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GLOBUS.

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE.


VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND« UND „AUS ALLEN WELTTEILEN".
HKRArsGKt;i-:nr-:N von h. Singer ixtkk uksoxdirfr Mitwirkung von v^y. i> R . richaro andree
VKRLAG von FRIF.DR. VIEWF.G & SOHN.

Bd. LXXXVI. Nr. 20. BRAUNSCHWEIG. 34. November 1904.

Der Ursprung der Religion und Kunst.


Vorlaufige Mitteilung von K. Tb. Preuß.
überall Zauber, daneben aber Anbetung und Verehrung
Der Zauber der Körperöffnungen.
der Götter, wie man es in einer .Religion" gewöhnt ist.
Diu heulige Religionswissenschaft steht io dum Raun Ks war mir daher klar, daß man hier, d. h. in der
den Animiaraus. Krst mit dem Glauben au ein« den Zauberei des Kultus, don Hebel ansetzen müsse. Denn
Menschen überlebende Seele und an Geistor aller Art nur in dem Kultus liegt die Geschichte des Werdens
Welt Krst dadurch haben
existiert eine „überirdische" einer Religion 1 ). Und der Ausgangspunkt maßte die
wir in den rudimentärsten Formen die Grundlage dessen, Zauberkunst des Menschen selbst sein. Was an Zauberei
was uns Religion ist, diu Verbindung mit dem Über- gab er aus eigenem Können her, ohne einer Gottheit zu
irdischen, mit der Gottheit. bedürfeu? Was von seinem Tun bezog sich auf die
Liegt nicht aber iu dieser engen, an unsere Kultur- Götter? Was tat er in der Verkleidung eines iNlmon*?
nnsebauung unmittelbar angeschlossenen Auffassung Wie endlich verhalt sieb die Zauberkunst der Menschen
sicher eine Voreingenommenheit ? In der Tat die — zu der der Götter?
verworrenen Faden des primitiven religiösen Denkens Kbenso klar ist es, daß der Spezialist bei der Be-
sind durch den Auiuiitmus in keiner Weine gelost. Die handlung religionsgeschichtlicber Probleme nicht aus-
meisten Formen des Kultus weisen auf ein« Zeit hin, wo schließlich im eigenen Lande bleiben kann. Hier findet
der Sceleubegriff noch nicht vorhanden, wo von einer er die Fragen, auch manche Gedanken zu ihrer Be-
Beseeltheit der Naturobjekte keino Rede sein konnte. autwortuug. Den Beweis aber, daß die Antwort richtig
Da* wird ein jeder wabrnehnien, sobald erder KuMehung sei, kann er nur durch Vergleichung finden. Das ist heute
eines Kultusbrauchos nachzugeben versucht. die Methode jeder vernünftigen Philologie in Fragen, die
Im altmexikanischen Kultus nahm ich zu meinem ileu l'ntorbaa der Religion betrelTen. Von dem, was ich
Krstaunon wahr, daß in den geopferten Menschen eigent- fand sei im folgenden eine kleine Probe gegeben.
, Den
lich Dämonen getötet wurden, um sie dadurch zu ernoueu Beweis freilich will ich hier nur insofern antreten, als
und zu größeren Leistungen für die Menschen be- m ich eine einigermaßen zusammenhängende Kette bringe,
fähigen. deren Haltbarkeit an sich einleuchtet, vorausgesetzt, daß
Die Vegetationsgottheiten, die mit der Pflanzenwelt die bloß erläuternden Beispiele durch viele Zouguisse, die
identisch sind, wurden getötet, wenn die F.rnte im Herbst mir zu Geliote stehen, ihre Krgänzung und Bestätigung
reif (alt)war und wenn im Frühling eich diu Natur ver- rinden und die noch fehlenden Glieder iu derselben Weise
jüngte. Die Gotter der Sommerwärme opferte man, hinzugefügt werden können.
sobald die Sonne bestimmte Stellungen im Jahre erreicht Aus allen Tatsachen der Zauberei ergibt sich, daß sie
hatte, damit sie um so heißer scheine. Die Regengötter nur bestehen kann, wenn dem zaubernden Menschen ein
mußten ihr Üben lassen, um den Regen reichlicher zu Begriff über die Tragweite seiner Kraft vollkommen ab-
spenden. Außerdem aber traten Menschen auch sonst geht. Der Jager, der Krieger ist nicht absoluter Herr
vielfach als tier- und menschengestaltige Dämonen auf, seiner Waffe viel weniger vermag er zu übersehen,
,

sorgten durch geschlechtliche Akte und Zaubertänze welche Ursachen ihm das Wild oder deu Feind herbei-
unter Musik und Gesang für Segen und Fülle und führen oder fernhalten. Ks ist charakteristisch, daß die
wurden dabei von der ganzen Bevölkerung unterstützt 1 )- Tschiroki meinen ohne dio Anwendung von Zauber-
,

Wo hörte da der auf, und wo ring der


Dämon sprüchen überhaupt nicht« erlegen zu können''). Die
Mensch an? Aber auchMethoden, mit denen die
alle Irokesen haben ebenso wie die Sioiixstimme Algonkin ,

als Gottheiten verkleideten Menschen zauberten waren ,


und Sehoschoni sogar ein besonderes Wort für diese dem
rein menschlich: die phallischeu Orgien, der Tanz, die Menschen, aber auch den Tieren und den Naturobjekten
Musik. Das will sagen, es waren, wie wir suhon werden, der Umgebung überhaupt innewohnende Zauberkraft. Das
Zaubermittel auoh der Menschen in ihrem eigensten Wesen. der Irokesen „orenda" hat mit Seele, Geist, Leben, Ver-
Wo man also hinsieht in dem inexikauischeu Kultus:
*t Viel. W. Robertson Smith, The Religion of th.> SeniilM,
') PHallische Frucht barkeitsdHmoui'U als Träger des alt- Kdiuburx lSS'.i. p. 19, der sich mit Hecht dagegen verwahrt,
mexikanischen Dramas. Archiv für Anthropologie N. V. I, . daü der Kultus je vou Mythen «eschafTen wird.
S. 13t» ff. Der Ursprung <ler mexikanischen Meu*chenopf-r, *) James Mooney, $»w<\ Formula« of tue then-k.«.
Globus, IW. SO, «. 10» ff. 7 th itniiuiil Kep. ..f tue Hureuu of Ktluiol» K y, p. Hl .'.

Gtobu» LXXXVI. Nr. io.

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322 K. Th. Preuü: Der Ursprung «1 •- 1-
Religion und Kunst.

stand, Gehirn oder mit physischer Kraft,Macht D. dgl. m. der Dorftiere'). Diese harralosen Tiere sind nur deshalb
nichts zu tun, während die entsprechenden Ausdrücke in Dämonen und mit dämonischen Kräften begabt, weil
den anderen Sprachen nicht so klar sind. Der Schamane der Geist des Korns, der die Pflanze lteseelt, in ihnen
/. B. hat ein besonders starkes orenda. Wer einen wohnt.
anderen behext, hat Kein orenda gegen ihn angewendet. Eine solche Auffassung ist auch durchaus richtig,
Der erfolgreiche Jäger hat das orenda der Jagdtiere über- aber sie ist nicht ursprünglich, sondern erst nach dem
wunden, und im umgekehrten Falle hat das Wild des Findringen des Animismus entstanden. Den Anfang
Jägers orenda unwirksam gemacht. Jemand der in , sehen wir z.H. hei den Irokesen. Wenn die Heuschrecke
einem Zufalls* oder Gcschicklicbkeitsspiele einen anderen des Morgens zirpt, so verursacht sie dadurch die Hitze
des Tages. Diese aber reift das Maiskorn, uud so wird
die Heuschrecke „the corn-ripeuer", „die den Mai» zur
11
Reife bringt , genannt *). Das heißt also, sie bat durch
die ihr innewohnende Zauberkraft die Maisernte ge-
schaffen.
Auch die sprachvorwandten Tschiroki sagen, wenn
um die Sommersonnenwende
die Heuschrecke (Cicada
.•miete») singen beginnt, „sie hat die Bohnen ge-
zu
bracht", die dann gerade reif sind, uud der grüne Juni-
käfer (Allorrbiua nitida) heißt mitunter offenbar in —
demselben Sinne, daß er die für das Wachstum not-
wendige Wärme veranlaßt —
„der Feuer an den Bohnen
unterhalt" ).
:
Das Kuniucheu. das das Gestrüpp bis zu
entsprechender Höhe abnagt, gebietet nach dem Glauheil
der Irokesen vermöge der Zauberkraft seines Gesänge»
dem Schnee, bis zu welcher Höhe er fallen soll"). Fine
kleine Fidechsc, die in Quellen lebt, verursacht bei den
Tschiroki den Regen, wenn sie aus der Quelle kriecht '),
gleichwie das Tageszoichcn „Eidechse" (cuetzpalin) bei
den alten Mexikanern Wasserüberlluß bedeutet ").
Fine Umbildung des ursprünglichen Gedankens ist
bei den Tarahumara eingetreten. „Im Frühling sind das
Singen der Vögel, das «rurreu der Taube, das Quaken
Abb.l. Mac ullxoehill, der Gott de» Tanzes und des Frosches, das Zirpen der Heuschrecke und alle Laute,
Gesanges, oder ein Ihm dienender DXiuon. die von den Bewohnern des Rasens ausgestoßen werden,
Cod. BorbonUut 4 in den Augen der Indianer lauter Aurufungeu au die
Gottheit um Regen", sagt Lumholtz von ihnen "I. Hier
dürfen wir wohl für die Vergangenheit die „Gottheiten"
besiegt, hat Bein orenda überwältigt. Wenn ein Unwetter
heraufzieht, so beißt es: „es setzt sein orenda in Tätig-
dreist eliminieren. Dann bleiben die durch ihren „Ga-
-4
sang den Regen verursachenden kleinen Tiere übrig.
keif)".
Diese Gesamtheit der dem Meu chen innewohnenden
Vom „Ziegensauger" heißt es auch direkt, er fliegt
Zauberkraft, das orenda der Irokesen, ist jedoch, als Idee
genommen, etwas sehr Spätes, so ursprünglich sie auch
zu »ein scheint. Den Anfang bildet natürlich der Glaube
an die Zauberkraft von einzelnen Körperteilen und be-
stimmten Handlungen. Namentlich herrschte von jeher
die Meinung, daß aus den Öffnungen des Körpers Zauber-
kraftund Zauberstoffe austreten, z.H. der Atem aus der
Nase, der Hauch, die Töne und der Speichel aus dem
Munde, Kot aus dem After, I rin und geschlechtliche 1. .1.

Ausscheidungen aus eleu (ienitalöffnungen. Fangen wir


Abi). Fuß des ntzllopochül mit dem Windzelchen.
2.
mit dieBen Tatsuchen des persönlichen Zaubers, der in
GmL Tliisrkai M—msIi Ul. 5, l.
gleicher Weise auch den Tiereu zukommt, unsere Dar-
Abb. X Kochtopf mit dem Zeichen der Wirme.
stellung au,
Cod. VatlcMHM Kr. 3773, S. 29.
I.

Der Zaubergesang der Tiere. schnell wie ein Pfeil durch die Luft und ruft den Regen
F.in lebendes Wesen kann nur dem herab '-).
in Falb' ein
Dämon sein, wenn
von einem fremden Heist, gewöhn-
es Nicht anders hat der mexikanische Maisdämon, der
in der Pflanze lebt, Gewult über die Witterung, über den
lich einer Gattungsseele mit bestimmten übernatürlichen
Hegen, di,. Kalle lies \\ inters, ja -. gar über .it.- Sonnen-
Kräften, bewohnt wird. Die eigene Individualseele, deren
Wirkung au die Person gebunden ist, gehört nicht
hierher, so Wundersames »i« auch ausführen mag.
) Maunhardt, Kornditmonen. Berlin 1*«», 8. 4.
*> llewitt. Orenda, a. a. O., p. 40.
In der Tut sind auch die Tiere, die Kigeuschaften ') .Inme» Mooney, Myths of the Cherokee. 19 th An-
eines Dumons haben, in dieser Weise aufgefüllt worden. nual Ilep. of the liureau of Kthnol., p. 308 f.
Man denke z. H. an Wilhelm Maunhardts Konnlamoin-n ") llewitt, Orenda, a. a. O., p. 40.
') Mooney, Myths, a. a. ()., p. 307.
in Gestalt vieler im Getreide hausender Insekten und '") Interpret, de« Culex Vaticauus .17.8«, ed. Herzog von
Loubat, Hl. 7,
) J. N. B. Hewill. Orenda and a Definition ..f Religion. ") Unkni.wn Mexico I, p. SSI,
Amer. AnthroHoiri.t X. S. IV, p. 37 f., 44 f. ") A. a. 0.. p. 309.

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K. Tb. I' reu Ii: Der U rspru ug der Religion und Kunst. 323

wiirrao, weshalb or manchmal zum Sonnengott uvan- Winterschlaf hält und während dessen sein Gefieder ver-
eiert »). Also könnte man beim Auftreten des Anirais- liert, im Frühling aber wieder erwacht. Deshalb olfenbar
ujus leicht z. lt. die Heuschrecke vom Geist der Mais- i«t er zu einem Geist der Somraerwärine und zur Verklei-
staude beseelt denken. Wir sehen aber, sie ist nichts dung (naualli) des mächtigen, blutgierigen Uitzilopochtli
als eine harmlose Heuschrecke und verrichtet doch die geworden. Denselben Charakter hat ursprünglich der
Taten eines Dämons. alte Gott ('amaxtli, der Hirsch, der zugleich Hieroglyphe
Aber es gibt noch eiuen anderen Weg, auf dem die für Feuer ist. Ferner der Feuergott Ixcocuuhqui, der
Tiere zu Gottheiten werden können. Kg ist natürlicher, zwar direkt eucealtzin, „Flamme", heißt und zugleich
daß sie als Dämonen einfach die Tätigkeit weiter ausüben, unter der Knie wohnt, aber auch die Souomerwarnie be-
die sie als gewöhnliche Tiere betrieben hatten, nämlich einflußt. Er hat meist einen Vogel (xiuhtolotl) an seiner
die Somroerwärma zu verursachen, den liegen zu Kopf binde, dessen Krbe er wohl gewesen ist, oder eine
spenden usw. Die Beseeltheit der Tiere allein hilft dazu entsprechende Federkroue (xiubtotoatuacalli). Kin anderer
noch nichts. Ks müssen erst permanente, unsterbliche Feuergott , Otontecutli hat stets den Itzpapalotl
, den,

Gattungsgeister angenommen werden die in den Tieren , „Obsidiatischmert.erling", auf seinem Haupte. Dieser ist
leben, nachdem man dun Glauben an die Zauberkraft aber gelbst eine unterirdische Göttin des Feuers nnd
der einfachen Tiere verloren hat. So entstehen Geister wird auch meist als Schmetterling abgebildet, der über-
der Warme, des Feuers, de« Regens u. dgl. m. in Tier- all als Hieroglyphe für Feuer erscheint. Der Grund ist
gestalt. Das ist /.. B. im alteu Mexiko, wie ich bewiesen jedenfalls der, daÜ man ursprünglich dem in der Sommer-
zu haben glaube, noch deutlich zu sehen, nur daü die hitze auf den Blumen gaukelnden Schmetterling das

a b
Abb. la ii. b Selten einer viereckigen StcIiisJtule.
»rrlum- M.i.rum. IV l« l'.Trtl. s.mml ["h.Uv

Tiergötter bereits menschliche Gestalt annehmen können Hervorbringen der Wärme zuschrieb. Sommerwärme und
und dann ihren tierischen Ursprung gewöhnlich durch Feuer aber ist ursprünglich ein gemeinsamer Begriff.
eine Tierverkleidung (naualli) verraten, die den Körper Denken wir an den Junikäfer der Tschiroki der „Feuer
,

an den Bohnen unterhält *. So konnte der Schmetter-


1

oder bloß das Gesicht verhüllt oder als offener Tier-


rachen erscheint, aus dem der Kopf des Gottes heraus- ling eine Göttin des vulkanischen Feuers werden und
schaut. zugleich das Sonuenbild Zusammensetzen. So kounten
So erscheint der Uegeugott Tlaloc mit einem Gesicht, überhaupt die mexikanischen Feuergötter zugleich Sonnen-
dessen Mund, Nase und Augen aus den Windungen götter bzw. Dämonen der Sommerwflriue sein «). 1

zwoior Schlangen, der Regen bringenden Tiere, gebildet Denn man kann es diesen „Sonnengöttern" nach-
sind. Die kleinen Berg- und Regengötter (Tepictoton weisen, daÜ sie alle ursprünglich durchaus nicht mit der
werden mit zwei Gesichtern, einem menschlichen und Sonne identifiziert wurden, ebensowenig wie die Tiere,
dem einer Schlange, geformt. Der Windgott (Juetzal- deren Krben sie waren. Man muß es meines Krachten«
countl hat eine Vogelimiske vor dem Gesicht, deren weit wörtlich nehmen, dal) die Götter wie die Tiere nur die
vortretende Nasenlöcher den Ursprung des Windes Soromeruärmu hervorbrachten. Das besagt deutlich, die
kundtun. Kine ganze Reihe von Gottheiten, die ur- Sonne war im Altesten (Hauben der Menschen als selbst-
sprünglich verschiedenen mexikanischen Gemeinden an- tätige Ursache der Wärme ausgeschaltet. Man sah die
guhörtcti.sind Dämonen der Sommerwiirme und des Feuers. Sonne, merkte auch, daß die Strahlen von ihr ausgehen,
Dahin gehört der Nutionalgotl I'itzilopoebtli, dessen Ver- daß sie aber funktionierte, hing von der Zaubertätigkeit
kleidung der kleine Kolibri ist. Von diesem Vogel be- der Tiere und Dämonen ab. Waren diese nicht ge-
richten die Mexikaner, daü er auf einem Ast* sitzend seinen schäftig, so war die Sonne kalt wie im Winter oder von
Wolken bedeokt. Wie oft scheint die Sonne im Sommer,
"i Vgl. den Heweis in „I'hallische Fruchtbarkeitsdaruo-
neu usw.\ a.a.O., 8. I4S. 144. I.'.rt. t'rspruiin d-r Menschen- ") Vgl. zu diesem Abschnitt die Beweise in „trspruup.
4
opfer, tilobus, Bd. ffi. s. in, der Menschenopfer in Mexiko tilobus. Bd. «H, S. 115 f.
,

3»*

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321 K. Tti. l'rniiLi: 1 1 1» r Ursprung der Religion und Kunst.

ohne daß sie glühende Strahlen sendet! Ebenso war das jungt würden, um ihre Obliegenheiten, diu Warme, den
Feuer nicht etwas an Bich Bestehendes , sondern da« Fr- Regen und anderes zu bringen besser auszuführen ,

zeugnis irgend eines in der Nähe befindlichen Tieres, so tötete man einst die Tiere zu demselben Zweck, näm-
das erst später als Geist mit dem Feuer identifiziert lich um ihre Zauberwirkung zu erhöhen. Und auch die
wurde. Methode war zum Teil dieselbe. Wie mau den Menschen
Ich würde mich gar nicht wundern, wenn die Mexi- z. B. den Kopf abschlug, so riß man ihn unter anderem

kaner sagten, die Sonne ist ein Haufen Schmetterlinge. den Tausenden von Wachteln ab, die an den mexikani-
Das behaupten sie nicht, aber da sie die Sonnen- schen Festen dargebracht wurden. Wie man die Feuer-
strahlen als Schmetterlinge zeichnen, so liegt das darin götter in ihr Element, das Feuer, warf (bevor man ihnen
ausgedrückt. I'enu alles, was wir in den Bilderschriften das Herz herausriß), so tat man es auch mit den kleineren
als bloße Symbole auffassen, sind in Wahrheit lebendig Opfertieren. Diese bestanden bezeichnenderweise mi i-t
wirkende Kräfte gewesen, die erst spater zu Symbolen in allerhand kleinen Tieren des Feldes darunter .

Schlangen, Frösche, Eidechsen und Schmetterlinge, alles


Tiere, die man den Göttern als Leckerbissen nicht dar-
bringen konnte, deren Opfertod vielmehr nur verständ-
lich ist, wenn sie ursprünglich um ihrer selbst willen
getötet wurden. Auch sind in den Erzählungen vom
l'riesterkönig (juetzalcouatl '") Angaben über die Allein-
herrschaft der Tieropfer und die spätere Einführung
der Menschenopfer gemacht.
Wie kam man aber zu dem Glauben, daß tlie Tötung
der Zaubertiere ihre Wirksamkeit erhöbe, ein Glaube.
atiB dem dann die Ideo der Kräftigung und Frneuung
der anthropomorphen Götter durch ihren Tod hervor-
Abb. L Hieroglyphe ilmltl (Tair).
gegangen ist? Kr beruht auf der Anschauung, daß die
HiraMJlMUtertcttiift«n VW ti. Srlrr.
Tier« gewissermaßen der Behälter des von ihnen aus-
geübten Zaubers sind —
wir werden derartige Ideen
wurden. Der Primitive kennt eben keine Symbole in
unserem Sinne. Da die Sonnenwärme durch Schmetter-
noch genugsam kennen lernen und dieser besser —
heraus kann, wenn der Körper durch Tötung geöffnet
linge hervorgebracht wird, so müssen später ganz folge-
wird. Ebenso muß durch das Werfen der Tiere ins
richtig die Sonnenstrahlen aus Schmetterlingen bestehen,
obwohl in der Form des tatsächlichen Sotinenbildcs natür-
lich kein Anhalt dafür geboten ist.
Andere Völker helfen sich, indem sie die Sonne nicht
aus den Sonuentieren sondern der Form entsprechend
,

aus Tierteilen namentlich Federn, bestehen lassen, die,


,

wie wir sehen werden, dieselbe Zauberwirkung zu er-


zielen vermögen wie das ganze Tier. So ist es meinen
Frachtens auf diesem Wege zu erklären, daß die Bakairi
die Sonne, scheinbar ganz widersinnig, als großen Hall
von Federn des roten Antra und des Tukan erklären,
dessen Gefieder ebenfalls unter anderem rote Farben auf-
weist
Der erste Gedanke, den mttn bei den Angaben über
die Bedeutung der Tiere für die Witterung, insbesondere
für die Sonnenwärme hat, ist der, daß es symbolische
Redensarten sind, wie unser „Eine Schwalbe macht noch
keinen Sommer". Dadurch meinen wir eben nur, daß
der Sommer beginnt, wenn die Schwalben da sind, ohne
den Tieren eine ursächliche Bedeutung dafür beizumessen.
Fs ist ja meines Frachtens wahrscheinlich daß die ,

Redensart einst wörtlich zu nehmen genesen ist, aber in


der Tat kann man erst dann von der /auhertätigkeit
der Tiere überzeugt sein wenn der Mensch sie wegen
,

ihrer Figenschaften zu Zauberpraktiken d. h. im Kult


,

Abb. 8.
zu dem Zweck verwendet hat ihre Fähigkeiten aus-
,

Die fünf letzten Tage des Jahres (neiuontenil).


zunutzen. Das wird am besten durch die Tiertänze be-
Codi Tellcriano-KrmriuU Hl. 7, 1.
wiesen, denen Kap. V gewidmet ist. Außerdem habe ich
eben auf die mit Tiermasken versehenen mexikanischen
Feuer, das Element, das sie selbst hervorrufen, die
in
Götter als Frben der betreffenden Tiere hingewiesen.
Sommorwärme stärker werden. Sie enthalten eben das
An anderer Stolle ") nun konnte ich dartun, daß in
1

Feuer in sich. Es ist der Anfang der Identifizierung


Mexiko die Tieropfer den Menschenopfern vorhergegeii-
eines Zaubertieres mit dem von ihm bewirkten Zauber.
geu sind, und zwar in ganz derselben Bedeutung des
Die Tiere, solange sie nicht Geister sind, gehen dadurch
Opfers. Wie nämlich in den Menschen eigentlich die
natürlich zugrunde wie jedes Wesen. Sie geben nur
<;<it.ler geopfert wurden, damit sie gekräftigt bzw. ver-
ihren Zauberstoff in erhöhtem Maße dabei ab. Die
") von den
Dämonen oder Götter aber müssen kräftiger und ver-
Steinen, Unter den Naturvölkern Zentral-
hrasiliens, 8. 357. jüngt daraus hervorgehen. Ihre Tötung nahm also,
"> Der Ursprung der Meiisrh>-tn>pfer, filobu«, Ud. 8«, be-
«niders S. |].'>(f. und auch vorher. "> 8. über diesen aucli a. s. O., Globus. Bd. »«. 8. 114.

Google
K. Th. I'reuli: Her l'riprung der Religion und Kunst.

obwohl jedem Kennzeichen dem früheren Brauch de*


in zeichen scheinen „Wind" zu bedeuten, denn sie kommen
OpFers nicht dämonischer Tiere entsprechend, eine undure häufig auf den Füßen einer Heihe von tiottheiten vor
Bedeutung au, um ho mehr, als »ich allmählich wenige (Abb. 2) sl ) und müssen daher auf deren wiudgleiche
einzelne Gottheiten aussonderten, die mun natürlich nicht Schnelligkeit und Beweglichkeit Bezug haben. Der Wind
für immer vernichten durfte. aber wird im Mexikanischen als Hauch aus der Nase
Wir finden diese
Idee allenthalben. Ich führe nur und dem Munde des Windgottes gedacht, und deshalb
an. daü z. B. die Tscbiroki den Zauberadlertanz nur im muß man das eingangs erwähnte Hedezeichen (Abb. 1)
Winter aufführen weil die dazu notwendige Tötung
. zugleich als „Hauch der Hede" auffassen. Seine gegen-
dieses mystischen Tieres (Aquila ebrysoetus) der übri- , sätzliche Doppelung geht wohl auf den Windwirbel.
gens .suow bird u genannt wird, im Sommer einen Frost Nun sehen wir das Doppelzeichen jedoch auch auf
verursachen und so den Mais vernichten würde "). Wenn 1
dem heißen Kochtopf, in dem über einem Feuer mensch-
Frösche geköpft werden, entsteht nach dem europäischen liche Gliedmaßen kochen (Abb. 3). Wir halten es ferner
auf den Schmalseiten einer rechteckigen Steinsäule
(Abb. 4). Ihre zwei Breitseiten zeigen gleichmäßig in
einer Umschließung die vierzackige Brustplatte des
Feuergottes, des „Herrn der vier Richtungen", naubyote-
cutli,der in der Mitte der WVlt im Krdinnorn wohnt 11).
Aus diuser Platte schlagen Flammen heraus. Ks ist also
wahrscheinlich, daß das Doppelzeichen der Rede mit
AIiIj. 7. Hieroglyphe des Fearrgnltes Ixcoeanhqnl dem Feuer verwandt ist.

brennender Kot (ruitlall). Endlich ist dasselhe Zeichen als Hieroglyphe für Tag,
Cod. Bologna, S. 1 bis 8. Fest (ilhuitl) dadurch nachgewiesen, daß es in einem
Namen der Bilderbandschriften Alexander v. Humboldts
Volksglauben Hegen''), den sie lebend durch ihr Ge- in Berlin den I.aut ylhuj (Tag) repräsentiert, was durch
schrei hervorbringen, und wenn die Yahgan in Feuer- die Beischrift des Namens ohne weiteres klar ist ( Abb. 5).
laud juuge Enten toten, „so kommt Hegen in Massen Ks besteht also die Ideenverbindung „Feuer. Sonnen-
herab, und der Wind weht furchtbar *•)*. wärme, Tag", was auch durch die fünf Feuer- bzw.
Rauchzeichen hervorgeht die im Codox Telleriano-
,

IL Remensis ßl. 7,1 die fünf letzten Tage des Jahres dar-
I»cr Zauber der Dcf iikation. stellen (Abb. Ii). Die Verwandtschaft mit „Hauch",
„Wind" kann aber nur dadurch gekommen sein, daß der
Wir wissen jetzt, daß der primitive Mensch in der Hauch der Rede die Wärme mit sich bringt. In der Tat
Tat glaubte, die im Felde und im Wasser lebenden Tiere
könnten —
besonders durch ihren Gesang das Wetter —
hervorbringen und so das Wachstum beeinflussen. Aus
ihnen wurden Dämonen, die auf dieselbe Weise zauber-
ten. Die Idee kommt dadurch zustande, daß die Tiere
in äußerlicher Beziehung zum Hegeu zur Feuchtigkeit, ,

zum heißen Sonnenschein, zum Schneefall usw. stehen


und daraus eiuu ursächliche Verbindung geschaffen wird.
Da die Laute der Tiere, besonders der Vögel, der Grille
u. a. am stärksten auffallen, so werden sie die wirkende
Kraft.
Möglicherweise ist aber noch eine andere Gedanken-
verbindung im Spiele, nämlich die Wärme des Hauches,
der beim „Gesang" den Mund verläßt und zur Ursache
der BomiB« WilflMI wird. Dem mexikanischen „Obsidian-
schnietterling" (Itzpapalotl), der Göttin des unterirdi-
schen Feuers, die ein Abkömmling des gewöhnlichen, die
Warme hervorbringenden Schmetterlings ist, kommen
) die Flammen aus dem Munde.
z. B. im Codex Borgia
11
Aul., s.

Besonders wichtig aber ist es, daß sich meines Erachten« Hand (lUt-alntli) mit seinem Patron,
der mexikanischen Auffassung des Hauches eine eigen- dem Todesgott. und dem dem Tode verfallenen SUnder,
tümliche Beziehuni/ zum Feuer und zur Sonnenwärme der als Zeichen der Sünde Kot and Irin läßt.
nachweisen läßt UiA. ..l,en der F.rdrachm und da» bembttiinend* Muraieiibiindel.
Cod. Borgtt IS.
Bekannt ist in den Bilderschriften das Zeichen der
Hede vor dem Munde, das sich in derselben Weise vor
sieht man auch manchmal in den Redezeichen ein Auge
dem Munde des Sängers (Abb. 1) zeigt. Besonders groß
und am Kndc mit einer Blume verziert ist hier das angegeben, das bekanntlich in Rauchwolken die dlut bzw.
die züngelnde Flamme anzeigt (vgl. Abb. 7). Beim Hauch
Gesangszcichen (Abb. 1 ). In diesem großen
letzte (dritte)
Zeichen befinden »icli Gruppen von je zwei umgekehrt muß es also die damit unzertrennliche Wärme vorsteilen.
gegensätzlich gestellten Rede/eichen. Diese Doppel- ") 8. besonders im Aubing hell Tonalamatl, ed. Herzog
von Loubat, S. 4, 7, 8, I», 1», den alten Koyote Ueuecov
Bcoyotl),
l

') Moot.ev. Mvths. l»lh Uep.. |, ist ff. die Maisgöltin (Tilicomp couatl), die Gottheit des Morgen-
") W. Mannhardt. Wahl und Keldkuhe 1, 8. 3J.4, Mi. sterns li'lauizcaipantceiitli), die Göttermutter (Teteoinnan),
Anm. S. de» Windgott (Quetzaleouatl.) und die Blumengöttin (Xochi
Fil/.-Rov, Narriitive ot th«- Surveying Voyages of
**) quetzal —l'lora). Keruer im Codex Tetleriano - Remetisis, *d.
H. M. Ad venture and Heagl«, London ih31>, II. p. 180.
8. Hani> (Herzog von I*<ubat). Hl. 5,1 den Nationalgott L'iUi-
von Werfen der Tiere ins Feuer, s. Ursprung
F.inige Beispiele lopoehlli.
der Menschenopfer, Globus. Bd. M, 8. 119. "I Virl. meinen Beweis iu den „louergöttern'. Mittig.
") ed. Herzog von l^.ubat, 8. 5». Arithmp. Ges. Wien, XXXIII, 8.141 (überhaupt K. 2 und S).
Glübm UXXVl. Nr. M.
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:i2»i K. Th. PreulS: Der I" r*p ru tix «l •» r Keliiri<>n und Kunst.

Außerdem b
sitzen inmitten der Feuerllamuieu in Abb. 4 I rin eines zu trinken
Häuptlings den er auf dem ,

zwei Redezeichen, dio nicht etwa Rauch sein können, da Rücken Legend direkt von dorn über ihm stehenden
dieser in der Flamme keinen Siun baben würde"). Häuptling empfing ,s ). (Vgl. auch Kapitel IX.)
Ks lädt sich also nicht von der Hund weisen dali , Sehen wir uns nun einen solchen Fall in Mexiko
auch der warme Hauch der Sonnentiers und Daninnen etwas näher an.
die Wärme der Luft, der Sonne veranlaßt. Noch deut- Wenn in den Bilderschriften in der Reihenfolge der
licher aber kann ich nachweisen daß auch aus anderen
, sogenannten neun seüores de la uoche der Feuergott
Körpeiöffiiuugen die Witterung kommt, nnmiieh bei der Ixcoeauh(|ui steht so erscheint an derselben Stelle des
,

Defakation und dem Urinieren. Eine solche zunächst Codex Bologna * s ) mitunter als Stellvertretung die Hiero-
sonderbar klingende Ankündigung möchte ich aber nicht glyphe, die unsere Abb. 7 bringt. Sie kommt auch sonst
auszuführen unternehmen, ohne vorher den Hoden dafür im Codex Rorgia f.S, 10, 28 usw.) häutig als Bezeichnung
durch Aufzählnng einer Reibe von Tatsachen bereitet der Wärme, des Feuers, des zerstörenden Elementes vor
zu haben, au» denen die Zauberkraft von Kot und Urin und stellt Rauchwolken und Feuerfiamuen dar. die von
überhaupt hervorgeht. Kb gibt deren eine ungeheure einem kommaartigen Gebilde, eben menschlichem Kot
Menge. Hier sollen jedoch nur ein paar in buntem (cuitlatl), aufsteigen. Letzteres ist eine ganz bekannte
Durcheinander vorgeführt werden. Darstellung bei der Defakation (Abb. 8) und ist auch
In den ersten Zeiten nach der Erschaffung der Krde sonst von den indianischen Gewährsmännern als cuitlatl
wandert der Schöpfer der Maidu umher, um die Welt erklärt. Nur konnte man bisher mit „brennendem
von bösen Wenn zu säubern. Dabei trifft er auf Krauen, cuitlatl" als Hieroglyphe des Feuergottos natürlich nichts
die Wanderer zu töten suchen, indem sie auf sie uri- anfangeu. (Neuerdings bat auch Seier die Hieroglyphe
nieren ''). In den Mythen der Kwakiutl wird Urin als „ AtiBSchwitzuug des Fcuorgottes" erklärt. Die Pauke
wiederholt als Zaubcrmiltel gebraucht, um schnelleres von Malinalco, Mitt. Anthmp. Ges. Wien XXXIV, 1904.
Emporwachsen von Kindern zu erzielen und Verwand- S. L»50.)
lungen auszuführen '*). Nach unsern früheren Erörterungen ergibt sich die
Solche Angaben in Mythen können freilich leiebt als Bedeutung von selbst. Wie der Hauch des Mundes nnd
bloßes Spiel der Phantasie aufgefaßt werdun, das keine der (iesaug dio innereWärme mit sich bringt und nach
Grundlage in der Krscheinungswelt der menschlichen alten Anschauungen die Hitze des Tages verursacht, wie
Anschauungen hat. Dem ist aber durchaus nicht so. demgemäß im Mexikanischen wie in den Majftbilder-
Ich kann eine ganze Reihe von Beispielen anführen, dali schriften das Zeichen de* Hauchs bzw. des Wtndaa iu-
man durch Besprengen mit Urin an den verschiedensten mitten einer Feiierflamme gezeichnet int, so enthält anrh
Stellen der Erde Kranke zu heilen Geister zu verjagen,
, der Kot die Wärme des Körpers, und das Feuer steigt
Zauberkraft mitzuteilen glaubte, daß man den Kot als von ihm auf.
Talisman trug u. dgl. m. So baden die irländischen Mit einer solchen Anschauung hängt augenscheinlich
Hauern, wenn alle audervu Mittel versagen, ein an auch die Meinung der Voruba zusammen, daß in dem
Krämpfen leidendes Kind in Urin, in den sie einige In- Bauche jedes Menschen ein Geist des Feuers wohne,
gredienzien hineintun *'). Für jung verheiratete Puaro während andere Körperteile von anderen Geistern ein-
war in England das Urinieren durch den Ehering ein genommen sind, die die Tätigkeit der betreffenden Glieder
Mittel gegen Verzauberung 3 '), und entsprechend uriniert verrichten (vgl. weiter unten Kap. VIII). Von diesem Geist
J
bei den Hottentotten ein Priester auf das Paar bei der „Ipin ijouui sagt das Sprichwort bezeichnend: er läßt
Vermählung'''). Die Zauberer der Apachen stellten einen nichtzu, daß das Feuer von der Erde verschwinde* 4 ).
Licbeatrank her, deren einer Restandteil menschlicher Durch die Idee eines wichen Zaubers der Defftkation
Kot war*"). Australische Jüngliuge mußten bei der werden plötzlich auch andere Erscheinungen in den
Puberttitsfeier den Kot alter Frauen vermischt mit der Bilderschriften klar, für die wir erläuternde aztekische
Wurzel einer PHanze trinken"). Am Papuagolf in Bezeichnungen haben. S« haben der Nationalgott Uitzi-
Britisch -Neuguinea hatte der Knabe unter den mannig- lopochtliund Tezcatlipoca gelbe <J|uerstreifen über Mund
fachen Einweihungszereuionien, nach deren Überwindung und Auge, die bei dem enteren von den Gewährsmännern
er in die Reihen der Krieger aufgenommen wurde, den Sahaguus ) blichst realistisch erläutert werden: „mit
,:<

seinem Kinderschniutz ist er bemalt; es wurde seine


") Auch in den Bilderschriften der benachbarten und Kinderbemalung genannt" (yc ommichiuh yn iconccuitl
in ihren Auffindungen deo Mexikanern nahe verwandten raitoaya ypilnochiual). Dieser eigentümliche Bemalungs-
Mavavi'ilker findet »ich der Windwirbel häutig inmitten einer
zauber kommt nun
daher, daß Uitzilopochtli der Sonnen-
Flamme im Codex Tro. Dagegen ist es nicht zu erwoiseri,
daß das /eichen in den Flammen (Codex Dresden»», ed.
gott der joden Morgen neu geboren wird") und
ist,

Forsteinatm, Hl. 2.-.-2B) da» Taireweiehen ik -- movikanisch deshalb seinen die Hitze verursachenden Kot im (iesichte
eeeatl. Wind, int. Anderseits iclieinen von dem Keitum ik tragt. Und mit Tezcatlipoca ist es ebenso. Nur muß
des Codex Tri ed. Brassear de Bourbourg I«* Ii* Rauch-
man sich bei beiden gegenwärtig halten, daß ihr Wesen
wolken auszugehen.
") Dixoti, Maidu Mvths, Bulletin Amer. Mu». Xat. Itist. durchaus nicht in dem Ausdruck „Sonnengott" aufgeht.
New York XVII, 2. p. 110. Sie waren ursprünglich Dämonen der Somuiorwärnie
*") Boas and Hunt. Kwakiutl Text». Memoirs Amer. Mu».
und beeinflußten nur die Sonne 1 ').
Nat. Hist- Xew York V, p. "7, 2tf«, 2HH.
Deshalb gibt es auch ein eigentümliches, auf dem
Muonev, Medical MvLtiologv of Ireland, Trnusaclion*
Amer. Philo«. 8oc. ISsT. p. 144. Rücken getragenes Kriegsabzeichen, d. h. ursprünglich
") Brand, Populär Anti<|uitjt» III y. 305 nach J..hn O.
,
ein Zaubermittel , das beschrieben wird als „eine IIolz-
Bourke. The U»e of Huinau Ordure and Human Trine, Wash-
ington I8*S. p. 4». Das Bach von Brand war mir nicht zu- ") .1. Holmes. Ceremonie» of Natives of the
Initiation
gänglich. Papuan («o!f. Journ. Anthrop. Iust. XXXII. I»02, p. 424.
**) Peter Kolben, Caput bonae spei hodiernum, Nürnberg ") ed. Herzog von lioubat, p. 5, ft, 8.
1719, S 452 f. Das wird Ton Th. Hahn, Jahresber. Wr. f. ") A. B. Kllis, The Yorubanpeaking Peoples of Iii* Slave
Krdk. Dresden VI, S. 8 und von Kritsch, Die. Kiugeboienen Coust of W«-st Africa, London 1-U4, p. 126 f.
Südafrika«. K 330 bestätigt. ,:
) Sah agun- Manuskript Bd. III, Kap. I in VeröffenUichun-
Jr
> Bourke, The Pse of Humati tirdure ete. p. Ml. Hin- , g,-ti a. d. k. Museum f. Völkerkunde I, 8. 120, VI. 8. I4«i.
auch viele andere Beispiele. "} V^l. I'i-prinigder Menschenopfer, tllobus, Bd. 8«, S. III.
"> Itidle.v, .r..uru. Autl.r-.p. Ii.kI. VII. p 2.VJ. A.'a <l. S. tir. IT.

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Üic Malerei in Abessinien.

ligur wie ein kleines Kind, das seinen Schmutz zu- herein ausgeschlossen, <lali man (iottern derartige un-
sammengeballt in der Hund trügt" (i|u«nitt tlaxintli ästhetische /aubermittel andichten wollte, wenn sie nicht
— —
I

y 1 1 1 1
1
[
u i i : piltoutli tlatzatlauilli ymacca ytlamatzoval). vorher und zwar mit demselben Ziel im llesitz
Und auch in der Abbildung zu sehen 1 '). Das
da« ist der Menschen geweseu wären. Höchst auffallend ist
Kind entspricht wiederum der jungen Sonne. Alter aber auch, dal! dar Blitz, den der Rpgengott Tlaloc schleudert,
als die Auffassung der jungen Sonne als Kind ist die nicht anders als der Kotstrom aussieht, der aus dem
Idee des Kotes, der, vom Menschen oder Tiere kommend, '
Atter des Sünders kommt v '). Der Blitz ist also wohl
die Sonnenwärme hervorbringt. Denn es ist von voru- auch das Ergebnis von Tlalocs Defäkation.

*") Bahazun-Manuikript, Zeilachr. f. RttWoL XXIII, 1081, ") Codes Yaücanus Nr. 377:1. ed. Herzog von Loubat,
8. 13-J und Abbild, r.9, 8. 12». 8. 23. 44 bis 4«, 48. Vjrl. PraergOttrr B. SM f.

Die Malerei in Abessinien.


Im Jahresbericht der Geographisch-Ethnographischen Madonna mit dem Kinde, ihre Überlegenheit über die
1903 04 bat Prof. Dr. C. Keller
(ieBellschaft in Zürich für Kunst des Teufels, ihre Wundertaten, die Erlebnisse
einen interessanten Aufsatz „Über Maler und Malerei in von Heiligen (Abb. 1), Darstellungen des Paradieses und
Abessinien" veröffentlicht, der durch die beigegubenen der Hölle. Eine große Holle spielt der Teufel. Er wird
Reproduktionen abessinischer Gemälde an Wert noch ge- schwarz, häßlich, mit Hörnern, Hufen und Schwanz,
winnt. Es sei aus den Ausführungen des Herrn Ver- nicht selteu die rote Zunge herausstreckeud (Abb. 6).
fassers hier einiges mitgeteilt und durch sechs seiner abgebildet. Bald fahrt er mit einer armen Seele ab, bald
Abbildungen illustriert, deren Wiedergabe dein „Globus" quält er die Lebenden. Auf älteren Bildern ist, wenigstens
freundlichst gestattet worden ist. bei Heiligenfiguren, die Gewandung und Gesichtsfarbe
Die abessinische Malerei ist weder autochthon, noch nicht äthiopisch. Die Jungfrau Maria erscheint stets
selbst afrikanisch, sondern byzantinischer, christlicher im Kleide einer Nonne (Abb. 2 u. 6), Christus im Ge-
Herkunft. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts hielt wand eines byzantinischen Großen. Die dargestellten
das griechische Kirchen sind by-
Christentum in zantinisch , nicht
Abessinien seinen äthiopisch, in der
Einzug und mit ,
nur sehr dürftig
ihm oder bald nach behandelten l.and-
ihm wird auch die schnft sieht mau
Kunst von Byzanz ab und zu einige
übernommen wor- Zypressen. Ge-
den sein. Und wie wöhnlich malt der
das abessinische Abessinier runde,
Christentum, bald lebenskräftig» Fi-
vom morgenländi- guren aus denen
,

schen abgeschnit- blühende Gesund-


ten, in seiner Knt- heit spricht. Bei
wickelung stehen Toten erscheint
geblieben ist, so das (iesicht zu-
hat auch die nach weilen auffallend
Abessinien ver- lang und schmal.
pflanzte Malerei im Ein eigenarti-
großen und ganzen ger Zun ist, daß
ihren altertüm- bei Heiligenfiguren
lichen Charakter, und Abessinieru
der ein ausgespro- das Gesicht en face
chen christlicher gemalt wird, ohne
ist, bewahrt, wenn- Rücksicht auf ihre
schon abessinische Körper Stellung.
Eigenart eine — Im Profil darge-
etwas elementare stelltwerden alle
Phantasie sich — anderen Leute, so
nicht ganz ver- der Europaer, der
leugnet und eine Ägypter, der Jude
profane Malerei und der Neger.
von gewisser Ori- Auch der Teufel
ginalität sich dar- (Abb. 6), der Mör-
aus entwickelt hat. der und der Dieb.
Die schönsten Gleichzeitig sind
Malereien enthal- Kinn und Nase
ten die Kirchen. um so spitzer, je
Die beliebtesten Abb. I. Martyrium des heiligen Sebastian. schlechter man
Motive sind die (Altert* stw WlnllfiSW KircfaeugeailiMe im Uesiti den MinUtJr» sich den Charakter
40»
K. Tli. 1'rfiuO: Der Ursprung der Religion und Kunst. 356

leicht ersehen, daß man daliei nicht gemeindeweise vor- bringt mit der Mutter hiuaua in die Marsch woselbst
sie ,

gegangen ist: alsduun in ü Ute bui den Marken eines und sie eich in den dortigun Gräben ernähren. Khe mau sie
desselbeu Dorfes mehr Gleichheit herrschen. Noch alwr wegbringt, gibt man ihnen, um nie wiedererkennen
meiner Meinung hnt eine uichrgliedrige Kommission die i zu können, ein bestiiumte-s Merkzeichen. Diese sind ins-
zum Teil Hchon vorhandenen Viehmarken festgesetzt und besondere Löcher und Einschnitte. Man durchlöchert
dieselben einzeln uuf Zettel geschrieben. Darauf hat die Schwimmhäute oder macht in diese wie auch in die
man diese Zettel in eine Urne odur einen Sack geworfen, Seitenlappun Einschnitte; auch kommt es häutig vor, daß
und jeder Besitzer hat sodann sich einen Zettel mit der . man eine von den Zehen abschneidet. Zuweilen werden
darauf geschriebenen Viehiuarke herausgeholt. Ander» •
die Schwimmhäute eiues Fußes recht tief durchschnitten,
kann es wohl kaum gemacht sein. Wie wäre sonnt eine so daß dadurch der Fuß dem einer Henno ähnlich wird.
Einigung zustande gekommen! Jeder hätte eine ein- Man sagt dann, daß dieser Fuß „Honnf uttet* ist. Auf
fache und leicht«, niemand aber eine mehr zusammen- Oaterlandföhr nennt man den Seitenlappen Wirke oder
gesetzte haben wollen. Wertje, auf Westerlandföhr aber (juertje. Die Enten-
Aulier den Yiebujarken gibt es auf Föhr noch Enten- markeu sind ebenfalls viele hundert Jahre alt und gewiß
marken (Abb. 3). IHe Führer halten recht viulo /ahme auf dieselbe Weise über die Hausbesitzer verteilt, wie
Knten und lassen im Frühjahr viele hundert brüten. Man ich dies in Hinsicht auf die Viehmarken ausgesprochen
behält nber die juugeu Enten nicht beim Hause, sondern habe.

Der Ursprung der Religion und Kunst.


Vorläufige Mitteilung von K. Th. Preuß.
(Fortsetzung.)
Wie man die Sonnenstrahlen als Schmetterlinge dar- Witterung erklärt sich das Urinieren das natürlich
,

stellt, weil diese ursprünglich die Sommerwärme brachten, nirgends eine müßige Zutat ist, leicht aus ihrer Zauber-
so könnten die Mexikaner die Sonue sehr wohl als einen Rügen hervor-
tätigkeit für die Pflanzenwelt; es soll den
Haufen Kot malen. Die Sonne ist häufig in der Peripherie bringen. Das geht mit Sicherheit au» den Daistetluntren
gelb gezeichnet, ganz wie sie aussieht, und es ist in diesem einer Reihe von Wachstunisgottheiteii hervor, au deren
Zusammenhang eigentümlich daß das Gold dos die
, , Geschlechtsteile die Eidechse, das Zeichen des Wasser-
Sonnenfarhe so schön wiedergibt, von den Mexikanern reichtum», gesetzt ist 13 ).
teoeuitlutl —
göttlicher Kot genannt wird. Der Kot Ein weiterer Beweis dafür ist folgender. Die hervor-
bringt die Wärme hervor weil er aus dem warmen
, ragendste Waffe der mexikanischen Götter ist ent-
Innern kommt, und wird deshalb —
und nicht wegen sprechend ihrem Charakter als Vegetationsgottheiten
seiner Farbe —
zur Sonne in Beziehung gesetzt. Das und Dämonen der Witterung in der Hieroglyphe Wasser —
Gold aber hat die Sonnenfarbe und steht auf diesem Feuer, d.h. Regen und Sonnenschein (.Tageswärme), aus-
Umwege mit dem Kot in Gedankenverbindung. Mit gedrückt. Durch diese Waffen schleudurn sie Krankheit,
demselben und besseren Rechte hätte mau aber auch die Mittwochs und alle anderen Übel auf die Menschen,
Sonne teocuitlatl nennen können. gelten ihnen dadurch aber auch allen Segen. Näher be-
Wie der Kot, so hat auch der Urin in den Bilder- trachtet, gestattet diu Hieroglyphe Wasser —
Feuer (teoatl
schriften der Mexikaner seine Geschieht«. Es ist schon tlachinolli), noch tiefer in die Bedeutung ihres Ursprung»
erwähnt, daß der Schmetterling, der von Blume zu einzudringen 4 '). In manchen altertümlichen Darstel-
Itluuie gaukelnd die Sommerhitze verursacht, unter lungen der Hieroglyphe in den Codices 44 ) und auf den
anderem zur unterirdischen Göttin des Feuers geworden Monumenten 4 ') ist der Wasserstroni au allen Aus-
ist. Aber was sehen wir nun im Codex Vuticauus läufern mit cuitlatl (Kot) besetzt, während der Fener-
Nr. 3773 (S. 63)? Da uriniert ja diese Göttin des strom sich als brennende Erde (brennender Ackerboden)
Feuers Itzpapalotl (Obsidianschmetterling), die unten in durstellt. Der Wasserstrom ist dadurch also als Un-
der Erdmitte in Tamoauchan thront, und ist in Gestalt redlichkeit, sagen wir nur „als Urin" (axixtli) gekenn-
eines Schmetterlings gezeichnet (Abb. 9). Ein Schmetter- zeichnet, denn die Mexikaner hatten kein anderes Mittel,
ling, der tiriuiert! Da aber gerade der Schmetterling Wasser und Urin zu unterscheiden. Der Feuerstrom
Hieroglyphe des Feuers ist, und die Tiere sonst da« Feuer aber, die „brennende Erde", soll ebenfalls nichts weiter
mit dem Munde hervorbringen, so werden wir schließen als brennenden Kot ausdrücken 4 '), also dasselbe, was die
müssen, daß hier der nusströuiende Urin auch etwas ver-
ursacht. *') B. meine genauen Ausführungen in den Phänischen
Der Schmetterling steht in dieser charakteristischen Fruchtbarkeitsdäiuonen, S. 149 f., wo ich freilich nur die ge-
Eigenschaft des Urinioruns nicht allein du. Zwei Vögel, «chkcMliche Seite dieser Darstellungen ins Auge gefaßt habe.
die ebenfalls als Gottheiten gelten müssen, und der Gott Ich verweis« hier für Kinaielheiten auf meine .teuer-
'•')

Köttei'. Mitt. Anthrop. Ges. Wien XXXIII, lau», besonders


Xolotl in Gestalt eines Hundes, der am sechsten Jahres-
8. il7 f., und auf die Hieroglyphe des Krieges, Zeitscbr. f.
fest (etzalquuliztli) mit den Regengöttern zusammen ge- Kthnol.lBuo, b«»>>uder»8. liof.. 119f. Dort habe ich, obwohl
feiert wird und mitunter die Sonnenscheilie auf dem noch nichts von der Zuuberwirkurig des uiotisi-bliihsu Kots
Rücken trägt, uriuiurvii in demselben Codex (S. 88, 93), und l'rins vermutend, bereits genau dieselben Krgehnisse bei
der Untersuchung der Bestandteile der Hieroglyphe teoatl
Endlich tut dasselbe im Codex Fejervary- Mayer« 0 ) ein
tlachinolli gehabt.
männlicher Gott, der nicht genau festzustellen ist, aber ") Codex Borlioiiieu«, ed. Hiiniv. 8. B. Atibinsches Tona-
an Stelle dos alten Gottes dur Sonnenwärme Mixcoatl 41 ) bunatl, 8. 9. Codex Borpia, 8. Mi,'t59.
,y
Bteht. > Vgl. Abb. 4 in meiner Arbeit .Üb« Keliefbild einer
inexika». Todesgoltheit*. ZeiUchr. f. Ktbnul. ISO«, S. (430).
Auch au diesen Gestalten , sämtlich Dämonen der *") Ich mache hier darauf aufmerksam, dsß die Dar-

stellungen des l'cuerstroms im Codex Borgia (8. 19, 50, 71 usw.)


") ed. Herzog von i.oubat, p. 2«. häutig gelb sind und von undefinierbarem Stoffe Ich glaube,
"I Ursprung der Menschenopfer, (Holms, Bd. Sil, R. 109. 11«. duO auch hier der Kot. die Erklärung gibt.
43*

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36«

Hieroglyphe des Feuergottes in Abi». 8 uns schon gezeigt mal sind in den Bilderschriften bekanntlich die Sünder
hat. Dcuu „Frdc essen war der Ausdruck der Demut
1
'
in dem Akt des Kotessens dargestellt, während ihnen zu-
gegenüber den Göttern du» Bekenntnis »1» Sünder''»,
, gleich Urin und Faeces abgehen, und dann heißt die
und dieser wird in den Bilderschriften stet- als Kotessor Frd- und .Maisgöttin Teteoinnan („Götterlnuttel Tlael-
gekennzeichnet'*!. Deshalb lieiüt die wörtliche Über- juani, die „.Schinutzesserin", und Tlaeolteotl, „Göttin de»;
setzung der Phrase teoati tlacbinolli auch nicht „Wasser Unrats". Wie sind diese beiden Angaben mit meinem
Feuer" (atl-tletl), sondern „göttliches Wasser Verbrann- — eben geführten Nachweis daß die Fxkreinente die ,

tes" (teoatl-tlachinollt). Zaubermittel der mexikanischen Menschen und Götter


Es ist also klar, daß ursprünglich durch die Hiero- waren, zu vereinen?
glyphe nicht Regen und Wurme sondern die Mittel , An vielen mexikanischen Festen wurde die Fürsorge
ausgedrückt sind, die beides hervorbringen, uiimlieh der Götter für das Wachstum in der Natur dadurch zum
Urinieren und Kot lassen. Deshalb uriniert der Schmetter- Ausdruck gebracht , «laß Menschen in deren Tracht auf-
ling und diu übrigen Dämonen in den Bilderschriften, traten und den zum Gedeihen der Pflanzenwelt not-
und deshalb ist brennender Kot die Hieroglyphe des wendigen t'oitus durch allerhand Gesten und obszön«
Fouergotte*. Hior können wir auch beobachten wie , Bewegungen ausführten 'j. Auf diese Weise sollte ein
schon am Ursprung der mexikanischen Götter, nämlich Zauber auf den wirklichen Hergang in der Natur aus-
immer die Sommer-
bei der Tätigkeit der Witteruugstiere, geübt werden, um so mehr, als die Teilnehmer selbst
wärme und der liegen zusammengehören, die wir nachher zum Teil als Gottheiten und Geister galten. Scharen
stets als hinbeit zusauiuiuu linden, da eines ohne das von Dämonen liefen dann mit erhaltenem Phallus einher,
under« für du« Gedeihen nichts ausl ichtet. Der Schmetter- und die Huren spielten als Verkörjterungen von Gottinnen
ling, der die Sommerwitrine hervorbringt, gibt auch den eine große Rolle. Das ist sicher durch Bilderschriften
Regen. und Berichte bezeugt. Wir können uns dieses Treiben
In den Gebeten der Arapabo wird oft auf ein Wasser- garnicht obszön und gemein genug vorstellen. Denn
ungeheuer, den Herrn der Flüsse, bezug genommen, dessen was wir davon erfahren, sind offenbar nur die Reste aus
Name im let/teu Grunde »urinieren" bedeutet. Auch, früherer Zeit. Vereinzelte Nachrichten bezeugen auch u ),
haben die Arapahoknabou ein merkwürdiges Spiel. Sie 1

daß bei diesen Dämonenfesteu sinnlose Betrunkenheit,


urinieren in ein kleines Sandloch und werfen den feuchten i selbst der Knaben uud Mädchen, herrschte, und zwar
Sand in die Luft mit dem Rufe: „Sonne, du kannst das j
nicht als Ausartung, sondern als integrierender Teil deB
Tür deine Trommel (die Gewitterwolken V) haben", Fin f
Kultus. war eben notwendig, um die däniouischou
.Sie

anderes mal schwingeu sie beide Hände hin und her und Zauberakte ausführen zu können. (Vgl. Kap. IX.)
sagen dabei, zu einer kleinen, weißen Wolke aufblickend: Und noch etwas anderes gehört dazu, nämlich der
„ein Klch mit einer zugespitzten (zum Urinieren be- i Genuß von Kot uud Urin so daß solche Feste in alter ,

reiten?) Vulva", bis die Wolke aus dem iesichlskroise I Zeit einen wahrhaft scheußlichen Eindruck gemacht
verschwindet ' '). In Kurnpa hat sich die Anschauung, haben müssen. Das ist uns uicht überliefert Aber der
daß durch Urinieren Regen entsteht, ebenfalls noch in Name der Frntegöttin Tlaehiuani, die „Schmutzfresserin",
unverkennbaren Resten erhalten. So sagt man zur Be- besagt es klar und deutlich. War doch dieses die Göttiu,
zeichnung eines leichten Regens in Ostpreußen: Dat öß, die am Krntefest den neuen Maisgott konzipierte und zu-
als weuu e Mügg (Mücke) önnt HaH pöüt '"). Auch das gleich gebar, also der eigentliche Mittelpunkt dos ganzen
„Mauneken-Pis", ein kleiner eiserner Uupido als Brunnen lasziven Treibens Dieser junge Maisgott war die Vegeta-
!

hinter dem Kathaus in Brüssel, gehört hierher, der 161Ü tion der Zukunft^ und ebenso ging das Ksson von Kot auf
itugcnschuiulich in Anlehnung an uralten Zauburglauben die Hervorbringung der Wärme zum Reifen der künftigen
angefertigt wurde. Im Mythus pflanzt sich die wasser- Frucht (vgl. Kap. HI). Alle dio Scharen der Festteilnehmer,
spendendu Zauberkraft des Urüis in den grollen Flüssen zum Teil niedere Dämonen verkörpernd, schwelgten offen-
fort, die durch Urinieren entstehen Und dieses ent- bar gleich ihrer Führerin in solchen Leckerbissen, übten
spricht wiederum der Tatsache, daß auch der bloßen den Beischlaf aus und betranken »ich bis zur Bewußt-
Hieroglyphe „Wasser" im Codex Borgia (S. 52, 51, usw.) losigkeit. Das geschah ganz in derselben Idee, wie die
manchmal die l.'uitlatlzeichen beigesetzt sind, «»durch sie Kornuiutter der germanischen Feldkulto die „große Hure"
als Urin gekennzeichnet werden genannt wird'0).
Welche Kraft den menschlichen F.xkrementen auf — Solche Ackerbauriten können dahin führen, daß, wie
die tierischen will ich hier nicht weiter eingehen — es noch heute bei den Tarahumara im nördlichen Mexiko
überall zugeschrieben wurde, erhellt am besten aus Ge- der Fall ist, nur im Zusammenhang mit der rituellen
bräuchen, in denen sie genossen wurden, um dadurch Truukeuheit au den Ackerbau festen der Beischlaf zur
die Zauberkraft in erhöhtem Maße zu erlangen diu sie , Vermehrung der Rasse vollzogen wird '). Auch diese
an sich besitzen. Das ist oino ganz gewöhnliche Sitte ist wahrscheinlich, wie wir sehen werden, das Fr-
Methode, die wir z. B. beim Verschlucken von lebenden gehnis eines früheren Glaubens, daß dadurch das Wachs-
Tieren, um deren Zauberkraft selbst ausüben zu können, tum der Pflanzenwelt erhöht werde. Im Mexikanischen ist
noch näher kennen lernen werden (Kap. V), uun zw ar von einer allgemeinen Ausübung des Coitus an
Auch die Mexikaner übten das Fasen von Kot. Fin- solchen Festun nicht die Rede. Aber es ist auffallend, daß
gerade das Trinken des berauschenden Pulque und ge-
,7
Vgl. Ja« Nähere in .Die Feuergott<-r\ Mi«. Anthrop. schlechtliche Vergehungcn als Sünde gegen die Gotter gal-
)
Ges. Wien 1903. 8. 192 f. ten, die man bei den Priestern beichten ging und mit Kirchen-
"I A. n. O., S. 1*7 f. strofen büßte. Man muß daher annehmen, daß sich aus
'") Ilursey, Tbi.- Arupabo Sun Dance. Kield Coluinbiau
Mus. Anlhrop. 8i-r. IV, Chicago 190.4, p. IIB, 191.
1
°) 11. Krhclibier, 1'reubUche Sprichwörter uini volks- "l Das Nahen- in „Pli.-iUise.lic Fnichtharkeludamouen als
tümliche Redensarten. Königsberg lMif 8. ;.(?. Trauer des altmexikiitiüiehe» Dramas*. Archiv für Anthn<-
-
>'> S. ti. B. Bous, Sajren der Hciltsuk, Zcitachr. f. Ethn<0., pologie, N. I ., Bd. 1, 8. 137 ff.. 148 ff-

Verb. XXV, 18H3, 8. (474). ') Kbemln, 8. IM.


"f Die gewöhnliche Wasserdarstelluug bat statt cuiüatl
!
\t W. Mamihardt, Korudrimonen, S. 22.
Tropfen uml Schnecken an den Auslauf ern, und dies« kommt "j Lumh
t.'nknown Mexiko I. p.
ltz,
r
3- -2. Ich komme
auch im Codex Borgia, S 31, 38 usw. vor. weiter unten noch auf diese Feste zurück.

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K. Th. Prenß; her 1 1 rsp r u ug der Helikon und Knu»t. 3-'w

den Ackerbaukulten der Glaube herausgebildet hatte, der* Nehue-Cue ist die Priestergenosseuschaft der Koyeamascbi,
artige Akte seien uur au jenen Festen zu Kultzwecken deren Walser- uud 'rintaufe, burleske Tänze und phal-
l

gestattet, und man habe die Ausübenden daher nach lische Zeremonien, wie ich bemerkt habe, den bekannten
dem Brauche de» Kotessuns an den Festen als Kot- dämonischen Eintluli auf den liegen und das Wachstum
esser bezeichnet wie die Göttin des Krnte festes selbst. haben sollen '-')• Dieses I rintrinken und Kotessen der
Trunkenheit und außerehelicher Beischlaf außerhalb der Nehue-Cue bezweckte also ursprünglich nur die Er-
Kultfestu aber wurden als Sünde gegen die Gottheit reichung der Tür ihre Tätigkeit notwendigen Zauber-
aufgefaßt, und daraus entstand dann die Bezeichnung kraft. Von den entsprechenden Clown -Priesterscbaften
des Kotcsser» bzw. eines schmutzigen Menschen für den der Hopi, den Tschuküwympkia, wird ebenfalls berichtet,
Sünder überhaupt, der in den Bilderschriften Kot und daß sie I rin trinken und aufeinander urinieren, wenn
Urin langend und essend gezeichnet wird S7 ) (Abb. 8). das Gedeihen der Saaten in den Katschiuatiinxen ge-
Später ist das Kotessen auch an den Kultfestcn zum fördert werden soll. Mit solchen rinxereruonieu (die ,

größten Teil verschwunden, so daß uns davon nichts auch an anderen Wachstumsfesten der Hopi vielfach vor-
mehr überliefert worden ist. kommen pflegen phallische Riten verbunden zu sein •*).
,

Daa ist eiu lehrreiches Beispiel filr die Entstehung Ein anderes Beispiel gibt uns die höchst sonderbare
vou Hieroglyphen in den mexikanischen Bilderschriften. Sitte des „Narrenfoste-i*, das in Frankreich bis zur
IHese Symbole sind dem lebendigen Glauben entnommen Revolution, in England bis zur Reformationszeit nieist
und aus bestehenden Bräuchen erwachsen, aber nicht Zwischen Weihnachten und Epiphanias gefeiert wurde
doktrinär von Priestern erfunden. Wer möchte es auch und sich ins fünfte Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen
für möglich halten daß das Symbol des Kotessens f Ur
, läßt. Die katholische Kirche hatte sich dieses aus heidni-
Sünde einer Phantasie entspringen kann ohne besondere scher Zeit stammenden Festes trotz seiner unglaublich
Beihilfe eines entsprechenden Vorganges natürlicher Ent- widerlichen Szenen bemächtigt, ein Zeichen, daß es aus
wickelung? religiösen Kulten uud deren Vorläufern, deu Zauber-
Ich kann es mir nicht versagen, hier wenigstens auf akten, entstanden ist Ich gebe den Hergang nach einer
ein paar Kulthandlungen aufmerksam zu machen, die den Ereignissen nahe stehenden Quelle, die uns in aller
uns in die geschilderte Atmosphäre der mexikanischen Kürze einen klaren Begriff von den V orgängen zu liefern
Ackerbauriteu mit ihren geschlechtlichen Ausschweifun- imstande ist Al ).

gen und ihrem Kotessen unmittelbar einführen. Freilich „Die Priester einer Kirche wählten einen Narren-
sind es Nachklänge aus vergangenen Zeiten Aus- ,
Aufzuge erschien und sich im
bischof, der in feierlichem
artungen, deren früherer Zauberzweck aber unschwer Chor auf dem bischöflichen Sessel niederließ. Dann be-
zu erfassen ist. gann die Messe. Alle tieistlichen nahmen daran mit
Bourke schildert uns einen Tanz der Priester- geschwärztem Gesicht oder scheußlicher und lächerlicher
genosseuschaft der 12 Nehue-Cue, derangebtich zu Ehren Maske teil. Während der Feier tanzten die einen als ,

der weißen Besucher Cushing, Miuduleff und Bourkv am Possenreißer oder Frauen verkleidet, mitten im Chor
17. Noveiuher 1881 von den Zuiiiin Neu -Mexiko ver- und sangen dazu konii»che oder obszöno Lieder. Diu
anstaltet wurde. Man daß der Tanz bereits
sieht daraus, anderen gingen an den Altar Würstchen und Blutwurst
profanen Zwecken dienstbar gemacht wurde, voraus- essen uud spielten vor dem zelebrierenden Priester
gesetzt, daß Bourkes Angabe der spontanen Aufführung Karten und Würfel, beriiueherten ihn mit einem Räucher-
des Tanzes nicht ein Irrtum ist. Nach allerband Tauzen becken oder verbrannten alte Schuhe und Hessen ihn den
und mimischen Aufführungen burlesker Natur wurde Rauch einatmen". [Sach anderer Quelle legte man Kot
uine Schale Urin hereingebracht, aus der alle eifrig in die Rflncherbecken 6J
).]
tranken. Ihr folgte ein großer Zinueimer mit demselben „Nach der Messe gab es neue Szenen voll Narrheit
Naß. „Die Tänzer schluckten in großen Zügen, schmatz- und Die Priester liefen und tanzten in-
Gottlosigkeit.
ten mit den Lippen und bekundeten unter brüllender mitten eines Schwärm» von Leuten beiderlei Geschlechts
Heiterkeit der Zuschauer, daß es sehr, sohr gut sei. Die in der Kirche umher. . . . Während des Tumultes, der
Clowns (nämlich die 12 Priester) waren jetzt im besten gotteslästerlichen Handlungen und unzüchtigen Gesäuge
Zuge, und jeder suchte den anderen an schmutzigen sah man, wie die einen alle ihre Kleider auszogen und
Zoten zu übertreffen. . Einer drückte sein Bedauern
. .
andere sieh den schändlichsten Ausschweifungen über-
aus, daß der Tanz nicht im Freien auf einem der Plätze ließen."
abgehalten werde. Dort könnten sie zeigen, was sie
„Dann verlegte man den Schauplatz aus der Kirche . . .

leisteten. Dort sei es stets eine Ehrensache für sie, Ex-


Die Mitwirkenden stiegen auf Karren voll Kot und be-
cremente von Menschen und Hunden zu essen.*
lustigten «ich, die sie umgebende Menge damit zu bombar-
Die Zuni hatten für diese Sitten den nichtssagenden Diese Karren standen in Abstünden nach den
dieren.
(rund, daß die Nehue-Cue ein Medizinorden sei, der Theatern hin und waren eigene für ihre Narrheiten her-
solche Tänze von Zeit zu Zeit abhalte, um die Magen
gerichtet. Die schamlosesten Laien mischten sich unter
»einer Mitglieder an jede Art Nahrung, und sei es die die Geistlichkeit, machten in der Tracht von
widerlichste, zugewöhnen. Nun trug aber jeder in der
rechten Hand einen Stab aus einem Maiskolben, der mit
") meine .l'hullischen Fruchtbarkeitjwläinnuen'',
Vgl.
Federn dos wilden Truthahns und des Makao besetzt
8. 130 ff., 172 Cbrr die }'rie»ter»cliafl der Xeliue-Ciie vgl.
ff.
war, und Maiskolbeuhülsen waren in das Huar geflochten. z. B. »wie», A Journal uf Amer. Kthnol. and Archaeot. I,
Das deutet mit Sicherheit auf Ackerbauriten, zumal wir |i. 37, 43, II, p. 47, Amer. Anthropologin VI, S. 29«.
wissen daß der Hauptzweck der Zunipriecterschaften w Fewkes, Tusayau Katciuas. 15. Hop. Dur. Amer. Kthnol.,
, )

war, durch ihre Zauberakte Regen und Gedeihen der p. 293 f. Pewkes, Tbe Vaaxclmaiya, Journal of Aui'T Folk-
lore V, p. 208 ff. Usw.
Saaten herbeizuführen. Am nächsten verwandt mit den
A. Dulaure, Des divinite« generntrice» Paris 11405,
"') J ,

p. Vgl. besonders das ausführliche Werk von DutillioL,


315 f.
>:
) Vgl. da« Nähere bei PreuO, Die Keuergütter. Mitt. Memoire* pour »er vir ä l'histoire de la fote des foux. Lau-
Anlhrop. Ües. Wien XXXItl. S 192. Die Sünde in der mexi- sanne et Oeneve 1741.
kanischen Religion. Globus, Bd. M, St. ff., 2im IT. ") Diderot et d'Alembert, Kncyelopaedia, .Fete des Kous",
") The Use of Humati Or.lure and Human Trine, p. 8 f. Genf 175«.
lilobu» I.XXXVI. Nr. '•>. 44

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SM

und Nonnen unzüchtige Bewegungen ''*) und nahmen alle erfahrungsgemäß Menschen nnd Tiere nicht anders ent-
Stellungen der zügellosesten Ausschweifung an ." . . stehen.
Hier ist offenbar das Essen von Würsten an dir Gehen wir nun zu den Tatsachen über. Es ist be-
Stelle des Kotesgen* getreten, und Kot wird auch noch deutsam, daß die Mexikaner gerade an ihrem Erntefest
bei dem offiziellen Bombardement benutzt. Diester Um- von der absoluten Notwendigkeit durchdrungen waren,
stand, verbunden mit den Obszönitäten oder gar den für neues Wachstum durch den Zauberbeiscblaf der
Paarungsakten hei dem Fest, gibt uns an wo wir deu . '
(iottheiteu und Dämonen zu sorgen. Einen anderen
Ursprung zu suebou haben, nämlich bei dun zauberischen !
Zweck hatte das Fest ursprünglich überhaupt nicht.
Ackerbaukulten. Und das wird durch andere „Narren"- Denn die Pflanzenwelt war alt geworden, und eR war
Zeremonien um dieselbe Zeit in vollem Umfang be- höchste Zeit, daß sie sich erneute "0- Also ist die Ver-
stätigt bindung zwischen reichlichen Lebensmitteln und Festen
Die Zeit des Festes aber weist auf das Herauf- ursprünglich nicht kausal, sondern zufällig, da man nicht
kommen der Sonne uacb der Wintersonnenwende, wo um der erlangten Fülle willen feierte, souderu um sie
mau durch das Koteitsen ihre Wirksamkeit sichern wollte. künftig wieder zu erlangen. Erst später bildete sich die
Das ist die Zeit, die allenthalben in der Welt die Geister uns jetzt selbstverständlich erscheinende Folge: „Ernte,
des Wuchstuins herbeiführt uud ihre Tätigkeit bugiuneu daher Festesfreude" aus. Und das gilt sowohl hinsicht-
läßt (vgl. z. Ii. Kap. V). lich seiltet angelegter Felder, wie ohne Mühe geernteter
Früchte, ja es begreift den gauzon Turnus der Jahres-
III. zeiten, in dem sich alles erneut, auch die Fische und

Der Zauber der Kobabitation. Jagdtiere, der also auch für den primitiven Jäger uud
Fischer eine ungeheure Bedeutung hatte.
Durch die Betrachtung der Sitte des Kotessens und
Urintrinkens die bei religiös - zauberischen Ackerbau-
,
Nun habe ich nachgewiesen, daß in Mexiko tatsäch-
lich Vegetationsdämoueu in den geopferten Menschen
zeremonien stattfinden und mit geschlechtlicher Ver-
verkörpert gedacht, und auch die vou Menschen aus-
mischung Hand in Hand gehen, sind wir allmählich zu
gefübrteu phallischen Akte eigentlich von Dämonen
diesen bekannten Erscheinungen phänischer Kulte ge- !

Seit den großartigen Untersuchungen Wilhelm


ausgeübt wurden. Wann diese Szenen aufkamen, und
langt.
Mannhardts ist man zu der richtigen Würdigung solcher ob ihnen nicht früher ein anderer Sinn untergelegt
Brauche als Akte von Frucbtbarkeitsdümoueu vor- wurde, läßt «ich hier nicht nachweisen. Aber gehen wir
nur zu den heutigen ackerbautreibenden Tarahumara im
geschritten die in den ausführenden Menschen ver-
,

nördlichen Mexiko, die, wie erwähnt, fast nur bei ihren


körpert sind und durch ihre phaUische Tätigkeit das
Wachstum in der Natur hervorrufen. Regen und Wachstum bezweckenden, religiös - zauberi-
schen Festen für die Erzielung von Nachkommenschaft
Aber auch hier stehen wir sofort vor unüberwind-
sorgen. Mau kommt nicht damit aus, wenn mau da das
lichen Problemen, wenn wir die Tiere des Feldes, Käfer,
Schmetterlinge u. dgl. m. durch ihren Zaubergesang oder
ganze Volk iu dieser Tätigkeit für ehemalige Dämonen
durch ihre Defäkation Wärme uud Regen und dadurch erklärt. Aber mau wird natürlich meinen diese Er- ,

scheinung rubre von dem ebenfalls zu Zauberzwecken


das Wachstum der Pflanzen veranlassen sehen. Da
genossenen*') einheimischen Maisbiere her (vgl. Kap. IX).
braucht doch von einem , Dämon", der in den Tieren
wohne, noch keine Hede zu sein. Und wenn der Mensch Da wäre doch die nahezu ausschließliche Ausübung des
bei seinen Wachstum bezweckeuden PhalluBfesten
das
Coitus an diescu Kosten wunderbar. Doch sehen wir
weiter.
seinen eigenen Kot und Urin gonieut *'), um zauber-
kräftig zu werden wenn er also auch beides vorher
,
Sehr deutlich ist ein Bericht über die alten Peruaner.

direkt als Zaubei mittel zum Hervorbringen des Pflanzen-


Man bereitet sich, wie ähnlich bei den mexikanischen
wuebses angewandt hat, so steckt doch auch in ihnen Tage durch Fasten nnd Enthaltung von
Götterfesten, fünf

kein Dämon des Feldes, sondern sie habou das alles


Beischlaf darauf vor. Auch ist der Anlaß eine Ernte.
ohne andere Idee getan, als die der eigenen Zauber-
„Im Monat Dezember, nämlich zur Zeit der herannahen-
fähigkeit. Die Ciotter sind dann erst die Nachfolger in den Reife der Frucht pal'tay oder pal'ta, bereiteten sieb
die Teilnehmer an dem Feste durch fünftägiges Fasten,
der Ausübung dieses Zaubers.
d.h. Enthaltung von Salz, utsu (Beißpfeffer, Capsici spec),
Konute das nicht mit der geschlechtlichen Tätigkeit
des Menschen an ihren Vegetationsfesten ursprünglich und vom Beischlaf darauf vor. Au dem zum Anfaug
des Festes bezeichneten Tage versammelten sich Männer
genau ebenso bestellt gewesen sein? Sollte man nicht,
ohne sich von WaebstumBdatnonen besessen zu fühlen,
und Weiber auf einem bestimmten Platze zwischen den
den Coitus und die pballischeu Tanze nur in der ur- Obstgarten, alle splitternackt. Auf ein gegebenes Zeichen
sprünglichen Ideo ihres Zauberwertes für das Wachstum
begannen sie einen Wettlauf nach einem ziemlich ent-
fernten Hügel. Ein jeder Mann, der während des Wett-
ausgeübt haben? Als absolute Vorbedingung zu dieser
laufes ein Weib erreichte, übte auf der Stelle den Bei-
Annahme müßten die Primitiven dos Entstehen in der
schlaf mit ihr aus. Dieses Fest dauerte sechs Toge und
Natur dein Werden des Menschen oder Tieres analog
sechs Nächte")." Leider läßt die Kürze der Nachricht
augesehen haben. Wie der Hauch des Mundes uud der
Gesang im Ton und in der Wärme, wie Kot und Urin nicht entscheiden ob wir es hier mit Dämonen zu tun
,

ebenfalls durch die Wärme und zum Teil durch den


haben, und was der Wettlauf für einen Zweck bat.
Stoff die Hitze des Tages und den Regen veranlassen, so
„Um die Mitte des Frühlings, wenn die Yams reif
bringt diu Zeugungstätigkeit des Meuschau uud auch
sind,wenn die Jungen aller Tiere zahlreich und Eier
der Tiere das Wachstum der Pflanzenwelt hervor, weil
und andere Nahrungsmittel vorhanden sind, beginnen
dieWatschnndics ihr großes, halb religiöses Caarofcst zu
") Nach Dutilliot, a.a O., 8. *, wur auch liior dir Klerus
selbst beteiligt. M Vgl. da» Nähere in »PhaHische FruehtbarkeiUdämonen",
)
") Hier verwehte ich auf WilliaJm MamihanU« Aus- 8. IM t.
führungen über d>»n Foulplough iu Wald - uu<l Feldkult« I, "") Vgl. z.H. LumhoUz, Unknown Itexlco l, p. -53 f.

S. iblt. '"') Pedro de Villagomez . Carla pastoral de exorbteion


") Netten dem von Tieren , worauf ich uicht naher vin- e in»truccion , Fol. 47 bei v. Tscuudi , Beiträge zur Kenntnis
gehen kunnte. des alten Per», Wien le»i, S. 2«.

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K. Th. PrenB: Der Ursprung der Religion und Kunst 350

feiern,das die Ausführung der wichtigen Pflicht der daß aus ihm der Pllauzenwuchs und die Tierwelt ent-
Zeugung vorbereitet Zur Zeit des ersten Neumondes,
. . . steht Daher die sorgfältige Nachahmung der Vulva, die
nachdem die Yams reif sind, fängt man an, einen Vorrat doch wahrlich als (irulw in der Erde zu sinnlicher Er-
Ton Lebensmitteln aller Art für die Dauer des Festes regung nicht geeignet ist. Daher auch das Zauberlied,
anzulegen. Am Abend der Feier ziehen «ich Frauen durch das stereotyp immer und immer wieder darauf hin-
und Kinder von der Gesellschaft der Männer zurück . . . gewiesen wird, daß die Grube die Vulva sein soll.
und nun dürfen diese bi* zum Schluß der Zeremonie Ein solcher Analogiezauber, den wir noch (Kap. VII) in
nicht auf eine Frau blicken. . Dann graben die Zu- . . größerem Stile kennen lernen werden, ist nicht eine Ab-
rückgebliebenen ein grolle» Loch in den Boden. . . F rüh . lösung des Beischlafs, sondern von vornherein ein voll-
am nächsten Morgen versammeln sie sich wieder und gültiges Zuubermittel. Auch hier kann man weder von
fahren fort . . . sich zu schmücken. . . . (iegen Abend Dämonen reden, die in den Beteiligten verkörpert sind,
noch von der Nachahmung des Coitus von Vegetations-
gottheiten. Aber man sieht, wie aus derartigen Orgien
spater lediglich profane Obszönitäten übrig bleiben
können, die in dem Beobachter ein ganz falsches Bild
der primitiven Menschheit hervorrufen.
Es ist keiu Wunder, daß zur Herheiführung solcher
Natarerneuung gerade junge, kräftige Leute auf dem
scheinbaren Höhepunkt ihrer sexuellen Fähigkeiten aus-
gesucht werden. Klassische Beispiele dafür bietet wieder-
um die altmexikanische Religion. Dort hat die Mais-
göttin, die mit der alt gewordenen Pflanzenwelt identisch
ist. bei der Ernte ein Alter von 40 bis 45 Jahren und

l'rin wird nun in der Gestalt einer Frau in dem angegebenen


Alter enthauptet Ihre Haut zieht ein junger, kräftiger
Priester über und wird dadurch zur verjüngten Mais-
hraut Mit ihr vollzieht dann der Sonnengott in einer
dramatischen Zauberszene die Vermahlung"'). Ebenso
wurde in jedem Jahre im Monat Mai, wenn die Sonne
über der Stadt Mexiko im Zenit stand, der Gott des
Feuer« und der Somuierwürtne, Tezcatlipoca, in der Uestalt
oines körperlich tadellosen Jünglings im Alter der besten
Zeugungsffthigkeit getötet (ilcich beim Tode seines
Abb. 9.
Vorgängers im vergangeneu Jahre war er ans den
Itzpapalotl, der Obsldlansehiiietterllna:, urinierend.
Kriegsgefangenen gewählt, d. h. „er war geboren worden",
C«d. V.tiranu» Sr. 3773. S. «3.
reift nun ein Jahr lang zur Manneskraft heran und
erhält 20 Tage vor seinem Tode vier Weiber, die die
beginnt die eigentliche Zeremonie. Sie tanzun schreiend
vier weiblichen Wachstumsdämonen der Himmelsrichtun-
und singend . . um das Luch und fahren damit die
.

ganze Nacht fort. Jede Figur der Tänze, jede Be-


. . .

wegung und der Hefrain all ihrer Gesänge ist darauf


berechnet, ihre Leidenschaft zn entflammen. Das Loch
ist so gegraben und mit Büschen geschmückt , daß es
die Geschlechtsteile einer Frau nachahmt. Beim Tanze
tragen sie dun Speer vor sich, um einen Phallus an-
zudeuten: jede Gebärde ist obszön. ... Am Schluß der
Zeremonie . . pflanzen sie Stöcke in den Boden, nm
.

den Schauplatz ihrer Orgien zu kennzeichnen. Dann


ist es ein tabuierter Platz, und jeder, der darauf sieht,

gleichgültig ob aus Unachtsamkeit oder nicht, wird un-


fehlbar erkranken und sterben **)."
Wenden wir ein wenig Kritik an, so ergibt sich, daß
diese Vorgange alles andere eher als Bordellszenen sind.
Das Fest findet zur Zeit der Yamsreifu und des Über-
flusses an .lagdtieren statt Eb dient also augenscheinlich
zur Erneuerung der Vegetation und der Tierwelt. Das
geht auch aus dum Tanz hervor. Wer behaupten wollte,
daß ein derartig absonderlicher Tanz zur Erregung der Abb. lo. Dir Zeugim*.
Wollast erfundeu ist, der übersieht, daß hier nur ein Cod. Borgi« «I.

Analogiezauber vorliegt, der durch die dabei gesungenen


Worte unterstützt wird. Es ist ja bekannt daß die ,
gen verkörpern. Bei diesen schläft er clie 20 Tage bis
zu seinem Tode, l'nd das ist mit der Zauberzweck des
meisten Zauberhaudlungeu Nachahmungen von den Vor-
gängen Bind, die man zu erzielen wünscht. So rauchen ganzen Dramas , in dem der Jüngling die Sonne reprä-
dieTarahumara Zigaretten, „um dem Monde zu helfen,
sentiert, die sich jetzt, wo sie den höchsten Stand er-

Wolken hervorzubringen 70 )". In unserem Fall ist der reicht hat, durch seinen Tod erneuen muß'*).
Tanz eine Nachahmung des Coitus, von dem man glaubt, An solche Erscheinungen wollen wir denken, wenn
wir die folgende Beschreibung obszöner Tänze auf der
M) A Oldfleld. The Aboriirinea of Australia- Transaktion*
«>f the Kthnological Society nf London III, S.S., I8»5, p. 230f. ") 8- „Phalliachn FruehtbarkelUdamonen*. 8. LS« f.
w) LumholU, l'nknovru Mexico I, p. 354. '*) Vgl. ebenda 8. 156 u. (ilobus, Bd. «6, 8. los. f
U*
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360 K. Th. I'reutt: Der Ursprung Her Religion uud Kunst.

Karolineninsel Yap betrachten. Dort bestehen so- bare Jugend während zweier dreier Wochen im Jabre ,

genannte B&wais, Junggesellenbätiser, die zugleich auf wie liebestoll gebärdet. Sie stampfen ganze Nächte hin-
einer Seite diu ältertm Männer uud Häuptlinge vereinen, durch den Reigen bis zur Erschöpfung und singen bis
»1*0 «ine Art Rathäuser sind. In ihnen hausen auch in zur Heiserkeit vorwiegend die obszönsten Lieder."
freier Liebe mit den Junggesellen zusammen Mädchen, Besonders deutlich ist der Zusammenhang der Juug-
die aus andoren Distrikten scheinbar geraubt Bind, aber gesellonverbäudo mit zauberischen Ackerbaugebräuehen
in einigen Jahren reich beschenkt nach Hanse zurück- geschlechtlicher Natur in den europäischen Frühlings-
kehren, wo siu heiruten 71 ). Es ist Anzuuchuii-u, doli die feiern. Dort wird bekanntlich nicht nur das dämonische
zu schildernden lasziven Tänze, für die leider bestimmte Maibrautpaar, das das Wachstum veranlaßt, dargestellt,
Zeiten oder bestimmte Häufigkeit nicht angegeben wird, sondern die Mädchen werden am Maitage an die ledigen
Ton den Junggesellen aufgeführt werden. Burschen als Mailehen versteigert 77 ). Aus dem reiche
„Dem Inhalt der Tanzlieder und der Form ihrer Material des Mannhardtachen Buches 7 ") geht mit Sicher-
Darstellung nach lassen sieb leicht zwei große Gruppen heit hervor, daß damit die ursprüngliche geschlechtliche
von Tänzen voneinander sondern, nämlich die obszönen Vermischung zu Zauberzwecken oder ein entsprechender
und nicht obszönen Tänze. .* . . Aualogiezauber (s. vorher) angegeben ist. Ich verweise
„Boi den Tänzen der anderen (obszönen) Guttung nur auf das Beilager der Johanniapaaro bei den Esten,
braucht man den Text nicht zu verstehen , um ihren wo das erwählte Mädchen vom Feuer fort in den Wald
Inhalt zu deuten, dazu sind sie zu eindeutig. Ein solcher gezerrt wird und der Bursche sich neben sie legt und auf
Tanz ist eine choreographische ars ainandi wie man sie , jeden Fall ein Bein über das Mädcben achlagen muß. So
«ich mannigfaltiger und realistischer nicht denken liegt er, ohne sie weiter zu berühren, bis zum Morgen
kann. Coitusbeweguiigwu in allen Stellungen, im Sitzen, neben ihr. Daß alles dieses auf reicheres Wachstum der
Knien, Stehen, kurz in deu mannigfaltigsten Variationen Äcker abzielt, zeigt der ausgesprochene Glaube an dieselbe
bilden «einen Inhalt Dazwischen macht dann die ganze Wirkung, die der weitverbreiteten Sitte des sogenannten
Reibe auf einmal eine Zeitlang OnanierbewegungeD, Brautlogers auf dem Ackerfelde zugeschrieben wird, und
wobei die Tänzer symbolische Geschlechtsteile von un- das zeremonielle Pflugzichen. Der Pflug wird dabei von
geheurer Größe andeuten, und mit wilden "Mä-mä"- Jungfrauen gezogen, die mitunter vollkommen nackt
Rufen endet gewöhnlich ein soloher Tanz. Das letztere sind' *). 1

Hier übt das bloße Zurscbaustellen der Geni-


Wort ist der Yapausdruck für coitieren und wird im talienden Wacbstumszaulier aus.
gewöhnlichen Leben wohl nur äußerst selten von den Sitten dürfen uns nicht als bloße Symbole
Solche
Yapleuten in den Mund genommen. Die anwesenden vorkommen. Die Maibrautpaare z. B. können nicht
Mädchen aus den großen Häusern (Bäwais; andere weib- Nachahmungen de« dämonischen Frühlingspaares sein,
lichen Geschlechts dürfen überhaupt nicht zugegen sein) wie Mannhardt will, sondern das Verhältnis ist um-
verziehen auch bei den ohszönsten derartigen Bewegun- gekehrt zu denken. Wir haben eine Reihe von Beispielen
gen keine Miene, mit der größten Gleichgültigkeit für die periodische Vermischung kennen gelurnt. und
rauchen sie ihre Zigarette oder kauen ihren Betel weiter, Ähnliches ließe sieh noch zahlreich aus allen Teilen der
ein Deweis dafür, wie häufig sie derartige Tänze nachts Erde beibringen **). Sie hat das Wachstum zum Zweck.
vor den Rathäusern zu sehen gewohnt sind. Dagegen Wenn wir nun sehen, daß nach Aufkommen des Aniniis-
äußern die älteren Zuschauer mit großer Lebendigkeit ui us die Pflauzendunioneu die Regengottheiten, die ,

ihr tiefallen an derartigen Darbietungen. Laute Sonnengötter usw. eine unendliche Tatkraft in der ge-
therom- und erregon»- Zwischenrufe (bravo, richtig) schlechtlichen Erzeugung der Pflanzenwelt an den Tag
erklären ihre Zufriedenheit und brausendes Beifalls- legen, so müssen wir uns doch frageu, wie ist diese
geschrei belohnt die Tänzer am Schlüsse ihrer Auf- Ronderbare Anschauung eines dem menschlichen Zustand
führung' 1
).
fc
entsprechenden Vorgangs entstanden. Weshalb ver-
Du auch bei den dezenten Tänzen im allgemeinen mählen sich detin durchaus immer Himmel und Erde
keine Krauen zuschauen dürfen, da ferner auf das Ge- zur Zeugung, und weshalb ist die Erde allenthalben die
lingen aller Tänze die höchste Wichtigkeit gelegt wird große Mutter? Was bat dem Menschen zu diesen
und die Tftuzur zu diesem Zwecke sogar unmittelbar merkwürdigen Anschauungen verholfen die uns so ge-
vorher einem Zauberakt unterworfen werden"''), so ist läufig vorkommen, daß wir uns gor nicht mehr darüber
mir der zauberische Zweck der Tänze in früherer Zeit wundern ?
an sich sicher. Man beachte auch die bezeichnende Sagen wir es nur gerade heraus, es ist undenkbar,
Bemerkung des Beobachters, daß der Ausdruck ina-mä daß tieisteru ein solches Zaubermittel angedichtet werden
für coitieren „im gewöhnlichen Leben wohl nur äußerst konnte, wenn es nicht bereits im Besitz der Menschen
selten" gebraucht wird. Ks bedeutet hier wohl auch war, nicht in dem Sinne, daß die Menschen zur Fort-
einen Zauber. pflanzung ihres Geschlechts coitierlen, sondern in dem
Die jungen Bursrhen sind es auch, die bei den Südslawen Glanben an ihren Zauherheischlaf für das Werden in der
mit den jungen Mädchen erotische Feste feiern. Hier Natur. Das kann nicht anders sein als mit dem ZauW
gibt uns wiederum die Zeit der Feier einen Anhalt für dos l rins uud Kuts, der zuerst dem Menschen gehörte
die Beurteilunu ihre* Ursprung*. Denn Krauß 7 schreibt: '
I und dann von den Göttern übernommen wurde.
„Die eigentlichen geschlechtlichen Ausschweifungen unter Als diese dann mehr und mehr deu ursprünglichen
den jungen Leuten sind, was auch besonders anzumerken Mensrhenzauber an sich rafften, da blieb den Menschen.
verdient, nicht endlos, sondern füllen hauptsächlich in
die erste Herbstzeit uach erledigter Einhciiusuiig der
:
') l>i.- ltr/inliiiu^»-» zwischen den Mnii|rielen bzw.
Feldfrüchtc. Ks kommt einem vor, «I« ob sich die mann- Mädcheiivt-ratftperungeii und den JunKg'Wllenverbanden sind
tKMouders von l'sencr in seiner Arbeit ,Üt>er vergleichende
Sitten und KechtHgcschiehte" in „Hessische Hlätler für Volks-
•') Vgl. Sentit iui lieuUclien K..|.mi:illilaU H»üo. S. 417. kunde" I, Hrfi behnivlelt.
.'I,

•"')II» im Kinige liemerktin^en- über Mu«ik, Dichi


. Dichtkunst :
") Wald und Feldkulte I. S. 447 ff.
uuil Tan* der Yapteut«. /eitschr. f. Kthtml. Hins, SS 140. ") Kt>endn, 8. *>'•», 4-0 IT., M<i» fl.
r, *°) S. *. lt. w*it< rwi bei Wentermarrk , The Hi*U»ry of
i Ebenda, H. 1Ä8 f.
n t KianB, Di- Zcii/imi» der Si'nl»lnw. n, in Kprnj irrfi« VI Hainau Marriagti I. Helsiujrfors Iiis», n. 37 ff. l'loB Bartel*.
s. ;«.•:>. Hu» Weil., 7. Aufl., I, S. ff. usw.

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K. Tb. Protiß: Der Ursprung der Religion und Kumt. 361

wollton sie mit ihrem Göttorglauben nicht in Widerspruch mente, Teile der Kleidung, ja die Reste der genossenen
geraten , nicht» anderes übrig , als die geschlechtliche Speisen oder irgendwelche Gebrauchsgegenstände in den
Vermischung zu Ehren derjenigen Gottheiten auszuüben, Händen eines andoren zu lassen. Denn dieser könnte
die selbst Darauf geht Hie be-
so tüchtig darin waren. den Betreffenden damit bezaubern, indem eine mit den
kannt« Erscheinung Tempelprostitution zurück.
der Stücken vorgenommene Handlung dem einstigen Eigen-
Kritisch botrachtet, ist eiuo solche Hinrichtung ohne vor- tümer selbst widerfährt. Umgekehrt erstreckt sich das
hergehende /anberkohabitatinn wie wir sie geschildert , Tote in dem Gestorbenen auf all sein Eigentum und
haben, Wiedemen gar nicht möglich. Denn was hat z.B. alles von ihm Berührte und bringt gerade die nächsten
eine Gottin. diu anscheinend in durchaus legaler, selbst- Angehörigen, z. B. die Witwe, in eine schreckliche Lage.
verständlicher Weise für das Wachstum in der Natur Nur durch kräftigen Zauber kann man sich dann der
sorgt, mit sonst uuerlaubter Prostitution zu tun? Das Umklammerung der Leiche entziehen.
int nur verständlich, wenn vorher die Menschen »um Ge- Der beste Gegenzauber gegen das Tot liehe ist das Leben
deihen der Naturobjekte in einer Weise geschlechtlich Gebende, nämlich insbesondere phallische Zeremonien,
verkehrt habeu, die ihnen später, verglichen mit den und, wie ich im nächsten Kapitel <l\ ) zeigen werde, der
Sitten de« gewöhnlichen Lebens, als Hurerei erschien. sogenannte Zauber des Zeugungshauches. Diese Er-
Aus dieser Entwickclung heraus erhielt ja auch die Korn- klärung schlioßt sich dumnach eng an die phallischen
mutter der germanischen Feldkulte den Namen die „große Begebungen zum Hervorbringen einer neuen Ernte an,
Hure". nachdem die alte eingebracht und somit die Natur ge-
Ein anderes Mittel solche obszönen Fruchtbarkeits-
, wissermaßen tot ist. Hier handelt es sich um die
Dämon zu
sitten beizubehalten, lag darin, sich selbst als Wiedergeburt der Natur, beim Tode des Menschen um
fahlen oder teils in seiner eigenen Zauberkraft, teils als das Bestehen des Lebens.
Genosse einer „heiligen" Handlung die dämonischen Ein solcher Tanz ist z. B. der Kuthiol der Frauen
Orgien mitzumachen. So erklJlrt sich die Leichtigkeit von der Insel Yap. von der wir bereits obszöne M&nner-
von selbst, mit der in Mexiko und allenthalben das tänze kennen gelernt haben. „Er übersteigt an Obszö-
ganze Volk die Zeremonien mitmacht als ob sie , nität auch die obszönsten Männertänze. Er wird sowohl
Dämonen waren, obwohl sich der Klaube an die Ein- nachts wie am Tage getanzt, wenn die Männer ihren
korperung von Dämonen nur auf wenige Hauptpersonen Vergnügungen in den großen Häusern oder dem Fisch-
erstreckt. fang naohgehen und keine Störung von ihnen zu fürch-
Es gibt aber noch eine andere Reihe von Erscheinun- ten ist, bei verschiedenen Gelegenheiten, besonders beim
gen, die mit überzeugender Deutlichkeit die zauberische Tode eines jungen Mädchens; in diesem Falle soll der
Wirkung der phallischen Begehungen auf das Gedeihen Tanz dem Kummer darüber Ausdruck verleiben, daß die
kundtun. En sind die obszönen Totentänze, bei denen Dahingeschiedene die Freuden der liebe nun nicht mehr
doch wahrhaftig nicht der mindeste Grund zu lasziver genießen kann. Unter ungestümen Bewegungen und
Ausgelassenheit vorliegt wildeu leidenschaftlichen Liedern werden die Grasröcke
Es ist ja bekannt, wie groD der Schrecken bei einem hin und her geworfen, so daß die Geschlechtsteile dabei
Todesfall ist und wie aufdringlich die Trauerbezeugun- entblößt werden. Dies würde bei einem Männertanz nie
gen, die nebst den Racheopfuru für den Toten haupt- vorkommen. Das begleitende Tanzlied spricht auch von
sächlich darauf ausgehen, ihn zu beruhigen und sich vor nichts anderem als von deu Leiden und Freuden der
seiner Rache zu schützen *•). Nun ist die Idee von der Liebe *").. . .

Existenz einer menschlichen Seele ein verhältnismäßig Man sieht, es ist in dem Bericht keine Spur von der
spätes Ergebnis des menschlichen Denkens. Ich werde Erklärung solcher Tänze, wie ich sie eben für Totenfest«
deshalb in Kapitel IX auch nachzuweisen suchen, daß die aufgestellt habe. Trotzdem halte ich sie für sicher, da
meisten Trauerzeremonien ursprünglich nicht zur Be- es nur eine Psychologie für die Entstehung geben kann,
sänftigung der Toten entstanden sind, sondern mit dein uud das ist die erwxhnte. Ein derartiger Tanz kann
Seelenglauben zunächst nichts zu tun haben. sehr wohl die im Bericht geschilderte Bedeutung er-
Die pränuimistische Auffassung des von einem toten holten, aber entstehen kann er in dem Sinne nicht (vgl.
Körper —
sei es Jagdtier Feind oder Angehöriger
,
— Kap. VI, „Der Tanz").
ausgehenden üblen Einflusses oder Zaubers ist meines Häufiger freilich sind phnlliachu Totenzeremonien
Erachtens sehr naheliegend: man fürchtet, daß das Tote der Männer. Vor der aufgebahrten Leiche des „Königs
an ihm auf diu Umgebung übergreift, d.h. anderes Leben von Loango" spielte sich folgender Vorgang ab. „Einige
mit vernichtet. Hei dem erlegten Wilde (vgl. Kap. IV) Personen, in eine Art von Sack gekleidet, der mit weißen
oder Feinde (vgl. Kap. IX) ist natürlich der am meisten ge- Federn besetzt und seltsam zusammengeflickt war, mit
fährdet, der den Tod gegeben hat, nicht wegen der Rache Mützen von eben der Art wie die Kleider und das Go-
de« Getöteten —
das kommt erst später sondern als — ,
'
sieht durch den Schnabel und den halben Kopf einer
erstes Objekt, das dem aus dem toten Körper austreten- Lörfelgans lmdeekt, führten eine Art von Schauspiel auf.
den Vernichtungszauber ausgesetzt ist. IHe Angehöri- Sie trugen einen Ungeheuern Priap mit vielem Gepränge
gen aber sind besonder* gefährdet, weil sie mit dem umher und bewegten ihn vermittelst einer Feder; dabei
Toton wie sein Eigentum zusammenhangen. Dieses wird machten sie die ekelhaftesten und unanständigsten Ge-
deshalb auch vernichtet, nicht, um es dein Toten mit- bärden und Stellungen zum höchsten Wohlgefallen der
zugeben —
da* ist erst die postauimistische Idee — -, Zuschauer" " ').
sondern weil an dum Eigentum das Tote haftet und Hier sind es Maskenträger, die den Phallus hand-
deshalb leicht auf andere übergehen kann. hal>eu, d.h. Menseben, die ihre eigene Zauberkraft durch
Wir wissen wie groß die Furcht der primitiven
, die von Tieren bzw. Geistern erhöhen wollen (vgl. Kup. V,
Stämme int, irgend etwas vom Körper: abgeschnittene „Tiertänze").
Nägel, ausgekämmte Haare. Speichel und ander« Exkre-
"') Horn, ZeiUcbr. f. Kthnol. I«ÖS. s. Hl t.
,J
"j Vgl. z 11. Menschenopfer und Selbstverstümmelung ) L. Degraixlpre, Heise nach der w entliehe»! KiWto von
liei iler Toton traurr iu Amerika, Bastianfestschrift Herün , Afrika in den Jahren 17S6 bi* 1787. Bibliothek der neuesten
ls*«, S. 20* ff. Di.' Totenklage im ulton Amerika. Ololm», Reiscbesehreihungcn. Bd. 17, K. 24«. Siebe <lai rranxöviwhi-
lld. TO. B.<i (T. Original, Pari» 1801, I, S. 11H.

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K. Th. PreuQ: Der Ursprung der Religion und Kumt.

Wer die Naturvölker kennt, weiß sehr wohl, daß eine geheimnisvolleg Priesterwissen enthaltenden Bilderschriften
solche Gedankenverbindung zwischender Zeugung des nicht wunderbar.
Menschen und dem Gedeihen überhaupt ganz der ge- In den Bilderschriften ist unser Bild der einzige deut-
wähnlichen Denktätigkeit jener Stufe entspricht. loh liche Rest dieses Glaubens, aber ich meine Grund zu der
möchte dafür nur ein Beispiel anführen. Wenn die Annahme zu haben, duß auch alle anderen Darstellungen
Baronga der Delagoabai ein Kind von der Muttermilch der Vermählung darauf zurückgehen. Denn mit der
entwöhnen wollen, so macht der Arzt aus den Blattern mexikanischen Heiratszeremonie, dem Zusammenknüpfen
einer bestimmten Grasart, die an der Spitze vier aus- der Gewänder, kann das Sitzen des Puares unter einer
einandergehende Ähren hat, ferner aus Ziegenfett und Decke, wie es gewöhnlich in den Bilderschriften dar-
seinem eigenen semen virile ein Kugelchen, das er heim- gestellt ist, nicht verglichen werden. Der Coitus ist
lich in die Hütt« der Kitern bringt. Vater und Mutter ausgeschlossen, da sich das Paar gar nicht berührt. Da-
dörren es dann auf einem Scherben. „Wenn sich der gegen strömt der einen Figur im Codex Vaticanus
Rauch zn entwickeln anfängt, setzen sie ihm da» Kind Nr. 3773 , *) —
die andere ist verlöscht ebenfalls ein —
an«. Sobald die Medizin in Kohle verwandelt ist, pul- kurzes, rotes F.twna aus dem Munde, das nicht gut die
verisiert sie der Vater iu der boblcu Hand, mischt sie Zunge sein kann, aber nach dem Vorhergehenden wohl
mit ein wenig Fett nnd reibt damit den Körper des der Zeugungshanch ist. So scheint die Decke, die ja auch
Kinde« ein, zuerst den Rücken der Wirbelsäule entlang fehlen kann (Abb. in nnd Codex Vaticanus 3773, S.48),
und daun die Glieder. Kr drückt schließlich stark die unwesentlich zu sein.
Munkeln, damit das belebende Prinzip in das Innere des Solche fälschlich angenommenen Eigenschaften der
Organismus eindringt; dann wird er -den Rücken des Menschen oder Tiere, die man später als nicht vorhanden
kleinen Knaben gestärkt« haben. Das Kind wird her- erkennt, pllegen dann, wie erwähnt, Fähigkeiten der
gerichtet" sein" "*). Götter zu werden. Das ist auch mit der Zeugung durch
den Hauch in Mexiko der Fall, nur daß natürlich der
IV. Gott mit dem Hauch allein auskommt. Der Wiudgott
1

Der Zauber de» Hauches. Quetzalconatl ist dort der Schöpfergott kat exoehen, ins-
besondere der Menschen schöpfer. Über ihn hat nun ein
Dem Zauberder Kohabitution verwandt, nbur großen-
Interpret des Codex Telleriano Remensis folgende
teils in anderer Richtung wirkend, ist der Zauber des
krause Angabe: „Dieser Quetzalconatl war der Gott,
Zeugungshauches, wie ich ihn nennen mochte. Auch er
von dem man sagte, daß er die Welt schuf, und deshalb
führt uns zu dem Leitmotiv in dem Studium der Ur-
nennt man ihn Herrn des Windes, weil, wie man sagt,
religion, zu dem Satze, daß Götter dieselhe Zaubenuethnde
dieser («oft Tonacatecutli den Willen hatte, diesen
haben wie früher gewöhnliche Wesen. Kanu man das
Quetzalconatl durch seinen Hauch zu erzeugen"
nachweisen so ist die Kntstehung von Gottheiten aus
,
Wir verstehen den Satz jetzt. Der Vater aller Götter,
ihnen gesichert. Her Anitnisnius bildet dann nur die
der dem Kultus und dem praktischen Leben entrückte
Vermittolung zwischen buidvn.
Tonacatecutli, ist auch der Vater Quetzalcouatls. Dieser,
Im Codex ßorgia gibt es unter den Darstellungen der eigentliche Welt- und Menschenschöpfer, machte alles
der Vermahlung ein sehr merkwürdige» Bild (Abb. 10». durch seinen Hauch und wurde deshalb zum Gott des
Zwei Gestalten, von denen die eine das Handgelenk der Windes. Aber schon sein Vater mußte ihn durch seinen
anderen umfaßt halt' 6 ), sind durch einen von Muud zu bloßen Hauch erzeugen, damit er auf dieselbe Weise
Munde gehenden roten Gegenstand miteinander verbunden. seine Schöpf ertaten vollbringen konnte "').
Was dieses Objekt an sich darstellen soll, ist nicht klar, Kntwickelungsgeschichtlich freilich ist, wie wir aus
es ist Bber sicher, daß es zum geschlechtlichen Vorgang
Kapitel I gesehen haben, Quetzalcouatl zunächst F.rbe
in Beziehung steht. Nun wird der Beischlaf im Mexi- eines Vogels, der durch seinen Gesang oder Hauch den
kanischen sehr dezent gewöhnlich durch zwei Personen Wind hervorruft. Auch sein Name QuetzalcouatL „Quetzal-
zum Ausdruck gebracht, die einander gegenüber unter felderschlange", ist nur die spätere Konzeption des Windes,
einer Decke sitzen. Zwischen ihnen ist der Zauberrassel-
der wie eine geflügelte Schlange über die sich wiegenden
stab der Fruchtbarkeitsdämonen oder der Feuerbohror,
Halme und die wogende See gleitet* 0 ). Als Gott, der
ebenfalls ein Fruchtbarkeitazauber, aufgepflanzt Die
Darstellungen sind also nicht direkt realistisch. Da- ") ed. Herzog von Leubat, p. *7.
gegen muß das rote Fluidum von Mund zu Muud des ") ed. Hamy' (Herzog von L«ub»t) Bl. *, 2.
einen Paares einer alten Anschauung von der Natur des **) Kxle «|tirle«le.oatle lue el i|iic dizeti <|ilc hizo el mundo
y asi le Hainau »eiior «lel vieuto. l'orque (fixen <|ue«te tona-
wirklichen Vorgangs entsprechen.
catecotli a el le pareciu soplo y cnjjendro a este quecalcnatle
Ich kann mir Tat bei diesem Hauch, der es
in der "') Her spate, in seinem historischen Teil bereit» die
trotz allem sein muß, nichts anderes als den uralten x|umi»che Zeil behandelnde Codex Vaticanu* Nr. sagt
mexikanischen Glaubon vorstellen daß zur Zeugung , au der betreffenden Parallelste!]« (Bl. 14, 2): „Tonaca'ecutli.
eineB mit Odem begabten Kindes der Hauch des Mannes der auch Citlalatonac hielt, erzeugt*', wie man erzählt, al« es
ihm angebracht erschien, diesen Quetzalcituatl nicln durch
in den Mund der Frau chemo notwendig sei wie die in-
Beischlaf mit einer Krau, sondern nur durch seinen Hauch
jectio semini» als Stoff für die ganze Gestalt des Kindes. (tiato), indtui er. wie wir oben (Bl. T, 1) erwähnt hatten,
Das ist eine Idee, die man der ältesten Menschheit »einen tiesandten zu jener Jungfrau von Till» schickte* In
wohl zutrauen darf. Der Hauch ist aber durchaus Tula residierte (Juetzaleouatl als Priesterköuig, und ähnlich,
wie Christus geboren wurde, indem s«'in himmlischer Vater
keine Seele, sondern eben nur das natürliche Atmen, den lOngi'l Gabriel zu der -limgfrau Maria sandte mit der
ohne dag der Mensch tot ist. Daß sich Gebräuche trotz Meldung. .dall der heilige Ceist über »ie kommen und die
dos Zusammenbruchs der Anschauung, die sie ins Leben Kraft de» U.kiisten sie überschatten werde* <Ev. laic. 15),
rief, erhalten, ist allbekannt und besonders für diese, ein
schickte Tonacatecutli «einen Boten vom Himmel zu einer
Jungfrau in Tula, der ilir stu/te ,che ,mel dto voleva, ehe
coueepesse un flgliuolo*. was denn auch sofort r senza conginn-
") Henri A. .lutnul. I*« Ita - Itonga . Ncuchatel l«!<M, tioue di hiniite'* geschah. Hier vertritt der Uaucb (riat'M
p. 11», 4W. il'-n heiligen tieist iler Bibel, sonst ist alle* gleich und des-
,5
) Im Sacken
einen Menschen i-l »im- Kautschuk-
des halb die Erzählung, attg>-«ehen von der Bedeutung de*
liiig.'l niii Ke<ler daran angebracht,
wie sie häutig auf dein Manche-, vielleicht auf christlichen EinMuli zurückzuführen,
,f
Fcuerbeeken ul» Kpf.rgati" "d. dtfl. zu seien ist. Vgl. L lspruug.der Menschenopfer. Globus .«.;,_». 113 f.
l

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Die Funde im Maeleniose und ihre zeitliche prähistorische Stellung. 361

durch da« Blasen »eines Mund«» —


wie aus Darstellungen Ausschlagen der Zahne oder die Zahnfeilung überall exi-
hervorgebt — den Wind erzeugt, ist er infolge der urulten stieren uiuU, wo der Glaube au den Zeugungshauch be-
Zouguugsidee durch den Hauch zum Menschenscböpfer stand. So ist in Mexiko nichts dergleichen festzustellen.
geworden. Nur die Zahnverstünimelung durch Vertikaleiuschnitte in
Wie bekannt, hat z. B. auch der zweite biblische die Schneidezähne findet sich an einigen Gebissen aus
Schöpfungsltericht (1. Mos. 2, 7) den Gedanken, deU ferro Montoso und Gutes im Staate Veracruz '").
Jahwe dem aus Erde geformten Menschen den lebendigeu Es leuchtet ein, dal! bei den Bräuchen deB Zahnaus-
Odeiu in die Naae blies. schlagens und -Deformierens besonders die Frau beteiligt
Kb wäre nicht zu rechtfertigen, wenn ich aus den ist. Denn weun sie keine Kinder zur Welt bringt, wird
mexikanischen Verhältnissen allein auf einen solchen es natürlich ihr und nicht dem Manne schuld gegeben,
Zeugungsglauben der Menschheit schließen wollt«. In nnd abgesehen davon hat vor allem sie selbst dafür zu
der Tat nehme ioh an vielen Stelleu der Erde seine sorgen, daß derAtem des Maunas bei ihr Eingang findet.
Spuren wahr. Ich meine den in Australien, Melanesien, In der Tat kommt es öfters, z. B. bei den Tonapo, Tobada
Indonesien und in Teilen von Afrika bestehenden Brauch, und Tokulabi von Zeutralcelebes, vor, daß nur dem
Jünglingen und Jungfrauen unmittelbar Tor der Ver- Mädchen bei der Pubertät diu zwei oberen Vorderzahne
heiratung einen oder mehrere Vorderzähne zu beseitigen. ausgeschlagen und die unteren abgeschliffen werden "). 1

Der Grund dieser Sitte ist uatürlich aberall vollkommen Wenn ein Mädchen von einem Stamm der Miaotso (Ta
vergessen und durch sekundäre Au gaben ersetzt. Nur ya ki lao) heiratet, so werden ihr zwei Zähne aus-
ein Mädchen auf Formosa gab die verhältnismäßig richtige gebrochen ,Ji
).

Antwort: „Damit sie besser atmen könnten und mehr Dagegen muß ein anderer Grund als der Zeugungs-
Wind in sie hineinkäme" und die Karo-Batak von Su-
; bauch angenommen werden, wenn das Zahnaus&oblagen
matra wollen durch das Zahnausschlagen zur Zeit der zu den schweren Kasteiungen gehurt, denou meist nur
Pubertät den Leben spendenden (reist des Reise» in sich die Knaben, z. B. in Australien bei Eintritt der Manubar-
aufnehmen, furchten aber zugleich, daß ihre eigene Seele keit, unterworfen werden. Wie wir (Kapitel IX) sehen
(tendi) entweicheu konnte, uud bieten ihr ein Geschenk "). !
werden, sind alle diese Zeremonieu ursprünglich nur dazu
Doch ist hier nicht die Möglichkeit, eingehend Ober da, dem Jüngling die für den Mann in allen I^ebenslagen
diese Sitte, besonders im Verhältnis zur Zahnfeilung, zu notwendige Zauberkraft zu rerleihon. Bei der Zahuver-
bündeln. Auch diese geht, soweit sie kurz vor der stümmelung muß daher alles als Grund in Betracht kommen,
Heirat erfolgt, auf den Glauben an den Zeuguugshauch was wir nooh über den Zauber des Hauches und dann auch
zurück. Beweiskräftig dafür sind z. Ii. die häutig vor- (Kapitel VIII) über den mit ihr verwandten des Schreieus,
kommenden seitlichen Austeilungen und die Verkürzung der Hede und des Gesanges erfahren werden. Wir haben
der Zahne, durch die nicht« weiter als Lücken zwischen das klassische Zeugnis der Ilias (d. 35u) dafür, daß die
den Zähnen entstehen ' 5 ) (vgl. Kapitel IX). Zähne einst als ein Hinderais, als ein hindernder Zaun
Es ist natürlich durchaus nicht notwendig, daC das für die Hede galten, nicht, wie man nach unseren prak-
tischen Erfahrungen erwarten sollte, nie notwendig für
") Joost, Zciuchr. f. Klhnol. Verharidl. 1KS4, 8. <5*>. deutliche Sprache:
Jovdt schreibt hier übrigen« vom Aufschlagen der »beiden
oberen Kckzühne*, was ein L'nikum wäre, da sonst immer To v o"«p vnoÖQU läav XQoGitpt) jtoXv^xis
nur von den Schneidezähnen die Rede ist. Uhle hat das 'Odi'tiöei's
Wort Kckxahne demnach auch in eln.-ut Zitat seiner in <l«r ',-tTQiidrj, noiov <ft *to? yvytv fQxog oÖövtav.
nächsten Anru. angegebenen Arbeit. B. i (wohl unbewuUt *)
in Schneidezähne verändert. J. II. Nuumann, He tvudi in Als ein Hest aus der Urzeit hat sich dort diese eigen-
verband uu-t Hi Dajanx, M<d«'d<^l. van wegij hct Ni-d.-rland- tümliche Redewendung erhalten, die weit mehr als bloße
sehe ZeudelinggeuooUchap, deel XLVI1I, 2, p. 18* ff.
") Aus dem geordnet vorliegenden Material erwähne ich dichterische Anschaulichkeit, nämlich der unmittelbare
nur Waiti-Oerland, Authropol- d. Naturvölker VI, 8. 7H5 ff. Ausdruck eines für das 1/oben der Meuschheit bedeutungs-
v. Iliering, I>ie künstlich* Deformieruug der Kähne, Zeiuchr. vollen Zauberglaubens ist
f. Kthnol. 1»82, 8. 213 bis 864. Max L'hle, Über die ethno-
logisch« Bedeutung der malaiischen Znhnfeilung. Abbandl.
u. Her. Mus. Dresden Nr. 4, 1wn7, it Seiten. Q. A. Wilken, *') Vgl. Berliner Museum, 81g. Strebel IV C» 14 9S5. 17S56,
yets over de mutilatie der tnnden bij de volken van den IK0*5, 1H ]»3.
ludischen Archipel, Hijdrsgen tot de taal-, Und- - n viilkcn-
< ") Biedel, Bijdr. tot de Uial , Und- en volkenk. IfM«, V,
kund« vnn N'ederlandsch-Iudie. Ä- Volgr. III, p. 474 II. volg. d. t l H2 f.
I, p.
Bichard tatsch, Die Verstümmelung der /ahne. Mitteil n) (\ F. N.-umuiin, AsiutUche Studien 1*37, I, 8. N4.
Anthrop. Uesellsch. Wi.-n 1!»01, 8. 13 bis il. Chle, a. u. 0, 8. 4. (Fortsetzung folgt.)

Die Funde im Magiemose und ihre zeitliche prähistorische Stellung.


Ein schon im Jahre 190(1 auf der dünischen Insel jetzt in mustergültiger Weise unter Beibringung eines
Seeland gemachter prähistorischer Fund, über den wir großen Vergleicbsmaterials beschrieben; bei der Bedeu-
aber erst jetzt ausführlichere Nachrichten erhalten, er- tung, welche die Arbeit für die prähistorische Chronologie
scheint deswegen von Bedeutung, weil wir bei ihm der hat, glauben wir den Lesein des Globus einen Dienst zu
Frage nach dem Übergange aus der paläolithischen in die erweisen, wenn wir hier einen gedrängten Auszug darauB
neolithisebe Zeit näher treten müssen, da es sieh hier geben ')
augenscheinlich um eine Station, einou Wohnplatz, han- Die Fundstätte Magiemose, d. h. großes Moor, liegt
delt, dessen Funde mindestens in die allerfrüheste neo- nicht fern von der Westküste Seelands bei Mullerup am
lithisebe Zeit hinaufreichen, wenu es sich nicht um eiu Großen Belt Dieses gewaltige Torfmoor von 300 Hektar
Zwischenglied zwischen dieser und der paläolithischen
') Georg F. L, Sarauw, F.n Stenalder» Boptads i Magie-
handelt.
mose vod Mullerup «ammcnholdt med beslägted« fund. Ruer-
Der dänische Prähistorikor Dr. Georg Sarauw, der tryk af Aarbüger for XordUk Oldkyudighed IVU3. Höpen
selbst bei den Ausgrabungen beteiligt war, hat diese hagen H'04.

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K. Tli. PreulS: Her Ursprung der Religion und Kunst. 376

Der Ursprung der Religion und Kunst


Vorläufig.- Mitteilung von K. Th. Prenß.

(Fortsetzung.)
Auch für die Frauen kann, wenn such »eltener, der den 1/uben gebenden, gewissermaßen desinfizierenden
sonstige Zauber de» Hauchus und Wortes bui der Er- Hauch zeigt treffend das Verhalten der Bororözauberer
klärung der Zahnverstümmelung in Betracht kommen. (Bari), wenn gewisse Jagdtiere und Fische getötet sind.
Der Zctigungshaucb al* Grund ist dushalb absolut sieber Der Bari bläst das Tier von oben bis unten au, beklopft
nur, wo das Ausschlagen oder die Deformierung unmittelbar es von allen Seiten, bespritzt es mit Speichel, spritzt und
vor der Heirat geschieht, was sehr biiulig der Fall ist. schreit in das geöffnete Maul hinein, das dann wieder
Dagegen leuchtet sofort ein anderes Zaubermotiv des geschlossen wird. Er muß deshalb beim Kriegen dabei
Hauches und Wortes bei der aus Anliiß der Totentrauer sein. Ist keiner zur Stelle, was «ehr selten der Fall ist,
erfolgten Zabndcforuiiuruug in Indonesien '*) und dem 1
so wird z. B. ein gefangener Fisch tatsächlich wieder frei
Zuhnausschlagen in Polynesien ,: ) ein. Obwohl ein volles gegeben. Angeblich geschehen diese Maßregeln, weil
Verständnis dieser Zeremonie erst möglich ist, wenn auch gerade in diesu Tiere gestorbene Bari uiutreten Da« i«t
die anderen Trauergebräuche bei der Totenfeier ihre zweifellos eine späte, als Krklärung erfundene Auffassung.
Erklärung finden (Kapitel IX). will ich hier doob mit Denn da Krankheit und Tod eines Jäger» bei diesem
den Tatsachen für diu sonstige Art des Zauberbauchcs Volke als Racheakte getöteter Tiere gelten ''"), so ist
einsetzen. die ursprüngliche Anschauung des tödlichen Zauber«,
NVirkennon »us dem vorigen Kapitel die prüaniuiistische der vom toten Tiere ausgeht und natürlich den glück-
Anschauung van der tödlichen Wirkung, die von allem lichen Jäger trifft, zweifellos. Der Hauch uud die an-
Toten ausgeht, das vorher lebendig gewesen ist. K» deren Gegenmittel beseitigen aber die drohende Gefahr ">*).
xieht besonders gern mit in den Tod, was dem Verstor- Auf dieser Anschauung basiert z. B. ein großer Teil
benen gehört und seiner Nähe ausgesetzt gewesen ist, der Speiseverbote, was sich am besten an den australi-
vor allem die eigenen Angehörigen. Ein wirkeawer schen Bräuchen feststellen läßt. Es ist bekannt, daß
< regenzauber aber ist der belebende Hauch in dem Sinne, dort die Männer, häufig nach Vornahme bestimmter Riten
wie wir ihn als Zeugungsbauch kenneu gelernt haben. in verschiedenen Lebensaltern, immer größere Vorrechte
Iben wird durch die Zahnverstüminelung bui der Toteu- hinsichtlich der Jagdtiere babuu, offenbar aus dem ein-
trauer der Weg gebahnt. Dieser belebende Hauch steht fachen Grunde, den wir noch öfter kennen lernen werden,
in direkter Parallele zu den phallischuu Totentänzen des daß sie alsdann so viel Zauberkraft erlangt haben, um
vorigen Kapitels. Auch können Männer und Frauen den schiidlicbeu Einfluß der erlegten Tiere nicht mehr
gleichmäßig den Zauber ausüben, ebenso wie die obszönen fürchten zu brauchen. Eine solche aus dem primitiven
Totentänze von beiden Geschlechtern für sich abgehalten Glaubeu hervorgebende Einrichtung stellt sich daun dem
werden. Beobachter leicht als eine raffinierte, zum Nutzen ein-
Nur ist noch das Kine in Betracht zu ziehen. Man zelner erfundene Einrichtung dar. Bei den Bororö haben
kann nämlich auch an das Kingehen der äußeren Luft wir außerdem noch die auf dieselbe Idee zurückgebende
ul* belebende» Mittel gegen den Einfluß des Toten denken.
Das wäre eine dem „Zeugungshaucb" verwandte, IIH>
) v. d. Kleinen, Unter den Naturvölkern Zentrslbrasi-
allerdings sekundäre Anschauung und kann auch sehr Ileus 8. 492 f.
'•) A. a. O., 8. il'J f.
wohl neben ibin einborgeben wenn es sich um die vorbin ,
"") Da die Anschauung von dem tödlichen Einflutt des erleg-
besprochene Zahnverstiimmelung kurz vor der Heirat ten Tieres vielleicht nicht ganz geläutig ist, bo will ich wenig-
bandelt. Denn wenn „sie besser atmen können und stens noch ciu Beispiel anführen. Nach einem M>tlni* der
mehr Wind in sie hineinkommt", so sind die Frauen Tx-hiroki beschlossen die Tiere, die anfangs friedlich mit den
Menschen gelebt hatten, spftlci aber v.>n ihnen verfolgt wurden,
eher imstande, ein lebendiges Kind zur Welt zu bringen.
ihren Tod an den Manschen durch Krankheiten, die sie ihnen
Bei dun Karo-Battak ist dann aus dem Wind der Geist senden würden, zu rächen. Wenn das Tier aber sofort um
des Heises geworden. Verzeihung gebeten würde, dann sollte den .lilger die Strafe
Dieses .Haucbuiotiv" bei der Trauerverstümmeluug nicht treffen. Ob das nun geschehen ist oder nicht stellt ,

bei der Hirschjagd z. H. der , Häuptling der Hirsche", ib-r


der Zühue spricht »ich z. B. führ deutlich in einem
„Kleine Hirsch, der so schnell ist wie der Wind und nicht
Bericht von Haleijer aus, daß „die Fruucu sich (nach verwundet werden kann*, leicht fest, indem er schnell xu
der erstuu Zabnfeilung) im spatereu Leben die Zähne dem Ort läuft und, sich ülier die Blutfleck« beuircud, den
auch noch feilen lassen, wenn sie Unglück trifft, als Geist des Hirsches fragt, ob er da« tiebot des Jägers um Ver-
zeihung gehurt hat. Ofooney, l« ,h AiuiuhI fiep-, p. 2r>ü f.)
Totgeburt, baldiger Tod des Kindes nach der Geburt,
Dieser Mythu« geht wiederum auf einen Gegenzanlier gegen-
auch wenn während der Verlobuugszeit der Bräutigam über .lein tödlichen KinAuli des tuten Tieres zurück- l>er
stirbt ."'"). Deutlich ist der Sinn auch in dem
. . . Tschiroki vollbringt den Gegen zauber durch einen (Spruch,
Brauche bei Beukulen (Westsumatra): „Seine Unter- der in dem .Mythus zu einer Hitte um Verzeihung geworden
ist- Mooney hat von dem Stamme der Tschiroki über KOO
kiefer feilt nur der, welcher keine Verwandten mehr
solcher , heiligen Formeln" für alle inotfhehen Lebenslagen B *" 1

hat ""••>. Die Zabnfeilung ist hier eben das letzte Mittel, sammelt, davon aber bis jei/t nur einige veröffentlicht.
ZU verhindern, daß mau selbst den nahestehenden Toten (Saci-ed formal*« ..f th« c'hetokee, 7'*» K«p.. p. »m ff.) Kr
nachfolgt. Der durch die Zahnlücke streichende belebende sagt jedoch ausdrücklich, dali die Krankheiten nach dem
(Hauben der Tschiroki u. u. von Tiergi-isteni kommen (a.a.O.,
Hauch «oll das lieben erhalten.
p. 122) und daü kein Jager es unterlaßt, die Könne] nach
Die direkte Abwehr von Krankheit und Tod durch dum Kriegen des Hirsches auszusprechen, wenn er sie kennt
(a. a. 0_, p. 321). Interessant ist hier noch die Sehaflang
M t'lile, a. a <., H. B. Vgl. Wilk.n, a. a. O 8. 4?» f. eines Obertiere«, eines göttlichen Tieres, des „Häuptling* der
> ,

,r
i Wait/Gct-iand VI, S. \iy.i. Hirsche", von dem augenscheinlich die Krankheit verhängt
") HrieHicl.e Mitteilung von G A Seli..ut.-i, Ihm l'hlr. wird, wenn die „Di".- um Verzeihung' nicht erfolgt ist. So
... 71 (I., S. !'.. wird aus dem ursprüngliche» Krankheit bringenden Zauber
w . Uri.-fucl.-i Ü. iicl.' vou Aeckerliu bei Chle. a.a.O.. 8. «. de« tuten Tieres als sein Trüger eiu Gott.

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37<>

.Maßregel, daß niemand du


Wild briet, da« er selbst ge- Auch diese medizinischen Methoden sind ja ursprüngliche
schossen hatte, sondern es einem anderen zum Braten Zaubermittel.
gab ,4 >). Das heißt, er wollte an* den augeführten Der beim Sonnentanz der Arapaho so vielfach an-
(iründen der Gefahr möglichst wenig mit ihm zu tun gewendete Ritus des Spuckens bezweckte meist, daß
haben. die darauf vorgenommene zeremonielle Handlung von
Kin Hlick auf unsere Abb. 10 wird uns noch einen Gelingen begleitet sei""). Das ist offenbar dieselbe
anderen Gedanken nahe legen, nämlich, daß unser Mund- Zauberidee, in der der Hamburger Kaufmann das erste
kuG aas dem Zauber des Zeugungshauches entstanden verdiente Geld anspuckt" 1 ), auf daß es sich mehre.
sei. Indessen widerspricht dem die Parallele mit dem Spuckt man die Gottheit an, so ist das ebenfalls ein
weitverbreiteten Nagengruß '"'), dem der Mundkuß unbe- 7*aubern)ittel, um durch ihre Verroittelung zu erhalten,
dingt, wie wir sehen werden, an die Seite zu «teilen ist. was man sonst durch Spucken direkt erlangt. So tanzen
Der Xasengrnß dient nämlich, wie der Name besagt, zur die Basutn anf einem tiein um eine große Steinkugel,
Begrüßung, und kann daher, sollte er auch erotische ihren Gott, und spucken darauf nl ).
Natur erhalten haben, diese nicht ursprünglich gehabt Wir können an diese Beispiele unmittelbar die Ent-
haben. Dasselbe ist mit dem Kuß der Fall. Man ver- stehung einer Art des Mundkusses anknüpfen, wenn wir
gegenwärtige sich, daß der Kuß —
physiologisch oder die Erzählung Theopbil Hahns'") von einer Gewohuhuit
zauberisch — aus dem Zusammensein von sexuell der Hottentnttenmütter in Betracht ziehen. Diese singen,
Liebenden entstanden sei, so könnte er doch nie zu wahrend sie ihr Baby auf dem Schöße halten, eiu
einem Begrüßungsakt geworden sein, wie es doch tat- improvisiertes Lied , das die künftigen Heldentaten
sächlich der Fall ist. Die einzige, unserer „Kultur- ihres Sprößlings behandelt, und dabei streicheln und
auffassung" entsprechende Möglichkeit der Entstehung küssen sie die Gliedmaßen, die für die Ausführung der
de» Kusses wire noch, daß der Kuß eine Liebkosung, Leistungen in Frage kommen. Nur die Geschlechtsteile
vielleicht von Müttern gegen ihre Kinder, gewesen sei werden nicht geküßt, sondern nur die Finger, mit denen
und dann wettere Ausdehnung gefunden habe. Aber sie berührt wurden. Der Kuß ist also an die Stelle
auch diese gezwungene Erklärung ist, wie die meisten des Anpustens oder Anspucken« getreten, wodurch
auf die Urzeit übertragenen „Kulturanschaunngen", falsch, der betreffenden Person oder dem Gliede Gedeihen mit-
denn vorn Nasengruß könnte mau nicht dasselbe be- geteilt werden soll. Auch das dabei gesungene Lied
haupten. müssen wir als ein Zauberlied auffassen "*).
Die Tatsachen, anf die Kuß und Nasengruß surück- Das ist aber nicht der eigentliche Mnndkuß, das Be-
zuführen sind, besteben in dem Glauben an die fördernde rühren von Mund zu Mund mit minimaler Anfeuchtung.
und anderseits schädigende Kraft de? aus der Nase Er geht nicht direkt auf die Heilkraft des Hauches und
und dem Munde dringenden Hauches, mit dem der Speichels oder auf die Förderung durch sie zurück, ebenso-
Speichel, der ja beim Kusse etwas anfeuchtet, nahezu wenig wie der Nasengruß, sondern beides, Kuß und
identisch ist. „Der Speichel symbolisiert (d.h. ursprüng- Nasengruß, zielen vor allem auf eine Neutralisierung
lich genommen: enthält) den Atem einer Person oder der schädlichen Wirkung des Atems bzw. des Speichels
mit anderen Worten das Leben", heißt es von den Spuck- - der ja gewissermaßen nur als kondensierter Atem
riten der Arapaho beim Sonnentuoz ,l>:'). I>as bekannte aufgefaßt wird (siehe vorher) —
durch Verraengung de»
Anpusten als Heilmittel, das nicht nur die Schamanen Atems oder Speichels zweier Personen. Die Betreffenden
bei ihren Kuren auwenden, sondern auch noch bei un- kommen dadurch in eine gewisse Übereinstimmung des
seren Kleinen überall mit gutem Krfolg gebraucht wird, Wollens, ihr Atem wird gut und fördernd. Daher die
ist, wie ausdrücklich z. B. für die Indianer des Schiugu- stereotype Äußerung das Wohlbebagens beim Nasengruß
Quellgebieta und die Mohave bezeugt wird 108 ), meist „gut, gut" in Anerkennung der Tatsache, daß der Atem
mit Anspucken verbunden. Das Anblasen ist eine der gut, d. h. „nicht feindlich" ist. Die Vermischung des
beliebten Heilmethoden der Tschiroki, aber auch „dem Hauches oder Speichels ist also in gewissem Sinne der
Speichel schreibt man einen wichtigen KinHuQ auf das Verroengung des Blutes bei der ßlutbrüderschaft an die
ganze physische und geistige Wesen w" '•'). Neben- Seite zu stellen.
bei sei erwähnt, daß diese Zaubermittel auch in den Ausgezeichnet veranschaulicht diese Vermischung
Besitz von Dämonen übergegangen sind. Wir sehen eine „heilige Formel", d. h. ein Zauberspruch der Tschi-
z. B. als Tote verkleidete Boron. in dieser Weise Kranke roki zum Fang großer Fische" ), den ich in extenso
behandeln '•"). Das klassische Beispiel für die Heilung interpretieren muß. „Höret! Jetzt seid ihr Ansiedelungen
durch Dämonen geben die Navaho, bei denen maskierte nahe herangezogen, um zu hören. Wo ihr euch in dem
Menschen alle Arten der Krankenbebandliing. Massieren, Schaum versammelt habt, bewegt ihr euch wie eine Ein-
Schwitzbader verabfolgen u. dgl. tu. durchgehen ">-*). heit. Du, Bitte Cut, Und ihr anderen Fische, ich hin ge-
kommen, um euch freigebig die weiße Nahrung darzu-
"") y. <i. Steinen, a. a. O, 8. 4VI. bieten. Laßt die Wege aus allen Richtungeu einauder
Über die Verbreitung von MuudktiC und Navugriitt erkennen. Unser Speichel soll in Übereinstimmung sein
siebe Fesch«-!, Völkerkunde, 5. Aufl., 1**1, 8. 31, uns; Kirch- (in agreement). Laßt ihn (euren und meinen Speichel)
hoff, ttlol.u» 6:t. 1SH3, 8. 14; Jt. Andre.-, Kthnogr. Parallelen,
N. F.; vgl. auch Tb. Si«bs. Der Kuli, Mitteil, d. Schles U. s.
K. Wünsch, Kin Dankopfer an Asklepios, Arr.h. f. Keligions-
f. Volkskde., Hre*tatl. X (1903), S. 1 ff.
" 5 Dorwy, The Arapaho Sun Dane-; Field C-lumbiaii ,
Wissenschaft VII, S. In« f.),
J "') Vgl. Doisey, The Ar*|wiho Sun Daner, p.43; „this rite
Museum, Atithn.|.. Ser. IV, (hieago UHU, p. 4:1. is a pieparatory rite betöre certain aetiotn'.
Kroher, l'relimiuary Sketeh of Ii.- Mohave Indians.
t '") Sebmellz, Da« .Schwirrbrett in Verhatidl. d. Vereins
Anieriean Anthropologin UKW. p. 27K ff.: v. d. St-in.-n, f. naturu. Uni.'ihaluintr zu Hamburg IX. 8. 35 des Separat um*.
Intet den Naturvölkern, S. 113, 348 usw. Wangemai,». Kin lietsejahr in Südafrika, Herl», 1.-6*,
M.ioney, Sacr-d f.>rinulas of the Cherokee. 7". IU-p„ S. r.oo.
llJ
p. 335, :t4<i, 348 f., »51, 3;>* f. :w Hö4, 375 usw, ) Globus 12, 8. S7N.
>
t t

"*) v. d. Steinen, a. a. O.. S. blll. "•> Vgl. Kapitel VIII .Der Kantor der Sprache und des
"*( Washington Matthews, The Navaho Nigt tlhant. Me- Ii. -snnges". wo auch das Lied der Hottentolieiimütter in
nioirs Amer. ,Mu<> Nut. Hist. New Vork VI, p. 77 f., s5 u»w. ext.-nso folgt.
Auch die (irirehi-n stellten sieh vor, duC der Uotterar/l " v Mooney,
t Kaere.i formulas of the Cherokee. 7"> Ilep.
Asklepi'* selbst den Krauken behandle und heile (vgl. Hur, of Kthnol, p. 374 f.

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K. Tb. Preull: Der Urspruug der Religion und Kunst. 377

zusammin unserem 'nilicrjfehen.


bei l liehen Zauber des Hauches durch die Sitte des Alleiu-
Fische) sind eine Beute geworden, und d» soll kein essens gemahnt, wobei teils die Furcht besteht, Geister
Alleinsein herrgeben. Euer Speichel ist angenehm ge- könnten hineinfliegen, namentlich wenn Fremde zugegen
worden. Ich heiße Schwimmer. .Jül" sind"'), teils dor Zuschauer Schädigung erfährt. Wer
„Schwimmer" ist der Name de* Schamanen, iu dessen in den als Dämon Kgungun auftretenden Yoruhaneger essen
Tscbirokisprachc und -Alphabet geschriebenem Manuskript sieht, muß sterben '''). Bei den Bakairi des Xingu und
1

ein großer Teil der heiligen Formeln stand, und der auch den Karaya des Araguaya u. a. ist sogar im gewöhnlichen
die Erklärungen dazu gegeben hat. Der Zauberer redet Leben die Sitte beobachtet worden, vom anderen abge-
die Fische, besonders den hauptsächlichsten Ton ihnen, wendet oder in einiger Entfernung von ihm zu essen.
den Blue Cat (Amiurus), an. Sie leben wie die Menschen Zuwiderhandlungen werden als anstößig empfunden 12 »).
in Ansiedelungen, sollen aus allen Richtungen zusammen-
kommen und zahlreich („da soll keiD Alleinsein herrschen ")
gefangen genommen werden. „Unser Speichel soll in
Der Zauber der Tiertiiuze.
Übereinstimmung sein" wird als archaischer Ausdruck
bezeichnet, der bedeutet, „daß so innige Sympathie Die Zauberkräfte des Menschen, von denen wir mir
zwischen dem Fischer und dem Fisch herrschen soll, daß ein paar zur Prob« kennen gelernt haben, können auf
ibr Speichel wie der eines einzigen Wusens sein soll". sehr einfache Weise durch die Kräfte der Tiere vermehrt
„Euer Speichel ist angenehm geworden", soll den Wunsch werden. Man braucht sie nur nachzuahmen und führt
ausdrücken, der Fisch möge sich schmackhaft erweisen. dadurch die Wirkungen herbei, die den Tieren zuge-
Doch ist die Redensart wohl dem gut! gutl beim Nasen- schrieben werden.
gruß an die Seite zu stellen. Sie bedeutet, unter Vor- Der Tierzauber geht vom Korper aus, insbesondere
wegnähme der Wirklichkeit, daß Fische und Fischer von seinen Öffnungen, wie beim Menschen. End an oh
gemeinsamen Willen und Übereinstimmung in ihren Ab- die Bewegungen der Tiere verbreiten einen Zauber. Die
sichten ge> ibt haben, und daß auf die.se Weise der Fang Tarahumara z. B., nach deren Glauben die Laute der Be-
gut geworden ist. („Sie sind eine Reute geworden".) wohner des Rasens und mannigfacher Vögel den Regen
Die Naivität einer solchen Anschauung, daß die Fische horbeiführon (Kap. I), behaupten auch, daß sie ihre
sich freiwillig durch den Köder haben fangen lassen, Tänze um Regen von den Tieren hätten. Sie schreiben
erklärt sich daraus, daß das Ganze ein Zauber ist. Darin aber den Regen weder dem Tierschrei oder den Tier-
waltet der uralte Glaube, daß zwei Personen durch Ver- beweguugen, noch ihren eigenen Tänzen direkt zu, sondern
mischungdcsSpeichels freundschaftlich aneinandergekettet betrachten all das nur als eine Bitte an den Sonnengott,
werden. ihnen den Regen zu spenden. Das ist eben die spätere,
Das ist aber gerade die Voraussetzung dos Nasen- postenimistische Auffassung, aus der die ursprüngliche
grußes und Mundkusses. Nur muß man sich dabei ver- Zauberwirkung der Urzeit noch klar hervorschaut.
gegenwärtigen, daß der Hauch sogar imstaude ist zu Wir können daherleicht den folgenden Satz des be-
töten (Beispiele siehe Kapitel VD1), und daß os daher sehr treffenden Berichts auf den früheren Zustand über-
wichtig ist, durch die Begrüßung seine gute Beschaffen- tragen. „Die Götter erhören die Gebete der Hirsche,
heit herbeizuführen. Frnzer"') fuhrt eine große An- die sie in ihreu seltsamen Sprüngen und Tänzen aus-
zahl von Beispielen an, in denen die Furcht vieler drücken, und das Flehen des Truthahns, das in seinen
Stämme vor zauberischen Einflüssen jedes Fremden zum merkwürdigen Spielen liegt, und senden den Regen.
Ausdruck kommt. Dieser wird allerhand Zeromouien Daraus alter folgern sie (die Tarahumara) leicht, daß sie,
unterworfen, bevor er empfangen werden kann. Fnd um den Göttern zu gefallen, so tanzen müsaen wie die
nicht nur mit den Fremden sondern auch mit ,
Hirsche und so spielen wie der Truthahn" '").
Stammesangehörijren, die in der Fremde gewesen In der Tat sollen die beiden hauptsächlichsten Tänze
sind, nimmt man derartige Handlungen vor. Ich der Tarahumara, der rutuburi- und der yumari-Tanz,
verweise nur auf die groteske Begrüßung, die Ehreu- vom Truthahn und vom Hirsch gelernt sein. Doch ist
reich ,,: ) von den Jpnrina schildert, wenn sie von nicht die geringste Beziehung auf diese Herkunft der Tänze
Fremden besucht werden. Waffenschwingend und wie aus dem Bericht nachzuweisen. Weder die Bewegungen
zum Kampfe entschlossen stürmen die Gäste heran, in selbst, noch der Tanuchmuck, soweit wir ihn kennen,
gleicher Weise von den Wirten empfangen. Erst nach erinnern daran. Nur das von Schamanen bei dem rutu-
halbstündigen wilden Bowogungen kommt es zu den Be- buri gesungene Lied schließt n . . der Truthahn spielt
. .

grüßungsreden. Der Grund dieser Überflüssigen Zere- uud der Adler ruft, deshalb wird die Regenzeit bald ein-
monie sei der, daß böso Geister die Gestalt der Freunde setzen" »").
angenommen haben könnten. Wie kommt man auf diese Und „die yuuiari-Gesüiig« erzählen davon, daß die
augenscheinlich sekundäre Idee? Nun, im Hauche Grille zn tanzen wünscht, der Frosch wünscht zu tanzen
wohnen die Seelen und die Geister. Was früher bloßer und zu hopsen, der blaue Reiher wünscht zu fischen, der
'

Atem war, wird in der amnestischen Zeit zu Seele und Ziegeusauger tanzt ebenso wie die Schildkröte, und der
Geist. Durch Vermischung des beiderseitigen Atems graue Fuchs pfeift" '"). Die ersten Hinweise dieser
wird gewährleistet, daß der Atem gut ist, daß kein böser
yumnri-Gesänge besagen nun zwar nichts weiter, als daß
Geist darin wohne. Daß hier wiederum der Atem das die Tiere den Regen wünschen, um tanzen und tischen
Kriterium ist, wird freilich nicht gesagt, ist aber wahr-
zu können, bei den letzteu drei sieht es aber so aus, als
scheinlich, da Geister im Spiele sind und die beiden wenn das Tanzen bzw. das Pfeifen deu Regen herbei-
Parteien ihr Freisein von ihnen doch nur durch die Ver-
führen soll. Da alier der Tarahumara nur zu Zauber-
mischung der sie begleitenden Atmosphäre feststellen
bzw. —wenn wir die Vergangenheit nehmen her- — "") Beispiele siehe bei Kraxer a. a. U„ I, H. 240 ff.

beiführen. Kllis, Th« Yoruba-speuking pei.pl.»., p. IUI'.


lw Steinen, a. 6ü Khreureieh, Vor
Besonders eindringlich werden wir au den Verderb' ) v. d. a. »>., H. ff.;
onenUichungen Berliner Mus., II, B. 17.
,u
) I* ram»au dor I, p. 234 IT. '«') LumbolU. ITnkoown M.iio. I. S. 331.
Veröffentlichungen a. il. Ii. Mu.. 1. Völkerkunde '") A. a. O., 8. SS».
i, U. ». A7t. "•) a. «. o., a. 34ü.

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378 K. Th. I'reiiß: Der Ursprung der licliyi-n utnl Kunkt

zwecken' 1 ') tanzt und das Wort für tanzen „oolnvoa" ausgeschlossen, denn mau verwendet sie eben nicht im
deshalb folgerichtig »örtlich „arbeiten"" bedeutet, so ist Haushalt.
nuch der Tanz der Tiere nicht als profaner, sondern als Es seien nur ein paar Beispiele angeführt. An dem
Zaubertauz zu fassen. nur alle acht Jahre stattfindenden großen atnmalqualiztli-
Ist also nicht zu erweisen, daß der rutulmri und der Fest der alten Mexikaner, an dem die ganze Vegetation
yutnari von den Bewegungen de» Truthahn» und des infolge allgemeinen Fastens der Menseben ausruht,
Hirsches abgeleitet sind, so ist es doch schon «ehr be- „tanzen sämtliche Götter. Deshalb wurde das Fest die
deutsam, daß man sie mindestens mit den „Tänzen" Zeit des Göttertanzes genannt. Und alle erschienen
dieser Tiere nachträglich in Verbindung gesetzt hat, weil dort: Kolibri, Schmetterling, Biene, Fliege, Vogel, BremBe.
sie als regeuhriugend erschienen. schwarzer Käfer. In deren Gestalt kameu die Menschen
Dagegen ist nicht im mindesten daran zu zweifeln. heraus, kamen sie angetanzt .... Und andere traten als
<);<ßmim ülterhaupt Tiere in ihren Bewegungen und Vögel, als Uhu und Ohreule und anderes auf ")". 1

Lauten uuchgeahliit hat, um den von den Tieren dadurch Unter den mimischen Tänzen der Australier wurden
verursachten Zauber selbst hervorzubringen. Ich will unter anderen auch Frosch- und Schiiietterlingstänze er-
dafür eine treffend« Stolle aus Sahaguns 11 ) Beschreibung wähnt 127 ), die ursprünglich nur uls Er/iclung der von
des Klialqualisttlifestes, des sechsten altmexikanischen den Tieren ausgeübten Zauberwirkung verständlich sind,
.lahresfestes, anführen, an dem die Regengötter (Tlaloke) da hier auch die gewöhnliche Auffassung einer bloßen
und der Wiodgott (Quetzulcouatl) gefeiert wurden, weil mimisch - ästhetischen Betätigung beim Erfinden eines
mau um diese Zeil auf den nach der trockenen Jahres- solchen Tanzes nicht in Frage kommen kann.
zeit einsetzenden Hegen harrte. Vier Tage vor dem Dahin sind auch die stehenden Typen der Vögel,
Feste f.i steten alle Priester und unterzogen sich ver- Frösche, Wespen, Ameisen usw. in den Cbortänzen dor
schiedenen Kasteiungen. Sie standen um Mitternacht altattisohen Komödie zu rechneu, deren Auftreten attische
auf, cutzogen sich Blut und gingen dann nackt in Pro- Vasenbildor bereits 100 Jahre vor Aristophanes kund-
zession unter Voruutrageu des Rassulbretts zum Wasser, tun
wo vier sogenannte Nebelhäuser (ayauhcalli), nach den am Araguaya stellen unter anderen
Die Kiirayastämme
vier Himmelsrichtungen angeordnet, standen. Diese in ihren Maskentänzeo deu Scaraboeus (Pillendreher) dar,
muß man u)> Nachahmungen der Sitze der Hegengötter eins häufigsten Insekten der Campos, der augen-
der
auf den Bergen ansehen. In jeder der vier Nachte gingen scheinlich für den von ihnen getriebenen Ackerbau und
sie in eins von ihnen. Dann begann einer der Priester die Natnrerneuung überhaupt verantwortlich ist, indem
zu sprechen: „Das ist der Ort der Schlangen, der Mos- er die nötige Witterung hervorbringt Danu kommen
kitos, der Enteu und Binsen. Nach diesen Worten des unter deu Fischtänzen auch solche Fische vor. die nicht
Priesters stürzten sich alle anderen ins Wasser und be- gogessou werden, wie der große Süßwasser-Delphin ''-•).
gannen sogleich mit Händen und Füßen unter großem Seine Maske gibt eiue vollständige männliche Figur mit
Getöse uiuherZUpläUchcrn, zu rufen und zu schreien und Beinen, Armen, Luib und Kopf, mit zwei Fortsätzen
die Wasservögel nachzuahmen: die Knten, die unter dem oben, jedoch ohne Andeutung von Gcsichtsteilen. Sie
Namen pipitztli bekannten Wasservögel, die großen ist aus Blättern der Onguassupalme geflochten, und zum
Scharben (euerbo* tnariuos), die weißen Buschreiber Beweise, daß auch dieser Fisch einen besonderen Zauber
tgarzotas hlanca*i und die Reiher." auf das Gedeihen in der Natur ausübt, trägt er einen
Diese Nachahmungen der Wasservögel sollen hier ungeheuren, bis auf die Erde reichenden Penis
ursprünglich den Regen und den Wind veranlassen, wie Diese Deutung wird in augenscheinlicher Weise durch
es einst von den Tieren selbst angenommen wurde. Es die Bakairiinaske des Imeo, der ältesten Maske dieses
sind Reste aus einer früheren Zeit wo man noch keine , XiuguBtnmmes, bestätigt. „Der Imeo ist eiu weißes Tier,
Geister, keine Dämonen, keine Götter kannte. Die Tiere das in der vertrockneten Buritipalme lebt — soviel ich
siud nun in gewisse Beziehung zu dem Hugengott und begriffen habe eine Palmhobrcr
Käfcrlarve."
- Die den
dein Windgott getreten, die zusammen für das Herab- Kopf verhüllende Strohmütze mit langem Faserhohatig
kommen des Regens sorgen, und demgemäß trägt Tlaloc hat oben ein Bündel kurzer Stiele mit knopfartigen Ver-
noch stets die Reiberfedorkrono (aztatzontli) und Quetzal- dickungen. Außerdem ist aber der ganze Körper mit
couatl meist eine rote Vogelmaske, deren röhrenförmig Ausnahme des Kopfus in einen au« Buritipalnihlattstroifon
vortretende Nasenlöcher auf das Blasen hindeuten. geflochteneu Anzug mit Ärmeln und Hosen gehüllt und
Nun, ein solcher Ausputz ist, wie erwähnt (Kap. I), der trägt in der Gegend, wo darunter der Penis des Trägers
Beweis, daß diese Götter sich im engen Anschluß an die zu erwarten ist, einen kleineu Penis aus einem Stückchen
Tiere entwickelt haben, nachdem man die Idee von enthülsten Maiskolben nebst Testikcln aus Fluchtwerk 111 ).
Geistern in den Naturerscheinungen, in der Vegetation usw. Der Gang meiner Überlegung ist nun so: Der
gefaßt hatte. Imeo muß das Wachstum der Felder durch Hervor-
Das häufige Vorkommen von unscheinbaren Tieren
wie Käfern, Schmetterlingen und allerhand Gewürm in
Siehe die genaue Krkläruni: an der Hand de* azteki
den Tiertiinzcn gibt uns die Garautie, daß der mit der sehen uud spanischen Sahaifun in meinen , Challiechon Frucht
Aufführung verbundene Zauber sich in der angedeuteten burkeitsdämoneii*. Archiv für Anthropologie. N- K. b S. 15"-
Richtung, dem Hervorbringen der Witterung und damit "'l Hrou^'h Smith, The Abordne* ..f Victoria, I, S. löß.
"") Vul. Diallisehe r'ruehtbarkoitsdnmnnen S. llft t..

der Vegetation, bewegt. Erstens sind diese Insekten und Auch die Ansichten mancher klassischen i'hil-dogeu neigten
anderen kleinen Tiere, wie wir (Kap. 1) sahen, mit die bereit« vor der angeführten Arbeit zur Auffassung des Chor«
llaitptaktcure in dem Hervorbringen Wachstums,
des der altnttiselien Komödie als thertomorphe Dämonen. So
weil sie örtlich so enge mit der Vegetation verbunden vor allen Hermann Diel« (», l'op|p«lreuter, d>- comoediae attieae
primordsis particulae dune. Berliu 18t»», S. In. Anm. Ü'.
sind, und dann ist bei ihnen ein zweiter Zauber, der ly
'l Vgl. Khrenveich in Veröffentlichungen aus dem
des Jugderfolgcs, den wir noch kennen lernen werden, Kgl. Museum für Völkerkunde II, S. 14, 15, -U bis 37.
"') Siehe di« Abbildung in Veröffentlichungen II, H. :tj,
m
j Sioli« weiter unten den ScüluU des nächsten KapiteU: l'ifc. 1B und das Original im Berliner Museum, Slg. Ehren-
,|ler /.:iut>*r <le» Tuiizes*. reich, Xr. V ö, 3745.
"''» Hist.uin k'i inT:il lie Iris eosas de Xueva Kspan» ed. ''"} Vjjl. v.
d. Steinen, l'nlor deu Naturvölkern Zentral
«. Mexik... Ii. 11. c. Si (öd. 1, S. 1 brasilien». S. aol f.

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P.: Der See Kogeoi.Mil. V'.: Restaurierung der hanseatischen Ringmauer in Wisby. :17H

bringen der Witterung gefördert haben. F.r hat »bor Diese charakteristischen Ab*eichen beziehen eich aber
mich direkt durch geschlechtliche Tätigkeit dafür gesorgt. nicht bloll auf auffällige Teile in dor Gestalt den lwtreffeu-
Der PeniB am Anzug des Tänzers hat mit dem darin den Tieres, sondern vor altem auf die Kigcnschafton, mit
•teckenden Menschen nichts zu tun. Denn die ganze denen da» Tier «einen Zaulier vermeintlich ausübt, mögen
Maske, dien* nur der Darstellung des Tieres. Krstens sie nun am Original mit dem Gesichtssinn aufzufassen
negativ durch Verhüllung des Tänzers, die also entweder »ein oder nicht. So besteht die Maske eitles flötenden
mnnteliirtig herabfnlluu —
wie ebenfalls au der Itueo- Vogel«, die enoschibiro-Muske, aus der den Kopf ver-
in Iis k 6 beobachtet ist' 1 *) oder »ich mit Ärmeln und— hüllenden Mütze und oben „fünf in den Stiel eingelloch-
lloseriteilen dem Körper anschmiegen muß. Da» ixt teuen paustloteuartig angeordneten Rokrstabchen". Kno-
beides bei den Hakuiri eigen« für den Tiert&nz erfunden, schibiro ist zugleich der Xume des Holzes, aus dem die
denn sie tragen weder Mäntel oder Hosenanzüge sie — Flöten geschnitzt werden. Jedenfalls soll dadurch der
gehen nackt —
noch kannten »ie solche dan-ala.
, Und Zaubergosaug das Vogel» ausgedrückt werden, den man
so ist es auch mit dem erwähnten Hosenanzug der durch das Gehör wahrnimmt, und dessen Wirkungen die
Delphin- und anderer Fischtituzer bei den Karayä. Hnkairi in der Natur zu beobachten glauben. Genau
/weiten« aber dient die Mauke zur barakterisierung l ebenso ütatt«n sie den Imeo mit einum Phallus aus, da
des Tiere». Dahin gehören die mit knopfartigen Ver- sie die geschlechtliche Tätigkeit des Tieres für die Natur-
dickungen versehenen Stiele auf dem Kopfe, die die vorjüngung voraussetzen, obwohl das Tier selbst natürlich
Maske von der des Imodo, eines dem Iraeo verwandten gar keinen Penis hat, und ebenso ist es mit dem un-
Tieres, unterscheiden — und der Penis. geheurun Phallus der Delphinmaske bei den Kaiaya.
A. i«. (>., 8. -iS'V, Abbilitung wo. (Schluß folgt.)

Der See Kossogol '). Stukeuberg), spricht von den physischen Eigenschaften des
Dieser große, siiBwasserbaltige Bergsee in der nordwest- Sees, von deu Merkmalen seiner Austrocknung von den
.

lichen Mongolei (nahe nn der russischen Grenze) wurde im meteor' dogisehen Kigentüuilicbkeiten, von der Flora und
Sommer IttOl von K. S. Jelpatjewskij im Auftrage iler Fauna, von der Bedeutung des Sees für die Fischerei. Das
Russischen geographischen Gesellschaft iu St. Petersburg er- Kapitel von der Tektonik des Sees ixt Von Prof. P. J. Krotow
forscht. redigiert, die Pflanzen sind vou B. A. Fedtscheuko tiestimmt;
Her See hat eine I4iige von 120 Werst bei einer Breite an Fischen siud im ganzen sieben Arten gefunden worden,
bis etwa 42 Werst und liest, von Bergen umgelien, in einer als größte Tiefe 2:<9 m, doch meint der Verfasser, dall sie in
Höhe von S500 Fuß ( —
l«7tlm) über dem Meeresspiegel. An dem breiteren Teil des Sees wahrscheinlich auf 21(5 m steigt.
u'iurm nordöstlichen Ende liegt da» hohe Massiv des Sa- Beigegeben sind eine bathymetriseho Karte, Skizzen und
janiacbeu Gebirges, der Hunku Sardyk, mit ewigem Schnee phot. .graphische Ansichten des Sees. 1'.

und Gletschern, und längs des westlichen Ufert lieht sich


der wilde und felsige Rucken des Rain ola. Die größte ge-
fundene Tiefe betragt 247 tu, das ist nur etwas mehr als die Restaurierung der hanseatischen Ringmauer io Wlsby.
mittlere Tiefe (etwa iluiii) der nordlichen Hälfte des Sees,
die einen ungewöhnlich ebenen Untergrund hat. bemerken» Aus Stockholm wird uns berichtet:
wert ist die Durchsichtigkeit des Wassers, die i4,<l m beträgt. Die von der schwedischen Regierung veranlaBte Itestau-
Die Tempern! ur der Oberfläche des Wassers in der Mitte des rierung der alt berühmten Ringmauer von Wisby — wie be-
Bees betrog sogar zu Kndo des Sommers nur 4,1 bis 4,:t* U. kannt einer der wertvollsten Überreste althanseatischer Archi-
Die Ufer wurden fast in ihrer ganzen Lüng« mit der Bussole tektur und Hefestigungskunst im Norden — ist im Laufe des

aufgenommen sie liestaben ausschließlich aus Granit, «ineis


;
Sommers so weil zum Abschlüsse gebracht worden, daß nur
und Eruptivgesteinen. Sedimentgesteine sind nicht gefunden noch vereinzelte Reparaturen in den Außenwänden der jün-
worden. geren Kronmauer vorzunehmen bleiben. Im Anschluß an die
Die Fauna des Sees ist außer den Fischen unter denen ,
bauliche Instandsetzung, die im ganzen einen Zeitraum von
sich zwei neue Arten zu finden scheinen, ziemlich arm und sieben Jahren in Anspruch genommen hat, ist von fach
hat mit der des Maikaisees keine Ähnlichkeit. .lelpmjowslij ! maunischer Seite ein ausführlicher Grundriß der ganzen An-
und «ein Gehilfe, der Student R. 1*. Kasc.htsrhenko, haben •
lag« angefertigt worden, In welchem außer interessanten
außerdem meteorologische Beobachtungen gemacht uud t« militärgeschichtlichen Einzelheiten vor iillem die chrnnolngi
deutende zoologische Sammlungen zusammengebracht be- ,
sehe Kntstehungsfolge der verschiedenen Festungspartien Be-
sonders in l>ezug auf die mikroskopische Fauna des Kossogol, rücksichtigung gefunden bat. Hei den zu diesem Behufe
seiner Zuflüsse und der kleinen Seen am westlichen Ufer des- vorgenommenen Untersuchungen hat sieh übrigens die in-
selben, die nebst den Uferterrassen ein deutliche» Zeichen teressante Tatsache ergeben, daß die landläufige Version von
dafür irchen, daß der See im Austrocknen begriffen ist. Zur den verheerenden CherfiUlan Wisbys durch fremde Kroberer
Beurteilung, wie gegenwärtig das Niveau des Wassers und die bei jenen Anlassen angeblich ungerichteten Zerstö-
shwankt. ist auf einer der Inseln an einem Felsen ein rungen größerer und kleinerer Befestigungspariieu in wesent-
Zeichen hinterlassen worden. Zu den hydrologischen Ar- lichen Punkten der Korrektur bedürftig erscheint. So ist
beiten waren Herrn Jelpatjewskij zwei Matrosen zur Ver- unter anderem dem Leiter der architektonischen Untersuchung»-
fügung gestellt worden. arbeiten, Dr. Fkhoff, der bemerkenswerte Nachweis gelungen,
Kin Begleiter des Herrn .lelpatjewskij war auch Dr. A. daß eine in der Nähe des sog. Nordtores befindliche Bresche,
M. Ostrouchow, der auf eigene Kosten reiste und interessante welche lange Zeit hindurch als das einstige Kuifallstor be
Summlungen und Beobachtungen über die in der Niihe des zeichnet wurde, durch welches die siegreichen Lübecker an
Kossosol lebendeu Urjaiiehon (Sojoten) veranstaltete. dein historischen Ptingsttnge des Jahres 1575 ihren Triumph-
Kine physikalisch geographische Skiz/e des Kottogol ist marsch in da» Innere der Stadt veranstaltet haben sollten, in
auch in den „Trudy" (Arteten) der Gesellschaft der Natur- Wirklichkeit viel spater und jedenfalls infolge rein zufälliger
forscher bei der Universität Kasan (M. .'lf, Heft 1) erschienen, Ursachen (Verschiebung des Grundgemiiuer» und Zusammen-
verfaßt von S. P. Peroiol sc h in. Kr hat den See fünf Jahre
l
sturz eines sog. Haiigetiimies) entstanden ist. An der Hand
nacheinander (isy? bis 1S"02| auf seine eigenen Kosten t- 1 - der verfügbaren Grundrisse ergab sich nämlich mit völliger
sucht, indem ihm nur eine kleine nlorstützuug von der I
Klarheit, daß gerade an jener Stelle einer der malerischen
osNibiriwIien Abteilung der Russischen geographischen Ge- llängeiüriuo, die in gewissen Abstäudeu die Mnuerwehr in
sellschaft zuteil wurde. Nach seinen Ansahen ist der Kosso- ihrer ganzen Ausdehnung krönen, »einen Platz gehabt hat.
gol 12S km lang und .17 km breit und liegt auf einer Hube von Augenscheinlich infolge lokaler Veränderungen des Unter
ld*7 m über dem Meeresspiegel (11!»« in l'ilwr dem Niveau grundes, deren t'harakter sieb bis zu einem gewissen Grade
di-s ßaikalsees). Der Verfasser giht ein'' allgemeine Be- noch heute nachweisen l.<Ot, dürfte eitle Verschiebung des
schroibuiig des S.*es, «einer Ufer, Inseln, der Beschaffenheit kunstvoll balancierten Schwerpunkte» verursacht und damit
der Gebirgsiirten (nnr.lt den Bestimmungen des Professor* der gewaltsame Zusammenbruch de» g-samien Mauergefüges
nelist Olierbau herbeigeführt worden «sjin- l-aneti sektin
l
) Neil ZeuilFVt'iiciiije l!>o(, Mitt 4. daren Anhaltspunkt für das ursprüngliche Aussehen der

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K. Tb. Preuü: Der Ursprung der Religion und Kunst.

Hsi an fu weilt«, stattete ich dem 4 km südlich von der ihm und lauachten nicht wenig erstaunt, als ich ihnen
Stadt gelegenen Tempel einen liesueb ab in der Absicht, Ton ihrem großen Vorgänger erzählte, seinen weiten
den Spuren der Vergangenheit unsere« Helden nachzu- Reisen und der hoben Wertschätzung, die er unter
geben. Aber alle meine Erwartungen wurden bitter ent- unseren Gelehrten genießt. Der große Pan de» Buddbis-
täuscht: nichts war mehr dort vorhanden, was an ihn mus ist tot in China, tot vielleicht für immer, und ein
erinnert«, nicht einmal ein Bild oder eine seiner Schriften, neues Geschlecht wandelt gleichgültig über die Trümmer
keine Inschrift, die seinen Namen Tor Vergessenheit bo- der Geschichte hinweg, ohne Verständnis für die Große
wahrte. Die Mönche de» Tempels wußten nichts von und Herrlichkeit der Vergangenheit. B. Lauf er.

Der Ursprung der Religion und Kunst


Vorläufige Mitteilung von K. Th. Preuß.
(Sehl iiD.)

Wir sahen (Kap. 1 1), daß der altmexikanische Schmetter- dieses Vogels darstellen köunen. Bei dieser Gelegenheit
ling durch sein Urinieren den Regen gibt. Wer hat aber wird Schmuck aus Kinnfedern getragen lte ).'1
viel
je den Schmetterling urinieren gehen? Und doch ist er Der angegebene Zweck ist, du Ii die Nahrung reich-

in diesem Akt iu dem Codex Vaticanus Nr. 3773 (S. 63) licher wird, als sie ist. Wir haben hier aber nicht an
abgebildet, (s. vorher Abb. IL) einen Zauber zur natürlichen Vermehrung der Känguruhs
So bedeutet denn der Imeotunz das Gedeihen der zu denken, sondern der Nachdruck ist einfach auf das

Vegetation und der Tierwelt, und zwar direkt ihre Er- Vorhandensein der Beute gelegt, gleichgültig, wie das
neuung, denn von den Bakairi am Paranatinga und zustande kommt, oder bosser noch auf da» Antreffen der
Rio Novo wird angegeben ">), duß ihre Tanze zur Zeit Tiere. Denn bei diesen Zeremonien wird ein großes
der Kmte abgehalten werden, wo —
wio ich vorbin Gewicht darauf gelegt, daß alles zur Jagd und Tötung der
(Kap. III) ausgeführt habe — die Krneuung bei vielen Känguruhs Notwendige reichlich zur Stelle ist. Ebenso sind
Völkern als notwendig empfunden wird. Es ist auch beim Fisck-tarluw-Ritus Fischnetze und eine Giftpflanze,
nicht die Vermehrung der einzelnen Tiergattung gemeint, „kurraru", mit der man den Fisch betäubt, indem man
die vielleicht zugleich als Nahrung dient. Da» sehen sie ins Wasser legt, überall zur Schau gestellt usw.
wir aus den Intichiuroa-Vermehrungszeromonicn des Dus wird noch deutlicher, wenn wir uns z. B. die
Arunta-Stsmme* in Zentralaustralien ]u ). Jede Totem- Büffeltänze der Prärieindianer ansehen. Ks ist bekannt,
gruppe übt zur Zeit, wo die Krneuung der Pflanzen- und daß diese den zauberischen Zweck verfolgen, die Büffel-
Tierwelt bevorsteht, eine Zauberzeremonie zur Vermehrung herden herbeizuziehen, um so eine erfolgreiche Jagd zu
de« betreffenden Totemtieres oder der Totempflnnze aus haben. In der Tat begegnet man auch in den nordameri-
und meint, sich dadurch reichliche Nahrung überhaupt kaniseben Mythen häutig dem Gedanken, daß ein Indianer
zu verschaffen. Das Totein ist mit dem Menschen selbst durch eine „Medizin", ein Schwitzbad oder eine sonstige
identisch, und so sind die Vcrmehrungszcremouien des Zeremonie in den Stand gesetzt ist, das Wild zu finden.
Totema den phallischen Riten der Watschandi gleich- Vorhunden ist es schon, es ist nur nicht, wo man es
zusetzen, die wir schon kennen (Kap. III). sucht u: ). Die als Büffel verkleideten Tänzer werden
Diuaee ist die eine zu Tiertanzen führendo Idee. Sie aber zuweilen am Schluß des Tanzes von den anderen
kann ebenso die Darstellung von größeren Tieren im Indianern scheinbar mit stumpfen Pfeilen erschossen.
Tanze hervorrufen, da ihnen ebenfalls derartige Kräfte Ks wird also eine Büffeljagd dargestellt, worauf es heißt,
zur Herbeiführung von Regen, Sonnenschein und von man habe nun Fleisch in Hülle und Fülle >'"). Das Ganze
Witterungszustflnden aller Art innewohnen. So ist der endet demnach wiederum, sobald Wild herangelockt ist,
Hirsch, dessen Sprünge bei den Tarahumara den Regen mit einer Art Analogiezauber.
bringen sollen, im Altmexiksniscben die Flamme, d. h. er Bevor ich die zugrunde liegende logische Verbindung
gibt Feuer und Sonnen wärme, ebenso wie der sich aus dem der Handlung und des erzielten Erfolge« darlege, sei
Hirsch entwickelnde authropomorphe Gott Uamaxtli noch das merkwürdigste Beispiel erwähnt. Bekanntlich
Aber bei diesen Tieren kommt noch ein anderer Zweck hat K. v. d. Steinen m
) mit großem Scharfsinn aus der
der Tanze in Betracht, nämlich der Erfolg auf der Technik, Anordnung und Bemalung der Xingumasken
Jagd. erkannt, daß der scheinhur als Gesicht der Maske her-
Wenn die Känguruh» in der Zeit der Dürre spärlich vortretende Teil ursprünglich ein in einen Strohbebang
werden, so begeben sich dio Westaustrslicr zum Kän- eingesetztes Netz sei, das dann mit Lehm ausgeschmiert
guruhtarlow —
einoin Steinhaufen —
„der manchmal 50
, und mit den Maschen des Netzes bemalt wurde. In
bis 70 km entfernt liegt, und vollziehen dort gewisse Zere- diese Müschen zeichnete man ju einen Mereschufisch.
monien, indem sie iu Nachahmung der Sprünge des Kän- Dazu brachte man später auch menschliche Gesichtsteile
guruhs immer um den tarlow herumhopsen, nach Kän- darauf au. In der Tat ist auch beim Ereinotaoz der
guruhurt aus hölzernen Trögen trinken, dio man auf den Nahuc(u:i dus Verhüllen des Kopfes der Tänzer durch
Boden stellt, den tarlow mit Speeren, Steinen nnd whacka- ein Fischnetz, beobachtet worden »*).
berries (Kampfkeulen) schlagen usw." Sie haben uueh tar- Soll nun das Ganze nicht eino sinnlose Maskerade sein
low* für Zeremonien zum Herbeiziehen von Zwergtrappen,
Habichten, Leguanen und Kakadus. „Beim P'.mn-tarlow "*) Clement, E Elhuographieal Note* on the Westein
,

wird der Gang uud Lauf des Emu nachgeahmt, und es Australian Aborigines. Intern. Archiv f. Kthnogr. X.VI, 8. 6 f.
'*•')
Z. U. Washington Matthews, The Mountain fbant.
ist erstaunlich, wie genau die Schwarzen jede Bewegung
Ann. Hep. Muren» of Kthnology, 8. 38».
'**) l'rinz Ton Wied, Heise in das innere Nordamerika,

'") A. ii- O., f. <J»7. II. S. |ho, 181, Catlin, lllustrations of the Mannen, Custoius
*') Spencer und (iilleti, The Nutive tril»-* of Central am) Condition of the North American Tmliaus, London 1851,
Austrulia. London 16*9, 8. 107 ff. I, S. Iit8, IJ7.
Vgl. den Deweis in meiner Arbeit .Der Ursprung Unter den Naturvölkern Zentralbrasiiiens , 8. 319 f.
d»r Menschenopfer'. Globus, TM. SM, 8. u«. A. a. O, 8. (••», 321 und Tafel VII.

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K. Th. 1'reuB: Der Ursprung der Religion und Knmi
— was natürlich aufgeschlossen ist — so muß der taugende und zweitens zu dem ebenfalls selbstverständlichen Zweck,
Mensch mit oincin Fischnetz um suiuen Kopf einen Fisch dem Menschen zu schaden, da es so notwendig ein Teil
im Netz vorstellen, was ja auch die charakterisierende tou ihm selbst war wie seine abgeschnittenen Nägel und
Bemalung der Meresohufischc in den Maschen des Nöthen Haare, ja wie die Überreste der Speise, die er seiner
dartut. Und der Eremntanz, in dem man, die mit grünem Person einverleibte, und wio sei« Name. Das Wie? war
Laub geschmückten Arme ausstreckend und ihm dabei ganz gleichgültig. Erst später sucht der
schlagend, in gebückter Haltung tanzte und Mensch dann Erklärungen dafür.
nach seinem Ausgangspunkt zurückkehrte, muß da» Hin- Diesen llildzauber, wio ich den „Sympathiezauber"
und Herschwiuitnen der Fische im Netze nachgeahmt nennen will, gebraucht man nun auch bei Tieren, um sie
haben. auf der Jagd erlegen zu können. Kleine Figuren der
Damit haben wir hier als Haupttanz der iu hohem Maße Jagdtiere werden von den nordamerikanischen Indianern
Tun Fischfang lebenden Xinguindiuuor den Fischt an/., mit einem gewissen Pulver bestrichen, das man auch
der die Fiiiche herbeiziehen soll, wie vorhin mit ent- gebraucht, um einem Menschen durch sein Bildnis den
sprechendem Zwck die üüffeltauzc der Praricindianer, Tod zu geben "«). Da haben wir also scheinbar einen
die Känguruh-, Krau-, Finch- und anderen Tänze der unvollkommeneren Jagdzauber als die Tiertänze; denn
Westaustralier. Am Xingu ist aber dag Tier von vorn- was nützt ein totes Wild, das man nicht auffinden kann?
herein als Gefangener, als in der Oowalt des tischenden Aber in der Tat entspricht schon das Inderhandhalteu
Menschen befindlich dargestellt, während dort nur die des Tiorbildes dem in erreichbarer Niiho befindlichen
Gerätschaften zum Fang und zur Jagd bereit lageu, oder Wilde und das Bestreichen mit dem Pulver seiner Tötung.
diese erst am Schluß des Tanzes ausgeübt wurde. So bringen die Tiertänze ebenfalls da» Wild nahe, und
Die Grundlage für die Erklärung bietet also die An- der Fang oder das Erlegen der Beute vollendet den
schauung, daß mau die Tiere, indem man sie darstellt, Zauber. Aber das erstere allein würde auch schon ge-
bereits in erreichbarer Nähe, fast in derGewalt hat, so daß nügen, denn das Antreffen des Wildes ist die Haupt-
nur noch die Jagdmittel angewandt zu worden brauchen.
Bei den Fischtänzen am Xingu fallen beide Momente zu- Wie nahe sioh das bloße Tierbild und der Tiertanz
sammen- Das Darstellen der Tiere entspricht so dem berühren, sieht man auch besonders darau, daß man das
Besitz der Nachbildungen von Tierun, Menschen und Tier bereits darstellt, indem man nur sein Bild bei dem
Gottheiten: man kann sowohl ihre Fähigkeiten ausnutzen, Tanz in der Hand halt oder an sich trägt. Die Bakairi
wie Gewalt über sie gewinnen. tanzen z. B. ihre Fischtänze, indem sie Fische aus Holz
Für den ersten Fall erinnere ich an die Jagdfetische auf dem Kopf tragen ,4S ), und bei dem Storchtanz der
der Zuiii in Gestalt von Raubtieren, die dem Besitzer das IpurinA am oberen Puros halten nur die Vortauzer aus
Wild stellen, indem sie es durch ihren Hauch oder durch Holz geschnitzte Storchfiguren in der Haud, während die
ihren Schrei lahmen»«') (vgl. Kap-VHI). Ks ist ja anch übrigen den Schritt des Vogels nachahmen '«*). Die Wir-
bekannt, daß man Götterbilder Biets dahin bringt, wo kung der Tierfigur an sich wird also durch die lebendige
man ihre Wirkung brau und ich darf wohl annehmen, Tiernacbahniung gewissermaßen intensiver, wozu noch
daß sie diesen Gründer erhaupt nur ihre Entstehung der Rhythmus der Darstellung und die Musik mit ihrer
verdanken. l'nivcrsalzauborwirkung treten (vgl. Kap. VII, VIII).
Der zweite Fall —- die Möglichkeit, durch uin Abbild Solche Tiertanz« bilden den Ursprung der Maskeraden.
auf das Original Gewalt üben zu können —
wird sehr Man kann freilich Tiere nachahmen, ohne durch eino
gut durch die mexikanischen Götterbilder illustriert, die Hülle den Darsteller zu verdecken oder durch bestimmte
meist ein I.och in der Brust haben, weil sie zu gewissen Abzeichen das betreffende Tier kenntlich zu machen, und
Zeiten in der Gestalt menschlicher Abbilder durch Her- in der Tat kommt beidos mit gleicher Zauborwirkung
ausreißen des Herzens getötet wurden. Das hatte näm- vor, nur daß ein Volk mehr, das andere weniger zu mas-
lich größtenteils den Zweck, Naturobjekte, mit denen die kierten Darstellungen neigt. Das eine aber muß man
Gottheiten identifiziert wurden —
z. B. die Vegetation, festhalten, alle maskenartigen Verhüllungen sind ursprüng-
die Sonne usw. —zu erneuen. Und das Loch in der lich durchaus niebt als Unterscheidungsmerkmal für den
Brust der Stoinfiguren soll ursprünglich nicht ihre Eigen- Zuschauer bestimmt, sondern dienen nur dazu, die
schaft, durch Tötung erneut zu worden, zum Ausdruck Zauberwirkung volkommener zu machen. Und denselben
bringen, sondern einen immerwährenden K.rneuungszauber Zweck haben alle die rigorosen Bestimmungen für die
auf die Gottheit und so auf die mit ihr identische Natur Exaktheit des Tanzes, die barbarischen Strafen, wenn
ausüben'«*) (vgl. Kap. VII). jemand aus der Rolle fällt, unter der Maske erkannt
Ferner kommt hierfür der sogenannte Sympathie- wird u. dgl. m. Daß solche Bestimmungen lediglich aus
zauber in Betracht. Man durchsticht das Herz einer der halbbetrügeriscben Absicht der Veranstalter stammen,
Figur, um den betreffenden Menschen, den sie vorstellt, die Zuschauer und Weiber zu täuschen, halte ich für
zu töten u3 ). Mau wird hier freilich gut tun, diesem ausgeschlossen, obwohl viele Berichterstatter dieses mehr
mystischen Ausdruck Sympathiezauber kein Gewicht oder weniger andeuten.
beizulegen, denn es handelt sioh bei den primitiven Das beste Mittel der Vermummung, da« Überziehen
Zaubereien gar nicht um Mystik, d. h. um unüberwind- der Haut des betreffenden Tieres, beweist zugleich, daß
liche Gegensätze zu den Erfahrungstatsachen und um es lediglich zum besseren Hervorrufen der Zauberwirkung
dereu Erklärung in dem Bewußtsein, daß sie tatsächlich gebraucht ist. In der Haut nämlich sitzt vor allem die
der Wirklichkeit widersprochen. Sondern als man zum: Zauberkraft des Tieres. Nicht nur, daß z. B. die in den
erstenmal ein Bildnis eines Menseben machte, geschah sacred bags in den Krieg mitgenommenen Vogelbälge bei
es einmal, um seine Fähigkeiten benutzen zu köunen, den Osagen den Erfolg vorleihen oder dos Wolfsfell, das
;

sich die Minnitari im Kriege über den Rücken ziehen,


'") F. II. Cushing, /«uni-Keliencs. Ann. Kop. Uur. »>f
Kthnol. ISK0/H1, S. \h. '«') Tanner b. Waitz, III. 8. IM. Di
"') Vgl. Ursprung der Menschenopfer in Mexiko, Globus konnte ich leider nicht etnseheu.
86, S. 108 ff. '") Max Schmidt hat solche Marken von x«in< r Xingu-
"*) Z. B. bei den Mnudan (Prinz von Wied, Rei«o in da« exnedltion mitgebracht- JeUt im Berliner Museum.
innere Nordamerika. (Nililen* 1 H » I II, S. 188).
,
'•> Ehreureicb, in Veröffentlichungen II, S. 70.

Gleim» I.XXXVt. Nr. 24. 4«


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K. Th. Prcuß: Der Ursprung der Religion und Kunst.

als eine grolle Medizin gilt 11 '): ich habe aus den mexi- dem Glauben an ihre Zauberwirkung erklärt. Darauf deu-
kanischen Riten das seltsame Mittel nachgewiesen, einen tet — um von dem ganzen malerischen Ausputz der Tänzer
Menschen mit der abgezogenen Haut der geopferten an Federn u. dgl. an ihren Festen ganz zu schweigen —
(iottheit zu bekleiden, der dadurch zu ihrem verjüngten der oft groteske und hinderliche Kriegs- und Jagdschmuck
Nachfolger wird 14 '!. Ja, sogar die der Haut anliegende hiu, ferner der Mangel des Blumenschmucks, das gewöhn-
Kleidung besitzt die Zauberkraft. So wird uaob einer liche Fehlen des Tierschmuck» an Frauen, die, wie wir
Lausitzer Sitte an einen Waldbaum das Hetnd gehängt, (Kap. IX) sehen werden, diesen zauberischen Praktikon
da* man dein alten Vegetationsdilnion, einer Strohpuppe, i meist fern stehen, und vor allem eine Reihe von direkten
aussieht, und dadurch wird der Baum zum neuen Geist I
Angaben über die Zauberwirkung solchen Schmuckes:
des Wachstums M J ).
'

Bekanntlich hat noch Christi Kleid I


Jaguarkrallen als Halsschmuck machen stark, Hirscbhufe
dio Eigenschaft, Ton schwerer Krankheit zu heilen, wenn j
machen schnellfüßig. Nur die größten Krieger und die mit
''
der Kranke es anrührt jn ). Am merkwürdigsten muten j
den heiligen Bestimmungen vertrauten Tschiroki würden
uns aber in derselben Gedankenrichtting die „I.nppen- |
es wagen, Adlerfedern zu tragen '''), offenbar, weil für1

bäume" an, un denen der Wanderer in verschiedenen ! andere der Zauber zu stark ist. Streifen der Haut des
Teilen der Krde Fetzen »eine» Gewandes als „Opfer", Berglowen um Enkel und Hals geben bei den Tarahumaro
"'

d. h. ursprünglich als Zauber, aufhängt ), und die alten den Schutz dieses Tieres gegen Augriffe anderer wilder
1 1

Schuhe, die der Peruaner und andere Völker ihren Tiere ' •) usw. Freilich ist die Zauberkraft jedes Tieres,
Gutzen opfern ,:'*), I)as ist nur dieselbe Zaiiherwjrkung, die man durch Teile von ihm gewinnt, unendlich mannig-
die der Basuto ausübt, indem er um seinen Stoiufetisch, faltig, und es ist meist schwer, die Ursache nachzuweisen.
einen runden Granitstein, herumtanzt und ihn anspuckt, Kndlich kommen wir zu den Nachbildungen des be-
d. h. der Zauber de» Spuckens soll den Götzen zur Wir- treffenden Tieres aus beliebigem Material, das aber immer
kungsäußerung bringen (Tgl. Kap. I Vj. noch mitunter —
z. B. Sumpfpflanzen zum Entstehen des

Wenn sich aber ein Tänzer mit der Haut des dar- Regens —
zauberisch wirken kann, besonders wenn das
zustellenden Tieres bekleidet, so braucht er sich durch- Tier noch Aufkommen des Animismus etwa ein Vege-
aus nicht von ihm besessen, d. h. von dessen Seele in tationsdämon geworden ist, der in einer bestimmten
Besitz genommen zu fühleu, was ja nach Aufkommen des Pflanzen- oder Baumart seinen Wohnsitz hat Sonst aber
Auimismus möglich ist Deshalb nenuen sich auch die dient eine solche Maske zur Verhüllung und leistet auf
Büffeltänzer der Omaha: v Gesellschaft der Leute, die über- diese Weise dem Zurücktreten des Darstellers und dem
natürliche Beziehungen zu den Büffeln haben", dagegen Hervortreten einzelner das Tier betreffender Abzeichen
heißt der Grizlybärtanz außerdem: „Tanz, worin sie Vorschub —
beides in dem Sinne, daß der Zauber besser
behaupten, Grizlyhären zu sein" lV5 ). wirken soll. Wir kommen damit dem bloßen Tragen von
Statt der Haut genügen aber auch einzelne Teile Tieroachbilduugon in der Hand oder der Bemalung mit
des Tieres zu seiner wirksameren Darstellung, d. h. zur rudimentären Tierteilen u. dgl. ra. nahe.
besseren Zauberwirkung de« betreifenden Tanzes. So Wenn wir aber bisher immer noch vorausgesetzt
tragen z. B. die westaustralischen Kmutänzcr viel Schmuck haben, daß die Darsteller die Tiere auch in Bewegungen
von Fmufedern. wenn sie die Tiere herbeiziehen wollen oder I<aut<en, wenn auch noch so schematisch, nachgeahmt
(siehe vorher). Auch kann man feststellen, daß Federn oder es wenigstens früher getan haben, ist daa bei einer
die Zauberkraft des ganzen Tieres haben, woraus leicht Art des Zaubertanzes, den wir unbedingt mit zu den
das Tragen derselben zu erklären ist. Bekannt sind Tiertiinzen rechnen müssen, durchaus nicht notwendig,
z. B. dio sogenannten bahos der Moki, Stöcke mit Vogel- nämlich wenn man das Tier ißt —
am besten lebendig
federn und einem kleinen Maismeblpäckchen oder anderen verschluckt —
dadurch sieb »eine Zauberkraft einverleibt
Gegenständen. Sic werden unter anderem an Quellen und sie nun im Tanze äußert. Diese Sitte entspricht
niedergelugt und haben dann den Zweck, für Regen zum ganz dem bekannten Verspeisen von Leichenteilen, in
(iedeihen der Felder zu sorgen. Da in diesem Fall die denen besondere Kräfte vermutet werden, und dem
Federn von Wasservögelu, z. B. F.nten, verwendet werden „Gottessen", das z. B. in dem Verspeisen der geopferten
und der Stock manchmal als Hat baho mit Wolkenzeich- menschlichen Abbilder der Götter in Mexiko gewöhnlich
nungen bedeckt ist, so glaube ich das Ganze als Zauber- stattfand.
mittel, die aus den Quellen mit Hilfe der Wasservögel Kin vortreffliches Beispiel eines solchen Tiertanzeg
entstehenden Wolken hervorzuzaubern, im wesentlichen bietet der berühmte Schlangentanz der Schlangcnpricster-
richtig zu erklären. Die Verwendung der bahoa zur »cbaft den Moki.
bei Zu den neun Tage danernden
Erlangung der Jagdbeute, von Schnee, Hitze, guter Zeremonien, im August, die den Regen herbeiführen
Ernte usw. basiert offenbar auf ähnlichem Grunde. Der sollen, gehört auch der Fang oiner Anzahl Klapper- und
Huichol-Schamane trägt stets einun Stab mit Adler- oder anderer Schlangen. Sie werden in Wasser getaucht, und
Habichtsfedern, durch die er dio nötige Zauberkraft er- es wird am letzten Tage als Hiiuptzurcmonie ein Tanz mit
halt, denn diese Vögel wissen alles |S4 ). ihnen aufgeführt, bei dem die Schlangen raanchm»! —
Ja, man wird nicht fehlgehen, wenn man die Ent- zwei zu gleicher Zeit von einem Tänzer frei im Munde —
stehung jeglichen r Körper»chmucks" aus Tierteilen aus getrogen werden, während hiuter jedem Träger ein
zweiter Indianer ohne Schlange tanzt, um mit seinem
'*-")
J. Owen Dorscy, Omaha Kociolngy, Kep. 8.319 f. T
Federstab (snake wbip) den Schlangenkopf möglichst
Oeorge A- P«r»«y, The 0*ago M«urning War Ceremony,
Amer. Authro|>nlogi»t, UHiü, 8. 4H> f. Prinz von Wied, Hei»e ,
vom Gesicht des Tänzers fern zu halten. Alle nehmen
in das innere Nordamerika, II. S. 'J24 f. dann ein Brechmittel ein, das nach Angabo der Moki die
"") Phänische Kruchtbarkeiudäroouen u»w. A. a. O., Teilnehmer an der Zeremonie von dem Schlangenzauber
8. 140, 142 1.
"') W,
reinigen soll, der sonst den anderen Einwohnern deB
Mannhardt, Wald- und Feldkult*, I, 8. 412.
Kv. .Matth. 9, 20 bis 22. Dorfes gefährlich sein könnte'-).
"') R. Andre«, Kthnograiibische l'arallelen I, S. 58.
v. T.cbudi, Beitrage nur Kenntnis de« alfen Peru, lv
i Mooney. Myth« U'*!> Kep., K. 28:1.
8. HO. "*) Lumholt*. LTnknown Mexico. 1, 8. 308. II. 8. 7 f.
'") .?. Owen IkTsey, Third Ann. Itep. Bur. of Kthiml., ,lr
) Dorsey arid Ynth, The Mi*h»ngn<>vi Oremoniftx
8. 347. 340. the 8nake and Ant>>lo|>e Frnteraities. Field Colnmbian Museum.
Lumholtz, t nknown Me*ir» II, S. 7 f. l'ublicat;..n >><), Chicago 1902, 8. 2:-2.

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K. Th. Preuß: Der Ursprung der Religion und Kumt. 301

Die Schlangen werden von den Moki als „ unsere Das alles sieht man genau so auf dem ven Sahagun
Vater" bezeichnet ^). 1
Möglicherweise sind also die beigegebenen, von den Eingeborenen gemalten Bilde
Seelen der Vorfahren in ihnen. Daß sie den Regen dargestellt. Die Macateca sind ein Volksstamm an der
bringen, geht außer aus dem ganzen Ziel des Festes, das Grenze des Staates Oaxaca, Von ihren noch heute zum
Bich überall deutlich ausspricht, aus der Ansprache an die Gedeihen der Felder ausgeübten Praktiken, die sich enge
Schlaugenfanger hervor: „Wenn ihr eine Klapperschlange an altmexikunischo anschließen, berichtet soeben Wilhelm
findet, so müßt
ihr sie bitten, und es wird regnen" ' J >. Kauer im Katalog zu einer von ihm angelegten Samm-
Nun aber mit den Gelteten der Moki eine eigene
ist es lung dem Berliner Museum, und Frederick Starr "'') er- 1

Suche, deun es sind meistens nicht« weiter als krasse zählt sogar, daß die Macateca von Uhichotla in ihrer
Zauberformeln. So wird vor der Schlangenwaschung Kirche eine Schlange verehren sollen, von deren Leben
folgende» , Gebet" gesprochen: „Ja, os ist alles in Ord- das Gedeiheu des Dorfes abhänge. Auf dem Bilde Sahaguns
nung, wir arbeiten hier mit unseren Tieren (den sind die Macateca als Priester gekleidet. Tlaloc selbst wird,
Schlangen). Auf diese Weise haben wir hier unsere wie Kap. I erwähnt, stets mit einem aus zwei Schlangen
Zeremonien, hier mit unseren Vätern (den Schlangen). zusammengesetzten (iesicht abgebildet, und die Berg-
Später werden hie wieder entlassen werden. Lallt uns und Regengötter wurden mit zwei Geeichtem, einem
freudig sein! Laßt uns stark (d. h. zauberkräftig) »ein! menschlichen und dum einer Schiauge, dargestellt. Dazu
Laßt uns wachsam sein! Ja, das ist die Art* '* '). Wir 1
1
wurde an ihrem Feste (tepeilhuitl) ein Mensch als Gott
können also unschwer erkennen, daß es eine Zauber- Milnauatl verehrt, der gewissermaßen dio Gesamtheil der
zeremouis ist, in der die Schlangenpriester die in den Scbluugen verkörperte '*). Ich kann also nicht gnt zwei-
Schlangen vorhandene Kraft, den Regen hervorzubringen, feln, daß an diesem zu Ehren de» Regengottos gefeierten
von sich aus ausübun, wobei es gleichgültig ist, ob dio großen Fest, das durch Fasten zum Ausruhen der Lebens-
Schlangen als Vorfahren angesehen werden oder nicht mittel abgehalten wurde ), das Verschlingen von leben-
1 ' "1

Denn die regenbringende Eigenschaft der Schlangen ist den Schlangen und Fröschen ursprünglich geübt wurde,
entsprechend der Anschauung anderer Völkerdas Primäre, um die regvnbriugendo Kraft der Tiere vermittelst des
ihre Verkörperung der Verstorbenen sekundär * 1 ). 1
Tanzes in erhöhtem Maße von sieb aus wirken zu lassen.
Nun spricht das Tragen der Schlangen im Munde Denselben Grund muß ich aber überhaupt voraus-
für die Absiebt, sie eigentlich lebendig zu verschlucken, setzen, wo das Rohessen von Schlangen in Verbindung
um sich noch mehr den Schlangenzauber anzueignen, als mit Ackerbaukulten vorkam.
es das bloße Inderhandhalten tun würde. Noch mehr Diese Bedingung ist auch bei der üuoipuyiet des
muß man aber darauf schließen, weil die alten Mexi- griechischen Dionysoskultes vorhanden. Von diesem
kaner an dem nur alle acht Jahre zu Ehren des Regen- eltthrakiachen „wilden" Gotte ist zur Zeit seines Ein-
gottes Tlaloc gefeierten Ataraalt|iializtlifeste tatsächlich zugs in die Griechenwelt nur der raaeude orgiastische
lebendige Schlangen und Frösche verschluckten, iudoru Tanzkult zur Nachtzeit auf Berggipfeln bekannt. Die
sie dabei herumtanzten. Der Bericht aus dem azteki- fxöraöic der Teilnehmer, das Aufgehen in der Gottheit,
nicht aber der Inhalt der religiösen Verehrung ist über-
''

soben Sahagunuianuskript 1 8 ) lautet über den Vorgang,


der sich inmitten der menschlichen Abbilder von Göttern liefert. Er gilt etwas spater als Herr der Seelen, dessen
und Dämonen abspielt, folgendermaßen Kpiphanie auf der Oburwelt man in Griechenland zur
12. Und Tlaloc (der MeDsch iu der Tracht Tlalocs) Zeit der Wintersonnenwende feierte ,ö7 >. Die Zeit
ließ sich nieder. Vor ihm befand sich eine Wasserlache dieser Feste macht es aber klar, daß Dionysos auch in
voll Seh langen und Frösche. ältester Zeit kein bloßer Gott der Soelen, sondern auch
13. Und I^ute mit Namen Macateca verschluckten ein Dämon des erwachenden Lebens in der Natur, kurz
dort die Schlangen, obwohl jede einzelne lobte, und die der Gott war, in dem sich iu späterer Zeit das Gedeihen
Frösche. der Pflanzenwelt verkörperte. Denn genau denselben
14. Nur mit dem Munde, nicht mit der Hond rissen Gedankengang findet man z. B. bei den Moki. Kurze
sie sie heraus. Zeit nach der Wintersonnenwende, im Februar, führt
16. Nur mit den Zahnen packten sie sie und rissen Ahüla, der „Zurückkehrende" oder mit anderem Namen
sie dort vor Tlaloc aus dem Wasser. „der alte Mann Sonne", dio Katschina -Wachstums-
16. Und die Macateca verschlangen dio Schlangen dämonen, die Geister der Vorfahren, aus dur Unterwelt
und tanzten dazu. zu den Dörfern der Moki herauf, wo sie bis nach der
17. Und wer znerst mit dem Herunterwürgen fertig Sommersonnenwende verweilen und durch allerhand Tanze
war, rief papa, papn und tanzte um den Tempel herum. und Zeremonien reiche Krnten verursachen *'•*). Und eine
18. Und man belohnt« die Leute, die die Schlangen ähnliche Verbindung zwischen der Sonnenweude, dem
verschluckt hatten Wachstum und den Toten habe ich auch im Mexikanischen
nachweisen können" '). Man glaube nicht, daß man in
5

A. a. O , B. 20«. früher Zeit den Toten oder dem Herrn der Toten einen
,5,
> A. a. U., 8.
"*) A a. <»., 8. 247. anderen als abwehrenden Kult widmen kann, wenn man
'*') Und ebenso »ekundar ixt die 8age vom Schlangen- sie nicht zugleich als wirkende Faktoren in das Gedeihen
heros. die sich an die Kulthandlung angeknüpft bat. (A.a.O., dur Welt einführt. Hin Dionysos als Herr der Seeleu
8. 'ibb f.; Fewkes, Jotiro. Anier. Kilinol. snd Archaeul. IV, ist daher aU Mittelpunkt de» ekstatischen Kults undenk-
H. 106 Stephen, Juurn. Amer. Folklore I, H. IUI' ff.)
ff.;
'*') BII A|iendiee bei Fewkes. American Anthropologist
VI, 1893, S. 287. '*') Notes U|>oii the Ethnograph y of Southern Mexico >.
"") 12. motlaliaya in tlalloc ixpan manca yn atl,
Aub l'roceedings of Darenpolt Academy of Nnt. Science» VIII,
vncan tomia ioan cueyaine; 13. ioan yu yeoantin
in cocoa, 8. 7b des SV-paratums.
motenevaya macateca. vncan <|uintolul<>aya in cvcna <;nn v< »1- •") Sahaguri, B. II, (\ 3ü.
lM
tivia, rereyuca, ioan in cueyaine; 1* can in canmtica yi> ) Vgl. meine Erklärung des Feste* iu l'halli«cho Dä-
ijuimonaoa.va amo yn inatiea; 15. can quitnontlanquechiaya monen, a. a. 0„ 8. 158 ff.
""*) Siehe Kbode, Psyche II", S. 44 ff.
inic (luimonanaya yn atlan in vncan ixpan tlalloc; I«. auh
;an i|uin'|Uau,uatirjn, in coeoa, inic ipan miU>titivin inacaleca "*) Fewkes, Jouru. Amer. Folklore XV, 8. Iii.
17. Auh in aquin a>-hto quitlumlaya ooatl in i|uit"loaya '") Dabei ist ab«>liit nicht nötig, dat) der betreffend«
niman io tzatzi, tlapapavia, quiyaoaloa in teuealli 18. auh ; Gott ein Sonnengott i»t. Vgl. Der Ursprung der Menschen-
«luintlauhtiaya in <iuintoluaya conti. opfer, Ulobns M, 8. 110. ,
IS* _
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892 Oberleutnant Lettner: Die Balue- oder Kumpiberge und ihm Hewohner.

bar, uud da» Kohessen und Würgen von Scblaugeu dabei nicht aD einer siebewohnenden Seele hafteu, ganz wie wir
kann nur den Zweck de« Kegeumachena bzw. der Kr- es auch sonst an den Tiertänzen kenneu gelernt haben.
I

sielung von (iedeiben überhaupt gehabt haben, trotzdem Genau die primitive Methode, mit der «ich Menschen
die Bedeutung der Schlangen für die chthoniseben die Zauberkräfte von Tieren aneignen, wendet man später
Götter feststehtl7
°), ebenso wie ja die regenb ringenden an, um von Geistern besessen zu werden. Auch hier
Schlangen der Moki zugleich ihre Vorfahren sind. ist also nur eine Fortsetzung der präanimistischen Zeit

Doch genug der Beispiele de» Tiertanzes nach dem zu verzeichnen, nur daß die erlaugten Fähigkeiten, die
Genuß der Tiere. Auch den Ersatz de» lebenden Tiere* sonst nur reale I>inge, d. h. die Vorfälle des gewöhn-
durch eine aus Mai» ,T1 ) und anderen eßbaren Substanzen lichen Lebens, im Auge haben, manchmal geisterhaft
geformte Nachbildung kann ich hier Übergeb eD. Sie werden, z, B. sich auf den Flug durch die Luft, Wieder-
entspricht dem Verspeisen der mexikanischen Götterbilder aufleben nach dem Tode usw. beziehen 7i ).
'

und den anderen so weit verbreiteten Arten des Gottessens, Ihsu Tier- und Geistertänze» gemeinsam ist auch, daß
die zuerst die Kräfte der (iottbeit und dann allgemeines sie einen Zauber bezwecken. Ks werden z. B. keine
Wohlergehen und Gedeihen gibt. Ks int zunächst stets mythischen Erzählungen dargestellt, und das Ziel ist
eine Übertragung von Kräften, die an der Substanz und nirgends die bloße Darstelluug von Szeueu und Gedanken.
Das kann erst kommen, nachdem die Tänze profan ge-
"•) Vgl. die Stellennachweis bei de Vi«cr, De Gnioo.rum worden sind, oder auf hoher Stufe der Entwickelung'").
dii* non referciitibu* »peciem uumanan, Leiden 19u0, S. 13Uf.,
138 ff.
''*) Vgl. z. B. Franz Boax, The ßoeial Organization and

"') So essen z. H, dio Cora bei manchen Regenzauber- tbe Beeret Soeietie* of the Kwakiutl Indiann. Hep, V. 8.
festen eine gTOCe Heu«'hrecke an» Mui», was für wirksamer Xat-Mu«. for 1»»S, 8. 3'M 1.
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al» der Tanz selbst angesehen wird. (Lumholtz, L'nknown ) Der zweite Teil dieser Arbeit folgt im nächsten
Mexico I, B. 525.1 Dio Heuschrecke iist uns als „&innentier" Bande. Die Abbildungen * und 7, 8. 3^3 und 325, sind irr-
bei den Tschiroki bekannt, vgl. Kap. I. tümlich verkehrt eingestellt.

Die Baluä- oder Rumpiberge und ihre Bewohner.


Von Oberleutnant Leßner.
Mit 21 Abbildungen nach Aufnahmen des Verfassers.

III. (Schluß.)
Soziales Leben. Alles Land ist Gemeineigentum Häuptling von Lifenya besaß eino weit über die Grenzen
und geht erst dadurch in den Besitz de» einzelnen über, seines Dorfes hinausragende Macht, und ich habe den
daß es von diesem unter Kultur genommen wird. Wie Eindruck gewonnen, daß Gruppen von benachbarten
schon oben erwähnt, lebt das Volk in Dorfgemeinden Dörfern unter der Führung eines solchen über dem
zusammen. Jodes Dorf hat seinen Häuptling, der wohl Durchschnitt stehenden Häuptlings eine Art Bund mit-
eigentlich besser mit dem Namen Dorfschulze gekenn- einander geschlossen haben, wenngleich diese Tatsache
zeichnet wird. Wahl, die durch alle Männer
Bei seiner von den Bewohnern selbst nie zugegeben wurde. Er-
erfolgt, kommt weniger darauf an, daß er reich ist,
es scheint ein Weißer, namentlich ein Abgesandter der Re-
als vielmehr darauf, daß er Umsicht zeigt und imstande gierung, im Dorf, so werden ihm durch den Häuptling
ist, sein Dorf bei Streitigkeiten usw. gut zu vertreten. Gastgeschenke dargebracht, bestehend in Vieh und Nah-
Kine besonders auffallunde Mütze, ein bunter Kock und rungsmitteln; auch dio Dörfer der Umgegend fühlen sich
der Häuptlingsstab sind Attribute seiner Würde. Die veranlaßt, Geschenke zu übersenden, indem sie einerseits
zum Palaver erscheinenden Häuptlinge waren stets da- das Wohlwollen des Besuchers sich zu erwerben, ander-
mit angetan, ließen aber die Flaggen, dio ich ihnen als seits ein reichliches Gegengeschenk zu erhalten hoffen.
Friedensunterpfand ausgehändigt hatte, durch einen Be- Als gegen Ende der Expedition sich eine größere Anzahl
gleiter tragen. Ebenso führte die Begleitung diu Tiere, von Dörfern unterworfen hatte, mußten deren Häupt-
die mir als Geschenke gebracht wurden, und erst im linge auf meinen Befehl sich allwöchentlich einmal im
Augenblick der Übergabe ergriff der Häuptling das Leit- Feldlager bei mir melden, um Direktiven in Empfang zu
seil, um es mir personlich in die Hand zu gebeu auch Eier,
; nehmen. Da der Wohlstand der l)örfer durch den langen
Hühner, Knten, besonders schöne Früchte oder sonstige Kriegszustand völlig vernichtet war, so bedeutete ich die
Haben wurden vom Häuptling, wenn irgend möglich, per- Leute, von der Darbringung auch der kluiusten Geschenke
sönlich in meine llündu gelugt. War ein Häuptling am abzusehen; nur sehr schwer ist es mir gelungen, in dieser
Erscheinen selbst behindert, so Bandte er einen Vertreter, Beziehung meinen Willen durchzusetzen. Es scheint als
wo möglich seinen Sohn, der den Stab, den Hut oder schwere Beleidigung zu gelten, wenn die Geschenke nicht
Kock, sowie die Flagge als Ausweis bei sieb führte. Man angenommen werden. Diese hat in erster Linie der
wählt beim Tode oines Häuptlings gern seinen Sohn oder Häuptling von seinem Eigentum zu liefern-, er wird dann
einen nahen Verwandten des Hauses als Nachfolger, ja von den Bewohnern für seine Auslagen entschädigt, und
dies scheint sogar, wenn nicht besondere Gründe vor- es scheint das offenbar sehr reichlich zu geschehen, denn
liegen, selbstverständlich zu sein. die Häuptlinge waren überall auch die reichsten Leute
Wie mir im allgemeinen von den Häuptlingen selbst, im Dorfe. Neben ihnen gibt es dann in größeren Dör-
als auch von den Bewohnern erklärt wurde, hat der fern noch l'nterhftuptlinge, welche bei Beratungen im
Häuptling im Dorf nicht viel zu sagen; er hat weder Verein mit einigen alten Männern des Dorfes den Häupt-
Strafgewalt noch besondere Kechte uud wird eben nur ling unterstützen ,ja ihm häutig die Autworten vor-
als der Klügste geachtet. Allerdings Widerspruch diesen sagen uud stets durch Gebärden zu verstehen geben, daß
Aussagen die Stellung des Häuptliug* Nakelli von Ikoy, das, was der Häuptling sprach, auch ihre Ansicht sei.
den nicht nur alles Volk fürchtete, sondern auf dessen Der gefangene Unterhiuiptling von Likume Baluü gab
Befehl man sogiir die eigenen Dörfer beim Herunuaheu eich bis zu seiuer später erfolgenden Freilassung als
der Expedition in Brand stecken mußte. Auch der Oberhäuptling der Balue' aus und lenkte auf diese Weise

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