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Staat
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BERICHTE UND KRITIK
I.
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82 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 83
6*
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84 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegrifř bei Carl Schmitt 85
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86 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 87
3. Es wurde bereits deutlich, daß der Nomos als Einheit der Aus-
grenzung eines Gebietes aus dem Erdraum mit dessen Teilung und mit
der in der Teilung beruhenden Nutzung letztlich auf den Kultursinn,
den Lebenssinn zielt, der hinter allen rechtlichen Zuweisungen und
Einweisungen das wahre Prinzip des Rechtes ist. Der Lebenssinn in der
Kultur als Prinzip des Rechtes meint aber auch nicht den faktisch
erwachsenen Zustand, der sich historisch aus der Nähme ergeben hat.
Woran, angesichts dieses Dilemmas, läßt sich der Nomos als Prinzip
des Rechts erfassen? Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die
Nähme (die Ausgrenzung von Gebiet und dessen ständige Behauptung
durch einen Rechtsanspruch) die erdgeschichtlichen Zustände des Ge-
biets, dessen Flora und Fauna, als soviele Ertrags- und Nutzungsmög-
lichkeiten hervortreten läßt, nicht abstrakt als Beschaffenheiten, son-
dern, und das ist für den Nomosbegriff von Carl Schmitt entscheidend,
als Sinnmöglichkeiten im Lebenszusammenhang einer Kultur. Solche
Sinnmöglichkeiten des Erdraums sind aber nie mit einer gewachsenen
Kultur identisch, sie sind in ihr stets nur ausgeprägt. Die Kultur iden-
tifiziert zwar im allgemeinen das Prinzip des Nomos mit dem Nomos,
der durch ihre spezifische Landnahme erwachsen ist. Wo aber jenseits
der geprägten Kultur der freie Erdraum wieder sichtbar wird, da wird
auch im Inneren statt der positiven Satzung des Rechts (Norm) und der
darin begriffenen Zustände (Kultursinn) die Möglichkeit von Sinn in
den Produktionsformen zum Problem. Das aber heißt, daß jeder Aus-
griff in den Erdraum oder auch Weltraum einen neuen Nomos der
bereits umgrenzten und umhegten Gebiete anbahnt9.
Dies war der Fall, als die europäischen Völker, denen aus der Land-
nahme der Völkerwanderung schon eine reiche Kultur erwachsen war,
in den offenen Erdraum vorstießen. Erst jetzt wurden sie fähig, die in
ihrem Inneren beschlossenen Produktivkräfte, die im Chaos der spät-
mittelalterlichen Ständekämpfe unterzugehen drohten, weil sie ihren
alten Nomos und dessen Entfaltungsgesetz nicht reflektierten, neu zu
Heidegger die des „Vorhandenen"), die eben das nicht abstrakte, sondern
zeitliche Vermögen haben, „Gegend" bilden zu können, dienlich zu sein. Der
Nomosbegriff von Schmitt verweist daher auf das konkrete Prinzip der
Einräumung einer Gegend, auf das aber auch Heidegger mit dem existen-
tiellen zeitlichen Sinn seiner existentialen Analysen des Daseins zielt.
• Vgl. Carl Schmitt , Recht und Raum, in: Tymbos für Wilhelm Ahlmann,
Berlin, 1951, S. 241 - 250; dort wird der phonetische Sinn des Wortes Raum
mit seiner Bedeutung (gemäß dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm)
verglichen. Eine altnordische Wurzel des gemeingermanischen Wortes ist
,rum' = die gerodete Lichtung inmitten der Wildnis. Die Weise der Einräu-
mung von Raum in einer Rodung (Lichtung) der Wildnis ergibt sich aus der
Grenze zur Wildnis, die aber (wie phonetisch die beiden Liquiden andeuten)
fließend ist, so daß das Verhältnis zum uneingeräumten Zustand der Wildnis
auch die Intensität der in der Rodung (Lichtung) erschließbaren Welt aus-
macht: „Das R bildet vielmehr den aktiven Ansatz, und das M ist ein am
Horizont sich zusammenfügendes, in den Horizont übergehendes Ende. Raum
ist also kein geschlossener Kreis und kein Bezirk, sondern eine Welt, und
diese Welt ist kein leerer Raum und ist auch nicht in einem leerem Raum,
sondern unser Raum ist eine mit Spannung verschiedener Elemente er-
füllte Welt" (S. 243).
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88 Hermann Schmidt
Diese Leistung des Nomos hat das Recht im Grunde stets schon voll-
bringen müssen, aber es ist dabei bisher nicht zum Bewußtsein seines
wahren Ursprungs im Nomos gekommen. Es blieb befaßt mit der kon-
kreten Aufgabe der Teilung nach innen und der Wahrung der Inte-
grität und Freiheit nach außen. Die divisio primaeva, die machtmäßige
Behauptung eines Gebietes für die Kultivierung, vollzog zwar das
Recht als Nomos, aber in ihrem Selbstbewußtsein verstand sie das
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Der Nomosbegrifï bei Carl Schmitt 89
Recht als das, als was es zunächst geübt wurde, als Akt eines Subjekts,
als Akt eines Trägers der Herrschaft. Das hingegen, worauf das Recht
bezogen war, das meum und das tuum, die Teilungen, die Eigentums-
verhältnisse, die konkreten Bezüge wurden als Objekt der Herrschaft
ausgelegt, als etwas, dem, im rechtlichen Sinne jedenfalls, kein Eigen-
leben innewohnt, das vielmehr durch das Recht so oder anders, mit
mehr oder weniger Gerechtigkeit einzuordnen, hinzuordnen war, um
in diesem geordneten Zustand zu verharren (justitia distributiva), wo-
bei es Aufgabe der Rechtspflege blieb, diesen Zustand gegen Rechts-
brüche und Schwankungen auszugleichen und auf das Maß seines Aus-
gleichs der Güter zurückzuführen (justitia commutativa). Die wahre
Natur des Allgemeinen im Recht war verkannt, verkannt war der
Nomoschar akter des Rechts, der Sinnaspekt, den jede Einteilung von
Eigentum in der Nutzung dieses Eigentums gewinnt, indem das All-
gemeine der Beschaffenheit des Bodens dadurch, daß es für die Nutzung
rechtlich gesichert ist, eine neue Perspektive zeigt im Ganzen eines
Kulturraums, darin es erwächst. Wo aber Physis und Nomos getrennt
werden, wo das Recht Satzung eines Subjekts der Herrschaft wird,
bleibt das wahre Objekt des Rechts problematisch. So war das rechts-
philosophische Denken befaßt mit der Frage, worin die Objektivität des
Rechtes besteht und wie sich wahres Recht bestimmen läßt10.
Die philosophische Reflexion auf das Recht ging zunächst über den
Nomos einer bestimmten Landnahme hinaus, sie interpretierte unter
dem Aspekt der Physis, die alle Völker (etwa des Mittelmeerraumes)
umschloß, den Nomos als spezifische Satzimg; so unterschieden die Vor-
sokratiker das Physei und Nomo Dikeion. Das von Natur Rechte aber
war das, was jenseits oder auch inmitten der rechtlichen Satzungen als
deren Prinzip dem denkenden Geist aufgegeben war, zu finden. Dies
war die allgemeine Weise, wie die unterschiedlichen Satzungen des
positiven Rechts ihre Verbindlichkeit gewinnen konnten. Solche Ver-
bindlichkeit war garantiert durch die Herrschaft, die Fähigkeit, den
Satzungen Nachdruck zu verleihen durch einen Machthaber, der die
öffentliche Gewalt zu ihrer Durchführung in der Hand hatte. Die Frage
nach dem Recht wurde zur Frage, welche Form der öffentlichen Gewalt,
welche Herrschaftsform durch ihre Natur so beschaffen war, daß sie der
allgemeinen Natur des Rechtes entsprach. Die allgemeine Natur des
Redites erschien aber als das Regelhafte am Recht, als die Norm im
Unterschied zur Willkür, zur Ausnahme und Entscheidung. Im Grunde
nämlich ist kein Recht je absolut allgemein, so daß man nur „im
Namen des Gesetzes" spräche11, und ebenso ist keine Herrschaft je
10 Vgl. Nomos, Nähme, Name, S. 97: „Die Epoche der Konstituierung ist
schnell vergessen oder vielmehr ins Halbbewußte abgedrängt. Die Situation
établie des Konstituierten beherrscht alle Gewohnheiten, auch die Denk-
und Sprachgewohnheiten". - „Nomos wird zum Ersatzwort für Thesmos
(Ernst Risch, in seiner Besprechung des Buches von Laroche , Gnomon, 24,
1952, S. 83)".
11 Vgl. Nomos, Nähme. Name, S. 104.
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90 Hermann Schmidt
12 Vgl. oben Anm. 6; und Aristoteles, Eth. Nie., 4. Buch, 1122 a ff., bes.
auch 1125 a : die Abrückung der Haltung des Großgesinnten von Kleinlichkeit
und Nachträglichkeit, d.h. von einer ängstlichen Bindung an den nur zeit-
lichen Ausgleich menschlicher Bezüge (im Sinne zeitlicher Erstreckung); das
eigentliche Zeitverhältnis des Großgesinnten ist nicht mehr am Aufholen
oder Zurückbleiben in der Zeit orientiert, sondern, zeigt sich als langsame
gestaltende Gebärde; meldet sich hier nicht ein Widerspruch der Groß-
gesinntheit zu der Tugend der nur zuteilenden Gerechtigkeit (der Groß-
gesinnte teilt ,sich selbst' seinen Freunden zu jenseits der Einteilung von
Besitz)?
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 91
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92 Heimarin Schmidt
Nomos als Prinzip der Vermittlung. Wir haben gesehen, daß in der
divisio primaeva und so bei jeder weiteren Landnahme der Nomos
zwar zur Wirksamkeit gelangte in der Einteilung des Bodens nach den
Möglichkeiten seiner Bebauung und in seiner Anverwandlung zu einer
Welt der Lebensbezüge zwischen den Menschen. Das Bewußtsein des
Rechtes konzentrierte sich aber zunächst auf die Allgemeinheit der
Herrschaft, auf die Gründung und Festigkeit der öffentlichen Gewalt,
mit der ein Landraum zu behaupten war. Problematisch war der
Träger dieser Gewalt und die Frage, wie die öffentliche Gewalt
objektiv auf die Allgemeinheit des Rechtes bezogen war, die sich ja
stets in der Beilegung von Rechtskonflikten zu erweisen hatte. Der
eigentliche Ursprung der Macht eines Machthabers im Konkreten einer
Situation und in der Meisterung der Situation war nie ein bewußtes,
aber stets ein unausdrückliches Problem. Auch eine demokratische
Macht, wo sie wirklich gegründet ist in der Überzeugung des
und seiner Gesinnung und nicht nur äußere Verfassungsform ble
besitzt das Wesen der Demokratie an ihrem Ursprung in der gemein-
samen Meisterung einer kritischen Situation durch vermittelnde Ent-
scheidungen. Solche Entscheidungen müssen allerdings der freien
Einsicht der einzelnen Bürger entspringen und dann im Rahmen der
bestehenden Rechtsinstitutionen geklärt und vollzogen werden.
Demokratie im ursprünglichen Sinn beginnt ja nicht mit der Mehrheit
der gezählten Stimmen, sondern in der Diskussion und dem gemein-
samen Bemühen, eine kritische Situation darauf zu befragen, wie sie
zugleich den Einzelnen und alle angeht; jeden an seinem ,Orť und alle
im gemeinsamen Raum ihres Lebens und ihrer Kultur.
Wo jedoch allein die Allgemeinheit der Herrschaft Problem ist bei
der Frage nach der Artung ihres Trägers und seinem Verhältnis zum
Ganzen (Monarchie, Oligarchie, Demokratie), da wird die Theorie des
Staates und seines Rechtes der Praxis der Politik entgegengestellt, und
das Problem des wahren Ursprungs der Macht im Nomos, im Sinn der
Kultur, kann nicht geklärt werden. Das heißt natürlich nicht, daß mit
der Allgemeinheit jeden Rechtsverfahrens nicht ein wesentlicher Teil-
aspekt richtig erfaßt ist. In der Frage, die zum modernen Verfassungs-
staat führte, nämlich in der Frage nach der angemessenen Sicherung
dieser Allgemeinheit des Rechtsverfahrens gegenüber der konkreten
Situation meldet sich indirekt bereits das Problem des Nomos. Alles
Ringen der abendländischen Rechtsgeschichte um die angemessene
Form der Herrschaft stand stets im Banne der Frage nach dem rechten
Nomos, nach dem Verhältnis von allgemeiner Macht und konkretem
Ort des Menschen in einem Raum. Dabei aber wurde die Spannung
zwischen dem subjektiven Träger der öffentlichen Gewalt und ihrem
objektiven Ursprung und Anwendungsbereich nicht mit jenem Prinzip
erfaßt, das jenseits der Allgemeinheit der Rechtsnormen auf das Pro-
blem der Vermittlung weist. Ein solches Prinzip aber ist im Begriff des.
Nomos bei Schmitt entdeckt und angelegt.
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 93
II.
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94 Hermann Schmidt
17 Nomos, S. 13.
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 95
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96 Hermann Schmidt
19 Nomos, S. 15.
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 97
Wie Carl Schmitt hervorhebt, ist aber vor allem auch zu sehen, daß
die Aufgabe des Ausgleichs durch die Universalmächte im theologischen
Geist verstanden wurde, nämlich im Sinne der christlichen Eschatologie
als Kat-echon, als Aufhalt des Chaos, das am Weltende, am Ende aller
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98 Hermann Schmidt
Zeiten droht. Das Chaos geht hervor aus den Geschichtskräften, aus
der Geschichtsmächtigkeit des Menschen selbst, denn notwendig und
auch ohne ausdrückliches Bewußtsein strebt er danach, einen ihm zu-
gewiesenen Bereich und Raum der Erde nach dessen Möglichkeiten zu
einer eigenen, nur ihm gehörigen Welt umzuformen, und dabei ist es
ganz unvermeidlich, daß der umgrenzte Raum mit anderen Lebens-
kreisen in Berührung und Konflikt gerät. Die gestufte Ordnung des
Mittelalters wies so in eigener, aber im höheren Sinne auch in allge-
mein gültiger Weise auf das grundsätzliche Problem der Menschheit,
eine vorgegebene Einheit und eine sich darin erschließende Mannig-
faltigkeit von Gemeinschaften aufeinander zu beziehen und mitein-
ander auszugleichen. Die Formen des Ausgleichs mögen verschieden
sein in den Epochen, sie haben je einen anderen Nomos des beherrsch-
ten, gesicherten und bebauten Raumes: wo immer aber die Bebauungs-
möglichkeiten eines Raumes erweitert werden und intensiver und tie-
fer erschlossen sind, stellt sich erneut die Frage nach dem Verhältnis
zwischen Einheit und Besonderheit. Der Ausgleich der mittelalterlichen
Universalmächte war darauf gerichtet, nicht den Teil für das Ganze zu
setzen und die geschichtlichen Entfaltungskräfte im Oikos eines Domi-
niums in dessen Lebenskreis einzubehalten. Der Sinn für das zu neh-
mende Maß des Einzelnen an sich selbst und seiner Bestimmung in der
Geschichte und ihren größeren Einheiten ruht letztlich in der Gnade,
d. h. in Glaube und Hoffnung auf eine überzeitliche ewige Bestimmung
des Menschen für die verheißene Auferstehung im Namen Christi. Nur
so konnte auch der mächtigste Obereigentümer seine weltliche Aufgabe
im Oikos nicht als absolute Nähme eines zeitlichen Wirkungskreises
verstehen, aus dem heraus er die Geschichte der Welt zu lenken be-
stimmt war kraft der darin beschlossenen historischen Entfaltungsmög-
lichkeiten20. Dennoch kann Schmitt mit Recht betonen, daß gerade der
christliche Gedanke des Kat-echon, des Aufhalts der zerstörerischen
Gewalt absoluter Geschichtskräfte, seinerseits eine eigene sinnträchtige
Geschichtskraft entwickelt hat in der gestuften Ordnung des Mittel-
alters mit ihrer Einheit in der Mannigfaltigkeit21. Das Prinzip dieser
Stufung im Nomos, in der gewachsenen Lebenseinheit eines Oikos und
seiner Landnahme, ist jedoch erst heute ein Problem; heute aber nicht
mehr als statische Zuordnung verschiedener, in sich beschlossener
Lebenskreise und Wirtschaftsweisen; heute vielmehr als der dynamische
Ausgleich in einem Großraum, ein Ausgleich, der nur möglich wird,
wenn die allgemeinen Entfaltungskräfte und Ertragsmöglichkeiten in-
nerhalb eines Oikos auf den Nomos, d. h. auf den in einem Räume
möglichen Kultursinn des Lebens bezogen sind.
Voraussetzimg für die theologische Deutung des Ausgleichs der Do-
minia durch das Imperium im Mittelalter war die Annahme, daß die
zeitliche Lebenserfüllung in der Welt, d. h. im Berufsstand und seinem
Recht im Oikos, verstehbar zu beziehen ist auf die ewige Erfüllung in
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Der Nomosbegrifï bei Carl Schmitt 99
der Verheißung durch die Gnade. Gerade aber die neuen, in den
Dominia (vor allem in den Städten) erwachsenen Produktivkräfte stell-
ten in Frage, ob jemand für einen Beruf geboren, d. h. durch die Tat-
sache seines Daseins für einen umgrenzten Ort des Oikos bestimmt ist
Im Ausgang des Mittelalters wollte der Mensch sein Schicksal nicht
mehr aus einem gewachsenen Nomos empfangen, sondern selbst in die
Hand nehmen. Zunächst geschieht dies vor allem seitens der magni
homines, der neuen emporkommenden Fürsten der Renaissance, die
vom Kleinadel in den Hochadel aufsteigen und in die wandelbaren
Verhältnisse der aufblühenden Stadtkultur Oberitaliens eingreifen in
rücksichtsloser Betonung des Prinzips des historischen Ruhms und der
persönlichen Geschicklichkeit gegenüber den wechselnden Umständen
(vgl. Macchiavellis Unterscheidung von virtù und fortuna). Während
die Weltlichkeit der Renaissance die Frage nach der transzendenten
Bestimmung des Menschen negiert zugunsten seiner Schöpferkraft in
der Zeit, erfolgt in der Theologie der Reformation eine scharfe Tren-
nung zwischen innerweltlicher und ewiger Bestimmung. Die Standes-
kämpfe, erwachsen aus dem Aufbruch neuer Produktivkräfte in den
Dominia des Mittelalters und ihrem Oikos, sind gleichzeitig ein kon-
fessioneller Bürgerkrieg. Die Relation der theologischen Lehre zu dem
problematisch gewordenen Nomos des Mittelalters wird deutlich an der
Beziehung der Gnade auf den Einzelnen, es gibt mit Bezug auf ihn
keine rationale Einsicht in die göttliche Prädestination, es gibt kein
äußeres, allgemein bestimmbares Verhältnis der Gnade zur Welt und
ihren Ordnungen. Die Gnade und ihre Bedeutung für den Einzelnen in
seiner ewigen Bestimmung läßt sich nicht auch weltlich beziehen auf
die Stufung der Dominia in einer Ständeordnung. Das braucht natür-
lich nicht zu heißen, daß nicht auch in den Auseinandersetzungen der
Reformation Glaube und Welt ein neues Verhältnis suchen. Wichtig ist
zunächst, daß das Problem neu gestellt wurde, und gerade die
Dynamik der Neuzeit hätte zeigen können, daß die ewige Bestim-
mung des Menschen ihren Anfang bereits nimmt im geschichtlichen
Sinn menschlichen Lebens und seiner Möglichkeit im Nomos eines
Erdraums.
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100 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 101
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102 Hermann Schmidt
Carl Schmitt unterscheidet für den Verlauf der Seenahme und der
Nähme des Erdraums drei Arten von Teilungslinien, deren zeitliche
Folge kennzeichnend ist für die Entwicklung eines neuen Nomos24.
1. gab es zunächst Distributionslinien, die Rayas, sie sind rein geome-
trische Flächenaufteilungen (wie im Vertrag von Tordesillas) ohne
Berücksichtigung der konkreten Gestalt von Meeren und Kontinenten,
ihnen fehlt das Prinzip des Nomos. 2. gibt es die Amity-Lines, diese
Freundschaftslinien sind agonal gemeint, außerhalb der Linie herrscht
auch bei Staaten, die in Europa befreundet sind, keine Freundschaft
mehr, sondern das Recht des Stärkeren, und das heißt, daß demjenigen
ein Landstrich der neuen Welt gehört, der darin seine Okkupation
durch Kampf und Befestigung behaupten kann. Die ständig nach außen
erkämpfte Behauptung entscheidet dann, ob überhaupt im Bereich des
okkupierten Landstrichs eine koloniale Kultur sich entwickeln kann,
die natürlich ihrerseits die Fähigkeit zur ständigen Behauptung stärkt.
3. schließlich ergibt sich eine Grenzlinie der westlichen Hemisphäre,
die ein weiteres Kolonisierungsverbot europäischer Mächte ausspricht;
sie findet ihre klassische Formulierung in der Monroedoktrin; in ihr
drückt sich aus, daß im neuen Raum unterdessen aus der Nähme eine
eigene Kultur mit eigenem Nomos gewachsen ist, so daß weitere Tei-
lungen durch fremde öffentliche Gewalten ausgeschlossen sind. Die
Gegenlinie setzt den Erwerb der Unabhängigkeit eines Teils der ehe-
maligen Kolonien voraus und damit die erwiesene Unmöglichkeit, den
neuen Erdraum in seiner kulturellen Entfaltung mit dem Nomos des
Mutterlandes gleichzusetzen. Bei der Unabhängigkeitserklärung der
USA spielte das föderative Prinzip, spielte die eigene Entscheidungs-
macht der kolonialen Repräsentation gegenüber dem Unitarismus des
englischen Parlaments eine große Rolle, ja, erst auf amerikanischem
Boden wurde das Prinzip des Föderalismus als Verfassungsform einer
Einheit in der Mannigfaltigkeit wieder neu entdeckt. Die Kolonie hatte
gegenüber der Einheit des Mutterlandes und auf Grund der anderen
Lage und Gestalt des neuen Erdraums einen eigenen Nomos und
Kultursinn des Rechts entfaltet, der sich nicht unitarisch einordnen
ließ.
Wir haben schon begründet, warum auf dem Meer der Unterschied
von privatem und öffentlichem Recht nicht aufrechtzuerhalten war: das
Meer ist nicht zu bebauen. Zunächst wurde auch der offene Erdraum
dem Meere gleichgesetzt, durch die Nähme zeigte er nur die reine
Möglichkeit für einen Nomos, für ein neues Verhältnis der Einteilung
und Nutzimg unter dem Redit. Die Nähme der divisio primaeva be-
deutete zugleich eine Teilung nach innen für die Arbeitsbereiche und
die Weisen des Anbaus. Hier aber war das Gebiet des Erdraums vorerst
auch wieder (wie bei der Völkerwanderung) zu groß, um sogleich be-
stimmte Anbauweisen erschließen zu lassen. Die Nähme mußte gerade,
statt in konkreter Weise zu teilen, den Möglichkeiten der Nutzung
einen sehr großen Spielraum lassen und so anstelle der konkreten
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Der Nomosbegrifî bei Carl Schmitt 103
Teilung zunächst das Recht der Freiheit behaupten wie auf dem Meer.
Das aber heißt hier auf dem Land, daß die öffentliche Gewalt nicht
entschied, ob ein Gebiet als Weideland, als Ackerboden oder zu Plan-
tagenbau mit Sklavenhaltung zu benutzen war (vgl. die Auseinander-
setzung vor dem Sezessionskrieg über den Charakter der in die Bun-
desverfassung einzugliedernden Territorien). Der neu erwachsende
Nomos der kolonialen Siedlungen war nicht als Kultursinn Problem,
die Nähme des Erdraums identifizierte sich mit der Seenahme und
deren Wirtschafts- und Handelsfreiheit und ließ zunächst den Unter-
schied zwischen privatem und öffentlichem Recht nicht zur Geltung
kommen, wie z. B. die East-India-Company im Mutterland zwar Privat-
charakter hatte, in Indien aber quasi-staatliche Rechte besaß, oder wie
auch an der Frontier der USA die Siedler selbst über die Einteilung
und den Charakter der Bebauung entschieden. In der Problematik des
föderativen Zusammenhaltes des neu entwickelten Landes mit dem
Ursprungsland war aber doch die Frage nach dem Nomos als dem
eigenen entfaltbaren Kultursinn eines bestimmten Erdraumes beschlos-
sen: nicht auf einen formalrechtlichen Anschluß der Kolonie, sondern
auf eine eigenrechtliche Zuordnung kam es an, sowohl bei den späteren
Dominien im Verhältnis zu England wie auch bei der Staatswerdung
der Territorien des Westens in den USA, die als Ganzes allerdings kein
Dominium Englands geworden sind (Burke hat als konservativer Den-
ker die Ansprüche der amerikanischen Siedler im Sinne der föderativen
Unterscheidung billigen können, den demokratischen Unitarismus der
französischen Revolution aber abgelehnt). Im Endresultat hat sich die
Unmöglichkeit erwiesen, den Kolonialboden nur als Lager für vor-
handene Rohstoffe zu betrachten, d. h. für die rational eingerichtete
Exploitation seitens eines alten Kulturstaates, der nicht einsieht, daß
auch draußen aus der neuen Nähme eine eigene Welt, ein eigener
Kultursinn, ein Nomos der öffentlichen Gewalt und ihrer wie immer
gearteten Teilung entsteht.
Die Nähme des Erdraums verwandelte aber auch die alte Ordnung
Europas und seiner Dominia mit ihrem Ober- und Untereigentum.
Waren dort bisher die Weisen des öffentlichen Schutzes als Grund-
hoheit an den Nomos eines Oikos gebunden und war es daher fraglich,
woher die universale Macht des Kaisers die Mittel zu ihrer Aufrecht-
erhaltung nehmen sollte (er mußte auf die Vasallen im Oikos zurück-
kommen), so konnten jetzt die Herrscher der Königreiche des Westens,
England, Spanien, Frankreich, ihre Macht festigen durch die Mittel
und Einnahmen, die ihnen aus der Nähme des neuen Erdraums zu-
flössen. Durch Konzentration der Macht im Söldnerheer des Fürsten
ließ sich der Ständekrieg überwinden; die öffentliche Gewalt konnte
ausschließlich auf eine große Fläche konzentriert werden, und dies
gelang mit den wachsenden Möglichkeiten des Handelns auch jenen
Fürsten, die nicht unmittelbar an der Landnahme beteiligt waren (die
noch ständisch organisierte Hanse ging in der Konkurrenz mit den
besser, d. h. staatlich geschützten Möglichkeiten des westlichen Handels
und seines Zugangs zum Erdraum unter: nur die ausgesprochenen See-
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104 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 105
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106 Hermann Schmidt
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Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt 107
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108 Hermann Schmidt
Entscheidend ist dabei, daß die Zuordnung der Einheit zur Mannig-
faltigkeit nie allein machtmäßig (durch Vorherrschaft der Waffen,
durch reine Energieentfaltung, Volkswille usw.) geschehen kann, son-
dern stets nur in der Reflexion der Sinnfrage, nach der sich eine be-
herrschte Raumeinheit ausbildet zur eigenen Welt der Menschen in
ihrer Kultur. Solche Reflexion aber zeigt sich gerade an der Weise, wie
das förderative Prinzip den Ausgleich zwischen Einheit und Mannigfal-
tigkeit zu erwirken strebt. Dies geschieht im gemeinsamen Gespräch, in
der politischen Erörterung über den in der Mannigfaltigkeit bereits
erschlossenen und in der Einheit neu erschließbaren Raum nach seinen
Sinnmöglichkeiten. Das föderative Prinzip beruht ja nicht in der fak-
tischen Übertragung von Hoheitsrechten auf eine größere politische
Einheit, sondern auf der Begründung dieser Übertragung in jenen
Kräften, aus denen die Teile und die Einheit zueinander hinstreben,
ohne identisch zu werden. Dies aber sind die Sinnmächte einer neuen
Welt unserer technischen Zivilisation, sie gründen in den Produktiv-
kräften des Raums, die sich einen neuen Nomos erschließen.
so Vgl. Nomos, S. 294. Vgl. ebenso „Die Tyrannei der Werte, Überlegungen
eines Juristen zur Wertphilosophie, den Ebrachern des Jahres 1959 gewidmet
von Carl Schmitt", Privatdruck, 1960. Das Problem des Nihilismus ist ge-
stellt mit der Vernichtung aus dem ideologischen Geltungsanspruch von »Wer-
ten4 (auch rassischer , Werte*), es steht in direkter Relation zur , Wertfreiheit4
als höchstem Wert reiner Naturgesetzlichkeit. Daß gerade die Naturgesetzlich-
keit im Verhältnis zum Erdraum auch Sinn und Vermittlung in der Kultur
bedeutet, darauf weist der Begriff des Nomos.
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