DnnuausIERUNG: M. Brod , Arner'ika (urauff.: miiglich, d,ieses rniibelerschditternd,e Ld,aten ruhig zu
Zùrich, 28.2. L957). verschlafen?o Es war móglich, denn Gregor Samsa wollte gar nicht rechtzeitig aufwachen, auch wenn VEnTITMUNcEN : Arnerika, GrolSbritannien L966 ihm das so klar nicht bewulSt wird: , rAcb Gott<, (Regie: |. Ferman). - Avnerika od'er Der Verscbolle- dachte er, ,runs fr,ir einen fr.nstrengend,en Beruf habe ich rae, BRD 1969 (TV; Regie : Z.Brynych) . - ,Arneri- gewtihlt! Tagaws, tagein awf der Rei,se (. . .) einirnrner kao por Augen od.er IGfta i,n 43 rnin. 30 sec., BRD der, ni e an d.aw ern d.er, n i e b or zl'i, c h w er d. en d.er w e c h s e ln L97B (TV; Regie: H. Zischler). - Knssenperhtilt- menschlicher Verkehr. Der Teafel soll d,as alles hol.en !,o nisse, BRD 1984 (Regie: D. Huillet u. I.-M. Das sind die Gedanken Gregors kurz nach dem Er- Straub). wachen - und sie mùssen wohl auch in seinen >î/.n- rwhigen Trriwrnen" ihr Wesen getrieben und sein LrrEnaruR: H. Uyttersproq Ei'ne neae Ord,nwng Verschlafen herbeigefiihrt haben" Gregor prote- Zur Struh,twr pnn ,Der ProzeJîo wnd, d,er Werka I{.s? stiert gegen seine Lebensweise als Reisender, und oArnerikao, Anfrverpen 1957 . - L.Bergel, rrArnr i- der Protest driickt sich sinnfàllig in seiner Ver- kau. Its Meani,rry (in F.1C Tod,ny, Hg. A.Flores u. wandlung zum Kàfer aus, die ihn fiir jede Reiseta- H. Swander, MadisonlTVis. 1958, S. l17-124). - tigkeit untauglich macht. Das revoltierende l)nbe- P. Tyle, The Drearn-Apneri,ca of K. and, Chaplin (in wul3te hat sich eine àulSere Gestalt geschaffen. - P.T., The Tbrse Faces of the Filrn,lt{Y/Ldn. l9ó0, Doch warum mufl es eine sa >>tya,î,tr'i.ge wnd, eh,elhafte S.94-l0I). - W. |ahn,I(.s Rornan ,Der Verscholle- Gestalto sein, vor der Gregors Familie zuriick- neo (,,Arueri,kao), Stg. l9ó5. - G. Loose, F.I(. wnd, schrecktl Auch dartiber gibt Gregors morgendliche Arnn i,ha,Ffm.I9ó8. - H. Chr. Buch, Entfremd,urcg Gedankenflucht Auskunft: ,Wenn ich rnich nicbt u. Verfrernd,wng in Ks ,Arnorikno-Rornan (in wegevt. rneiner Ef.tern zwriichhiehe, ieh htine loircgstge- H. Chr.8., Ut pictwra poes'i,s. Die Beschreibwngslito- kùnd,igt, ich wd,rs vor d,en Chef bingetreten u.nd, hd,tte ratur u. ihre lkitiker von Lessiru.g bis Lwhúc.r, Mchn. ihrn rneine Meinung pnn Grwnd. d.es Herzens fi,us ge' 1972, 5.222-269).- W.H.Sokel, Zwischen Dro- segt. Vorn Pwlt hd,ne er fnllen rnlissenlo Gregors Pro- hung w. Ewettung. Zwr Funhtion Arnerikas in I(s test schwelt lange schon, aber gleichsam verdeckt, Rornan ,Der Verscholleneo (rnArneriha in d,er dt. Li'- aus Rùcksicht auf die Eltern nicht zugelassen; nach teratwr. l{ews Wolt - l{ord'arnerika USA, Hg. aufien hin und im taglichen Leben ist Gregor will- S. Bauschinger u.4., Stg. 1975, 5.246-271) lahrig bis zur Selbstaufgabe - ein Reisender, der fiir H. Hillmann, I{.s ,Arnerika*: Li'teratur als Problerrt- das geschaftliche Unglùck seines Vaters bùflt, die liisungsspiel (in Der dt. Rornan irn 20.Jh. Analysen ganze Familie - Vater, Mutter, Schwester - unter- wnd. Materialien zur Theorie wnd Soziologie d'es Ra- hàlt und aus diesem schmdhlichen Opfer seinen rna,ns) Bd. I, Hg. M. Brauneck, Bamberg 1976, Stolz und sein Glùck gewinnt, fieilich nur schein- S. 135-158). - A.Wirkner, I(. wnd, di'e AuJîenwslt. bar: Seine abstoflende KAfergestalt bringt seine un- Qaellenstwd,ien ztuvn,rArrcerikn<-Fragnoent, Stg. glùckliche, geknechtete Existenz und seinen lange 1976. - I. Hobson, Ohlaborna, USA, and, KJs l{a- unterdri.ickten Protest grotesk zum Ausdruclc. Das tare Theater (in A. Flores, The I{. Debate. l{m Per- Groteske zieht bei Kafka stets eine verdràngte spectives For Owr Time, b{Y 1977, S.273-278). - Wahrheit ans Licht. Es ist keinWunder, wenn Gre- |. Pùu, I(.s rVerschollenelf< - ein Bild.ungsT alil,a,n? Die gors Familie angesichts dieser Wahrheit von Ent- Sond.erstellwnq pnn I(.s Rornanfragrnent >Der Ver- setzen ergriffen wird, denn die Familie hat selber scholleneu in d,er Trnd.ition. d.es Bild.angsrornfins, Ffm. mitgewirkt an der zutage tretenden Miflgestalt: die u. a. 1983. - R. R. Nicolai, K.s Arner'i'ka-Rorna.n Mutter, indem sie in asthmatischer PassivitAt ver- ,I)er Verscholleneo. Motitte w. Gestnlten, Wùrzburg harrte, der Vater, indem er die letzten |ahre mit 2198ó. - P. v. Matt, Rez. (in Rorna'ne vnn gestorn - Zeitungslektùre und im Bett verbrachte, die beate gehsen, Hg. M. Reich-Ranicki, 8d.2, Ffm. Schwester, indem sie ein unbeschwertes Leben ge- 1989, S.47-53). fiihrt hat. Die Familie hat Gregor unterdrùckt, weil sie ihn sklavisch fiir sich arbeiten liefl: In seiner Schreckgestalt blickt ihr die eigene unmenschlich- keit entgegen, und zwar so schlagend, dafl sie davor DIE VERWANDLUNG die Flucht ergreift. Was einzig Gregor zunickver- Erzilhlung von Franz Kerxe, entstanden Novem- wandeln kónnte in seine menschliche Gestalt, wàre berlDezember L912, erschienen 19I5. - ,Ak Gre- die rùckhaltlose Anteilnahme der Familie. Statt gar Sornsa eines Morgsns fr.as tunrahigen Trtiww,en er- dessen flieht die Familie vor ihm und offenbart da- wachte, fnnd, er sich in seinevil' Bett zu einern wngehew- bei noch einmal und noch unverhùllter ihr wahres ren Ungezirft, verrytondelt.o So lapidar und nùch- Gesicht. Der Vater bombardiert den Kafer, .der tern wird eine unheimliche Verwandlung konsta- eines Tages aus sein em Zimmer ausbricht, mit Ap- tiert. Gregor Samsa geràt ùber seine neue Existenz- feln und fiigt ihm eine schwere Wunde nr - wo- form zundchst kaum ins Staunen, halb unwillig durch klar wird, da8 der Vater und Gregors frùhe- móchte er sie als Einbildung abtun: ,,Wie wrire es, rer Chef miteinander identisch sind: Der erste ist wenn ich noch ein wenig weiterschlitft wnd' nlle Naw- der Schuldner des zweiten, und als unterdriicl<ter beiten uergd,Jîe,, dachte er.o Ins Staunen gerat er zLL- Schuldner reicht er die Unterdrúckung an den nachst ehlidarùber, da{l er seinen auf vier Uhr ge- Sohn weiter. Plotzlich wachst der Vater - wie im stellten Wecker nicht gehórt hat: ,Ja, aber wil.r gs Urteil - znr tódlichen Herrschaftsfigur empor; FRANZ
Kafl<a variiert hier die in seinem Werk immer wre -
der durchbrechende Kritik an der vàterlichen Auto- ritàt ("g1. Dos Schlof ). Und nicht grundsatzfich vom Vater unterscheidet sich die Schwester, die al- lein sich in das Zimmer des Bruders wagt und ihm angewidert erwas Nahrung bereitstellt: Gleichsam Herr in des Bruders Ztmmeq verschafft sie sich erstmals Respekt vor den Eltern, tritt sie in Kon- kurrenz zur Mutter, wie der Vater in Konkvrcenz zum Sohn getreten ist, und beide Male làBt Kafka den unterschwelligen erotischen Kampf von fern anklingen. Die hier dargestellten Familienverhàlt- nisse sind nicht zuf,dllig schon frùh aus psychoana- lytischer Perspektive betrachtet worden (W.H. Sor<Er.). In diesen Verhàltnissen verkommt Gregor. Man vernachlàssigt ihn, richtet kein menschliches Wort an ihn, entzieht ihm mit seinen Mòbeln die Erinne- rung an seine menschliche Existenz, laflt ihn spù- ren, dafS man seinetwegen zum Geldverdienen ge- zwungen ist - und kann ihn doch nicht ohne weite - res loswerden. Kafka registriert diese Vorgànge mit quàlender Sachlichkeit, mit unerbittlicher Ausbrei- tung von Details, mit der Lust an der exakten Gro- teske, typischen Stilmitteln seines Erzàhlens. Der staubbedeckte, sieche Kàfer wird zum Stachel im Fleisch der Familie, zu jener Wahrheit, welche die Familie verdrangen will. Als er zuletzt sich einmal hervorwagt, angezogen vom Violinspiel der Schwester, das ihm eine Erlósung vorgaukelt, làdt er, die augenf,Jllige Wiederkehr des Verdrangten, die vernichtende Wut seiner Vewandten auf sich. Er stirbt, nachdem sich seine Erbitterung in Ruh- rung und Liebe gewandelt hat, und dieses Sterben spiegelt die Trauer des Erzahlers wider: Die Revol- te war ohnmachtig geblieben, eine Mischung aus Empòrung und knechtischen Selbsworwùrfen, die an den zugrunde liegenden Machwerhàltnissen nicht rùhrt. Die hier zutage tretende Thematik làBt sich als ein Leitmotiv in Kafkas We rk verfolgen; in ihm spricht sich eine doppelte Erfahrung aus: eine private, Kaf- kas Leiden und seine Kritik am eigenen Vater (dar- ùber gibt z.B. der berùhmte Brief an d.en Vater Auf- schlu8), und eine allgemeine, Kafl<as Einblick in ein gesellschaftliches Ganzes, das auf Hierarchie und anonyme Verfiigungsgewalt gegrùndet ist (ugl. Der Proz(!, Das SchloJS ) und das derp nter fa- m.ilias stiitzt. Was dadurch dem einzelnen angetan wird, zeigen Kafl<as groteske, traumhafte Bilder, deren Realitàtscharakter durch eine nùchterne, pra- zise Sprache unabweisbar wird. G.Sa.