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RECHTSFRAGEN

SPORT OT rthopädie
raumatologie
Sportorthopädie · Sporttraumatologie 17, 33–34 (2001)
© Urban & Fischer Verlag
www.urbanfischer.de/journals/sportmed

Schmerzensgeld bei Arztfehlern


und Sportverletzungen
Markus Parzeller
Zentrum der Rechtsmedizin, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M.

Die Frage nach den Funktionen und dessen Verbindung zu vorgeschalte- sundheitsverletzung, die Dauer einer
der Höhe des Schmerzensgeldes ten Strukturen zerstört ist. Um die- notwendigen Heilbehandlung, kom-
kann sich für den Arzt in einer Tätig- sen Bedingungen Rechnung zu tra- plizierte Heilungsverläufe, Dauer-
keit als Gutachter, Beklagter in gen, wurde das Schmerzensgeld von schäden oder Minderung der Er-
einem Arzthaftpflichtprozess wegen seiner ursprünglichen Fixierung von werbsfähigkeit zur Beurteilung her-
eines Behandlungs- oder Auf- dem Begriff des Schmerzes gelöst angezogen werden (4). Auch die spe-
klärungsfehlers oder als Privatper- und ist zu einer Entschädigung zielle Lebenssituation des Geschä-
son durch die Verursachung einer wegen Personunbill geworden (1). digten kann in die Schmerzensgeld-
Sportverletzung eines Spielgegners Der Schmerz ist somit keine notwen- bemessung einfließen. Dabei spielen
jederzeit stellen. Gesetzlich ist das dige Voraussetzung für den Schmer- das Alter des Geschädigten, soziale
Schmerzensgeld für Körper- oder Ge- zensgeldanspruch; es muss vielmehr und berufliche Faktoren (z. B. Hei-
sundheitsverletzungen in § 847 Abs. ein immaterieller Schaden vorliegen, ratschancen, Familien- und Berufs-
1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ge- der sich für den Bereich der Körper- planung), aber auch Einschränkun-
regelt. und Gesundheitsverletzungen als gen im Freizeitbereich eine Rolle. In
äußerer und/oder innerer immateri- zahlreichen Urteilen wird immer wie-
eller Verletzungs- und/oder Verlet- der auf die durch die Schädigung
§ 847 Abs. 1 BGB zungsfolgeschaden darstellen kann. entstehenden Einschränkungen bei
Das Schmerzensgeld erfüllt mehrere der Sportausübung hingewiesen und
Im Falle der Verletzung des Kör- Funktionen, die je nach der Lage des Schmerzensgeld erhöhend berück-
pers oder der Gesundheit sowie im Falles auch in einer unterschiedli- sichtigt (5). (Beispiele s. S. 34.)
Falle der Freiheitsentziehung kann chen Gewichtung in einem gerichtli-
der Verletzte auch wegen des chen Urteil zum Ausdruck kommen. Auch wenn die Höhe der Schmer-
Schadens, der nicht Vermögens- Die beiden wichtigsten sind die Aus- zensgeldsummen noch keine ameri-
schaden ist, eine billige Entschä- gleichsfunktion, die den Geschädig- kanischen Dimensionen im Millio-
digung in Geld verlangen. ten in die Lage versetzen soll, sich nen-Dollar-Bereich erreicht hat,
Erleichterungen und Annehmlichkei- können bei schwerwiegenden Verlet-
ten zu verschaffen, die ihm durch zungen dem Kläger Beträge im
Als Schmerzensgeld wurde ursprüng- die Verletzungshandlung genommen sechsstelligen DM-Bereich zugespro-
lich nur die Geldablösung für körper- wurden und die Genugtuungsfunk- chen werden. Um das Kostenrisiko in
liche Schmerzen bezeichnet. Durch tion, die einer Sühne Rechnung trägt einem Schadensfall zu minimieren
den Einsatz medizinischer Maßnah- (2, 3). und die eigene finanzielle Existenz
men kann für den betroffenen Pati- nicht aufs Spiel zu setzen, sollte der
enten aber eine weitestgehende Die Ausgleichsfunktion fordert eine Arzt für einen ausreichenden Haft-
Schmerzfreiheit hergestellt werden, umfassende Schau der maßgeblichen pflichtversicherungsschutz sowohl
zudem können die Verletzungen Umstände, wobei überwiegend ob- bei seiner beruflichen Betätigung als
auch so massiv sein, dass das jektive Faktoren, wie z. B. die Art auch bei seinen sportlichen Aktivitä-
Schmerzzentrum des Patienten oder und Schwere der Körper- und Ge- ten Sorge tragen.

M. Parzeller · Rechtsfragen 33
RECHTSFRAGEN

Beispiele für die Höhe des Schmerzensgeldes bei ärztlichen Behandlungsfehlern oder bei Körperverlet-
zungen durch sportliche Betätigung.

Gericht Grund der Verurteilung Höhe

OLG Köln (6) Trockenschlag beim Squash führte zu einer Lidplatzwunde, 3.000 DM
einer Augapfelprellung, einer oberflächlichen Hornhaut-
abschürfung und einem möglicherweise dauerhaften partiellen
Gesichtsfeldausfall des Spielgegners.

OLG Celle (7) Unterlassene bakteriologische Untersuchung einer trüben 20.000 DM


Gelenksflüssigkeit bei einer Knie-Arthroskopie; zunächst
unbehandelte Staphylococcus-aureus-Infektion zerstörte
Gelenkknorpel; dauerhafte Versteifung des re. Knies.

OLG Düsseldorf (8) Unzulängliche postoperative Versorgung hinsichtlich der 35.000 DM


Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Funktions-
fähigkeit des li. Sprunggelenks; dauerhafte Einsteifung des
Sprunggelenks in einer Spitzfußstellung von 130°.

OLG Köln (9) Grober Behandlungsfehler durch eine Neurotomie des Nervus 35.000 DM
tibialis zur Behandlung der Schmerzsymptomatik eines
Tarsaltunnelsyndroms.

LG Bielefeld (10) Übersehen einer eindeutig nachweisbaren Schenkel- 45.000 DM


halsfraktur auf einem Röntgenbild; massive Bewegungs-
einschränkungen des li. Beines, die nur durch einen totalen
Hüftgelenksersatz beseitigt werden können.

OLG München (11) Beklagter Kletterer setzte Sicherheitskeil, ohne festen Stand zu 60.000 DM
haben, und riss infolge der Pflichtverletzung die Klägerin, mit der
er durch ein Seil verbunden war, beim Sturz mit, wobei sich die
Klägerin schwer verletzte.

OLG Hamm (12) Fehlende Aufklärung über das Risiko einer Osteomyelitis; 70.000 DM
Osteosynthese im Unterschenkelbereich führte zu einer
chronischen, fistelnden Osteomyelitis mit Weichteildefekt und
Arthrose des li. oberen Sprunggelenks mit kontraktem Spitzfuß.

OLG Nürnberg (13) Haftung des Fluglehrers und eines Fallschirmsportclubs für die 370.000 DM
fehlerhafte Landung eines Fallschirmspringerschülers, der sich (Kapital und
beim Eintauchen ins Wasser infolge des Sauerstoffmangels Rente)
einen irreparablen Gehirnschaden zugezogen hatte.

Literatur 5 OLG Karlsruhe NJW 90, 2319–2321: Auf- 12 OLG Hamm, VersR 1995, 47–49.
gabe des Leistungssports Rudern als 13 OLG Nürnberg, SpuRt 1995, 274–280.
1 Deutsch E: Schmerzensgeld und Genug- Folge einer Amtspflichtverletzung des
tuung. JuS: 197–204, 1969. Gesundheitsamtes bei Tuberkuloseer-
2 BGHZ GrZS: 18: 149–168. krankungen in der Schule. Korrespondenzadresse:
3 Thomas H: In: Palandt (Hrsg): Bürgerli- 6 OLG Köln, SpuRt 1994, 200–202. Ref. jur. Dr. med. M. Parzeller
ches Gesetzbuch. C. H. Beck Verlag, Mün- 7 OLG Celle, VersR 1985, 1047–1049. Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolf-
chen. 60. Aufl. 2001. § 847 Rn. 4. 8 OLG Düsseldorf, VersR 1999, 450–451. gang Goethe-Universität
4 Slizyk A: Beck’sche Schmerzensgeld-Ta- 9 OLG Köln, VersR 2000, 492–493. Kennedyallee 104
belle. C. H. Beck Verlag, München, 2. 10 LG Bielefeld, VersR 1999, 1245–1246. D-60596 Frankfurt am Main
Aufl. 1994. 11 OLG München, SpuRt 1997, 100–101. Tel. und Fax: 06104/971991 (privat)

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