messraums und der
verwendeten Geräte einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Insofern sind Messdiagramme mit
Portraits vergleichbar, die ein und dieselbe Person ganz unterschiedlich wirken lassen. Doch
wie sich eine große Nase auf einem Foto kaum verbergen lässt, bleiben auch signifikante Fre-
quenzgang-Fehler in der Schalldruckkurve meist zu erkennen. Wie sich solche Schwächen auf
den Klangcharakter auswirken, erläutert Diagramm 4.
Übrigens sollte der Frequenzgang nicht mit dem Frequenzumfang verwechselt werden. Sogar
kleine Billigboxen werden oftmals mit einem Frequenzumfang von 30 Hz bis 25 kHz
angepriesen. Die

19
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 3: Wie Diagramm 2A, Messposition aber 20° seitlich der Hauptachse bei stehender
(A) und bei liegender Box (B)

Diagramm 4 : Klangliche Auswirkungen typischer Frequenzgangfehler. A: Schwacher Tiefbass,


kräftiger Mittelbass: Bassinstrumente sind zwar laut, es fehlt aber an Wucht, Schwärze und
Realitätsnähe. B: Eine Betonung des unteren Mitteltonbereichs bringt Wärme und Fülle, kann
aber auch mulmig und undeutlich wirken. Eine Senke lässt Stimmen und Instrumente hell, dünn
und körperlos klingen. C: Die Anhebung des Präsenzbereichs schafft Klarheit und Deutlichkeit,
aber auch Härte und Vordergründigkeit. Eine Senke rückt Musikanten nach hinten, wirkt
unaufdringlich, aber auch leblos. D: Eine Anhebung im Hochtonbereich suggeriert Exaktheit
und Detailreichtum, Stimmen klingen aber verzischelt und Instrumente spitz. Eine Absenkung
macht die Wiedergabe stumpf und trüb.

20
2.1 Der Frequenzgang

Schwankungen betragen dabei aber häufig mehr als 10 dB, und ein
ausgewogener Klang ist damit von vornherein ausgeschlossen.
Ganz gleich, ob man analoge oder digitale Messgeräte verwendet und von
welcher Art das Messsignal ist: Von großen Reflexionsflächen wie Fußboden,
Decke, Wänden, Schränken etc. sind immer einige Meter Abstand
einzuhalten, sonst sind die Ergebnisse im Bassbereich unbrauchbar. Für
Schalldruck-Messungen unterhalb 200 bis 300 Hz muss man Box und
Mikrofon notfalls unter freiem Himmel auf den Boden legen. Ein Abstand
von 2 m zwischen Lautsprecher und Mikro kompensiert dann die
bassverstärkende Bodenreflexion, so dass das Ergebnis einer reflexionsfreien
Messung in im Abstand entspricht.

2.1.1 Abstrahlwinkel und Schallbündelung


HiFi-Boxen sollten einen relativ glatten bzw. linearen Frequenzgang
aufweisen, um mit jeglicher Art von Musik zu überzeugen. Grobe
Welligkeiten in der Schalldruckkurve fallen früher oder später auf die Nerven,
da sie den Klang verfärben und ihm einen mehr
oder weniger störenden Beigeschmack verpassen. So wird auch ein TV-Bild
mit Farbstich bei manchen Filmen mehr, bei anderen weniger stören.
Doch ein ausgeglichener Frequenzgang in nur einer Messposition, z.B. in
einem Meter Entfernung senkrecht zum Hochtöner, wäre nicht ausreichend,
da mehrere Hörer nicht gleichzeitig dieselbe Idealposition einnehmen können.
Tatsächlich verteilen sich typische Hörplätze aus Sicht des Lautsprechers in
einem horizontalen Winkel von bis zu 60°, d. h. 30 Grad nach links und nach
rechts. In vertikaler Richtung muss ein Lautsprecher dagegen kaum mehr als
20° erfassen, d.h. 10 Grad nach oben und nach unten, um unterschiedliche
Sitzhöhen zu berücksichtigen. Selbst der in weit größeren Winkeln verteilte
Schall spielt eine klangliche Rolle, denn auch er findet einen Weg zu den
Hörern, nachdem er von Wänden und Möbeln reflektiert wurde.
Die Schallbündelung oder der Abstrahlwinkel eines Lautsprechers wird vor
allem von seinen Abmessungen bestimmt. Entspricht die Wellenlänge einer
Frequenz dem Umfang der Lautsprechermem-

21
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Abb. 8: Der Abstrahlwinkel in einem Wohnraum

Diagramm 5: Polardiagramm eines Hochtöners mit 19 mm Membrandurchmesser

22
2.1 Der Frequenzgang

bran, wird der Schall nicht mehr rundherum oder kugelförmig verteilt, son-
dern etwas nach vorn gerichtet. Tieftöner mit 31 cm Außendurchmesser
bündeln den Schall daher schon bei 400 Hz, 13-cm-Chassis bündeln ab rund
1000Hz, und selbst kleine Hochtönermembranen mit nur 1,9 cm Durchmes-
ser richten den Schall schon bei 5 kHz. Anderenfalls wäre in einem Rund-
strahl- oder Polardiagramm auch noch bei 6kHz ein perfekter Kreis zu sehen
(vergl. Diagramm 5).

Bedenklich wird die Schallbündelung von Lautsprechern


wenn der horizontale Abstrahlwinkel ±30° unterschreitet,
wenn der Druck 30° seitlich von der Hauptachse gegen-
über dem axialen Schalldruck um mehr als 3dB gesun-
ken.
Tabelle 1: Spätestens, wenn Außendurch- max. sinnvolle
ein Lautsprecher übermäßig messer Trennfrequenz
zu bündeln beginnt, sollte ein 38-40 cm 1 kHz
kleinerer die Wiedergabe
übernehmen
30-32 cm 1,3 kHz
25-27 cm 1,7 kHz
20-22 cm 2 kHz
17-19 cm 2,5 kHz
12-14 cm 3,5 kHz
9-11 cm 4,5 kHz
Tabelle 1 nennt die obersten Einsatzfrequenzen, bis zu denen
Konuslautsprecher, je nach ihren Abmessungen, höchstens engagiert werden
sollten. Selbst ausgetüftelte Membranformen und -materialien werden diese
Grenzen nur geringfügig verschieben.

Mit kleineren Membranen lässt sich die Schallbündelung


verringern und der Abstrahlwinkel vergrößern oder die
Grenzfrequenz erhöhen. Doch müssen kleine Membra-
nen weiter auslenken als große, um bei derselben Fre-
quenz gleich-laut zu spielen.

23
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 6: Frequenzgang und Abstrahlverhalten unterschiedlicher Hochton-


Hornlautsprecher, Messwinkel 0° und 30°
A: Trichter mit 3,5 cm Ø und 3,5 cm Länge; B: Trichter mit 9 cm Ø und 9cm Länge;
C: Trichter mit 5cm Ø und akustischer Linse.

Diagramm 7 : Axialer Frequenzgang eines sehr guten Mitteltöners (Vifa P13 MH) auf
unterschiedlichen Schallwänden. A : auf,, unendlicher Schallwand“ (Wandeinbau); B:
mittig auf typischer Schallwand (25 cm Breite); C:
Differenz zwischen „unendlicher“ und normaler Gehäuse-Schallwand. Hersteller
Messungen werden fast immer auf einer sehr großen Schallwand vorgenommen (z.B.
DIN- oder IEC - Schallwand).

24
2.1 Der Frequenzgang

Ein extrem großer Abstrahlwinkel bereitet übrigens nicht unbedingt mehr


Hörvergnügen. Denn der zu allen Seiten driftende Schall mancher Konstruktion
bewirkt eine verwaschene und diffuse Wiedergabe aufgrund starker Reflexionen
im Hörraum. Das gilt zumindest für Boxen die auch an den Seitenwänden und
an der Rückwand des Gehäuses Mittel- und Hochtöner mitspielen lassen.
Solche Boxen ändern ihren Klang zwar kaum mit der Hörposition und füllen
den Raum gleichmäßig mit Musik, doch klingen sie in keiner Hörposition
wirklich unverfärbt und detailgenau. Ein weiteres Merkmal so genannter
Rundumstrahler ist ihre sehr weiträumige Stereowiedergabe, die große
Orchester zwar recht eindrucksvoll, Solostimmen und -instrumente andererseits
aber völlig überdimensioniert und zu bombastisch erscheinen lässt.
Ein geringer Abstrahlwinkel charakterisiert viele Horn- oder Trich-
terlautsprecher. Nicht ihre Membran-, sondern die Hornabmessungen geben bei
ihnen nämlich die Schallbündelung vor. Eine ausgeprägte Richtwirkung führt zu
schwächeren Hörraum-Reflexionen und lässt Hörner daher detailverliebt und
feinzeichnend erscheinen. Doch wenn man sich nicht im „sweet Spot“ befindet,
d. h. genau auf Achse der Trichter, klingen sie tonal oftmals unausgewogen. Mit
ausgetüftelten Trichterformen oder akustischen Streulinsen lässt sich die
Bündelung von Hornlautsprechern zwar verringern, doch geht damit ihr hoher
Schalldruck (auf Achse) und ihre klangliche Präzision teilweise verloren.

Da nahezu alle Hochtoner den Schall mehr oder weniger


bündeln, sollten sie immer in Ohrhöhe befinden oder auf die
Ohrhöhe ausgerichtet werden.

Im Mitteltonbereich (ca. 300 Hz bis 4 kHz) erhalten auch die Schallwände


Einfluss auf die Schalldruckkurven. Entsprechen ihre Abmessungen den
Wellenlängen der Mitteltöne, reflektieren die Gehäusefronten einen Teil des
Schalls und zerren am Frequenzgang. Mittel- und Hochtöner sollten daher
unterschiedliche Abstände zu den Gehäusekanten haben.
Aufgrund von Schallwandreflexionen erhöhen breite Gehäusefronten den
Schalldruck im unteren Mitteltonbereich, ohne den Mitteltönern zugleich mehr
Leistung abzuverlangen. Andererseits

25
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

vermindern diese Reflexionen die dreidimensionale Stereowirkung. Das liegt


daran, dass sehr breite Gehäusefronten fast alle Schallwellen nach vorn
umlenken.
Räumlicher klingt es aber, wenn zumindest ein Teil der Mitteltöne neben und
hinter den Boxen herumtollen kann, um dann abgeschwächt und gebührend
verzögert zum Hörer zu gelangen. Auch deshalb sollten HiFi-Boxen möglichst
nicht breiter sein als 25cm. Ist eine breitere Schallwand allerdings
unvermeidbar, empfiehlt es sich, die Mittel- und Hochtöner nicht mittig zu
platzieren, sondern zu einer der Gehäuseseiten versetzt. Das reduziert negative
Einflüsse und verteilt sie besser über den gesamten Mitteltonbereich. Weitere
Saboteure, die den Frequenzgang verbiegen, sind die Interferenzen.

2.1.2 Interferenzen

Interferenzen sind Überlagerungen von Schallwellen, die


Frequenzgang und Präzision beeinträchtigen. Die von den
Membranen erzeugten Schallwellen gehen verschiedene
Wege, werden irgendwo reflektiert, überlagern sich und
treffen am Ende weder zeitgleich noch gleichlaut beim
Hörer ein.

Abbildung 9 zeigt zwei Lautsprecher, die dieselbe Frequenz mit gleicher


Amplitude oder Schallstärke wiedergeben. Doch befindet sich die Box L2 näher
am Mikrofon oder Hörer als LI. Weil die Wegstreckendifferenz zwischen
beiden Boxen hier genau eine Wellenlänge beträgt, sind die Wellenzüge W1
und W2 im Gleichtakt. In dem Fall ist das Summensignal (W3) lauter als es W1
und W2 einzeln sind.
Beträgt der Unterschied des Abstands zum Mikro bzw. Hörer genau 1/2 1 (oder
3/2 1, 5/2 1, 7/2 1 usw.), so löschen sich Schwingungen mit gleicher Frequenz,
wie W1 und W2, gegenseitig nahezu aus (W3). Das liegt an der
Gegenphasigkeit der Signale. Das veranschaulicht Abbildung 10 auf Seite 27.
In der Praxis können sich natürlich beliebige Weglängen einstellen, so dass
manche Signale gestärkt aus dem Interferenzchaos hervorge-

26
2.1Der Frequenzgang

27
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

hen, andere dagegen geschwächt. Chaotisch wird es deshalb, weil sich


Überlagerungen von Wellenzügen nicht auf separate Einzellautsprecher
beschränken. Interferenzen mit Hörraum-Reflexionen gesellen sich ja noch
hinzu. Denn gewöhnlich beträgt der Anteil des direkten Schalls am Hörplatz
kaum 40 Prozent der gesamten Schallenergie.

Abb. 11 :Der größte Teil des Schalls am Hörplatz kommt nicht direkt vom Lautsprecher,
sondern wurde bereits von Wänden oder Möbeln (mehrfach) reflektiert.

Sowohl sehr laute als auch um weniger als zwei Millisekunden verzögerte
Reflexionen kann das Gehör nicht vom Direktschall unterscheiden, so dass
sich alles zu einem unpräzisen Klanggemisch vermengt.
Da 2 ms einer Laufzeitdifferenz von 70 cm entsprechen, ist es leicht, für
einen ausreichenden Wandabstand zu sorgen, damit tonale Ausgewogenheit
(Frequenzgang), Präzision (Impulsverhalten), sowie Räumlichkeit und
Ortbarkeit nicht hörbar darunter leiden. Diese Phänomene sollten nicht
unterschätzt und als vernachlässigbar abgetan werden.
Doch genug ist nicht genug: Im oberen Frequenzbereich mit seinen kurzen
Wellenlängen erzeugen schon die Kanten der Hochtöner und die der Gehäuse
scheinbar neue, parasitäre (Stör-)Schallquellen, die sich ebenfalls in Form
linearer Verzerrungen Gehör verschaffen. Dagegen sind es im untersten
Frequenzbereich vorwiegend Überlagerungen aufgrund von Vielfach-
Reflexionen bzw. ste-

28
2.1 Der Frequenzgang

Abb. 12: Stehen Lautsprecher zu nahe an den Wänden, so werden Überlagerungen von
lauten und zeitlich nicht ausreichend verzögerten Reflexionen die Wiedergabe
erheblich beeinträchtigen.

Abb. 13: Interferenzen bei


Frequenzen mit größerer
Wellenlänge (Bassbereich).
Ursache: Reflexionen an einer
Zimmerwand.
In der Praxis reflektieren alle vier
Zimmerwände sowie Fußboden
und Decke.

29
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

hende Wellen im Hörraum, die sich durch Dröhnen bestimmter Basstöne


bemerkbar machen.

Abb. 14: Interferenzen zwischen nebeneinander montierten Mittel- und oder Hoch
tönern fördern lineare Verzerrungen und vermindern den Abstrahlwinkel.

Dass sich Interferenzen bei der Musikwiedergabe nicht vermeiden lassen, ist
zwar ärgerlich, aber kein Grund, die Flinte gleich ins Korn zu werfen. Nur
Kopfhörer sind dagegen gefeit, doch wer will schon Musik ausschließlich über
„Ohrlautsprecher“ genießen? Klanglich lässt es sich durchaus mit
Interferenzen leben, wenn man nur vor den gemeinsten Nervensägen die Tür
verschließt. Dazu ein paar Faustregeln:

- Da Mittel- und Hochtöner einer Box in ihrem


Übergangsbereich gemeinsam agieren, platziert man
sie am besten dicht übereinander, um Interfe-
renzprobleme gering zu halten.
- Die Trennung zwischen Tief-, Mittel- und Hochtöner
sollte zudem nicht zu flach verlaufen, um den kritischen
Frequenzbereich klein zu halten. Hierüber an anderer
Stelle mehr.

30
2.1 Der Frequenzgang

Abb. 15: Schallbeugung an der Montageplatte kann zu Welligkeiten im Frequenzgang


führen (± 2 dB oberhalb von 6 kHz), und an der Gehäusekante zu einer
Schalldrucksenke (typisch sind ca. 5 dB nahe 3 kHz).

- Besonders Hochtöner sind immer nur von vorn auf die


Schallwand zu setzen und möglichst bündig
einzulassen. Wegen der größeren Wellenlängen im
Bass können Tieftöner aber ruhig von hinten an die
Schallwand geschraubt werden.
- Hochtöner freuen sich über eine glattflächige
Umgebung ohne Stufen, Senken und scharfe
Gehäusekanten, die sich messtechnisch und klanglich
deutlich auswirken.
- Hörräume benötigen schalldämpfende Materialien wie
Polstermöbel, Teppiche, Vorhänge, aber auch diffus
reflektierende Einrichtungsgegenstände wie Schränke,
Tische und Regale. Andernfalls werden kräftige
Reflexionen den Klang vermiesen.
- Der störende Einfluss von Reflexionen lässt sich
begrenzen, indem man Boxen und Hörern mehr als
50cm Abstand von allen Wänden einräumt.

31
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

2.2 Phasenverschiebungen
Der Begriff „Phase“ bezieht sich allgemein auf
Zustandsformen. In der Akustik charakterisiert er z. B.
zeitliche Differenzen zwischen Signalen oder Signalteilen,
des Schalls.
Beim Lautsprecher entstehen derartige Zeitunterschiede oder
Phasenverschiebungen bereits beim Einschalten eines Signals und des erst
minimal später darauf folgenden Membranbewegung. In deil Schwingspulen
sowie den Frequenzweichen, die den Tief- und Hochtönern ihre Anteile
zuweisen, treten Zeitverschiebungen zwischen dem Strom und der Spannung
des zugeführten Signals auf. Auch Biegeschwingungen der Membranen drehen
an der Phase Und Beugungseffekte sowie Reflexionen torpedieren den direkten
Schall vom Lautsprecher mit umgeleiteten und daher ebenfalls verzögerten
Schallwellen.

Da sich Phasenverschiebungen oder -drehungen in


Frequenzgang, Abstrahlwinkel und lmpulsverhalten
niederschlagen, sind sie eindeutige Verursacher von
linearen Verzerrungen.
Typische Ursachen dafür sind Laufzeitunterschiede zwischen den einzelnen
Chassis. Schon bei einer Zweiweg-Box mit einem Tief- und einem Hochtöner
ist es kaum möglich, exakt denselben Hörabstand zu beiden Chassis
einzuhalten. Bevor diese Box die Töne eines Instruments wiedergibt, hat ihre
Frequenzweiche die entsprechenden elektrischen Signale bereits in zwei
Bereiche zerlegt. Niedrige Frequenzen schanzt sie hauptsächlich dem
Basslautsprecher zu, und die hohen Obertöne erhält der Hochtöner. Nun
müssten alle Töne aber gleichzeitig beim Hörer eintreffen, damit das Gehör sie
wieder originalgetreu zusammensetzen kann. Unterschiedliche Wegstrecken
vom Tief- und vom Hochtöner bis zum Hörer machen das jedoch unmöglich. In
der Regel haben die hohen Obertöne einen kleinen Zeitvorsprung.

Sogenannte „Koaxial-Lautsprecher“ halten


Laufzeitunterschiede tatsächlich äußerst gering, denn ihr
Hochtöner sitzt mittig vor der Tieftonmembran - nur stört er
dort möglicherweise deren Schallabstrahlung.

32
2.2 Phasenverschiebungen

Abb. 16: Modell einer


Laufzeitkorrigierten
Box. Nur in der Position
P1 hat der Hörer den
gleichen Abstand von
allen
Lautsprecherchassis.
Bei P2 sind die
Wegstrecken
unterschiedlich lang.

Einige Entwickler konventioneller Boxen versuchen unterschiedliche


Wegstrecken anzugleichen, indem sie die Schwingspulen der Chassis als
„akustische Zentren“, senkrecht übereinander setzen. Doch kann ein Hörer
immer nur in einer bestimmten Position denselben Abstand zu allen Chassis
haben. Und selbst für eine normale Box lässt sich eine Position finden, in der der
Hörabstand zu den Einzelchassis nahezu gleich ist. Dazu muss man die Box nur
etwas anwinkeln.
Doch was bringt das Verringern von Laufzeitunterschieden überhaupt?
Letztendlich wird mit z. B. Koaxial-Chassis annähernd eine Punktschallquelle
realisiert, die die räumliche Wirkung der Stereowiedergabe verbessert und eine
punktgenaue Ortung von Sängern und Instrumenten ermöglicht. Im Hörvergleich
mit konventionellen Boxen können wirklich gut konstruierte Koaxial-Lautspre-
cher diesbezüglich schon verblüffen.
Doch auch mit getrennten Tief-, Mittel- und Hochtönern lässt sich sehr guter
Klang verwirklichen. Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass es für
Laufzeitunterschiede kritische Maximaiwerte gibt. Werden diese Schwellenwerte
überschritten, ist mit argen Klangeinbußen zu rechnen. Je nach Tonhöhe oder
Frequenz liegen die Grenzen zwischen einer und drei Millisekunden (1 ms =
1/1000 Sekunde). Dem entsprechen Wegstrecken von etwa 35 bis 100 Zen-
timetern. Unterhalb von etwa 300 Hz scheinen Laufzeitdifferenzen von bis zu
einem Meter noch tolerierbar zu sein. Aber Mittel- und Hochtöner sollten sich
schon deutlich weniger als 35 Zentimeter auseinander befinden, damit das
Klangbild nicht zerrissen wirkt.

33
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Abb. 17: Durch die Gegenphasigkeit


kommt es zur weitgehenden
Auslöschung der Signale — allerdings
nur in dem Frequenzbereich, den beide
Chassis wiedergeben.

x = Wegstreckendifferenz (hier 1/2 )


S1 = Signal des Tieftöners
S2 = Signal des Mitteltonhorns
S3= S2 + S1

Wegstreckenunterschiede können allerdings bewirken, dass die Einzelchassis


gegen- statt miteinander arbeiten und dass daher eine Senke im Frequenzgang
entsteht. In dem Fall sind Plus- und Minusanschluss bei den Kabeln zum
Mittel- oder zum Hochtöner zu vertauschen.
Zu den Wegstreckendifferenzen gesellen sich dann noch Phasen-
verschiebungen aufgrund von Partial- oder Biegeschwingungen der
Membranen, aufgrund von Schwingspulen- und Gehäuseeffekten sowie von
Frequenzweichen und Reflexionen. Die Verzögerung einer Lautsprecherbox
bei einer bestimmten Frequenz im voraus berechnen zu wollen, wird somit
zum aussichtslosen Unterfangen.

34
2.2 Phasenverschiebungen

Diagramm 8: Frequenzgang einer Zweiwegbox


A: Tief- und Hochtöner schwingen im Bereich der Übergangsfrequenz gleichphasig
(entspricht einer Phasendrehung von 0° bzw. 360°).
B: Hier schwingen sie gegenphasig (Phasendrehung ca. 180°), und der Hochtöner
muss umgepolt werden.

Im Bassbereich unter 400 Hz dominieren Raumeinflüsse beharrlich das


akustische Geschehen. Und ab ca. 3 kHz sind die Zeitverschiebungen
vernachlässigbar gering. So bewirken 90° Phasendrehung z.B. von einer
Frequenzweiche bei 5 kHz lediglich eine Verzögerung von einer
zwanzigtausendstel Sekunde (= 0,05 ms). Diese Verzögerung lässt Hochtöner
keinesfalls träge oder langsam erscheinen. Doch wird sie möglichenfalls die
schon erwähnte Umpolung erforderlich machen, um eine Senke in der
Schalldruckkurve zu verhindern.
Im Grundtonbereich, speziell zwischen 250 Hz und 2,5 kHz, verwenden
Klangpuristen aber aus gutem Grund nur ein einziges, und dazu noch besonders
hochwertiges Chassis pro Box. Und manche lassen gar nur Zweiweg-Boxen
gelten, bei denen der Tieftöner die komplette Grundtonwiedergabe übernimmt.
Kritische Phasendrehungen im klanglich heikelsten Bereich lassen sich auf
diesem Weg einfach umgehen.

35
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

2.3 Das Impulsverhalten


Wird einem Lautsprecher ein Signal zugeführt, dauert es
geringste Sekundenbruchteile, bis sich die Membran in
Bewegung setzt. Und wenn das Signal wieder abgeschaltet
wird, dauert es ebenfalls, bis die Membran in ihre Ruhelage
zurückgekehrt ist.

Links: Abb. 18 Tonburst. Ein „Schwingungspaket“, ein sehr kurzes Signal mit beliebiger
Frequenz, wird dem Lautsprecher zugeführt. Im Idealfall würde es der Lautsprecher
unverändert reproduzieren.

Rechts: Abb. 19 Aufgrund von Resonanzen der Membran und ihrer Bestandteile verfälscht
jeder Lautsprechermehr oder weniger das Eingangssignal, hier den Tonburst. E =
Einschwingen; Ü = Überschwingen beim Einschwingvorgang; A = Ausschwingen.

Das Ein- und Ausschwingen eines Lautsprechers kann man z. B. mit Tonbursts
messen. Dazu benötigt man einen Burst-Generator, der fünf bis zehn
Sinusschwingen einer bestimmten Frequenz erzeugt und sie über einen Verstärker
zum Lautsprecher schickt. Zusätzlich ist ein Mikrofon und ein Speicher-
Oszilloskop oder Messcomputer erforderlich, um die Burst-Wiedergabe des
Lautsprechers sichtbar zu machen.

36
2.3 Das Impulsverhalten

Links: Abb. 20 Burstwiedergabe eines optimierten Tieftöners im geschlossenen


Gehäuse. Das Signal enthielt fünf gleiche Schwingungen bei 50Hz, und das Mikrofon
stand 1 cm vor der Membran.

Rechts: Abb. 21 Erschreckende Entstellung des Signals im normalen


Wohnraum mit identischer Box, Mikrofon nun in 4 m Abstand. Fazit: Der
Hörraum dominiert die Basswiedergabe.

Kein Lautsprecher kann Tonbursts perfekt produzieren. Das würde im Bass-


und Hochtonbereich auch wenig nutzen. Die Begründung dafür ist ähnlich wie
bei der Hörbarkeit von Phasenverschiebungen: Im Tieftonbereich diktiert der
Hörraum die Wiedergabepräzision und deformiert Tonbursts bis zur
Unkenntlichkeit. Im Hochtonbereich stören die kleinen Verzögerungen beim
Ein- und Ausschwingen nicht wirklich, weil sie bei hohen Frequenzen nicht
einmal eine tausendstel Sekunde in Anspruch nehmen - zu wenig für unser
Gehör.
Quantität und Qualität der Obertöne, selbst bei der Wiedergabe von
Bassinstrumenten, sowie sogenannte » Stehwellen « im Hörraum (nicht enden
wollende Vielfachreflexionen) entscheiden darüber, ob Tieftöne knackig und
präzise oder dröhnend und verwaschen wirken.

Sind die Bässe zu laut und / oder befinden sich Boxen und
Hörer nahe den Zimmerwänden, wirken tiefe Töne
schwammig und unpräzise. Beugungseffekte und
übermäßige Reflexionen schwächen dagegen die
subjektive Präzision im Hochtonbereich. Auch deshalb
klingen stark bündelnde Hochtöner wie Elektrostaten und
Hornlautsprecher, trotz mäßiger Burstwiedergabe, oft sehr
präzise.

37
Abb. 2:
Tonburstwiedergabe eines
sehr guten Konus-
mitteltöners (Vifa P
13MH) bei 900Hz im
leeren Gehäuse (13cm Ø
20cm lang).

Abbildung 23: Wie


zuvor, aber Gehäuse
vollständig mit
Dämmmaterial
gefüllt.

Auch wenn Burstmessungen nicht viel über den Klang im Bass- und
Hochtonbereich aussagen, zwischen rund 200 Hz und 3 kHz können sie sich
als sehr nützlich erweisen. Denn sie helfen, sowohl Stehwellen im Gehäuse
als auch Eigenschwingungen von Teilen einer Membran zu erkennen, zu
beseitigen oder wenigstens zu reduzieren.

38
2.3 Das Impulsverhalten

Ebendiese Phänomene zeigen sich allerdings auch als Welligkeiten im


„Nahfeld-Frequenzgang“, wenn man das Mikrofon also dicht vor der
Membran platziert. Allerdings ist der Nahfeld-Frequenzgang nicht mit dem
herkömmlichen Frequenzgang eines Lautsprechers identisch, bei dem das
Mikrofon einen Meter vor dem Lautsprecher steht.
Eine andere Art der Darstellung unerwünschten Nachschwingens ist das
Zerfallspektrum, das mit einigen rechnergesteuerten Messgeräten
aufgezeichnet werden kann. Das Zerfallspektrum eines Lautsprechers
veranschaulicht sein Ausschwingen im gesamten Frequenzbereich auf einen
Blick. Viele der entsprechenden Messverfahren gewähren aber nur bei hohen
Frequenzen die nötige Auflösung und sind im Grundtonbereich kaum
aussagekräftig. Eine löbliche Ausnahme bildet das ATB-Lautsprecher-
Messsystem von Kirchner-Elektronik in Braunschweig.

Diagramm 9: Nahfeld-Frequenzgang des zuvor erwähnten Mitteltöners im Gehäuse


ohne Dämmmaterial(A) und mit Dämmmaterial(B).

Nahfeld-Schalldruckkurven, Tonbursts und Zerfallspektren


vermitteln einen praxisnahen Eindruck vom
lmpulsverhalten bzw. von der zu erwartenden Präzision
eines Lautsprechers - zumindest im klangrelevanten
Bereich zwischen etwa 200 Hz und 3 kHz.

39
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 10: Zerfallspektrum desselben Mitteltöners im ungedämpften Gehäuse.


Langes Nachschwingen zwischen 600 Hz und 1,8 kHz.

Diagramm 11: Wie Diagramm 10, aber Gehäuse mit Dämmmaterial gefüllt, das die
Reflexionen im Gehäuse absorbiert. Nur äußerst geringes Nachschwingen nahe 1,5
kHz und oberhalb von 3 kHz erkennbar. Die oberste Messkurve entspricht jeweils dem
Nahfeld-Frequenzgang, die weiteren Messlinien kennzeichnen den Ausschwingvor-
gang.

40
2.3 Das Impulsverhalten

Diagramm 12: Zerfallspektrum eines mäßigen 13-cm-Mitteltöners im gedämpften


Gehäuse. Nahe 400 Hz vibrieren Korb und Magnet, bei ca. 1,5kHz gerät die
Randaufhängung außer Kontrolle, und oberhalb von 3kHz zeigen sich
Membranresonanzen im Ausschwingvorgang.

Eine weitere Möglichkeit, das Ausschwingen eines Lautsprechers zu


dokumentieren, besteht darin, ihm für einen Sekundenbruchteil
Gleichspannung zuzuführen und seine Sprungantwort aufzuzeichnen. Einige
computergesteuerte Messgeräte errechnen aus der Sprungantwort das
Zerfallspektrum. Denn wird eine Membran auch nur für einen kleinen
Moment bewegt, schwingt sie grundsätzlich mit all ihren Resonanzen aus.
Allerdings zeigen aus extrem kurzen Signalen errechnete Zerfallspektren
oftmals unrealistisch viele Resonanzen im Hochtonbereich, die eher Zweifel
am Verfahren als am Lautsprecher aufkommen lassen.
Mit Gleichspannungssprüngen in gewisser Weise vergleichbar sind die
sogenannten Rechtecksignale. Simple Breitbandlautsprecher, die ohne
Unterstützung von Tief- und Hochtönern auskommen (müssen), geben
Rechtecksignale in der Regel vergleichsweise korrekt wieder, während fast
alle hochwertigen HiFi-Boxen dahinter weit zurückfallen. Auch die daraus
ermittelte Steigzeit oder Anstiegszeit hat weniger mit Präzision, als vielmehr
mit der oberen Grenzfrequenz des Lautsprechers zu tun.
Als klanglich bedeutender Aspekt der Impulswiedergabe ist unbedingt noch
die Dynamikkompression zu erwähnen.

41
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Mit Dynamikkompression ist hier die Schwäche von


Lautsprechern gemeint, zunehmende Verstärkerleistungen
nicht mehr in entsprechenden Schalldruck umzusetzen.

Immerhin geben Verstärker bei der Wiedergabe von Musik kurzfristig das zehn-
bis fünfzigfache ihrer Durchschnittsleistung ab. Elektrisch bzw. thermisch
können Lautsprecher diese Leistungsspitzen durchaus verkraften — ihre
Schwingspulen brennen also nicht gleich durch. Doch mit der Leistung steigen
Temperatur und elektrischer Widerstand, so dass die Schwingspulen weniger
Strom fließen lassen. Je kleiner die Spule ist und je dünner ihr Draht, desto eher
ist mit einer Aufheizung zu rechnen. Als Folge liegt z. B. der Schalldruck eines
Mitteltöners bei zehn Watt Verstärkerleistung lediglich 7 dB oder 8 dB höher
als bei nur einem Watt, dabei sollten es eigentlich 10 dB sein.
An der Dynamikkompression beteiligt sich die Schwingspule noch auf andere
Weise. Denn mit zunehmender Verstärkerleistung wird ihr magnetisches Feld
stärker und bringt das Energiefeld des Dauermagneten durcheinander. Wird eine
Spule mit äußerst vielen Windungen (z. B. 4-Lagen-Spule) mit einem eher
schwachen Dauermagneten kombiniert, ist mit einer sehr hohen
Dynamikkompression zu rechnen.
Leider machen zusätzlich mechanische Faktoren vom Vetorecht gegen zu hohe
Pegel Gebrauch: Die Membranen verformen sich, und / oder Randaufhängung
sowie Zentrierung ziehen die Notbremse. Lineare und nichtlineare
Verzerrungen setzen dabei prompt zum Höhenflug an.

Auch das Vermögen eines Lautsprechers, flink auf


Signaländerungen zu reagieren ist klanglich von großer
Bedeutung Leichte Membranen starke Magnete und
Resonanzarmut sind dafür notwendige aber nicht
hinreichende Voraussetzungen. Leider lässt sich die
subjektiv empfundene Schnelligkeit oder Trägheit eines
Lautsprechers messtechnisch bisher nicht einwandfrei
erfassen.

42
2.4 Partialschwingungen und Membranresonanzen

2.4 Partialschwingungen und Membranresonanzen

Abb. 24: Typisches Beispiel einer Partialschwingung.


(1) Nur der innere Teil der Membran folgt bei hohen Frequenzen gleich der Schwingspule.
(2) Der Rest der Membran hinkt hinterher und verformt sich kurzfristig - mit bloßem Auge
natürlich nicht sichtbar.
(3) Der Membranrand und die mit ihr verklebte Randaufhängung oder Sicke können dabei aus
dem Takt geraten.

Partialschwingungen und Membranresonanzen sind eifrige Verursacher von linearen


Verzerrungen. Sie verunstalten die Schalldruckkurve auf Achse und in verschiedenen
Hörwinkeln, verderben die Impulswiedergabe und vermindern die Exaktheit eines
Lautsprechers.

Biege- oder Partialschwingungen treten auf, wenn es einer


Membran nicht gelingt, sich kolbenartig vor- und
zurückzubewegen. Partialschwingungen als kurzfristige
Membranverformungen sind in aller Regel unerwünscht, da
schwer unter Kontrolle zu halten. Membranresonanzen sind
eine Folge von Partialschwingungen. Sie zeigen sich als
Anhebungen und Senken im Frequenzgang und in Form
zügellosen Ein- und Ausschwingens der Membran.

Zur Vermeidung störender Teilschwingungen und Eigenresonanzen wären steife


Membranen optimal, die gleichzeitig eine hohe innere Dämpfung aufweisen und
somit Eigenschwingungen abmildern.

43
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Randaufhängung

Zonen der Membran, die sich


unterschiedlich verformen
Frequenz: f ~ fkr

Frequenz: fkr < f < fmax

Frequenz: f ~ fmax

(s. Tab. 2, S. 46)

Abb. 25: Weitere Beispiele für gegenphasige Teilschwingungen, die zu linearen


Verzerrungen führen. Hier ist die Membran von vorn dargestellt. Mit Hilfe eines
Stroboskops oder der Lasertechnik können Partialschwingungen tatsächlich sichtbar
gemacht werden. Doch zur Verbesserung von Lautsprechern hat das nur wenig
beigetragen.

Auch als überlegen deklarierte Membranen aus Leichtmetall oder aus Spezial-
Kunststoff tendieren zu Extremen: Entweder sind sie steif und resonanzanfällig
oder resonanzarm und träge. Gewöhnliche Papiermembranen, ggf. mit
Kunststoffbeschichtung, ermöglichen nach wie vor einen guten Kompromiss.
Neben dem Material kann aber auch die Membranform helfen,
Partialschwingungen im Zaum zu halten.

44
2.4 Partialschwingungen und Membranresonanzen

Diagramm 13: Partialschwingungen und Membranresonanzen zeigen sich häufig auch im


üblichen 1 -Meter-Frequenzgang.
(1) Teurer und recht lauter Konusmitteltöner mit besonders leichter, dafür aber auch sehr
instabiler Membran.
(2) Insgesamt recht ausgeglichener 20-cm-Tieftöner mit ausgeprägter „Abrissresonanz“
oberhalb von fmax (hier 2 kHz).

Äußerst knifflig ist bei allen Lautsprechern die Verbindungsstelle zwischen der
Membran und der Randaufhängung (Sicke). Sie erfordert bei der Entwicklung von
Tief-, Mittel- und Hochtönern großes Feingefühl und oft eine Menge Zeit. Für ein
gutes Gesamtergebnis verlangt die Verbindungsstelle ebenso viel Aufmerksamkeit
wie die Membran und die Sicke selbst. Bei hohen Frequenzen sind einer
Optimierung allerdings Grenzen gesteckt:

Ist die Wellenlänge kleiner als der effektive


Membrandurchmesser, sind Partialschwingungen praktisch
unvermeidbar. Viele Lautsprecher verlieren die Kontrolle
jedoch bereits, sobald die Wellenlänge dem effektiven Umfang
ihrer Membran entspricht.

Im Tieftonbereich werden Partialschwingungen und Membranresonanzen nur selten


auftreten, und zwar bei äußerst minderwertigen Basslautsprechern. Im obersten
Hochtonbereich lassen sie sich zwar kaum vermeiden, wirken sich aber kaum noch
auf den Klang aus.

45
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Tabelle 2: Bei der Kreisfrequenz des effektiven Membranradius (fkr) beginnen die
Schallbündelung und oft auch die Partialschwingungen. Ist die Wellenlänge kleiner
als der Membrandurchmesser (f > fmax), werden Frequenzgang, Schallbündelung
und Impulsverhalten für die HiFi-Wiedergabe fast immer unbrauchbar.

Außen-ø Membran-Ø fkr fmax


38cm 31 cm 320 Hz 1 kHz
31 cm 24 cm 410Hz 1,3 kHz
26cm 18,5cm 530Hz 1,7kHz
21cm 15,5cm 640Hz 2 kHz
18cm 12,5cm 790 Hz 2,5 kHz
13cm 9 cm 1,1 kHz 3,5 kHz
9cm 6 cm 1,8kHz 5,7kHz

Die Werte für fkr und fmax sind leicht zu errechnen:


c
f kr = Hz, und: f max = c Hz
d*π d

wobei c für die Schallgeschwindigkeit steht (34 400 cm / s) und d für den
effektiven Membrandurchmesser in cm. Aber: Um den effektiven Wert zu
erhalten, muss die Hälfte der Randaufhängung zum tatsächlichen
Membrandurchmesser addiert werden, da sie mitschwingt.
Natürlich zeigen sich Partialschwingungen und Membranresonanzen nicht nur
bei Konusmembranen, sondern bei allen Membranen. Sie unterscheiden sich
lediglich in ihrer Stärke und in ihren Auswirkungen. Bei einigen Lautsprechern
sind Partialschwingungen sogar beabsichtigt, nämlich bei „Biegeschwingern“
und „Biegewellenschwingern“, die beide viel Geld kosten, da es beträchtlichen
Aufwand erfordert, ihre Teilschwingungen unter Kontrolle zu halten und ihnen
gute Messwerte und einen wirklich sauberen Klang anzuerziehen.
Typische Partialschwinger sind z. B. Breitband-Lautsprecher, die alle hörbaren
Frequenzen übertragen sollen. Bei vielen von ihnen vibriert ein kleiner Kegel
als Hochton-Resonator im Zentrum der

46
2.5 Der Klirrfaktor

Diagramm 14: 1-m-Frequenzgang eines 13-cm-Breitbandlautsprechers im 1‚5-1-


Gehäuse unter verschiedenen Messwinkeln.

Membran, der einen vollwertigen Hochtöner natürlich nicht ersetzen kann.


Trotzdem finden sich Breitband-Chassis nicht nur in TV-Geräten und
tragbaren Radios, sondern auch in mancher recht teuren HiFi-Box.
Detailreichtum und Auflösungsvermögen dieser Spezies sind allerdings eng
begrenzt - meist im Gegensatz zu den Verzerrungen. Dennoch haben selbst
verblüffend kostspielige Varianten solcher Breitbänder ihre Fan-Gemeinde,
die vor allem den mitunter nicht einmal unsympathischen Eigencharakter
dieser Exoten zu schätzen weiß.

2.5 Der Klirrfaktor


Klirr und Intermodulation bezeichnet man als nichtlineare Verzerrungen. Sie
begleiten die Sprach- und Musikwiedergabe als Ober- bzw. als Mischtöne,
gebraut aus den zugeführten Signalen.

Mit dem Klirrfaktor wird das Ausmaß unerwünschter


Oberschwingungen (Frequenz-Vervielfachungen)
beschrieben.

41
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Erzeugt ein Lautsprecher bei 80 Hz einen K2 von 5 % und einen K3 in Höhe


von 2 %‚ so enthält der produzierte Schall außer den 80 Hz noch einen fünf-
.
prozentigen Anteil von 160 Hz (2 80 Hz, daher K2) und einen zweiprozenti-
.
gen Anteil von 240 Hz (3 80 Hz, daher K3). Bei Lautsprechern bringen es K2
und K3 oft auf recht hohe Werte. Wirklich unschön klingen jedoch vor allem
ungerade Klirrverzerrungen höherer Ordnung (K5, K7 etc.), wie sie u. a. bei
der Überlastung von Lautsprechern und Verstärkern entstehen. Schon bei ei-
nem Anteil von einem Promille, also 0,1 %‚ sind sie im Grundtonbereich
hörbar und verpassen der Wiedergabe einen unangenehmen Beigeschmack.

Klirrverzerrungen entstehen infolge mangelhafter techni-


scher Qualität oder einer Überforderung von Bauteilen.

Abweichungen vom theoretischen Ideal einer Membran, Zentrierung, Rand-


aufhängung, Schwingspule, des Magneten oder der Verklebung lassen Laut-
sprecher nichtlinear verzerren (s. Abb. 26). Wie konsequent ein Hersteller
dagegen vorgeht und wie sorgfältig er seine Lautsprecher baut, ist von außen
leider nur selten zu erkennen. Auch Messergebnisse in Katalogen gelten oft
nur für einen Prototypen. Die Serien-Exemplare können erheblich davon ab-
weichen.
Sobald eine Membran große Hübe ausführt und starke Ströme durch die
Schwingspule fließen, lassen sich hohe Verzerrungen

Abb. 26: Schematischer Aufbau eines dynamischen Lautsprechers. Mangelnde Sorgfalt


beim Aufbau und minderwertige Bauteile ziehen Verzerrungen nach sich.

48
2.5 Der Klirrfaktor

nicht völlig vermeiden. Denn Zentrierung und Randaufhängung beginnen


mehr oder weniger abrupt zu bremsen, und ein kraftvoller Elektromagnet wie
die Schwingspule beeinträchtigt die Linearität des Dauermagneten. Auch
induziert das magnetische Feld der Schwingspule Wirbelströme im
Permanentmagneten. Die Folge ist lausiger Klirr höherer Ordnung.

Diagramm 15: Frequenzgang (oben) und Klirrverzerrungen (— : K2, ---: K3) eines
nagelneuen, aber offensichtlich defekten 17-cm-Mitteltöners aus Fernost. Vermutlich
waren die schwingenden Teile nicht korrekt verklebt.

Diagramm 16:
Klirrspektrum desselben
Lautsprechers bei 380
Hz und nur einem Watt
Verstärkerleistung.

49
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 17: Anderer Frequenzgang und geringere Verzerrungen bei einem zweiten Exemplar
gleichen Typs. Größere Membranauslenkungen (unter 150Hz), Partialschwingungen des
Membranrands (nahe 1,5kHz) und der Membran (ab 2,5 kHz) schlagen sich hier kaum in den
Messungen nieder.

Lautsprechertypischer K2 und K3 in Höhe von 5 % stört jenseits von 200 Hz


und 5 kHz kaum. Allein zwischen 200 Hz und 5 kHz sollte er auch bei hohen
Pegeln unter der 1-%-Schwelle bleiben. Im Bass helfen große Membranen mit
relativ nachgiebigen Randaufhängungen und Zentrierungen - solange sie die
Membranen nicht zum Taumeln verleiten. Und kräftige Magnete lassen sich
auch von starken Strömen in den Schwingspulen nicht so leicht zu
Verzerrungen verführen. Außerdem sind Chassis, Anschlussbuchsen und
Gehäusewände fest miteinander zu verbinden, so dass sie sich auch nach
etlichen Betriebsstunden nicht lockern und Störgeräusche produzieren.
Im Mittel- und Hochtonbereich sind die Magnete, die Verklebung und
Partialschwingungen potentielle Verursacher hoher Verzerrungen, auf die
aber nur der Hersteller Einfluss hat. Deshalb ist die professionelle Auswahl
und Verarbeitung aller Bauteile seitens des Herstellers sowie eine
konsequente Endkontrolle so immens wichtig. Eben daran scheitert jedoch so
mancher scheinbar preiswerte Lautsprecher.

50
2.6 Intermodulations-Verzerrungen

2.6 Intermodulations-Verzerrungen

Wie der Klirr, so gehören auch die Intermodulationen zu den nicht-linearen


Verzerrungen. Und auch sie führen dazu, dass dem Original bei der Wiedergabe
unerwünschte Begleittöne untergejubelt werden. Zwei Arten von IM-
Verzerrungen lassen sich unterscheiden, die Frequenz-Modulation (FM) und die
Amplituden-Modulation (AM).
FM-Verzerrungen beruhen auf dem Doppler-Effekt und verändern den Klang
eines Signals. Doppler fand heraus, dass die Tonhöhe einer Schallquelle von der
Geschwindigkeit abhängt, mit der sich die Quelle auf einen zu oder von einem
fort bewegt. So ändern Autohupen oder -sirenen ihren Klang, wenn der tönende
Wagen an einem vorüberfährt. Auch Lautsprechermembranen bewegen sich
rasant auf den Hörer zu und sausen augenblicklich wieder zurück. Wie der
Doppler-Effekt bei Lautsprechern zu berechnen ist, wird später noch gezeigt.

Einer weitere Auswirkung von FM-Verzerrungen sind die Mischprodukte


verschiedener Schwingungen, die sogenannten Seitenbänder.

Beispiel: Einem Lautsprecher werden zwei Signale zugeführt,


das erste (f1) mit 100 Hz, das zweite (f2) mit 1000Hz. Aufgrund von
Intermodulationen wird der Lautsprecher nun zusätzliche Signale produzieren,
die sich aus beiden Frequenzen zusammensetzen, also f2 - f1 = 900 Hz und
f2 + f1 = 1 100 Hz, sowie f2 - 2 . f1 = 800 Hz und f2 + 2 . f1 usw.
Der auf FM zurückzuführende Anteil dieser Verzerrungen am Gesamtsignal
errechnet sich zu:
d = 0,0065 . H . f2

Dabei steht d für die Verzerrungen (%)‚ H für den Membranhub (cm) und f2 für
die höhere der beiden übertragenen Frequenzen (Hz).

Daraus ist zu folgern:

Je größer die Auslenkungen einer Membran und je größer


der Frequenzbereich, den sie übertragen muss, desto
höher sind die FM-Verzerrungen.

51
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 18: FM-Verzerrungen bei einem Schalldruck von 96 dB in einem


Meter Abstand (f1 = 50 Hz; f2 = x).
X1 gilt für Lautsprecher mit ca. 21 cm Ø (Membran 15,5cm Ø)
X2 gilt für Lautsprecher mit ca. 31 cm Ø (Membran 24 cm Ø)

Diagramm 18 zeigt die Beziehung zwischen Membrandurchmesser, oberer


Einsatzfrequenz und zu erwartenden FM-Verzerrungen. Ein 31-cm-
Lautsprecher, der 50 Hz und 1,2 kHz recht laut wiedergibt, wird demnach etwa
3 % FM-Verzerrungen produzieren. Das ist gerade noch vertretbar, denn die
klanglich kritische Grenze für diese Verzerrungen liegt zwischen 1 % und 5 %
je nach Musikmaterial. Breitbandlautsprecher, die den gesamten Hörbereich zu
übertragen haben, werden daher unweigerlich hörbare FM-Verzerrungen
aufweisen. Fazit:

Für geringe Intermodulations-Verzerrungen ist der


gesamte Hörbereich wenigstens zwei Lautsprechern (Tief
und Hochtöner) zu überlassen Und für extreme
Lautstarken empfehlen sich große Membranflächen oder
hubreduzierende Hornlautsprecher.

Außer mit FM-Verzerrungen beglücken Lautsprecher nun aber noch mit AM-
Verzerrungen. Amplituden-Modulation wird, wie auch der Klirr, von
Nichtlinearitäten des Antriebs, der Membran und ihrer

52
2.6 Intermodulations-Verzerrungen

Aufhängung verursacht. AM-Verzerrungen sind am Entstehen von


Mischprodukten verschiedener Frequenzen, also von Seitenbändern,
maßgeblich beteiligt und können die Wiedergabe merklich stören.

a)

Abb. 27: Eingangssignal


f1 = 540Hz,
f2 = 4400Hz.

b)
Wiedergabe mit Klirr und
Intermodulationsverzerrungen
eines großen Mittelton-Horns.

c)
Wiedergabe mit nichtlinearen
Verzerrungen eines
minderwertigen Konus-
Mitteltöners (20 cm Ø)

53
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Abb. 27 veranschaulicht die nichtlinearen Verzerrungen verschiedener


Lautsprecherarten (nach P. Klipsch). Hier besteht das Eingangssignal nur aus
zwei Frequenzen. Normalerweise sind aber weit mehr Schwingungen
gleichzeitig von einer Membran auszuführen. Zn diesen gesellen sich nun
nichtlineare Verzerrungen mit ihren zahllosen Ober- und Mischtönen, die einen
trübenden Schleier über die Musik legen.
Wie Abb. 27 (unten) veranschaulicht, bürgen nicht einmal große Membranen
für Verzerrungsarmut. Denn Verarbeitungsmängel (Material und Verklebung)
sowie Partialschwingungen der Membran schwören üble Störgeräusche herbei.
Und selbst Hornlautsprecher werden allein in erstklassiger Ausführung
überzeugen, während Billighörner aufgrund von Nichtlinearitäten mitunter
grässlich verzerren.
Abschließend noch zur Berechnung der Frequenz-Schwankungen bei der
Lautsprecherwiedergabe. Maßgebend für den Doppler-Effekt ist die Relation
zwischen Membranschnelle und Schallgeschwindigkeit.

v=H. .f

wobei v für die Schnelle (in cm / s), H für den Membranhub (in cm) und f für
die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde steht.

Beispiel: Eine Membran schwingt bei 50Hz mit 1 cm Hub:

v = 1 . 3.14 . 50 = 157 cm / s

Die Tonhöhenschwankung (T) wird ermittelt, indem man die Membranschnelle


(v) durch die Schallgeschwindigkeit (c) dividiert:

v 157 cm / s
T= = = 0,0045 bzw. 0,45 %
c 34400 cm / s

Muss der Lautsprecher neben 50 Hz noch 900 Hz übertragen, beträgt die


Tonhöhenschwankung ca. 4 Hz (900 Hz . 0,0045 4 Hz). Folglich wird f2 stetig
zwischen 896 und 904 Hz schwanken. Die Hörschwelle für diese Art von
Tonhöhenschwankungen liegt übrigens, abhängig vom Musikmaterial, zwischen
0,3 und 1 %.

54
2.7 Der Wirkungsgrad

2.1 Der Wirkungsgrad


Der Wirkungsgrad eines Lautsprechers benennt das für ihn
typische Verhältnis zwischen aufgenommener elektrischer
Leistung und abgegebener akustischer Leistung. Übliche
HiFi-Lautsprecher erreichen zwischen 0,1 % und 1 %. Min-
destens 99% der Verstärkerleistung wandeln sie also in
Wärme um, anstatt in Schall.

Ein Lautsprecher mit 100 % Wirkungsgrad würde bei nur einem Watt
Eingangsleistung einen mittelgroßen Wohnraum mit 104 dB Schalldruck
auffüllen. Beim üblichen Mess- bzw. Mikrofonabstand von einem Meter
entspricht das einem rundum verteilten Schalldruck von etwa 112 dB. Selbst die
kräftigsten Hornlautsprecher erreichen solche Werte lediglich scheinbar, denn
sie bündeln den Schall wie Scheinwerfer das Licht. Bei einem Wirkungsgrad
von 10 % wären in einem Meter Abstand rund um die Schallquelle immerhin
noch 102 dB zu messen, und bei 1 % Wirkungsgrad wären es noch 92 dB
Schalldruck.
Statt des Wirkungsgrads in Prozent wird bei Lautsprechern zumeist der
Schalldruck in einem Meter Abstand bei einem Watt Verstärkerleistung
(1 W / 1 m) aufgeführt. Oder es wird die Betriebsleistung genannt, die
erforderliche Verstärkerleistung für 90 dB Schalldruck im Abstand von einem
Meter. Tabelle 3 verdeutlicht die Verhältnisse.
Genau genommen gilt der Wirkungsgrad in Prozent allerdings nur für
gleichmäßig rundum abstrahlende Lautsprecher. Außerdem wird bei
Schalldruckangaben in Prospekten und Katalogen gern geschummelt, und die
Messwerte liegen tatsächlich meist um 3 dB, oftmals sogar 6 dB unter den
Katalogdaten. Immerhin bedeutet ein Unterschied von 3 dB, dass der leisere
Lautsprecher doppelt soviel Leistung (Watt) für die gleiche Lautstärke
verschlingt, bei 6 dB ist es schon die vierfache Verstärkerleistung und bei 10 dB
die zehnfache. Da aber selbst preisgünstige HiFi-Verstärker 50 Watt oder mehr
abgeben können, wird ein geringer Wirkungsgrad der Boxen kaum zum
Problem anwachsen. Falsche Angaben erschweren jedoch die Auswahl
zueinander passender Chassis für eine komplette Box.

55
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Tabelle 3

Schalldruck Wirkungsgrad Betriebsleistung


1W/1m für90 dB / 1m
102dB 10,0 % 0,063 Watt
100dB 6,2 % 0,1 Watt
98dB 4,0 % 0,16 Watt
96dB 2,5 % 0,25 Watt
94dB 1,6 % 0,4 Watt
92 dB 1,0 % 0,63 Watt
90dB 0,6 % 1 Watt
88dB 0,4 % 1,6 Watt
86dB 0,25% 2,5 Watt
84dB 0,16% 4 Watt
82dB 0,1 % 6,3 Watt
80 dB 0,06 % 10 Watt

Katalogangaben beziehen sich beim mittleren Schalldruck (1 W / 1 m) oft auf


die am lautesten reproduzierten Frequenzbereiche. So trumpfen Tieftöner
aufgrund von Schallbündelung und Membranresonanzen im Mitteltonbereich
oft mit mehr als 90 dB auf, obwohl sie im Bass kaum mal 85 dB schaffen. Der
Schalldruck eines Tieftöners bei niedrigen Frequenzen lässt sich allerdings
hinreichend genau berechnen, wie in späteren Kapiteln noch gezeigt werden
soll.
Aber auch das Innenvolumen des Gehäuses und die untere Grenzfrequenz haben
beim erreichbaren Wirkungsgrad im Bass (Wmax) ein Wörtchen mitzureden. Für
geschlossene Gehäuse bedeutet das:

f (3 dB ) 3 • VG
W max = ;%
10 7

Dabei steht f(3dB) für die untere Grenzfrequenz (in Hz), bei der der Schalldruck
bereits um 3 dB gesunken ist, und VG für das Innenvolumen des geschlossenen
Gehäuses in Litern.

56
2.7 Der Wirkungsgrad

Tabelle 4: Max. Schalldruck dynamischer Lautsprecher (1 W / 1 m).

Außen- Membran- Frequenz- Gehäuse- Gehäuseart:


durch- durchmes- bereich in innenvo- geschlossen / Bassreflex
messer in ser in cm Hz (± 3 dB) lumen in l
cm
38 - 42 30 40 - 400 125 91 dB 94 dB
30 - 33 24 40 - 500 80 89 dB 92 dB
25 - 28 18,5 40 - 500 50 87 dB 90 dB
20 - 23 15,5 40 - 600 30 85 dB 88 dB
12,5 50 - 800 85 dB 88 dB
17-19 9 60 - 1000 15 82 dB 85 dB
13 5
Mittel- und . mittlere hohe
Hochtöner in kHz Werte Werte
17 - 19 12,5 0,4 - 3 — 90 dB 96 dB
13 9 0,5 - 4 — 88 dB 91 dB
11 - 12 7 0,6 - 4,5 —
88 dB 91 dB
Kalotten- 5 0,8 - 5 — 87 dB 91 dB
laut- 3,7 1,2 - 7 — 87 dB 91 dB
sprecher 2,5 3 - 15 — 87 dB 91 dB
1,9 4 - 16 — 87 dB 91 dB
Bändchen- - 5 - 20 — 90 dB 93 dB
hochtöner
Hochton-
25 4 -15 — (x) 93 dB (x) 98 dB
homer
Mittelton-
5 0,8 - 5 — 102 dB 106 dB
homer
Ring- —
— ca. 5 - 16 (x) 99dB (x) 104dB
strahler

Beträgt die untere Grenzfrequenz einer geschlossenen Box (f3dB) 50 Hz und ihr
Nettovolumen 40 Liter, so ergibt sich daraus für den maximalen Wirkungsgrad:

50 • 50 • 50 • 40
W max = % = 0,5 %
10 000 000

Bassreflex-Gehäuse verdoppeln den theoretisch erreichbaren Wirkungsgrad und


erzeugen bei gleichen Eckdaten 3 dB mehr Schalldruck.

51
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Doch alle Theorie ist bekanntlich grau; nur die Praxis malt bunte Bilder. Auch
im Lautsprecherbau treibt es die Praxis manchmal bunt. So muss von dem
ernüchternd geringen errechneten Wirkungsgrad im Bass noch ein Abschlag in
Höhe von bis zu 3 dB gemacht werden - für schwer vermeidbare Verluste in
Gehäusen und Frequenzweichen. Dafür können Partialschwingungen und Reso-
nanzen den Schalldruck im Mitteltonbereich in die Höhe treiben - allerdings nur
zum Preis eines verfärbten Klangs. Selbst billige Hornlautsprecher bieten selten
einen echten Vorteil. Im oberen Mitteltonbereich sind viele von ihnen zwar
penetrant laut, jenseits von 2 bis 4 kHz sinkt ihr Druck aber nicht selten auf das
Niveau kräftiger Kalottenlautsprecher.
Eine gebräuchliche Möglichkeit, mehr Schalldruck zu erzeugen, besteht darin,
zwei gleiche Lautsprecher parallel zu schalten (Pluspol an Pluspol und Minus
an Minus). Dabei halbiert sich die Impedanz, d. h. der Wechselstrom-
Widerstand, während sowohl der mittlere als auch der maximale Schalldruck
um 6 dB ansteigen. Im Bass klappt das nahezu problemlos, bei mittleren und
hohen Tönen mit ihren kurzen Wellenlängen machen Interferenzen die Vorteile
allerdings großenteils wieder zunichte. Doch welche Vorteile überhaupt?

Lautsprecher mit hohem Wirkungsgrad stellen meist


geringere Ansprüche an den Verstärker und erzielen
höhere Maximal-Pegel. Sie sind fast immer größer und
klingen fetziger, dynamischer und realitätsnäher als
kleinere, aber watthungrigere Typen. Auf die tonale
Ausgewogenheit, Verfärbungsarmut und die räumliche
Wiedergabe hat der Wirkungsgrad allerdings keinen
Einfluss.

Leider sind hochwertige verlustarme Lautsprecher niemals sonderlich


preisgünstig. Denn ihre Entwicklung ist zeitraubend, der Anspruch an geeignete
Materialien hoch, und ohne eine extrem präzise Fertigung wäre alles für die
Katz. Echte Schalldruckwunder sind zur HiFi-Wiedergabe im Wohnzimmer
auch gar nicht erforderlich. Schwieriger ist es schon im Disco- und
Bühnenbereich, wo extreme Pegel gefordert werden, ohne dass der Klang dabei
auf der Strecke bleibt.

58
2.8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke
2.8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke
Wie der Wirkungsgrad, so sagt auch die Belastbarkeit eines Lautsprechers
wenig über dessen Klangqualität aus. Beträgt die Nenn- oder Dauer-
Belastbarkeit einer Box 60 Watt, so heiß das nur, dass ihr höhere Leistungen
nicht für Minuten oder gar Stunden zugemutet werden dürfen. Die
Impulsbelastbarkeit nennt dagegen die kurzfristig von einem Lautsprecher
verkraftete Verstärkerleistung.

Die Nenn- oder Dauerleistung eines geeigneten


Verstärkers sollte die Impulsbelastbarkeit der
angeschlossenen Boxen nicht erheblich überschreiten.
Sind ab und zu höhere Lautstärken gefragt, darf der
Verstärker aber auch nicht zu schwach sein, sonst fängt er
an zu „clippen“ und gefährdet die Boxen.

Clipping ist ein Symptom der Überlastung eines Verstärkers, der dabei
gigantische Gleichspannungssprünge und hochfrequente Verzerrungsprodukte
in die Lautsprecher schickt. Fängt ein 30-Watt-Verstärker an zu clippen, kann er
sogar einer 60-Watt-Box den Garaus machen. Ein 150-Watt-Verstärker dagegen
wird der 60-Watt-Box weniger gefährlich. Denn bei kurzen, aber sauberen
Musikimpulsen vertragen fast alle Lautsprecher weit mehr als das Doppelte
ihrer Nennbelastbarkeit.
Eine 60-Watt-Box darf aber nicht bei jeder Frequenz mit 60 Watt belastetet
werden. Allein der Versuch könnte die Schwingspulen in Sekunden zerstören.
Denn die Belastbarkeit bezieht sich nicht auf Sinustöne oder andere
schmalbandige Signale, sondern auf breitbandiges Rauschen. Nur die Summe
aller Signale des Rauschens kann bei dieser Box bedenkenlos bis zu 60 Watt
betragen. Das Rauschen wird von der Frequenzweiche der Box in mehrere Be-
reiche aufgeteilt, z. B. Tief-, Mittel- und Hochtonbereich. Die einzelnen
Lautsprecher der 60-Watt-Box müssen somit nur einen Bruchteil der
Gesamtleistung verarbeiten können - beim Hochtöner sind das vielleicht bloß 5
Watt. Sind die Anteile des Rauschens gleichmäßig auf jedes Intervall verteilt,
sind also die Signale zwischen 50 Hz und 100 Hz gleichstark vertreten wie die
zwischen 400 und 800 Hz oder 6kHz und 12 kHz, spricht man vom „rosa
Rauschen“. Das Rauschen des UKW-Tuners, „weißes Rauschen“, enthält
dagegen

59
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 19: Anteilige elektrische Belastung der Lautsprecherchassis A: rosa


Rauschen; B: D1N45573 - N; C: Rock- und Popmusik.

weit mehr Energie bei hohen Frequenzen und klingt daher heller. Mit rosa
Rauschen lässt sich die Belastbarkeit ermitteln, die die Tief-, Mittel- und
Hochtöner einer Kombination aufweisen sollten. Nur ergibt sich bei der
Musikwiedergabe eine etwas andere Leistungsverteilung. Außerdem sind Pop-
und Rockmusik spektral etwas anders zusammengesetzt als klassische Musik,
der die Kurve B in Diagramm 20 weitgehend entspricht.
Kurve C ist der Leistungsanteil zu entnehmen, den Tief-, Mittel- und Hochtöner
einer Kombination in den meisten Fällen aufnehmen werden. Bei
Übergangsfrequenzen von 600 Hz und 4 kHz entfallen z.B.:

62 % auf den Tieftöner,


30 % auf den Mitteltöner und
8 % auf den Hochtöner.

Bei einer Gesamtbelastbarkeit von 80 Watt hätte der Basslautsprecher folglich


50 Watt zu verdauen, der Mitteltöner noch 24 Watt und der Hochtöner lediglich
6 Watt. Kleine Abweichungen (z. B. ein Hochtöner mit 5 Watt) sind in der
Praxis völlig unbedeutend, da auch die Frequenzweichen einen Teil der
Verstärkerleistung absorbieren.

60
2.8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke
Statt der Einzelbelastbarkeit eines Lautsprechers wird normalerweise aber nur
die Kombinations-Belastbarkeit angegeben - oft sogar ohne Hinweis auf das
zugrunde liegende Messverfahren. So wird ein 100-Watt-Hochtöner z. B.
Dauertöne von 4 Watt überstehen oder von 8 Watt, wenn nicht sogar 12 Watt -
je nachdem, ob die angegebene Belastbarkeit von 100 Watt mit rosa Rauschen
oder DIN-Rauschen (entspricht dem IEC-Rauschen) ermittelt wurde, und je
nachdem, ob die untere Trennfrequenz bei 3 kHz, 4 kHz oder gar bei 6 kHz lag.

Die elektrische bzw. thermische Belastbarkeit eines


Lautsprechers hängt vom Durchmesser seiner
Schwingspule ab, aber auch von deren Drahtstärke, den
verwendeten Klebstoffen sowie den Eigenschaften des
Spulenträgers und der Membran.

Hochwertige Mitteltöner haben heute eine Einzelbelastbarkeit von mindestens


20 Watt und können in Kombinationen von 60 - 100 Watt Gesamt-Belastbarkeit
spielen. Im Hochtonbereich sind folgende Werte realistisch: Mini-Kalotten mit
11 mm Spulendurchmesser halten bloß Dauersignale in Höhe von etwa 1,5 Watt
aus. Bei Kalotten mit 19 mm Durchmesser sind es schon 5 Watt, bei 25-mm-
Kalotten 10 Watt und bei Horntreibern mit sehr großen Schwingspulen über 20
Watt.
Tieftöner können sich besser schützen, da sie die erhitzte Luft aus dem Spalt
pusten, in dem sich ihre Schwingspule bewegt. Das kühlt ein wenig und lässt
die Spulen länger durchhalten. Zudem verfügen Tieftöner meist über recht
große und hitzefeste Schwingspulen. Aber:

Bei sehr niedrigen Frequenzen (unter 80 Hz) spielt die


mechanische Belastbarkeit eines Lautsprechers eine
größere Rolle, da sie weit unter der elektrischen bzw.
thermischen liegen kann.

Zwei Faktoren sind für die mechanische Belastbarkeit eines Tieftöners von
Belang. Das sind zum einen die Rückstellkräfte der Zentrierung und der
Randaufhängung. Sie bewirken, dass die Membran genau im Zentrum des
Lautsprechers bleibt, dass sie nur vor- und

61
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Links Abb. 28 a: Misst die Wickelbreite der Spule 1 6 mm und die Höhe des
Luftspalts 8 mm, bereiten Membranauslenkungen von bis zu ± 4mm kaum
Probleme.
Rechts Abbildung 28 b: Bei größeren Amplituden ( 5 mm) verlässt die Schwingspule
jedoch das Magnetfeld im Luftspalt, und der Lautsprecher verzerrt.

zurückschwingt und stets in ihre Ruhelage zurückkehrt. Doch behindern die


Rückstellkräfte vor allem große Membranamplituden.
Der zweite Einflussfaktor auf die mechanische Belastbarkeit ergibt sich aus der
Differenz zwischen der Wickelhöhe der Schwingspule und der Höhe des
Luftspalts. Beträgt die Höhe bzw. -breite einer Spulenwicklung 14 mm, und ist
der Luftspalt 8 mm hoch, so dürfen die Auslenkungen von Schwingspule und
Membran ± 3 mm kaum überschreiten. Ansonsten sind hohe Verzerrungen
angesagt. Dennoch gewährleistet eine Differenz bzw. ein linearer Hub von 6
Millimetern (Amplitude = ± 3 mm) nicht, dass ein Tieftöner bis dahin absolut
ungehemmt musiziert. Dazu sind die Rückstellkräfte zu gewaltig, und schon bei
mittleren Pegeln ist mit recht hohen, wenn auch klanglich kaum bedenklichen
Verzerrungen im Tiefbass zu rechnen.
Positive und negative Membranamplitude sind übrigens nicht immer gleich
groß, d. h., eine Membran kann sich vielleicht 5 mm halbwegs ungestört nach
hinten bewegen, jedoch nur 4 mm nach vorn. Und bei großen Amplituden kann
sich die Mittellage der Membran nach vorn oder hinten verschieben, so als
würde das Wechselstrom-Signal von einer Gleichspannung überlagert. Dieses

62
2.8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke
auch als „DC-Offset“ bezeichnete Phänomen wird von einer Unsymmetrie des
permanenten Magnetfelds ausgelöst, wobei es den Elektromagneten, die
Schwingspule, immer zur schwächeren Seite des Permanentmagnetfelds zieht.

Diagramm 20:

Maximaler verzerrungsarm
produzierter Schalldruck
typischer Tieftöner in
geschlossener Box und im
Abstand

Außen-Ø Hub
A:38cm 6mm 92,5(1dB
SPL W / 1 m) 150 Watt
Belastbarkeit
B: 31cm 6mm 90,5dB 90 Watt
C: 26cm 6mm 88,5dB 55 Watt
D: 21 cm 5mm 86,5dB 35 Watt
E: 13 cm 5mm 83,5dB 20 Watt

Diagramm 20 zeigt, welchen Maximaldruck Basslautsprecher noch ziemlich


verzerrungsarm erzeugen können, wenn sie in ein ausreichend großes
geschlossenes Gehäuse eingebaut sind. In vielen Bassreflex-Gehäusen bleibt
der höchste erzielbare Pegel sogar bis unter 40 Hz weitgehend konstant, statt
schon ab 80 Hz kontinuierlich abzusinken. Und äußerst langhubige oder hoch
belastbare Tieftöner können die angegebenen Werte natürlich auch über-
schreiten. Trotzdem benötigt man für kräftige Tiefbässe schon wenigstens 20-
cm-Exemplare.
Die Schalldruckangaben in Diagramm 19 beziehen sich auf einen
Messabstand von einem Meter. Wenn man die Entfernung zur

63
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher
Schallquelle verdoppelt, nimmt der Schalldruck im Freifeld (draußen) um sechs
Dezibel ab. Bei einem Hörabstand von 4 Metern wären die Lautsprecher
demnach schon 12 dB leiser. Aufgrund der vielen Reflexionen sind es im
Wohnraum aber nur rund 8 dB, die bei dem üblichen Hörabstand von 4 bis 6
Metern abgezogen werden müssen.
Zur Berechnung des Schalldrucks eines Lautsprechers im Tiefbass:

Pmax = 112 dB + 10 log Pak (= max. Schalldruck in 1 m Abstand)

Pak = Zs . v² (= akustische Leistung in Watt)


3
π • po 4
Zs = •r • f2 (= Strahlungswiderstand)
c
v=H.f. (= Membranschnelle)

H=x (= max. Membranhub in Metern)

Po = 1,18 (= Luftdichte in kg / m³)

c = 344 (= Schallgeschwindigkeit in m / s)

r=y (= effektiver Membranradius in Metern)

f=z (= beliebige Frequenz in Hertz)

Beispiel: Auf 18,5 cm bringt es die Membran eines 26-cm-Tieftöners im


Durchmesser. Da die Randaufhängung zur Hälfte mitschwingt, sind es effektiv
jedoch 20,4 cm (r = 0,102 m). Als Schwingspulenüberhang werden 6 mm
angegeben (H = 0,006 m). Daraus soll der erreichbare Schalldruck bei 60 Hz in
einem Meter Abstand errechnet werden:

Membranschnelle: v = 0,006 . 60 . 3,14 = 1,13 m / s

Strahlungswiderstand: Zs =
3,14³ • 1,18 . 0,1024 . 60² = 0,041
344
akustische Leistung: Pak = 0,041 . 1,28 = 0,052 Watt

maximaler Schalldruck: Pmax = 112 dB + 10 log 0,052 = 99,2 dB

64
2.8 Belastbarkeit und maximale Lautstärke
Der höchste Schalldruck, den ein normaler 26-cm-Tieftöner in einer
geschlossenen Box und einem Meter Abstand relativ verzerrungsarm erzeugen
kann, beträgt bei 60 Hz also rund 99 dB. Bringt dieser Tieftöner bei 1 W / 1 m
und 60 Hz bereits 86 dB Schalldruck zustande, erreicht er sein Maximum bei
nur 13 dB mehr Leistung. Dem entsprechen 20 Watt vom Verstärker. Diese 20
Watt markieren die Grenze der mechanische Belastbarkeit des Tieftöners - ganz
gleich, ob seine Schwingspule 100 oder gar 200 Watt verträgt, bevor sie glüht.
Mutet man ihm bei 60 Hz mehr als 20 Watt zu, erhöht sich der Schalldruck
kaum noch - im Gegensatz zu den Verzerrungen.
Mit Exponential- und Bassreflexgehäusen lässt sich das mechanische Limit
jedoch weit verschieben, denn sie produzieren lautere Bässe bei zugleich
verringerten Membranhüben. Darüber hinaus kann der maximale Schalldruck
durch Verdoppelung der Membranfläche um 6 dB erhöht werden. Bei vier
gleichen Tieftönern sind es sogar 12 dB.

Und wie sieht das im mittleren und hohen Frequenzbereich aus?


Sind Einzelbelastbarkeit und Wirkungsgrad der Lautsprecher bekannt, kann
man mit Hilfe von Tabelle 5 annähernd den höchsten Schalldruck ermitteln, den
sie zu erzeugen vermögen. Doch mangelt es bei solchen Pegeln häufig an der
gebotenen Verzerrungsarmut. Tabelle 5 zeigt auch, dass eine gut hörbare
Steigerung der Lautstärke (+3 dB Schalldruck) schon die doppelte
Verstärkerleistung erfordert. Eine Verdoppelung der Lautstärke (+ 10 dB
Schalldruck) verlangt gar nach der zehnfachen Leistung, also z.B. 200 Watt statt
20 Watt.
Aus Tabelle 6 ist der Schalldruck zu abzulesen, den übliche Mittel- und
Hochtöner auf Achse und in einem Meter Abstand hervorbringen können. Beim
üblichen Hörabstand von 4 bis 6 Metern liegen die Werte im Wohnraum aber
schon um ca. 8 dB darunter. Außerdem sind mindestens 10 dB als Reserve für
kräftige Impulse einzuplanen. Als durchschnittlicher Schallpegel in Hörposition
können somit kaum mehr als 80 dB realisiert werden. Das reicht aber aus, um
manchen Staubsauger neidisch zu machen und manchen Nachbarn wütend.

65
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher
Tabelle 5 : Theoretischer Einfluss der zugeführten Leistung auf den Schalldruck
eines Lautsprechers. Als mittlerer Schalldruck (SPL) bei 1 W / 1 m wurden 90 dB
angenommen.

1 Watt SPL+ 0 dB = 90 dB
2 Watt SPL+ 3 dB = 93 dB
3 Watt SPL+ 4,8dB 95 dB
4 Watt SPL+ 6 dB = 96 dB
5 Watt SPL+ 7 dB = 97 dB
6 Watt SPL + 8 dB = 98 dB
8 Watt SPL + 9 dB = 99 dB
10 Watt SPL+ 10 dB = 100dB
15 Watt SPL+ 12 dB = 112dB
20 Watt SPL + 13 dB = 113 dB
30 Watt SPL+ 15 dB = 115dB
50 Watt SPL+ 17 dB = 117dB
100 Watt SPL + 20 dB = 120 dB

Tabelle 6: Maximaler Schalldruck üblicher HiFi-Mittel- und Hochtöner in einem


Meter Abstand.

13 cm Konusmitteltöner 100 -- 105 dB 500 Hz -- 4 kHz


11 cm Konusmitteltöner 100 -- 105 dB 600 Hz -- 5 kHz
5 cm Kalottenmitteltöner 100 -- 105 dB 800 Hz -- 6 kHz
3,7 cm Kalottenmitteltöner 98 -- 102 dB 1,2 kHz -- 7 kHz
2,5 cm Kalottenhochtöner 97 -- 101 dB 3 kHz -- 15 kHz
1,9 cm Kalottenhochtöner 94 -- 98 dB 4 kHz -- 17 kHz
1,1 cm Mini-Kalotte 90 -- 94 dB 5 kHz -- 20 kHz

Verluste aufgrund erhitzter Schwingspulen, überforderter Membranen und


Nichlinearitäten des Antriebs senken die Werte um bis zu 5 dB, doch eine
hohe Impulsbelastbarkeit kann das teilweise kompensieren.

66
2.9 Die Impedanz
Da die kräftige Beschallung großer Räume eine Mindestleistung von einem
akustischen Watt erfordert (entspricht 112 dB / 1 m), wird verständlich, warum
sich übliche HiFi-Lautsprecher dafür weniger eignen.

2.9 Die Impedanz


Der Kupferdraht einer Schwingspule lässt elektrischen Strom nicht vollkommen
unbehelligt und verlustfrei fließen, sondern setzt ihm einen Widerstand
entgegen. Für Gleichstrom ist der Widerstand am niedrigsten, für Wechselstrom
zumindest etwas höher. Der Nennwert dieses Wechselstromwiderstands beträgt
in der Regel 4 oder 8 Ohm, um eine Anpassung an übliche Verstärker zu
gewährleisten.

Lautsprecher mit einem Wechselstromwiderstand bzw. einer


lmpedanz von 4 entziehen dem Verstärker doppelt so viel
Strom wie 8-Ohm-Versionen und wirken lauter (theoretisch
um 3dB).

Allerdings bleibt die Impedanz eines Lautsprechers fast nie über den gesamten
Frequenzbereich konstant. Die meisten Exemplare weisen je nach Frequenz
mehr oder weniger hohe Abweichungen vom Nennwert auf. Diagramm 21 (5.
67) veranschaulicht das anhand eines Beispiels.
Ein Maximum im Impedanzverlauf entsteht fast immer bei der Grundresonanz,
wo Lautsprecher besonders heftig schwingen. Dabei erzeugt das magnetische
Feld des Dauermagneten elektrische Spannungen in der Schwingspule, die der
Verstärkerspannung entgegengesetzt sind (elektromagnetische
Gegeninduktion). Die Gegenspannung erhöht die Impedanz im Bereich der
Grundresonanz. Und je kräftiger der Magnet ist, desto höher treibt er den
Widerstand, so dass er bisweilen noch über das Zehnfache der Nennimpedanz
klettert. Folge:

Die Gegeninduktion reduziert die Membranbewegungen und


den Schalldruck nahe der Grundresonanz. Tieftöner mit
superstarken Magneten tendieren daher zu eher schwachen
Tiefbässen.

67
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

Diagramm 21: Impedanzkurve eines 8- -Tieftöners. Grundresonanz, diverse


Eigenresonanzen und Schwingspuleninduktivität führen zu Abweichungen vom
Nennwert.

Diagramm 22: Gehäusebauart und -volumen sowie die Frequenzweichen entscheiden


letztendlich über den Impedanzverlauf einer fertigen Box.

Der Impedanzanstieg zu hohen Frequenzen hin liegt dagegen an der


Induktivität der Schwingspule. Je mehr Windungen eine Spule aufweist, desto
größer ist ihre Induktivität und desto höher wird der Widerstand mit der
Frequenz klettern. Auch gegen ein schnelles

68
2.9 Die Impedanz
Umpolen des Magnetfelds scheinen sich Schwingspulen also zu wehren.
Zwischen dem Maximum bei der Grundresonanz und dem Anstieg zu hohen
Frequenzen zeigen sich oft noch kleine Welligkeiten im Impedanzverlauf. De-
ren Ursachen sind Eigenresonanzen und Partialschwingungen, die sich aber
nicht immer in der Impedanzkurve offenbaren.

Bei kompletten Boxen bestimmen auch das Gehäuse und


die Frequenzweiche den Verlauf des Wechselstromwider-
stands. Die lmpedanzkurven der einzelnen Tief-, Mittel- und
Hochtöner lassen sich darin kaum wiedererkennen. Der
lmpedanzverlauf einer Box ist klanglich keinesfalls belang-
los, da er das Zusammenspiel zwischen Lautsprechern und
Verstärker beeinflusst.

Eine ausgeprägte Gegeninduktion des Tieftöners führt beispielsweise zu beacht-


lichen Strömen, die phasengedreht in die Endstufe zurückfließen. Schwer ver-
daulich sind für einige Verstärker auch schmale Impedanzmaxima im Mittel-
tonbereich, wenn z. B. der Widerstand von knapp 4 bei 500 Hz auf über 20
bei 1 kHz steigt und bis 2 kHz wieder tief abfällt. Die damit einhergehenden
Phasenverschiebungen zwischen Spannung und Strom werden von den Fre-
quenzweichen hervorgerufen, von den Kondensatoren und Spulen einer Box.
Ebenfalls nicht gerade unbedenklich sind Impedanzminima, vor allem, wenn
der Widerstand deutlich unter 3 Ohm sinkt. Aufgrund von Wechselwirkungen
zwischen all den elektrischen Bauteilen einer Box ist das schnell geschehen. Mit
8- -Lautsprechern, die beim Selbstbau Standard sind, steht man aber auf der
sicheren Seite - auch wenn Interaktionen mit der Frequenzweiche diesen Wert
später in irgendeinem Frequenzbereich halbieren sollten.
Eine Nennimpedanz von 4 Ohm hat sich bislang nur bei Fertigboxen durchset-
zen können. Da sich der Stromfluss vom Verstärker mit sinkender Impedanz
erhöht, tönen niederohmige Boxen lauter, und sie werden im flüchtigen Hörver-
gleich fast immer bevorzugt. Trotzdem ist die Maximallautstärke von höheroh-
migen Boxen keinesfalls geringer. Denn an ihnen kann der Verstärker weiter
aufgedreht werden, da er ja weniger Strom abgeben muss und erst später

69
2 Eigenschaften dynamischer Lautsprecher

an seine Clipping-Grenze stößt. Zudem reagieren 8- -Boxen nicht so


kritisch auf lange Lautsprecherkabel wie 4- -Exemplare. Und nahezu alle
modernen HiFi-Verstärker erlauben den Anschluss von zwei Paar 8- -
Boxen, aber nur von einem Paar mit 4 Impedanz.

70
3. Die verschiedenen
Lautsprecherarten
3.1 Bändchenhochtöner
Das Urprinzip des Bändchenhochtöners ist schon viele Jahrzehnte alt. Anstelle
einer Schwingspule mit angeklebter Membran nutzt diese Art einen leicht
gefalteten Aluminiumstreifen, der gleich beide Funktionen übernimmt. Die
geringe Impedanz des Alustreifens erfordert allerdings einen trafo-ähnlichen
Überträger, und der eher bescheidene Wirkungsgrad legt die Verwendung eines
Trichters vor der Membran nahe.
Kleiner und etwas praxisfreundlicher als ihre Vorfahren sind magnetostatische
bzw. isodynamische Hochtöner, die ebenfalls als Bändchen bezeichnet werden.
Anstelle des Aluminiumstreifens schwingt bei ihnen eine hauchdünne
Kunststofffolie mit leiterbahnähnlicher Schwingspule im Energiefeld eines
starken Permanentmagneten. Einige weisen Magnete mit runder, andere mit
eckiger Bauform auf - falls sie nicht als Stäbchen in direkter Membrannähe
angebracht sind. Magnetostatische Bändchen benötigen weder Überträger noch
schallbündelnde Trichter, doch klingen sie ebenso flink und präzise wie ihre
Ahnen.
Das hohe Auflösungsvermögen und den Detailreichtum verdanken
Bändchenhochtöner in erster Linie der geringen bewegten Masse von weit unter
100 Milligramm. Und superfeines Dämmmaterial, das ihre Membran leicht
berührt, gibt garstigen Eigenresonanzen keine Chance. Das verleitet zu dem
Glauben, Bändchenlautsprecher seien ideale Hochtöner. Aber das stimmt nicht
ganz, da ihre Membranen nur winzigste Hübe ausführen können, ohne hörbar zu
ver-

71
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Abb. 29: Aufbau eines


magnetostatischen
Bändchenhochtöners.

(1)Diffusor zur besseren horizontalen Schallverteilung (Abstrahlwinkel).


(2)Membran aus extrem dünner und leichter Folie mit ausgeätzter oder aufgedampfter,
leiterbahnähnlicher Schwingspule.
(2) Frontplatte mit Minitrichter für einen höheren Schalldruck.
(4) u. (6) Polplatten aus Stahl. Sie leiten die magnetische Energie zur Schwingspule.
(5) Extrem starker Permanentmagnet aus besonderen Metallen.
(7)Randaufhängung der Membran.
(8)Polkern aus Stahl.

zerren. Manche Exemplare sind daher nur oberhalb von 6kHz, andere
frühestens ab 4kHz einsetzbar. Das ist eine große Einschränkung, wenn man
bedenkt, dass es kaum Mitteltöner gibt, die bis 4 kHz oder gar 6 kHz ähnlich
detailverliebt musizieren und klanglich mit Bändchenhochtönern vollendet
harmonieren. Hinzu kommt, dass mit steigender Trennfrequenz auch die
Interferenzprobleme zwischen Mittel- und Hochtönern zunehmen.
Größere Membranen können zwar helfen, die untere Einsatzfrequenz zu
verringern, sie treiben andererseits aber die Preise von Magnetostaten bzw.
Bändchenlautsprechern in geradezu schwindelnde Höhen, da das Magnetfeld
gleichmäßig über die gesamte Membran verteilt werden muss. Außerdem ist
die Schallverteilung großer Membranen bei hohen Frequenzen
unzufriedenstellend. Selbst kleinere, schmale Ausführungen bündeln in
vertikaler Richtung oft wie Hörner, und nur ihr horizontaler Abstrahlwinkel ist
relativ groß und daher unkritisch.

72
3.1 Bändchenhochtöner

Diagramm 23: Bändchenhochtöner RHT 12 S von Visaton. Oben: Schalldruckverlauf


(1 Watt / 1 Meter) axial und im Winkel von 30° horizontal zur Achse. Unten:
Bändchenhochtöner haben einen linealglatten Impedanzverlauf, der sogar die
Grundresonanz (hier knapp 4 kHz) verschweigt.

Der Klarheit, Feinzeichnung und Unaufdringlichkeit von Bändchen stehen


also ein mäßiger vertikaler Abstrahlwinkel und eine hohe Trennfrequenz zum
Mitteltöner gegenüber. Diese beiden Hauptschwächen können die
Homogenität, die Räumlichkeit und die Ortungsschärfe der kompletten Box
in Mitleidenschaft ziehen. Wer sich aber trotzdem für diese Spezies
entscheidet und auch den nicht ganz niedrigen Preis akzeptiert, wird es kaum
je bereuen. Denn mit ihrer differenzierten und dezenten Brillanzwiedergabe
können Bändchenhochtöner tief beeindrucken und ihre Schwächen nahezu
vergessen lassen.
Auch Bändchenhochtöner sind immer frontal auf die Schallwand zu
schrauben, um klangliche und messtechnische Einbußen aufgrund von
Beugungseffekten zu verhindern. Außerdem sind sie aufgrund ihrer
Schallbündelung unbedingt auf Ohrhöhe auszurichten und senkrecht
einzubauen, so dass die Längsseite der Membran von oben nach unten
verläuft, sonst ändert sich ihr Klang zu sehr mit der Hörposition.

73
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Bändchenhochtöner mit Folienmembran: Technics TH400 und der Visaton


RHT 12 S

Kalottenhochtöner mit ganz unterschiedlichen Membranen.


Links: titanbedampfter, steifer Kunststoff von Audax; oben: leichtes Gewebe von WHD;
unten: weiches Polyamid (Supronyl) von vifa; rechts: festes Titan von Seas.

74
3.2 Kalottenlautsprecher

3.2 Kalottenlautsprecher

Abb.30
(1) Membran aus weichem
Kunststoffgewebe (,‚soft
dome“), aus Kunststofffolie
(Polyamid oder Poly-
carbonat), aus Metall
(Aluminium, Titan,
Beryllium) und manchmal
auch aus speziellem
Papiergemisch.

(2) Schalldämpfendes Material.


(3) Randaufhängung, meist aus Kunststoff.
(4) Frontplatte aus Metall oder Kunststoff.
(5) Polplatte aus Stahl.
(6) Ferritmagnet.
(7) Bodenplatte aus Stahl.
(8) Schwingspulenträger (meist aus Aluminium) mit Schwingspule im Luftspalt zwischen
Polkern und Polplatte. Bei einigen Modellen ist der Luftspalt mit einer magnetischen
Kühlflüssigkeit (Ferro- oder Magnetofluid) gefüllt.
(9) Polkern aus Stahl. Bei einigen Modellen ist der Polkern durchbohrt, um das
Luftvolumen hinter der Membran zu vergrößern.

Kalottenlautsprecher haben eine kuppelförmige Membran, deren Durchmesser


dem ihrer Schwingspule entspricht. Übliche Abmessungen sind 37 mm und 50
mm bei Mitteltönern 19 und 25mm bei Hochtönern. Insbesondere als Hochtöner
sind Kalottenlautsprecher aus gutem Grund sehr populär, da sich ihre kleinen
Membranen vorzüglich zur Wiedergabe der Obertöne eignen. Im obersten
Brillanzbereich lassen sich Partialschwingungen zwar nicht mehr vermeiden, nur
reagiert das Gehör darauf bei hohen Frequenzen nicht sehr empfindlich.
Durchaus vermeidbar, aber dennoch keinesfalls selten sind andere Schwächen,
wie z. B. die

75
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Abwesenheit von Dämmmaterial zwischen Membran und Polkern, kleinste


Undichtigkeiten in oder hinter der Membran sowie eine nicht akkurat zentrierte
Schwingspule, die am Polkern oder an der oberen Polplatte kratzt.
Dummerweise sind solche überflüssigen Mängel von außen kaum zu erkennen.
Ein angeborenes Handicap aller Kalotten liegt in ihrer nur einfachen
Befestigung, denn Randaufhängung und Zentriermembran sind bei ihnen ja
identisch. Daher können die Membranen leichter ins Taumeln geraten, vor
allem, wenn die Trennfrequenz zum Mitteltöner oder zum Basslautsprecher zu
tief liegt, d.h. weniger als eine Oktave über der Grundresonanz. Denn im
Einflussbereich von Resonanzen spielen alle Lautsprecher recht unkontrolliert
und verzerren.
Bei ordentlicher Konstruktion und artgerechtem Einsatz sind Ka-
lottenlautsprecher für den Mittelhochtonbereich aber kaum zu übertrumpfen, da
sie ein hervorragendes Preis-Gegenwert-Verhältnis ermöglichen. Die geringe
bewegliche Masse - bei einem 25-mm-Hochtöner oft nur 0,3 Gramm - und ein
kräftiger Antrieb verhelfen zu einem ordentlichen Wirkungsgrad und zu einer
hohen Wiedergabepräzision. Die große Schwingspule sorgt für genügende
Belastbarkeit und die kleine Membranfläche für eine breitwinklige
Schallverteilung. Was will man mehr!
Dennoch gibt es natürlich erhebliche Unterschiede zwischen Kalotten.
Membranen aus weicher Kunststofffolie oder beschichtetem Gewebe tendieren
zum Beispiel selbst bei hohen Pegeln kaum zur Aggressivität, zeichnen
dynamische Konturen andererseits mitunter etwas zarter als nötig.
Metallkalotten nehmen die Wärme der Schwingspulen besser auf und leiten sie
an die umgebende Luft weiter. Auch neigen Titan und Aluminium aufgrund
ihrer höheren Steifigkeit weniger dazu, sich bei größeren Hüben zu verformen.
Dafür zeigen sie ausgeprägte Abrissresonanzen oberhalb von 20 kHz. Nicht
allein das Membranmaterial, sondern zahlreiche konstruktive Details besiegeln
letztendlich die messtechnische und klangliche Qualität eines
Kalottenlautsprechers. Über den Verkaufserfolg werden allerdings wohl andere
Faktoren entscheiden, wie z. B. das Design und der Preis.
Die Membranhöhe, kleine Schalldiffusoren, die zugleich vor Berührung
schützen, sowie die Formgebung der Montageplatte in Mem-

76
3.2 Kalottenlautsprecher

Diagramm 24: 25-mm-Gewebekalotte SKK1O von Isophon.


Oben: Schaldruckverlauf (1 Watt / 1 Meter) auf Achse und im Winkel von 30°.
Unten: Impedanzverlauf.

brannähe haben einen beträchtlichen Einfluss auf Frequenzgang und


Abstrahlwinkel vor allem bei hohen Frequenzen. Winzigste Undichtigkeiten
und eine nicht perfekt positionierte Schwingspule dagegen treiben die
Verzerrungen in die Höhe. Die Größe und Bedämpfung des Volumens hinter
der Membran, Gewicht, Wickelhöhe sowie die Verklebung der Schwingspule
und ihres Trägers, die Füllung des Luftspalts mit Kühlflüssigkeit (s. nächsten
Abschnitt) - alles das sind klangentscheidende Faktoren, die bei der Entwick-
lung und Fertigung konsequent berücksichtigt werden müssen und natürlich
ihren Preis haben.
Wer keine blauen Wunder erleben will, sollte sich an Markenprodukte halten
und bei Einbau und Weichenschaltung an die Empfehlungen des Herstellers,
Fachverkäufers oder einer Fachzeitschrift, selbst wenn das am Ende ein paar
Mark teurer kommt.

77
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Exkurs: Magnetofluide

Seit vielen Jahren wird fleißig versucht, mit Hilfe von Magnetofluiden einen
positiven Einfluss auf die Schwingspulen zumeist von Kalotten auszuüben.
Magnetofluide sind ölige, mit magnetischen Partikeln versehene Flüssigkeiten,
die in den Luftspalt des Permanentmagneten gegossen bzw. gespritzt werden.
Dieses Ölbad wirkt auf die Schwingspule eines Lautsprechers tatsächlich
beruhigend und kühlend, da es unkontrollierte Schwingungen mindert und
Wärme besser als Luft zur Magnetkonstruktion ableitet. Auch dämpft das Fluid
die Grundresonanz und verkleinert das Luftvolumen hinter der
Kalottenmembran. So steigt die Resonanzfrequenz zwar deutlich an, ist aber
weniger ausgeprägt. Gegebenenfalls wird der Polkern des Magneten durchbohrt,
um das Volumen wieder zu vergrößern und die Grundresonanz zu senken.
Magnetofluide unterscheiden sich in ihrer Dickflüssigkeit und in der Zahl der
magnetischen Partikel pro Kubikzentimeter. Werden beide Qualitäten auf den
Lautsprecher abgestimmt, können die Fluids ihn tatsächlich beherrschter und
stimmiger klingen lassen und zugleich seine elektrische bzw. thermische
Belastbarkeit erhöhen.
Doch in der Praxis müssen Chassishersteller zwei Übel bekämpfen:
zum einen den Unwillen der Fluids, sich gleichmäßig im Luftspalt zu verteilen
und auch später nicht wieder zu entweichen, zum zweiten die sich nicht selten
verändernde Konsistenz des magnetischen Öls. In der Praxis hat das weit
reichende Folgen. Eine ungleichmäßige Verteilung erhöht die Gefahr
unkontrollierter Schwingungen, und mancher angeblich flüssigkeitsgekühlte
Hochtöner birgt lediglich einen halben Tropfen des kostspieligen Öls irgendwo
im Luftspalt, während andere gebefreudig die Polplatte baden, statt die erhitzte
Schwingspule. Und selbst wenn Chassis-Hersteller die Verteilung im Luftspalt
ernst nehmen, sind sie gegen das zweite Übel nicht gefeit: Magnetofluide
können teilweise verdunsten, zähflüssiger werden oder gar verharzen. Dann
muss der Luftspalt gereinigt und neu gefüllt werden, doch kaum ein Hersteller
bietet seinen Kunden diesen Service.
Das Verharzen des Fluids führt dazu, dass die Schwingspule mehr oder weniger
festsitzt, so dass der Lautsprecher verzerrt und weni-

78
3.2 Kalottenlautsprecher

Diagramm 25: Magnetofluid offenbart sich am deutlichsten im Bereich der


Grundresonanz eines Lautsprechers. A: axialer Schalldruck- und Impedanzverlauf
einer Hochtonkalotte ohne Fluid. B: nach Füllung des Luftspalts mit Ferrofluid

ger Schalldruck erzeugt. Dieses Risiko lässt sich anscheinend nicht ein für
allemal ausschalten, auch wenn die Erzeuger regelmäßig beteuern, endlich ein
Mittel entwickelt zu haben, das wirklich problemlos ist.

Fatalerweise tritt das Phänomen der Verflüchtigung, trotz identischer


Rahmenbedingungen, bei einigen Lautsprechern schon nach wenigen Wochen
und bei anderen erst nach Monaten auf, während zahlreiche Exemplare selbst
nach Jahren heftigen Gebrauchs lediglich minimale Krankheitssymptome
zeigen. Eine zweifelsfreie Diagnose zur Lösung des Problems ließ sich bisher
leider nicht stellen, da weder die spezifischen Eigenschaften der diversen
Fluids noch deren unterschiedliche Herkunft eindeutige Anhaltspunkte
ergaben.

79
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher
Abb. 31:Schematischer
Aufbau eines
Hochtonhorns

A: magnetischer Antrieb
M: Membran
T: Trichter oder Horn
P: Phasenkorrektur Element
D: Druckkammer

Hornlautsprecher verbergen gewöhnlich eine überaus steife Kalottenmembran in


ihrem Innern. Die von der Membran produzierten Luftschwingungen werden
erst in einer Druckkammer komprimiert, bevor sie über einen Trichter, per
Geschwindigkeitstransformation verstärkt, in den Hörraum geblasen werden.
Der dazu nötige Aufwand soll mehr Schalldruck erringen als ihn Kalotten von
sich aus erzeugen können.
Schon ein einfacher Trichter macht eine Hochtonkalotte auf Achse lauter, doch
mit Druckkammern ist noch mehr drin. Denn sie drosseln die
Membranamplituden und damit die nichtlinearen Verzerrungen und heben
zugleich den Schalldruck nahe ihrer oberen Grenzfrequenz.
Ein fester Bestandteil dieser Kammern hat stets eine Doppelfunktion: das
Phasenkorrektur-Element. Es begrenzt die Druckkammer

80
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

und bewirkt, dass die Wegstrecken von allen Punkten der Membran bis zum
Trichter annähernd gleich sind. Ungehörige Pegelschwankungen bei hohen
Frequenzen lassen sich dadurch minimieren.

3.3.1 Hochtonhörner

Leider ist der Übertragungsbereich von Hörnern begrenzt. Abgesehen von


mechanischen Limits der Membranen (Partialschwingungen, Eigenresonanzen)
lässt sich auch die obere Grenzfrequenz einer Druckkammer nicht beliebig
erhöhen. Fertigungstechnisch bedingt ist für Kalottenmembranen bei rund 15
kHz meistens Schluss.
Die untere Grenzfrequenz ist dagegen von der Geometrie des Horns abhängig,
vom Umfang des Trichtermundes und von der Krümmungskonstante, mit der
sich der Trichterquerschnitt allmählich erweitert. Die niedrigste Frequenz, die
ein Horn ohne Mühe reproduzieren kann, hat eine Wellenlänge, die dem
Umfang des Trichtermundes entspricht. Ein Horn mit einer Mundöffnung von 9
cm Durchmesser (Umfang 28 cm) wird unterhalb von 1,2 kHz daher
verstummen.
Der Übertragungsbereich eines Hochtonhorns mit Kalottenmembran und 9 cm
Mundöffnung reicht also nur von 1,2 kHz bis etwa 15 kHz. Nahe ihrer unteren
Grenzfrequenz spielen Hörner aber eher unschön, neigen zu verzerren und zu
verfärben. Deshalb sollte die Übergangsfrequenz zum Tief- bzw. Mitteltöner
deutlich höher liegen, hier z. B. über 2 kHz. Doch bei Frequenzen mit
Wellenlängen kleiner als der Trichterdurchmesser neigen Hörner auch noch zur
unmäßigen Schallbündelung. Ist die Mundöffnung 9 cm weit, richtet das Horn
den Schall oberhalb 4 kHz wie ein Scheinwerfer-Reflektor das Licht. Damit
wäre dieses Horn also nur von 2,5 kHz bis 4kHz wirklich optimal.
Doch lässt sich die Schallverteilung eines Horns mit Hilfe akustischer
(Streu-)Linsen beträchtlich ausweiten. Weitere Möglichkeiten zur Optimierung
des Abstrahlwinkels von Hornlautsprechern bietet die Form des Trichters. Nur
zieht jede Vergrößerung des Abstrahlwinkels unvermeidbare Pegelverluste auf
Achse nach sich: akustische Linsen und breit streuende Trichter lassen
Hochtonhörner

81
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Diagramm 26: Frequenzgang des Isophon DKT 11 C 110 (Mundöffnung:


9 cm Ø) axial und im Winkel.

oberhalb von 6 kHz deshalb kaum lauter spielen als kräftige Kalotten. Zudem
erfordern sie eine Begradigung der Schalldruckkurve per Frequenzweiche.
Sehr kleine Trichter, die weniger bündeln, schaffen auch nur bedingt Abhilfe,
da sie erst ab 5 kHz bis 6 kHz einsetzbar sind. Trotzdem kann sich die
Anschaffung eines Hochtonhorns durchaus rentieren. Denn Akustik-Linsen
vergrößern in der Regel nur den horizontalen Abstrahlwinkel. In vertikaler
Ebene bleibt die Bündelung bestehen, lässt weniger Schall zu Fußboden und
Zimmerdecke gelangen und sorgt auf diese Weise für schwächere Reflexionen
und damit für mehr Wiedergabepräzision.
Überhaupt liegt in der Schallbündelung und ihrer reflexionsmindernden
Wirkung einer der Hauptvorteile von Hornlautsprechern, die oft weitaus
präziser klingen als es die Messergebnisse vermuten lassen. Denn die
Messungen werden von Trichterreflexionen beeinflusst, die sich klanglich
kaum auswirken, im Gegensatz zu den erst später beim Hörer eintreffenden
Hörraumreflexionen. Übliche Messungen erfassen zwar die Reflexionen im
Horn, nicht aber die des Hörraums, sonst hätten Kalottenhochtöner bei
Impulsmessungen zweifellos das Nachsehen.

82
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

Diagramm 27: A: wie Diagramm 26, jedoch mit Akustiklinse. Ganz nebenbei senken
die Linsen übrigens auch die untere Grenzfrequenz. B: mit Frequenzweiche.

Von Vorteil ist auch die relative Verzerrungsarmut guter Hörner bei hohen
Lautstärken: Sie lassen Töne selbst bei extremen Pegeln mit einer Lässigkeit
und Souveränität sprudeln, die regelrecht „hornkrank“ machen kann. D. h. die
Gewöhnung an Hörner lässt gewöhnliche HiFi-Lautsprecher schlapp und fahl
erscheinen, obwohl sie in der Regel weniger verfärben und die weitaus
größere Stereoperspektive bieten.
Dennoch können Hochtonhörner nicht uneingeschränkt empfohlen werden.
Nicht optimal konstruierte und mit penibler Genauigkeit gefertigte
Hornlautsprecher neigen zu lästigen Verzerrungen und Verfärbungen und sind
oft nur im oberen Mitteltonbereich wirklich laut. Die Katalogdaten sind in
solchen Fällen eher als Zielvorgaben zu betrachten, die in der Praxis leider
verfehlt wurden. Ziemlich viele Hörner gehören in diese Gruppe und sind zur
HiFi-Wiedergabe vollkommen ungeeignet. HiFi-taugliche Hörner kosten
erheblich mehr als gute Kalotten, und sie sind anspruchsvoller, wenn sie
messtechnisch und klanglich auf Tief- und Mitteltöner abgestimmt werden
müssen.

83
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Abbildung 32: Schallbündelung und


Gegenmaßnahmen bei Hörnern

a)
Starke Bündelung bei Frequenzen, deren
Wellenlänge kleiner ist als der
Horn durchmesser.

b)
Eine ovale oder rechteckige Form verringert die
horizontale Bündelung, wenn die lange Seite
senkrecht steht.

c)
Kleine Hörner (Mundöffnung 3,5 cm) bündeln
nur wenig, können jedoch nicht unterhalb von
5kHz eingesetzt werden.

d)
Auch mit einer akustischen Linse lässt sich der
horizontale Abstrahlwinkel vergrößern.

84
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

Exkurs: Akustiklinsen

Akustiklinsen aus Kunststoff- oder Blechlamellen verzögern einen Teil des


Schalls. Zur Mitte hin nimmt die Verzögerung aufgrund der Einbuchtung der
Lamellen ab. Hier kommt der Schall schneller voran als an den Seiten, so dass
eine gekrümmte Wellenfront entsteht. Seitlich von der Hauptachse legt der
Schalldruck daher zu, direkt auf Achse nimmt er jedoch ab. Der Wirkungsgrad
des Lautsprechers bleibt also unverändert, nur wird der Schall dank der Linse
gleichmäßiger verteilt.
Die Länge der Lamellen, ihr Öffnungswinkel (die Form der Einbuchtung in
ihrer Mitte) und die Horngeometrie entscheiden darü-
Abb. 33: Akustiklinsen
krümmen die Wellenfront
und bewirken eine
gleichmäßigere Schall-
verteilung. In der Praxis
muss die Linse direkt ans
Horn anschließen.

Abb. 34: Der seitlich


austretende Schall geht einen
Um weg. Seine Verzögerung
krümmt die Wellenfront.

85
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

her, bei welcher Frequenz eine Schallstreuung einsetzt und wie wirksam sie
ist. Linsen mit großer Lamellenlänge und spitzem Öffnungswinkel, wie z. B.
der Schallverteiler von Isophon oder die Monacor AL-250, streuen reichlich
breit (ca. 90° bei Schalldruckabweichungen von 3 dB). Daher sinkt der axiale
Schalldruck mit ihnen um rund 6 dB. Akustik-Linsen mit kleinen Lamellen
und stark abgerundeten Öffnungswinkel (z. B. die Alu-Akustiklinse von Con-
rad Electronic oder die Monacor AL-120) verteilen den Schall weniger groß-
zügig (ca. 50°). Dafür begnügen sie sich mit etwa 3 dB Schalldruckverlust auf
Achse und erfordern bloß eine kleine Schalldruckkorrektur in der Frequenz-
weiche.
Bei linearisiertem Frequenzgang werden Hochtonhörner mit Kalotten-
membran allerdings höchstens 95 dB Schalldruck bei 1W / 1 m in das Mikro
pusten, auch wenn der Werbeprospekt weit über 100 dB vorgaukelt. Doch
selbst 95 dB sind schon mächtig laut.
Auf den vertikalen Abstrahlwinkel nehmen Akustiklinsen übrigens nur gerin-
gen Einfluss. Deshalb sollten Hochtonhörner grundsätzlich auf Ohrhöhe aus-
gerichtet werden, ob mit oder ohne Linse vor dem Horn. Und bei der Montage
ist darauf zu achten, dass die Linsen bündig an den Trichter anschließen. Sie
dürfen nicht verkautet werden, und ihre Höhe (in aller Regel 8 bis 10 cm)
sollte nicht kleiner sein als die Mundöffnung des Horns.

3.3.2 Mitteltonhörner
Keine andere Lautsprecherart wird in Bezug auf Wirkungsgrad bzw. Empfind-
lichkeit (1 W / 1 m) und maximale Lautstärke sorgfältig konstruierte Mittel-
tonhörner übertreffen. In Bezug auf Impulsfreude, Dynamik und Gelassenheit
bei hohen Pegeln kommen sie echten Instrumenten am nächsten, die nur sie in
Originallautstärke wiedergeben können.
Doch diese Fähigkeit hat ihren Preis. Denn Hörner neigen prinzipiell zu Reso-
nanzen, wie man sie von ähnlich geformten Blasinstrumenten kennt. Je nach
Formgebung des Trichters beeinflussen die Resonanzen den Frequenzgang
und das Impulsverhalten. Bei hohen Tönen ist das unkritisch, aber im Mittel-
tonbereich reagiert das Gehör auf Resonanzen sehr empfindlich - insbesondere
bei der Stim-

86
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

Abb. 35: Aufbau eines Treibers mit Horn für den Mitteltonbereich. Fast alle
Mitteltontreiber sind mit Adaptern an unterschiedliche Hörner schraubbar, um sie den
jeweiligen Anforderungen anpassen zu können.
(1) Exponentialhorn (Trichter) aus Aluminium, Kunststoff oder Holz.
(2) Magnetkapsel aus Eisen.
(3) Magnet (Ferrit- oder Alnicomaterial).
(4) Polplatte aus Stahl. Sie leitet das magnetische Feld zum Luftspalt.
(5) Gehäuse, meist aus Aluminium.
(6) Schalldämpfendes Material.
(7) Randaufhängung, meist aus Kunststoff.
(8) Schwingspulenträger mit Schwingspule.
(9) Membran aus Aluminium, Titan oder mit Kunstharz getränktem Gewebe.
(10) phasenkorrigierende Elemente aus Druckguss. Sie bilden gleichzeitig die
Druckkammer vor der Membran.

menwiedergabe in den zwei Oktaven zwischen 500 Hz und 2 kHz. Je länger


das Horn ist und je zögerlicher es sich ausweitet, desto ausgeprägter sind die
zu erwartenden Verfärbungen.

87
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Größe und Form des Horns beeinflussen neben der Klangfarbe und dem
Abstrahlwinkel auch die untere Grenzfrequenz, ab der es seine volle Wirkung
erreicht. Bei rechteckigen Mundöffnungen errechnen sich der akustisch
effektive Umfang (Ueff) und die Grenzfrequenz (f0) zu:

B • H c
U eff = • 2 π ; cm fo = ; Hz
π Ueff

Wobei B für die Breite, H für die Höhe der Mundöffnung (in cm) steht und c
für die Schallgeschwindigkeit (34 400 cm / s).
Eine Öffnung von 30 cm Breite und 9 cm Höhe hat somit nur einen effektiven
Umfang von 58 cm und eine Grenzfrequenz von 590 Hz. Jedoch sollte dieses
Horn erst ab etwa 1000 Hz eingesetzt werden. Denn die Wiedergabe im
Bereich der Grenzfrequenz ist nicht ganz unproblematisch, da sich die
Druckverhältnisse für den Schall schlagartig verändern, sobald er das Horn
verlässt. Der plötzliche Druckabfall wirkt auf die nachfolgenden Schallwellen
im Horn wie eine „negative Wand“, die einen Teil des Schalls reflektiert. Eine
große Schallwand hinter der Hornöffnung mildert diesen Effekt spürbar.
Natürlich bestimmt der Trichter oder das Horn nicht allein den Klang eines
Druckkammer-Mitteltöners. Die eigentliche Schallquelle stellt ja der
Horntreiber dar, d. h. die Magnetkonstruktion mit

fgr: Untere Grenzfrequenz.


A: Typischer Frequenzgang ohne
Schallwand
B: Frequenzgang mit Schallwand
C: Frequenzen, bei denen gleich- oder
gegenphasige Reflexionen am
Trichter und auftreten.

Diagramm 28: Theoretischer Frequenzgang eines sich exponentiell erweiternden


Horns im Einflussbereich seiner unteren Grenzfrequenz.

88
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

Schwingspule und Membran. Den prinzipiellen Aufbau eines entsprechenden


Mitteltöners veranschaulicht Abb. 35.
Bei Mitteltontreibern durchläuft der Schall von der Membran einen anderen
Druckkammeraufbau als bei Hochtönern, bevor er in den Trichterhals
entlassen wird. Kleine Druckkammern und große Halsöffnungen erhöhen die
obere Grenzfrequenz und ersparen in manchen Fällen sogar den Einsatz eines
separaten Hochtöners. Der extrem hohe Schalldruck in der Druckkammer
führt allerdings zwangsläufig dazu, dass die Luft nicht ganz linear arbeitet.
Denn die akustischen Eigenschaften der Luft ändern sich mit dem Druck wie
auch mit der Temperatur. Sehr geringe, andererseits aber metallisch hart
klingende nichtlineare Verzerrungen sind leider eine typische
Begleiterscheinung selbst von hochwertigen Druckkammer-Mitteltönern.

Abb. 36: Einfachere Variante eines


Mitteltontreibers

(1) Schraubgewinde38 mm Ø
(2) Schallöffnung
(3) phasenkorrigierendes Element
(4) Membran

Auch fällt es den Membranen nicht leicht, den ausgesprochen hohen


mechanischen Belastungen in der Druckkammer standzuhalten. Dafür eignen
sich ohnehin nur sehr feste Kalotten aus Metall oder kunstharzgetränktem
Gewebe. Wenn man bedenkt, dass bei der Konstruktion und Montage der
Treiber Millimeterbruchteile zählen, wird klar, warum HiFi-taugliche
Exemplare kaum für wenig Geld zu haben sind.
Die meisten Horntreiber haben eine Schallöffnung von einem Zoll, d. h. von
2,54 cm Durchmesser. Manche können direkt an das gewünschte Horn
geschraubt werden, andere benötigen einen Adapter. Wiederum andere
Konstruktionen sind mit einem 38-mm-Schraubgewinde ausgestattet (vergl.
Abb. 36) und werden direkt in

89
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

die Halsöffnung passender Trichter gedreht. Doch muss bei ihnen darauf
geachtet werden, dass die Schallöffnung des Treibers und die Halsöffnung des
Horns denselben Durchmesser aufweisen (19 bis 25 mm), um die
Verzerrungen nicht unnötig zu erhöhen. Allerdings verfügen zahlreiche
Treiber mit Schraubgewinde über eine mäßige Phasenkorrektur und zeigen
daher eine unschöne Senke im Frequenzgang zwischen 4 kHz und 6 kHz.
Was spricht überhaupt für Hornlautsprecher für die HiFi-Wiedergabe? Ihrer
primären Stärke, explosive Pegel erzeugen zu können, stehen ja zumindest im
Mitteltonbereich gewisse Verfärbungen gegenüber, die an ähnlich geformte
Blasinstrumente erinnern. Auch kann eine klangliche Härte hinzukommen, die
aber vorwiegend bei minderwertigen Ausführungen zum echten Problem
anwächst.

Diagramm 29: Schalldruck- (1 W / 1 m) und Impedanzverlauf eines preisgünstigen und


dennoch empfehlenswerten Mittel-Hochtonhorns von Solton Music, Pocking (bzw.
CPA HT 1640 von Conrad Elektronik).

Auf der Habenseite steht zum einen ihr absolut überlegener Umgang mit
Dynamiksprüngen. Feinste, sehr kurze Änderungen der Lautstärke sind beim
Einschwingen zahlreicher Musikinstrumente keinesfalls die Ausnahme,
sondern die Regel. Doch eben diese musikalischen Feinheiten unabhängig von
der Lautstärke realistisch und „livehaftig“ zu reproduzieren und nicht zu
verhüllen oder zu

90
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

verschleifen, scheint fast nur guten Hornlautsprechern hervorragend zu gelingen.


Zum anderen ist der Abstrahlwinkel mit einem perfektionierten Trichter weitgehend
kontrollierbar, so dass der Schalldruck in verschiedenen Hörpositionen
frequenzunabhängig nahezu gleich bleibt. Dennoch irrt weit weniger Schall diffus im
Hörraum herum. Daher klingen Hörner zwar weniger weiträumig, dafür aber äußerst
akkurat und punktgenau. Dabei verblüfft ihre Detailfreude und dynamische
Realitätsnähe keinesfalls nur bei Extrempegeln und elektronischer Musik, so dass
selbst mancher Klassikliebhaber schon zum Hornfanatiker mutierte.

Größe und Formgebung eines Horns beeinflussen den Frequenzgang und die Schallbündelung.
Biradial- und Exponential-Horn mit Treiber von JBL

91
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

3.3.3 Ringstrahler-Hochtöner

Abb.37

(1) Randaufhängung aus Aluminium, Titan oder Kunststoff.


(2) Membran aus Aluminium oder Kunststoff.
(3) Trichterwand, meist aus Aluminium.
(4) Polplatte, meist aus Stahl.
(5) Gehäuse aus Eisen.
(6) Schwingspulenträger mit Schwingspule im Luftspalt, Material meist Aluminium.
(7) Oberer Polkern aus Stahl.
(8) Magnet aus Alnico oder Ferritmagnetkonstruktion.

Auch Ringstrahler setzen auf Druckkammer und Horn zur Maximierung des
Schalldrucks. Nur hat ihre Membran nicht die Form einer Kuppel, sondern die
eines großen flachen Rings, der zur Verwendung äußerst kleiner
Druckkammern verleitet. Bis zu 112 dB bei 1 W / 1 m können gute
Ringstrahler auf Achse hervorbringen. Sie haben daher weitaus mehr Pfeffer
als ihre Kollegen mit Kalottenmembran.

92
3.3 Druckkammer-Hornlautsprecher

Diagramm 30: Schalldruck- und Impedanzverlauf des Ringstrahlers 2405H von JBL
mit schlitzförmiger Hornöffnung(1 W / 1 m).

Garstige Verzerrungen im oberen Mitteltonbereich begrenzen allerdings den


Einsatz von Ringstrahlern auf Frequenzen oberhalb von 5 kHz bis 6 kHz, wo
sie dann kaum noch zu übertreffen sind. Nur billige Nachbauten - vorzugs-
weise teurer JBL-Strahler - bereiten häufig Verdruss, weil sie aufgrund von
Fertigungsmängeln meilenweit hinter den Katalogangaben oder gar den ko-
pierten Originalen zurückbleiben.
Für HiFi-Boxen sind Lautsprecher vorzuziehen, deren Frequenzgänge sich
auf Achse und im 30°- Winkel um kaum mehr als 3 dB voneinander unter-
scheiden. Auch Ringstrahler werden dem gerecht, wenn sich ihr Trichter
schnell genug ausweitet (Biradial-Horn), eine relativ kleine (3,5 cm Ø) oder
eine schlitzförmige Mundöffnung hat, oder wenn sie eine separate Akustiklin-
se vorgesetzt bekommen. Obendrein bestechen Ringstrahler mit einem be-
achtlichen Auflösungsvermögen, das zuweilen an Bändchenhochtöner erin-
nert. Dem konkurrenzlosen Wirkungsgrad und den immensen Schalldruckre-
serven vermögen nur Mitteltonhörner noch zu entsprechen. Und auch die sind
zu guter letzt an das geringere Schalldruckniveau von Konus-Tieftönern an-
zupassen.

93
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Ringstrahler von JBL. Oben links: Biradial-Horn für breite Abstrahlung; rechts:
schalldruckstarkes Expo-Horn für Beschallungsanlagen.

94
3.4 Konuslautsprecher

3.4 Konuslautsprecher

Abb. 38: Aufbau eines Konuslautsprechers


(1) Staubschutzkalotte aus Pappe, Kunststoff, Textilgewebe oder Aluminium.
(2) Membran aus Spezialpapier, Kunststoff, Leichtmetall, Kohlefasergeflecht
oder Hartschaum.
(3) Zentriermembran (Zentrierspinne) aus getränktem, gefaltetem Textilgewe-
be.
(4) Randaufhängung aus Gummi, Schaumstoff oder getränktem Gewebe
(5) Rahmen und Korb aus Stahlblech, Aluminium, Magnesium oder
Kunststoff
(6) + (7) Schwingspulenträger, meist aus Aluminium mit Schwingspule aus
lackiertem Kupferdraht.
(8) Ferritmagnet aus Keramik, zur Abschirmung evtl. unter einer Kappe (z. B.
aus Mu-Metall) verborgen.
(9) Bodenplatte aus Stahl.
(10) Obere Polplatte aus Stahl.
(11) Polkern aus Stahl, zur Verringerung der Schwingspuleninduktivität evtl.
mit Kupferkappe versehen.

95
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Wird eine 2,5-cm-Kalotte ab 2,7kHz eingesetzt, ist die Wellenlänge


( = 12,7 cm) nur etwa fünfmal so groß wie der Membrandurchmesser. Um
diese Relation auf den Tiefbass bei 40 Hz zu übertragen ( = 8,6 m), benötigte
man eine Membran mit 1,7 m Durchmesser. Derartige Basslautsprecher wären
allerdings wohl unverkäuflich. Also muss mangelnde Fläche durch hubfähige
Konstruktionen kompensiert werden, und dafür eignen sich Konusmembranen
ganz ausgezeichnet.
Die untere Übertragungsgrenze eines Lautsprechers liegt in der Nähe seiner
Grundresonanz. Schwingungsfähige Gegenstände und Hohlräume haben
zumindest eine Resonanzfrequenz, bei der sie besonders heftig vibrieren. Bei
Lautsprechern zeigen sich Resonanzen fast immer in Form einer Spitze im
Wechselstromwiderstand. Und das am deutlichsten bei der Grundresonanz. Sie
ist von der schwingenden Masse (vor allem Membran- und
Schwingspulengewicht) sowie von der Steifigkeit der Rückstellkräfte
(Zentriermembran und Randaufhängung) abhängig. Schwere Membranen und
weiche Aufhängungen führen zu einer niedrigen Grundresonanz, kleine und
leichte Membranen mit harter Aufhängung zu einer höheren.
Bei HiFi-Tieftönern liegt diese Resonanzfrequenz zwischen etwa 20 Hz und 40
Hz, nur wird die Federkraft der Luft in einer Box die Grundresonanz später
noch erhöhen. Ohne Gehäuse läuft aber nichts, weil die entgegengesetzten
Schallanteile beider Membranseiten sonst einander auslöschen (»akustischer
Kurzschluss«). Denn erzeugt die Vorderseite gerade Druck, entsteht an der
Rückseite zwangsläufig Unterdruck - und umgekehrt. Werden beide Seiten
nicht voneinander isoliert, gleichen sich die Druckverhältnisse sofort aus, so
dass kaum Bässe hörbar sind, auch wenn die Membran noch so heftig tobt.
Die Auseinandersetzung mit geeigneten Gehäusen für Konuslautsprecher soll an
anderer Stelle erfolgen. Zunächst einmal werden anhand eines Beispiels
zahlreiche technische Parameter vorgestellt und kurz erläutert, die vom Gehäuse
unabhängig sind, die man für die richtige Auswahl und Abstimmung aber
kennen sollte.

96
3.4Konuslautsprecher
3.4.1 Die Parameter eines Konus-Lautsprechers
Tabelle 7: Technische Daten des Visaton W 200 S 030

1 Außendurchmesser 23 cm
2 effektive Membranfläche, Sd 211 cm2
3 effektive Kreisfrequenz der Membran, fkr 660 Hz
4 obere Grenzfrequenz, fmax 2,1 kHZ
5 Freiluftresonanzfrequenz, fs 31,5 Hz
6 Compliance der Aufhängung, Cms 0,82 mm / N
7 dynamische Masse, Mms 31 g
8 Äquivalentvolumen, Vas 51 1
9 mechanischer Q-Faktor, Qms 4,72
elektrischer Q-Faktor, Qes 0,52
totaler Q-Faktor, Qts 0,47
10 Gleichstromwiderstand, Re 6,3 Ohm
11 lmpedanz, Z 8 Ohm
12 Schwingspulen-Durchmesser, Dc 38 mm
13 Wickelhöhe der Spule, Hc 12 mm
14 Luftspalthöhe, he 6 mm
15 Luftspaltinduktion, B 1,0 Tesla
(= 10 000 Gauß)
16 magnetischer Fluss, 0,70 Milliweber
(=70 000 Maxwell)
17 Kraftfaktor, BL 8,6 Txm
18 Referenz-Wirkungsgrad, 0 0,3 %
19 Referenz-Schalldruck (1 W / 1 m), SPL0 87 dB
20 elektrische Belastbarkeit 75 Watt

97
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten
Zu den technischen Daten von Tabelle 7:

1) Je nach Rahmen und Zierring kann der Außendurchmesser selbst bei


Lautsprechern mit gleichgroßer Membran durchaus unterschiedschiedlich
ausfallen und z. B. 20 cm oder 24 cm betragen.
2) Aus dem Membranradius und der Hälfte der (mitschwingenden)
Randaufhängung lässt sich die effektive Membranfläche errechnen. Beträgt
der Durchmesser der Membran 15 cm und ist die Randaufhängung 1,4 cm
breit, ergibt sich für die effektive Fläche: Sd= (7,5 + 0,7)2 . = 211 cm2.
3) Die Wellenlänge der Kreisfrequenz entspricht dem effektiv wirksamen
Umfang der Membran, hier (15 + 1,4) . = 51,5 cm. Bei ihrer
Kreisfrequenz beginnen Membranen den Schall spürbar zubündeln und
eventuell auch in Partialschwingungen aufzubrechen.
4) Die Wellenlänge der oberen Grenzfrequenz entspricht dem effektiven
Membrandurchmesser (hier 16,4 cm). Von dieser Frequenz an werden
Bündelung, Partialschwingungen und Membranresonanzen fast immer
unakzeptabel.
5) Die Höhe der Freiluftresonanz muss bekannt sein, um z.B. ein passendes
Gehäusevolumen bestimmen zu können. Ihren endgültigen Wert erreicht die
Grundresonanz allerdings erst nach ein paar Betriebsstunden, während derer
sie um bis zu 20 % sinkt.
6) Die Nachgiebigkeit oder Compliance gibt Auskunft über die Stärke der
Rückstellkräfte, die die Membran in ihre Ruheposition zurückbeordern.
Werte unter 0,5 Millimeter pro Newton deuten auf eine harte Zentrierung
hin, Werte über 1,0 mm / N auf eine weiche.
7) Zur gesamten schwingenden Masse zählen das Gewicht der Membran, der
Schwingspule und das der Luftmasse in Membrannähe. Aber auch die
Rückstellkräfte hinterlassen ihre Spuren. Je größer die dynamische Masse
(bei identischen Membranabmessungen), desto kleiner wird der Einfluss des
Gehäuses auf die Grundresonanz und desto tiefer wird die Basswiedergabe
reichen:.
8) Das Äquivalentvolumen setzt die Rückstellkräfte des Lautsprechers in
Relation zu der Federkraft einer eingeschlossenen Luftmenge. Zur Wahl
geeigneter Gehäusevolumina muss man das Äquivalentvolumen des
Lautsprechers kennen.

98
3.4 Konuslautsprecher

9) Die Q-Faktoren geben Aufschluss über die Ausprägung bzw. über die
Dämpfung der Grundresonanz und den dort zu erwartenden Schalldruck.
Hohe Werte stehen für eine schwache Resonanzdämpfung, niedrige Werte
für eine starke. Die gesamte oder totale Dämpfung (Qts) setzt sich aus
mechanischen (Qms) und aus elektromagnetischen (Qes) Einflussfaktoren
zusammen.
10)Der Gleichstromwiderstand einer Schwingspule liegt fast immer geringfügig
unter ihrem Wechselstromwiderstand, und er wird zur Berechnung der Q-
Faktoren herangezogen.
11)Nennscheinwiderstand / Impedanz eines Lautsprechers nennen dessen
durchschnittlichen Wechselstromwiderstand, der je nach Frequenz
geringfügig unter-, jedoch erheblich überschritten werden kann. Üblich sind
Lautsprecher mit 4 und 8 Impedanz.
12)Mit dem Spulendurchmesser wächst die elektrische Belastbarkeit eines
Lautsprechers. Zudem wirken Tieftöner mit großen Schwingspulen oft
straffer im Bass und weniger anfällig für lästige Resonanzen im oberen
Übertragungsbereich. Für Mitteltöner sind allerdings kleinere (25mm Ø) und
leichtere Spulen vorzuziehen.
13)Die Differenz zwischen der Wickelhöhe oder -breite einer Spule und der
Luftspalthöhe entscheidet, welche Membranauslenkungen relativ
verzerrungsarm möglich sind. Da mit den Windungen des Kupferdrahts
Verluste, Induktivität und dynamische Masse zunehmen, sind Wickelhöhen
von über 18 mm ungebräuchlich.
14)Luftspalte von HiFi-Tieftönern sind fast immer 6 mm oder 8 mm hoch, je
nach Abmessungen und Stärke des Permanentmagneten. Mit einer Spalthöhe
von 6 mm und einer Wickelhöhe von 12 mm kann der Visaton W 200S z.B.
Amplituden von ± 3 mm ausführen, bevor die Verzerrungen deutlich
ansteigen werden.
15)Die Luftspaltinduktion kennzeichnet die Stärke des Magneten, bzw. die
Dichte der magnetischen Feldlinien nahe der Schwingspule. Werte zwischen
0,9 und 1,2 Tesla (9 000 bis 12 000 Gauß) gelten bei Konuslautsprechern als
durchschnittlich.
16)Multipliziert man die Induktion mit der Luftspaltfläche, erhält man den
magnetischen Fluss, die Dichte der Feldlinien im Spalt. Kleine
Lautsprechermagnete erreichen weniger als 0,3 mWb (Milliweber),
Kraftprotze bringen es auf 3 mWb und mehr. Nach alter Terminologie sind
das 30 000 bzw. 300 000 Maxwell.

99
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

17) Nicht der Permanentmagnet allein treibt die Membran an, sondern die
Wechselwirkung mit dem Elektromagneten, der Schwingspule. Je mehr
Windungen sich im Luftspalt befinden, desto stärker ist der Elektromagnet.
Das Produkt aus der Luftspaltinduktion (B) und der Länge des Spulendrahts
im Spalt (L) ergeben somit den tatsächlichen Kraftfaktor, der auf die
Membran einwirkt.
18) Der Referenzwirkungsgrad gibt an, welcher Anteil der zugeführten
elektrischen Energie vom Lautsprecher in Schallenergie umgewandelt wird.
Tabelle 3 (im Abschnitt 2.7) nennt den entsprechenden Schalldruck.
19) Der Referenzschalldruck eines Lautsprechers ergibt sich aus dem
Referenzwirkungsgrad. Aufgrund von Partialschwingungen,
Schallbündelung und von Membranresonanzen im Mitteltonbereich sind die
errechneten Werte vornehmlich im Bass von Bedeutung.
20) Mit 75 Watt Einzelbelastbarkeit hat der W 200 S genug Potential zur
Erzeugung kräftiger Pegel. In Kombination mit einem Mittel- und einem
Hochtöner beträgt die Belastbarkeit über 100 Watt, und bei kurzen Impulsen
darf es sogar noch weit mehr sein.

Auf den nächsten Seiten folgen nun einige Gleichungen, mit denen sich manche
Parameter aus Hersteller-Daten oder aus Eigenmessungen errechnen lassen.
Wer selbst messen will, sollte nagelneue Konuslautsprecher erst einmal
einspielen, und zwar im uneingebauten Zustand. Entweder ein paar Stunden
lang mit bassreicher Musik oder 30 Minuten lang mit einem Tongenerator (20-
Hz-Signal mit 4 bis 6 Volt Verstärkerspannung). Da warme oder gar heiße
Schwingspulen einen höheren Widerstand aufweisen, müssen sie nach dem
Einspielen erst mal zwei Stunden abkühlen, bevor die Messungen beginnen.

(1) Effektive Membranfläche:

Bei großen Konustieftönern gilt annäherungsweise:


Sd = (r + 1)² . ; cm²
und bei kleinen Konuslautsprechern:
Sd = (r + 0,5)² . ; cm²
wobei für r der Membranradius in cm und für die Kreiszahl 3,14
einzusetzen ist.

100
3.4 Konuslautsprecher
(2) Effektive Kreisfrequenz:

Bei großen Konustieftönern gilt annäherungsweise:

c
fkr = ; Hz
r • 1,1 • π

und bei kleinen Konuslautsprechern:

c
fkr = ; Hz
r • 1,05 • π

wobei für c die Schallgeschwindigkeit (34 400 cm/s), für r der


Membranradius in cm und für wieder 3,14 einzusetzen ist.

(3) obere Grenzfrequenz:


fmax = fkr . ; Hz

(4) Freiluftresonanzfrequenz:

10³ 159
fs = = ; Hz
2 ⋅ π ⋅ Mms ⋅ Cms Mms ⋅ Cms

wobei für Mms die dynamische Masse in Gramm und für Cms die
Compliance in mm / N einzusetzen ist.

(5) Compliance der Aufhängung:


106 25330
Cms = = ; mm / N
4 ⋅ π ⋅ fs ² ⋅ Mms fs ² ⋅ Mms

außerdem gilt:

714,3 ⋅ Vas
Cms = ; mm / N
SD ²

wobei für Vas das Äquivalentvolumen in Litern und für Sd die effektive
Membranfläche in cm2 einzusetzen ist.

101
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten
(6) Dynamische Masse:

Um die gesamte schwingende Masse zu bestimmen, ist zuerst die


Freiluftresonanz des Lautsprechers (fs) zu messen. Danach wird ein
Klumpen dauerplastischer Knetmasse (aus dem Baumarkt)
abgewogen. Je nach Membrangröße sollte die möglichst präzise
Briefwaage zwischen 5 und 50 Gramm anzeigen.
Zu einer dünnen Wurst geknetet ist diese Zusatzmasse (m) nun
vorsichtig auf der Membran zu befestigen, am besten rings um die
Staubschutzkalotte herum. Dabei ist auf eine vollständige und feste
Verbindung zu achten.
Als nächstes ist die veränderte Grundresonanz (f’) zu ermitteln. Sie
sollte deutlich tiefer liegen als fs. Zeigt die Impedanzkurve jedoch auf
einmal kleine Welligkeiten, so war die Zusatzmasse nicht einwandfrei
mit der Membran verbunden, und der gesamte Vorgang muss
wiederholt werden.
Für eine höhere Genauigkeit lohnt es sich, die Messungen mit
verschieden hohen Zusatzmassen durchzuführen.

Die dynamische Masse ergibt sich nun aus folgender Gleichung:

m
Mms = 2
; Gramm
fs
−1
f'

außerdem gilt für die dynamische Masse:

25330
Mms = ;g s. hierzu Gleichung (5)
fs ² ⋅ Cms

(7) Äquivalentvolumen

Vas = P 0 ⋅ c² ⋅ Cms ⋅ Sd ² ⋅ 10 −9 = 0,0014 ⋅ Cms ⋅ Sd ²


wobei P0 = Luftdichte = 1,18 kg/m3
c = Schallgeschwindigkeit = 344 m / s
Cms = Nachgiebigkeit der Membranaufhängung
Sd = effektive Membranfläche in cm2

102
3.4 Konuslautsprecher
(8) Q-Faktoren

Um die Q-Faktoren ermitteln zu können, müssen Messungen des


Impedanzverlaufs und des Gleichstromwiderstands (Re) vorliegen -
bei Zimmertemperatur der Schwingspule! Zuerst sind der
Impedanzkurve die Resonanzfrequenz (fs) und das
Widerstandsmaximum (Zmax) bei dieser Frequenz zu entnehmen.
Dann kann es losgehen!

Z max
r0 = und Z' = r 0 ⋅ Re ; Ohm
Re

Nun müssen anhand der Impedanzkurve die beiden Frequenzen fa und


fb lokalisiert werden, bei denen die Impedanz von Zmax auf Z‘
gesunken ist. Danach heißt‘s wieder rechnen:
fa ⋅ fb ⋅ r 0 Qm Qe ⋅ Qm
Qm = und Qe = und Qt =
fa − fb r0 − 1 Qe + Qm

und Qe und Q~=


Qe~Qm
Diagramm 31: Ob frei in der
Luft oder in geschlossener
Box, die jeweilige
Grundresonanz eines
Konuslautsprechers offenbart
sich stets im
Impedanzmaximum. Nach
höheren Frequenzen hin klettert der Widerstand aufgrund der Schwingspulen-
Induktivität wieder in die Höhe, zu tiefsten Frequenzen (im Diagramm angedeutet) aber
nur, wenn das Gehäuse undicht ist. Übrigens führen auch Membranen ohne luftdichte
Staubschutzkalotte zu ungenauen Ergebnissen.

103
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten
(9) Magnetischer Fluss:

B ⋅ Dc ⋅ π ⋅ He
Φ= ; Mw
10

wobei B für die Induktion in Tesla, Dc für den Schwingspu-


lendurchmesser in cm und He für die Luftspalthöhe in cm steht.

(10) Luftspaltvolumen:

Ve = Dc ⋅ π ⋅ Be ⋅ He

wobei für Be die Luftspaltbreite einzusetzen ist

(11) Luftspaltenergie:

B² ⋅ Ve ⋅ 10³
W= = B² ⋅ Ve ⋅ 39,8 ; mWs
2³ ⋅ π

(12) Kraftfaktor:

2π ⋅ fs ⋅ Re⋅ Mms
BL = ;T ⋅ m
Qes ⋅ 1000

wobei die Variablen allesamt schon vorgestellt wurden.

(13) Referenzwirkungsgrad:

4π² fs ³ ⋅ Vas 0,96 ⋅ fs ³ ⋅ Vas


η0 = 10 − 6 ⋅ ⋅ = ;%
c³ Qes Qes ⋅ 10 000 000

wobei für Vas das Äquivalentvolumen in Litern, für fs die


Freiluftresonanz in Hz und für Qes der elektrische Q-Faktor des nicht
eingebauten Lautsprechers einzusetzen ist.

(14) Referenzschalldruck (1 W / 1 m):

SPL 0 = 98 + 10 log π0 ; dB

104
3.4 Konuslautsprecher
3.4.2 Klangentscheidende Details
Die zuvor aufgeführten Daten bzw. Parameter kommen dem Geheimnis des
Lautsprecherklangs lediglich ein Stück weit auf die Spur und müssen z. B.
durch Schalldruck- und Zeitmessungen im Mitteltonbereich ergänzt werden, um
auch Eigenschaften wie Schallbündelung, Partialschwingungen und
Membranresonanzen zu berücksichtigen. Doch selbst nach Messung des
Klirrfaktors bleiben noch klangrelevante Phänomene, die sich nur schwer
erfassen und beherrschen lassen.
So macht es klanglich durchaus einen Unterschied, ob ein satter Tiefbass von
einem langhubigen 20-cm- oder von einem durchschnittlichen 30-cm-Tieftöner
reproduziert wird. Denn für dieselbe Lautstärke muss die kleinere Membran in
der gleichen Zeit doppelt so große Hübe ausführen. Zwar kann man die
Bremskraft der Zentrierung dafür ausreichend gering halten, und mit
genügender Sorgfalt lassen sich auch Taumelbewegungen und
Klirrverzerrungen in den Griff bekommen. Doch dass ein doppelter Hub
unweigerlich zur Verdoppelung der Membranschnelle führt, wird immer einen
klangrelevanten Unterschied ausmachen. Kleinen Membranen mangelt es daher
nicht unbedingt am Schalldruck, wohl aber an der Gefasstheit und Souveränität,
die die großen lässiger und unverkrampfter musizieren lassen.
Und noch ein paar Aspekte: Schwere und steife Konusmembranen haben sich
im Tieftonbereich eindeutig bewährt. Im Mitteltonbereich jedoch kann eine
hohe dynamische Masse dem rasanten Wechsel der Signale bei der
Musikwiedergabe kaum folgen und wirkt relativ träge. Eine hohe Steifigkeit der
Membran zieht zudem oftmals kräftige Abrissresonanzen nahe der oberen
Grenzfrequenz (fmax) nach sich. Andererseits reagiert eine massearme und daher
dünne Membran empfindlicher auf Gehäusereflexionen, die sie von hinten
attackieren. Und eine höhere innere Dämpfung anstelle maximaler Steifigkeit
drosselt zwar eventuelle Membranresonanzen, doch die so realisierte
Verfärbungsarmut wird zumeist mit einer tendenziell weichgezeichneten und
weniger differenzierten Wiedergabe erkauft.
Während des Schwingens mit fix wechselnden Frequenzen und Amplituden
ändern sich sogar Krümmung und Steifigkeit einer

105
3 Die verschiedenen Lautsprecherarten

Membran geringfügig, was ebenfalls hörbar werden dürfte. Der Physiker Oskar
Heil verglich Lautsprecher-Membranen deshalb mit „singenden Sägen“. Das
sind primitiv wirkende Musikinstrumente, deren Tonhöhe vom Druck abhängt,
der auf einen elastischen Metallstab ausgeübt wird.
Doch nicht nur Material und Geometrie der Membranen, sondern auch die der
Magnetkonstruktion lassen von sich hören. Sie diktieren neben der Feldstärke
im Luftspalt auch deren Linearität, d.h. die mehr oder weniger gleichmäßige
Wirkung rings um den Polkern sowie jenseits des Luftspalts, und das bei allen
Pegeln. So endet das Magnetfeld z. B. nicht haargenau mit dem Luftspalt,
sondern wirkt noch ein wenig darüber hinaus. Erfolgt diese Ausdehnung des
Felds nun nicht symmetrisch, steigen die Klirrverzerrungen ebenso an wie bei
einer harten und unsymmetrisch federnden Zentrierung. Im Idealfall werden
beide Unsymmetrien kompensatorisch aufeinander abgestimmt.
Dazu schwächt die Schwingspule als Elektromagnet auch noch den
Dauermagneten im Takt der Musik und induziert kleine Wirbelströme in der
Magnetkonstruktion. Dieser Effekt hat vertrackte Folgen, denn er bewirkt zwar
nur geringe, dafür aber sehr unschöne Klirrverzerrungen höherer Ordnung. Mit
speziell auf den Magneten abgestimmten Kurzschlussringen um den Polkern
lassen sich Wirbelströme weitgehend kompensieren. Die Hersteller Isophon und
JBL haben sich solche Wirbelstrombremsen patentieren lassen und setzen sie
bei den teureren und hochwertigeren Konuschassis auch ein. Hört man einmal
reine Sinustöne abwechselnd über einen gewöhnlichen und über einen
entsprechend optimierten Konuslautsprecher, mag man kaum glauben, dass
beide tatsächlich aus derselben Tonquelle getränkt wurden.

106
4. Lautsprechergehäuse

Abb. 39: Ein akustischer Kurzschluss tilgt den Schalldruck.


Dynamische Lautsprecher benötigen generell ein Gehäuse, um einen
akustischen Kurzschluss zu vermeiden. Prallen Druck und Unterdruck von
Membranvorder- bzw. -rückseite ungehindert aufeinander, so entsteht nämlich
kaum hörbarer Schall.
Bei Kalotten-, Bändchen- und Horntreibern sind Membranvorder und -
rückseite konstruktionsbedingt voneinander isoliert. Trotzdem fühlen sie sich
mit einer Schallwand im Rücken wohler und bedanken sich mit einem
wesentlich ausgeglicheneren Schalldruckverlauf. Grundsätzlich begnügen sich
selbst Tieftöner mit einer einfachen Schallwand. Um den akustischen
Kurzschluss nach ausreichend tiefen Frequenzen zu verschieben, muss so eine
Wand für Basslautsprecher aber mehrere Quadratmeter groß sein. Andernfalls

101
4 Lautsprechergehäuse

sind riesige Membranflächen von Nöten, um den akustischen Kurzschluss zu


kompensieren. Sinnvoller scheint es statt dessen, Tieftöner in ein Gehäuse
einzubauen.
Neben den relativ unkomplizierten geschlossenen Boxen gibt es noch weitere
Konstruktionen, die alle ihre Vorzüge und Schwächen haben. Denn Gehäuse
wehren nicht bloß den akustischen Kurzschluss ab, sondern haben vielfältige
Auswirkungen auf: Frequenzgang, Bündelung, Klirr- und Intermodulations-
Verzerrungen, Impulsverhalten, Wirkungsgrad, maximalen Schalldruck und
Impedanzverlauf.

4.1 Geschlossene Gehäuse


Abb. 40: Geschlossenes Gehäuse.

Der prinzipielle Aufbau von geschlossenen Boxen


ist denkbar einfach. Im Grunde genommen ist eine
geschlossene Box nichts weiter als ein luftdichter
Kasten, mit dessen Hilfe die rückwärtig abgestrahlte
Wellenfront des Lautsprechers (W2) daran gehindert wird, mit der von der
Membranfront abgestrahlten (W1) zusammenzutreffen. Ein akustischer
Kurzschluss wird dadurch wirkungsvoll vermieden.
Die im Gehäuse eingeschlossene Luft hat allerdings auch eine Federwirkung.
Die Federkraft eines Luftvolumens wird deutlich, wenn man einmal bei einer
Fahrrad-Luftpumpe die Ausströmöffnung mit dem Finger verschließt, während
man die Pumpe betätigt: die Luft wirkt dann wie eine unsichtbare Bremse.
Bei geschlossenen Boxen „bremst“ die Luft im Gehäuse die Vorwärts- und
Rückwärtsbewegungen der Membran. Dadurch liegt die Resonanzfrequenz
eines eingebauten Lautsprechers höher als die Freiluftresonanz. Das Gehäuse
wirkt also ähnlich wie eine steifere Mem-

108
4.1 Geschlossene Gehäuse

branaufhängung. Ebenso ändert sich der Q-Faktor. Der Q-Faktor bestimmt


den Schalldruck eines Lautsprechers in der Umgebung seiner
Resonanzfrequenz sowie sein Ausschwingverhalten.
Je kleiner das Luftvolumen eines geschlossenen Gehäuses ist, desto höher
wird die Brems- oder Federwirkung und damit die Resonanzfrequenz und der
Q-Faktor. Oder, vereinfacht ausgedrückt, je kleiner ein Gehäuse ist, desto
schwächer ist in der Regel die Tiefbasswiedergabe.
Für druckvollen Rumms in untersten Tonlagen hat die Grundresonanz des
eingebauten Tieftöners noch unter 50Hz und der totale Q-Faktor zwischen 0,7
und 1 zu liegen.
Um Resonanzfrequenz und Q-Faktor zu berechnen, die ein Lautsprecher in
geschlossenen Gehäusen aufweist, müssen 1. die Freiluftresonanzfrequenz, 2.
der Q-Faktor und 3. das äquivalente Volumen des Tieftöners bekannt sein (s.
Kapitel „Konuslautsprecher“). Beim Einbau von zwei gleichen Tieftönern in
ein Gehäuse verdoppelt sich das Äquivalentvolumen und damit auch das
erforderliche Gehäusevolumen. Am folgenden Beispiel sollen die
Zusammenhänge verdeutlicht werden.
Für den Visaton W 200 S (s. Abschnitt 3.4.1) sei ein geschlossenes Gehäuse
mit 30 Litern Innenvolumen vorgesehen. Das Volumen ergibt sich aus dem
Produkt von Höhe, Breite und Tiefe des Innenraums, also ohne die
Wandstärke. Für die Resonanzfrequenz und den totalen Q-Faktor des
eingebauten Lautsprechers gilt nun:

Vas
fc = fs 0,87 ⋅ 1 + ; Hz
Vg

wobei: fc = Einbauresonanz im geschlossenen Gehäuse


fs = Freiluftresonanz des Lautsprechers. (Wird statt dessen die
Resonanz in unendlicher Schallwand herangezogen, entfällt der
Faktor 0,87)
Vas = äquivalentes Volumen des Lautsprechers in Litern
Vg = Nettovolumen des geschlossenen Gehäuses in Litern

Für den W 200 S im 30-1-Gehäuse ergibt sich daraus:

109
4 Lautsprechergehäuse

53
fc = 31,5 ⋅ 0,87 ⋅ 1 + Hz 49 Hz
30

Ersetzt man fc durch Qtc und fs durch Qts, so erhält man den totalen Q-Faktor
des Lautsprechers im 30-1-Gehäuse:

53
Qtc = 0,47 ⋅ 0,87 ⋅ 1 + 0,73
30

Diagramm 32:
Schalldruckpegel eines
Lautsprechers in
Abhängigkeit von
seinem Q-Faktor(f=
Resonanzfrequenz).

Mit Hilfe von Dia-


gramm 32 lässt sich
der theoretische
Frequenzgang des
eingebauten Lautspre-
chers ermitteln. Bei
einer Reso-
nanzfrequenz in Höhe von etwa 50 Hz und einem Q-Faktor von rund 0,7
ergeben sich folgende Werte:

-16 dB bei 0,4 . 50Hz = 20Hz


-12,5 dB bei 0,5 . 50Hz = 25Hz
-10 dB bei 0,6 • 50Hz = 30Hz
-6 dB bei 0,8 • 50Hz = 40Hz
-3 dB bei 1 . 50Hz = 50Hz
-1 dB bei 1,5 . 50Hz = 75Hz

110
4.1 Geschlossene Gehäuse

Diese Werte müssen vom Referenzschalldruck (hier 87 dB, 1 W / 1 m)


abgezogen werden, um den theoretischen Frequenzgang zu ermitteln.

Diagramm 33: Frequenzgang des Visaton W 200 S im 30-1-Gehäuse. Gestrichelte


Linie: errechneter Frequenzgang

Die messtechnische Überprüfung der errechneten Daten anhand des


Impedanzverlaufs ergab nur geringfügige Abweichungen (fc = 50 Hz,
Qtc = 0,76). Der errechnete Referenzschalldruck wurde aber um 1 dB verfehlt.
Die 3-dB-Abweichung zwischen Rechnung und Messung bei 20Hz war
dagegen zu erwarten, denn mit sinkender Frequenz steigt die
Membranamplitude und die Rückstellkräfte bremsen heftiger, da sie ihre
Standardwerte überschreiten. Undichte Gehäuse können die Verluste im
Tiefbass sogar um weitere 3 dB erhöhen.
Bis zu 900 Hz ist die Schalldruckkurve des W 200 S sagenhaft linear, und er
wird sich insofern optimal für Subwoofer (bis 150 Hz) oder als ganz normaler
Tieftöner für Dreiwegboxen (bis max. 600 Hz) eignen. Heftige
Partialschwingungen im Mitteltonbereich lassen ihn jedoch für
Zweiwegboxen untauglich erscheinen, doch ist seine Membran allein schon
wegen ihrer hohen Masse auch gar nicht dafür vorgesehen.

111
4 Lautsprechergehäuse

Mit einer Verringerung der Masse ließe sich die Mitteltonwiedergabe zwar
optimieren, doch die Tiefbässe würden darunter leiden. Denn die
Grundresonanz würde steigen, der Q-Faktor dagegen sinken.

Diagramm 34: Theoretischer Frequenzgang von zwei gleich großen Tieftönern mit
etwa 57 Hz Einbauresonanz, aber unterschiedlich starkem Antrieb. (Kurve A: Qtc 1,5
und Kurve B: Qtc 0,5).

Doch nicht nur leichte Membranen können den Basspegel herabsetzen,


sondern auch kräftige Magnete. Denn je kräftiger der Antrieb zulangt, desto
stärker unterdrückt er die Grundresonanz. Diagramm 34 verdeutlicht, dass ein
schwacher Antrieb (Kurve A) im unteren Bassbereich für viel mehr Druck
sorgen wird als ein starker (Kurve B). Erst weit oberhalb der Grundresonanz
erzielt ein athletischer Magnet tatsächlich das, was man von ihm erwartet:
einen höheren Pegel.
Allerdings beeinflusst die Antriebsstärke eines Lautsprechers bzw. sein Q-
Faktor nicht nur die Schalldruckkurve, sondern auch sein Impulsverhalten,
jedenfalls in der Nähe der Grundresonanz. Wie viele andere Parameter, so
lässt sich auch die Membranbewegung nach Abschalten des Signals
berechnen. Diagramm 35 zeigt die Ausschwing-Bewegung in Abhängigkeit
vom Q-Faktor des Lautsprechers (nach Sahm). Findet kein Überschwingen
statt, so spricht man von einer „aperiodischen Dämpfung“ der Resonanz. Ein
totaler

112
4.1 Geschlossene Gehäuse

Q-Faktor von 0,5 beordert die Membran theoretisch am schnellsten in ihre


Ruhelage zurück.

Diagramm 35:
Membranbewegung nach
dem Abschalten eines
Signals in Abhängigkeit
vom Q-Faktor.

A: Qtc = 0,3
B: Qtc = 0,7
C: Qtc = 1,2
D: Qtc = 2,2

Während die Unterschiede zwischen den Q-Faktoren


hier recht imposant aussehen, zeigen Tonburst-Messungen, wie unbedeutend
sie tatsächlich sind. Gegenüber den Resonanzen von Randaufhängungen,
Membranen, Staubschutzkalotten und Schwingspulen, vor allem aber
gegenüber stehenden Wellen im Hörraum wirken die Nachschwinger bei der
Grundresonanz fast schon drollig. Dennoch sind unterschiedliche Q-Faktoren
einwandfrei heraus hörbar. Nur liegt das an den ungleich hohen Pegeln, die
mit ihnen einhergehen. Je höher der Q-Faktor, desto lauter der Bass und desto
unpräziser wirkt er - vor allem deshalb, weil er Hörraumprobleme deutlicher
hervortreten lässt.
In Verbindung mit schweren Membranen haben starke Magnete aber durchaus
ihre Berechtigung. Denn sie führen mit sinkender Frequenz zu einem eher
gemächlichen, statt abrupten Schalldruckverlust, was sich in vielen
Hörräumen überaus positiv auswirkt - vorausgesetzt, die Einbauresonanz liegt
unter 50Hz. Die Diagramme 36 und 37 sollen die Zusammenhänge zwischen
Masse, Rückstellkraft und Gehäusevolumen zunächst einmal
veranschaulichen.

113
4 Lautsprechergehäuse

Diagramm 36: Die Einbauresonanz


verschiedener 25-cm-Tieftönerin Abhän-
gigkeit vom Gehäuse-Innen-Volumen

A: leichte Membran(Mms = 20 gr.) und


harte Aufhängung (Cms = 0,5 mm / N)

B: wie oben, jedoch mit weicher


Aufhängung (Cms =1,5 mm / N)

C: mittelschwere Membran (Mms = 32gr.)


und mittelharte Aufhängung

D: schwere Membran
(M11,. = 45gr.) und mittel harte
Aufhängung.

Beispiel: Ein 25-cm-Bass mit mittelschwerer Membran und mittelharter


Aufhängung hat in einem geschlossenen Gehäuse von 45 l effektivem
Innenvolumen eine Einbauresonanz (fc) von etwa 54 Hz. Mit sehr hoher
dynamischer Masse käme er dagegen auf etwa 47 Hz. Zur Berechnung des
effektiven Nettovolumens eines Gehäuses dürfen folgende Aspekte allerdings nicht
übergangen werden:

1. Die Chassis selbst, aber auch eventuelle Holzleisten zur Wandversteifung


vermindern das zuvor errechnete Innenvolumen.
2. Zur Schwächung von Innenreflexionen sind Gehäuse mit Dämmmaterial wie
Mineralwolle oder Polyesterwatte zu füllen.
Diese Materialien verringern aber zugleich die Schallgeschwindigkeit, sodass
sich der Schall etwas langsamer von einer Gehäusewand zur nächsten
fortpflanzt. Mit anderen Worten: Das Volumen wird effektiv größer als
errechnet, bei vollständiger Füllung sogar um bis zu 40 %. Bei der üblichen
mittelstarken Dämpfung (s. Abb. 41) beträgt die effektive Zunahme des Volu-
mens aber nur rund 20 %.

Mitschwingende Teilchen des Dämmmaterials können überdies auch noch die


effektive dynamische Masse des Basslautsprechers um bis zu 20 % vergrößern.
Und aufgrund von Reibungsverlusten

114
4.1 Geschlossene Gehäuse

Diagramm 37: Die


Einbauresonanz von
20-cm-Tieftönern in
Abhängigkeit vom
Gehäuse-Innen-
Volumen.

A: leichte Membran (Mms =13gr.) und harte Aufhängung (Cms = 0,6 mm / N)


B: wie oben, jedoch mit weicher Aufhängung (Cms = 1,5 mm / N)
C: mittelschwere Membran (Mms = 18 gr.) und mittelharte Aufhängung (Cms 1 mm / N)
D: schwere Membran (Mms = 27 gr.) und mittel harte Aufhängung

innerhalb der Box wird möglicherweise die Resonanzdämpfung anschwellen,


so dass Q-Faktor und Schalldruck des eingebauten Lautsprechers niedriger
ausfallen als errechnet wurde. Dieser Effekt ist umso prägnanter, je dichter
sich das Material hinter der Membran befindet.
Die Vergrößerung des Gehäusevolumens ist lediglich eine Nebenwirkung des
Dämmmaterials, dessen eigentliche Aufgabe in der Absorption von
Schallwellen im Gehäuse liegt. Dürfen die von der Membranrückseite
ausgehenden Schallwellen ungehemmt in der Box herumtoben, werden sie
pausenlos gegen die Membran stoßen und die Wiedergabe erheblich
beeinträchtigen. Leichte und dünne Membranen haben solchen Angriffen
weniger entgegenzusetzen als massive Dickmöpse. Besonders hart trifft es die
zarten Membranen kleiner Mitteltöner, in deren Gehäuse oft nur wenig
Dämmmaterial hineinpasst. Hier muss die Materialmenge notfalls mit leichtem
Druck erhöht werden. Je größer das Volumen und je vollständiger die
Dämpfung, desto sauberer und verfärbungsärmer werden Konusmitteltöner am
Ende klingen.

115
4 Lautsprechergehäuse

---- ganz ohne Dämmmaterial vollständig mit Dämmmaterial gefüllt

Diagramm 38: Nahfeldfrequenzgang (oben) und Impedanzverlauf (unten) eines


Konusmitteltöners im 20 cm langen, zylinderförmigen Gehäuse.

Auch Tieftöner in geschlossenen Gehäusen verlangen oftmals reichlich


Volumen. Denn für eine satte Tiefbasswiedergabe sollte die Einbauresonanz ja
unter 50 Hz liegen und ihr Q-Faktor unter 1. Um jedoch Kosten und Volumen
einzusparen, verzichten die meisten Fertigboxen auf Tiefgang. Eine Betonung
der mittleren (Disco-)Bässe hilft das zu verschmerzen. Denn mit einer
Grundresonanz zwischen

Abb. 41 : Eine auf Leisten geleimte, mit


allen Längswänden verbundene und mit
einer großen Öffnung versehene
Holzplatte verringert das Mitschwingen
der Gehäusewände.

116
4.2 Bassreflex-Gehäuse

65 und 90 Hz sowie einem Q-Faktor zwischen 1,2 und 1,4


produzieren auch sie ein voluminöses Grummeln. Dafür
genügen sogar eher kurzhubige und preisgünstige
Tieftöner. Nur fehlt ihnen die Schwärze und urwüchsige
Kraft, mit der richtig tiefbassfähige Boxen zu begeistern
verstehen.

Abb. 42: Normale mittelstarke Schalldämpfung einer


geschlossenen Lautsprecherbox.

4.2 Bassreflex-Gehäuse
Reflexboxen nutzen den rückwärtigen Schall eines Lautsprechers, statt ihn zu
eliminieren. Da er gegenphasig zu dem frontal abgegebenen Schall ist, muss
die Phase gedreht werden, so dass sich beide Anteile nicht mehr gegenseitig
auslöschen, sondern unterstützen. Über eine genau definierte Öffnung gelangt
der rückwärtige Schall aus der Box.
Zur Phasendrehung oder -verschiebung wird die Hohlraumresonanz des
Gehäuses angeregt. Denn nicht nur schwingfähige Gegenstände, sondern auch
luftgefüllte Hohlräume haben eine Grundresonanz. Bei Hohlräumen heißt sie
Helmholtzresonanz. Eine Veränderung des Volumens oder der
schalldurchlässigen Öffnung verschiebt die Resonanz. Das wird deutlich, wenn
man einmal von der Seite gegen die Öffnung verschiedener leerer, oder
teilweise gefüllter Flaschen bläst: Jedes Mal entsteht ein anderer Ton.
Stimmt man Volumen und Reflexöffnung des Gehäuses sorgfältig auf den
eingebauten Tieftöner ab, hat das Bassreflex-Prinzip mehrere Vorteile zu
bieten. Abbildung 43 soll das veranschaulichen: Die starken Luftschwingungen
im Gehäuse drosseln die Membranbewegungen und damit auch den
Schallanteil der Membran (W1)

111
4 Lautsprechergehäuse

sowie die nichtlinearen Verzerrungen. Gleichzeitig wird die Luftmasse in der


Öffnung zeitversetzt zum heftigen Mitschwingen angeregt (W2). Die Anteile von
Membran und Reflexöffnung summieren sich, so dass der Schalldruck (W3) am
Ende höher ist als bei einer geschlossenen Box.
Allerdings beschränken sich die Vorteile des Bassreflexprinzips auf die nähere
Umgebung der Abstimmfrequenz bzw. der Helmholtzresonanz. Und für einen
ausgeglichenen Frequenzgang müsste diese Frequenz dort liegen, wo der
Schalldruck des Lautsprechers im geschlossenen Gehäuse um rund 8 dB
gegenüber dem Referenzschalldruck gesunken ist. Für eine tiefbassfähige
Reflexbox wäre z. B. eine Einbauresonanz von 40 Hz (fc, ein Q-Faktor von 0,5
(Qtc) und eine Abstimmfrequenz von 30 Hz (fB) optimal. Der Frequenzgang dieser
Box wäre bis 35 Hz hinunter ausgewogen, und das Bassreflexprinzip könnte seine
Wirkung voll entfalten. Dieser Idealfall ist leider selten gegeben. Solange der Q-
Faktor nicht zu weit über dem Wert 1 liegt, können Reflexgehäuse aber dennoch
empfohlen werden. Dazu ein paar Faustregeln:

Abb. 43: Mit Hilfe der Helmholtzresonanz reduzieren Reflexboxen die


Membranbewegungen und kräftigen zugleich die Basswiedergabe.

118
4.2 Bassreflex-Gehäuse

Bei einem totalen Q-Faktor (Qtc) über 0,6 sollte die Abstimmfrequenz weit
unter der Einbauresonanz liegen (fB 0,6 fc). Sonst beeinträchtigt eine
Resonanzüberhöhung die Neutralität und Präzision. Auch bei einem Q-Faktor
zwischen 0,5 und 0,6 sollte die Abstimmfrequenz noch etwas unter der
Einbauresonanz liegen (fB 0,7 fc). Nur wenn der Q-Faktor im geschlossenen
Gehäuse (Qtc) deutlich unter 0,5 beträgt, darf fB der Einbauresonanz ganz nahe
rücken, ohne eine störende Resonanzüberhöhung zu riskieren (fB 0,9 . fc).

Diagramm 39: Schalldruck (1 W / 1 m) von Tieftönern im Reflexgehäuse


A: 25-cm-Bass mit sehr schwerer Membran und starkem Antrieb im 100-1-Gehäuse.
(fc = 35 Hz, Qtc = 0,31 und fB = 32Hz)
B: 17-cm-Tieftöner mit leichter Membran und schwachem Antrieb. Innenvolumen 131
netto, fc = 85Hz, Qtc = 1,1 und fB = 49Hz

Diagramm 39 zeigt den Schalldruck von Reflexboxen in zwei Extremfällen.


Tieftöner A sollte sehr weit in den Basskeller hinabsteigen, ohne Rücksicht auf
den mittleren Pegel. Weil Einbauresonanz und Abstimmfrequenz dicht
beieinander liegen, ist die Wirksamkeit des Tunnels relativ groß, wenn auch
recht schmalbandig. Anders bei Tieftöner B: fc und fB liegen weit auseinander,
der Pegel des Tunnels ist geringer, dafür wirkt der Tunnel breitbandiger als im
ersten Fall.

119
4 Lautsprechergehäuse
Nun aber zur Berechnung von Bassreflextunneln. Für eine gebührende
mechanische Stabilität bei Tiefbässen sollte die Abstimmfrequenz (fB) 50 Hz
möglichst nicht überschreiten. Und die Querschnittsfläche des Tunnels (AF) hat
etwa ein Fünftel der Membranfläche zu betragen, zumindest mehr als ein
Zehntel, sonst werden die Strömungsgeräusche und Reibungsverluste im
Tiefbass zu groß. Stehen Gehäuse-Innen-Volumen (VB) Öffnungsfläche (AF)
und Abstimmfrequenz (fB) fest, ist die erforderliche Länge des Tunnels (l)
gemäß Thiele und Small wie folgt zu errechnen:

c 2 ⋅ AF ⋅ 10 π ⋅ AF 30 000 ⋅ AF π ⋅ AF
l= 2 2
− = 2
− ; cm
4π ⋅ fB ⋅ VB 2 fB ⋅ VB 2

Beispiel: Ein 20-cm-Tieftöner weist im geschlossenen 25-1-Gehäuse eine


Grundresonanz (fc) von 70Hz auf und einen totalen Q-Faktor (Qtc) in Höhe von
0,9. Die empfohlene Abstimmfrequenz liegt bei:

fB = 0,6 ⋅ fc = 42 Hz

Eine geeignete Tunnelöffnung für die 220 cm2 große Membranfläche sollte
mehr als 22 cm2 aufweisen. Ein Tunnel mit 6 cm Innendurchmesser könnte
passen. Probe:

AF = 32 ⋅ π = 9 ⋅ 3,14 ≈ 28 cm 2

Nun kann die erforderliche Tunnellänge bestimmt werden:

30 000 ⋅ 28 3,14 ⋅ 28 840 000 88


l= 2
− = − = 19 − 4,7 = 14,3 cm
42 ⋅ 25 2 44100 2

Der Tunnel muss demnach 14,3 cm lang sein. In der Praxis ist die Länge des
Reflexrohrs allerdings häufig noch um bis zu 25 % gegenüber den
Berechnungen zu kürzen.
Bassreflex-Öffnungen dürfen natürlich auch rechteckig sein, wobei die
Tunnelwände dann z. B. aus Sperrholz angefertigt werden. Für runde Tunnel
eignen sich Rohre aus Kunststoff oder Pappe, und für sehr geringe Längen (z.
B. 6 cm) können kleine Holzbretter einfach hinter die Schallwand geschraubt
werden. Schallwand- und Holzbrettstärke ergeben nach Aussägen der Öffnung
die vollständige Tunnellänge (beispielsweise 22 mm + 19 mm + 19 mm = 60
mm).

120
4.2 Bassreflex-Gehäuse

Abb. 44: Schematischer Aufbau einer Bassreflexbox.


Wegen der großen Wellenlängen im Tiefbass darf sich die
Reflexöffnung auch auf der Gehäuserückwand befinden.

AF = Öffnungsfläche
1 = Tunnellänge
TT= Tieftöner
TT

Anstelle der Tunnelöffnung kann auch eine Passivmembran verwendet


werden, das ist ein Tieftöner ohne Schwingspule und Magnet. Passive
Membranen werden anstelle der Luftmasse im Tunnel zum Schwingen
angeregt und wirken ähnlich wie eine Reflexöffnung. Allerdings müssen sie
nahezu doppelt so schwer sein und doppelt so große Hübe ausführen können
wie der eigentliche Tieftöner - wenn beide gleichgroß sind. Abgestimmt
werden Passivmembranen mit Hilfe zusätzlicher Gewichte. Doch vom
Aufwand und Ergebnis her sind sie keine bessere Alternative zu korrekt
dimensionierten Reflextunneln.
Ob mit Passivmembran oder klassischem Reflextunnel, die Bassreflex-
Bauweise hinterlässt deutliche Spuren im Impedanzverlauf einer Box. Zeigen
geschlossene Gehäuse noch ein Widerstands-Maximum bei der
Grundresonanz ihres Tieftöners, so offenbart sich die Abstimmfrequenz einer
Reflexbox in einer Impedanzsenke zwischen zwei Bergen. Mit einem
Tonfrequenzgenerator und einem Voltmeter lässt sich die Höhe der
Abstimmfrequenz daher leicht kontrollieren (s. Abb. 45).
Die typischen Impedanzspitzen unterhalb und oberhalb der Abstimmfrequenz
sollten in ihrer Höhe nicht allzu sehr voneinander abweichen. Wenn z. B. das
zweite, also das höherfrequente Maximum erheblich mehr Widerstand
erkennen lässt als das erste, das

121
4 Lautsprechergehäuse

Abb. 45: Messstrecke zur Überprüfung der Abstirnmfrequenz.

untere Maximum, so ist das ein Indiz für einen zu langen Tunnel bzw. eine zu
kleine Tunnelfläche. Sieht das untere, niederfrequente Maximum andererseits
wie ein steiler Gipfel aus und das höherfrequente bloß wie ein kleiner Hügel, so
ist die Öffnung meist zu groß bzw. der Tunnel zu kurz.
Die Senke bei der Abstimmfrequenz sollte noch geringfügig unter der
Nennimpedanz des Tieftöners (4 oder 8 Ohm) liegen. Steigt sie dort jedoch über
den Nennwert, zeugt das von Druckverlusten in der Box aufgrund eines Fließ-
oder Strömungswiderstands. Mögliche Ursachen dafür sind undichte Gehäuse
bzw. Membranen oder eine ungünstige Füllung mit Dämmmaterial.
Zur Beruhigung der im Gehäuse herumtollenden Schallwellen können auch
Reflexboxen nicht auf Dämmmaterial verzichten. Jedoch unterdrücken
Mineralwolle, Polyesterwatte und Konsorten auch die Hohlraumresonanz und
damit die tiefe Basswiedergabe. Als Kompromisslösung werden aus diesem
Grund lediglich die Gehäusewände einer Bassreflexbox mit Dämmmaterial
versehen. Zumindest bei Zweiweg-Boxen, deren Tieftöner auch einen Teil der
Mitteltöne wiedergibt, empfiehlt es sich hingegen, das Material ein wenig näher
zur Gehäusemitte hin zu platzieren, weil es dort viel wirksamer ist.

122
4.2 Bassreflex-Gehäuse

Diagramm 40: Beispiel für eine

a) geschlossene Box. Resonanzfrequenz fc =


45Hz (gestrichelte Linie:
Fließwiderstand im Gehäuse)

b) Reflexbox mit extrem kleiner Öffnung.


Abstimmfrequenz fB< 20Hz
(Risiko: Strömungsgeräusche).

c) Korrekte Abstimmung bei hohem Q-


Faktor (Qtc = 0,7). Abstimmfrequenz fB =
.
0,6 fc = 27Hz (gestrichelte Linie:
Fließwiderstand im Gehäuse).

d) Korrekte Abstimmung bei niedrigem


Q-Faktor(Qtc 0,4).
Abstimmfrequenz fB =fc =45Hz.

e) Reflexbox fehlabgestimmt, Öffnung zu


groß. fB = 55Hz
(Risiko: Resonanzüberhöhung).

Allerdings dürfen Dämmmaterialien weder der Reflexöffnung noch der


Bassmembran zu dicht auf die Pelle rücken. Und, falls der Tieftöner mit einer
Stoffabdeckung vor Mineralfasern und Splittern

123
4 Lautsprechergehäuse

Abb. 46: Bei Bassreflexboxen wird das Dämmmaterial meist an den Gehäusewänden
angebracht, nicht jedoch an der Schallwand.

geschützt werden soll, ist auf eine ausreichende Luftdurchlässigkeit zu achten.


Denn ein dichtes Gewebe hinter der Membran, eine zu hohe Dämpfung, aber
auch ein undichtes Gehäuse zieht hörbare Schalldruckverluste im Bassbereich
nach sich. Deren Ursache sind Strömungs- oder Fließwiderstände, die anhand
der Impedanzkurve leicht zu identifizieren sind (s. Diagramm 40 a und c).
Bei sachgemäßer Konstruktion bieten Bassreflex-Boxen mehr Tiefbass oder
einen um knapp 3 dB höheren Gesamt-Schalldruck als geschlossene Gehäuse.
Dazu verringert eine mächtige Hohlraum-

Diagramm 41: Verhältnis


des Membranhubs für
denselben Schalldruck
eines Tieftöners im
geschlossenen (A) und im
Bassreflex-Gehäuse(B)

124
4.3 Bandpass-Gehäuse

resonanz die Klirr- und Intermodulations-Verzerrungen nahe der


Abstimmfrequenz (fB), da sie die Membranbewegungen auf rund ein Viertel
reduziert. Damit verbessern sich auch Impulsivität und Dynamik, obwohl
Tonbursts bei offenem Tunnel minimal schlechter aussehen als bei
geschlossenem.
Diagramm 41 zeigt den Membranhub einer Reflexbox in Relation zu einer
geschlossenen Box. Tatsächlich vervierfacht sich der erforderliche Hub für
gleichen Schalldruck mit jeder tieferen Oktave sogar - die Relation bleibt
davon allerdings unbeeinflusst. Bei der Abstimmfrequenz kommt eine
Reflexbox mit viel geringeren Membranamplituden aus, doch schon eine Terz
tiefer ändern sich die Verhältnisse zugunsten geschlossener Gehäuse. Anstelle
der Luft, wie in geschlossenen Boxen, müssen Zentriermembran und Randauf-
hängung des Tieftöners einer Reflexbox nun allein die Membran im Zaum
halten. Doch sind fast alle gängigen Tieftöner darauf vorbereitet, andernfalls
schwebten sie bei heftigen Tiefbassattacken in tödlicher Gefahr.

4.3 Bandpass-Gehäuse
Bandpass-Gehäuse kombinieren das geschlossene mit dem Bassreflex-Prinzip.
Zwar übertragen solche Konstruktionen kaum mehr als eine Oktave, für
Subwoofer unterhalb von 150 Hz eignen sie sich jedoch sehr gut. Ihr Aufbau ist
sogar recht simpel: Eine Membranseite des
Tieftöners erhält eine geschlossene
Kammer und die andere eine mit
Reflextunnel. Nur über diesen Tunnel
gelangt der Schall nach außen.

Abb. 47: Schematischer Aufbau eines


Bandpass-Gehäuses.

125
4 Lautsprechergehäuse
Dieses einst von Elipson in Frankreich entwickelte und patentierte
Gehäuseprinzip entsprang dem Wunsch nach gleicher Federwirkung der Luft
auf beiden Membranseiten. Damit hoffte man, nichtlineare Verzerrungen
reduzieren zu können. Und Verzerrungsarmut sowie Dynamik wurden
tatsächlich die Kennzeichen gelungener Bandpass-Subwoofer. Doch nun rein
ins Vergnügen:
Zunächst darf man sich für eine Gehäusekonstante (s) zwischen 0,5 und 0,7
entscheiden, die für die Bandbreite des Übertragungsbereichs und für den
Wirkungsgrad mitverantwortlich ist. Kleinere Konstanten haben einen zu
geringen Schalldruck, größere eine nur geringe Bandbreite zur Folge. Das
deutet sich bereits in Diagramm 42 bzw. 43 an.

Diagramm 42: Theoretischer


Frequenzgang eines
Bandpass-Gehäuses in
Abhängigkeit vom Einbau-Q-
Faktor (Qtc) und von der
Gehäusekonstante (s). Hier
s=0,5

Die Mittelfrequenz (f) des Bandpasses errechnet man wie folgt:

fs
f = ; Hz
Qts

wobei für fs die Freiluftresonanz und für Qts der totale Q-Faktor des
vorgesehenen Tieftöners einzusetzen ist.

Auch das Liter-Volumen der Reflexkammer ist schnell zu bestimmen:

VB = 4 ⋅ s 2 ⋅ VAS ⋅ Qts 2 ; l

Dabei steht s für die Gehäusekonstante und VAS für das Äquivalentvolumen des
Tieftöners.
Vor der Ermittlung der Abstimmfrequenz (fB) des Reflextunnels ist nun mit
Hilfe der Diagramme 42 und 43 die angestrebte Schall-

126
4.3 Bandpass-Gehäuse

druckkurve und der damit verbundene Q-Faktor (Qtc) festzulegen. Dann gilt:

Qtc
fB = ⋅ fs ; Hz
Qts

Die Öffnungsfläche des Tunnels sollte deutlich über 10 % der effektiven


Membranfläche des Tieftöners aufweisen. Die Tunnellänge ist wie bei ganz
normalen Reflexboxen festzulegen (s. S. 120).

Diagramm 43: Wie


Diagramm 42, aber
andere Konstante
(s = 0,7)

Nun zum gebotenen Liter-Volumen der geschlossenen Kammer (VG):

VAS
VG = 2
;l
Qtc
−1
Qts

Nach den Berechnungen kann der theoretische Frequenzgang aufgezeichnet


werden. Die Nulllinie der Amplitudenskala von Diagramm 42 und 43
entspricht dabei dem Schalldruck (1 W / 1 m), den eine geschlossene Box
erreicht - mit gleicher Grenzfrequenz und gleichem Volumen wie das
komplette Bandpassgehäuse (siehe hierzu S. 56 f).
Ob überhaupt und wie viel Dämmmaterial zur Schwächung von stehenden
Wellen im Gehäuse erforderlich ist, hängt von den Abmessungen und der
Position des Tieftöners ab. Sind die Wandabstände zur Bassmembran sehr
unterschiedlich, kann man auf eine Dämpfung und damit einhergehende
Schalldruckverluste auch im Bass

127
4 Lautsprechergehäuse

ggf. ganz verzichten und sich zur Abkopplung höherer Frequenzen sogar mit
einer einfachen Spule begnügen. Kleiner Wermutstropfen:
Die große Bremskraft des meist kleinen geschlossenen Volumens dieser
Gehäuseart erfordert für hohe Basspegel äußerst stabile Membranen.

4.4 Transmissionline-Gehäuse

Abb. 48: Von der Vorderseite gelangt der Schall (W1 ) direkt in den Hörraum, von der
Rückseite nur über einen Umweg (W2). Sind beide Anteile am Ende gleichphasig, steigt
der Gesamtpegel (W3).

Auch Transmissionlines nutzen den Schall der Membranrückseite eines


Tieftöners, statt ihn im Gehäuse zu absorbieren. Sie verzögern ihn aber in einer
Umwegleitung, bevor er sich zum Frontalschall gesellen darf. Bei geeigneter
Länge der Laufzeitleitung sind umgeleitete und direkte Schallanteile
gleichphasig und unterstützen einander, statt sich gegenseitig auszuradieren.
Beträgt der Wegstreckenunterschied eine halbe Wellenlänge, kommt es
sowohl bei der entsprechenden Frequenz als auch bei allen

128
4.4 Transmissionline-Gehäuse

ungeraden Vielfachen davon zu einer Erhöhung des Gesamt-Schalldrucks.


Denn da nunmehr beide Membranseiten genutzt werden, verdoppelt sich die
effektive Membranfläche. Aufgrund unvermeidbarer Reibungsverluste und
Reflexionen im Gehäuse ist aber lediglich mit 4 bis 5 dB Gewinn zu rechnen,
anstatt mit den theoretisch möglichen 6 dB. Doch sind die Verhältnisse noch
ein wenig komplizierter.

Abb. 49: Beträgt die Wegstreckendifferenz eine oder mehrere ganze Wellenlängen, so
sind frontal und rückwärtig erzeugter Schall zwangsläufig gegenphasig und löschen
einander aus.

Nur bei den Frequenzen erhöht sich der Schalldruck, bei denen der Umweg
der halben Wellenlänge (sowie 3/2 , 5/2 , 7/2 usw.) entspricht. Kommt
der Umweg aber einer ganzen Wellenlänge (sowie 2 , 3 , 4 usw.) gleich,
bekämpfen sich frontal und rückwärtig erzeugte Anteile wieder, und es
gelangt nur wenig Schall zum Hörer.
Folglich ist anzunehmen, dass das Transmissionline-Prinzip einen sehr
unausgeglichenen Frequenzgang zur Folge hat. Tatsächlich legt der Schall
von jedem Punkt der Membranrückseite aber nicht die gleiche Wegstrecke
zurück, bis er die Umwegleitung verlässt. Die Wegstrecken können sogar
recht unterschiedlich sein. So beträgt der kürzeste Weg durch das 1,25 m hohe
TL-Gehäuse nach Abb. 50 ca. 1,65 m, der längste rund 2,75 m. Das benötigte
Dämm-

129
4 Lautsprechergehäuse

Material wird die Wegstrecken später auf vielleicht 1,7 m bzw. 2,9 m verlän-
gern. Das entspricht einem Verhältnis von 1 : 1,7 - einer recht vorteilhaften
Relation für Laufzeitleitungen, bei denen auffällige Welligkeiten im Fre-
quenzgang zu vermeiden sind.

Diagramm 44: Vergleich zwischen Bassreflex- und Transmissionline-Gehäuse für 30-cm-


Basslautsprecher.
A: Wirkung einer 2,3 m langen Laufzeitleitung auf den Frequenzgang;
B: Wirkung einer Reflexbox mit ca. 70 1 Nettovolumen, fB 40Hz

Die mittlere Wegstrecke, die der Schall im Gehäuse zurücklegen muss, beträgt
hier rund 2,3 m. Diagramm 44 zeigt den realisierbaren Einfluss auf den Fre-
quenzgang eines Tieftöners. Unterhalb von 37 Hz mindert der unvermeidliche
akustische Kurzschluss den Pegel mit 6 dB pro Oktave, zwischen 37 und 110
Hz ist aber ein Gewinn zu verzeichnen, und darüber zeigen sich kleine Wel-
ligkeiten im Frequenzgang. Bassreflexboxen benötigen für einen vergleichba-
ren Gewinn nur halb so viel Volumen: Ein schwacher Punkt von Transmissi-
onlines.
Natürlich kann man den Umweg kürzer, und damit das Gehäuse kleiner ma-
chen. Wird die mittlere Länge z. B. auf 1,7 m reduziert, verlagert sich der
Schalldruckgewinn nach 50Hz bis 150 Hz. Doch auch dafür beanspruchen Re-
flexboxen weniger Raum. Nicht einmal eine mehrfache, labyrinthartige Fal-
tung der Laufzeitleitung spart Volumen ein. Höchstens eine Verringerung der
Querschnittfläche der Laufzeitleitung hilft die Box zu verkleinern. Nur wächst
dadurch der ungünstige Einfluss von Stehwellen und Reibungsverlusten im
Gehäuse.

130
4.4 Transmissionline-Gehäuse

Abb. 50: Grundriss und


empfohlene Dämpfung einer
Kreuzung aus Laufzeitleitung
und Bassreflex-Gehäuse
(Bauplan 5 in Kapitel
8.2).

Auch wenn Reflexboxen weniger sperrig und leichter zu konstruieren sind,


wirken Transmissionlines klanglich häufig überlegen. Das liegt zum einen an
der prinzipbedingten kleinen Senke im Frequenzgang zwischen 100 und 150
Hz und zum anderen an dem meist größeren Abstand des Tieftöners zum
Fußboden. Beide Eigenschaften lassen die mittleren bis oberen Bässe
unaufdringlicher und dezenter klingen und rücken Tiefbässe eindrucksvoll ins
Rampenlicht. Das unterscheidet große Transmissionlines wohltuend von
üblichen Reflexboxen.
Reine Umwegleitungen harmonieren bestens mit einer schweren Membran
und einem eher schwachen Antrieb. Manche Transmissionlines verbinden
allerdings das Umweg- mit dem Bassreflex-Prinzip und kommen daher auch
mit einem mittelstarkem Antrieb und mittelschwerer Membran zurecht.
Solche Kombinations-Gehäuse verlagern den Schalldruckgewinn und die
erwähnte Senke nach niedrigeren Frequenzen und verbessern die
Tiefbasswiedergabe. Diagramm 45 verdeutlicht das anhand der
Schalldruckkurve eines recht preisgünstigen, aber dennoch optimal geeigneten
Basslautsprechers. Zur Wechselwirkung der beiden Gehäuse-Prinzipien
kommen aber noch stehende Wellen als mögliche Einflussfaktoren hinzu
sowie Menge, Position und Absorptionsvermögen des unverzichtbaren
Dämmmaterials. Um den rückwärtigen Schall nicht immens zu schwächen,
sollte ein weiter Kanal zwischen Membran und Gehäuseöffnung frei von
Dämmmaterial bleiben.

131
4 Lautsprechergehäuse

Diagramm 45: Frequenzgang (1 W/ 1 m) des Tieftöners SPP 300 von Monacor in der
Transmissionline nach Abb. 50.

Allein akustische Labyrinthe werden oftmals vollständig gedämpft. Das sind


Transmissionlines, die den Schall im Gehäuse in erster Linie in sich aufnehmen
wollen, statt ihn zur Kräftigung der Tiefbässe zu nutzen. Die rückwärtigen
Druckwellen gehen im Labyrinth auf eine „Reise ohne Wiederkehr“, und sollen
nicht als Reflexionen von den Gehäusewänden auf die
Membran zurückschlagen.
Eine weitere Art Transmissionline setzt dagegen auf die
schallverstärkende Wirkung von Röhrenresonanzen:
Eine gerade, schmale Röhre gerät bei der Frequenz
heftig in Resonanz, deren Wellenlänge viermal so groß
ist wie die Röhrenlänge.

Abb. 51: Grundriss eines akustischen Labyrinths, in dem sich


der rückwärtige Schall „totlaufen“ soll.

132
4.5 Exponential-Gehäuse

Abb. 52:
Orgelpfeifen- oder Röhrenresonator

Dazu kommen schwächere Resonanzen bei allen ungeraden Vielfachen dieser


Frequenz. Für eine Grundresonanz von 40 Hz muss die Röhre 2,15 m lang
sein, bei kompletter Füllung mit Dämmmaterial genügen jedoch 1,8 m. Eine
ausgeglichene und präzise Wiedergabe kann man von diesen Röhren aber nicht
erwarten. Mit anderen Transmissionlines verbindet sie fast nur der
unvermeidbare akustische Kurzschluss bei tiefsten Frequenzen und die
Forderung nach Tieftönern mit strapazierfähigen Zentrierungen.

4.5 Exponential-Gehäuse
Exponential-Gehäuse sind
schallverstärkende Hörner bzw.
Trichterkonstruktionen für übliche Konus-
oder Flachmembranen. Mit ihnen lassen
sich Wirkungsgrad und Dynamik erheblich
steigern und die nichtlinearen Verzerrungen
zugleich verringern. Andererseits sind
Expo-Boxen groß, schwer sowie
umständlich zu berechnen und zu bauen.
Die Fläche ihrer Halsöffnung (AH) sollte 25
bis 50 % der Membranfläche des Treibers
ausmachen. Mit

Abb. 53: Vier Parameter sind für eine Expo-Box charakteristisch: die Halsöffnung
(AH), die Mundöffnung (AM), die Länge (Xmax) und das Öffnungsmaß (k).

133
4 Lautsprechergehäuse

extrem kleinen Öffnungen riskiert man wieder höhere Verzerrungen und


benötigt zudem einen längeren Trichter. Weitaus größere Halsöffnungen
beschränken andererseits die Wirkung zu sehr. Für einen 38-cm-Tieftöner mit
860 cm2 Membranfläche ist z. B. eine Halsöffnung von 430 cm2 ein guter
Kompromiss.
Die erforderliche Fläche für die Mundöffnung (AM) gibt die anvisierte untere
Grenzfrequenz vor: Die Wellenlänge dieser Frequenz entspricht dem effektiven
Umfang des Hornmundes. D. h. eine Öffnung mit 2 m Durchmesser bzw. 6,25
m Mündungsumfang ist theoretisch nur bis 55 Hz hinunter nutzbar.
Fatalerweise vertragen sich derartig ausladende Trichter nur mit wenigen
Wohnräumen. Weil sich tieffrequente Schwingungen aber kugelförmig in alle
Richtungen ausbreiten, genügen schon kleinere Mundöffnungen. Denn steht
eine Box auf dem Boden, erfolgt die Ausbreitung nur noch halbkugelförmig,
weil der nach unten gelangende Schall umgehend reflektiert wird.

S = Schallquelle
Kugelförmige Abstrahlung Halbkugelförmige Abstrahlung

Abb. 54: Abstrahlverhalten.

Aus diesem Grund braucht die Mundfläche (AM) einer auf dem Boden
stehenden Expo-Box nur noch halb so groß zu sein wie die einer frei im Raum
schwebenden. Befindet sich außerdem eine große Wand neben oder hinter dem
Horn, so halbiert sich die erforderliche Fläche ein zweites Mal. Am kleinsten
aber darf die Mundfläche ausfallen, wenn sich dem Fußboden und der
Zimmerwand noch eine weitere Wand hinzugesellt, wenn die Box also in einer
Raumecke steht. Die erforderliche Mundfläche halbiert sich dann zum dritten
Mal.

134
4.5 Exponential-Gehäuse
Wurden für die Mundöffnung zunächst 6,25 m Umfang gefordert, bzw. 2 m
Durchmesser und 314 000 cm2 Öffnungsfläche, so verlangt die Aufstellung des
Horns in einer Raumecke nur noch 3 900 cm2 für AM. Dem entspricht eine
runde Öffnung mit etwa 70 cm Durchmesser oder eine rechteckige von z. B. 68
cm . 57,4 cm - auch das ist schon recht viel.
Nach der Halsfläche AH und der Mundfläche AM kann nun die Horn- oder
Trichterkonstante (k) festgelegt werden. Sie gibt den Faktor vor, mit dem sich
die Querschnittsfläche allmählich erweitern soll;

4⋅π⋅f0 f0
k= =
c 27,3

wobei für f0 die untere Grenzfrequenz der Expo-Box einzusetzen ist. Eine
Grenzfrequenz in Höhe von 55 Hz ergibt somit die Konstante 2. Danach ist die
erforderliche Länge (Xmax) des Horns zu errechnen:

AM
ln
X max = AH ; m
k

Bei einer Halsfläche von 430 cm2, einer Mundfläche von 3 900 cm2 und einer
Trichterkonstante von 2 wird daraus:

3900
ln
X max = 430 = ln 9 = 2,2 = 1,1 m
2 2 2

Nun muss noch die jeweilige Öffnungsfläche ermittelt werden, die das Horn im
definierten Abstand von der Halsöffnung aufzuweisen hat. Im Bassbereich
genügen dafür 10-cm-Schritte. Für die Querschnittsfläche A1 im Abstand x1 (
0,1 m vor der Halsöffnung) gilt:

A1 = e k⋅x1 ⋅ AH daraus wird:


2⋅0,1
A1 = e ⋅ 430 cm² = e 0,2 ⋅ 430 cm ²
= 1,22 ⋅ 430 cm² = 525 cm²

Für x2, also 0,2 m vor der Halsöffnung, kommt dann heraus:
A 2 = e 2⋅0,2 ⋅ 430 cm² = 1,49 ⋅ 430 cm² = 641 cm ²

135
4 Lautsprechergehäuse

Diagramm 46: Trichterkrümmung des hier vorgestellten Eckhorns.


Y-Achse: Querschnittsfläche
X-Achse: Abstand von der Halsöffnung

Für jeden beliebigen Abstand x von der Halsöffnung lässt sich somit die
entsprechende Öffnungsfläche ausrechnen. Der gesamte Verlauf der
Exponentialkurve kann anschließend in ein Diagramm gezeichnet werden. Bei
der üblichen Verwendung ebener Holzplatten als Trichterwände werden
allerdings mehr oder weniger vernachlässigbare Abweichungen von der
runden Kurvenform nicht zu verhindern sein.
Diagramm 46 lässt einen Schönheitsfehler des errechneten Trichterverlaufs
erkennen: Die Länge Xmax wird zwar auf der Mittelachse genau erreicht, am
Trichterrand jedoch müssen die Schallwellen einen längeren Weg
zurücklegen. Dieser Schwäche kann man mit einer kleinen Verkürzung (V)
des Hornendes entgegenwirken. Sinnvoll ist die Verkürzung oder Stauchung
auch deshalb, weil die Zimmerwände (Zi) das Horn effektiv vergrößern, was
die Berechnungen nicht berücksichtigten.

136
4.5 Exponential-Gehäuse

Oben Abb. 55: Gefaltete Bass-Trichter erlauben praxisfreundlichere Maße


und Formen des Gehäuses
Unten Abb. 56: Druckkammer für Konus-Tieftöner

Schraffierte Fläche =
Druckkammer

137
4 Lautsprechergehäuse

Damit sind jedoch nicht alle Eigenschaften von Expo-Boxen erfasst. Nicht nur
nach niedrigen, sondern auch nach hohen Frequenzen sind ihnen nämlich
Grenzen gesteckt. Denn um Trichterlängen von weit über 50 cm zu realisieren,
werden die Hörner in aller Regel geknickt oder gefaltet. Dadurch legen die
Schallwellen grundsätzlich verschiedene Wege von der Membran bis zum
Trichtermund zurück. Doch mit abnehmender Wellenlänge bzw. zunehmender
Frequenz wirkt sich die Faltung spürbar auf die linearen Verzerrungen aus. Der
Einsatzbereich von gefalteten Expo-Boxen sollte daher bei 300 bis 500 Hz
enden.
Eine Druckkammer kann dabei helfen, den Schalldruck oberhalb einer
bestimmten Grenzfrequenz von vornherein »abzuwürgen«. Das Luftvolumen
zwischen Membran und Halsöffnung entscheidet über die Höhe der oberen
Grenzfrequenz (fG) einer Druckkammer:

c ⋅ AH 5,47 ⋅ AH
VD = =
2 ⋅ π ⋅ fG ⋅ 10 f0

Mit einer Halsöffnung (AH) von 430 cm2 und einer Grenzfrequenz (fG)von 500
Hz errechnet sich das Druckkammervolumen (VD) zu:

5,47 ⋅ 430
VD = ; l = 4,7 Liter
500

Nach den Konstruktions-Daten nun noch ein paar allgemeine Hinweise zu


Expo-Boxen:

— Ein großer Trichter kann für günstigere Gehäuse-Formen auch in mehrere


kleinere Einzeltrichter aufgeteilt werden (s. Abb. 55).
— Stehen mehrere Basshörner dicht beieinander, vergrößert sich ihre effektive
Mundfläche. Ist die Trichterkonstante (k) klein genug, wird die untere
Grenzfrequenz nach entsprechend niedrigeren Frequenzen verschoben.
Akustisch wirken zwei kleine Trichter dann wie ein großer. Auch die
elektrische Belastbarkeit verdoppelt sich natürlich, wenn zwei gleiche
Basslautsprecher angeschlossen sind. Eine Aufteilung in kleinere, separate
Hörner ist besonders für Expo-Boxen von Interesse, die öfter mal
transportiert werden sollen.
— Die Trichterkonstante k muss nicht über den gesamten Hornverlauf immer
gleich bleiben. Ist die Halsöffnung kleiner als ein

138
4.5 Exponential-Gehäuse

Viertel der Membranfläche, empfiehlt sich für das erste Drittel des Horns
sogar eine recht große Konstante, um die Verzerrungen gering zu halten.
Darauf folgt ein Bereich mit sehr geringer Konstante, während nur das letzte
Drittel den ursprünglich vorgesehenen Wert aufweist. Das berühmte
Klipschorn und diverse Mitteltonhörner setzen auf solche
„Wechselkonstanten“.
- Um störende Reflexionen und Stehwellen im Trichter abzumildern, ist es
sinnvoll, ihn mit einem Holzbrett zu halbieren. Zumindest in den Kurven
oder Knickstellen, wo der Schall die Richtung ändert, ist so eine Teilung bei
mehr als 50 cm hohen bzw. breiten Basshörnern unbedingt zu empfehlen.
(vergl. Abbildung 57/58)

Wie wirkt sich das hier vorgestellte Horn nun aber auf einen Basslautsprecher
aus? Zunächst einmal wird die Druckkammer die Membranamplituden
verringern und damit auch den Wirkungsgrad sowie die nichtlinearen
Verzerrungen. In der Kammer selbst wird hoher Druck aufgebaut, der zu einer
entsprechend hohen Strömungsgeschwindigkeit im anschließenden Hornhals
führt. Die Geschwindigkeitstransformation steigert letztendlich den
Wirkungsgrad. Arbeitet die Membranrückseite jedoch auf ein geschlossenes
Volumen, um einen akustischen Kurzschluss zu verhindern, wird alles noch ein
wenig verwirrender.
Am Beispiel des 38-cm-Tieftöners SPH-390 TC von Monacor soll die Wirkung
des hier berechneten Eckhorns einmal konkretisiert werden. Als Freiluft-
Parameter wurden zunächst einmal gemessen:
fs = 21 Hz; Mms = 115 g; Sd = 850 cm2; VAS = 505 l; Qes = 0,21; Qts = 0,20; BL =
14,2 T . m; Re = 2,8 ; 0 = 2,1 %. Dieser Tieftöner verfügt über eine
Doppelschwingspule (zwei getrennte 8- -Spulen), die sich für die Messungen
in Parallelschaltung befanden. So gesehen handelte es sich beim SPH-390 TC
also um einen 4- -Tieftöner.
Zählt das geschlossene Volumen hinter der Membran 140 Liter, wäre eine
Einbauresonanz (fc) von 42 Hz und ein Q-Faktor (Qtc) von 0,4 zu erwarten
(vergl. Kapitel 4.1 „Geschlossene Gehäuse“). Die hier errechnete Druckkammer
vor der Membran erhöht jedoch die dynamische Masse um 60 Gramm, so dass
fc bei nur 34 Hz liegt und Qtc bei 0,5.

139
4 Lautsprechergehäuse

Oben Abb. 57: Querschnitt


durch das Eckhorn

Unten Abb. 58: Längsschnitt


durch die Box

140
4.5 Exponential-Gehäuse

Proportional zur dynamischen Masse verändert sich gleichzeitig der


Referenzwirkungsgrad und beträgt nun nur noch:

2 2
Mms 115g
η0' = ⋅ η0 = ⋅ 2,1% = 0,43 ⋅ 2,1% = 0,91%
Mms ' 175g

Der Referenzschalldruck ist damit von 95,3 dB auf 91,6 dB gesunken, doch der
Trichter wird ihn wieder erhöhen. Und zwar um:

AM
P = 20 log ; dB = 20 log 9,1; dB = 9,6 dB
AH

Der Schalldruckverlauf einer entsprechenden geschlossenen Box und eines


Exponential-Horns lassen sich zwar auch theoretisch ermitteln, doch jede
Umleitung oder Faltung des Horns, die hier vorgeschlagene Verkürzung, die
effektive Verlängerung durch die Zimmerwände, die Druckkammer-Wirkung
sowie unvermeidliche Verluste führen zu Abweichungen von den
Berechnungen. Daher zeigt das Diagramm 47 auf Seite 142 nur den gemessenen
Frequenzgang der Expo-Box.
Der nach tiefen Frequenzen hin abfallende Schalldruck resultiert aus dem
niedrigen Q-Faktor (Qtc) des Tieftöners und ist durchaus beabsichtigt. Mit
einem Qtc in Höhe von 1 wäre der Verlauf zwar flacher, doch wegen der
Platzierung des Horns in einer Zimmerecke hätte das in vielen Hörräumen
wummernde Tiefbässe zur Folge. Wird nur eine der beiden Schwingspulen des
SPH-390 TC angeschlossen, verringert sich der Schalldruck im oberen Bass um
rund 6 Dezibel, im Tiefbass jedoch nur um etwa 3 dB, da sich Impedanz und Q-
Faktor unter diesen Gegebenheiten verdoppeln. In manchen Fällen könnte sich
das als Vorteil erweisen, doch setzt man am besten einfach einen Pegelsteller
bzw. Lautstärkeregler in die Zuleitung zu einer der beiden Schwingspulen, um
die Basslautstärke an den Raum sowie an Mittel- und Hochtöner anpassen zu
können. Die Abhängigkeit von der Hörraumakustik bewirkt übrigens, dass sich
unterschiedliche Eckhörner akustisch verblüffend ähneln. Und allesamt eignen
sie sich weniger für quadratische Räume mit ausgeprägten Stehwellen, die bei
Eckaufstellung der Boxen zu unangenehmen Dröhneffekten führen.

141
4 Lautsprechergehäuse

Diagramm 47: Schalldruck (2,8 V / 1 m) des hier vorgestellten Eckhorns ohne Fre-
quenzgangkorrektur bzw. Frequenzweiche

Normalerweise begeistern Eckhörner aber mit ungeheuerer Tatkraft und Leis-


tungsfähigkeit, mit Lässigkeit und Souveränität bis zu höchsten Pegeln. Vor-
aussetzung dafür sind allerdings solide Gehäusewände, die nicht so leicht
mitschwingen. Zudem sind selbst kleinste Spaltöffnungen zwischen den ein-
zelnen Holzplatten unbedingt zu vermeiden bzw. mit dauerplastischer Dicht-
masse oder einem Gemisch aus Leim und Sägespänen zu verschließen, sonst
leidet die Tiefbassfähigkeit.

4.6 Expo-Reflex-Gehäuse
Exponential- und Bassreflex-Prinzip lassen sich gut miteinander kombinieren.
Unterstützt die Reflexöffnung die Bässe unterhalb von 100 Hz und der Trich-
ter nur die darüber liegenden Frequenzen, wird die Box nicht einmal allzu
sperrig. Zumindest dann nicht, wenn die Halsöffnung genauso groß ist wie die
effektive Membranfläche des Tieftöners und wenn die Mundöffnung für die
Aufstel-

142
4.6 Expo-Reflex-Gehäuse

Abb. 59: Querschnitt durch eine Expo-Reflexbox (Bauplan 8 in Abschnitt


8.2).

lung des Horns auf dem Boden und an einer Zimmerwand dimensioniert ist.
In diesem Fall muss der Trichter nicht einmal gefaltet werden. Selbst auf eine
Krümmung des Trichters kann verzichtet werden, ohne dass sich eine
nennenswerte Abweichung vom errechneten Verlauf einstellt.
Für Kombinationen aus Reflex- und Exponential-Prinzip eignen sich
vornehmlich Tieftöner mit mittlerer bis schwerer Membran und eher
schwachem Antrieb. Doch ab 400 bis 500 Hz sollte besser ein lauter
Konusmitteltöner die Wiedergabe übernehmen.
Wie Bassreflex- und Exponential-Gehäuse zu berechnen sind, wurde in
vorangegangenen Kapiteln erläutert, so dass an dieser Stelle nur noch die
Konstruktionsdaten einer leicht nachzubauenden Expo-Reflexbox für einen
30-cm-Tieftöner aufgeführt werden:

Halsöffnung: AH = 550 cm2

untere Grenzfrequenz: f0 = 108 Hz

143
4 Lautsprechergehäuse

Trichterkonstante: k=4
Mundöffnung: AM = 2020 cm2 (Platzierung auf Fußboden an Wand)
Trichterlänge: Xmax = 0,32 m
Nettoinhalt: VB = 70 1 (effektives Volumen der Reflexkammer)
Abstimmfrequenz: fB < 50Hz

Geeignete Tieftöner für dieses Gehäuse weisen in einer geschlossenen 70-1-Box


eine Resonanzfrequenz (fc) von etwas unter 50 Hz und einen Q-Faktor (Qtc) in
Höhe von etwa 1 auf. Zwischen 50 Hz und 500 Hz wird das Gehäuse den
Schalldruck dann um rund 5 dB erhöhen.

Zu dem aufwendigeren Kombinations-Gehäuse gibt es bei identischem


Bruttovolumen (gleiche Außenabmessungen) natürlich eine Alternative: Eine
simple Reflexbox mit zwei parallel geschalteten Basschassis erhöht
Wirkungsgrad und Maximal-Lautstärke in vergleichbarem Maß.
Bassreflexboxen sind sogar schneller zusammengebaut, doch je nach der
Qualität ihrer Tieftöner dürfte diese Variante etwas teurer ausfallen. Außerdem
halbieren zwei gleiche Chassis in Parallelschaltung die Impedanz, was nicht
immer erwünscht ist. Eine Serienschaltung verdoppelt dagegen die Impedanz,
doch bleibt dabei der Gewinn an Wirkungsgrad bzw. Schalldruck von
theoretisch 6 dB auf der Strecke.

4.1 Expo-Transmissionline-Gehäuse

Dieser Gehäusetyp wird auch als »Rear-Loaded-Horn« bezeichnet, da die


Rückseite der Bassmembran an ein Horn gekoppelt ist. Anders betrachtet
handelt es sich dabei um eine abgewandelte Transmissionline: Die
tieffrequenten Schwingungen von der Membranrückseite werden verzögert und
damit phasengedreht, um den Frontalschall zu unterstützen. Im Unterschied zu
einer rohrförmigen Laufzeitleitung steigt der Schalldruck dank des Horns,
während eine Druckkammer zugleich die Membranamplituden und die
Verzerrungen senken kann.

144
4.7 Expo-Transmissionline-Gehäuse

Abb. 60: Querschnitt durch eine Expo-Transmissionline (Bauplan 9 in Kapitel 8.2)

Zur Meidung von Konflikten mit dem akustischen Kurzschluss erfordert das
Transmissionline-Prinzip eine Rohr- bzw. Hornlänge von 2 m oder mehr und
ein Verhältnis von 1 : 1,5 bis 1 : 2 zwischen dem kürzesten und dem längsten
Weg von der Rück- zur Vorderseite der Membran. Das Exponential-Prinzip ist
allerdings noch ein wenig anspruchsvoller: Die Mundöffnung (AM) sollte für
eine untere Grenzfrequenz von etwa 100 Hz ausgelegt sein. Bei Aufstellung
der Box nahe einer Raumecke sind dazu schon 1 200 cm2 ausreichend. Und ab
etwa 200 Hz sollte eine Druckkammer die Wirkung allmählich reduzieren (f0
200 Hz), um keine Hornverfärbungen im Mitteltonbereich
heraufzubeschwören.

145
4 Lautsprechergehäuse

Die theoretischen Grundlagen von Transmissionline- und Exponential-


Gehäusen wurden in vorangegangenen Kapiteln bereits vorgestellt, so dass
hier nur noch die Konstruktionsdaten einer entsprechenden Kombinationsbox
für 25-cm-Tieftöner aufgelistet werden:

Halsöffnung: AH = 200 cm2


untere Grenzfrequenz: f0 = 99 Hz
Trichterkonstante: k = 0,9
Mundöffnung: AM = 1 200 cm2 (Platzierung nahe einer Raumecke)
Trichterlänge: Xmax = 2,0 m
Druckkammervolumen: VD 81

Tieftönern mit einer Freiluftresonanz bzw. einem totalen Q-Faktor von 30 Hz


und 0,4 bis 40 Hz und 0,5 verhilft dieses Gehäuse zu einer überaus kraftvollen,
impulsiven und verzerrungsarmen Basswiedergabe, die für den hohen
Arbeitsaufwand vollauf entschädigt. Ab 400 Hz bis 500 Hz empfiehlt es sich
jedoch, den Tief- von einem Mitteltöner ablösen zu lassen. Und damit Mittel-
und Hochtonchassis nicht zu weit unter die Ohrhöhe rutschen, dürfen sie hier
neben- statt übereinander montiert werden, was die Frequenzweiche jedoch
berücksichtigen muss.

4.8 Gehäuseresonanzen,
Stehwellen und Dämm-Material
Den hörbaren Unterschied zwischen einer hervorragenden und einer
minderwertigen Geige oder Trompete bewirken die schöneren und
angenehmeren Eigenresonanzen des meisterlichen Klangwerkzeugs. Der für
jedes Musikinstrument charakteristische Eigenklang wird von der Form, dem
Material und der Verarbeitung bestimmt. Instrumenten die reizvollsten
Resonanzen in die Wiege zu legen, ist eine große Kunst.
Nicht so bei Lautsprechern. Denn nicht die großartigsten, sondern die
geringsten Eigenklänge zeichnen hochwertige HiFi-Boxen aus.

146
4.8 Gehäuseresonanzen, Stehwellen und Dämm-Material

Sie müssen ja alle nur denkbaren Klänge und Geräusche täuschend echt
nachahmen können. Eigenresonanzen sind dabei nur hinderlich, unerwünscht
und tunlichst zu unterdrücken. Neben Membranen neigen auch Gehäusewände
mehr oder weniger zu Resonanzen, die den Klang beeinträchtigen. Besonders
Schallwände werden von den darauf montierten Chassis heftig zum
Mitschwingen angestachelt und müssen deshalb möglichst resonanzarm sein
und immer beherrscht bleiben.
Mit Hilfe federleichter Beschleunigungsaufnehmer lassen sich
Gehäuseresonanzen messtechnisch erfassen und beseitigen. Doch beachtet man
einige Faustregeln, kann man sich unnötigen Aufwand ersparen. Das Material
selbst (Span-, MDF-, Sperrholzplatte) wird vornehmlich die Tonhöhe der
Resonanzen bestimmen, während die Stärke der Wände auch deren Amplitude
maßgeblich beeinflusst. Zur Verringerung unerwünschter Vibrationen und zu
deren Verteilung auf unterschiedliche Frequenzen sind solide
Versteifungsleisten oder -bretter anzubringen, und zur Vibrationsdämpfung
eignen sich aufgeklebtes Bitumen (,‚Dachpappe“) oder Weichfaserplatten am
besten.
Als recht wirkungsvoll haben sich auch Schaumstoffringe erwiesen, die
zwischen Lautsprecher und Schallwand montiert werden. Sie sitzen in optimaler
Position: an der Kontaktstelle zwischen Chassis und Box. Hier dämpfen sie
nicht nur die unvermeidlichen Resonanzen der Lautsprecherkörbe, sondern auch
die Übertragung aller Vibrationen auf die Schallwand. Denn es ist die
Schallwand, die die anderen Wände zum Mitmachen anregt. Während die
Seitenwände meist verhältnismäßig ruhig bleiben und keine allzu große
Aufmerksamkeit verlangen, gibt sich die Rückwand einer Box wieder kritisch,
denn auch sie schwingt in derselben Richtung wie die Schallwand und die
Membranen. Doch auch als Reflektor, der den Schall wieder zur Membran
zurückschickt, bewirkt die Rückwand eines Gehäuses oftmals
Klangverfärbungen.
Fallen kräftige reflektierte Schallwellen von hinten über eine Membran her, so
wird deren Schwingungsverhalten davon in Mitleidenschaft gezogen: Klarheit
und Präzision lassen erheblich nach. Wirklich dramatisch wird das bei
Frequenzen, deren Wellenlänge genauso bzw. doppelt so groß ist wie der
Abstand zwischen Membran und reflektierender Wand. Denn hier schaukeln
sich die Refle-

147
4 Lautsprechergehäuse

Abbildung 61: Kann sich der Schall endlos ausbreiten, gibt es keine Probleme mit
Reflexionen und stehenden Wellen.

xionen gewaltig auf, und der Schall scheint endlos verharren zu wollen. Man
spricht deshalb auch von stehenden Wellen oder Stehwellen. Eine Membran mit
weitgehend gleichem Abstand zu Gehäusedecke, -seiten, -boden und -rückwand
ist daher bösen Attacken von hinten ausgesetzt.
Stehwellen in Gehäusen treten natürlich nicht nur zwischen Membran und
Rückwand auf, sondern auch zwischen all den anderen Wänden. Am übelsten
sind sie, wenn die Wellenlänge doppelt so groß ist wie der Abstand zwischen
Membran und Reflexionsfläche. Dagegen kann selbst ein Abwinkeln oder -
runden der reflektierenden Fläche kaum etwas ausrichten, wie oft geglaubt wird.
Diagramm 9 und 10 (Kapitel 2.3) verdeutlichen das anhand eines etwa 20 cm
langen, zylinderförmigen Mitteltöner-Gehäuses mit halbkugelförmigem Ende.
Am wirkungsvollsten geht man gegen Stehwellen vor, indem man einer
Konusmembran unterschiedliche Abstände zu den Gehäusewänden einräumt und
die Box zusätzlich mit Dämmmaterial versieht. Nahe der Gehäusemitte sind
solche Materialien wirksamer als an den Wänden, wo zwar der größte Druck der
Luftmoleküle vor-

148
4.8 Gehäuseresonanzen, Stehwellen und Dämm-Material

Links Abb. 62a: Während der Lautsprecher nach W1 eine weitere Schallwelle
produziert, (W2), wird die erste (W1) von der gegenüberliegenden Wand reflek-
tiert (W1‘).
Rechts Abb. 62b: Wieder an der Schallwand angelangt, wird W1 zum zweiten Mal
reflektiert und addiert sich nun zu W3. W3 wird dementsprechendlauter. Wenig
später addiert sich der reflektierte Wellenzug W2’ zum neu produzierten W4.
Dann gelangen die Reflexionen von W3 und W1 wieder zur Schallwand und
addieren sich zu W5. Das geht nun immer so weiter, wobei das ursprüngliche
Signal wesentlich verstärkt wird. Die Welle kann sich nämlich nicht mehr
fortbewegen; sie „steht“.

Abb. 62c:
A1 = Ursprünglich korrekte
Amplitude.
A2 = Tatsächliche Amplitude der
stehenden Welle.

149
4 Lautsprechergehäuse

Links Abbildung 63:


Holzleisten und -
bretter zur
Wandversteifung
schwächen auch Stehwellen, v. a. weil sie
die Befestigung von Dämmmaterial nahe
der Gehäusemitte ermöglichen.

Rechts Abbildung 64: Unterteilt man die breiten bzw. hohen Öffnungen von Expo-
Boxen, verschieben sich Stehwellen, und ihr Störpotential sinkt.

herrscht, aber die geringste Bewegung. Die Bewegungsenergie in


Reibungswärme zu verwandeln, ist jedoch die vorherrschende Aufgabe des
Dämmmaterials.
An den Gehäusewänden befestigt, wird es anderseits deren Vibrationen
dämpfen, was auch nicht zu verachten ist. Bei Bassreflexboxen ist die
Anbringung des Materials an den Gehäusewänden sogar zu empfehlen. Denn
Steinwolle und Co. verringern leider auch die bassverstärkende Helmholtz-
Resonanz, was zu einem behutsamen Einsatz von Dämmmaterialien auffordert.
Allerdings unterscheiden sich Dämmmaterialien in ihrer Wirkung. Je feiner die
Poren oder Fasern, desto wirkungsvoller wird mittelfrequenter Schall absorbiert
- und Stehwellen im Gehäuse treten ja praktisch immer im Mitteltonbereich
auf. Ganz feinfaserige Polyesterwatte muss nicht minder effektiv sein als die
wegen ihrer Lungengängigkeit umstrittene, akustisch aber höchst effiziente
Mineralwolle. Selbst manche Schaumstoffe eignen sich gut zur Gehäuse-
dämpfung, auch wenn sich einige „Akustik-Schaumstoffe“ schon als nahezu
wirkungslos erwiesen.

150
4.9 Frontverkleidungen

Für Transmissionlines galt reine Schafwolle vormals als Nonplusultra.


Aufgrund ihrer großen und relativ schweren Fasern lässt sie bei sehr
niedrigen Frequenzen tatsächlich Überlegenheit erkennen, macht die
effektive Wegstrecke durchs Gehäuse noch länger, als es die anderen
Materialien fertig bringen, senkt die Grundresonanz des Basslautsprechers
noch tiefer und erhöht zugleich seinen Einbau-Q-Faktor, da sie gern
mitschwingt. Die Dämpfung von Stehwellen gelingt ihr demgegenüber nur
halb so gut wie z. B. Mineralwolle, sie wird von Motten als willkommene
Nahrungsquelle geschätzt und neigt dazu, im Lauf der Zeit in sich
zusammenzusacken und bei Feuchtigkeit zu müffeln.
In den meisten Fällen sind Mineralwolle oder (feinfaserige!) Polyesterwatte
vorzuziehen. Denn sie sind leicht zu beschaffen, preiswert und sehr wirksam.
Für die kleinen, vollständig aufzufüllenden Mitteltongehäuse hat sich sogar
Zellwolle (d. h. Watte aus dem Badezimmer) als zufrieden stehendes
„Hausmittel“ bewährt.

4.9 Frontverkleidungen

Diagramm 48: Einfluss von Rahmen und Bespannung auf den Frequenzgang einer
Regalbox. A: ohne, B: mit Frontverkleidung.

151
4 Lautsprechergehäuse

Die Frontbespannung schützt eine Box, indem sie insbesondere Staub und
neugierige Finger von den Chassis fernhält. Das ist auch gut so. Nur muss die
Bespannung, ob aus Metall oder Stoffgewebe, so schallduchlässig wie irgend
möglich sein, um die Wiedergabe nicht unnötig zu beeinträchtigen. Doch selbst
wenn Spezialstoffe aus einem Fachgeschäft Schlimmes verhüten, bleibt ein
minimaler Einfluss bestehen, da selbst 13 mm dünne Bespannrahmen zu Beu-

Mit dem Tacker wird der Bespannstoff auf einem Holzrahmen befestigt. Klettenbänder
halten den Bespannrahmen auf der Schallwandfest.

152
Bauteile für Frequenzweichen. Oben: Glockenkern-Ferritspule (3,9 mH), Luftspulen (3 mH und
0,56 mH). Unten: Widerstände (11 und 5 Watt), Folienkondensator (33 µF) und Elko (68 µF).

Lautsprecher-Zubehör: Reflextunnel, Mitteltöner-Abdeckung, Zierringe, Lautstärkeregler, Anschluss-


Buchsen und Akustiklinse.
4 Lautsprechergehäuse

gungseffekten im Mittelhochtonbereich führen können. Zwar sind deren


klangliche Auswirkungen nicht gravierend, aber durchaus schon hör- und
messbar.
Diagramm 48 zeigt den Einfluss eines 16 mm starken Holzrahmens mit weniger
durchlässigem, aber trotzdem speziell für Boxen vorgesehenem Bespannstoff.
Nahe 800 Hz erhöht ein Druckkammer-Effekt den Schalldruck nm fast 2 dB.
Die kleinen Senken im oberen Mittel- und im Hochtonbereich sind dagegen auf
Schallbeugung an den Rahmenkanten zurückzuführen und verharren selbst nach
Entfernung des Stoffs, der wiederum oberhalb von 13 kHz etwas Pegel
schluckt.
Auch wenn es akustisch besser wäre, muss auf eine Frontverkleidung nicht
völlig verzichtet werden. Es empfiehlt sich aber, die Kanten des Rahmens nach
innen abzuschrägen und auf gute Durchlässigkeit der Bespannung zu achten.
Meist genügt schon eine Sichtkontrolle, bei der das Gewebe mit bloßem Auge
auf seine Durchlässigkeit geprüft wird.

154
5. Frequenzweichen
Da ein einzelnes Chassis nicht in allen Tonlagen kompetent und mustergültig
musizieren kann, benötigen HiFi-Boxen wenigstens zwei von ihnen. Der
Tieftöner einer Zweiweg-Kombination zeichnet dann z. B. für die Grundtöne
unter 2 kHz verantwortlich, der Hochtöner für die Obertöne ab 2 kHz. Dreiweg-
Boxen trumpfen noch mit einem zusätzlichen Mitteltöner auf, und Vierweg-
Boxen spalten das gesamte Hörspektrum gar in vier Teilbereiche. Die
Hauptaufgabe einer Frequenzweiche liegt nun darin, die Trennung in mehrere
Bereiche vorzunehmen, so dass dem Tieftöner von vornherein nur tiefe Töne
zugeführt werden und dem Hochtöner nur hohe Töne.
Frequenzweichen nehmen Einfluss auf Frequenzgang, Schallbündelung,
Impulsverhalten, nichtlineare Verzerrungen und Impedanz einer Box und stehen
somit in hoher Verantwortung. Es gibt zahllose Theorien und Konzepte zu ihrer
Optimierung, die ganze Bände füllen könnten. An dieser Stelle werden
stattdessen nur einige wesentliche Grundzüge und Probleme von
Frequenzweichen umrissen, Faustregeln, mit denen man notfalls auch ohne
Messraum und Gerätepark zurecht kommt.

5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Filter erster Ordnung sind recht leicht zu berechnen und zu bauen.


Entsprechende Zweiwegweichen bestehen lediglich aus einer (Drossel-) Spule
für den Tieftöner und einem Kondensator für den Hochtöner.

155
5 Frequenzweichen

Diagramm 49: Theoretische Spannungsdämpfung von Filtern erster (1) bis vierter (4)
Ordnung. Die Senke bei der Übernahmefrequenz (hier: fc =1 kHz) zeigt sich später
sich im Schalldruckverlauf der Box, da dieser Bereich ja von zwei Chassis gleichzeitig
wiedergegeben wird.

Die Bauteilwerte eines Filters erster Ordnung errechnen sich zu:

103 ⋅ Z 160 ⋅ Z
Spuleninduktivität: L= ≈ ; mH
2 ⋅ π ⋅ fc fc

10 6 160 000
Kondensatorkapazität: C= ≈ ; µF
2 ⋅ π ⋅ Z ⋅ fc Z ⋅ fc

Wobei Z für die Impedanz des Lautsprechers und fc für die Trenn- oder
Übergangsfrequenz steht. Millihenry (mH) und Microfarad (µF) sind
Maßeinheiten für handelsübliche Induktivitäten bzw. Kapazitäten.
Für eine Trennung bei 2 kHz und Chassis mit 8 Impedanz muss die Spule
demnach 0,64 mH aufweisen und der Kondensator für den Hochtöner 10 µF.
Für 4- -Lautsprecher wären es 0,32 mH bzw. 20 µF.
Handelsübliche Induktivitäten und Kapazitäten sind indes nach Normreihen
gestaffelt und nicht in beliebigen Werten erhältlich.

156
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Abb. 65: Schaltbild


eines Zweiweg-
Filters 1. Ordnung,
das theoretisch mit 6
dB / Oktave dämpft.
Dem Plus-Pol eines
Lautsprechers
entspricht immer
sein rot markierter
Löt- bzw.
Klemmanschluss.

Normales
Elektrokabel

Zuleitung zum
Verstärker

Statt einer Spule mit 0,64 mH wird man nur eine mit 0,68 mH bekommen, statt
0,32 mH nur 0,33 mH. Dagegen ist 10 µF ein üblicher Standardwert für
Kondensatoren, während man anstelle eines mit 20 µF einen Kondensator mit
22 µF akzeptieren muss. Abweichungen von bis zu 10 % sind noch tolerierbar.
Dafür ist eine andere Hürde zu nehmen:
Weder der Frequenzgang noch der Impedanzverlauf von Tief-, Mittel- und
Hochtönern ist ausreichend linear, um funktionstüchtige Frequenzweichen
derart leicht realisieren zu können. So steigt die Schalldruckkurve eines
Tieftöners aufgrund der Schallbündelung seiner Membran stets zum
Mitteltonbereich hin an, und die Impedanz klettert aufgrund der
Schwingspuleninduktivität mit zunehmender Frequenz immer weiter in die
Höhe. Zur Kompensation dieser Eigenschaften muss die Induktivität vor dem
Basslautsprecher um einiges größer sein als errechnet. Vergleichbares gilt für

157
5 Frequenzweichen

den Hochtonbereich, nur dass die Kondensator-Kapazität gegenüber den


errechneten Werten zu verringern ist.
Mit Filtern erster Ordnung wird eine ausreichende Korrektur des Frequenzgangs
ohnehin selten gelingen. Auch aus anderen Gründen sind sie kaum zu
empfehlen: Sie lassen die Einsatzbereiche von Tief- und Hochtöner äußerst weit
überlappen. Das ruft boshafte Interferenzen zwischen den Chassis auf den Plan,
die unannehmbar hohe lineare Verzerrungen entfachen. Die theoretischen
Vorteile von Filtern erster Ordnung, wie geringe elektrische Phasendrehungen
und die saubere Impulsverarbeitung, verkehren sich aufgrund von
Interferenzproblemen daher in gravierende Nachteile. Und weil solche Filter
niedrige Frequenzen nicht gebührend vom Hochtöner fernhalten, gedeihen
zudem Klirr- und Intermodulations-Verzerrungen zu prunkvoller Blüte.

Filter zweiter Ordnung sind praxistauglicher, weil sie mit 12 dB pro Oktave
dämpfen statt mit nur 6 dB. Für eine Butterworth-Charakteristik des Filters mit
-3 dB Schalldruck bei fc gilt:

103 ⋅ Z 225 ⋅ Z
Spuleninduktivität: L= ≈
2 ⋅ π ⋅ fc fc

106 112 500


Kondensatorkapazität: C= ≈
2 ⋅ 2 ⋅ π ⋅ fc Z ⋅ fc

Tief- und Hochpass bestehen dabei aus je zwei Bauteilen. Ein typisches
Schaltbild zeigt Abbildung 66. Für 4- -Chassis und 3 kHz Trennfrequenz sind
theoretisch Induktivitäten mit 0,3 mH und Kapazitäten mit 9,4 µF erforderlich.
Auch hier muss wieder auf benachbarte Normwerte zurückgegriffen werden:
0,33 mH und 10 µF.
Der zu den Mitteltönen ansteigende Frequenzgang von Tieftönern ist
annäherungsweise durch eine Verdoppelung der errechneten Induktivität
einzuebnen. So werden aus 0,30 mH (Normwert 0,33 mH) für den Tiefpass am
Ende 0,60 mH (Normwert: 0,56 oder 0,68 mH).

158
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Abb. 66: Schaltbild einer L1: 0,68mH


Zweiweg-Weiche 2. Ord- L2: 0,33mH
nung mit Korrektur- C1: 15 µF
Widerstand. C2: 6,8 µF
R1: 1,8

Oberhalb ihrer höchsten Einsatzfrequenz fmax plagen die meisten Tieftöner


aber noch mit Abrissresonanzen, die es zu knebeln gilt, falls sie nicht
wenigstens zwei Oktaven über der Trennfrequenz liegen. Zur Abwehr genügt
oft schon eine Vergrößerung des errechneten Kondensators um rund 50 %.
Aus 9,4 µF bzw. 10 µF werden damit 15 µF.
Doch das ist noch nicht alles, denn die Schwingspuleninduktivität fordert
noch ihren Tribut, sonst wird sie die Wirkung der Frequenzweiche vehement
torpedieren. Den Ausgleich kann ein Widerstand besorgen, der knapp halb so
groß ist wie die Impedanz des Tieftöners und der in Reihe zum Kondensator
geschaltet wird.
Auch Hochpässe für die Hochtöner verlangen in der Regel andere als die
errechneten Bauteil-Werte. Doch in vielen Fällen genügt bereits eine
Verringerung der Kondensator-Kapazität um etwa ein Drittel. Nur
Hornlautsprecher mit akustischer Linse verlangen generell einen noch
stärkeren Eingriff: Unabhängig von der Trennfrequenz ist der

159
5 Frequenzweichen

Oben: — ohne Weiche, --- mit einfachem Tiefpass (0,33 mH; 10µF)
Unten: — Zielvorgabe, - - - mit modifiziertem Tiefpass (0,68 mH; 15 µF; 1,8 )

Diagramm 50: Frequenzgang eines 17-cm-Tieftöners ohne und mit Frequenzweiche


(Trennfrequenz fc 3kHz)

Serienkondensator vor dem Hochtonhorn auf 1,5 bis 2,2 µF festzulegen.


Abbildung 67 zeigt den schematischen Aufbau einer Dreiweg-Weiche zweiter
Ordnung. Sowohl sie, als auch Zweiweg-Versionen drehen an der Phase, so
dass die Mittel- oder / und Hochtöner eventuell verpolt angeschlossen werden
müssen (Pluspol der Chassis an Minusleitung zum Verstärker). Andernfalls
wird ein mehr oder weniger tiefes Loch in den Frequenzgang nahe der
Übergangsfrequenz gegraben. Ob eine Umpolung tatsächlich erforderlich ist
oder nicht, hängt aber auch vom akustischen Phasengang der Lautsprecher ab.
Hier helfen Faustregeln nicht weiter, sondern nur das Ausprobieren.

160
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Abb. 67: Schaltbild einer


Dreiweg-Weiche zweiter
Ordnung. Mittel- und / oder
Hochtöner sind ggf. zu verpolen.
A
b
b

Abb. 68: Filter für Hochton-


Hörner mit Linse.
C: 1,8 µF
L: 0,22 mH bis 0,4 mH

161
5 Frequenzweichen

Filter dritter Ordnung bewirken theoretisch eine Spannungsdämpfung von 18


Dezibel pro Oktave. Schon ihre Berechnung ist recht aufwendig, da für Tief- und
Hochpass verschiedene Gleichungen gelten:

3 ⋅103 ⋅ Z 240 ⋅ Z
Tiefpass: L1 = 2
≈ ; mH
2 ⋅ π ⋅ fc fc
103 ⋅ Z 80 ⋅ Z
L2 = 2
≈ ; mH
2 ⋅ π ⋅ fc fc
2 ⋅ 106 212 000
C1 = ≈ ; µF
3 ⋅ π ⋅ fc ⋅ Z fc ⋅ Z

Der zum Mitteltonbereich hin ansteigende Schalldruck eines Tieftöners wird


begradigt, indem man die errechnete Induktivität L1 in der Praxis etwa
verdoppelt. Und zur Kompensation der Schwingspuleninduktivität genügt oft
schon ein Widerstand in Reihe zum Kondensator des Tiefpasses mit 1,8 Ohm für
4- -Chassis bzw. 3,3 Ohm für 8- -Tieftöner.
Da der elektrische Strom bei Tiefpässen dritter Ordnung zwei Spulen durchläuft,
bevor er zum Lautsprecher gelangt, erhöht sich allerdings das Risiko von
Nebenwirkungen (Verluste, Verzerrungen), so dass diese Filter zumindest für
Tiefpässe nur bedingt zu empfehlen sind.

162
5.1Elektrische Filter fürLautsprecher

Oben Abb. 70: Hochpass-Filter


dritter Ordnung Links Abb. 69:
Schaltbild eines Tiefpass-Filters
dritter Ordnung mit Korrektur-
Widerstand

Hochpässen bieten Filter 3. Ordnung dagegen eindeutige Vorteile, da im


Hochtonbereich zwei Barrieren zu überwinden sind. Die erste bildet der
Impedanzanstieg bei der Grundresonanz von Kalotten ohne Fluid im
Luftspalt. Soll der Schalldruck mit 12 dB pro Oktave sinken, ist der Hochpass
meist schon als Filter 3. Ordnung auszulegen. Die zweite Hürde besteht in
Beugungseffekten: Je nach Schallwandbreite reduziert Kantenbeugung den
axialen Schalldruck zwischen 2 und 3 kHz und hebt ihn nahe 4 bis 5 kHz
geringfügig an, wenn der Hochtöner mittig auf der Schallwand residiert.
Um beide Hindernisse zu überwinden, sind C1 und C2 gegenüber den
Berechnungen des Hochpasses um rund ein Fünftel zu verringern, und in der
Gleichung für L1 ist pauschal mit 2 bis 3 kHz als Trennfrequenz zu rechnen,
auch wenn diese höher oder tiefer liegen soll.
Beispiel: Eine Hochtonkalotte mit 8 Ohm Impedanz soll oberhalb von 3 kHz
eingesetzt werden. Rechnerisch müssten die Bauteile für einen Hochpass 3.
Ordnung daher folgende Werte aufweisen: C1 = 4,4 µF, C2 = 13,2 µF und L1 =
0,32 mH. Zur Kompensation der Grundresonanz sind C1 und C2 aber um rund
ein Fünftel auf etwa 3,5 µF und 10,6 µF zu verringern. Benachbarte und
problemlos erhältliche Normwerte sind: 3,3 bzw. 3,9 µF für C1 und 10 µF für
C2. Zum Auffüllen der Senke zwischen 2 und 3 kHz wird L1 generell auf 0,47
mH festgelegt. Die Wirkung dieses Filters auf den Frequenz-

163
5 Frequenzweichen

gang eines Hochtöners auf 22 cm breiter Schallwand zeigt Diagramm 51.

Diagramm 51:
A: Axialer Frequenzgang einer 2,5-cm-Hochtonkalotte im Gehäuse
B: Mit kompensierendem Hochpass-Filter von rechnerisch dritter, akustisch aber nur
zweiter Ordnung. Trennfrequenz 3kHz. Oberhalb von 8kHz erhöht die
Wechselwirkung zwischen Kondensatorkapazität und Schwingspuleninduktivität
den Pegel geringfügig.
C: Durchlasskurve bzw. Spannungsdämpfung des Filters

Wer gern mit vielen Bauteilen hantiert, kann natürlich auch eine komplette
Dreiwegbox mit Filtern dritter Ordnung versehen, mit einer aufwendigen
Kombination aus Hoch- und Tiefpass (Bandpass) für den Mitteltöner.
Theoretisch ist der Mitteltöner einer solchen Dreiwegbox umzupolen,
praktisch gelegentlich der Hochtöner oder beide Chassis.
Die in diesem Kapitel dargestellten Faustregeln zur Linearisierung der
Schalldruckkurven von Tief- und Hochtönern setzen voraus, dass die
Lautsprecher nicht zu individuellen bzw. untypischen Anhebungen oder
Senken im Frequenzgang neigen. Tun sie es dennoch, hilft nur eine
messtechnische Anpassung der Weiche.
Doch selbst dann erweisen sich übliche Filter oft als unzulänglich, so dass
spezielle Korrekturschaltungen benötigt werden. Sitzt der Mitteltöner z. B.
mitten auf einer 20 bis 25 cm breiten Schallwand,

164
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Abb. 71: Schaltbild eines Dreiweg-


Filters 3. Ordnung

erhöhen Reflexionen seinen Pegel zwischen 500 Hz und 1,5 kHz. Dazu
gesellen sich häufig noch originelle Eigenresonanzen im Mitteltonbereich.
Zum Ausgleich der Bündelungseffekte von Schallwand und Membran sind
Sperrkreise prädestiniert. Sie bestehen aus Kondensator, Spule und
Widerstand, die vor den Lautsprecher geschaltet werden. Mittels einer
frequenzabhängigen Impedanzerhöhung reduzieren sie die zugeführte
Verstärkerleistung und damit den überschüssigen Schalldruck.
Ein Saugkreis verursacht dagegen eine Art frequenzabhängigen Kurzschluss.
Er liegt parallel zum Lautsprecher und erfordert impe-

165
5 Frequenzweichen

Abb. 72: Sperrkreis zur


Schalldruck-Korrektur.

Abb. 73: Saugkreis zur


Schalldruck-Korrektur.
Als Vorwiderstand (L/C)
dient eine Spule oder ein
Kondensator.

danzerhöhende Bauteile als Vorwiderstand. Saugkreise eignen sich gut zur


Kompensation von Membranresonanzen im oberen Mitteltonbereich, wo sie
fast jede Schalldruckkurve zurechtbiegen können. Auch haben sie sich zur
Verringerung störender Einflüsse der Grundresonanz von Tief- Mittel- und
Hochtönern bewährt. Und da sie den elektrischen Strom nicht zum
Lautsprecher, sondern zur Masse leiten, ist ihre Bauteil-Qualität unkritischer
als die von Sperrkreisen.
Beispiel: Der Sperrkreis in Abbildung 74 korrigiert den von Schall-
wandreflexionen bewirkten Pegelanstieg nahe 1 kHz, eine Serien-

Abb. 74: Schaltbild


des Tiefpass-Filters für
Diagramm 52.

166
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Diagramm 52: Ein Sperr- und ein Saugkreis nähern den Frequenzgang eines kleinen
8- -Tieftöners im 20 cm breiten Gehäuse dem Kurven verlauf eines Filters 2.
Ordnung an. Trennfrequenz ca. 3 kHz.

A: Schalldruckkurve ohne Frequenzweiche


B: Mit komplexem Tiefpass-Filter
C: Spannungsdämpfung des Filters

spule (1 mH) gleicht den durch Membranbündelung bedingten Anstieg aus


und dient als Vorwiderstand für den Saugkreis, der die Abrissresonanz der
Membran bei 4 kHz kompensiert. Mit leicht geänderten Bauteilen ist der
Kurvenverlauf auch dem eines Filters 3. Ordnung anzupassen.
Einen gravierenden Nachteil haben solche Korrektur-Schaltkreise aber doch,
Saugkreise sogar noch mehr als Sperrkreise: Beide stehen in enger
Wechselbeziehung zum Impedanzverlauf des Lautsprechers und dem seiner
Filterbauteile. Wenn ein Bauteil geändert wird, kann sich zugleich die
Wirkung der anderen ändern. Daher ist eine erfolgreiche Abstimmung nur
messtechnisch und typspezifisch zu bewerkstelligen.
Statt verbogene Frequenzgänge mühsam dem Idealverlauf anzunähern, wird
manchmal versucht, Problembereiche mit besonders steilflankigen Filtern
einfach auszublenden. Linkwitz-Filter 4. Ordnung sind ein sehr beliebtes
Mittel dafür. Nur ziehen abrupte Ausgrenzungen selten guten Klang nach
sich, weil sie die Übertragungsbereiche der Einzelchassis nur wenig
überlappen lassen. Da

167
5 Frequenzweichen

aber selbst hochwertige Tief-, Mittel- und Hochtöner alle ihre individuelle
Farbe oder Tönung ins Klangbild miteinbringen, lässt eine schroffe akustische
Trennung zwischen ihnen die kompletten Boxen gewöhnlich weniger
harmonisch, homogen und wie aus einem Guss musizieren. Außerdem ist der
Materialaufwand immens, da die Kondensatoren und Spulen im Signalweg,
also in Reihe zum Chassis, hohen Qualitäts-Ansprüchen genügen müssen.
Trotzdem werden Aufbau und Gleichungen hier nicht vorenthalten:

Tiefpass Linkwitz-Filter 4. Ordnung:

300 ⋅ Z 150 ⋅ Z
L1 = ; mH L2 = ; mH
fc fc

250 000 56 000


C1 = ; µF C2 = ; µF
fc ⋅ Z fc ⋅ Z

Hochpass Linkwitz-Filter 4. Ordnung:

85 000 170 000


C1 = ; µF C2 = ; µF
fc ⋅ Z fc ⋅ Z

100 ⋅ Z 450 ⋅ Z
L1 = ; mH L2 = ; mH
fc fc

Oben Abb. 75: Hochpass 4.


Ordnung.

Links Abb. 76: Tiefpass 4.


Ordnung.

168
5.1 Elektrische Filter für Lautsprecher

Auch hier können die Gleichungen wieder nur als Ausgangsbasis dienen. Denn
wegen ungewollter, schwer kalkulierbarer Wechselwirkungen mit den
Lautsprechern sind am Ende oft ganz andere Bauteile nötig, um einen
verwegenen Gesamt-Frequenzgang sowie verstärkerkritische Impedanzminima
zu vermeiden.
Mit zunehmender Ordnung bzw. Flankensteilheit verschlechtert sich im
Übrigen das Impulsverhalten von Filtern. Gegenüber den Auswirkungen von
Membranresonanzen und Stehwellen im Gehäuse sind aber selbst Linkwitz-
Filter 4. Ordnung diesbezüglich harmlose Waisenknaben.
Dennoch sind die frequenzabhängigen Signalverzögerungen von Filtern nicht zu
vernachlässigen. Sie beeinflussen nämlich den Abstrahlwinkel einer Box in der
Nähe der Übergangsfrequenzen. Befinden sich die Chassis übereinander, so
betrifft das vor allem die Schallverteilung nach oben und unten. Eine
unsymmetrische Verteilung kann durchaus hörbar werden: Wenn mehr Schall
zur Zimmerdecke gelangt als zum Fußboden, scheinen Stimmen und
Instrumente eher über den Boxen zu schweben; richten die Lautsprecher
dagegen deutlich nach unten, lassen kräftige Bodenreflexionen die Musiker
scheinbar unter der Bühne spielen. Leider ist eine gleichmäßige
Schallverteilung nur mit Hilfe exakter Schalldruck-Messungen auf, über, unter
und neben der Hauptachse (etwa zwischen Hoch- und Mitteltöner)
sicherzustellen.
Wer über gute Messmöglichkeiten verfügt, kann die oben beschriebenen
Phänomene selbst beeinflussen, indem er die Filter einer Kombination mit
unterschiedlichen Flankensteilheiten ausstaffiert. Klinkt sich der
Mitteltonbereich ab 3 kHz z. B. mit 9 bis 12 dB pro Oktave aus, muss der
Hochtonzweig Frequenzen unter 3 kHz u. U. mit 15 bis 18 dB pro Oktave
sperren, um eine symmetrische vertikale Schallverteilung der Kombination zu
erzielen. Nur hängt das Ergebnis nicht allein von den Filtern ab, sondern auch
von den jeweiligen Lautsprechern und ihrer Position zueinander. Deshalb
kommt der Anzahl oder der Verschaltung der Bauteile nur wenig Bedeutung zu.
Was zählt, ist der endgültige Schalldruckverlauf der Chassis im vorgesehenen
Gehäuse mit der Frequenzweiche.
Für das Ausmaß der Signal-Verzögerung spielt es praktisch keine Rolle, ob
beispielsweise ein Mitteltöner von sich aus hohe Frequenzen leiser wiedergibt,
oder ob er dazu ein Filter erster,

169
5 Frequenzweichen

zweiter oder dritter Ordnung benötigt. Sind die Schalldruckkurven am


Ende gleich, sind es in aller Regel auch die Signal-Verzögerungen bzw.
die ihnen zugrunde liegenden Phasendrehungen.

5.2 Die Auswahl der Bauteile


Die errechneten Werte für Spulen und Kondensatoren einer Fre-
quenzweiche sind stets auf benachbarte und handelsübliche Normwerte zu
runden, wenn das nicht zu Abweichungen von über 10 % führt. Falls doch
oder falls die benötigten Bauteile nicht vorrätig sind, lassen sich mehrere
Bauteile miteinander kombinieren, um auf die korrekten Werte zu
kommen. Spulen, Widerstände und Lautsprecher müssen in Serie oder
Reihe geschaltet werden, sollen sich die aufgedruckten Werte addieren.
Kondensatoren sind dafür parallel zu schalten.

1,4 mH + 0,8 mH = 2,2 mH

1,8 + 2,2 =4

8 +8 = 16

Abb. 77: Beispiele zur


Erhöhung von
Bauteilewerten.

10

Werden Spulen, Widerstände oder Lautsprecher stattdessen parallel


geschaltet, verringern sich ihre ohmschen und induktiven Werte.
Kondensatoren müssen sich dagegen in Reihenschaltung be-

170
5.2 Die Auswahl der Bauteile

8⋅8 64
Ω= Ω=4Ω
8+8 16

1,8 ⋅ 2,2 3,96


Ω= Ω ≈1Ω
8+8 4

3 ⋅ 1,4 4,2
mH = mH ≈ 0,95 mH
3 + 1,4 4,4

6,8 ⋅ 10 68
µF = µF ≈ 4 µF
6,8 + 10 16,8
Abb. 78: Beispiele zur Verringerung von Bauteilewerten.

finden, damit sich ihre Gesamtkapazität entsprechend gering ausfällt.


Neben den aufgedruckten Werten der Bauteile spielt deren Toleranz eine weitere
Rolle: 10 % dürfen es maximal sein, so dass Abweichungen vom Nennwert der
Spulen, Kondensatoren und Widerstände höchstens ein Zehntel betragen werden.
Noch geringere Toleranzen lohnen den in die Höhe schnellenden finanziellen
Aufwand selten. Dafür sind andere Eigenschaften kritisch unter die Lupe zu
nehmen.
So haftet Spulen neben dem induktiven und frequenzabhängigen noch ein
ohmscher, von der Frequenz völlig unabhängiger Widerstand an, der zu
Verlusten führt. Er wird zumeist als Gleichstromwiderstand der jeweiligen Spule
genannt. Liegt er mehr als 5 % über der Lautsprecherimpedanz, ist sein Einfluss
auch ohne großen Aufwand messtechnisch nachweisbar. Beträgt er 10 % der
Impe-

171
5 Frequenzweichen

danz, ist sein Einfluss sogar hörbar. Vor allem Spulen in Serienschaltung zum
Lautsprecher sollten deshalb möglichst weniger als 0,8 Ohm (für 8- -Boxen)
in die Waagschale werfen. Wird eine Spule jedoch parallel zum Mittel- oder
Hochtöner geschaltet, sollte ihr Gleichstromwiderstand sogar rund 10 % der
Lautsprecherimpedanz betragen, damit ungewollte Wechselwirkungen mit
anderen Bauteilen gering bleiben.
Der Gleichstromwiderstand einer Spule ist von der Stärke und Länge ihres
Kupferdrahts abhängig. Um Länge einzusparen, kann man magnetisch
leitende Materialien in Spulennähe platzieren, einen Eisenstab also,
Trafoblech, eine Ferritkapsel oder ähnliches. Dadurch lässt sich die
Induktivität beträchtlich steigern - oder die nötige Drahtlänge und damit der
Gleichstromwiderstand senken. Dabei gibt‘s allerdings einen Haken:
Spulenkerne bzw. -ummantelungen geraten mit ansteigender Stromstärke
früher oder später in die Sättigung und produzieren Verzerrungen. Zumindest
große Induktivitäten (> 3 mH) für hohe Leistungen (> 100 Watt an 8 )
verlangen diesbezüglich Achtsamkeit.
Für 4- -Lautsprecher müssen die Induktivitäten nur halb so groß sein wie die
für 8- -Boxen. Da sie dem Verstärker aber doppelt so hohe Ströme entziehen
wie 8- -Varianten, bleiben die Verzerrungen bei gleicher Verstärkerleistung
auf gleichem Niveau. Mit anderen Worten: Gerät eine 4-mH-Spule bei 100
Watt an 8 Ohm in die Sättigung, beginnt ihre 2-mH-Ausführung bereits ab
100 Watt an 4 Ohm zu verzerren. Außerdem verlangen Vierohmer einen rund
20 % dickeren Kupferdraht, um das gleiche Verhältnis zwischen
Gleichstromwiderstand und Lautsprecherimpedanz zu realisieren, denn mit
der Induktivität halbiert sich nicht zugleich auch der ohmsche Widerstand
einer Spule.
Auch bei Kondensatoren können ohmsche und dazu sogar induktive
Nebenwirkungen auf die frequenzabhängige Spannungsdämpfung und somit
auf die hörbare Qualität Einfluss nehmen. Vor allem Elektrolytkondensatoren
(kurz: Elkos) sind diesbezüglich nicht unproblematisch.
Für Frequenzweichen kommen aber ohnehin nur hochwertige ungepolte
(bipolare) Tonfrequenz-Elkos in Frage, die kaum Verdruss bereiten werden.
Für eine Nennbelastbarkeit von bis zu 150 Watt müssen sie 35 Volt
Wechselspannung (= 35 Vac) aushalten können

172
5.3 Pegelanpassung

bzw. 100 Volt Gleichspannung (= 100 Vdc). Wenn die Elkos jedoch parallel
zum Lautsprecher geschaltet werden, genügen schon 23 Vac, und sie dürfen mit
preisgünstiger rauer Folie gewickelt sein, anstelle von glatter. Nur an der
zulässigen Toleranz von 10 % sollte selbst bei der ansonsten anspruchslosen
Parallelschaltung nicht gerüttelt werden.
Im Hochtonbereich mit seinen recht schnellen Signalwechseln scheinen
Folienkondensatoren den Elkos klanglich überlegen zu sein, wobei die
Ausführungen mit Polypropylenfolie offenbar beste Ergebnisse erzielen. Als
Grund für die Überlegenheit dieses Kondensatortyps gilt die geringe
dielektrische Absorption seiner Polypropylenfolie, die eine nahezu trägheitslose
Reaktion auf plötzliche Signaländerungen ermöglicht. Vor allem Elkos
schneiden diesbezüglich weitaus schlechter ab und scheinen höchste
Frequenzen weniger flink zu verarbeiten.
Wer dagegen aus Preisgründen einen Elko im Signalweg bevorzugt, kann ihn
dadurch aufwerten, dass er einen Folientyp parallel dazu schaltet. Schon fünf
Prozent der Elko-Kapazität reichen für den klanglichen Beistand leistenden
Folienkondensator völlig aus.
An ohmsche Widerstände sind bezüglich erlaubter Abweichungen vom
Nennwert dieselben Anforderungen zu stellen wie an Spulen und
Kondensatoren. Mehr als 10 % Toleranz sind unakzeptabel. Ein weiteres
Kriterium ist ihre Nennbelastbarkeit, bei deren Ausschöpfung sie aber schon
verflixt heiß werden. Doch absorbieren sie in der Regel bloß einen kleinen Teil
der zugeführten Energie, so dass eine Belastbarkeit von fünf bis zehn Watt in
den meisten Fällen schon ausreicht. Sollen sie zur Pegelanpassung sehr lauter
Mittel- und Hochtöner sehr viel überschüssige Leistung verheizen, müssen die
Widerstände natürlich mehr Watt aushalten können.

5.3 Pegelanpassung
Die verschiedenen Chassis einer Box sind selten alle gleich laut. Zieht man von
den Schalldruckangaben des Tieftöners 3 bis 6 Dezibel ab, denn sie beziehen
sich ja fast immer auf den Mittelton, statt auf den geringeren nutzbaren
Basspegel, dann sind die gewähl-

173
5 Frequenzweichen

Abb. 79: Schaltung eines


pegelbaren Lautsstärkereglers im
Mitteltonzweig.

Abb. 80: Schaltung eines festen


Spannungsteilers zur Pegelsenkung.

ten Hoch- und Mitteltöner oft zu laut. Dem kann und muss abgeholfen werden.
Eine flexible Möglichkeit bieten speziell für Lautsprecher vorgesehene
Pegelsteller oder Lautstärkeregler. Sie enthalten zwei variable Widerstände,
von denen einer parallel, der andere seriell zum Lautsprecher liegt. Die
Kombination beider Widerstände sorgt für einen weitgehend gleich bleibenden
und von der Reglerstellung unabhängigen Gesamtwiderstand. Lautsstärkeregler
für 8- -Chassis sind mit unterschiedlichen Belastbarkeiten im Fachhandel
erhältlich, manche sogar mit dB-Skala. Mit Festwiderständen ist die
Pegelreduzierung allerdings preisgünstiger zu realisieren. Tabelle 8 informiert
über die dazu benötigten Werte.

114
5.4 Der Aufbau von Frequenzweichen

Für 100-Watt-Boxen sollten geeignete Widerstände im Hochtonzweig schon


5 Watt vertragen können, im Mitteltonzweig wenigstens 10 Watt, für 200-
Watt-Boxen doppelt soviel. Beim wattzehrenden Dauerbetrieb der
Lautsprecher kann die Temperatur der Widerstände sogar 200° C
überschreiten, so dass deren Belastbarkeit für Disco-Boxen großzügiger
ausgelegt werden muss als für normale HiFi-Boxen. Immerhin bedeutet eine
Pegeldämpfung von 6 dB, dass die Widerstände ganze 75 % der zugeführten
Verstärkerleistung „verbraten“.

Tabelle 8: Widerstandswerte für Spannungsteiler mit gleichbleibender


Impedanz
Dämpfung 8 Impedanz 4 Impedanz
- 2 dB R1 = 1,8 R2 = 33 R1 = 1 R2 = 18
- 4 dB R1 = 2,7 R2 = 15 R1 = 1,5 R2 = 6,8
- 6 dB R1 = 3,9 R2 = 8,2 R1 = 2,2 R2 = 3,9
- 8 dB R1 = 4,7 R2 = 5,6 R1 = 2,7 R2 = 2,7
-10 dB R1 = 5,6 R2 = 3,9 R1 = 2,7 R2 = 1,8

5.4 Der Aufbau von Frequenzweichen


Die Spulen, Kondensatoren und Widerstände einer Weiche sind entweder auf
einer Lochplatine aus dem Fachhandel, auf einem kleinen Holzbrett oder auf
einer der Gehäusewände miteinander zu verdrahten und dauerhaft zu
verlöten. Dabei sind ein paar Regeln zu beachten:
Werden Spulen mit magnetischen Eisenschrauben befestigt, verändern sich
ihre Induktivität und Sättigungseigenschaften ( Klirrverzerrungen).
Messingschrauben sind daher unbedingt vorzuziehen. Ordentlich befestigt
werden müssen die Bauteile und die komplette Frequenzweiche schon, damit
sie später nicht mitvibrieren. Leichtgewichtige Bauteile lassen sich auch mit
Heißkleber fixieren statt mit Messingschrauben.
Übrigens können sich Spulen gegenseitig gewaltig stören. Setzt man z. B.
eine Ferritspule direkt neben eine Luftspule, so schwillt deren

115
5 Frequenzweichen

Induktivität wie eine balzende Hahnenbrust. Nicht einmal benachbarte


Luftspulen lassen einander in friedlicher Ruh, denn sobald nennenswerte
Ströme fließen, entsteht ein pulsierendes Magnetfeld um den Kupferdraht
herum, das in benachbarten Stromleitern kleine, aber gelegentlich hörbar
werdende Ströme induziert. Selbst die Zuleitungen zum Hochtöner sprechen auf
eng benachbarte Induktivitäten an.
Die kräftigste und kritischste Wirkung geht von den großen Spulen im
Tieftonzweig aus. Aber auch der Mitteltonzweig und die Lautsprecher-Magnete
sind keinesfalls harmlos. Deshalb sollte allen am besten ein Sicherheitsabstand
von zwei Zentimetern voneinander eingeräumt werden, vor allem von dem
kompletten Hochtonzweig, der auf induktive Einstreuungen recht sensibel
reagiert.
Doch nicht nur Spulen, sondern auch Widerstände haben ihre Tücken. Ihnen
selbst machen Backofen-Temperaturen zwar nichts aus, nur können anliegende
Kunststoffteile schmelzen und gequälte Kondensatoren platzen, wenn sie mit
heißen Widerständen auf Tuchfühlung stehen. Deshalb sollten Widerstände
prinzipiell freigestellt werden, um die anderen Bauteile niemals zu gefährden.

116
6. Wohnraumakustik
Selbst teure Superboxen wirken klanglich oftmals eher enttäuschend. Dazu
müssen sie nicht einmal defekt sein, es genügt schon, dass die akustische
Umgebung nicht stimmt. Denn Lautsprechermembranen haben keinen direkten
Draht zu ihren Hörern und können den Schall nur ungefähr in dessen Richtung
stieben. Der weitaus größte Teil des Schalls gelangt jedoch sonst wohin, wird
zwischen Wänden und Möbeln herumgestoßen, bis es ihm vielleicht doch noch
irgendwann gelingt, ins Hörerohr hineinzukrabbeln. Ob er dort freudig
empfangen wird, hängt auch davon ab, wie gut er nach seiner Odyssee noch ins
erträumte (Klang-)Bild passt.

6.1 Reflexionen im Hörraum


Zum Direktschall, der von den Membranen direkt zum Hörer vordringt, addiert
sich nur wenig später Schall, der von Gegenständen oder von Zimmerwänden
reflektiert wurde. Erste Reflexionen strecken vor allem den Einschwingvorgang,
und spätere Reflexionen, der Nachhall, verzögern das Abklingen des
akustischen Signals.

Der direkte Schall ist zur Identifikation und räumlichen


Ortung von Stimmen und Instrumenten maßgebend; über
Klarheit, Räumlichkeit tatsächlich empfundene Lautstärke
entscheiden aber auch die ersten Reflexionen. Der erst
später aus vielen eintreffende Nachhall informiert dagegen
vornehmlich über die Größe und andere Besonderheiten
des Hörraums.

111
6 Wohnraumakustik

Abb. 81: (1) = Direkter Schall; (2) = Erste Reflexion(en); (3) = Nachhall (später
eintreffende Reflexionen).

Eingespeistes Signal

Im Wohnraum messbares
Signal

Abb. 82: (1) = Anhallzeit; (2) = Nachhallzeit.

Im Konzertsaal erreichen die Hörer erste starke Reflexionen 10 bis 50


Millisekunden (1 ms ist eine tausendstel Sekunde) nach dem direkten Schall,
dem der Nachhall 50 ms oder später folgt. Insgesamt kann die Nachhallzeit
eines großen Saals sogar über zwei Sekunden betragen.

178
6.1 Reflexionen im Hörraum

Abb. 83a:
Reflexionen in
einem
Konzertsaal.

Abb. 83b:
Reflexionen in
einem
Wohnraum.

Direkter Reflexionen
Impuls

Doch für Wohnzimmer sind diese Werte nicht zu übernehmen:


Schon innerhalb von 10 ms nach dem Direktschall treffen die ersten starken
Reflexionen beim Hörer ein, und die gesamte Nachhallzeit beträgt selten
auch nur eine halbe Sekunde im Mitteltonbereich.
Gerade sehr schnell auf den Direktschall folgende Reflexionen haben es
jedoch in sich: Sie legen die klangentscheidenden Einschwingvorgänge auf
die Streckbank und vermindern Klarheit, Detailreichtum und Ortungsschärfe
jeglicher Sprach- und Musikwiedergabe.

Wenn die Lautsprecher auch noch so flott und akkurat


einschwingen, können frühe schallstarke Schallreflexio-
nen von Möbeln und Zimmerwänden dennoch eine undif-
ferenzierte und wenig exakte Wiedergabe bewirken - vor
allem dann, wenn die Boxen in der Nähe großer Reflexi-
onsflächen stehen.

Neben den üblichen Reflexionen können in Räumen sogar Echos auftreten.


Darunter sind außerordentlich starke Reflexionen zu verstehen, die 50 ms
oder später auf den Direktschall folgen. Vor allem ihre als Flatterecho be-
zeichnete Untergattung nistet sich gern in Wohnräumen ein und offenbart
sich in Form mittel- bis hochfre-

179
6 Wohnraumakustik

Abb. 84: Entstehung eines Flatterechos

quenter Schallwellen, die zwischen den Wänden hin- und hersausen. Die Flat-
terechos sind leider immer noch voll aktiv, wenn der Lautsprecher längst ande-
re Signale in den Hörraum schickt. Das Resultat ist ein halliger und verwa-
schener Klang, der oftmals zu Unrecht den Boxen angelastet wird. Per Hände-
klatschen an verschiedenen Stellen des Hörraums ist den Flatterechos aber
leicht auf die Spur zu kommen.

Frühe und kräftige Reflexionen müssen durch ausrei-


chend große (über 50 cm) und möglichst unterschiedliche
Abstände zu Möbeln und Wänden verhindert werden,
wenn die Lautsprecher ihr wahres Talent unter Beweis
stellen sollen.

Den eindrucksvollen Unterschied zwischen gewaltigen und praktisch nicht


vorhandenen Reflexionen kann man erfahren, indem man seine sonntägliche
Arie im akustisch weitgehend ungedämpften Badezimmer beim späteren
Waldspaziergang wiederholt: Je nach der äußeren Umgebung wirkt sogar die
eigene Stimme ganz verschieden.
Um frühe problematische Reflexionen zu verhindern, sollte man seinen Boxen
möglichst 70 cm Abstand zu Zimmerwänden und großflächigen Möbelstücken
spendieren. Wenn das absolut nicht machbar ist, sind mittel- bis hochfrequente
Reflexionen gegebenenfalls mit Schallabsorbern zu bedämpfen, die auch Flat-
terechos verstummen lassen: z. B. dichte Vorhänge, (Wand-)Teppiche, Felle
oder 4 bis 5 cm starke, mit dekorativem Stoff überzogene Mineralfaserplatten.

180
6.1 Reflexionen im Hörraum

a) b)

schalldämpfendes
Material

abgeschwächte
Zeitlich Reflexion
verzögerte
Reflexion.

Links Abb. 85a: Große Abstände zu reflektierenden Flächen verzögern die


ersten Reflexionen.
Rechts Abb. 85b: Schallabsorbierende Materialien schwächen die ersten
Reflexionen.

Befinden sich Lautsprecher und / oder Hörer in direkter


Wandnähe, können nötigenfalls schallabsorbierende
Materialien an den umliegenden Wandpartien die tonale
Ausgewogenheit, Räumlichkeit und Präzision des Klangbilds
sicherstellen.

Es ist jedoch weder nötig noch ratsam, seinen gesamten Hörraum mit Absorbern
auszukleiden - das hätte nur einen stumpfen und leblosen Klang zur Folge. Denn auch
Diffusoren, d.h. kleinere und ungeordnet reflektierende Flächen von Tischen, Sesseln,
Sofas, Kommoden, Sideboards und vor allem auch von Bücherregalen leisten
hervorragende Dienste, weil sie den Schall in unterschiedliche

181
6 Wohnraumakustik

Ampli-
tude

Zeitunterschied in
Millisekunden

Wegstreckenunterschied
in Metern

Abb. 86: Steht eine Box in einer Zimmerecke, sind klangbeeinträchtigende


Reflexionen praktisch vorprogrammiert.
A : Direktschall
Problematische Reflexionen
B: von der Wand neben der Box
C: von der Wand hinter der Box
Weniger kritische Reflexionen
D: vom Fußboden
E: von der Zimmerdecke
F: Mehrfach-Reflexionen

Richtungen umlenken. Auf diese Art mehrfach reflektiert, hinlänglich verzö-


gert und entkräftet werden die Reflexionen den Klang nun nicht mehr trüben,
sondern ihn sogar auffrischen und lebendiger gestalten.

Die direkte akustische Umgebung beider Boxen sollte weit-


gehend ähnlich sein. Mit zunehmender Entfernung von den
Lautsprechern wird die symmetrische Anordnung von Ab-
sorbern und Diffusoren unwichtiger. Wichtiger für den übri-
gen Raum ist, dass keine großen „nackten“ Wandpartien
vis-a-vis gegenüberstehen, um Flatterechos keinen Nähr-
boden zu liefern.

182
6.2 Räumliche Wiedergabe

6.2 Räumliche Wiedergabe


Teilaufgabe der zweikanaligen Stereofonie ist es, die Gruppierung der Musiker
akustisch nachzubilden. Das kann sogar schon mit nur zwei Boxen recht
überzeugend gelingen - nur sind zuvor ein paar Bedingungen zu erfüllen, soll
mehr dabei herausspringen als banale Links-Rechts-Effekte. So ist ein
Leadsänger unter optimalen Verhältnissen punktgenau in der Mitte zwischen
beiden Boxen zu orten, wobei (künstlicher) Nachhall ihn möglicherweise noch
nach hinten rückt.
Professionelle Aufnahmen, präzise Lautsprecher und eine halbwegs intakte
Hörraumakustik können und müssen fehlende Sinneseindrücke bei der CD-
Wiedergabe ersetzen. Denn im Konzert ist es vorwiegend die Atmosphäre, die
einen mitreißt, die Wirkung all dessen, was man sieht, fühlt und hört. Um dafür
Ersatz zu schaffen, hat HiFi über eine originalgetreue akustische Reproduktion
weit hinauszugehen. Denn kritisch betrachtet haben Live-Konzerte unter rein
klanglichen Aspekten höchst selten Vorbildcharakter. Dem sollte die HiFi-
Wiedergabe nicht blind folgen, will auch sie ihr Publikum wie durch einen
Zauber bannen. Eine überragende räumliche Wiedergabe kann da allerhand
bewirken. Doch wie kommt sie zustande?
Tieftöne (Frequenzen unter 300 Hz) vermag das Gehör nicht zu orten, und auch
bei sehr hohen Tönen wird das schwierig: Bassinstrumente lassen sich nur
aufgrund ihrer Obertöne lokalisieren, doch die exakte Position einer zirpenden
Grille im Garten zu erlauschen, ist praktisch unmöglich. Wo eine Schallquelle
geortet wird, die 300 bis 1500 Mal pro Sekunde schwingt, hängt weitgehend
vom Zeitunterschied ab, mit dem die erste Wellenfront beim linken und beim
rechten Ohr eintrifft. Oberhalb von 1,5 kHz sind es dagegen vorwiegend
Pegeldifferenzen, die sich zwischen linkem und rechtem Ohr einstellen. Sowohl
aus den Zeit- als auch aus den Pegelunterschieden ermittelt das Gehirn
letztendlich die Richtung einer Schallquelle. Zur Vorne-Hinten-Ortung sind
dagegen Zeit- sowie Pegeldifferenzen zwischen Signalen oder Signalteilen (u. a.
zwischen Direktschall und ersten Reflexionen) maßgebend. Diese Ge-
gebenheiten sind auch für die HiFi-Wiedergabe zu nutzen.

183
6 Wohnraumakustik

Nur schein-
bar vorhan-
dene Box

Direkter Schall
Reflektierter
Schall
Abb. 87: Reflexionen beeinflussen
auch die Ortung.

Zimmerwand

Zur wirklich überzeugenden Stereo-Wiedergabe müssen


die Boxen zwischen 300 Hz und 1,5 kHz sehr detailgenau
arbeiten. Stehwellen im Gehäuse, Membranresonanzen,
Trennfrequenzen zwischen Tief- und Mitteltöner in
diesem Bereich und auch Reflexionen von Wänden
laufen dieser Forderung zuwider. Auch muss der
Hörabstand zu beiden Boxen gleich sein, damit die
Grundtöne (bis ca. 1,5kHz) gleichphasig und die
Obertöne (ab etwa 1,5kHz) gleichlaut beim Hörer ein-
treffen.

Mehr als 50 cm Abstand zwischen Boxen und Wänden bzw. größeren Möbel-
stücken sind auch deshalb zweckvoll, weil Reflexionen nicht vom Direktschall
unterschieden werden können, wenn sie auf ihn innerhalb von nur zwei Milli-
sekunden folgen (2 ms entsprechen einer Wegstrecke von 70 Zentimetern).
Direkter und reflektierter Schall verschmelzen sonst zu einem zeitlich gestreck-
ten, tonal verfärbten und bestenfalls noch vage ortbaren Gesamtsignal.

184
6.2 Räumliche Wiedergabe

2
3

Abb. 88:
Empfehlenswerte
Position für Hörplatz
und Boxen zur HiFi-
Wiedergabe

Auch der Abstand zwischen den Boxen und dem Hörer ist nicht ganzbelanglos.
Zur Reproduktion von Soloinstrumenten und -sängern sollen die Lautsprecher
eher eng beieinander stehen - für die glaubwürdige Wiedergabe großer Bands
oder Orchester besser weit auseinander. Als günstiger Kompromiss hat sich in
Wohnräumen ein Verhältnis von 2 : 3 bis 2 : 4 für die jeweiligen Abstände
bewährt. Wie wichtig ist es aber überhaupt, all diese Spielregeln zu beachten?
Schließlich hat jeder schon einmal gutklingende Boxen gehört, die weder
optimal aufgestellt waren noch in einem akustisch perfektionierten Raum
standen oder lagen. Doch ist fraglich, ob sie sich für alle Musikgattungen
eigneten und ob vielleicht bestimmte akustische Schwächen des Raums genau
entgegengesetzte Fehler der Lautsprecher aufhoben. Gewiefte Fachhändler
wissen z. B. ein Lied davon zu singen, wie man gute Boxen miserabel und
mäßige Boxen blendend klingen lässt. Und auch sie nutzen dazu oftmals ihre
Kenntnisse der Hörraumakustik. Nur geht es ihnen dabei natürlich seltener um
die objektive Qualität als um verkaufsfördernde Verblüffungseffekte.

185
6 Wohnraumakustik

Abb. 89: Die mit


wenigstens fünf Boxen
operierenden
Surround-Systeme
können auf die visuelle
Unterstützung des TV-
Geräts bauen.
1a+b: Stereo-
Satelliten,
2: Center-Kanal,
3: TV-Gerät, evtl. auf
Subwoofer stehend,
4a+b: Surround-
Satelliten.

Gegen Klangeffekte, vor allem bei Filmvorführungen, gibt es absolut nichts


einzuwenden, solange sie die Hörer zufrieden stellen. Bloß puristische
Musikfans lassen sich lieber von der räumlichen Illusionskraft und
Detailverliebtheit erstklassiger HiFi-Boxen fesseln. Ohne Beachtung
zahlreicher Spielregeln ist es allerdings unmöglich, die klangliche Präzision
und Dreidimensionalität perfektionierter Stereosysteme gänzlich zu erfahren.
Lautsprecher, die dagegen auf Verblüffungseffekte setzen, geben sich bei der
Konstruktion und Aufstellung oft weniger kapriziös. Typische Beispiele dafür
liefern Indirektstrahler, die den größten Teil des Schalls zur Seite oder nach
hinten abfeuern. Feinzeichnung, tonale Ausgewogenheit und Ortungsschärfe
sind zwar nicht ihre Stärke, dafür baden sie die Hörer förmlich in Musik, was
ebenfalls seinen Reiz hat.

186
6.3 Bassverstärkung von den Wänden
6.3 Bassverstärkung von den Wänden

Direkter
Wellenzu
g
Reflektierter
Wellenzug

Massive Wand

Abb. 90: Eine Wand im Rücken kräftigt die Basswiedergabe.

Unterhalb von 200 Hz bis 400 Hz verteilen dynamische Tieftöner den Schall
kugelförmig in alle Richtungen. Steht eine Box auf dem Boden, werden
tieffrequente Schallwellen reflektiert, und ihr Pegel steigt an. Da die
Reflexionen dem direkten Schall allerdings nacheilen, ist ihre Phasenlage
niemals völlig gleich. In einem bestimmten Frequenzbereich ist sogar mit
einer Gegenphasigkeit und Verringerung des Gesamtpegels zu rechnen.
Diagramm 53 macht die bassverstärkende Wirkung einer großen Wand
einigermaßen kalkulierbar.
Beispiel: Das Zentrum (Staubschutzkalotte) einer Tieftönermembran befindet
sich 34,4 cm über dem Fußboden, so dass fx eine ebenso große Wellenlänge
aufweist. Teilt man nun die Schallgeschwindigkeit in der Luft (344 000
cm / s) durch diese Wellenlänge, ergibt sich daraus für fx die Frequenz 1000
Hz. Gemäß Diagramm 53 wird die Bodenreflexion eine kleine Senke im
Frequenzgang zwischen 300 Hz und 450 Hz hervorrufen und unterhalb von
250 Hz eine Anhebung.
Dieser Effekt lässt sich steigern, indem die Bassmembran denselben Abstand
zu einer Zimmerwand erhält: die Senke ist dann -3 dB tief, die Anhebung
rund +6 dB hoch. Die höchste Wirkung kann man jedoch erzielen, wenn eine
dritte große Reflexionsfläche hinzukommt, wenn also die Box in eine Ecke
gestellt wird. Bei jeweils gleichem Abstand bewirkt das eine
Leistungssteigerung wie in Diagramm 54.

187
6 Wohnraumakustik

Diagramm 53 (nach R. F.
Allison): Einfluss einer gro-
ßen Wand auf die
Schallleistung einer Box. Die
Wellenlänge von entspricht
dem Abstand zwischen Bass-
lautsprecher und Zimmer-
wand (bzw. Fußboden).

Diagramm 54: Wie Dia-


gramm 5, jedoch mit drei
großen Reflexionsflächen im
gleichen
Abstand zum Tieftöner.

Für einen ausgeglichenen Frequenzgang nicht nur im


Bassbereich sind Lautsprecher grundsätzlich auf unter-
schiedliche Abstände zu großen reflektierenden Flächen,
wie Zimmerwänden, angewiesen.

Prinzipiell ermöglichen optimierte Abstände zu Fußboden und Wänden einen


recht linearen und tiefreichenden Bassfrequenzgang. Ärgerlich ist bloß, dass
es kaum Hörraume mit nur drei Wänden gibt. Wände und Fußböden haben ja
stets ein Gegenüber,