Bezugssysteme
Wenn wir die Bewegung eines Teilchens messen oder vorausberechnen, liefern
wir eine Reihe von Ereignissen (ri , ti ), die jeweils aus einem Ortsvektor ri und
der dazugehörenden Zeitangabe ti bestehen. Im Idealfall liefert eine Rechnung
eine unendliche Menge von Ereignissen, die wir als Bahnkurve r(t) des Teilchens
bezeichnen.
Bei der Ortsangabe ri kann es sich um eine bloße Benennung handeln, wie
etwa Nordpol der Erde“ oder Mittelpunkt der Sonne“, oder um ein Zahlentupel
” ”
wie (1, 4, 0). Ein solches Zahlentupel bezeichnen wir in diesem Fall als Koordina-
ten. Für die Formulierung von physikalischen Gesetzen ist der zweite Fall besser
geeignet. Die Angabe von Koordinaten alleine ist aber für die Festlegung eines
Ortes nicht ausreichend, wir müssen zusätzlich noch ein Bezugssystem angeben.
Unter einem Bezugssystem können wir eine Vorschrift verstehen, die uns sagt,
auf welchen Ort sich welche Koordinaten beziehen.
1.1 Koordinatensysteme
Um die Bewegung eines Körpers zu beschreiben, verwenden wir ein Bezugssy-
stem, zum Beispiel einen Labortisch, oder die Sonne oder die Fixsterne. Um die
Bewegung auch quantitativ beschreiben zu können, also um Längen und Zeiten zu
messen, verwenden wir ein Koordinatensystem, ein Bezugssystem, in dem jeder
Punkt in Raum und Zeit durch die Angabe von Zahlenwerten und Maßeinheiten,
den Koordinaten, eindeutig festgelegt wird. Wir gehen in Übereinstimmung mit
unser alltäglichen Anschauung davon aus, das der Raum durch die euklidische
Geometrie beschrieben werden kann. Daraus folgt zum Beispiel, dass die Win-
kelsumme eines Dreieckes immer 180◦ beträgt, und dass die kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten eine Gerade ist. Die Allgemeine Relativitätstheorie, die
hier nicht behandelt wird, lehrt uns, dass der Raum tatsächlich nicht euklidisch
ist. Zum Beispiel bewegt sich das Licht in der Nähe von großen Massen, wie
der Sonne, auf einer gekrümmten Bahn, die in diesem Fall die kürzeste Verbin-
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dung zwischen zwei Punkten ist. Das Fermatsche Prinzip, nach dem Licht sich
immer die kürzeste Verbindung wählt, bleibt auch hier gültig, unsere Annahme
vom euklidischen Raum dagegen nicht. Auch die mikroskopische Beschreibung
der Natur auf sehr kleinen Längenskalen erfordert möglicherweise eine Abkehr
von der Vorstellung des dreidimensionalen, euklidischen Raums. Da diese Berei-
che hier aber nicht behandelt werden, können wir bei der euklidischen Geometrie
bleiben, und die mathematisch sehr anspruchsvolle, differentialgeometrische Be-
schreibung gekrümmter Räume umgehen. Der Einfachheit halber verwenden wir,
wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, ausschließlich kartesische Koordinaten-
systeme. Die Lage eines Punktes relativ zum Ursprung des Koordinatensystems
und zur Orientierung der Achsen kann dann durch einen Ortsvektor
x
r= y (1.1)
z
darstellen, dessen Komponenten x, y und z wir als Koordinaten bezeichnen. Zu
den drei räumlichen Dimensionen kommt noch die Zeit t als vierte Dimension
hinzu. Die Koordinaten eines Massenpunktes können sich natürlich im Laufe
der Zeit ändern, so dass wir eigentlich die ausführlichere Schreibweise r(t), x(t),
y(t) und z(t) verwenden müssen. Der Kürze wegen lassen wir den ausdrücklichen
Hinweis auf die Zeitabhängigkeit aber oft weg. Ebenfalls der Kürze wegen drücken
wir die erste und die zweite zeitliche Ableitung einer physikalischen Größe häufig
durch einen beziehungsweise zwei Punkte über dem Symbol der Größe aus. Wir
schreiben also beispielsweise
dx dr d2 r
= ẋ, = ṙ oder = r̈ (1.2)
dt dt dt2
Durch Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit erhalten wir den Geschwindig-
keitsvektor
v = ṙ = (ẋ, ẏ, ż) (1.3)
und durch erneute Ableitung den Beschleunigungsvektor
a = v̇ = r̈ = (ẍ, ÿ, z̈) (1.4)
Die Entfernung r eines Punktes vom Ursprung, also die Länge des Ortsvektors r,
können wir in einem kartesischen Koordinatensystem einfach als Wurzel aus dem
Skalarprodukt des Ortsvektors mit sich selbst schreiben:
√ p
r = r · r = x2 + y 2 + z 2 (1.5)
1.2 Koordinatentransformationen
Die Koordinaten eines Punktes hängen von dem Koordinatensystem ab, das wir
verwenden. Die Umrechnung der Koordinaten (x, y, z) im Koordinatensystem S
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in die Koordinaten (x0 , y 0 , z 0 ) eines anderen Koordinatensystems S’ nennen wir
eine Koordinatentransformation. Ein einfaches Beispiel ist eine Verschiebung um
eine Strecke x0 entlang der x-Achse. Es gilt dann
x0 = x + x0 , y0 = y und z 0 = z (1.6)
das heißt die Determinante der Matrix ist gleich eins. Ein einfaches Beispiel ist
eine Drehung um die z-Achse um den Winkel α in mathematisch positiver Rich-
tung. Die Drehmatrix M für eine solche Drehung lautet
cos α − sin α 0
M = sin α cos α 0 . (1.11)
0 0 1
1.3 Forminvarianz
Offenbar hängt die Form der physikalischen Gesetze davon ab, welches Bezugs-
system wir wählen. Ein einfaches Beispiel veranschaulicht diese Feststellung: Ein
Beobachter A auf der Erdoberfläche lässt einen Apfel zu Boden fallen und stellt
dabei fest, dass sich die Bewegung des Apfels recht gut mit Hilfe des zweiten
Newtonschen Gesetzes,
F = ma , (1.12)
beschreiben lässt: Die Kraft F, die auf den Apfel wirkt, ist gleich dem Produkt
aus seiner Masse und seiner Beschleunigung a. Neben A befindet sich ein Bahn-
gleis, auf dem sich ein Zug bewegt, der einer zeitabhängigen Beschleunigung b(t)
unterliegt. Ein Beobachter B, der sich im Zug befindet, wird Abweichungen vom
zweiten Newtonschen Gesetz feststellen. Aus seiner Sicht wird die Bewegung des
Apfels am besten durch das Gesetz
F + mb(t) = ma (1.13)
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beschrieben. Der zweite Term auf der linken Seite dieser Gleichung wird als
Trägheitskraft (auch Bezugssystem- oder Scheinkraft) aufgefasst. Solche Kräfte
treten nur in bestimmten Bezugssystemen auf. Dieses Beispiel zeigt uns, dass die
physikalischen Gesetze in einigen Bezugssystemen eine einfachere Form - wie in
Gleichung (1.12), und in anderen Bezugssystemen eine weniger einfache Form -
wie in Gleichung (1.13) - annehmen.
Es liegt nun nahe, das Bezugssystem zu suchen, in dem die physikalischen
Gesetze ihre einfachste Form annehmen. Man sieht schnell, dass es nicht nur ein
einziges solches Bezugssystem geben kann, denn oft können wir mit Hilfe einer
Koordinatentransformation (zum Beispiel mit einer Verschiebung des Koordina-
tenursprungs) von einem Bezugssystem in ein anderes wechseln, ohne dass die
physikalischen Gesetze ihre Form ändern. Wir sagen dann, die physikalischen
Gesetze seien forminvariant oder kovariant unter dieser Koordinatentransforma-
tion.
Als Beispiel betrachten wir das Coulomb-Gesetz
1 Q1 Q2 r2 − r1
F2,1 = − , (1.14)
4π0 |r2 − r1 |2 |r2 − r1 |
Gleichung (1.15) hat die gleiche Form wie Gleichung (1.14), nur sind die unge-
strichenen Größen F2,1 , r1 und r2 aus dem System K durch die entsprechenden
gestrichenen Größen F02,1 , r01 und r02 aus dem System K’ ersetzt worden. Bei den
Ladungen Q1 und Q2 setzen wir hier einfach voraus, dass sie invariant unter Koor-
dinatentransformationen sind. Wenn bei der Koordinatentransformation lediglich
der Zeitnullpunkt verschoben wird, ist die Forminvarianz des Coulomb-Gesetz of-
fenkundig, denn die Zeit ist in diesem Gesetz nicht explizit enthalten (über eine
implizite Zeitabhängigkeit machen wir uns keine Gedanken, da das Coulomb-
Gesetz nur für ruhende Ladungen gelten soll). Auch bei einer Verschiebung des
räumlichen Koordinatenursprungs ist die Forminvarianz von (1.14) leicht zu er-
kennen, denn, auch wenn sich die Ortsvektoren r1 und r2 ändern, bleibt doch der
Verbindungsvektor r2 − r1 unverändert.
Wie wir sehen bleibt bei einer bloßen Verschiebung des zeitlichen oder räum-
lichen Koordinatenursprungs die Kraft auf die Ladung Q1 unverändert. Dies ist
allerdings keine zwingende Voraussetzung für die Forminvarianz, wie die Betrach-
tung einer räumlichen Drehung zeigt. In diesem Fall bleibt der Betrag der Kraft,
|F2,1 |, unverändert, ebenso wie der Abstand der Ladungen |r2 − r1 |. Die Richtung
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der Kraft ändert sich jedoch zwangsläufig, und zwar in gleicher Weise wie die
Richtung des Verbindungsvektors r2 − r1 . An der Forminvarianz des Coulomb-
Gesetzes ändert sich deswegen nichts, denn nach wie vor gilt, dass die Kraft
parallel zum Verbindungsvektor ist, der von Ladung Q1 auf Ladung Q2 zeigt.
1.4 Inertialsysteme
Wir definieren ein Bezugssystem als Inertialsystem wenn alle physikalischen Ge-
setze forminvariant unter Verschiebungen des Zeitnullpunktes oder des räumli-
chen Koordinatenursprungs und unter Drehungen des räumlichen Koordinaten-
achsenkreuzes sind. Mit anderen Worten sagen wir auch, dass in einem Inertial-
system Raum und Zeit folgende Eigenschaften besitzen:
• Die Zeit ist homogen, das heißt es spielt keine Rolle, wohin wir den Null-
punkt der Zeitachse legen.
• Der Raum ist isotrop; es gibt also keine Richtungen, die vor anderen Rich-
tungen ausgezeichnet wären.
Der im vorigen Abschnitt beschriebene Zug ist kein Inertialsystem: die Richtung,
in der der Zug beschleunigt, ist vor den anderen Richtungen im Raum ausge-
zeichnet. Dass es überhaupt Inertialsysteme gibt, ist eine Annahme. Wir können
das erste Newtonsche Gesetz so interpretieren, dass es die Existenz eines Iner-
tialsystems postuliert. Wenn es mindestens ein Inertialsystem gibt, dann gibt
es unendlich viele Inertialsysteme, denn nach Definition ist jedes Bezugssystem,
das durch räumliche oder zeitliche Verschiebung oder durch räumliche Drehung
aus dem ursprünglichen Inertialsystem hervorgeht, ebenfalls ein Inertialsystem.
Daraus folgt, dass es keinen absoluten Raum“ und keine absolute Zeit“ gibt.
” ”
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Bezugssystem gleichförmig bewegt oder beschleunigt ist, muss also mit Hilfe der
Dynamik entschieden werden: treten Trägheitskräfte auf oder nicht? Die Kine-
matik allein kann diese Frage nicht entscheiden, denn wenn zwei Bezugssysteme
gegeneinander beschleunigt sind, können wir mit gleichem Recht jedes der beiden
Systeme als unbeschleunigt oder gleichförmig bewegt ansehen. Der Beobachter B
kann, aus kinematischer Sicht, seinen Zug als ruhend ansehen. Aus seiner Per-
spektive vollführt die Erde samt Beobachter A eine beschleunigte Bewegung in
Richtung der Bahngleise. Erst das Auftreten einer Trägheitskraft (hier der Zen-
trifugalkraft) erlaubt, den Zug als beschleunigtes Bezugssystem zu betrachten.
Aus den Newtonschen Gesetzen lässt sich so die Existenz eines absoluten
Raums folgern. Um uns das klar zu machen, betrachten wir in einem Gedanken-
experiment ein Raumschiff, das sich in einem völlig leeren Universum befinden
soll. Indem wir im Raumschiff untersuchen, ob Trägheitskräfte auftreten, können
wir entscheiden, ob das Raumschiff sich beschleunigt bewegt oder nicht. Da das
Universum in diesem Gedankenexperiment völlig leer ist, existieren keine ande-
ren Körper, relativ zu denen das Raumschiff beschleunigt sein könnte, so dass
sich die Frage erhebt, wogegen denn das Raumschiff beschleunigt sein soll. Es
bleibt nur die Schlussfolgerung, dass es einen absoluten Raum geben muss, re-
lativ zu dem die Beschleunigung festgestellt wird. Die Existenz des absoluten
Raums wurde vielfach in Zweifel gezogen, am nachhaltigsten von Ernst Mach,
dessen Überlegungen Albert Einstein nach eigenen Aussagen wesentlich bei der
Entwicklung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie beeinflusst haben. In dieser
Theorie gibt es keinen absoluten Raum und keine absolute Beschleunigung mehr,
sondern nur noch Beschleunigungen von Körpern relativ zu anderen Körpern. Im
Schwerpunktsystem der Massen des Universums kommt man dann zu Gesetzen,
die bei nicht zu großen Geschwindigkeiten und nicht zu hohen Massendichten
sehr gut mit den Newtonschen Gesetzen übereinstimmen.
1.6 Geschwindigkeitstransformationen
Die Gleichungen (1.7)-(1.9) zeigen, wie sich die Koordinaten bei räumlichen und
zeitlichen Verschiebungen und bei räumlichen Drehungen transformieren. Wir
suchen nun eine Transformationsgleichung für die Koordinaten zweier Inertialsy-
steme K und K’, die sich mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander bewegen.
Der Übersichtlichkeit halber betrachten wir einen besonders einfachen Fall. Zur
Zeit t = t0 = 0 fallen die Koordinatenachsen beider Systeme K und K’ zusammen.
Dann zeigt eine Uhr im Ursprung von K, also mit den räumlichen Koordinaten
r = (0, 0, 0), genau dann die Zeit t = 0 an, wenn sie mit einer zweiten Uhr zur
Deckung kommt, die sich im Ursprung von K’, also am Ort r0 = (0, 0, 0), befin-
det und die Zeit t0 = 0 anzeigt. Zu diesem Zeitpunkt sind außerdem die x-, y-
und z-Achsen des Koordinatensystems K parallel zu den jeweils entsprechenden
Achsen des Koordinatensystems K’, und das System K’ bewegt sich mit der kon-
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stanten Geschwindigkeit v in positiver Richtung entlang der gemeinsamen x-x0 -
Achse. Diese spezielle Wahl für die Orientierung der Koordinatenachsen schränkt
die volle Allgemeinheit der Geschwindigkeitstransformationen nur scheinbar ein,
denn durch Kombination dieser speziellen Geschwindigkeitstransformation mit
Drehungen und Verschiebungen lässt sich jede gewünschte Koordinatentransfor-
mation mit konstanter Relativgeschwindigkeit erreichen.
Die gesuchte Transformationsgleichung für die x0 -Koordinate lässt sich stets
in die Form
x0 = f (t, x) (1.16)
bringen, wobei die Funktion f durch die Geschwindigkeit v festgelegt wird. Die
Abhängigkeit von y und z ist hier nicht berücksichtigt, da wir uns im Folgenden
nur mit Punkten auf der gemeinsamen x-x0 -Achse beschäftigen wollen, für die
die y- und z-Koordinaten stets Null sind. Da der Raum in Inertialsystemen nach
Definition homogen ist, muss die Transformation (1.16) forminvariant unter einer
Verschiebung des räumlichen Koordinatenursprungs sein. Daraus folgt, dass die
Funktion f linear bezüglich der Variablen x sein muss, denn nur eine lineare
Funktion hat überall auf der x-Achse die gleiche Form. Bei einer Geraden ist
kein Punkt auf der x-Achse vor dem anderen ausgezeichnet, während die Parabel
bespielsweise durch ihr Minimum einen ausgezeichneten Punkt besitzt.
Ein anderer Weg, die Linearität von f zu zeigen, verwendet zwei um konstante
Strecken beziehungsweise 0 längs der x-Achse verschobene Koordinatensysteme
K” und K”’ mit
x00 = x + und x000 = x0 + 0 . (1.17)
Dabei wird die Strecke 0 in Abhängigkeit von und v so gewählt, dass zur
Zeit t00 = t = 0 die räumlichen Koordinatenachsen von K” und K”’ zusammen-
fallen. Da die Geschwindigkeitstransformation forminvariant sein soll, muss die
Geschwindigkeitstransformation die Form
folgt. Da 0 nur von und v, nicht aber von x abhängt, ist f (t, x) eine in x lineare
Funktion. Auf analoge Weise ergibt sich die Linearität von f bezüglich t.
Die gesuchte Geschwindigkeitstransformation lässt sich daher in der Form
t0 = α t + η x
(1.20)
x0 = κ t + γ x
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Um die Rücktransformation von K’ nach K zu erhalten, definieren wir
α(v) = α(−v) , η(v) = η(−v) , κ(v) = κ(−v) und γ(v) = γ(−v) . (1.21)
Aus der Sicht eines Beobachters in K’ bewegt sich das System K mit der Ge-
schwindigkeit −v, weshalb wir die Rücktransformation in der Form
t = α t0 + η x0
(1.22)
x = κ t0 + γ x0
schreiben können.
Um die noch unbekannten Koeffizienten α, η, κ und γ zu bestimmen, betrach-
ten wir vier Fälle:
• Sei Ea ein Ereignis mit den Koordinaten t0a und x0a im System K’, das
die Bedingung x0a = 0 erfüllt. Dieses Ereignis beschreibt die Position des
Ursprungs von K’ zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt t0a . Da sich
der Ursprung von K’ aus der Sicht von K mit der Geschwindigkeit v längs
der gemeinsamen x-x0 -Achse bewegt, gilt für die Koordinaten von Ea im
ungestrichenen System K
xa = vta . (1.23)
Mit Hilfe der Transformationsgleichungen (1.20) folgt daraus
wodurch wir
κ = −vγ (1.25)
als erste Bestimmungsgleichung für die gesuchten Koeffizienten erhalten.
für die Zeitkoordinate von Ereignis Ea im System K’ und mit Hilfe der
Rücktransformation (1.22) die entsprechende Zeitkoordinate
ta = αt0a (1.27)
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• Ein zweites Ereignis Eb mit den Kooordinaten tb und xb im System K, das
die Bedingung xb = 0 erfüllt, beschreibt die Position des Ursprungs von K
zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt tb . Da sich der Ursprung von K
aus der Sicht von K’ mit der Geschwindigkeit −v längs der gemeinsamen x-
x0 -Achse bewegt, gilt für die Koordinaten dieses Ereignisses im gestrichenen
System K’
x0b = −vt0b . (1.29)
Aus den Transformationsgleichungen (1.20) erhalten wir für Eb
κ = −vα (1.31)
α = α und κ = −κ . (1.33)
Mit Hilfe der oben hergeleiteten Bestimmungsgleichungen können wir jetzt die
Koeffizienten α, η und κ durch den Koeffizienten γ ausdrücken, so dass die Trans-
formationsgleichungen nur noch von γ abhängen:
t0 = γt + v −1 γ −1 − γ x und x0 = −γvt + γx .
(1.34)
1.7 Galilei-Transformation
Die Transformationsgleichungen (1.34) erhält ihre einfachste Form, wenn wir an-
nehmen, dass γ eine Konstante ist, also nicht von v abhängt. Da sich die Glei-
chungen (1.34) für den Sonderfall v = 0 auf x0 = x und t0 = t reduzieren müssen,
gibt es für ein konstantes γ nur die Möglichkeit γ = 1. Die so erhaltene Transfor-
mation
t0 = t und x0 = −vt + x (1.35)
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wird als Galilei-Transformation bezeichnet. Eine wichtige Eigenschaft der Galilei-
Transformation ist, dass die Beobachter in den Bezugssystemen K und K’ un-
abhängig vom Ort immer die gleiche Zeit messen. Wie wir sehen werden, ist
die Galilei-Transformation die einzige der durch Gleichung (1.34) beschriebenen
Transformationen, die diese Eigenschaft hat. Als Folge bleiben auch räumliche
Abstände invariant unter einer Geschwindigkeitstransformation. Wenn wir im
System K zur Zeit t den Abstand x2 − x1 messen, erhalten wir im System K’ zur
Zeit t0 = t den gleichen Abstand
x02 − x01 = (−vt + x2 ) − (−vt + x1 ) = x2 − x1 . (1.36)
Die Transformation von K’ in ein gegen K’ mit der Geschwindigkeit v 0
gleichförmig bewegtes Koordinatensystem K” lautet:
t00 = t0 und x00 = −v 0 t0 + x0 . (1.37)
Die Transformation von K nach K” erhalten wir, indem wir die Transformationen
(1.34) und (1.37) hintereinander ausführen:
t00 = t und x00 = −v 0 t + (−vt + x) = −(v 0 + v)t + x . (1.38)
Da (1.38) nach dem Relativitätsprinzip die gleiche Form wie (1.34) haben soll,
folgern wir, dass sich K” mit der Geschwindigkeit v + v 0 relativ zu K bewegt. Mit
anderen Worten: Die Galilei-Transformation führt auf folgendes Additionstheo-
rem für Geschwindigkeiten:
v 00 = v + v 0 , (1.39)
wobei v 00 die Geschwindigkeit ist, mit der sich K” gegen K bewegt. Dieses trivial
anmutende Gesetz hat die weitreichenden Folgen, dass sich Inertialsysteme ge-
geneinander mit beliebig hohen Geschwindigkeiten bewegen können, und dass es
keine universellen Geschwindigkeiten geben kann.
1.8 Zusammenfassung
Um die Bewegung von Körpern zu beschreiben, verwenden wir Bezugssysteme.
Diese lassen sich zum Beispiel durch kartesische Koordinatensysteme darstellen.
Im Allgemeinen hängt die Form der physikalischen Gesetze von der Wahl des
Bezugssystems ab. Wir nehmen an, dass es besondere Bezugssysteme gibt, die
wir Inertialsysteme nennen und die folgende Eigenschaften haben:
• Die physikalischen Gesetze haben eine besonders einfache Form, die in je-
dem Inertialsystem gleich ist, sie sind also forminvariant. Insbesondere tre-
ten keine Trägheitskräfte auf.
• Der dreidimensionale Raum wird durch die euklidische Geometrie beschrie-
ben.
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• Der Raum ist homogen, das heißt, es gibt keinen Grund, irgendeinen Punkt
im Raum als besonderen Punkt hervorzuheben.
• Der Raum ist isotrop, das heißt, es gibt keinen Grund, irgendeine Richtung
als besonders hervorzuheben.
• Die Zeit ist homogen, das heißt, es gibt keinen Grund, irgendeinen Zeitpunkt
im Raum als besonderen Zeitpunkt hervorzuheben.
Wenn es, wie wir annehmen, mindestens ein Inertialsystem gibt, dann können wir
durch eine Translation in Raum oder Zeit, durch eine räumliche Drehung oder
durch spezielle Geschwindigkeitstransformationen (konstante Geschwindigkeit v)
beliebig viele weitere Inertialsysteme finden. Die Forminvarianz der Naturgesetze
bedeutet nicht, dass die physikalischen Größen, die in diesen Gesetzen auftauchen,
bei einem Wechsel des Inertialsystems unverändert bleiben; invariant bleibt nur
die Art und Weise, wie diese Größen miteinander zusammenhängen (also die
Form des Gesetzes). Im besonderen Fall der eindimensionalen Bewegung längs
der x-Achse muss eine Geschwindigkeitstransformation von einem Inertialsystem
in ein anderes die Form
t0 = γt + v −1 γ −1 − γ x und x0 = −γvt + γx
(1.40)
12