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Herausgegeben von
Alain Patrick Olivier und Annemarie Gethmann-Siefert
Wilhelm Fink
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich
geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne
vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig.
Internet: www.fink.de
ISBN 978-3-7705-6187-2
ÄSTHETIK
Einleitung. ..................................................................................................................... 1
Ästhetik
Einleitung II, Verhältniß der Kunst a, zur Natur und b, zur Moral ................................. 2
Einleitung; b, Verhältniß der Kunst zur Moral; c, Verhältniß
der Kunst zur Wissenschaft; doppelte Weisen dieses Verhältnisses:
α, in der Kunstgelehrsamkeit, β, in der Kunsttheorie durch
die Reflexion. – Über Kunstgelehrtheit ................................................................. 3
Einleitung. III, b, Über das Sein des Schönen und Fortbildung des Begriffes
aus dem Sein; c, über den unwissenschaftlichen Weg, aus der Vorstellung
den Begriff des Schönen herzuleiten; d, Kritik der gegebenen Erklärungen .......................... 7
Einleitung IV. 6, Über das Verhältniß α, der ersten Stufe zur zweiten:
Kunst und Religion; β, der ersten Stufe zur dritten: Kunst und Philosophie ..................... 19
Einleitung IV. 7, Über die Vernichtung der Kunst auf dem Standpunkte
der dritten Stufe und Erklärung der Blütezeit der Kunst bei Griechen
und in dem 15ten Jahrhundert ....................................................................................... 20
I, Von dem Idealen, II, Formen des Schönen nach Form und Inhalt,
1, symbolische, 2, klassische, 3, romantische Kunstform. Char[akter]
der 1ten und 2ten wegen des Unpassenden: der Form zur Unbestimmtheit
des Inhalts und nach Vollendung der Form zur Beliebigkeit des Inhalts ...................... 22
Allgemeine Eintheilung der Ästhetik. Charakter der 2ten Form und der 3ten,
die die Form verschmäht als dem Anfang gemäß und deshalb willkührlich
das Äußerliche adäquat dem Innern macht. III, Inhalt des individuellen Theils.
Eintheilung der einzelnen Kunstarten ........................................................................... 23
Erster Theil
Kenntnisse von dem Ideal. ..................................................................................... 27
1, Ideal als solches und 2, die Bestimmtheit des Ideals als solches sind
hierher zu rechnen, und drittens sollen die Bestimmungen der Entfaltung
des Ideals besprochen werden: Ideal als solches, Idee als solche. ................................ 27
I. Theil. I, Von dem Ideal und der Idee überhaupt. Rumohrs Polemik
gegen die philosophische Idee, daß diese nicht bestimmt sei, und der Künstler
nur unbestimmte Vorstellungen hat. Idee ist das Leben, die Wahrheit für
die Anschauung als Schönheit, sowie die Wahrheit als Gedanke für das
Denken ist. Rumors 3 Kategorien des Schönen verworfen. .......................................... 28
Vom Ideal als geistigem Inhalt. ........................................................................... 37
Von der Bestimmtheit des Ideals. ........................................................................ 41
Zweiter Theil
Von den besonderen Kunstformen. ...................................................................... 60
Verwandlungen. .......................................................................................... 77
Räthsel ........................................................................................................ 77
Epigramm. .................................................................................................. 78
Allegorie ..................................................................................................... 78
Metapher ..................................................................................................... 78
Vergleichung .............................................................................................. 79
Bild ............................................................................................................. 80
Dritter Theil
Von den besonderen Gestaltungen der Kunstwerke. ..................................... 107
Einleitung.
Ästhetik
Das Reich und Gebiet des Schönen ist das der Ästhetik. Die Wissenschaft des Umfang der Ästhetik
Sinnes ist sie. Um das Empfinden des Schönen ist es ihr zu thun. In Deutsch-
land ist ihr Ursprung des Wortes. So ist eine neue Wissenschaft aus Wolffscher
Schule hervorgegangen.i Andere gebrauchen andere Namen, wie den der Kalli-
stik.ii Der Ausdruck Ästhetik wird als Name behandelt ohne Bedeutung im Le-
ben. Für uns ist er Ausdruck der Schönheit und der Kunst derselben.
Lassen wir1 philosophische Ideen noch unberührt, so ist, wenn wir Vor- Ist die Ästhetik der Wissen-
schaft fähig?
stellungen und Empfindungen in uns wahrnehmen, die Bedenklichkeit wohl,
ob das Schöne der Wissenschaft fähig sei. Diese Empfindungen, ob sie uns als
solche bekannt sind, wollen wir behandeln. Was sich darbietet, wenn Wissen-
schaft der Kunst behandelt wird, ist zu sehen, ob dieses2 einer Wissenschaft fä-
hig ist; die Auffassung des Schönen erfordert anderes Organ als des Organs der
Wissenschaft. Die Freiheit der Produktion flieht die Regel des Gesetzmäßigen.
Belebung findet man, nicht die schattenhafte Innerlichkeit des Gedankens. Das
Reich der Gestaltungen des Schönen betrachtet, ist von unendlicher Mannigfal-
3
Mannigfaltigkeit3 der Ästhetik
tigkeit, so daß der Gedanke [den] Mut verlieren könnte, diese Masse sich anzu-
eignen. Etwas Raum für [die] Betrachtung gewinnen wir, wenn wir den Um-
Natur- und KunstSchönheit
fang des Schönen beschränken, indem wir die Naturschönheit weglassen, und
nur die Kunstschönheit behandeln. Natürlich wird dies scheinen, da noch nie-
mand den Gesichtspunkt der Schönheit natürlicher Dinge gefaßt, und eine Wis-
senschaft daraufgebauet [hat]. Die Nützlichkeit der natürlichen Dinge hat man Nützlichkeit aber nicht Schön-
heit hat man an den natürlichen herausgehoben, die dienlich sind gegen Krankheit, und sie unter4 diesem Ge-
Dingen hervorgehoben und Wis-
senschaft darauf gebaut sichtspunkt betrachtet; aber aus5 dem Gesichtspunkt der Schönheit hat man sie
nicht zusammengestellt. Thun wir das, so sehen wir uns bald in Unbestimmt-
heit, in welche Klassen dieses und jenes Schöne zu setzen [sei]. Halten wir uns
an die Werke6 der Kunst, so vermindert7 sich diese Schwierigkeit scheinbar,
Phantasie und Natur denn die Werke der Kunst haben zur Quelle [die] freie Phantasie, die unbe-
schränkter sei als Natur selbst in ihrer Mannigfaltigkeit. Unerschöpflich kann
sie sich zeigen. Die Wissenschaft, wenn sie mit der Nothwendigkeit es nur zu
thun hat, so muß sie alles andere weglassen, auch bei der Phantasie; und haben
wir von Schönheit der Natur abstrahirt, so gewinnen wir nichts. Die Natur ist
selbst schon Gesetz, und nähert sich mehr der Wissenschaft als Phantasie.
Die Phantasie scheint mehr willkührlich und entzieht sich der wissen-
Natur ist mehr Gesetz als Phan-
tasie schaftlichen Betrachtung. Wenn man nun von schöner Natur abstrahirt, und das
Kunstwerk betrachtet8, so stoßen wir auf [das] bekannte Prinzip vom Nachah-
men der Natur, als das höchste, und wir kehren sogleich zur Natur zurück. Un-
ter dieser Nachahmung verstehen wir9 als wesentlichen Zweck, daß solche
Nachahmung der Natur
Darstellung gelingen möge. | [2]
Einleitung II, Verhältniß der Kunst a, zur Natur und b, zur Moral
Nehmen wir diesen Zweck auf, so verschwindet das objektive Schöne, denn es
handelt sich nicht [darum,] wie das beschaffen sei, was nachzuahmen, sondern
[nur darum], daß es richtig nachzuahmen sei. Aber für die Kunst bleibt nur die
Nachahmung, so daß hierdurch das Prinzip daher folgt, daß die Wahl der Ge-
Mangel an einem Kriterium genstände gleichgültig gelassen ist, und dann ist der Unterschied von häßlich
alsdann:
und schön auf [ein] subjektives Urtheil zurückgeführt10. Kein Kriterium für die
nachzuahmenden Gegenstände ist dann vorhanden.
Verschiedenheit des Geschmacks Der Geschmack der Menschen ist unendlich verschieden. Blicken wir auf
[den] Geschmack der Nationen, so ist der Geschmack höchst mannigfach. Eine
Hottentottin gefällt nicht den Europäern. Die Götterbilder, das Erhabenste der
Fantasie scheinen den Indern schön, uns scheußlich. Wollen wir das Schöne
auf partikulären Geschmack [beschränken] und das höchste Prinzip auf die
Nachahmung, so haben wir diese nicht in der Abstrakten Form zu nehmen.
Zeuxis Traubeniii sind stets Triumph der Kunst gewesen. Ein Affe biß einen ge-
malten Maikäfer aus.iv Aber für uns Menschen giebt es noch einen anderen Ge-
4 sie unter] in
5 aus] folgt gestrichen durch
6 Werke] Werken
7 vermindert] verbindet
8 betrachtet] betrachten
9 wir] wir sie
10 zurückgeführt] zurückgeführt ist
schmack als [für] Tauben und Affen. Ein Kunststück ist es[,] das Schlagen der
Nachtigall nachzuahmen,v nicht Kunstwerk.
Sehen wir uns in anderen Künsten um, finden wir den Typus von der Natur
nicht genommen in der Architektur, die doch auch Werke der Kunst hervor-
bringt11, oder in der Poesie finden wir nicht Nachahmung der Natur, und das
Prinzip der Nachahmung muß sehr herabgestimmt werden von Wahrheit zur
Wahrscheinlichkeit. Das Verhältniß der Natur und Kunst ist auf viel bestimmtere
Weise als jene abstrakte zu fassen, daß Natur von Kunst nachzuahmen ist.
Wenn das Wissenschaftliche prätentiös scheint, die Kunst zu analysie- Wissenschaft und Kunst.
ren , so könnte die Kunst nicht werth auch sein[,] von Wissenschaft behandelt
12
zu sein. Mischt sich die Kunst mit ihren gefälligen Formen ein, so ist, wenn ih-
re Formen auch nur gefällig sind, wenn auch nicht schädlich, [die Kunst] doch
[ein] Überfluss fürs Leben[, so daß] diese Kunst, als Etwas Spielendes dann
gar nachtheilig für den Zweck sein könne.
Die schönen Künste mußten nun in Schutz vor einigen genommen wer- 27/10
den in Rücksicht ihres Verhältnisses zur Moral. Viel ward darüber geschrieben. Verhältniß der Kunst zur Moral
Die schöne Kunst, zeigt sich, sei nicht schädlich, nicht mehr Vortheile seien
durch sie gewährt worden als Nachtheile; die Kunst ist Vermittelerin zwischen
Sinnlichkeit und Gedanken[,] zwischen Neigung und Pflicht; beide Elemente
sucht sie zu versöhnen, die aber niemals in Streit gerathen können. Die Würde
der Pflicht und [des] substanziellen Zweckes stellt sie [sich] entgegen als mora-
lische Bestimmungen, d.h. [daß] die hinzutreten [zu] der Kunst. Vielmehr lasse
sich die Kunst nicht so vermischen. Sie verlangt in Bezug auf Subjektivität die-
selbe Reinheit als sie selber ist. Das Schöne der Kunst erscheint als Zufälliges
und Spielendes, sie wird [zwar] als Mittel dargestellt, das diene der Moral.
Aber die Kunst kann ebenso der Verdorbenheit dienen und ist zweideutig. | [3]
Wenn daher die Kunst ernsteren Zwecken dient, so beruht sie auf Täuschung. Kunst als dem Zweck der Mo-
Schön kommt her von Schein, und der Zusammenhang des Scheins und Schö- ral dienend.
nen zeigt [sich] zwar; aber die wahrhaften Zwecke müssen nicht durch Täu-
schung erreicht werden13. Es ist ein Mittel nicht der Würde des Zweckes ange-
messen. Das sind14 die Hauptmomente unserer Betrachtung in allgemeiner Bil-
11 hervorbringt] sind
12 analysieren] aus unleserlichem Wort
13 werden] werden sollen
14 Das sind] über der Zeile eingefügt statt gestrichen Dies
dung. Geschrieben haben die Franzosen viel darüber. Zum Theil sind wahre That-
Französische Ansichten über die sachen darin enthalten, zum Theil auch nur Räsonnement aus den Thatsachen
Kunst als Mittel zur Moral
gezogen, als wenn der allgemeine Schönheitstrieb eingepflanzt ist, ein Partiku-
läres, wodurch die Bekämpfung der [Annahme] allgemeiner Gesetze der Schön-
heit verbreitet wird. Das Genie entzieht sich den Regeln. Die Kunst verbindet
sich dem Luxus und Verdorbenheit folgt. Alterthümliche Sitten lassen nach.
Aber die Kunst hilft dabei, und, deßhalb [ist] die Kunst auf moralische Zwecke
zurückgeführt, und die Kunst bestimmt[, moralische Zwecke zu fördern].
Trennung der Kunst und Wis- Die Kategorie der Trennung und Verschiedenheit ist zu berücksichtigen,
senschaft
daß niemals Kunst und Schönheit auf der einen und Wissenschaft auf der ande-
ren Seite stehen, und daß die Wissenschaft an dem Konkreten der Kunst sich
bemüht, und wenn sie sich dem Gedanken der Schönheit ergiebt, Gedanken
über Schönheit hervorkommen, dem Konkreten gegenüber, dies etwas abstrakt
Allgemeines ist, was die Kunstwerke nicht trifft. Dieser Unterschied kommt
uns näher darin, daß man zweierlei Weisen des Studiums der Kunst hervorge-
1, Kunstgeschichte und Kunst- hoben [hat:] 1, Über Kunstgeschichte und Kunstgelehrsamkeit über vorhandene
gelehrtheit
Kunstwerke[,] woraus Theorien [ab]geleitet werden, die allgemeine Gesichts-
punkte in Betrachtung der Kunstwerke geben; 2, eine ganz theoretische Refle-
2, Theoretische Reflexion
xion über Schönes[,] abstrahirt vom Vorhandenen.
Diese zwei Weisen beruhen auf diesem Unterschied und daher wollen
wir [ihn] näher betrachten.
Die Erste Weise ist die, die von einzelnen Kunstwerken ausgeht, Empiri-
sches zum Anfang hat für den, der Kunstgelehrter werden will. Wie es ja in un-
serer Zeit Bedürfniß geworden ist, allgemeine Theorien von Kunstgelehrsam-
keit zu haben[,] da kommt [man] nicht zum Denken. Wenn diese Kenntniß von
Erfordernisse zur Kunstgelehrt- dem Vorhandenen wirklich da ist, verlangt sie umfassende Bekanntschaft mit
heit
den Kunstwerken der Alten und Neuen Zeit, theils den Untergegangenen, theils
a, Kenntniß der Kunstwerke den Entfernten Kunstwerken, die wir15 durch Schriften kennen lernen. Vieles[,]
sehr Vieles muß er gesehn haben, und das sinnliche Element ist die unmittelbare
Anschauung. Was ein Kunstgelehrter gesehen haben muß, dehnt sich nun weit
aus. Dies ist eine weitläufige Kenntniß an sich. Jedes Kunstwerk hat besondere
Eigenthümlichkeiten[,] es gehört einem gewissen Volke, hat gewisse Zwecke
der speziellen Geschichte und Bestimmungen, ohne von der Zeit unabhängig zu sein[,] überhaupt histo-
risch [zu] sein. Also eine spezielle Kenntniß der Geschichte gehört nun hinzu.
Diese Gelehrsamkeit bedarf des Gedächtnisses, fester Einbildungskraft,
Phantasie und Gedächtniß um die Gebilde nach ihren Zügen fest zu halten, und solche Bilder, die er in
sich trägt, mit andern zu vergleichen. Aus dieser ersten Grundlage, die geschicht-
b, Urtheil lich ist, geht man weiter; man kommt zum Urtheil über Kunstwerke, wo ver-
schiedene Gesichtspunkte herausgehoben, zusammengestellt werden, und allge-
meine Sätze, die zugleich16 Kriterien sind, und allgemein sind, woraus die Theorie
der Kunst hervor geht. Eine solche Theorie, die das Allgemeine zum Gesichts-
punkt hat, ist schon früh gebildet worden. Eine Literatur des Ästhetischen ist
nicht nöthig. Das ist bekannt, daß Aristoteles eine Theorie des Trauerspiels ge- Bildung von Theorien
schrieben [hat],vi dann Longin über [das] Erhabene,vii eine Schrift die gekannt
werden muß. | [4]
Des Horaz de arte poetica Briefviii gehört hierher. Für Reden gab es die engli- Literatur der Theorien
schen Theorien, wie Rezepte, die noch ungewisser sind als die medizinischen.
Der Geschmack sollte jedoch gebildet werden, die verschiedenen Seiten eines
Kunstwerks zu zeigen, und auf Schönheit aufmerksam zu machen. In unserer
Zeit ist Home’s [Grundsätze der Kritik, mit einer Vorrede] von Garve, über-
setzt von Meinhard,ix Batteux17 von Ramler übersetzt,x ein viel gelesenes zu sei-
ner Zeit, Engel, Eberhardxi folgten, und schrieben Theorien; aber die Bemer-
kung dieser war abstrahirt von beschränkter Kenntniß18 der Kunstwerke. Solche
Bestimmungen sind oft trivial, denn in das Allgemeine führen sie nicht zu spe- Fehler der Theorien
ziellen Zwecken, wie im Horaz Brief, wo Allgemeines recht gut gesagt ist, aber
nichts für Spezielles. Bei diesen Theorien war auch die Prätention, daß diese
Regeln sein sollen, die der Künstler vor Augen haben soll, um sich nach ihnen
zu richten, was doch ungeschickt ist, da der Künstler ein reines19 konkretes Bild
vor sich hat, nicht kahle Bestimmungen; und wenn solche Bestimmungen et-
was Praktisches enthalten, so haben sie doch nicht äußerliche Umstände an
sich. Diese Ausdehnung der Vorschriften ist in Deutschland gewaltsam ver-
worfen worden, vornehmlich dadurch, daß lebendige Poesie aufstand, und das Sieg lebendiger Poesie über The-
orien
Recht der Männer des Genies geltend [gemacht hat] gegen jene leere Anma-
ßung, die breiten Wasserströme von Theorien.
Der Gegensatz von Genie und Geschmack wurde damals festgesetzt. Das d. 28/10
Genie und Geschmack in Theo-
Genie war durch freies Produciren bestimmt, das nicht gebunden ist, dagegen rien: Zeit unterschiede
der Geschmack gebunden und gefesselt ist durch Regeln. Aber das mittelmäßige
hielt sich auch für berechtigt, ohne auf [eine] Regel Rücksicht zu nehmen, nur
seinen Geschmack zu produciren. Jedoch für andere moderne Nationen wurde
durch eine schöne freie, tiefe Poesie nachher erst Liebe und Achtung gefaßt.
Solche Werke wie Shakespeare20[,] die früher von schlechtem Geschmack gal-
ten, wurden als fehlerhaft früher betrachtet, danach anerkannt und gewürdigt. Romantische Kunst
Dadurch war die romantische Kunst anerkannt, und die Gattungen der Kunst
17 Batteux] Battheux
18 Kenntniß] Korrektur über der Zeile Kreis zurückgenommen
19 ein reines] reinen
20 Shakespeare] Schakspear
vermehrt; der Begriff des Schönen mußte tiefer gefaßt werden, und der den-
kende Geist mußte tiefer in Philosophie erkennen, als er Bedürfniß hatte, das
Wesen der Kunst gründlich zu erfassen. Jene alte Weise zu kritisiren und Theo-
Kunstgelehrsamkeit in jener Zeit. rien zu liefern[,] änderte sich. Die alte Kunstgelehrsamkeit blieb in ihrem21
Werthe. Ihr Gesichtskreis, die Kunstgeschichte[,] ist durch Fortschritte der gei-
stigen Empfänglichkeit erweitert worden.
Die individuellen Kunstwerke ästhetisch zu würdigen, und äußerliche
Umstände dieser Kunstwerke auch [hinsichtlich] der technischen Seite zu er-
kennen, gehörte zur Kunstgeschichte und Kunstgelehrsamkeit. Göthexii z. B.
Göthe als Kunstgelehrter hat über Kunstgelehrtheit mit feinem Sinn und Tiefe geschrieben und so daß er
die Bedeutung der Kunstwerke und die Beziehung auf den Sinn klar machte.
Das historische kannte er zwar auch, aber nicht in seinem ganzen Wesen ließ er
sich mit ihm22 ein. Die eigentliche Theorie ist nicht ihr Zweck. Häufig kommt
Fehler, vor denen sich der Kunst- [man] auf abstrakte Kategorien und Prinzipien, ohne es selbst zu wollen. Aber
gelehrte hüten muß man muß sich nicht dabei aufhalten; den konkreten Gegenstand muß man mehr
vor Augen haben. Diese Art der Betrachtung enthält philosophische Überle-
gungen zu derselben. Die Philosophie hat es zwar mit Abstraktem | [5]
zu thun, aber sie ist gehaltvoll, konkret, und entspricht demnach der Wirklich-
keit im Inhalte. Was die Erkenntniß der Kunstwerke betrifft, so lassen wir uns
in [der] Philosophie der Kunst nicht darauf ein, nur in so fern der Begriff es
nothwendig fordert.
Hier ist das Partikuläre, Vorhandene, [die] Grundlage in der Kunstge-
Abstrakte Reflexion in der Kunst schichte, das seinen Beweis im Empirischen hat, woraus die Theorien folgen.
Dieser Seite entgegengesetzt ist die abstrakte Reflexion über das Schöne. Die
Idee des Schönen durch sich selbst zu erkennen23, ist der Inhalt jener Reflexion.
Die Betrachtung, daß die Gegenstände nicht in ihrer Besonderheit aufzuneh-
Wie man auf sie kam.
men seien, sondern in ihrer Allgemeinheit und Gattung, in ihrer Idee zu fassen
sind, hat darauf geführt. Nicht schöne Menschen und Gute, sondern die Gat-
tung des Schönen und Wahren und Guten ist dann aufzufassen. Wenn die Idee
zu erkennen ist, so geschieht dies durch den denkenden Begriff. Alsdann giebt
die logische Natur der Ideen überhaupt und des Schönen besonders die Aufga-
be vor24. Diese Betrachtung der Idee ist die höchste Betrachtung zugleich, kann
21 ihrem] seinem
22 ihm] ihr
23 erkennen] erkennen suchen
24 Aufgabe vor] Aufnahme
aber auch abstrakte Metaphysik werden. Wenn Plato Führer ist, so finden wir, Idee und abstrakte Metaphysik
daß platonische Abstraktion nicht genügt, die logische Idee [zu erfassen], die
Inhaltslosigkeit25 der platonischen
tiefer und konkret zu fassen ist.xiii Das Inhaltlose der platonischen Idee befrie-
25
Idee
digt nicht mehr die Fülle unseres Geistes. Die Liebe, amor, sei die Quelle des
Schönen sagt er,xiv und das spricht die Phantasie an; aber dergleichen Formen
genügen nicht für [eine] fruchtbare Idee. Wir werden also nicht an abstrakte
platonische Ideen uns halten.
Dieses sind die beiden Gegensätze[:] die Auffassung der Partikularität
und die Auffassung der abstrakten Idee von dem Schönen. Der eigentliche phi-
losophische Begriff muß die Mitte sein, beide ohne ihre Einseitigkeit vereini-
gen; mit Bestimmtheit die metaphysische Idee [zu] verbinden, wird fruchtbar
für sich selbst sein. Die Richtungslosigkeit des Empirischen wird wegfallen.
Die Nothwendigkeit des Fortganges geht ihr nämlich ab ebenso wie der meta-
physischen Abstraktheit. Der konkrete Begriff führt allein auf wahre Prinzipien.
Nachdem wir den Begriff festgesetzt, gehen wir zur Eintheilung und zum Plan zur Eintheilung dieser Wis-
Plan des Ganzen, der aus dem Begriff hervorgehen muß in philosophischer senschaft
Wissenschaft und nicht von außen zu nehmen ist. Woher soll der Begriff des
Schönen genommen werden? Ein Anfang ist, den Begriff des Schönen zu be- Begriff der Schönheit kann nicht
angenommen werden
stimmen, [das ist] aber nur Annahme und Versicherung, ein Unmittelbares al-
so, was aber doch erst in Philosophie zu beweisen ist als Nothwendigkeit. Der
Anfang also ist Annahme und dadurch fordert er die Philosophie. Diese
Schwierigkeit ist aufzuheben26. Jede Wissenschaft hat ihren Gegenstand. Daß
solcher Gegenstand ist, ist zuerst zu betrachten, dann, wie soll er beschaffen
sein, d. h. was er ist, ô’ ôß [ƒí] åqíáé.xv Was das Erste betrifft, so pflegt man bei
nicht philosophischen Wissenschaften keine Schwierigkeit zu erheben, wie in
der Mathematik, wo nicht gezweifelt wird, ob ein Dreieck da ist, ebenso in
[der] Physik. – Doch giebt es Wissenschaften wie Psychologie, wo man nicht
weiß, ob es ein Subjektives, von der Materie Verschiedenes giebt. | [6]
Einleitung. III, b, Über das Sein des Schönen und Fortbildung des Begriffes
aus dem Sein; c, über den unwissenschaftlichen Weg, aus der Vorstellung
den Begriff des Schönen herzuleiten; d, Kritik der gegebenen Erklärungen
Ebenso bei allen Wissenschaften, die sich mit Wollen und Empfindungen be- Ob [Gott] der Gegenstand ist
schäftigen. Dann auch in Theologie, wo Gott Gegenstand ist, ob Gott ist, muß-
te bewiesen werden. Daß Gott ist, glaubt man; aber die denkende Reflexion hat
auch ihre Rechte. – In jenen Wissenschaften wird der allgemeine Gegenstand
wie der erstere nicht bewiesen, sondern [auf]gewiesen. Ist der Gegenstand sub-
jektiver Art, nur im Geist vorzustellen, so ist zugleich durch die Geistesthätig-
25 Inhaltslosigkeit] Losigkeit
26 aufzuheben] zu heben
keit dieser Gegenstand hervorzubringen27. Gott wird nur im Geiste erkannt. Re-
flexion tritt dann ein. Denn weil sie in uns sind, diese Gegenstände, ist noch
nicht gewiß, ob sie sind, ob nicht die Ansicht uns allein eigen, und nicht allen,
und ob die subjektive Ansicht die wahre sei. Die Schönheit ebenso muß bewie-
sen werden, ob sie da ist, und nicht bloß subjektive Vorstellung ist.
Soll die Nothwendigkeit des Seins des Schönen gezeigt werden – so muß
den 29/10
man zeigen, daß sie ein Resultat vom Vorhergehenden ist; und daß nur von
Der Inhalt der Kunst gehört nicht
der Ästhetik an, man hat den Be-
Wissenschaft der Kunst dann zu handeln ist, braucht nicht gesagt zu werden.
griff lemmatisch zu nehmen, in- Der Inhalt der Kunst gehört einer anderen Wissenschaft an.xvi In so fern fangen
dem das Schöne ein Resultat von
Vorhergegangenem ist. [wir] mit [einer] Voraussetzung an, die außerhalb unserer Betrachtung liegt.
Lemmatisch nehmen wir den Begriff auf. Das ist der Fall aller besonderen
Wissenschaften der Philosophie. Diese Universalität, die aus sich alles entwik-
kelt, und mit sich zusammenschließt, führt nur zu sich zurück. Ein besonderes
Glied ist dieses darin, aber ein Ganzes für sich, das nur ein Punkt im Kreis des
Ganzen ist, und ein Vorhergehendes und Vorwärts hat. Der nothwendige Zu-
sammenhang erzeugt ein Höheres. Die Idee des Schönen zu beweisen, mußte
man das Vorhergehende abhandeln, aber das Moment ihrer Erzeugung soll an-
gedeutet werden, so wie auch, wohin sie sich forttreibt.
Ein anderer Weg den Begriff Es giebt noch einen anderen Weg, den der nicht philosophischen Wissen-
zu erklären
schaften[,] wo man sich an Vorstellungen hält und sagt, man weiß vom Schö-
nen, es ist, man hat es in sich, und die Vorstellung [– so] aufgenommen – wird
untersucht. Man sucht die Definition, und sieht, welche Vorstellungen vom
Schönen in uns sich finden. Schönes ist einfache Vorstellung. Wir können das
Bewußtsein haben, daß das Schöne nicht so einfach ist, [da] jeder mehrere Be-
stimmungen hat, und diese weiteren Bestimmungen untersuchen wir. Dieses
Wie unsicher dieser ist Verfahren ist unsicher, weil die Vorstellung daher subjektiv ist[,] weil unter
den verschiedenen Bestimmungen das wesentliche unbestimmt ist.
Die verschiedenen Definitionen zu kritisiren gehört nun zur Wissen-
schaft. Vollständig historisch thun wir es nicht, nur wollen wir uns mit den
Elementen bekannt machen, wodurch wir die Vorstellung des Schönen bestim-
men können. Nur einige sind interessant, und nicht die aus der Wolffschen
Schule hervorgegangenen sollen erwähnt werden, wo gezeigt ist, was gefällt
etc. In Ansehung Plato’s haben wir schon gesehen[,] daß nichts Tieferes sich
vorfindet. Die Bestimmung des Schönen von Göthe und Meyer28,xvii und Hirtxviii
soll berücksichtigt werden, auf die die Bestimmungen der Wolffschen Schule
übergegangen sind.
Was die Bestimmung von Hirt betrifft, so hat er in Horen 97. 7. Heft einen
Hirt’s Erklärung des Schönen
Karakteristik Aufsatz: über das Kunstschöne, wo er vom Schönen in verschiedenen Künsten
spricht, und das Allgemeine zusammenfaßt, und [als] die Basis zur Kunst-
schönheit die Karakteristik [an]giebt. Wie ist nun uns damit gedient? Eine
Darauf geht die Karakteristik, daß alles besondere diene, solchen Inhalt auszu-
sprechen, daß alles ein Glied sei in Bezeichnung des Inhalts. Die Grundbe-
stimmung wird noch besprochen. Wird dieses vorgestellt im Drama, so bringen Anwendung dieser Erklärung auf
das Drama
die Menschen es hervor, gegen Hindernisse kämpfen sie, sprechen und essen,
alles hat keine direkte Beziehung auf das andre; alles soll daher abgeschnitten
werden, was den Inhalt nicht ausdrückt, und sich auf ihn bezieht. Alle Umstän-
de sollen Beziehung auf die Hauptsache haben. Nichts soll bedeutungslos sein
in Beziehung auf [den] Inhalt.
Meyer in seiner Geschichte der bildenden Künste in Griechenlandxx diese Meyers Ansicht hierüber
Meinung sei spurlos vorübergegangen, und diese hätte zur Karikatur geleitet,
als ob es mit solchen Bestimmungen zum Leiten der Künstler zu thun wäre.
Bei einer Philosophie des Schönen ist [es] aber nicht darum zu thun, Vorschrif-
ten zu geben, sondern zu fassen, wie das Schöne zu fassen, wie es vorhanden
ist. Das Eigentliche der Kritik besteht darin, daß diese Ansicht das Karikatur- Sie fassen das Karrikaturmäßi-
ge in sich
mäßige unter sich fasse, welches höchst bestimmt ist, jedoch hierbei ist das Ka-
rakterisirende zum Übermaaß getrieben, wodurch ihr wesentlicher Karakter
verloren geht, und denaturisirt wird. Unter Karikatur versteht man auch das
häßliche dargestellt; aber daß das Karakteristische auch häßlich sein kann, be-
zieht sich auf den Inhalt dessen, was zu karakterisiren ist, was aber nicht im
Karakteristischen gesetzt ist, und also nur formal ist. Meyer sagt nun vom
Schönen in Bezug auf Griechenland, doch was er sagt, enthält die Bestimmung
des Schönen überhaupt. Er redet vom Schönen[,] daß es das Ideale sei, von
Mengs und Winckelmann als Prinzip der Alten [bestimmt] sei.xxi Der Unfug,
der mit [dem] Idealen getrieben ist, soll später besprochen werden. Meyer sagt,
er verwirft nicht und nimmt nicht die Meng’sche Begrifflichkeit29 an und folgt
Göthe, der sagt: der höchste Grundsatz der Alten in [der] Kunst war[,] daß das
Bedeutende, das höchste Resultat einer glücklichen Behandlung des Schönenxxii Göthe’s Ansicht: Bedeutsamkeit
Er spricht von einem Prinzip des Urtheilsxxiv und sagt, es sei eine subjektive
Maxime für unsere Urtheilskraft, nicht ein an sich seiendes Wirkliches, son-
dern eine Maxime, nach der wir beim Urtheil verfahren, das Objekt zum Sub-
jekt herabgesetzt.xxv
d. 30/10 Kant betrachtet das Natürliche und Schöne. Vom Grundsatz des Verstan-
Kant’s merkwürdige Verknüpfung
einer allgemeinen Bestimmung des geht er aus. Eine allgemeine Bestimmung wird uns gegeben und ein Subjekt,
und eines Subjektiven. Hieraus das zu beurtheilen [hat]. Seine Eigenschaft wird dargelegt, und eine allgemeine
bildet er ein subjektives Prinzip
des Urtheils. Bestimmung folgt dann. Beides verbindet das Urtheil, Natur- und Kunstschö-
nes, allgemeines und besonderes, das auf eine unmittelbare Weise identisch mit
dem Besonderen ist. Das Vermögen der Abstraktion des Allgemeinen heißt
man den Verstand. Wird das Allgemeine als Regel angewendet, so macht es
sich einzeln erkennbar im Unterschied vom Besonderen. Einen sinnlich be-
stimmenden Verstand nimmt er nun an, und solchen verbindet er mit Allge-
meinem. In Naturprodukten entspricht das Äußere nicht immer30 der Seele, die
sich für sich bestimmt und materialisirt. Das Kunstschöne, sagt er, wird er-
weckt durch Spiel der Erkenntniß,xxvi aber befriedigt durch Kunstschönes. Der
Verstand verhalte sich nicht als erkennend[,] d. h. allgemeine Vorstellung in
Ansehung des besonderen, sondern ohne Begriff, so daß das Allgemeine be-
friedigt wird. Das Kunstschöne ist ein solches, wo Einzelnes dem Begriff wider-
spricht, und zufällig scheint. Die Materie erscheint als freie Existenz, der allge-
meinen Bestimmung angemessen.
Intuitiver Verstand ist enthalten darin, daß das besondere mit Allgemei-
Kants 4 Grundkategorien des
nem verknüpft ist. Wir sagt er, urtheilen hiernach. Er geht das Schöne nach Schönen
seinen Kategorien durch, und giebt in 4 Grundkategorien die nähere Bestim-
mung des Schönen an.xxvii
1, daß das Wohlgefallen am Schönen ohne alles Interesse;xxviii ohne Be- 1, Das Schöne hat seine Bestim-
mung in sich und ist z. B. dem
ziehung auf Wille sei, das Äußerliche hat einen Werth in Beziehung auf unsere Naturprodukt entgegengesetzt.
Bedürfnisse. Der Gegenstand einerseits, und dann noch die Bestimmung, wie
das Allgemeine ist, in mir sich findet. Der Gegenstand der Nahrung ist eines
außer uns, und das Subjekt natürlicher Bestimmung liegt außer ihm. Das Wohl-
gefallen des Schönen ist so, daß die Bestimmung nicht außerhalb ist, der Ge-
genstand ist frei, er sagt uns so, daß er in sich seine Bestimmung habe, welches
sehr wichtig ist. Gegen den Gegenstand haben wir Interesse und das Wohlge-
fallen ist nicht, daß es unsere Bedürfnisse befriedigt.xxix
2, Das Schöne ist das, was ohne Begriff ist, das Objekt eines allgemeinen 2, Das Schöne gefällt, ohne daß
man sich den Grund davon sa-
Wohlgefallens,xxx oder das[, was] allgemein wohlgefallen soll. Das Schöne zu gen kann. Entgegengesetzt dem
genießen, [dazu] gehört Bildung: Das Allgemeine zunächst ist abstraktes. Was Recht.
an und für sich wahr ist, muß allgemein gelten wie Gut und Recht, und Etwas
in einer Handlung ist recht, in so fern sie dem Begriff, den wir von Recht ha-
ben[,] entspricht. Wenn Kant nun sagt, es sei Gegenstand eines allgemeinen
Wohlgefallens, und dennoch keinen Begriffxxxi davon annimmt, so ist dies hier
ganz anders wie bei andern Gegenständen, daß wir Einzelnes Allgemeinem
substituiren. Im Schönen ist also die Trennung des Urtheils nicht vorhanden.
3, Das Schöne hat [die] Form der Zweckmäßigkeit; aber in so fern die 3, Eine Zweckmäßigkeit hat das
Zweckmäßigkeit ohne Vorstellung des Zweckesxxxii eingesehen wird. Das ist Schöne; doch so daß wir nicht
den Zweck berücksichtigen; ent-
dasselbe Verhältniß wie in 2. Der Zweck eines Produkts der Natur ist zweck- gegengesetzt zu dem Natur-
produkt
mäßig an sich. So auch ein schöner Gegenstand, doch wir haben nicht die Vor-
stellung des Zweckes als untersetzt mit der Existenz. | [9]
In der menschlichen Handlung ist Zweck und Materie geschieden. Ein Haus
besteht aus Materie, und der Zweck ist bewohnt zu werden. Worin der Zweck
enthalten ist, geht die Materie nichts an, so wie die Materie nichts den Zweck
Bei dem Schönen kann Zweck angeht. Der Materie des Eisens ist es gleich, zu welchem Zweck man es braucht.
von Materie nicht getrennt wer-
den; durch das Eine besteht das Getrennt ist also Zweck und Materie. Beim Schönen ist es nicht so, der Zweck
Andere; geht [der] Zweck ver-
loren, so geht auch die Materie
[ist] nicht getrennt von dem, wodurch der Zweck realisirt ist. Zweck des Kör-
unter. Entgegengesetzt dem pers ist Lebendigkeit; er ist in allen Gliedern des Körpers. Geht der Zweck ver-
Zweck [ist] die Materie.
loren, bleibt das Glied nicht, und verliert die Eigenschaft seiner Materie. Hier
ist also im Lebendigen der Zweck mit Materie so vereint, daß das äußerliche
nur durch den Zweck ist, in so fern der Zweck in ihm ist.xxxiii Das Schöne hat
also diese Form der Zweckmäßigkeit, die als zweckmäßig ersehen wird aber
[so,] daß es eine immanente Natur der Sache ist. Wenn die Materie ihren31
Zweck hat, so ist Zweck außerhalb derselben; aber im Lebendigen ist Zweck
Die Materie hat äußere, Schön- an ihm selber. Es giebt also einen innerlichen und äußeren Zweck, den Aristo-
heit innere Zwecke
teles schon geschieden [hat].
4, Das Schöne gefällt nothwen-
4, Das Schöne ist Gegenstand eines nothwendigen Wohlgefallens, dem
dig, es ist eine Wirkung, ohne kein Begriff ist.xxxiv Die Nothwendigkeit enthält, was eine Ursache hat, die ohne
daß man die Ursache sagen kön-
ne. Entgegengesetzt dem Guten Wirkung nicht denkbar ist. Das Schöne hat Nothwendigkeit in sich; aber ohne
z. B.
Begriff, ohne Verstandesbestimmung. Was uns wohlgefällt als32 Regelmäßig-
keit, so gefällt es uns als der Begriff und Nothwendigkeit, z. B. die Fenster,
weil sie gleich sind. Das Schöne gefällt uns, weil mehr als solche bestimmte
substanzielle Einheit in uns ist. Es gefällt uns, und [ist] dennoch nothwendig
ohne sich auf Abstraktes zurückführen zu lassen.
Das Schöne nach Kant verbin- Was allenthalben hier gesagt bei Kant ist, ist Ungetrenntheit dessen, was
det alle Gegensätze, die in uns in unserem Bewußtsein als verschieden vorhanden ist. Im Schönen sind die
sind.
Gegensätze aufgehoben. Das Schöne ist Allgemeines und Besonderes, Äußer-
liches und nicht getrennt, sondern auf eine Weise, wo beide Bestimmungen
sich verbinden.
Dieser Begriff des Schönen wird erweitert, wenn wir betrachten, daß das
Stellung des Schönen in den
Kreisen der Bedürfnisse der gei- Schöne im Ganzen der geistigen Welt eine besondere Stellung hat, und dadurch
stigen Welt.
seine Nothwendigkeit. Die philosophische Deduktion des Schönen enthält sie.
Diese Stellung des Schönen soll noch besprochen werden. – Das Schöne hat
ein Vor und ein Nach sich. Große Kreise giebt es, wie des physischen so des
geistigen Bedürfnißes, auch z. B. das System des Gewerbes, Schiffahrt, ist ein
großer Betrieb; das System des Rechtes, Gerichte etc. [gehören hierzu], wo
31 ihren] seinen
32 Folgt unleserliches Wort; vielleicht zu lesen nothwendige
lich, etc., sie hängen also äußerlich zusammen. Auf die innere Nothwendigkeit
gesehen, so ist ein Kreis eine Vervollständigung des Anderen, in einem liegen
höhere Weisen der Thätigkeit, die die in andern ergänzen, und Befriedigung
gewähren. Das ist die innere Nothwendigkeit. | [10]
Den Begriff des Schönen haben wir gegeben; es ist Inhalt, ein Schönes ist der Schönes ist Inhalt, dessen Aus-
druck ein Scheinen ist.
Ausdruck dieses Inhalts; und dieser Ausdruck ist durchdrungen von ihm; alles
bezieht [sich] auf die Darstellung des Inhalts. Was wir Inhalt genannt [haben],
das ist das Einfache, die Sache auf ihre geringsten Bestimmungen zurückge- Einheit in Mannigfaltigkeit
bracht. Den Inhalt eines Buches geben wir in wenigen Worten, und im ganzen
Buch muß nicht mehr als ein Inhalt liegen. Das Thema ist [das] Wesentliche.
Inhalt als Einfaches ist beschrieben wie daß es das Abstrakte ist, die Ausfüh-
rung ist konkret. Das Regelmäßige ist auch Einfachheit; eine gerade Linie hat Regelmäßigkeit ist auch Ein-
fachheit; aber hier ist Einheit
nur eine Richtung. Viele Säulen haben eine Bestimmung. Eine Gleichheit; Drei- auch in Bestimmung wie im
Kreise.
eck ist eine Bestimmung. Eine krumme Linie, die mehrere Richtungen hat, und
unregelmäßig ist, hat mehr Bestimmung. Ist sie regelmäßig, als Kreis, so ist eine
Bestimmung der Gleichheit des Radius. In der Ellipse ist nicht diese Regelmä-
ßigkeit; jeder Punkt hat eine andere Entfernung, also große Mannigfaltigkeit.
Dessenungeachtet ist die Ellipse eine regelmäßige Linie, und alle Punkte sind Mannigfaltigkeit in Bestimmung
ist in der Ellipse
durch eine Bestimmung bestimmt. Einheit also in Mannigfaltigkeit. Nicht die
formelle Gleichheit wie im Kreis, und deßhalb ist diese Gleichung von höherer
Ordnung. Das ist die Einheit der Bestimmung. Die Wellenlinie ist als Bild der
Schönheit gegeben.xxxv Die Sylben beim Wort sind abstrakte Einheiten. Die
Mannigfaltigkeit ist davon verschieden. Abstrakte Einheit und Mannigfaltig-
keit liegen außer ihr.
Bei diesen Unterschieden ist noch zu bemerken, daß sie nicht gleichgültig Unterscheidung des Inhalts und
der Ausführung.
gegen einander sein sollen. Gleichgültig sind zwei gegenüberliegende gerade
Es soll der abstrakte Inhalt ver- Linien33. Der Inhalt gilt auch für sich. Er mag ausgeführt werden oder nicht.
körpert ausgeführt werden.
Jedoch soll das Abstrakte Einfache ausgeführt sich die Mannigfaltigkeit und
Realität geben. Die Bestimmung des Sollens tritt dann ein. Der Inhalt soll aus-
geführt; das Abstrakte verkörpert werden, und die beiden Seiten neben und außer
einander sollen nicht gleichgültig sein. Eines heißt dann subjektiv, nämlich das
Einfache; das Entgegengesetzte ist objektiv, und es soll nun das Subjektive ob-
Gegensatz, der dadurch entsteht jektiv gemacht werden. Das Gefühl ist subjektiv, und dieses soll objektiv wer-
den. Unser Leben, das physisches und geistiges Leben [ist], beruht hierauf, daß
solche Gegensätze sich bilden, und diese aufzuheben, ist unser Interesse. Bei
Wunsch, das Subjektive zum
Neugierde, haben wir das Interesse, diese zu befriedigen, das heißt das Subjek-
Objektiven zu machen in phy- tive zum objektiven zu machen. Das Subjektive hat eine Bestimmung; aber es
sischer und geistiger Welt
fehlen ihm auch andere, und diese geben wir ihm [als] das Objektive. Das Essen,
Begierde ist in uns, subjektiv, und [das] macht ihren Mangel aus, und Leben-
digkeit der Natur bleibt nicht darin; zum Dasein wird der Trieb, wir essen, und
dann ist das Subjektive zum Objektiven gemacht, so daß eine subjektive Ob-
jektivität entsteht. Dieser Gegensatz als solcher, in so fern die Bestimmung in
Einheit, die subjektive Form da ist, zeigt Mangel und Schmerz. Der Mangel
Steter Gegensatz des Subjekti-
ven und Objektiven geht im Subjektiven selbst hervor. Sehe ich Speise, will ich es gern essen. Ein
Stein wird nicht hungern, sodaß in mir die Abstraktion entsteht, und auf sub-
jektive Weise hervorgeht. Der Inhalt ist in uns, Essen etc.; aber eine Schranke
und Negatives ist in ihr, ein Mangel. Man empfindet es, und weiß es, und denkt
es, und [es ist] für mich ein Gegenstand gegen mich. Für den Stein ist es keine
Schranke, wenn man ihn zerschlägt; aber für mich ist es ein Mangel, weil ich
die Vorstellung des Gegensatzes hatte. Vorrecht des Geistes ist es, Schmerz zu
empfinden. Übel ist daher in der Welt vorhanden. | [11]
Widerspruch in geistigen Wesen Der Stein muß den Widerspruch nicht ertragen; eine Säure am Kali stumpft
ist zu ertragen
sich ab. Aber das Lebendige muß den Widerspruch ertragen, das Lebendige geht
zwar zu Grunde. Von diesem Widerspruch soll später die Rede sein. Viele wol-
len den Widerspruch nicht ertragen können.
Aber dieser Widerspruch muß aufgehoben werden; das Subjektive muß
objektiv werden, und im Essen hebe ich die Einseitigkeit auf. Ich bin dann ein
Affirmatives. Befriedigung heißt dieses. Das wesentliche im Widerspruch ist,
sich zum Affirmativen zu erheben. Das ist das Abstrakte überhaupt, diesen Ge-
gensatz aufzuheben, das Subjektive objektiv zu machen, und beides zu versöhnen,
ist abstrakt. Eine unendliche Mannigfaltigkeit des Inhalts ist in dieser Subjekti-
vität. Der höchste Inhalt im Subjektiven ist Freiheit, den sie sich durch sich
selbst giebt. Freiheit ist einfach auch dem Inhalt nach, näher bestimmt, wird Freiheit als höchster Inhalt des
Subjektiven
man zum Vernünftigen, Moralischen [gelangen]. Das Denken ist Thätigkeit der
Freiheit, das Reine bei sich selbst sein. Die Sittlichkeit des Gedankens ist die
eine Seite. Das höchste Bedürfniß ist, daß die Freiheit in der Naturnothwendig-
keit befriedigt sei. d. 3/11
Das Gebiet der Freiheit ist das Geistige. Je reiner das Geistige, je reiner Befriedigung derselben höch-
stes Bedürfniß.
die Freiheit. Diese ist das Abstrakte34 gegen [die] Fülle des Materiellen. Das
Abstrakte des Geistigen hat die Freiheit als Wille, und die Gesetze des Willens,
das Gute, und das giebt sich für absolut; Recht und Pflicht z. B.. Die Pflicht be-
ruht so auf sich, daß man sie um ihrer selbst Willen thun soll.xxxvi Die Pflicht Pflicht den Trieben entgegen
steht dem Herzen und Trieben entgegen. Diese machen das konkrete Herz des
Menschen aus. Diese Gegensätze sind es, welche das Interesse des Menschen
ausmachen, und zum Widerspruch übergehen35 und zum Kampf, der nicht aus-
gemacht worden zu sein scheint. Alle Sehnsucht des Geistes bringt ihn hervor
diesen Gegensatz. Das Thier ist mit sich zufrieden. Ein Amphibium ist der Der Mensch ist sonach eine Art
Amphibium
Mensch, einer Zweiheit gehört er an, und ist nicht fähig, in Einem oder Ande-
rem sich zu befriedigen. In der Wirklichkeit versinken wir und erheben uns zur
Freiheit des Gedankens, wir werden von Empfindung ergriffen, gestürzt in Ma-
terie; aber der Gedanke erhebt sich in [die] Welt der Freiheit. Diesen Gedanken
belebt die Wirklichkeit, und das allgemeine Abstrakte macht er lebendig. Im
Reiche der Pflicht braucht [man] nicht des Herzens. Also ein steter Gegensatz
in Wirklichkeit, der sich gültig macht, und von Gedanken erkannt wird. Die
Philosophie ist es, die diesen Gegensatz in seiner36 Allgemeinheit auffaßt, wie
er ist.
Befriedigungen sucht der Mensch; er findet sie; sie sind relativ; die Phi- Befriedigung, wie findet man
sie?
losophie giebt sich dazu, stufenweise geht sie die Befriedigung durch. Nichts
hilft es, satt zu sein; deßhalb ist die Befriedigung relativ. Die theoretische Befrie-
digung ist in Kenntnissen, im Denken; wo das Draußen nicht vorkommt, ent- Befriedigung in Kenntnissen
gegen seinem Innern, da ist ein Gegensatz. Wir sind abhängig, wo das Draußen
ist, und die Wißbegierde überhaupt sucht sich den Inhalt dieser Welt [zu] eigen
zu machen. Das Gesetz der Sonnenbewegung ist eine äußerliche Weise des
Seins. Weiß ich sie, so habe ich den Inhalt, und ich bin frei gegen diesen Inhalt;
ich bin befriedigt. Befriedigung des Willens, der Begierden, gehn darauf, daß Befriedigung der Begierde
die Freiheit wirklich sei. Ich will meiner Freiheit Dasein geben, andere achten
diese meine Freiheit und das Meinige, weil es Mein ist, und achten meine Freiheit
im Besitze durch Anerkennung. So ist das Leben im Staat eine Befriedigung, die
Freiheit der Vernunft. Willkür, Verbrechen zu begehen, ist auch Freiheit aber
eine unvernünftige. | [12]
Sind die Gesetze vernünftig, und ich gehorche, so habe ich Freiheit, die ich be-
relative Befriedigung friedige. Diese Befriedigungen alle sind zugleich relative Befriedigungen; Auf-
lösung des Widerspruchs von Freiheit gegen Äußerlichkeit; aber Auflösung,
die eine Seite hat, die endlich ist, und deßhalb negativ und widersprüchlich ist;
diese Befriedigungen sind also relative. Im Staatsleben ist die höchste Befrie-
digungsweise der Weltlichkeit, daß ich meine Persönlichkeit anerkannt sehe;
aber ich habe Eigenthum, es wird respektirt. Dieses ist ein beschränkter Gegen-
stand. Aber der Inhalt ist beschränkt, wenn ich auch das Äußere habe. Das Ge-
fühl meiner Persönlichkeit ist darin; aber dennoch ein beschränktes Gefühl. So
sind diese Befriedigungen relative.
Alle Befriedigungen von dieser
Der Inhalt sind einzelne Gegenstände, und sind dabei noch immer relati-
Art sind mangelhaft ve und beschränkt. Wenn auch Befriedigungen auf allen Stufen statt finden, so
bleibt jede37 doch nur mangelhaft. Wir fühlen die Pflicht gegen [den] Staat; d. i.
ein consequentes System; aber diese Verpflichtungen reichen nicht hin, das
Zusammenleben des Menschen zu erhalten. Sie haben in Überzeugung, Religion
eine Sanktionierung. Gewissen und Recht ist beschränkt, da Gegensatz da ist.
Ich bin frei, dagegen zu handeln.
Die höchste Auflösung des Ge- Gegensätze sind Grundbestimmung alles Interesses. Daß immer noch ein
gensatzes ist in höchster Wahr-
heit zu suchen Widerspruch bei allen Befriedigungen ist, sahen wir; deßhalb ist die höchste
Auflösung in höherer Region zu suchen; in der höchsten Wahrheit. Die Wahrheit
kann auch beschränkt sein. Wenn ich Gegensätze befriedige, so habe ich Wahr-
heit; essend befriedige ich Hunger, d. i. subjektiv und deßhalb mangelhaft; da38
Ich nicht als Subjekt bin, suche ich Auflösung dagegen, und ich suche die
höchste Wahrheit zur Bestimmung des höchsten Widerspruchs.
Freiheit und Nothwendigkeit ge- Der Gegensatz der Freiheit und Nothwendigkeit ist, aufgelöst jedes für
trennt sind nicht Wahrheit sich, nichts wahres, weder Freiheit noch Nothwendigkeit. Freiheit nimmt man
für sich und Nothwendigkeit. Aber dieses wird widerlegt auf eine mehr oder
weniger bewußte39 Weise. Bei solchem Extreme bleibt man nicht stehen; dann
zeigt die Philosophie ihre Unwahrheit, und daß ihre Wahrheit in Harmonie liege.
Das gewöhnliche Bewußtsein kann in Verzweiflung darüber gerathen,
oder wirft sich weg, oder hilft sich auf eine eigene Weise. Die Philosophie faßt
37 jede] sie
38 da] daß
39 eine…bewußte] einem…bewußten
sie nach Gedanken und Begriff und Wesen, und hat man [den] Begriff, so hat
man Inhalt. Versöhnung, d. i., daß sie an sich in Wahrheit sich nicht widerspre-
chen. Diese Einsicht, die allgemein zu machen, das Denken ausbilden, ist Sache
des Bewußtseins, der höchsten Wahrheit, der Religion oder40 der Philosophie.
Die Religion enthält die absolute Wahrheit und höchste Befriedigung, die Religion und Philosophie
Auflösung der Widersprüche. Jenseits der Region dieser Auflösung werden
diese Freiheit und Nothwendigkeit für absolut gehalten. In der Versöhnung
hebt man ihre Einseitigkeit auf.
Wahrheit für Vorstellung und Gedanken, Seeligkeit was wir nennen, die-
ser Region gehört die Religion an. Sie ist die allgemeine Weise für Wahrheit
im Geiste, wo allgemeine Ruhe sich findet. Aber sie hat verschiedene Formen
fürs Bewußtsein. Was man glaubt, weiß man auch, ist Gegenstand des Bewußt-
seins, und so weiß [man] diese Wahrheit. Eine dieser Weisen der Wahrheit ist
Kunst.
Bei der Philosophie ist die Frage, ob der Begriff an sich ist, und ob die d. 4/11
Existenzen nicht auseinander zu sein scheinen, die zum Geist gehören, z. B.
das Lebendige ist Subjektives; es ist aber auch Prozeß und verhält sich zur un-
organischen Natur, [hat] also absolut wesentliche Beziehung der Innerlichkeit,
[ist] ein Individuum; dann erscheint es in Beziehung auf äußere Natur. | [13]
Diese Beziehungen außer einander machen einen Begriff aus. Der Begriff ist
nicht als Subjektives, sondern wie er existirt, enthält Beziehung außer einander.
Der Begriff, die Wahre Existenz muß berücksichtigt werden, ob sie vereinige
die subjektive Einheit selbst. Fürs Bewußtsein ist dieses die höhere Region der
Wahrheit. Allgemeines nicht bloß abstrakt, sondern ein Konkretes, eine wahr-
hafte Wirklichkeit stellt sie dem Bewußtsein in der Religion wesentlich vor.
Der Mensch kommt durch sie zu seinem Wesen. Diese Einheit, absolute Hal-
tung vor allem Besonderen, kommt zunächst zum Bewußtsein in [der] Religi-
on. Die näheren Formen sind dreierlei. Diese können wir voraussetzen, oder sie
im Bewußtsein haben.
1, Unmittelbare Anschauung, Gefühl, Empfindung, Anschauung, Äußer-
liche Sinnlichkeit.
2, Form der Vorstellung, diese unmittelbare Bestimmung im Anschauen
ist in sich hier, und hat ihren41 Inhalt in sich; nicht mehr empfunden sondern
vorstellend in ihm selber zeigt er sich. Reflexion tritt ein, denken, doch ohne
feste Bestimmung, vermischt mit dem Inhalt der Vorstellung, der Anschauung,
also eine Vermischung der Anschauung und [des] Denkens.
3, Form des reinen Denkens, des Begreifens, das sich selbst bestimmende
Denken, der Geist in seiner Freiheit. Das Bestimmte ist nicht gegeben, sondern
Bestimmung macht den Inhalt aus, wird zu dem Stoffe, das Denken wird frei,
und entwickelt seine Bestimmungen aus sich.
Die Wahrheit nun erscheint auch in diesen drei Formen des Bewußtseins
für das Bewußtsein. Die Eine erhält sie in Form der Kunst, die andere in Reli-
gion, die 3te in Philosophie. Die Kunst hat also Inhalt der absoluten Wahrheit,
Befriedigung des Geistes, seeligen Empfindungen des Geistes; denselben In-
halt haben Religion und Philosophie. Eine Sphäre ist also in allen dreien For-
men. Kunst, Religion und Philosophie in ihrer Wahrheit aufgefaßt; wir müssen
noch bei Seite setzen, wie sich die Kunst unserem Bewußtsein giebt42, wie sie
in ihren Formen sich zeigt. Alle Form der Kunst kann man auf alles anwenden,
so wie die Formen der Religion. Überall kann man fromm sein. Die Bewohner
des Nordens beteten, Gott solle Schiffe stranden lassen. Tilly war fromm in der
Eroberung der Stadt Magdeburg.xxxvii Bei allem kann man philosophieren. Alles
sophistisch beweisen kann man auch so, wie man im Schlechten fromm sein
kann. Die Kunst kann auch zur Form für irgend einen Inhalt gebraucht werden.
Davon nun abstrahiren wir hier. Wir nehmen sie als wahren absoluten Inhalt,
wie er dem empfindenden Bewußtsein erscheint. Ebenso soll in der Religion
diese Seite der Anschauung betrachtet werden. Die Religion kann auch speku-
lativ betrachtet werden, so wie also das Denkende Denken. Geist am reinsten
bei sich ist in Religion. In der Andacht kommt man zum Denken. Andererseits
bedient sie sich auch der Kunst in Beziehung auf Empfindung, Verbildlichung
für Phantasie, so daß die Elemente als Anschauung genommen sind. Der Reli-
gion bedient sich die Kunst, wenn sie selbst einen höheren Standpunkt ge-
nommen [hat]. Wo die Kunst in ihrer höchsten Vollkommenheit ist, enthält sie
die höchste Exposition der Wahrheit wie in der griechischen Kunst das Göttli-
che vorgestellt wurde durch Phantasie. Die spätere Religion entbehrte mehr
oder weniger ihre Gestaltungen. Die Weise des Bildlichen ist überwiegend und
hauptsächlichst und unentbehrlichst, deßhalb bei Griechen die Dichter und
Künstler Lehrer des Volkesxxxviii in Religion waren. Homer und Hesiod haben
den Griechen ihre Götter geschaffen,xxxix d. h. die bestimmte Vorstellung vom
Göttlichen gegeben und den Inhalt der Religion. | [14]
Einleitung IV. 6, Über das Verhältniß α, der ersten Stufe zur zweiten:
Kunst und Religion; β, der ersten Stufe zur dritten: Kunst und Philosophie
Die Künstler haben das Göttliche zur Vorstellung gebracht; daß die Verständi-
gungen und Lehre selbst von den Dichtern in die Bilder eingekleidet wird, muß
man nicht denken, so wie es mit Physik im Allgemeinen geschehen ist, wo die
Sätze, Inhalt, abstrakt, prosaisch gegeben wurden43, dann wurde auf äußerliche
Weise der Schmuck hinzugetan. Ebenso haben die Priester in Mysterien die
Lehre abstrakt gewußt, dem Volke gaben sie die Bilder von diesen Mysterien.
Nicht also daß man denke, daß die Dichter religiös denkend, diese abstrakten
Gedanken vor sich gehabt und so geschmückt vorgetragen, sondern daß sie den
Inhalt der Wahrheit herausgearbeitet, um sie zu ihrem und anderem Bewußt-
sein zu bringen. Das ist die Stellung der Kunst, wie sie eigentümliches Bedürf-
niß44 des Geistes gewesen ist, und in sofern sie mit ihrem Inhalt die höchste
Weise war, sich klar zu werden über [das] Absolute des Geistes, so hat sie ihre
höchste Vollendung in solcher Zeit haben müssen.
Indem wir Inhalt und Weise der Gestaltung getrennt, und den Inhalt als
Wahrheit bestimmt haben, so wissen wir, daß die Wahrheit als eine ist, und die
andere Seite, die Form muß nun dem Inhalt entsprechen, und ihn ausdrücken,
so daß wir den Ausdruck als bedeutenden und charakteristischen sehen. Hier-
nach scheint es, daß die Vollkommenheit der Kunst darin bestehe, daß die Form
dem Inhalt entspreche, und daß das Formiren das höchste der Kunst sei. Die
Form gehört zum Inhalt, und je vollkommener sie ist, desto konkreter ist der
Inhalt, so ist ein wesentliches Moment im Inhalte.
Die Fortbildung des Inhalts bildet sich durch die Form nicht fest. Dem- d. 5/11
selben Inhalt haben einige Völker eine schöne Form gegeben, andere nicht, wie
[die] Inder. Diese Völker scheinen die Schönheit der Form näher gekannt zu
haben; aber das ist gewiß, daß die anderen Völker45 den Inhalt noch unbestimmt
und formlos als Inhalt gehabt haben; daß [sie] den Inhalt einer Wahrheit auf
niederer Stufe gehabt haben und nicht die Wahrheit selbst. Der Inhalt, wenn er
gestaltlos ist, kann keine Form, die vollkommen ist, haben. Je vollkommener
die Form, desto gewichtiger der Inhalt. Die Bestimmtheit der Form ist auch
Bestimmtheit des Inhalts.
Die Stellung der Kunst in der Totalität des geistigen Lebens und [der]
Wissenschaft mag hiernach bestimmt sein. Es ist auch gesagt, [daß] die Erhe-
bung aus der niederen Region die relative Befriedung der Kunst ist. Sie hat
auch ein Nach, zu dem sie übergeht, als zu ihrer Wahrhaftigkeit, so daß sie
selbst in ein Höheres übergeht. Sie ist ein Beschränktes selbst in ihrer Sphäre,
und dieses bestimmt die Stellung der Kunst für uns, indem wir über die Kunst
43 wurden] wurde
44 Bedürfniß] Bedürfnisses
45 die anderen Völker] sie
hinaus sind,xl indem das Substanzielle sich herausarbeitete sich sinnlich zeigt
für Bild, Vorstellung. Das ist das Moment der Unmittelbarkeit, das wesentliche
Material, wo Wahres sich zum Bewußtsein bringt. Daß Inhalt mit Form sich
bestimmt, so auch die Wahrheit in Kunst in ihrem46 anschaulichen Moment der
Unmittelbarkeit, so daß Inhalt noch nicht zum Geistigen gereinigt [ist], und die
Vorstellung von Gott ist noch nicht die wahre, indem sie sich des Bildlichen
bedient. Eine Vielheit entsteht hier, das Viele und Außer-Einander gehört dem
Äußerlichen an und die Vielheit ebenso. Die Wahrheit dieses Elementes macht
einen Inhalt des Göttlichen selbst aus, aber noch nicht des wahrhaft geistigen,
und nicht für den Gedanken als solchen ist die Kunst eine47 eigenthümliche
Weise, über der noch ein höheres steht, daß Gott im Geist als Geistiges gedacht
werden soll. Gegen sie richtet sich der Gedanke also. Wir wissen, daß die jüdi-
sche und mohammedanische Religion kein Bild von Gott duldet, und also diese
Weise von Kunst verworfen [hat].xli Ebenso haben Xenokratesxlii und andere
Weise gegen Vorstellung der Kunst sich gestemmt und gesprochen. | [15]
Einleitung IV. 7, Über die Vernichtung der Kunst auf dem Standpunkte
der dritten Stufe und Erklärung der Blütezeit der Kunst bei Griechen
und in dem 15ten Jahrhundert
Die Menschen, sagt er, stellen sich Gott als Mensch vor; ebenso haben noch
andere gedacht, wie Plato, der Dichter aus seiner Republik verbannte,xliii weil
ihre Vorstellung von Gott ihm nicht gefiel, weil sie künstlerische Darstellungen
sind, und so hat er sich48 gegen Kunst erklärt. Es tritt bei einem Volke die Zeit
ein, wo die Kunst blüht, aber sie überlebt sich, wie in der christlichen Welt, wo
das positive Element die Äußerlichkeit ist, Christus als Gottmensch von Men-
schen umgeben, wo das Moment der Unmittelbarkeit enthalten ist. Deßhalb hat
die Kunst sich in ihr ausgebildet. Die Malerei vornehmlich im 15en und 16en
Jahrhundert hat deßhalb diese Höhe erreicht wie die Kunst zu Perikles Zeit.
Aber Plato stand gegen sie auf, und ebenso hat die Wissenschaft und Geistig-
keit sich49 von [der] Kirche getrennt, die in ihrem Schoß die Kunst nährte. Die
Reformation führte zur Vorstellung des Inneren des Gemüthes zurück, und
[hat] sich von Sinnlichkeit abgewandt, dem Elemente der Kunst. Dieses ist also
nach der Kunst. In der Form des Geistigen findet sie Befriedigung. Die sinnliche
Weise ist vollendet und bestimmt durch die Äußerlichkeit. Die unvollkommene
Kunst läßt ein Ahnen über, da der Inhalt nicht vollendet ist zum Anschauen,
und ist deßhalb mysterieux. Sie läßt die Sehnsucht zurück. Hingegen die voll-
46 ihrem] ihr
47 eine] ist
48 so hat er sich] sich so
49 sich] hat sich
endete Kunst stellt den Inhalt vollkommen dar, wo [das] Gemüth sich befrie-
digt; aber der Geist stellt sich ihr entgegen, und das ist das Nach der Kunst und
das ist die Stellung der Kunst für unsere Zeit, daß wir das Bewußtsein von
Kunst haben. Die Kunst wird immer vollkommener werden, aber diese Vollen-
dung kann sie nicht erreichen, wo die Form nicht das höchste Bedürfniß für
[die] Vorstellung ist. Unsere Bildung ist von verständigen Verhältnissen von Ka-
tegorien des Gedankens und Reflexion durchdrungen. Diese Form50 des Gedan-
kens ist das Prosaische. Die Bestimmung von Kraft, Grund und Folge sind
Kategorien, Weisen des endlichen Denkens, machen die Seele des Bewußtseins
aus. Für uns ist die Kunst also nicht Bedürfniß. Die Wahrheit ist für uns zu su-
chen im Inhalt und Form des Geistes. Vor Gottvater und Pallas dargestellt beu-
gen wir nicht mehr die Knie, sie mögen noch so vortrefflich dargestellt sein.
Das poetische Gemüth kann jetzt nicht mehr ganz von ihr befriedigt werden.
Die Schranke der Kunst liegt nicht in ihr, sondern in uns.
Das bisher gesagte mag Einleitung sein zu unserer Wissenschaft. Diese
Einleitung kann nicht wissenschaftlich sein, und nur angenommenes enthält sie.
50 Form] Formen
I, allgemeiner Theil,
II, besonderer Theil, III, individueller Theil
I, Von dem Idealen, II, Formen des Schönen nach Form und Inhalt,
1, symbolische, 2, klassische, 3, romantische Kunstform.
Char[akter] der 1ten und 2ten wegen des Unpassenden: der Form
zur Unbestimmtheit des Inhalts und nach Vollendung der Form
zur51 Beliebigkeit des Inhalts
51 zur] nach
52 dem] folgt unleserliches Wort, vielleicht Doublette zu dem
prägt, unangemessen dem, dessen Bedeutung es sein soll, [so daß es] als ein
zerschmettert Gefäß erscheint. Die andere Weise, die hier eintritt, ist, daß die
Naturanschauung gelassen wird, genommen wird wie sie ist, daß aber solche
Gestaltung erklärt [wird] und eine innere Bedeutung enthält, die höher, witziger
ist, z. B. die Fabel, welche ein Naturvorhandenes wie [eine] moralische Seite
giebt, d. h. [ihm] Bestimmtheit der Wesentlichkeit des Willens [unterschiebt].
Solche Bestimmungen werden mehreren Naturerscheinungen gegeben: Diese
Kunstform heißt also symbolisch, wo Erhabenheit aus dem53 Substanziellen
sich gestaltet, wo alles bizarr, geschmacklos fortgeht, oder dem Seienden eine
höhere Bedeutung giebt. Das Symbol enthält Gestalt und Bedeutung, so daß54
beides getrennt ist, die Bedeutung sich nicht im Außen zeigt. Eine Suche nach
Gestalt ist hier herrschend. Die orientalische Kunstform überhaupt ist eine un-
vollkommene, weil das Innere noch in sich formlos ist.
Die zweite Kunstform ist die klassische, die freie, die adäquate Darstellung
des Inneren in dem Äußeren. Wesentliche Bestimmung ist, daß das Ideal und
seine Erscheinung erreicht sind, eine vollkommene Angemessenheit herrscht,
und dadurch erreicht ist, daß die menschliche Gestalt in der höchsten Vollen-
dung von Kunst erreicht wird, das Substanzielle zugleich subjektiv ist, Geist,
die wahrhafte Substanz ist [das] Geistige. Wie das Geistige auf sinnliche Weise
und bildlich anschaulich gemacht werden kann, ist nur in menschlicher Ge-
stalt | [17] möglich.
Die menschliche Form wird dahin gebracht, ein Substanzielles vorzustellen, je-
doch nicht so, daß dieses Substanzielle zufällig ist, sondern das höhere, Wahr-
hafter Geist, welcher auf sinnliche Weise in Kunst darzustellen ist, so daß55 das
Geistige in menschlicher Gestalt erscheint. Thier und Pflanzen haben nicht
Geist, deßhalb ist jene Vorstellung nicht zufällig. Die Seelenwanderung ist ab-
strakte zufällige Bestimmung, und die Physiologie mußte [anderes] zu ihrer
Bestimmung haben, weil das Animalische bis zur menschlichen Gestalt fortge-
hen muß. Das Substanzielle ist also Geistiges, und dieses soll anthropomorphi-
stisch dargestellt sein. Die Vollendung soll später beim Ideal besprochen
werden, daß56 Geistiges conkret als erscheinend, frei in sich und existirend, in
menschlicher Gestalt dargestellt sei, damit der Geist als partikulärer auch sei.
Das ist die Bestimmung des Klassischen, daß das Innere dem Äußeren gleich
[sein] kann. Die 3te Kunstform ist [die] romantische, wo das Geistige darge-
stellt wird nach seinem Wesen nur als Geist, nicht sinnlich; über die Kunst
wird hinausgegangen, innerhalb der Kunst ist romantische Kunst. Die klassi-
sche Kunst hat alles erreicht, aber sie hat eine beschränkte Seite, daß das Wahre
zu seiner Realität ein Sinnliches genommen hat; aber man geht über Sinnliches
hinaus, und die Innerlichkeit des Geistes, der in sich ist, nur so sich scheinen
läßt im Äußeren, daß er dieses ausdrückt im Äußern und als in sich zurückge-
kehrt, frei in sich seiend. Das Äußerliche hat in sich die Erhabenheit und das
Scheinen des Seeligen. Etwas Werthloseres wird sie. Sie wird nicht das Element
des Geistigen, sondern sie tritt in Kampf mit dem Geist, das Äußere wird zufällig,
willkührlich, abentheuerlich, und Gemüth versöhnt sich mit sich. Das Innere
tritt in Kampf mit dem Äußeren, welches nicht adäquat ist, und das Unschöne
tritt nun ein, indem das Schöne innerlich mit sich selber zu versöhnen sucht.
Beider Seiten Versöhnung wird gesucht, und deßhalb das Äußerliche Preis ge-
geben.
Diese 3 Grundformen sind zu betrachten, die sich auf die beiden Momen-
te des Idealen beziehen, die Substanz und Realität. Im 3ten [Theil] sind die Ar-
ten der Kunstwerke enthalten, nicht Seiten, sondern Einzelnheiten, Ganzes.
Die Künste wurden57 eingetheilt, um die empirische Mannigfaltigkeit in
Arten und Gattung zu bringen. Diese Weise ist nicht unser Verfahren, indem
wir philosophisch zu Werke gehen, und nicht alles Zufällige und Schlechte prä-
tentiös machen[,] aufgenommen zu werden. Man hat die Kunst [auch] nach
dem Material, Stein, Metallen, Farben, eingetheilt. Einerseits ist Material äu-
ßerliche Seite, wo Zufälligkeit auch zwar eintritt, aber die äußerliche Beziehung
muß eine Qualität für sich haben, um fürs Innere gebraucht zu werden; ande-
rerseits ist auch es zufällig.
d. 7/11 Es ist nun zu bestimmen, welche Kunstwerke zusammen einen Kreis bil-
den. Die ersten werden dem Unmittelbaren angehören, dem Äußerlichen,
[dem] was es ist, [und] nicht frei ist. Dieses Äußerliche, [Un-]Freie, ist die un-
organische Natur, was seinen Zweck in Beziehung auf ein anderes hat. Dieses
entspricht der symbolischen Bestimmung. Die zweite ist das Kunstwerk als
solches für sich, wo das Insichseiende das Äußerliche sich angeeignet hat als
Ausdruck seiner selbst: Gleichgültigkeit ist nicht vorhanden, sondern innere
Bestimmtheit ist vereint mit Äußerlichkeit, in welche jene getreten ist. Das
dritte ist [das] Innere, ist als solches für sich, nicht in Äußerlichkeit ergossen,
sondern als Subjektivität in sich gekehrt, | [18]
58 ihre] seine
59 weil] daß
60 nach] ist nach
lerei ist dieses, die Partikularität des Gemüths und Empfindung. Der Architektur
ist die Farbe gleichgültig. Das plastische Kunstwerk hat zu seiner bestimmte-
sten Erscheinung das Einförmige, Marmor, Metall. Der Ton ist die Weise der
Subjektivität, und zwar das abstrakte Tönen, Klingen als solches, das Erzittern
des Materiellen an sich, das Sichlosmachen des Ideellen vom Materiellen. Tönen
hat Zeichen von Vorstellung, Empfindung; das Sinnliche[,] was vorkommt[,] ist
als räumliche Bestimmung und reines Material, Ton und Farbe. Die Kunst ist
für [den] Sinn des Gesichtes und Gehörs, [dies] sind theoretische, nicht prakti-
sche Sinne, nicht so, daß das Individuum am Gegenstand eine Veränderung
macht, ihn zerstört. | [19]
Das Kunstwerk ist nur für [die] Sinne des Gesichts und Gehörs; Geruch ist
praktisch, wenn Duft da ist, der zerstört wird, indem er in Luft sich verbreitet61.
Ebenso ist im Gefühl [Tastsinn] ein Widerstand der Materie und im Geschmack
ist chemische Auflösung, so daß man mit Recht diese praktische Sinne nennen
kann. Der Ton ist Zeichen von unbestimmten Vorstellungen. Das dritte der sub-
jektiven Bestimmung ist Tönen als ausdrückliches Zeichen der Vorstellung, das
ist Poesie, ihre Rede, die sich auf sinnliche Weise erscheinen läßt. Diese Totalität
des Raumes ist in einen Raum übergegangen, der unruhig ist, außer einander;
aber das Tönen als artikulirte Sprache entspricht der Vorstellung und [dem] Ge-
danken. Das ganze Reich der Kunst ist dieses hier angegebene.
Die Kunst als Äußerliches ist Architektur; objektive Kunst ist Skulptur;
subjektive Kunst ist Malerei, Musik, Poesie. In Poesie sind 3 Bestimmungen
auch, wovon später. Die vollkommenste Kunst ist Poesie. Sie ist Äußerung des
Geistes als Vorstellung des Freiesten, des Inhaltreichsten, was allen Inhalt in
sich verbinden kann.
In [der] Architektur ist Centralpunkt die symbolische Kunst; im klassi-
schen62 ist Skulptur am meisten vollendet, und in romantischer [Kunst] die Mu-
sik, Poesie, Malerei.
Erster Theil
Kenntnisse von dem Ideal.
1, Ideal als solches und 2, die Bestimmtheit des Ideals als solches
sind hierher zu rechnen, und drittens sollen die Bestimmungen der Entfaltung
des Ideals63 besprochen werden: Ideal als solches, Idee als solche.
Ideal ist zunächst objektiv. Von [der] Idee ist diese Bestimmung gegeben. Es d 10/11
ist der Begriff der Realität angemessen, der Gegenstand, der dargestellt ist;
Seele und Realität ist Leib; es ist nun zu begreifen, daß die Leiblichkeit in der
Seele dargestellt ist. Die Handlung ist Begriff und Inhalt oder Bedeutsames.
Dieser Begriff muß nur so erscheinen als der Inhalt ist. D. i. der Begriff, die
Idee, Begriff und Realität gehört dazu. Idee kann man auch Wahrheit nennen,
wenn die Darstellung der Vorstellung entspricht, denn das ist so das Wahre.
Wahrheit ist dann aber subjektiv. Aber wir nehmen die Wahrheit als objektiv,
daß es die allgemeine Wahrheit sei. Eine richtige Vorstellung von einem Ge-
genstand kann Wahrheit sein, aber der Inhalt kann unwahrhaft sein, daß die
Realität von der64 Vorstellung verschieden ist. Die Idee ist also das Wahrhafte,
Wirkliche, in so fern das Innere dem Außen entspricht. Verbrechen ist That,
aber nicht Wirklichkeit, ungeachtet es existirt; durch Strafe wird es richtig.
In Beziehung der Idee auf Kunst, so ist sie verschieden von der Idee im
gewöhnlichen Leben. Ich habe keine Idee von dieser Sache, wo es für subjekti-
ve unbestimmte Vorstellung genommen ist. In der Kunst nach einer Idee arbei-
ten, so hat man sich in dieser sehr bestimmt erklärt. In Rumohr’s Italienischen
Studien,xlv einem der gelehrtesten Kunstkenner unserer Zeit, der die reichste
Nachforschung gemacht hat, sind die ersten Abhandlungen über Schönheit
überhaupt. | [20]
63 Ideals] Ideals zu
64 von der] durch Tintenklecks verdeckt
Seine Polemik ging vom praktischen Interesse aus. Er hatte die Vorstellung in
sich, die in praktischer Hinsicht jene vor sich hatten, und zu welchen Abwegen
sie gelangen. Die Polemik beruht auf Mißverständnissen, indem er seine Vor-
stellung in fremdem Ausdruck nicht erkennt. Er spricht gegen die Idee, als gegen
etwas Unbestimmtes. Er ist unbekannt mit der philosophischen Bestimmung
der Idee. Er spricht von der Idee als unbestimmter Vorstellung, daß die Künst-
ler eine Idee vor sich haben sollten und nach ihr arbeiten. Ist diese Idee unbe-
stimmt, so kann aus dem ganzen Buch nichts herauskommen, wie [wenn] der
Künstler nach unbestimmter Vorstellung arbeiten will. Die Naturwahrheit
macht er gegen dieses Unbestimmte geltend. Bei uns ist die Idee Etwas Be-
stimmtes aber, und von unbestimmter Vorstellung im Künstler geht das nicht an,
wie wir es in [der] Philosophie bestimmt haben.
Die Idee nun im Denken ist als existirend überhaupt das Leben, [das]
Wahre. Wir sprechen in diesem Sinn vom Leben der Erde, Sonne, des Anima-
lischen, des Menschen und Geistes, der lebendig in sich selbst ist. Gott ist [das]
höchste Leben, das sich ewig realisirt und schafft sich selbst. In diesem Schaf-
fen seiner selbst ist er stets bei sich selbst. Durch ihn ist die Existenz seiner
selbst gesetzt und diese Bestimmung zeigt ihr außereinander nur als Schein
seines in sich selbst Seins. Leben ist also Idee überhaupt, ein Begriff also, der
entfaltet ist, wie im System der Sterne, die als Individuen erscheinen. Das Leben
ist schön als solches. Das Leben und Schön ist gleich und das Lebendige ist
schön. Der sich äußernde Begriff ist Schönheit. So ist Leben als Idee in seiner
Wahrheit das Schöne; das Wahre als solches ist Form des Schönen, beide haben
denselben Inhalt, nur daß die Wahrheit den Inhalt für Gedanken, das Schöne
den Inhalt für die Anschauung giebt. Die Schönheit ist also auch geschieden
von der Wahrheit. Das ist der bestimmte philosophische Begriff des Schönen,
und so ist es zu fassen, wie es vom Gedanken gefaßt werden soll.
Herr von Rumohr sagt (145f): Schönheit im allgemeinen Verstand faßt
alle Eigenschaften [in] sich, welche den Gesichtssinn anregen, und durch ihn
die Seele stimmen und den Geist erfreuen. Eine wirke auf das sinnliche Auge,
dann auf den eigenthümlichen Sinn für räumliche Verhältnisse (wie Bestimmt-
heit des Maaßes, Symmetrie), und die 3te Eigenschaft geht auf Verstand und
Gefühl; sie sei die wichtigste (ein unbestimmtes Prädikat), welche auf Formen
beruhe, die unabhängig sind vom sinnlichen Verhältniß (vom Maaße, etc), ein
gewisses sittlich-geistiges Wohlgefallen erwecken, und dieses gehe hervor
theils aus Erfreulichkeit der Vorstellungen, theils aus dem Vergnügen, welches
deutliches Erkennen wie Vergnügen erwecken.xlvi
Diese Weisen können uns nicht befriedigen, denn die wesentliche Be-
stimmung, die 3 Eigenschaften, und weitere Kategorien des Wohlgefallens, in
denen sie reflektirt werden, gehen65 auf Erwecken von Erfreulichkeit, [diese
Kategorien] hat schon Kant entfernt, indem [er] vom allgemeinen Wohlgefal-
len spricht66, ohne daß es prätentiös ist, allgemein zu gefallen.xlvii Wohlgefallen
etc. sind Kategorien des Gefühls, welches bestimmt ist als angenehmes Gefühl.
Aber abstrakt ist die Zustimmung. Der Inhalt des Gefühls ist[,] was Gefühl
zum Gefühl macht, und das ist Zweck des begreifens. Diesen Inhalt nun des
Gefühls zu expliciren, muß man tiefer eingehen, und auf Gefühl nicht sich be-
schränken. Gefühl ist subjektiv. | [21]
Mache ich einen Gegenstand zu dem Meinigen, so ist er in meinem Ge-
fühl, wie Religion, Vorstellung von Gott, und es gehört mir an. Ist das meine
Gesinnung für immer und [wenn es] meinem Charakter angehört, so ist es in
meinem allgemeinen Selbstgefühle, im Herzen, und das ist das Subjektive,
worin alles Mögliche sein kann. Meine religiösen Gefühle können falsch sein,
wie die der Alten, und es kommt nun auf den Inhalt an, der im Gefühl ist. Der
Verbrecher hat auch Gefühle, seine Rache, Noth, und es kommt nun auf den
Inhalt desselben an: Das Gefühl ist eine Form, die alles in sich aufnehmen
kann, was wahr sein kann, und nicht; diese Form ist abstrakt, und [das] Wohl-
gefallen ist noch unbestimmt.xlviii Mangel an Kategorien ist ihre Abstraktheit
und Oberflächlichkeit. Bestimmtheit im Gefühl muß Inhalt sein, und dieß muß
durch den Gedanken bestimmt werden.
Der Fortgang ist dieser, daß die Subjektivität in sich enthält ein Leben d. 11/11
von vielen Einzelnheiten, die Allgemeines ausmachen, so daß das Besondere
auch negirt wird. Negativität entsteht also hier und Unendlichkeit. Die End-
lichkeit beschränkt, wird begrenzt durch eine Schranke, hingegen die subjekti-
ve Einheit ist diese negative Bestimmung auch, aber nicht in Beziehung auf ein
Anderes, sondern in Beziehung auf sich selbst. In der höchsten Form heißt die-
se Negativität Freiheit. Ich ist die absolut negative Einheit, und nach dieser ist
das Leben Lebendiges; diese Unendlichkeit des Ich und Freiheit ist bei sich
selbst und bedarf keines Andern, also hat keine Schranken. Das Leben ist we-
sentlich Lebendiges. Durch diese Einheit ist Leben Wirklichkeit. Das Leben an
sich existirt nicht; erst das Lebendige, diese Bestimmung macht es zur Wirk-
lichkeit. Die Idee ist nun wesentlich Subjektiv. Diese Einheit ist wesentliche
Forderung am Schönen und Kunstwerk; Kunstwerk ist seelenlos, wenn nicht
eine Bestimmung da ist, von der alles abhängt. Indem das Leben Lebendiges
ist, existirt es, und diese Einheit bezieht sich auf Schönheit. Das Sonnensystem
ist Idee, Körper sind es, die zur Schönheit gehören. Seine Realität sind die
65 gehen] geht
66 spricht] entspricht
Himmelkörper, aber es ist nicht lebendig, (denn sagt man, es lebe, so ist es eine
abstrakte Bestimmung.) Die Bewegung der Körper liegt im Begriff, aber dieser
beseelt sie nicht, so daß sie eine Einheit ausmachen, also leben sie nicht. Die
Pflanze, Thier, Mensch ist ein Subjekt. Was man als Thier unterscheiden kann,
ist im Begriff, und so daß sie als besondere nicht erscheinen. Das Schöne ist als
subjektive Einheit. Aber hier ist es, wo sich Schönheit vom Lebendigen sich
trennt, das Schöne ist eine subjektive Einheit[:] als Ideal zu fassen.
Lebendiges ist Subjektives, einzelnes. Als Solches ist es Daseiendes, mit
der Einzelnheit ist es gesetzt, umschließend gegen andere selbstständige als
Subjektive; der Mensch ist Geist, Leben, Subjekt, vernünftig als Geist. Er ver-
hält sich zu Andern, und somit tritt die Endlichkeit des Subjekts ein, und das
kommt, was die Prosa des Lebens ausmacht, und es ist nun zu sehen, wie sich
das Schöne67 so verhalten soll, ohne in dieses Leben zu fallen. Das Schöne als
solches ist nun Ideal.
Daß das68 Leben als Subjekt [ist] und sich zu Andern verhält, darin liegt
Abhängigkeit aller Art. Indem der Mensch wirklich ist, so kennt die Natur Schön-
heit eine Beziehung, die nicht wahrhaft auf sich selbst sich bezieht, sondern
[auf] Anderes. Das Einzelne Lebendige ist abhängig von Anderm, das einwirkt
auf das existirende Individuum. | [22]
Andere Bestimmungen sind daher in ihm, als durch den Begriff gesetzt
sind. Der Mensch ist in diesem oder jenem Klima, das Einfluß auf ihn hat;
[das] Menschenbild wird dadurch verändert und [die] Farbe. Hier wird Etwas
an ihm gesetzt, was nur durch sein Lebendigsein nicht allein hervorgebracht
ist, sondern ein Anderes. Nahrung hat Einfluß auf ihn, mangelhafte oder reich-
liche wirkt auf ihn. Bewegung nützt oder schadet ihm in physischer Constituti-
on. In der Gesellschaft befindet sich der Mensch. Hier ist ein Gemeinsames
überhaupt Zweck, und dieses Gemeinsame und seine Geschäfte werden durch
den Gedanken scharf unterschieden69 und getheilt, so daß dem Individuum vom
Ganzen nur That [zugehört] und ein Partikel zum Theil wird. Die Handlung ist
Eine, durch ein Subjekt hervorgebracht und sollte auch dann einem Subjekt
ganz angehören; aber [nur] ein Theil gehört ihm. Im Krieg thun die Herren al-
les; im Staate hat jeder sein Geschäft; jedes Individuum handelt in Gesell-
schaft, die aus unendlich vielen Theilen besteht, so daß das Individuum unle-
bendig ist, indem es nicht den Zweck vollführt. Nicht von einem Individuum
geht der Krieg aus. Einer giebt Befehl; andere führen ihn aus, und ihnen gehört
nicht der Entschluß. Ein Ganzes wird also zersplittert, und dieses ist der
Grundbestimmung des Schönen entgegen, daß alle Mannigfaltigkeit durch eine
Seele zur subjektiven Einheit bestimmt wird.
Das Denken tritt nun ein von solchen Verhältnissen[,] die Beziehung auf
Anderes haben. Gedanken kommen, die nicht endlich sind, aber endlichen In-
halt haben. Individuelle abstrakte Kraft ist [in] der Äußerung enthalten, also ist
auch hier ein Inneres, Kraft, und in ihr ist Äußerung. Eine Trennung also von
Allgemeinem und Besonderem. Es sind auch hier zwei Verhältnisse der End-
lichkeit, indem die Kraft als Bestand vorgestellt wird. Wir sind voll von solchen
Verhältnissen, die Äußerlichkeit und Endlichkeit enthalten. Die Ausbildung der
Subjektivität auf Anderes dagegen giebt dem Endlichen das praktische Leben
der Abhängigkeit und des Denkens.
Hiervon ist verschieden und höher gestaltet in den Sphären ein Anderes.
Die Unwahrheit ist [in] dieser Sphäre, da nicht vom Innern alles gesetzt ist, da der
Begriff nicht mit Wirklichkeit vollkommen übereinstimmt. Die andere Sphäre
erhebt sich über Vielfalt, über Verwickelung. Das ist, was im Schönen bewirkt
wird, welches das Wesen [der] Schönheit in sich ist, nicht abstrakte Schönheit.
Das Aufheben dieser Endlichkeit ist Ideal oder überhaupt Schönheit.
Das Wort Ideal hat Unbequemlichkeit, [hier] muß man sich Etwas vorge-
stellt haben, was nicht zu erreichen ist. Es ist das Schöne. Zunächst ist Ideal,
Schönheit ein vom menschlichen Geiste Geborenes, an sich schön wie das Le-
bendige; befangen von allen Seiten kann der Geist es aus der Befangenheit ent-
reißen. So entsteht das Kunstwerk. Diese Freiheit des Schönen, Seeligkeit des
Idealen in sich, kann man nach 3erlei Bestimmungen durchgehen. Nach Hei-
terkeit, Ironie, und Natur.
Eine Zusammenstimmung mit sich selbst im besonderen ist Ideal. Nicht d. 12/11
als existirende Lebendigkeit, sondern als Lebendiges aus dem Geist in seine
Unendlichkeit zurückgeführt [und] gehalten werden. Es ist ein in sich Genü-
gendes und in der Befriedigung Fortgesetzes, das ist Heiterkeit: Ernst ist das
Leben, heiter die Kunst, sagt Schiller.xlix
Man spöttelte darüber, daß die Kunst heiter ist. Die Kunst ist auch so
ernst, und so war es auch Schiller, aber dieser Ernst ist heiter. Die Bestimmung
der Freiheit und ihren70 Triumph als conkrete Freiheit | [23] finden wir in anti-
quer, ernster Ruhe. Eine Ruhe, die auch dazu getrieben sein kann, auf die ab-
strakte Spitze sich zurück[zu]ziehen. Wenn die Heroen dem Schicksal unter-
liegen, so behauptet sich ihre Freiheit. Wenn vollkommene Zerrissenheit seiner
Existenz entstanden ist, und zwar [in] seinem Inneren ein Riß entstanden, so
kann das Gemüth, dadurch daß es so ist, sich in das Einfache bei sich selbst zu-
rück [ziehen], und das Subjekt bleibt sich selber getreu, es giebt alles auf, sein
Leben, und behält sich selbst, verliert sich selbst nicht. Der Mensch[,] der vom
Schicksal unterjocht wird und umkommt, verliert sein Leben, nicht seine Frei-
heit. Diese Befriedigung in sich selbst ist nicht nur so seine Freiheit, sondern
Heiterkeit, wie [die] der griechischen Götter. In modernen Zeiten geht die Ent-
70 ihren] sein
zweiung weiter; tiefer ist der Gegensatz; der Schmerz dringt tiefer ins Innere,
der Geist vertieft sich mehr in sich, und das Negative ist also ein höheres Lei-
den. Aber in diesem Schmerze soll sich der Mensch zusammenhalten, frei in
vollkommener Abhängigkeit sich bewahren. Der Mensch ohne Haltung ist wi-
derlich und lächerlich. Das Kind so rathlos weinend macht uns lächelnd, weil
es so haltungslos ist, und weil kein Geist im Inhalt ist. Das Lächeln ist der an-
dere Ausdruck einer Befriedigung, die71 sich ausläßt.
Die Heiterkeit ist Lächeln in Thränen; eine Aussöhnung in der Qual mit
sich ungeachtet des Unversöhntseins des Daseins. Wie war sie in Thränen
schön, heißt es beim Dichter,l wie wird sichtbar die Aussöhnung mit dem Lei-
den. Das Lachen, wie der Lachchor im Freischütz,li ist haltungslos, nicht Aus-
druck der Haltung. Heiterkeit ist es, wenn die ewigen Götter in ihrer Ruhe über
Wolken, wie sie nur die Lerche erreicht72, lachen. Diese Seeligkeit ist Grund-
zug in dem Kunstwerk. Von ihr müssen sie durchdrungen werden. Diese innere
Versöhnung hat den Charakter der Freiheit, der Sicherheit hier selbst, der
Treue und Rechtschaffenheit selbst, wie in altdeutschen Gemälden, es drückt
die Versöhnung des Gemüths aus; aber zum Gefühl der Lust geht es nicht.
Schmerz des Gemüthes wird ausgedrückt in schönen Tönen der Musik, so daß
Lust ist, so zu klagen; nicht ein Schreien, sondern ein Zurückgekehrtsein, [das]
sich zu vernehmen Lust hat, wie die Lerche in den Lüften. Diese Seeligkeit des
Sich zu vernehmen ist Kunst, wie in italienischer Malerei. Diese Freiheit ist al-
so Grundzug des Idealen.
In dem Gesagten, daß im Element eine andere Bestimmung vom Gegen-
stand liegt, liegt die Ironie, ein vornehmes Princip der Ästhetik. Sie hat [eine]
praktische Seite und bezieht sich auf Kunst. Dieses Wort pflegt gewöhnlich
vornehmlich gebraucht zu werden.
Die Ironielii ist aus Fichtischer Philosophie geflossen,liii nicht unmittelbar,
sondern aus einer Wendung derselben, der Schellingschen Philosophie,liv be-
sonders in ästhetischer Ansicht, im Schiller.lv Das Ich ist das absolute Prinzip
der Fichteschen Philosophie, welches abstrakt ist, frei, aber abstrakt frei in Ne-
gation alles Besonderen; in ihm ist der Inhalt untergegangen; alles Bestimmte
wird nur gewußt, indem es durch Ich gesetzt ist. Das Bewußtsein von Recht ist
nur vom Ich gesetzt. Dieses ist dem An und für sich entgegen, wo es nicht ein
Gesetztes ist. Wie Fichte es weiter fortsetzt mit Inhalt, und wie er das Setzen
von Allem consequent verfolgt, [dieser Frage] sind wir enthoben. Ist aber aller
Inhalt durch Ich gesetzt, so bin Ich Herr alles Göttlichen als meines Produktes,
vor dem Ich keinen Respekt zu haben brauche. D. i. das bestimmte Prinzip der
Ironie, die Ironie in ihrem wesentlichen Gedanken. Ungebundensein und sich
binden, so daß man sich aus seinen Banden schaffen kann. | [24]
Alles ist Schein, in so fern Ich es zerstören kann. Ich thue alles als ein
ðïéçôçò, ein lebendiger Künstler, der alles setzt, eine Gestalt, die in meiner
Gewalt ist, aber nicht in meinem Ernste ist. Wahrheit ist eine Sache; aber
Nichts hat die Bestimmung einer Sache hier, das An und für sich ist. Es ist
Formalismus meines künstlerischen Ichs, so daß mit keinem Inhalt ich es ernst
meine, indem ich die Sache von mir wieder trennen kann. Ein Künstler im Le-
ben zu sein, ist die Sache des Ichs, so daß alles Geschaffene wieder Nichts sein
kann. Dieses Ich soll das Göttliche sein. Alle Sachen sind Schein. D. i. die
praktische Ironie, von Friedrich von Schlegellvi erfunden; er führte die Fichte-
sche Philosophie auf seine Weise fort.lvii Edlere Naturen, die auch auf diesen
Standpunkt gefallen sind, sind zu Lehrheit der Sache, Scheu vor Wirklichkeit
hingegangen, wie Novalis.lviii Sie wurden zur Schwindsucht des Geistes ge-
schraubt, und deßhalb war die Sehnsucht das Höchste, im Nicht wirklichen
Produciren; die Sehnsucht, die sich nicht herabläßt, um sich nicht zu verunrei-
nigen mit Sachen. Höher steht diese als jene Scheinbildung. Dieses Prinzip ist
zugleich als höchstes für die Kunst aufgestellt worden. Das Individuum ist zum
Künstler erhoben in seinem Leben von allem, was er als Schein für andere dar-
stellt. Das innere Subjekt ist dadurch aus sich heraus. Das Gesetz der Kunst ist
das des Individuums, das Göttliche, die Ironie darzustellen, das Große und
Herrliche, die Sache, als Nichts zu wissen und zu behandeln. –
Es73 ist die absolute Negativität, die sich auf sich bezieht, die als Princip
herausgehoben ist.
Betrachten wir die Produkte aus diesem Prinzip hervorgegangen, so soll
das die Ironie sein, daß irgend Etwas als schön, groß anfängt vorgestellt zu
sein, aber daß darauf folgt, daß dieses Schöne sich wieder vernichtet, daß [das]
Große so schlecht ist, daß das Schlechte groß ist. Die Ironie hängt mit [dem]
Komischen zusammen, aber das Komische muß darauf beschränkt sein, daß
das Vernichtete eine Grille, Caprice, Leidenschaft ist, was An und Für sich als
Sache Nichtiges ist; so aber ist es nicht bloß das Nichtige, was sich als nichtig
manifestirt, sondern daß alles Gediegene sich vernichtet. Die Produkte haben
das Unkonsequente, Unkünstlerische, Haltungslose. Sie bewirkten, daß das Pu-
blikum die Ironie an ihnen ausließen, da es ein Gehaltvolles sein will, nicht
Charakterloses.
Solche, die das Wort im Munde geführt, Tieck74,lix Solger,lx haben den-
13/11
noch grosse Kunstwerke betrachtet und gesucht, daß das Wort nicht ihnen in
den Mund kommt. Wenn Tieck über Romeo und Julia spricht,lxi so sollte man
glauben, hier sei der Ort, wo von Ironie zu sprechen ist, weßhalb die Ironie hier
so vortrefflich ist, aber bei solchen ächten Kunstwerken erinnern sie sich
nicht[,] jemals ein Prinzip über Ironie gegeben zu haben.
Zum 3ten Punkte gehen wir. Vom Verhältniß des Ideals zur Natur.
73 Es] Sie
74 Tieck] Tiek
Was wir Ideal genannt, ist gediegener Inhalt, der sich darstellt in Äußer-
lichkeit und Besonderheit, aber diese hält er so in sich, daß die bloße Äußer-
lichkeit vernichtet ist, und nur das Innere Gediegene in ihr liegt, und das
Moment der Negation; darin ist die Seite der Äußerlichkeit, das Innere für das
Innere in Ansehung für den Sinn und [die]Vorstellung. In didaktischen Hym-
nen, welche auch Kunstwerke sind, ist Bildliches untergeordnet. Aber von sol-
chen Extremen ist noch nicht zu sprechen.
Die Bestimmung der Äußerlichkeit giebt das Moment des Natürlichen.
Die Gestaltungen sind auf natürliche Weise wie sie uns Natur darbietet gebil-
det. | [25]
Dieser Gegensatz ist besonders wichtig geworden durch Winckelmann,lxii
der das Ideale der Form herausgehoben [hat]. Seine Begeisterung ist an das
Werk gegründet, und auf bestimmte Weise hat er ihre Anerkennung in die Welt
eingeführt. So wie man vor seiner Zeit die Raphael’schen Werkelxiii [als] die Un-
vollkommenheit der Kunst anerkannte, und Raphael nicht zum Muster nahm.
Man hat durch seine Geistigkeit eine neue Kunstkenntniß veranlaßt, neue An-
regung gegeben und die Ansicht auf andere Standpunkte gestellt. Aus dieser An-
erkennung des Idealen ging eine Sucht nach idealischer Darstellung hervor, die
das Schöne suchte, aber in Unlebendigkeit verfiel sie, und Rumohr hat das vor
Augen, indem er gegen Ideales schreibt.lxiv Dieser Fehler ließ das Altitalienische
und Altdeutsche als Vorbild vorgestellt [werden,] mehr als in den Idealen vorge-
schwebt. Das Interesse der Theorie ist es mehr[,] diese Principien und Mißver-
ständnisse aufzulösen. Grundsätze fürs Praktische kann man nicht geben.
Schlecht malt man beim Idealischen Vorbilde und beim altdeutschen Vorbild.
Die Malerei und Poesie hat man besonders vor Augen, besonders die er-
ste, wenn man es mit Anschauung zu thun hat. Die Architektur nimmt nicht aus
der Natur ihre Formen, und nimmt sie sie von der Natur, so ändert sie sie. Bei
Poesie wird nicht so bestimmt wie bei Malerei die Natur nachgeahmt, indem
sie sich75 aus dem Geiste ihre Stoffe nimmt, und deßhalb nicht ihre Formen aus
der Natur entlehnt. Die Frage [ist] nun wie Ideal und Natur [sich zueinander
verhalten;] kann man in Prosa und Poesie einen76 Gegensatz setzen, daß Prosa
natürlich ist, was unmittelbar ist, und doch zugleich Kunstwerke enthalte. Poe-
sie und Prosa unterscheiden sich mehr, die Kunst soll Poesie enthalten. Aber
dieser Ausdruck Poesie kann zum Abwege führen, indem man eine solche Dar-
stellung meint, wie sie der Poesie eigen ist. Sagt man[,] daß ein Kunstwerk
poetisch sein soll, so kann man für Malerei falsche Darstellung und Inhalt
nehmen. Lyrische Poesie kann leicht Moment dazu geben, und es entsteht ein
großer Nachtheil für Malerei.lxv
Die formelle Idealität liegt erst in Poesie, sie wird von Menschen ge-
macht aus der Vorstellung heraus, ein Schein vom Geiste, vom Menschen ge-
75 sich] sie
76 einen] in
macht. Eine Befriedigung entsteht dadurch, der Inhalt mag sein, was er will. Er
mag ein allgemeines uns interessirendes sein. Sehen wir niederländische Maler,
so malten sie Spieler am Tische, Frauen in Attlas, so interessirt uns der Schein,
der hervorgebracht, wo Natur es nicht hervorbringt, diese Seide, Wein etc,
welches in Natur Etwas materielles ist, aber so in Lokalität erscheint; die Her-
vorbringung ist Etwas Ideales; nur Farben, eine Dimension des Raumes, Flä-
che, braucht er. Der Gegenstand ist die Natur selbst nur für ideellen Sinn,
Gesicht und Gehör. Die Natur braucht sie in den mannigfaltigsten Entwicklun-
gen, aber abstrakt von allen Anstalten und Bedingungen der Realität, und [so]
stellt [sie] sich selbst dar. Die Mitte bringt sie vor, das Materielle und Subjektive
steht jedes als Extrem für [die] Darstellung. Diese Abstraktion ist erste Idealität.
Wenn etwas noch so natürlich ist gemalt, so ist diese Idealität darin. Sie gehört
nicht der Natur an, von natürlicher Wahrheit ist sie abstrahirt, in so fern ein
Mensch auf einer Fläche sein soll. Durch den Geist und seine Vorstellung wird
Etwas fixirt, was in der Zeit verschwindet[,] in der Natur, das stellt er als dau-
ernd dar. Diese Idealität der Zeit gehört dem Geist an. Wir bewundern die hol-
ländischen Fenster, Lichter, daß sie jetzt so sind, daß der Bauer diesen Aus-
druck in Mienen hat. Die Mienen sind vergangen, hier sind sie festgehalten,
worin äußere Befriedigung und die Grösse der Meister liegt, es ist nicht natür-
lich und dauert. | [26]
Hierin liegt also auch Idealität. Das Interesse ist nicht, daß die Gegen-
stände natürlich sind, sondern daß sie natürlich gemacht sind. Das ist die erste
formelle Idealität. Eine zweite Bestimmung ist die Form der Allgemeinheit
überhaupt. Sie ist nicht auf natürliche Weise vorhanden. Was existirt und äußer-
lich ist, ist schlechthin einzeln nach allen Punkten; die Vorstellung nun hat die
Bestimmung der Allgemeinheit in sich, was aus ihr [hervor]geht, erhält den Cha-
rakter der Allgemeinheit überhaupt. Eine Abweichung von der Natur ist, daß das
Kunstwerk aus dem Geist [hervor]gegangen sein soll. Dieser Charakter betrifft
auch den Inhalt zugleich, den wir vorher aus den Augen gelassen als gleichgül-
tig, indem er nur ein Gemachtes sein sollte. Was die Allgemeinheit betrifft, so ist
in Natur alles auf Einzelnes bestimmte; die physische Lebendigkeit ist vorhan-
den; aber hierzu soll das Kunstwerk nicht gehen, bei menschlichem Gesicht und
Hand gesehen, so ist die Haut voller kleiner Linien, Härchen, ein Aussatz von
feinen Linien, so wie ein altes Gemälde kleine Sprünge hat, ebenso Pockennar-
ben, wie man sie auf berühmten Bildern vollkommen natürlich findet; aber kein
Mensch hat Freude an solchen Bildern; – Muskeln müssen auch im Menschen
sein, der Maler muß sie andeuten, aber nicht in physischer Lebendigkeit. Der
Geist muß das Überwiegende sein, und nicht trägt der Ausdruck der Adern und
Härchen dazu bei. Deßhalb entsteht der Charakter der Allgemeinheit, welche
von natürlichen Einzelheiten ablässt.
Wenn auch die Physiognomie im Porträt dargestellt wird, so müssen d. 14/11
doch diese Einzelnheiten fortbleiben. Geschmeichelt muß also das Bild sein,
durch Vorstellung natürlich ist, daß der Name gegeben wird, diese Natürlichkeit
ist doppelt, daß Ideales ausgedrückt wird, und die Natürlichkeit wäre allgemei-
ne Existenz. Unerträglich und matt wäre es die Einzelheiten nach der Natur
aufzuzählen. Für Tag müßten wir [etwas] sagen, daß keine Stunde übersprun-
gen wird. (3 Jahre und Gänse im Don Quixote).lxvi
Eine Kunst ist abstrakter als andere, so wie die Skulptur [abstrakter ist]
als Malerei; das Epische [ist abstrakter] als [das] Dramatische [in Hinsicht] auf
die Scene, und dieses ist idealer als Drama, da wir hier alles vor uns sehen; da-
gegen ist Drama idealer als Epos, weil der Sänger selbst singt, dort der Dichter
andere agiren läßt.
Das Geistige ist das Natürliche in anderm Sinne. In der Darstellung der Indivi-
duen nach Physiognomie ist Natur, aber nicht Geist aufgenommen: und daher
sagt man81, also die Natur ist schon das Idealisirte, ist Leib bestimmt [durch]
das Geistige. Die Todten erhalten in ihrer Physiognomie die Züge ihres Kin-
desalters. Leidenschaft und Empfindung[,] Gewohnheit des Thuns, der thätige
Mensch und sein Charakter und Willen, alles ist entflohn; die Unbestimmtheit
der kindlichen Physiognomie erscheint. In den Zügen macht der Stand einen
Unterschied. Hier heißt die Natur ein durch den Geist bestimmtes, idealisirt;
hier tritt82 die Freiheit nicht der Gegensatz der Natur und des Ideals ein. Was
durch die Natur idealisirt wird[,] ist besprochen und wenn nicht, was ein höhe-
res Ideal ist, hat Rumohr besprochen. Er sagt, daß man oft von gemeiner Natur
spricht, ist verächtlich;lxvii die gemeine Natur, schlechte Zwecke in sich habend,
ein Kreis von Leidenschaften und Nützlichkeit können auch vom Künstler be-
handelt werden. Aber der Künstler kann nicht verlangen, daß man den Inhalt
hoch stellen soll. Ein Interesse ist daran befriedigt. Spricht man von gemeiner
Natur, so fallen die Gemälde der niederländischen Schule uns ein. Die Hollän-
der haben es in diesem Genre der Malerei selbst weit gebracht. Der Stoff ist je-
doch nicht so gemein, als man ihn gewöhnlich nimmt. Diesen Stoff haben die
Niederländer aus ihrem Leben genommen, und es als Präsentes dargestellt, was
ihnen angehörte. Sie haben das Ihrige zum Zweck ihrer Darstellung gehabt,
und diese Freude wollten sie am Gemälde haben. Das Ihrige geht aus der Ge-
schichte hervor. Sie haben sich den Boden, auf dem sie lebten, zum Theil selbst
gemacht, und erhalten ihn noch gegen das Meer und seine Stürme. Aber von
der spanischen Herrschaft haben sie sich befreit. Die Bürger und Bauern haben
sich politische Freiheit und religiöse Freiheit gegeben. Die Religion und Frei-
heit [haben sie] durch ihre Thätigkeit und Geist im Kleinen und Großen, im
Wollen, sich allen weltlichen [Wohlstand] durch Tapferkeit und Ausdauer [er-
worben]. Wir sehen das alles ist das Ihrige, die tapfere Bürgerlichkeit, Heiter-
keit, Wohlstand, Nettheit, Frohsinn aus dem Bewußtsein ihrer selbst hervorge-
gangen, ist kein gemeiner Stoff und Gehalt. Im Rembrandt, wenn die Bürger
mit den Soldaten sich vereinen83, so ist der allgemeine Stoff auf die vortreffliche
Weise behandelt.lxviii Hier ist gemeine Natur und der Geist[,] in ihr ist nichts
gemein; auf unserer Ausstellung ist anderer Stoff vortrefflich gemalt, aber
nicht84 die Freiheit des niederländischen Styls erscheint da. | [28]
d. 17/11 Es giebt viele Bilder von einem Spanier Murillo, der Betteljungen mal-
te. Diese sehen zerlumpt aus, eine Mutter laust das Kind, das abgerissen ist,
lxix
also gemeine Natur ist dieses. Aber aus den Gesichtern blickt solche Frohsin-
nigkeit, Gesundheit, Unbekümmertheit, daß diese das Ideale in sich tragen, ei-
ne Unbekümmertheit und Frohsinn über Gesundheit; keine Trägheit ist in ihnen
zu sehen, so daß man glaubt, aus solchen Jungen wird alles werden können.
Raphael hat einen Kopf eines jungen Menschen gemalt, der kein heiliger ist,
[uns] aber doch so anzieht wegen seiner Frohheit, ohne zu lächeln, so sehr aus
dem Geiste geprägt, daß man nicht davon kommen kann.lxx Die Frohheit muß
als Idealer Stoff angesehen werden, der wahrhaft ausgedrückt wird.
Die Frohheit ist Harmonie des Menschen mit sich, ohne Stumpfheit, und
kann ernsthaft werden. Es ist nun [die] Frage, woher die Form zur Darstellung zu
nehmen, um das Hohe auszuprägen aus seinem Geiste. Z. B. die griechischen
Götter, Christus, Marie und Heilige, so ist ein Streit in Ansehung der Form.
Der Künstler hat sie sich zu schaffen und alsdann ist sie ideal, insofern sie
durch Fantasie aus Formen gebildet wird, [die] sich nicht in der Natur finden.
Herr Rumohr, der den Abweg in der Kunst dadurch erkennt, und daß der
Künstler Ideale sich selbst geschaffen,lxxi sagt85 daß der Künstler von der titani-
schen Versuchung abzusehen [habe], die Natur zu verherrlichen;lxxii die Darstel-
lungen beruhen nicht auf willkürlich festen Zeichen, denn ist das Ideale fest
bezeichnet, so ist es nichtig.lxxiii Der Hauptzweck sei Schöpfung der Natur in
schönerer Nachaffung.lxxiv Rumohr hat im Auge die Formen von den Alten [und
hat den] Standpunkt von Winckelmann entnommen. Winckelmann hat sie aus
den Antiken genommen; in Beziehung auf Einzelnes mögen sich Irrthümer
eingeschlichen haben, z. B. was Rumohr anführt, die Verlängerung des Unter-
leibes als Ideal antiker Formen. Er glaubt nun, daß diese nur aus römischen,
nicht aus griechischen Werkstätten genommen sind.lxxv Aber es bleibt von In-
teresse, die Eigenthümlichkeit der alten Skulptur zu zeigen und zu merken. Auf
diesem Wege, das Studium vernachlässigend in der Natur zu verfahren, geräth
man auf Abwege. Die Bedeutsamkeit der Naturform wird von Rumohr ver-
folgt. Dieses Studium der Naturformen müsse den Künstler hinleiten, sein
Wollen deutlicher zu erkennen. Ein geheimer Zug werde ihn mit der Natur
verbinden, ihn führen, fähig zu sein, ausdrücken zu können, was er wolle, und
was wenigen deutlich sei. Die 3te Schönheit der symbolischen Form sei an und
für sich in der Natur vorhanden, bei deren Anblick als Naturformen werden be-
stimmte Vorstellungen und schlummernde Gefühle herausgehoben. Das Natür-
liche in der Menschengestalt z. B. betrachtet, so ist die symbolische Darstel-
lung Zeichen, daher nur Ideales, Schein, Zeichen des Innern; und das ist Ideal.
Inso fern durch Idee überhaupt irgend ein Gott ausgedrückt werden soll, wie
der Jupiter des Homer, so macht seine Hoheit und Ruhe, mit der er seine Macht
vollbringt, [in der] das Wirken mit den Augen ausgedrückt ist, so ist die Auf-
gabe, bestimmte Formen dieses Ausdrucks zu geben, zu liefern. Ob der Künst-
ler in Natur solche Menschen als Exemplar für einen Jupiter, Christus brauchen
soll, ist eine müßige Frage, weil man sie nicht beantworten kann. Einige beja-
hen, andere verneinen sie. Man müsse also solche Formen zeigen; aber Einer
und Andere sahen es nur, alle anderen sahen es nicht, und nichts ist darüber
auszumachen. Das Innere von Jupiter ausgedrückt ist ein Menschliches, und in
so fern ist der Ausdruck in Natur davon vorhanden. Ob der Künstler solche Na-
turformen vor sich hat, und sehen [kann], welche zu seinem Zweck passen, ist
nicht [die] Frage, ob ein Kunstwerk heraus kommt. Keines kommt. Ein Ganzes
muß es sein. Frei muß er sein, und seine Fantasie ist seine wahrhafte Art[,] er
kennt den Sinn der Form, | [29] muß sie aus sich erschaffen. Nicht soll er wäh-
len aus vorliegenden Formen, sondern schaffen. Will er Jupiters Macht aus-
drücken, oder Maria vorstellen, so hat er bestimmte Vorstellung von diesen
Namen und nicht jedes Gesicht paßt dazu, um es auszudrücken. Noch so hohe
und fromme Physionomien werden nicht immer jene Hoheit und Frömmigkeit
in allen ihren Zügen ausdrücken86. Alle Formen müssen selbst in der Ruhe so
wie in der Bewegung jene Macht, jene hohe Liebe ausdrücken; es kann so sein
in einigen; aber momentan wird es nur sein, und nicht immer wird es so sich
ausdrücken.
Das Ideale ist von der höchsten Lebendigkeit. In allem durchdringt sie alles,
so daß Nichts erscheint, was nicht Bedeutung, Ankündigung einer Bewegung
hat, die nicht auf die Grundbestimmung hinzeigt. Diese Lebendigkeit zeichnet
große Meister vorzüglich aus, daß [sie] ohnehin alles durchdringen. Wir haben
von Phidias Etwas kennen gelernt, wo noch nicht Anmuth sich zeigte, wo aber
die höchste Lebendigkeit sich zeigt. Nirgends ist eine Leerheit und Unbedeu-
tung; alles zeigt auf [die] Grundbestimmung hin.
Rumohr sagt, der Künstler soll sich in die Natur hineinstudiren; so daß d. 18/11
die Kunst durch das Schöne nicht die Natur erreiche, so schwer sei das Studium.
Er erzählt von einem Hirten-87 Mädchen, das Thorwaldsen und mehrere andere
gemalt, modellirt und in plastischer Figur dargestellt haben88.lxxvi Es ist ein sitt-
sames Mädchen nicht gewesen, sonst hätte sie es nicht gethan. Aber man wird89
sie nicht zu Pallas, Juno, noch zur Madonna brauchen können, sondern zu einer
Nebenfigur so schön sie auch gewesen sein mag, weil die Schönheit allein Nichts
ausmacht, es ist die Hoheit und Innigkeit[,] die darzustellen ist. Lieblichkeit,
Andacht kann man durch dieses Gesicht ausdrücken[;] aber solche geistige Be-
stimmtheit wird es nicht ganz und gar ausdrücken, stets wird man es als Portait
anschauen, als ein Partikuläres, nicht als ein Allgemeines wird [es] dargestellt.
Die Malerei und Skulptur[,] die nur einen Moment wählt, muß das Durchdrin-
gende in allen Formen sein, in denen sich der Geist abspiegeln muß. Eines ist
immer das Herrschende bei dieser Kunst.
In der Transfiguration von Raphaellxxvii haben Christus und die Jünger ei-
nen andern Charakter als die übrigen Personen. Der Geist des Pfingstfestes be-
seelt die Jünger, und der Geist spricht sich aus; aber aus den anderen Personen
blickt die Existenz hervor; sie haben den Charakter der Weltlichkeit an ihnen;
tiefer Ernst und Auffassung der Umstände um sie her, daß es auf göttliche Hil-
fe ankommt ist bereits in ihnen ausgedrückt. Sie sind von hoher Vortrefflich-
keit; aber sie sind noch nicht das Ideale, sie sehen der Welt noch nach; und sei
es auch durch den hohen Ernst.
Auf alten deutschen Gemälden findet man in der heiligen Familie nur
Portraits. Personen mit dem Ausdruck der Andacht knien da; aber sie sind nicht
Ideal. Die Portraits kann man zwar den Bildern der heiligen Handlung selbst
vorziehen; indem Maria zuweilen uns Uninteressant erscheinen kann, während
die Umstehenden die Andacht ganz an sich haben. Den Kriegern sieht man an,
daß sie bei ihrer Andacht der Welt angehören, daß die Welt vielfach Furchen in
ihren Physiognomien zurückgelassen, so daß noch andere Bestimmungen als
die Andacht in ihnen sind.
Die Frauen, die leichter andächtig sein können als Männer, haben noch
andere Empfindungen als Andacht, und diese erscheinen auch in ihren Physio-
gnomien. – Man muß also wohl unterscheiden zwischen Ideal und Natur. Natür-
lichkeit ist oft so unbestimmt, daß man nicht weiß, wenn man von ihr spricht,
ob man sich an Natur halten soll, oder nicht.
So haben wir den Begriff des Ideals, seinen Gegensatz, die Ironie darge-
legt, und vom Ideal im Verhältniß zur Natur gesprochen, und so von der unbe-
stimmten Idee des Ideals überhaupt gehandelt. | [30]
88 haben] wurden
89 wird] kann
Wir gehen zur Bestimmtheit über, ohne welche weder Ideal noch Bestimmtheit
ist. Am Ideal wird das Innere zum Äußerlichen gezogen, wo das Nichtideale
ist. Das Allgemeine ist zunächst zu bemerken. Der Zweck der Kunst ist die Re-
ligion, daß auf bildliche Weise sie vor das Bewußtsein zu bringen ist. Alsdann
ist das Göttliche allgemein, und insofern abstrakt. Es bestimmt sich wesentlich
selbst. Indem das Göttliche bildlich dargestellt ist, tritt die Mannigfaltigkeit des
Bestimmens überhaupt ein, nicht der Begriff bestimmt jetzt, es ist die Mannig-
faltigkeit in die das Göttliche zersplittert. Der Gedanke ist die Einheit, so daß
in der jüdischen Religion kein Bildniß von Gott zu machen ist; in der lyrischen
Poesie herrscht diese Einheit auch. Das Göttliche zersplittert sich also in die
Mannigfaltigkeit. Der Polytheismus tritt ein. Im Christlichen ist Gott allein,
dann als Mensch; als Theil Gottes dann die Menschen selbst in der Mannigfal-
tigkeit. Mit diesem Prinzip der Besonderheit kann eine Partikularität des Gött-
lichen, dann als Trieb und Leidenschaft und menschliche Empfindung mit90 der
Partikularität des Geistes ein[treten]. Das ganze menschliche Gemüth wird le-
bendiger Stoff der Kunst. Gott als Geist in sich konkret wird Gegenstand des
Gedankens. Die Partikularität kann in größerer Wahrheit mit sich sein. Das
Vollkommene ist, wenn die Substanz des Gemüths ein Subjekt ist, und [durch]
sein Wollen die Substanz bethätigt ist. Das ist der Hauptstoff der Kunst. Wenn
durch sie91 die menschliche Empfindung [ge]hegt und verleiblicht wird in Ver-
hältniß und Handlung, das ist das Schaffen der Kunst. Ideale sind nun, wenn
das Göttliche das Sagen der Subjektivität ist, und wenn der Ausdruck die In-
nerlichkeit darstellt.
Mit dieser Partikularität treten besondere Situationen und Verhältnisse
mit andern ein. Das Feld der Poesie, das Abhängige von Andern, das Nichtfreie
und Endliche tritt ein. Diese Partikularität ist näher zu betrachten. Die Götter
Griechenlands und Christus bleiben in sich, sie berühren nicht das Irdische; sie
sind partikulär, aber in ihrer Freiheit zugleich. Zum Beispiel Jupiter, usw. sind
bestimmte besondere Gewalten und Mächte. Aber diese Macht bleibt in ihnen
abgeschlossen. Wir sind in Verhältnisse gestellt, z. B. in Kampf mit einander,
und [wenn] Interessen eintreten, so bleiben sie doch in ihrer unantastbaren
ewigen Hoheit, und das Ideale ist in höchster Hoheit vorhanden. Herkules als
ausruhend von seinen Arbeiten z. B.. Sie erscheinen auch in Verhältniß mit
Äußerm. Als mächtig vor allem und in ihrem Glanze; jeder Gott zeigt seine
vollkommene Totalität, die Möglichkeit von Allem. Deßhalb gefallen uns die
Kinder, sie sind alle fast schön, weil92 noch keine Partikularität des Charakters
in ihren Physiognomien eingegraben ist; frei und offen an ihnen erscheinen sie,
wenn die Freiheit auch nicht in ihnen ist. Sie scheinen fähig zu allem. Einzelne
Figuren der Götter, Apostel und Heiligen erscheinen ebenso.
Ist die Einfachheit des Geistes bestimmt, so entsteht das Verhältniß der
Äußerlichkeit, welche zu betrachten ist, in wie fern sie mehr und weniger des
Ideals fähig ist.
Der allgemeine Zustand überhaupt ist zuerst zu besprechen, der Zustand
von Menschen aus Partikularisationen, und Zustände wo Verhältnisse statt fin-
den. Die Verhältnisse, die am meisten des Ideals fähig sind, sollen jetzt behan-
delt werden. | [31]
d. 19/11 Das Ganze der Entwicklung steht im Verhältniß der Menschen zueinan-
der; ist [es] soweit gediehen wie in unserem Staate, so ist das Gesetz für das
Bewußtsein als Objektivität vorhanden als Gesetz, es ist Gegenstand des Wissens,
der verpflichtet, zu dem sich das Subjekt verhält und ein Anderes gegen dieses
ist. Das Gesetz ist zur Nothwendigkeit entwickelt, so daß es sich Recht gegen
Individuen schaffen kann, selbst gegen deren Überzeugung. Ein specialisirt
Ausgebildetes ist es. Wenn auch die Individuen die Zweckmäßigkeit der Ge-
setze anerkennen, so geht das Detaillirte hervor, als ein Positives fürs Subjekt,
in sofern es Recht betrifft, und das Subjekt ist dem Gehalte nach nicht mehr
frei.
Die Gesetze selbst gelten im Staate, welche für Einzelnheiten Bestimmun-
gen [auf]stellen nach dem Prinzip der Allgemeinheit. Aber Einzelnheiten [sind]
zu kennen, die Rechtspflege etc. Der unbedeutende Inhalt hat aber nothwendi-
ges selbst, [dagegen] nimmt man sich nicht die Freiheit93, man läßt sie gelten.
Das Ganze und die Handlung, das Ganze und das Subjekt sind also zersplittert,
so daß nur ein Theil fürs Subjekt bekannt [ist]. Eine Menge Mittel braucht es,
um zu handeln. In diesem Zustande der Entwicklung und Zersplitterung, die an
und für sich nach dem Rechte recht ist, und wesentlich ist im Unterschied von
subjektiver Willkühr, verhält sich das Individuum weniger als Ganzes, und wo
es als Ganzes thätig ist, da ist der Kreis beschränkt. In der Familie z. B., aber
immer doch ist Zusammenhang mit dem Ganzen vorhanden. Eine allgemeine
Ordnung ist da, welche positiv für sie ist, und sie läßt wenig zu, zu vollbringen.
In solchem Zustande muß es wohl Helden geben; aber nicht Heroen, die
nur im Zustande sein können, wo Hauptsache der Wille des Individuums ist,
und das Individuum ist Heros, in so fern es sich einen Zweck macht, und [ei-
nen] Zustand herbeiführt. Z. B. Theseus und Herkules sind Heroen. Heute sind
Gendarmen da, um einen verrückten Gastwirth zu züchtigen, nicht die Heroen;
aber das ist [ein] Zustand, wo Heroen nicht sein können. Es ist Staat. Die Grie-
chen nannten es Tugend, daß ein Individuum solchen Zweck sich machte, was
bei uns nicht ist, eine Verfassung hervorbrachte. Heute ist es Gewalt. Das Böse
wird bei uns bestraft, das heißt das allgemeine Recht macht als Gewalt sich
geltend gegen Verbrechen. Die Gerechtigkeit übt es aus durch ihre Organe, das
Gericht; sie sind an diesen Platz gestellt, nicht es selbständig zu wollen, son-
dern von anderen geprüft. Die Rache findet bei uns nicht Statt. Aber Orest’s
Rachelxxviii ist auch gerecht gewesen, aber so daß der Sohn als der Familie ange-
hörig, es übernommen, die Rechte zu vollbringen, die seinem Vater gehörten.
Sein Wille wird die Gerechtigkeit vollbringen. Diese Gerechtigkeit ausgeführt
ist Rache und Form des Heroischen. Diese áñåôç [finden wir] bei den Grie-
chen, und diese heroische áñåôç ist mit virtus der Römer nicht zu verwechseln.
virtus wird Zweck des Staats bei den Römern, also unterworfen. Römer haben
innere Gewalt, die Herrschaft des Volks. – Die homerischen Helden haben
zwar Agamemnon zum Anführer, aber er ist nicht General, sondern diese Heroen,
die thätig sind, thun es aus eigenem Willen, Achill ist durch List zu dem Zuge
gebracht. Achill tritt frei heraus und in den Kampf, weil er von Agamemnon
beleidigt, und weil er Patrokles rächen wollte.lxxix In die eigene Individualität
des Subjekts fällt also die áñåôç, und das ist Ideal, Individualität als solche zu
sein, die aus sich [ein] Ganzes ist, beschließt und thut.
Das ist der der Kunst so vortheilhafte Boden, worin die Zersplittung und
Abhängigkeit nicht ist. Das Äußerliche des Menschen ist das Seinige, und ein
Zusammenstimmen seiner Energie mit der That. Solche Gestalten haben auch
die Perser, Araber, wo eine formelle Selbstständigkeit herrscht. Solcher Welt-
zustand ist im Lebensverhältnis des Mittelalters der Ritter, deren Muster der
Cid; sie stehen dem Könige bei, aber dies hat Gränze an ihren Willen; wenn sie
beleidigt sind, treten sie zurück; an ihnen selbst sind [sie] unantastbar. Der Kö-
nig handelt mit Einwilligung seiner Vasallen nur[,] unähnlich ist der Zustand
der homerischen Zeit. | [32]
Karl der Große ist der Löwe, er schlägt die Vasallen vor, und handelt nur,
wenn sie ihm beistimmen; deßwegen hat die Poesie ihre Gestalten und Charak-
tere aus solcher Zeit genommen, nicht weil der Künstler94 sich nicht geniren
läßt durch Festigkeit der Erinnerung und durch die Bekanntschaft des Publi-
kums mit der Geschichte, und weil die Fantasie gehindert ist zu schaffen, da
man die Sache als solche nicht als geschaffen von ihr verlangt, wenn man sie
kennt; sondern es ist die Natur des Inhalts.
In der Darstellung der Griechen sehen wir[,] daß das Individuum die That
auf sich nimmt, so Oedip, er nimmt seinem Vater das Leben,lxxx da er gereizt
ist; es kann ein einfacher Todschlag gewesen sein, nicht Mord, auch nicht Va-
termord. Nach unseren Begriffen ist er am Vatermord unschuldig und an der
Heirath seiner Mutter. Wir sprechen ihn frei; aber ein heroischer Charakter
liegt in der Totalität des Charakters[,] das Ganze auf sich zu nehmen; die
Schuld zu büßen. Heute will keiner Etwas gethan haben, und schiebt die
Schuld auf Andere; aber bei gediegener Einheit des Charakters wird das nicht
so zersplittert. Unsere Ansicht ist moralischer, es kommt auf die Gesinnung
und Absicht des Individuums [an], ob er und was er davon gewußt, so daß das
Subjekt freier ist; aber in Vorstellung der heroischen Zeit ist das Individuum
Eins, gediegenes[,] Substanz. Er will selbst ganz alles gethan haben.
So sind die dem Schicksal zugeschriebenen Unthaten nicht von Schuld
frei gesprochen worden. Ganze Geschlechter wurden durch eines Individuums
Schuld bestraft. Bei uns trägt einer die Strafe als schuldig, und [wir] wälzen die
Last von [der] Familie auf [das] Individuum, und umgekehrt wird erklärt das
Individuum für unschuldig, wenn die Familie schuldig ist. Aber anders ist es in
heroischer Zeit. Die Familie ist mit dem Individuum Eins, und kein Unter-
schied ist da. Wir sehen die formelle Freiheit und die subjektive Freiheit als
[sich] auf Sittlichkeit beziehend näher, indem wir [das] Subjekt trennen. Dies
[ist] der Boden des Heroismus, daß keine Spaltung vorhanden ist. Es ist das
Bedürfniß des Individuums und sein Interesse, welches uns nie verlassen kann,
diese individuelle Totalität, und in so fern ist [es] in dieser äußeren Erschei-
nung. Schiller und Goethe [sind] auf diesen Gegensatz gefallen: Götzlxxxi ist ein
Ritter[,] das fällt in die Zeit des Untergangs der individuellen Einheit, die mit
objektiver Ordnung in Berührung kommt. Es ist die Zersplitterung der Heroen
mit dem gefaßten festen Leben. Er schlägt sich mit dem Gericht von Heilbronn
herum95, mit Bauern und Advokaten ist er in Streit. Moorlxxxii ist ein Individuum,
das sich aus der bürgerlichen Ordnung sich heraussetzt, und weil diese Ord-
nung verletzt ist, zieht sich das Individuum als Heros heraus; und erklärt den
Krieg der Stadt mit Mißbrauch, deßhalb wird er Räuber, da er nicht Unwesen
abschaffen will, wird das96 Unglück über ihn bringen. Als Unmächtiges muß er
sich zertrennen.
d. 20/11 Das Böse ist vom idealen Zustand nicht ausgeschlossen; Krieg und der-
gleichen sind im Gegentheil Gegenstand der heroischen Thätigkeit, und in so-
fern ist das Böse in unmenschlicher, grausamer Weise vorhanden. Fahrende
Ritter, die ausgehen um dem Übel abzuhelfen, geriethen in das Wilde hinein.
Wo christliche Helden Platz haben sollen, setzen [sie] einen Ort voraus, wo das
Wilde seine Existenz hat. Man kann sich vorstellen, daß ein idyllischer Zustand
der am meisten idealische Zustand sei. In ihm ist die Zersplitterung nicht vor-
handen, aber für uns hat er zu wenig Interesse, weil er den ausgebildeten Cha-
rakter nicht hat, und wichtige Verhältnisse von Vaterland und Religion nicht
vorhanden sind. Schafe haben sich verlaufen ist ihr Gegenstand. Eine Erheite-
rung ist es, zu ihr seine Zuflucht zu nehmen. Die gessnerschen Idyllenlxxxiii ha-
ben mehr Interesse und [sind] länger angenehm gewesen bei den Franzosen als
den Deutschen. Der idyllische Zustand aus unserer Zeit hat Mangelhaftes an
ihm, wenn Landgeistliche oder Verlobung vorgestellt werden, so daß die Emp-
findung der Behaglichkeit, an gutem Kaffee, dem Leib [wohltut,] aber97 großartige
95 herum] vor
96 wird das] sondern
97 aber] aber nicht
Verhältnisse sind es nicht, und es wird nur von ihrem weiteren Zusammenhang
abgerissen. | [33]
Die Landpfarrer haben noch andere unendliche Verhältnisse als Kaffe zu
trinken; dagegen in Hermann und Dorothealxxxiv ist noch ein anderes höheres
Motiv, die französische Revolution im Hintergrund; eine Besonderheit ist auch
da herausgerissen, aber man sieht die Weltverhältnisse, wie sie auf den kleinen
Kreis wirken. In vielen Dramen von Shakespeare sind von Chroniken die Stof-
fe genommen.lxxxv Ein Zustand von noch nicht festem Zustand ist auch da, wo
das Individuum mehr auf sein Selbst zurückgewiesen ist. Die spätere Geschich-
te ist nicht so vortheilhaft. Das historische der [Helden] hat vieles von äußerli-
cher Geschichtlichkeit an sich. Sie werden nur durch die Selbstständigkeit des
Eigenwillens des Charakters der Helden; aber meist ist diese Selbstständigkeit
nur formell, subjektiv, einseitiges Moment. Bei dem Heros, seinem Willen ist
auch der Inhalt in Anschlag zu bringen, den er zu seinem Zweck gemacht hat.
Das Partikuläre im allgemeinen Weltzustand nennen wir überhaupt Situa-
tion; welche unendlich mannigfaltig ist, und viel läßt sich nicht über sie sagen.
Die äußere Zufälligkeit fängt an. Ihr Zustand98 selbst, die Situation kann ein-
fach sein, oder wenn sie sich auf Handlung bezieht, so wird sie interessanter.
Die Skulptur hat in so fern ihre99 Tempelbilder dargestellt, in situationslosen
Gestalten; aber im Bas relief geht es schon zur Handlung über. Die Alten sind
reich an Erfindungen heiterer100 Situationen. Sie ist das Gegebene, welches der
Künstler aufgreift, erweitert zum Ideal, [indem er] die Äußerlichkeit der Be-
stimmtheit davon nimmt. Götter sind auch in Handlung gesetzt. Eine solche ein-
fache Situation ist oft einer zusammengesetzten vor [zu] ziehen. So hat Pigalle
einen Mercur gebildet,lxxxvi wie er sich die Sandalen umbindet. Thorwaldsen hat
seinen Merkur gebildet,lxxxvii der sein Schwerdt feindlich zieht und auf Marsyas
lauert, wo das Lauren vortrefflich ist, aber diese harmlose Situation des Anzie-
hens der Sandalen ist der Leidenschaft bei dem Gotte vorzuziehen. Die Situation
kann also unendliche Mannigfaltigkeit haben.
Situation ist gewöhnlich, Gelegenheitsituation, so ist auch eine lyrische
Poesie von der Art da, wo bestimmte Gefühle ausgesprochen sind, und dem
Herzen durch [die] Produkte Luft gemacht wird101. In so fern ist Wertherlxxxviii
ein Gelegenheitsgedicht, in sofern die Zerrissenheit des Herzens zum Objekt
des Dichters gemacht ist. Goethe hat besonders solche Gegenstände gewählt,
wo nicht bestimmte Gegenstände sondern [Gegenstände] von der Art genom-
men sind, die sein Inneres in dem Momente ausdrücken. Klagt der Mensch
über sein Leiden, Noth, so ist er erleichtert, wenn er diese Empfindung aus-
drückt. Solche Situation ist Gelegenheit, und die ist mehr äußerliche Verfas-
98 Zustand] z
99 ihre] seine
100 heiterer] folgt unleserliches Kürzel
101 wird] sind
Böse und Schlechte sind Negatives, wie Feigheit und Niederträchtigkeit: deß-
halb soll kein Charakter [nur] als böse dargestellt werden, noch einige [Aspekte
kommen hinzu], oberflächlich ist es, aber richtig. Corneille in seiner Vorrede
zu dem Trauerspiel sagt, daß er dem Tyrann Etwas Gutes beigefügt hat.xciv Das
Verbrechen ist verschieden vom Verbrecher, der immer Etwas Gutes in sich ent-
hält. Die moderne Zeit geht zu stärkeren Gegensätzen fort, zum Gräßlichen,
das der Kunst zuwider ist. So im Shakespeare sind viele solche Gräßlichkeiten,
und in neuerer Zeit [ist man] unter dem Schilde der Ironie zur Fratzenhaftigkeit
übergegangen, wo die Extreme entstanden, mit Nichts Ernst wird. In den Hoff-
mannschen Produktionen sind diese Fratzen herrschend.xcv
Die Mächte müssen aber vom Affirmativen her uns104 interessieren, und
nur105 solche Kunst wird interessant, nicht durch Zerrissenheit. Diese ðáèç sind
Gestaltungen, die wir Götter nennen, Mächte, die in sich berechtigt sind, ein
wesentlich geistiges Element in sich enthalten. Zu diesen ist der Mensch im
Verhältniß. Sie bethätigen sich in ihm, und Er ist die Seite, welche sie ausführt,
so tritt ein Verhältniß zwischen Göttlichem und Menschlichem ein. Dieses
Verhältniß kann als Äußerliches dargestellt werden, und wenn es schlecht dar-
gestellt ist, so ist es äußerlich, wahrhaft sind hier Mächte des Geistes, die ihr
Substanzielles im Menschen haben, und Gewalt gegen ihn haben, so daß er in
Besitz von ihnen genommen ist. Eine Identität blickt so durch in homerischen
Göttern. Dieses [ist das] Verhältniß: die Götter heißen die Menschen Etwas
thun, dann heißen sie es auch nicht thun, und erscheinen ihnen nicht. Verfolgt
man das, so kommen Absurditäten vor, denn dem Helden kommen keine Tu-
genden zu, wenn z. B. Patroklos mit Hektor kämpft, und von Apoll getödtet
wird, und da ist Achill wie der gehörnte Siegfried unverwundbar,xcvi so kann
man sagen, daß es keine Kunst ist, so tapfer zu sein, wenn dieses nur äußerlich
genommen wird. Eine Inconsequenz tritt dann ein; es tritt Etwas ein, was nur
äußerlich in dem Menschlichen mächtiges ist. In der wahrhaften Darstellung
werden die Unterschiede vermittelt. Die allgemeine Macht im Menschen wird
herausgehoben, als dem menschlichen Willen angehörend. Wie wenn Minerva
dem Achill im Anfang der Ilias erscheint, und ihn vom Streit abhält, so ist das
äußerlich, aber die Unterbrechung seiner Leidenschaft ist in ihm vorgegangen,
sie wird nur äußerlich vorgestellt, und diese Äußerlichkeit verschwindet, geht106
zurück. | [35]
Es kann dieses in Maschinerie sich verändern, so wie in den neuen Epo-
peen, wie die Zersplitterung der That durch107 Göttliches schon leicht als un-
vortheilhaft für die Kunst erschien. In der Iphigenie von Goethe ist dieses
äußerliche Verhältniß, das bei Euripides vorherrschend ist, in das Gemüth ver-
legt.xcvii Dort erscheint Minerva dem Thoas und befiehlt ihm, den Orest nicht zu
tödten, daß er schon entflieht etc.xcviii Ein äußerliches Verhältniß ist dieses. Bei
Goethe ist dies anders gewendet. Iphigenie vertraut der Brust des Menschen die
Wahrheit [an]. Sie eröffnet alles dem Thoas. Sie betet zu dem Göttlichen als zur
Wahrheit. Hier ist keine Maschiene mehr; die äußerliche Darstellung des Gött-
lichen ist die Klippe der griechischen Poesie. – Im Hamletxcix erscheint der Geist
dem Sohne, und ruft ihn zur Rache. Das ist ganz Berechtigung für ihn zu han-
deln, aber sein Zaudern und hypochondrischer Charakter, der Zweifel, daß der
Geist gelogen, verändert das äußere Verhältniß des Geistes. Im modernen er-
scheinen ðáèç als Treibend im menschlichen Gemüth, sowie auch bei den Al-
ten das Pathetische bewirkt, daß das Substantielle explicirt wird, und wirkt.
Schiller ist pathetischer als Goethe, und [hat] deßhalb größere Wirkung auf der
Bühne hervorgebracht. Das Pathetische enthält das Bewußtsein, weil Affirma-
tives in ihm108 ist.
Die andere Seite ist das menschliche Individuum, das sich bethätigt. Das
Pathetische ist nur eine Seite des wahrhaft wirklichen. Der Geist ist immer
doch abstrakt; das Geistige in Totalität ist Wirklichkeit im Menschen. Zu einem
Menschen gehören alle Götter, und alle machen sich wirklich [zum] Geist
durch Menschliches.
d. 24/11 Die Skulptur hat einfache Darstellung des Charakters, nicht so die Malerei:
die Entfaltung eines Charakters ist im Drama nicht so leicht. Sie werden zu Ka-
tegorien und abstrakt; die Tapferkeit erscheint im Allegorischen. Kalt ist solche
Darstellung. Hat ein Charakter 2 Pathe, wie Liebe und Ehre, und beide kämp-
fen: und [wenn] das Kämpfen sich ausspricht, so können beide so allgemein
gehalten werden, daß das Subjekt nur äußerlich ist, ohne Charakter zu haben.
Die epische Dichtkunst kann am meisten den Charakter in Individualität dar-
stellen, so bei109 Odysseus und Achill. Achill ist ein tapferer Jüngling, aber er
hat noch alles Menschliche an sich, und alles erscheint äußerlich. Er liebt die
Briseis, seine Mutter Thetis, von der man nicht weiß, wo sie ist, er erinnert sich
seines lieben Vaters Peleus, ehrt seinen freundschaflichen Diener Phöneus,
liebt seinen Patroklos, ehrt das Alter im Nestor und alles Ansehen, welches
sich in den Spielen, die er veranstaltet, zeigt, so entwickelt sich sein Charakter.
Er ist reizbar und feurig, aufwallend im Zorn, mit Besonnenheit der Tapferkeit
vereint er die höchste Grausamkeit gegen Hektor. Er schleppt ihn dreimal um
die Stadt. Aber er reicht die mörderische Hand dem Priamus. Alle menschli-
chen Seiten treten in ihm hervor, ohne daß sie verwickelt in Handlung erschei-
nen. Ebenso auch Odysseus besonders, und alle andern. Jeder ist eine Welt von
Vielseitigkeit und Ganzes im Einem, das seine Besonderheit hat.
Im Niebelungenliedc sind Charaktere wie Siegfried sehr kahl und abstrakt
gegen die homerischen in ihrer vielseitigen Lebendigkeit. Eine moderne Weise,
was innerlich nicht zusammenhängt mit dem Zustand des Orpheus. Anachro-
nismen sind es also, die unbedeutend sind; freilich auf gelehrten Bühnen muß
man sich in Acht nehmen. Doch viele wissen nicht, daß die Römer auf [der]
rechten Seite das Schwerdt trugen, die Gelehrten wissen es. Ein Hauptanachro-
nismus ist der, daß nicht nur113 die menschliche Kleidung und äusserliche Ver-
hältnisse, sondern ihre Empfindung und der Ausdruck derselben nicht ihrer
Zeit angemessen sind. Hier gebraucht man den Ausdruck des Natürlichen,
nicht den [des] Anachronismus, man sagt, es sei nicht natürlich, daß jene Leute
so gefühlt, so gesprochen haben, sondern daß aus unserer Zeit die Empfindung
herübergetragen [wird]. Hauptsächlich ist diese unrichtige Forderung darin,
daß die Menschen sowie zu ihrer Zeit gesprochen und empfunden [worden] ist,
sprechen und empfinden sollen. Der Dichter und Künstler, wenn er die ðáèç
schildert, so kann er sie ohnehin nicht so aussprechen, wie man sie im Leben
äußert, sondern er soll zur Vorstellung, die Substanz, Mächte, bringen. Viele
Romanschreiber schildern Liebe, die sie gar nicht kennen, aber das was im
Menschen sein kann, soll vom Dichter ausgeprochen werden, und er thut es,
alsdann ist es ein Substanzielles, wenn das Bewußtsein mit dem Gefühl ver-
knüpft ist.
d. 25/11 Die Substanz des Willens, die Affekte sind zu allen Zeiten dieselben, nur
nicht die Form, in der sie sich äußern. Der Dichter muß dies herausheben. An-
tigone und Philoktet und Ajax haben nicht so gesprochen wie Sophokles sie
sprechen läßt. Nicht diesen gebildeten Ausdruck haben sie gehabt, und dieses
ist die Sache des Künstlers, die Bedeutung deutlich zu machen. Ein Wider-
spruch entsteht, wenn unsere sittlichen Kategorien in eine im andern Zustand
sich befindende Zeit übertragen werden. | [37]
Handlungen gehören nicht chronologisch bloß einer Zeit an, sondern
auch einer Form des sittlichen Bewußtseins. In neuerer Zeit sind viele Katego-
rien vorhanden, die nur uns angehören, von der moralischen, inneren Reflexion,
ob alles Gut oder Schlecht ist, Gewissensbisse, Reue, und dieses liegt nicht im
heroischen Charakter; denn dieser bereut nichts. Diese Ableugnung der vorma-
ligen Existenz liegt nicht im heroischen Charakter und [ist] nicht seiner Hand-
lung gemäß. Bei uns ist ein Zustand des Bewußtseins; im Orest liegen keine
Gewissensbisse; wir legen sie in die Eumeniden; aber diese sind die wohlwol-
lenden, die das Recht haben wollen. Sie sind außer ihm; er ist außer sich, ra-
send.cii Bei uns ist andere Form, weil sie in uns den [Geist] zerreißen, und äußer-
lich ist die Reue und Gewissensbisse. Innere Formen müssen also zusammen
finden mit dem Zustand der Handlung; ist darin gefehlt, so ist ein höherer Ana-
chronismus gemacht.
Der Dichter soll sich nun in den Geist fremder Zeit und Natur versetzen,
und aus diesem bilden, bis zu gewissem Grade ist das möglich. In partikulärer
Bestimmtheit kann er es; aber das Substanzielle drückt er aus nicht in jener
Zeit bestehend, sondern in allen Zeiten. Gelehrsamkeit thut hierin Nichts. In
Opern lassen wir uns Viel gefallen. Man hat die deutsche Poesie auf einen hö-
heren Standpunkt stellen wollen. Man wußte, daß Epopeen da sind bei allen
Völkern, da schreiben Bodmerciii und Klopstockciv ein Epos, es versetzt sich in
vorige Zeiten. Bodmer ist prosaisch [und] vergessen; Klopstock ist zwar oft
glänzend, aber nach dergleichen materieller Prosa seiner Zeit bearbeitet er sein
Werk. Gott, Weisheit sind Vorstellungen mehr aus der Wolffischen Philoso-
phie genommen. Hier sind Anachronismen. Goethe hat einen west[-öst]lichen
Divan geschrieben,cv weil er ein westlicher Mensch, ein Europäer ist, und Öst-
liches114 aufgenommen hatte, wesentlicher Charakter und Ton ist Anklang an
Orient darin. Später bildete er sich mehr darin heraus, indem die höchste Frei-
heit des Geistes darin herrscht, sich auf sich allein zu beziehen, Freiheit des
Geistes in der Empfindung selbst. Aber das Substanzielle ist ebenso allgemein
für uns gegenwärtig.
Dieser Gegensatz ist wohl zu berühren, da [es] in Deutschland in der
Kunst viele Schwierigkeiten [gibt], und deßhalb kalthe [Werke] entstanden
sind mit Mißlingen, indem man keinen Anachronismus machen wollte. Die
Kunst findet leicht als wesentlich, eine Mythologie zu haben, daß der Gott
nicht bloß pathetisch, sondern auch für sich vorgestellt werden soll. Unsere
traditionelle Mythologie der Griechen und Römer ist nicht einheimisch für uns,
weder in Kunst noch im Publikum, und das Kunstwerk entbehrt seiner Leben-
digkeit, die ebenso im Künstler als im Publikum sein muß, auch im Volk und
Zeit Interesse hat. Wenn der Geist im Denken seine Freiheit erworben hat, so
wollte man auch hier Freiheit haben. Man wollte zu Hause sein. Weiterverbreitet
ist es mit Mythologie; aber es ist mehr Spiel; überhaupt sind nur Gelehrte darin
mit Gebildeten zu Hause; aber nicht das Volk. Goethe hat in einem Stück, wo
er des Pausanias Beschreibung von Poikile in Athen bearbeitet, sie so gehalten
[daß sie] frei so für den Maler aufgenommen werden können.cvi Ein Trieb nach
[dem] Einheimischen wird von Klopstock aufgefrischt. Er rief die nordische
Mythologie zurück; aber sie wird nur aufgewärmt.cvii Wodan und Walhalla leben
nicht in unseren Gemüthe mehr ebenso wenig wie die Rauhheit der Freia. Die
Maler nehmen aus unseren Dichtern ihren Stoff, die unserer Phantasie und
Empfindungsweise näher verwandt sind. Es muß auf unserem Boden gewach-
sen sein, wenn es uns ganz interessieren soll. Ebenso ist es mit Geschichte. Die
Griechen haben nur Stoffe ihres Landes bearbeitet, z. B. Oedipus auf Colo-
nos.cviii | [38]
In Athen waren seine Gebeine. Das Niebelungen Lied hat seinen Schau-
platz in Deutschland, am Rhein, Donau, also ist [es] einheimisch, aber aus ei-
ner Periode der Geschichte, die keinen Zusammenhang mit unserem Zustand
hat.cix Götzcx und Wallenstein sind historische Stoffe, die anders eingreifen als
jene Helden von Burgund. Camoens von Portugal, Tasso wählten Stoffe, die
mit ihrem Einheimischen zusammenhängen.cxi Liebliche Stoffe liegen uns nä-
her als vieles andere.
In Beziehung auf [die] theatralische Vorstellung ist auch der Eindruck zu
berücksichtigen. In Gedichten, die wir lesen, lassen wir uns mehr gefallen.
Shakespeare hat aus der englischen Geschichte Stoffe gewählt; ihm war es um
die Darstellung zu thun, dem Publikum um den Stoff. Wir befriedigen uns
mehr, wenn wir ihn lesen, nicht so auf der Bühne. Kein Interesse, selbst für die
Kritiker und sogenannten Kenner ist dann vorhanden. Das Publikum und Criti-
ker sind verschieden; diese Kritiker gehören dem Publikum an, sie sollen nicht
so vornehm thun, als wenn sie Interesse hätten, was nicht wahr ist.
Versuche Etwas zu machen, was nicht mit unserer Zeit und Volk in Ver-
bindung steht, sind115 verloren und äußerlich. Man lasse also ganz den Stoff,
wie er ist, der in der Fremde entsprungen ist, und der Dichter mache das Sub-
stanzielle der Zeit angemessen. Er kann ganz entfernt sein, aber er soll nur äußer-
licher Rahmen sein und Umfassung, sich und seine Zeit stelle er in die Mitte.
Iphigenie hat einen antiken Stoff, der uns fremd ist, aber die Behandlung ist so,
daß wir aus solchem Zustand das sittliche Bewußtsein des Charakters sehen,
und bewundern müssen.cxii
d. 26.11 Noch hat keiner es gewagt, ein griechisches Trauerspiel auf die Bühne zu
bringen; noch Etwas wegzuschneiden, um unser Interesse zu erregen. Auch die
Andacht muß berücksichtigt werden, so daß eine Musik in der Peterskirche bei
uns den wahrhaften Sinn verlieren wird. Wir Deutsche sind getreue Antiqua-
rier, und lassen uns von den Gelehrten zu viel gefallen. Die Franzosen sind am
hartnäckigsten darin, was ihnen gefällt. Ihre Vorstellung von Verhältnissen der
Gesellschaft und Betragen überhaupt gegeneinander ist so, daß sie zu Hause
sein wollen. Das Publikum ist da Hauptsache, und die Gelehrten sind mit dem
Volk identisch. Man macht ihnen den größten Vorwurf, daß sie glauben, sie
hätten die alten Klassiker verbessert; aber sie haben sie nationalisirt. Wir müs-
sen erkennen, daß sie sich selbst behaupten und ihre Freiheit. Chinesen, Ame-
rikaner, Griechen und Römer sprechen alle wie Franzosen. Achill in der
Iphigénie spricht wie ein französischer Prinz; er hat keine griechische Klei-
dung, Helm, Panzer; Perrücke, gepudertes Haar, Schuhe mit rothen Absät-
zen.cxiii Esthercxiv ist so oft besucht worden, weil Ahasverus so eintritt wie der
König von Frankreich im Audienzsaal eintritt, und wie ihn nur die Leute, die
das Recht dazu haben, sehen konnten. Aber das Volk konnte ihn nicht sehen.
Sie gingen in die Esther und sahen denselben Pomp, den Hermelinmantel, den
gepuderten König mit seidenen Strümpfen, Haarbeutel, rothen Absätzen. Also
eine bis zur Übertreibung gehaltene Aneignung. Bei uns ist dieses auch der Fall
gewesen. Am stärksten findet sich dieses Vorgehen in Hans Sachs. Kain und
Abel, und Erzvater und Gott Vater hielt er für Nürnberger. Adam hält Schule
wie ein Schulmeister und katechisirt mit Kain über Zehn Gebote. Abel ist ein
guter Junge, und sagt die Zehngebote her etc.cxv In Süddeutschland ist Christus
bei der Prozession mit Knechten und Juden. Das ist116 aus dem Leben gegriffen.
Einer der Kriegsknechte bietet ihm eine Priese. Durch solches Gemeinmachen litt
nicht die Andacht. Frömmigkeit herrscht auf allen Seiten. | [39]
So weit geht der Trieb alles sich einheimisch zu machen. In dem Fest der
Handwerker wollten die Leute bald närrrisch werden vor Freude. Zur prosai-
schen Gemeinheit kann es übergehen.
Diese Richtung ist auch in Goethes ersten Stücken vorhanden. Aller Ge-
schmack war verschwunden; aber auch deßhalb erregten sie solche Liebe, indem
sie das Vergangene in das Nahe rückten; aber ins Prosaische fielen sie bald. Kei-
nen Effekt machte der Götz auf der Bühne. Das Publikum sitzt in Erwartung,
der Vorhang geht auf, und sie hören: Hänsel, noch ein Glas Brandtwein.cxvi
Beim Lesen ist es eine angenehme Empfindung, sich dieses lebendig zu den-
ken, aber auf der Bühne macht es lange Weile, und deßhalb hielt sich der Götz
nicht. Das ist die Gefahr des Einheimischmachens. Die Subjektivität der Bil-
dung überhaupt, das Interesse, der Charakter der Zeiten und Nationen muß im
Kunstwerk sein, und dann hat es Präsenz vor denen, für die es gemacht ist. Das
Kunstwerk muß sich zu Innerlichkeit, Wahrheit erheben. So viel über die Äu-
ßerlichkeit. Sie kann auf das Geistige auch gehen, wenn der Künstler in seinem
Volke fremdartigen Stoff so darstellt, daß er als uns entrückt erscheint.
Von einer Form der Äußerlichkeit am Kunstwerk ist noch zu sprechen, Symmetrie
das ist das Abstrakte am Kunstwerk, welches in[so]fern äußerlich ist, als sie sich
von der Totalität, dem Inneren des Kunstwerks unterscheidet. Mit dem Geist des
Kunstwerks muß die Äußerlichkeit vereinigt sein, wenn sie auch die abstrakte
Seite des Kunstwerks ist. Sie muß nicht verletzt sein. Diese Äußerlichkeit hat 2
Seiten an sich; eine Abstrakte ist: die Regelmäßigkeit, Symmetrie; eine ver-
ständige Gleichheit von geraden Linien, oder 2 oder mehrerer vorhandener Be-
stimmungen. Diese abstrakte Verstandesgleichheit ist vom Geist verschieden,
und in so fern äußerlich und Regulativ des Äußerlichen als solchen. In der
menschlichen Gestalt ist diese Regelmäßigkeit schon. Die Organe sind ohne
Symmetrie wie Eingeweide, Lunge, Leber, Magen; hingegen die Glieder, Ar-
me, Beine usw. sind Regelmäßige; die menschliche Organisation theilt sich so
in symmetrische und unsymmetrische Theile. Dieser Unterschied ist nicht zu-
fällig, sondern durch den Begriff bestimmt. Das Herz ist Eins; die Adern und
Eingeweide sind Eins; hingegen wo das Organische nach außen sich richtet,
und die Bestimmung des Äußerlichen hat, da erst kommt die Symmetrie. In-
dem sich diese theils auf Äußerliches beziehen, sind sie das Regulativ des Äu-
ßerlichen, die abstrakte Identität, Gleichheit. Sie ist auch in solchen Künsten
herrschend, deren Bestimmung mehr das Äußerliche ist, wie in Bauwerken, wo
die geraden Linien, Säulen durch die Gleichheit bestimmt werden. Wenn das
Äußerliche so überwiegend ist, so ist die Kunst nicht an sich Zweck, aber [der
Tempel] erwartet die Skulptur. Deßhalb ist Regelmäßigkeit hier Hauptsache.
Aber nicht diese Regelmäßigkeit soll die Aufmerksamkeit auf sich ziehen,
sondern das117 Innere, das Bild, das Menschliche. Auch auf die Gartenkunst ist
diese Regelmäßigkeit zu beziehen. Natur Produkte sind auf gewisse Weise zu-
sammengestellt; ein Garten ist zum Gebrauch und zum Nutzen und Vergnügen,
wo der Mensch Hauptperson ist; da sind Regelmäßigkeit und Abwechselung Be-
stimmungen. Welche wesentlich sein soll, aber [bei] schöner Aussicht dann ist
das Mannigfaltige wesentlich. Die schönsten Gärten sind in dieser Hinsicht in
China; was man englische Manier nennt, so ist das Prinzip immer Abwechslung
zu haben, man wird durch Irrgänge geleitet, hier ist [ein] Holzhaus, da [eine]
gothische Kirche, kurz die Unregelmäßigkeit ist da Prinzip; aber bald macht es
Langweile. Regelmäßigkeit zieht man also deßhalb vor; um spazieren zu gehen,
ist eine schöne Allee hinlänglich und nicht langweilig. | [40]
d. 27/11 Die Regelmäßigkeit wird zur Äußerlichkeit herabgesetzt, wenn es gleich
auch vom Inneren ausgeht, denn das Äußerliche ist Hauptsache. In der Rede ist
das Regelmäßige ein Wesentliches wie in der Musik. Was hier erscheint, fällt
in die Zeit, so daß es118 deßhalb nicht mehr übersehen werden kann. Die Einheit
wird also hier nur so bemerkt, indem das Eine durch das Andere schnell ver-
schwindet. Diese Einheit und Regelmäßigkeit muß deßhalb hineinkommen, das
ist Takt, Rhythmus, Reim. Diese Regelmäßigkeit bändigt das Maaßlose, und ist
um so mehr nöthig, als in der Zeit das Eine durch das Andere schnell verschwin-
det. Diese Bestimmung giebt diese Regelmäßigkeit, als Besonnenheit auch im
Äußeren. Beherrschung des schnellen Fortgehens macht diese Regelmäßigkeit
aus. Das Bewähren in dieser Äußerlichkeit macht so deshalb diese malerische
Kraft im Reime und im Takt, indem sie das reine In sich sein hervorbringt.
Die Regelmäßigkeit steht 1, im Verhältniß zum Lebendigen, indem sie
ein höheres Gesetz hat, und ist in so fern ein Unlebendiges, welches prosaisch,
trocken wird, wenn sie sich zu sehr einmischt. Die Malerei war regelmäßiger,
als sie sich mehr der Architektur anschloß. So Maria auf dem Throne, zu jeder
Seite ein Apostel. 2, Dann wird durch die Regelmäßigkeit das Äußerliche ge-
hoben und idealisch. An ihm selbst ist keine höhere Bestimmung.
Reinheit Noch eine abstrakte Seite der Äußerlichkeit[,] die Theil des Äußerlichen
[ist,] die ihre Beziehung auf diesen119 Theil hat, das sind die Reinheiten des
Äußerlichen. So Farben sind rein oder unrein, in so fern sie einfach oder ge-
mischt sind. Ebenso ist die Farbe selbst eine Einheit von Hell und Dunkel, welche
Verschiedenheit ganz bestimmt ist. Gelb, roth, blau, und grün gemischt nach
Newtoncxvii sind alle 7 Farben, Grundfarben; aber das Orange ist nicht einfach,
noch Violett, kein Maler läßt sich dieses einfallen.
Harmonie soll in den Farben sein bei einem Gemälde. Nimmt man be-
schmutzte Farben, so ist Grau das Harmonischste der Farben. Reine Farben
wagten die Niederländer erst zu wählen, um Harmonie in Gemälde zu bringen.
Im reinen Blau macht das dunkele Grau [den] Grund, vor dem das Helle scheint.
Auf hohen Bergen ist der Himmel deßhalb dunkelblau, weil die Athmosphäre
heller ist. Die Dunkelheit, das in Sich gekehrte sein, das Sanfte liegt im Blau
der Maria. Das Rothe des Joseph hat die Kraft, Kühnheit. Einfach sollen die
Farben daher sein, so wie die Töne und die reingeraden Linien. Der Ton der In-
strumente und Stimme kann rein und unrein sein; die vocale sind rein, und eine
Sprache[,] die reine Klänge hat, klingt heller; ü ä, ö sind auch einfach; in ai, au
hören wir zwei Töne. Aber in ä etc. sind die einfachen Töne vermischt. In der
Volksprache hört man Töne, die man nicht schreiben kann. Aber das zeugt von
Bildung, die Sprache durch wenige Zeichen in Schrift [wieder] zu geben. Die
Schrift macht nun die Töne abstrakter als die Sprache. Es ist nicht Mangel der
Schrift, solche Vermischung nicht ausdrücken zu können, indem die Organe
nicht bestimmt in den Tönen getrennt sind. Im Gesang unterscheiden wir reine
und unreine Töne. Bei Metallklang ist es da ein Erzittern nicht bloß, sondern
ein äußeres mechanisches Reiben, ein Geräusch, welches den unreinen Ton
hervorbringt. Das ist die abstrakte Reinheit. – – –
Noch eine Seite ist in diesem Theil zu besprechen, nämlich die Seite von Der Künstler
dem Künstler. Das Kunstwerk ist ein Producirtes, ein Gemachtes. Der Produci-
rende ist Geist. Im Künstler ist die Phantasie dieses Wirkende. Allgemein ist es
wahr. Aber nicht die passive, sondern schaffende Phantasie, das ist Einbil-
dungskraft – im Schaffen ist dieses. Der Künstler muß viel gesehen haben, und
das sinnlich Aufgefaßte, als ein Sinnliches von einem Geistigen [darstellen,
so] | [41] soll er Bildung [her]vorbringen. Das ist Phantasie. Gedächtniß muß
also da sein. Indem ein Interesse zu beobachten da ist, da ist das Gedächtniß
auch. Was ihn interessirt, behält er. Große Geister haben sich durch Gedächtniß
angekündet. Aber keineswegs ist Vernunft ausgeschlossen. Bei den120 For-
men[,] in denen sich das Volk ausspricht, des Gedankens Ausdruck geht nicht
so weit, daß die Form des Gedankens im Begriff bei ihm gebraucht sei, aber
Religion und Kunst muß jeden121 bewegen, das Vernünftige, Große muß er füh-
len und [dies muß] ihn bewegen. Die Grundlage ist das Vernünftige also, und
dies braucht nicht in Form des Bewußtseins in ihn gekommen zu sein; aber
Gedächtnis muß er haben. Abgeschmackt ist es, daß Dichtungen von Humor
nicht nachgedacht, sondern aus halbem Schlaf hervorgegangen sind. Beson-
nenheit muß alles beherrschen selbst in den kleinsten, scherzenden Werken.
Mit den Interessen des menschlichen Gemüths, ðáèç, muß der Künstler be-
kannt sein. Sein Herz muß tief ergriffen worden sein, viel durchlebt und ge-
wirkt haben. Im Mannesalter findet sich erst das rechte Alter der Poesie.
Freilich ist in der Jugend das Genie, aber Reife ist später. Erfahrungen müssen
durchgemacht sein. Schiller und Goethe haben sich nur als Genies durch ihre
Jugendschriftencxviii angezeigt; aber sie schämten sich freilich ihrer Jugendwer-
ke nicht, aber sie schätzten sie eben nicht. Erst später bildeten sie sich heraus
durch Nachdenken, Arbeiten des Gemüths und Geistes machten sie reif.
Die Fähigkeit eines Künstlers zur Kunst wird Genie und Talent genannt,
und man sagt, der Künstler müsse geboren sein. Freilich wohl, indem der Mensch
Mensch ist, ist er zur Religion geboren; aber nicht zur Religion eigenthümlich
geboren ist man so wie wir zu Juristen; man kann in dergleichen Wissenschaft,
wo Gewandtheit in Praxis liegt [ausgebildet sein], die122 für allgemeines Den-
ken, für jeden Verstand angemessen ist; [nur] für Kunstwerke ist eine Seite na-
d. 28/11 türlich, das Unmittelbare; destoweniger muß auch im Subjekt diese Bestimmung
[als] partikuläre Anlage enthalten sein. Nicht durch den Gedanken bringt der
Künstler hervor. Es ist dieses das allgemeine Geistige. Für das künstlerische Ta-
lent gehört ein Moment der Natürlichkeit [dazu]. Die Partikularität tritt ein, und
diese Natur gehört zum Leben des Genies. So wie Vernunft allgemein geistig im
Kunstwerk ist, aber in bildlichen Darstellungen das Moment der Natur ist, so ist
es auch im Subjekt. Begeisterung nannte man das Natürliche des Künstlers, Ge-
nius. Es ist das Gären der Idee im Subjekt nach Platon. Aus dieser Begeiste-
rungcxix ist dieser Drang der Darstellung, gleich im Jugendwerk, und zwar so daß
sie Kunstwerke [geschaffen haben]. Das Pathos, die Sache ist es, in der sich die
Energie [findet,] Produkte sich zu Anschauung zu bringen.
Die Begeisterung ist nicht Etwas Trübes, wobei dem Kopf warm wäre,
daß man sie hervorbringen kann durch Champagner und durch überhaupt äu-
ßerliche Umstände. Der Vorsatz ein Gedicht zu machen, ist Anzeige, wie leer
und nichtig er ist. Wenn der künstlerische Geist nur der Art ist, so hat sich der
Stoff schon vorher nicht selbst bestimmt, und das Denken darüber ist die Be-
geisterung, man spricht viel von Erfindung, als wenn der Künstler aus sich den
Stoff genommen; aber man bestellt auch ein Gedicht, einen Pallast, Gemählde,
und dieses ist äußerlich bestimmt. Giebt man dem Architekten eine Fläche zu
bebauen, so ist das unfrei. Der Gegenstand wird angegeben, das Material und
eine Menge Gegenstände werden bestimmt. Der Künstler wird beschränkt, aber
sein Gegenstand hat Bestimmung an ihm. Das Element des Natürlichen und der
gegebenen Bestimmtheit, greift wesentlich ein. Ein gegebener Stoff beschäftigt
den Künstler. Er verarbeitet ihn in seinen Gemüthe. Zu singen wie der Vogel,
dazu gehört Frohsinn überhaupt. Er muß sich äußern und sich | [42] vernehmen
und geniessen. Soll es ein Kunstwerk sein, so muß es eine Veranlassung haben.
Der Künstler ist in Verlegenheit über den Stoff; aber der Künstler findet ihn
leicht durch äußerliche Veranlassung; nur sein Gemüth ist es, das sich in diesen
Verhältnissen explicirt. Er hat tausend mal mehr Veranlassung als ein Anderer,
der nicht Künstler ist. Alles was lebt ist seine Veranlassung.
Die verschiedenen Künste sind Etwas Naturelles, und stimmen mit dem
Naturcharakter überein. So ist der melodische Gesang bei den Italienern natür-
licher als bei nordischen Völkern. Diese haben auch Musik und Opern, aber sie
sind nicht so einheimisch, sowenig wie Orangenbäume. Die Römer haben keine
einheimische Kunst gehabt; alles verpflanzten sie auf ihren Boden von Grie-
chenland aus. Lyrische Gedichte haben alle Völker gehabt, so wie das Lied; ei-
ne Begebenheit in eine Romanze zu fassen, ist allen Völker gemein. Goethe hat
in allen Formen der Kunst Meisterwerke geliefert. Aber das Schönste sind sei-
ne Lieder, welche immer ansprechen werden. Bei dem Anfang der Kultur tritt
das Lied zuerst hervor. Serbische123, Mulachische, Irokesische Lieder wurden
nachgeahmt. Die Neugriechen sind auch poetisch. Die Frauen, Ammen, Kin-
dermädchen begreifen nicht, wie wir so staunen über ihre Lieder, alles ist Lied
bei ihnen. Die Künste hängen mit Nationalität zusammen. Die Improvisation
ist in Italien einheimisch, so daß man Dramen in fünf Akten sogleich zusam-
mensetzt. Nicht die Sprache allein der Italiener kann dieses bewirken. Der In-
halt macht es. Eine tiefe Kenntniß der Menschen und der Leidenschaften ist
ihnen eigen. Die Begeisterung ist von so innerer Art, daß nicht ein Sammeln
von Ideen, Versen usw. bloß dazugehört.
Viel sprach und klagte man über die Reime und Verse, welche Fesseln
[und] dadurch dem Künstler entgegengesetzt sind, aber die Kenntniß der Farben,
die Geläufigkeit in Zeichnung der menschlichen Formen und Stellungen, Schatten
und Licht ist ein weitläufiges Studium von technischer Fertigkeit; das Subjekt, der
Begeisterte muß sich nun bemühen, sich in diese Fesseln zu schlagen: Aber das
Talent wird leicht mit allem diesem fertig. Die Maler und Künstler sind auch,
ohne daß die Mittel so zur Hand waren, dennoch vorwärts gekommen. Seine
innere Empfindung, ist zugleich praktisch, so daß dieses Praktische das Leibliche
betrifft. In jedem Menschen ist Zusammenhang des Physiologischen mit dem
Geistigen. Bei einem Gestus wird die innere Empfindung verkörpert. Eben so
soll sinnvoll, voll Sinn leiblich die Idee übergehen. In einer Kunst ist das mehr
als anderswo der Fall. So ist in Musik dieses besonders leicht, die Phantasie zu
verkörpern. Ein anderer Künstler muß durch die Finger; ein anderer durch den
Mund diese praktische Empfindung des Inneren der Phantasie vorstellen.
Von124 einem großen Künstler prädicirt man die Originalität; der Gegen-
Was heißt Originalität in der
stand soll ganz objektiv, ganz äußerlich zusammengestellt werden, ohne Form Kunst?
des Objektiven, ohne allen Zweck auf Etwas Inneres. So kam die Fr. Schlegelische
und Tieckesche Zeit,cxx wo alles äußerlich gemacht werden sollte. Diese Objek-
tivität im Darstellen wurde nun Prosa. Die Darstellung des125 Natürlichen nann-
te man objektiv. Man muß entfernen den Begriff der Originalität, worin man126
das Besondere des Hervorbringen versteht, daß es einem Subjekt eigenthüm-
lich ist. In Religion und Philosophie usw. wenn man das ausspricht, was andere
ausgesprochen haben und was in allgemeiner Menschenvernunft liegt, so glau-
ben sie, sie hätten nicht Etwas Originelles geliefert. Schlecht ist die Plastik, die
Etwas hindert, wenn nicht allgemeines geltend sich macht. Das ist die Weise
der bizarren Engländer; aber eine Tugend ist es und [die] Originalität eines
Homer zeigt nur die Sache, der Künstler als Subjekt verschwindet. | [43]
d. 1/12 Dadurch die Sache allein erscheint, der Künstler verschwindet, das ist
originell. Diese Originalität geht zu dem Humoristischen über. Der Künstler
und [der] Romantische besonders geht zu seiner Subjektivität, seiner Empfin-
dung, Witzen über. Dieser Humor kann geistreich sein, aber der Mangel ist,
daß das Objekt nur Veranlassung scheint, das Witzige aber fällt außerhalb des
Inhalts auf die Seite des Subjekts und zeigt, was das Subjekt hinzufügt. Der
Stoff wird willkührlich: der Humor geht zur Ironie über, wo nur Spaß mit In-
halten getrieben wird. Der Inhalt wird verzerrt. Die Partikularität des Subjekts
tritt ausdrücklich hervor. Dieses Humoristische kann imposant, von Geistesfülle
erscheinen; es ist aber leichter, als es scheint; eine Reihe von Witzen, Karikatu-
ren der Empfindung zu erzeugen ist leichter als ein Kernhaftes; ein entartetes
Talent gehört dazu; es zerstört das Eben von der Phantasie erschaffene. Zwi-
schen wirklich geistreichem Witz und Plattheit ist man eingeschlossen.
Der Humor kann wirklich geistreich sein; aber indem es Etwas Leichtes
ist und scheint, ist es eine beliebige Manier gewesen. Großer Humor war selten.
In Shakespeare ist ein großer Humor, aber die Platitüden sind nicht selten, und
viel was in Shakespeare steht, achtet man nicht.
Weil die Willkühr im Humor herrscht, deßhalb ist [er] so leicht. Die
Buntheiten sind darin zusammengedrängt. Wahrhafter Humor und Geist ist in
Jean Paul,cxxi aber Willkühr und Zufälliges mischt sich darin, und diese Mode
[ist] so äußerlich, daß sie aus der Ferne zusammengerafft sind. Er geht von ei-
ner tiefen Empfindung zu einer beliebigen Geschichte über, zu den hölzernsten,
breitesten Dingen, und es ist unbegreiflich, wie ein Mensch von solchen Emp-
findungen zu einem Kräuterbuch übergehen kann. Nicht Kraft des Genius ist es,
sondern Kollektaneen, aus Kollektaneen Bücher zusammengeschrieben, deren
Jean Paul hatte in Menge, und was er dabei für Beifälle hatte, schreibt er auf.
Eine Compilation entstand, die ganz äußerlich ist. Dies scheint originell zu sein,
aber ist es nicht, es ist nur etwas Äußerliches.
Wahrhafte Originalität läßt die Sache herrschen und schließt den Äuße-
ren Zufall aus. Der Künstler erscheint nur als Gefäß, durch welches sein Kunst-
werk ging. Diese Schönheit nothwendigen Zusammenhangs ist dann im Kunst-
werk enthalten. Oft scheinen die Sachen nicht aus einem Gusse zu sein, wenn
der Geist noch nicht die Reifheit hat, innerlich den Stoff zusammenzusetzen.
So im Götz, der127 ein originelles Produkt ist von Genie, ist die Unreife noch zu
erkennen, nicht aus einem Gusse ist es; vieles äußere ist zusammengelesen aus
der damaligen Zeit. Bei Bruder Martin wird auf Luther angespielt,cxxii und was
er spricht sind Vorstellungen der damaligen Zeit, [wie] das Bedauren der Mön-
che, daß sie nicht Wein und Weiber lieben dürfen. Mit dieser Empfindung tritt
Martin auf, er bedauert sich128 und ist gerührt. Besonders Pädagogik der dama-
ligen Zeit kommt darin auch vor. Karl zeigt was er gelernt hat, sobald der Vater
nach Hause kommt.cxxiii So ist nicht aus Götzenscxxiv Interessen sondern aus de-
nen der Zeit vieles zusammengesetzt.
In Romanen ist es anders. Hier kann man die Erzählung mit Gemälden
der Zeit und lebenden Personen schmücken. Ein eigenthümliches Kunstwerk
ist deßhalb auch nicht der Roman. – Das Humoristische ist also nicht Originell,
weil es nicht aus einem Gusse ist. Der Styl und Manier, die große Manier, die
keine ist, wie die Manier Raphaels, die keine ist, wird auch bei der Originalität
erscheinen; aber nur in der Substanz. Sachen muß man durch Style scheiden,
wie Kirchen- und Opernmusik. | [44]
Die Franzosen sagen, „le style est l’homme même“,cxxv und was sie Styl
nennen, ist die Manier eines jeden Künstlers. Sie kann richtig sein; aber eine
Seite ist es besonders, die bei einem Künstler hervorgehoben wird, so z. B. die
Beleuchtung ist die Manier des Künstlers, und die des Fleischtones; dann das
Nationelle in der Beleuchtung; viele Manieren scheinen bei einem Maler unna-
türlich zu sein; aber es zeigt sich, daß sie der Natur gemäß sind. Die Manier
des Künstlers ist also nicht willkührlich, sondern daß er sich an eine129 Form
des Erscheinens hält. Eine gewisse Weise des Auffassens wird ihm leichter,
und was ihm geläufiger ist, dem überläßt er sich, und eine gewisse Manier wird
Etwas Festes bei ihm werden, indem er sich der Gewohnheit hingiebt. Herr von
Rumohr sagt, daß die Art der Darstellung durch das Material bestimmt ist. So
wird der Faltenwurf bei einem Skulpturwerk in Marmor anders sein als im
Holz; ebenso bei der Malerei, wo der Maler mehr die eine Form vor sich haben
kann. Dürers Gemäldecxxvi haben die Manieren von Holz vor sich gehabt, deß-
halb diese Härte und Hölzernheit. Das Kunstschöne, Idealische, Allgemeine[,]
die verschiedenen Umstände, die beim Ideal in Betracht zu ziehen sind, sind
bis jetzt behandelt.
Zweiter Theil
Von den besonderen Kunstformen.
Sie begreift in sich die Versuche der Kunst, Werk, sie geht vom Anfangen der
Abstraktheit zur Freiheit des Geistes. Diese Versuche sind unvollkommen,
nicht weil die Gestalt noch nicht ausgebildet ist, sondern weil der Inhalt nicht
bestimmt ist. Es ist nun der Inhalt zu bestimmen. Wir haben es hier mit religiö-
sen Ideen zu thun. Die Fortbildung der Kunst liegt also auch besonders im In-
halt, der den Aufschluss über die Formen der Anfangskunst giebt. | [45]
In diesem Werden und Gähren der Kunst liegen die Formen, von denen
es nur zum Theil bestimmt ist, ob sie Bilder sind, die der Kunst angehören oder
nicht. Es kommt wieder die Frage vor, welcher Unterschied sei zwischen sym-
bolisch und mythologisch? Zum Symbolischen gehört Bedeutung, und man
kann es zum Gesetz der Kunst erheben; oder die Mythologie als etwas Symbo-
lisches betrachten. Alles, was die Kunst hervorgebracht hat, ist durch die Ver-
nunft dann producirt, die Bestimmung des Göttlichen ist darin, es mag irgend
130 ist es, das ... ausmacht] sind es, die ... ausmachen
eine Gestalt haben. Das Höhere ist darin, und es ist zu untersuchen, von wel-
131
cher Art dieses Höhere sei. Der Inhalt ist dann die Bedeutung. Der Behand-
lung des Mythologischen als Symbolisches stehen 2 Interessen entgegen, das
prosaische und kunstvolle Interesse. Jenes will nur vom Äußern wissen, und
hält sich nur an dem Vorgestellten, wobei man denken kann, daß das Gestaltete
eine andere Gestalt gehabt hat, welche die Phantasie anders gestaltet hat, der
Anfang dieser Gestalt ist dann äußerlicher Art. Vorstellung der Kunst ohne
weitere Bedeutung[,] welche die Phantasie geschaffen hätte, [ist] dann Etwas
Äußerliches, z. B. Geschichtliches, so die Gestalten der griechischen Götter,
welche aus [der] Tradition von Königen herstammen. Das Innere der Kunst sei
dann nur ein Äußeres, Existirendes. Bloße Willkühr habe auch solche Bestim-
mung hereingebracht, wie durch Priester gebildet, um dem Volk zu imponiren
und [es zu] schrecken und so zu regieren, das ist auch ein äußerer Grund, nicht
das Göttliche zum Grund habend. Andere Dichter und Künstler hätten sie will-
kührlich erlogen, das ist auch in der Form der Äußerlichkeit. Oder ein Äußeres
der Natur gehörend wird angenommen132 als personificirt von dem Künstler.
Hier fängt schon das Symbolische an, aber die Bedeutung ist aus dem Natürli-
chen genommen. Aber die Religion und Kunst haben wesentlich auch diesen
Gehalt zum Geistigen erhoben so, wie es später sich zeigen wird (Juno-Vulkan,
Zeus Gewitter etc.)
Die andere Seite ist das Interesse der Kunst selbst. Wenn die klassische
Kunst symbolisch genommen wird, so wird [das] geistige subjektive Prinzip,
zu einer abstrakten Bedeutung heruntergesetzt. Jupiter z. B. kann dann nicht als
symbolisch genommen werden, sondern was da ist, ist äußerlich, alles ist aus-
drucksvoll, daß Nichts von anderer Bedeutung dahinter ist. Gestalt und Bedeu-
tung ist nicht geschieden. Wenn die klassische Gestalt aufgelöst [ist] in
äußerlichen Ausdruck und in ein inneres Allgemeines, so wird der Zusammen-
hang der Kunst aufgehoben. Es ist der Verstand, der von dem Konkreten zum
Abstrakten hineilt, und die Bedeutung von [der] Gestalt trennt. Die Auffassung
selbst wird zerstört. Künstler, Dichter, Kritiker wie Göthe sind mit der Betrach-
tung dieses auf symbolisches zu reduciren nicht zufrieden. In neuerer Zeit ist es
aufgekommen, daß in jedem Kunstwerk eine Allegorie liege, (Fr. Schlegel mit
seiner fabula docet!).cxxvii Das Schicksal, allgemeine Lehren zog man heraus. In
Dantes Ausgabe giebt es viele Allegorien, aber bei jedem Gesang werden die
allgemeinen Lehren vorher in Abstraktionen angegeben.cxxviii So im Homer und
Virgil versuchte man[,] dies auch zu thun. Dieses Allgemeine nannte man Al-
legorie, die Verwandlung des Künstlerischen in Prosa ist dieses. Die Heyne-
sche Ausgabecxxix hat so das ganz Prosaische aus der Dichtung gezogen. Diese
Ausdehnung des Symbolischen auf alle Gebiete der Kunst, verstehen wir nicht
so bei der symbolischen Kunstform.
Wir nehmen sie als eine eigenthümliche an, welche man als Kunstwerk
bezweifeln kann. An ihnen selbst ist der Zwist des Äußeren und Inneren sicht-
bar. Eine höhere Form giebt es, wo der Zwist überwunden ist, wo nur in der
Betrachtung, nicht im Kunstwerk das Abstrakte liegt. | [46]
Allgemeine Bestimmungen der symbolischen Form. 1, Vom Symbol
überhaupt; 2, die erste Weise, a, der ersten Verknüpfung auf unmittelbare Weise
des Äußern und Innern, wo kein Inneres da ist, welches man vom Äußern
trennt, und [die] nicht symbolisch also ist. Sie wird betrachtet werden, um das
Nichtsymbolische zu zeigen. Die Unterschiede, die hier angegeben werden,
sind Bestimmungen ganzer Völker und Religionen. Diese allgemeinen Unter-
schiede werden nach der Seite der Nationen betrachtet werden, wie sie sich bei
jedem zeigten. Das Geschichtliche dieser Kunstform wird diese also enthalten.
Bei frühern und spätern Kunstformen kommen auch solche Formen vor, die
wir als besondere Anschauung eines Volkes hervorheben werden. Symbole
kommen bei allen Völkern vor. Winckelmann in seiner Allegoriecxxx hat nur die
Symbole der Griechen und Römer gesammelt, ganz das Christliche vernachläs-
sigt. b, Naturgegenstände werden hier nicht bloß das Geltende sein, sondern
allgemeine Naturkräfte werden [die] Bedeutung ausmachen und im Bildlichen,
welches nur der Phantasie angehören kann133, geschaut werden müssen. Die
Zweideutigkeit tritt ein, das Phantastische und Vermischung. Persische und In-
dische Völker werden hier besprochen werden. 3, Ausdrückliche Erhebung
über die Gestaltung, wo eine Bedeutung erscheint, die sich selbst als unange-
messen giebt, vorgestellt zu werden. Die Erhabenheit, Pantheismus, erscheint
hier und die jüdische Erhebung zu Jehova.
d. 3/12 4, Das An und für sich Seiende, Gestaltloses wird auf negative Weise als
Pracht und Schmuck dargestellt. Die Gestalt negirt sich und erhebt sich über
sich selbst. Das Element des Natürlichen und Negativen134 vereinigt mit dem
An und [für] sich Seienden beginnt geistig zu werden; Vermischung verschiede-
ner entsteht hier, wo das Natürliche Gestalt ist und Bedeutung, und der Geist
die Gestalt hergiebt, so daß umgekehrt der Geist Inhalt ist, und Natürliches die
Gestalt für das Höhere giebt. Dieses Räthselhafte ist der Anfang für das Schöne.
Als primitives Symbol und unbewußtes ist 1, als anfangend ist 2, das
Bewußte, dem Inhalt nach beschränkt, das Symbol zerfällt in sich, in Prosa, wo
das Natürliche die Prosa ist. In dem Bewußten hat man die Fabel, Apolog zu
betrachten, und das Symbol beschränkt als Einzelnes, wohin die Vergleichung
fällt, das Bild mit bewußter Einbildung eines Sinnlichen auf geistige Weise, al-
so ein bewußtes Symbolisches.
Die 2te Form ist das Zusammenfallen des Symbolischen. Lehrgedicht,
Hymnen gehören [hier]her. Naturbeschreibung steht ihr gegenüber, welche eine
künstliche Form erreicht hat, aber nur äußerlich ist.
Symbol ist zu unterscheiden vom Zeichen. Die Gedanken gehören dem Men-
schen. Er muß sich äußern, und dann ist er sich bewußt, daß er sich einen Ge-
genstand giebt, der äußerlich wird. Ob er ihn selbst setze135, ob er ihm gegeben
wird, geht uns nicht an. Bei dem Gegebenen ist die Thätigkeit des Geistes da-
bei. Er verhält sich als bestimmend aufmerksam. Stellen wir Etwas von Stein136
her, so hat man das Bewußtsein über den Stein. Irgend einen äußerlichen Ge-
genstand zu beherrschen auf eine willkührliche Weise, das ist ein Zeichen. Die
Willkühr ist das Verknüpfende. Wenn das Äußerliche so gebraucht wird, so ist
es ein Zeigen. Z. B. die Kokarde ist ein Gezeigtes, aber ganz äußerlich, daß
man die Natur durch Farbe anzeigt. Töne in der Sprache sind solche Zeichen.
Die Elemente der Laute hängen zwar innerlich mit [der] Bedeutung derselben
zusammen. Diese Produktion ist physiologisch, wie das Geistige sich verleib-
licht, so wie der Schmerz durch Thränen verleiblicht wird. Das ist ein Zeigen,
und Geschichtliches137. Aber ist die Sprache ausgebildet, so verliert sich der Zu-
sammenhang, nicht die Natur ist es, die spricht, sondern Willkühr tritt ein. | [47]
Bei den gebildeten antiken Sprachen sind die Töne und Arten der Schrift
zufällig. Sie sind Zeichen, nicht Symbole. Das Symbol hat eine Wesentliche
Beziehung der Vorstellung[,] des Gedankens und des Äußern, wodurch der
Gedanke geäußert sein soll. Ein Zusammenhang des Inhaltes ist darin. Z. B. der
Löwe ist Zeichen der Stärke, aber ein nicht willkührliches, der Löwe ist Stärke
an sich, so daß das Äußere denselben Inhalt der Vorstellung hat; indem der
Löwe sich vorstellt, stellt er auch die Stärke vor. Aber ein Ton, Farbe stellt
noch was Andres vor als die Natur und die Bedeutung des Tons. In der Sprache
giebt es auch solche Symbole wie Löwen, Donner, [was] eine Bedeutung des In-
halts in der Nachahmung enthält. Nicht ist das in anderm Ausdruck vorhanden.
Ist der Löwe Symbol der Stärke, so giebt es noch andere Symbole, wie
Adler, Stier, Horn. Solches äußere könne auch mehreres bedeuten, z. B. der
Stier bedeutet auch Sonne, Fruchtbarkeit, Ackerbau, wodurch das Symbol zwei
und vieldeutig wird, und sich dem Zeichen nähert. Zufällig ist es, welche Be-
deutung es mehr hat. Eine große Schranke wäre es, wenn ein Gegenstand nur
auf eine Weise symbolisch werden könnte. In Winckelmanns Allegorie ist vie-
les willkührlich, unrichtig deßhalb, weil diese Zweideutigkeit darin liegt.
Die Symbole sind auch mehr oder weniger conventionelles deßhalb. Das
Symbolische ist in allen Künsten. Ist es die Nebensache oder Hauptsache. Jupiter
wird mit dem138 Adler vorgestellt, aber der Adler ruht neben ihm. Das Symbol
steht neben Jupiter. Aber diese Vergleichung ist bei den Ägyptern Bedeutung für
sich. Bei den Griechen ist das Symbol auf die Seite gestellt. Die Evangelisten,
Lukas, Mathäus, haben auch ihre Symbole[,] die neben ihnen stehen. Aber
Hauptsache ist es nicht.
Diese unmittelbare Einheit kann keine Bedeutung und keine Gestalt haben, also
beides ist nicht da. Unser Bedürfniß ist es, an diese Trennung des Innern und
Äußern zu denken. Ein Gegenstand ist bei uns da. Bei der Betrachtung der reli-
giösen Vorstellungen ist das wesentliche zu scheiden, was darin sei, aber mit
dem Unterschied, ob wir uns dieses Inhaltes als eines Innern bewußt sind, oder
ob die Völker das Innere von dem Äußern geschieden haben. Diese unmittelba-
re Einheit sind Anschauungen, die nicht symbolisch sind, z. B. alles was my-
stisch in Religionen heißt, ist das, daß hier ein Göttliches, unmittelbar uns
gegenwärtig sei, indem das Göttliche nur für [den] Geist da sein kann, wenn es
unmittelbar da ist, so vereinigt es sich unmittelbar mit dem subjektiven Geisti-
gen, und es entsteht eine Einheit, die nicht symbolisch ist. In der Lamaïschen
Religion ist Lama ein Priester. Diese Person wird als Gott angesehen bei dem
Volk[;] das ist nicht symbolisch. Ebenso alles Mystische in anderen höheren
Religionen. In den katholischen und lutherischen Lehren, ist die Hostie Chri-
stus selbst, der sich vereinigt mit dem Genießenden, und unmittelbar da ist,
(wodurch Hochmuth genug entstanden ist mit dem Glauben), das ist kein Sym-
bol. Aber sagt man[,] daß die Verleihung der Hostie fromm macht, so ist es ein
d. 4/12 Symbol. In persischer Anschauung wird das Licht als Licht verehrt, nicht als
Form: das Licht ist mit sich unmittelbar Licht und Sonne, Flamme und
Glanz.cxxxi Das Licht ist Lebendigkeit der Pflanzen, der Thiere, dann das Geisti-
ge, reine Gute. Durch Sterne und Sonne, der Ormuzd [für] uns ist.cxxxii Sieben
Sterne nennen sie die 7 Regenten Amschadspan139.cxxxiii
Der Kultus der Parsen soll das Licht überall geltend machen[,] theils Licht
anzurufen, theils die Lebendigkeit zu befördern, Bäume zu pflanzen und zu be-
sorgen z. B., wie wir es von Cyruscxxxiv wissen, Erhalt des Lebens; eine gute
Handlung, Natur veredlen, usw. Das Leben soll eine Verwirklichung des Lich-
tes sein, sich von unreinen Thieren zu entfernen. Sehr schön ist diese Vorstel-
lung. Ist ein Symbol | [48]
Das Licht ist natürliche Bedeutung des Guten; wenn man aber dieses so
trennt, die Natur des Lichtes vom nicht natürlichen der Bedeutung, die der gei-
stigen Natur, dem Guten angehört, darf man Licht Symbol nennen. Aber von
dieser140 Anschauung kann man nicht sagen, daß sie141 Symbol ist von dem Licht.
Das Licht als Gut und physisches Licht fiel zusammen. Die Grundbestimmung,
die unmittelbare Verknüpfung, ohne Urtheil des Ich liegt darin. Zu der Personi-
fikation, Ormuzd, geht man fort und zum Ahriman, das sich schon gestaltet,
welche [Gestaltungen] hingegen vom Menschen genommen sind. Im Dschem-
schid142, dem Sohne des Ormuzd, der sich auf der Erde geltend machte, da Or-
muzd mit dem goldenen Dolche die Erde spaltet, ist Andeutung auf Acker-
bau.cxxxv
Hier fängt das Symbolische an. Indem sie einen Ferwer, Genius jedem
Menschen zuschreiben, da ist schon das Symbolische. Im Mytras,cxxxvi einem
der Sieben, der besonders herausgehoben wurde, und einen Kultus erhielt, wel-
cher ins römische Reich eindrang zur Zeit der Menschen, ist das Symbolische.
Im Jüngling, der den Dolch in den Hals des Stieres sticht, ein Skorpion bewegt
die Zeugungstheile, eine Schlange schlürft das Blut, [das] ist ein Symbol. Der
Stier ist [das] Gewaltige, Fruchtbarkeit, gehört dem Reiche des Reinen an. Er
wird getödtet. Das natürliche Prinzip bedeutet er überhaupt, über das143 der
Mensch, das Geistige, den Sieg davon trägt.
Die Grundlage des Persischen ist Licht, es geht [zu] dem Symbol, aber
der eigentliche Inhalt ist unmittelbar das Licht, wie es ist. Das Licht ist Natur-
existenz, wie es als [das] Wahre angesehen wird. Da hier die Theilung nicht
vorhanden ist, so ist es noch nicht das Symbol.
Dieses erste Urtheil ist ein verworrenes, wo beide Theile noch keine wahre
Selbstständigkeit erlangt haben, und keine wahrhafte Einheit deßhalb haben
können. Das ist das absolute Urtheil, so wie die Schöpfung der Welt. Wo beide
Seiten zur vollständigen Totalität gelangen, da können sie sich erst versöhnen.
Die Beziehung beider Seiten ist dort nur Verwirrung, ein Wanken vom Einen
zum Andern. Ruhe und Rast ist noch nicht da. Man springt von einem zum an-
dern Extrem. Dieses144 in der größten Form des Taumels, in der größten Aus-
bildung ist in der indischen Weltanschauung. Die Phantasie bildet beide Seiten,
aber so, daß es nur die ungeheuerste, wilde Phantasterei ist, indem das unmit-
telbare nur Übergehn von Einem zum Andern ist. Alles ist natürlich und sym-
bolisch. Hat man Natürliches vor sich, so verwandelt es sich ins Gestaltlose
und Entgegengesetzte. Näher gehört hierher, daß in der indischen Vorstellung
Nichts Geschichtliches ist, also auch keine prosaische Anschauung der Ver-
hältnisse ist; ein Nichtiges145 vom Innern zur gemeinen sinnlichen Vorstellung
geht man.
heit der Gestaltung gelangen konnte. Rutra[,]cxli das Bild der Zeugung ist im In-
nersten jedes Tempels aufgestellt. Die menschliche Gestalt ist freilich auch da,
aber verzerrt an Händen und Füßen. Die Bedeutung ist unvollkommen so wie
die Gestaltung. Ein zweiter Gott in einem ist Hauptvorstellung der Indier:
Brama ist das Eine, Krischna ist das Zweite, das 3te ist Rutra, das In sich zu-
rückehren in sich selbst, das Freieste. Bei uns, das dritte und letzte. Das ist ab-
solut. Dort ist das 3te das Außer sich kommen, Zeugen und In Nichts
übergehen; Übergehen ist da statt In sich gehen. Diese Dreiheit, darin auch146
Sein, Anderer sein, Produciren, was [sich] zu sich selbst verhält, In sich zu-
rückehren, wodurch ein Moment entsteht, ist auch dort, aber nur ist das 3te ein
Übergehen in Anderes. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Murti oder Krischna, das 2te Moment, enthält die Bedeutung der incarna-
tion. Die Kuh ist die Kraft der Erde, das ist symbolisch; für die Kühe hat man
Hospitäler, nicht für Menschen. Brama und sein Bruder Wishnu/Mitra kommen
zu einem Weisen, der ihnen die Geschichte von einer großen Kuh erzählt, wel-
che in eine Einsiedelei gekommen ist, wo viele Weisen gewesen.cxlii | [50]
In dieselbe Kathegorie gehören die Theogonien der Griechen, Skandina- 8/12
vier. Das Erzeugtwerden wird überhaupt aufgefaßt. Nicht so wild und bei wei-
tem klarer ist die Ansicht der Symbole der Griechen. Hier im Hesiod ist Eros,
Liebe[;] das Entscheidende ist der Gegensatz. Gaia mit Uranus bringt Kronos,
Centimanen, Cyklopen hervor147 (welches auch ägyptische, indische Ansicht ist).
Erinyen, Themis, Cytheria entstehend und oberflächlich sind sie personificirt.
Unendlich mannigfaltig sind die Theogonien und Kosmogonien. Die Be-
deutung der Naturkraft ist in die menschliche Gestalt gelegt. Aber die mensch-
liche Gestalt bedeutet ein Geistiges, nicht Naturkräfte. Nur das Geistige ist
fähig und werth[,] diese Gestalt zu haben. Deßhalb enthält diese Symbolik kei-
ne Wahrheit, weil dem Inhalt nicht die Gestalt entspricht.
Ist Beginn der Befreiung der Innigkeit und der Selbstständigkeit gegen das Äu-
ßere. Ganz geistig ist das Innere noch nicht; aber es ruht in sich und ist Beginn
des Ablösens des Innern von der empirischen Einzelnheit. Erhabenheit und
Schönheit hat man unterschieden. Jene ist Versuch, die Idee, die Vernunft, das
Unendliche darzustellen; aber ihm entspricht keine Gestalt, deßhalb ist die
Weise der Darstellung für jenes148 unangemessen, indem es zu sehr über diese
erhaben ist.
Der Pantheismus und [die] jüdische Vorstellung von Gott sind zwei Ka-
thegorien, die hierher gehören. In beiden ist die Erhebung des Inhalts über die
Erscheinung, und daß man es ausspricht in Beziehung auf die Erscheinung.
Diese Erscheinung wird doch dargestellt, in so fern ist es ein affirmatives Ver-
hältnis, worin jedoch ein negatives verknüpft ist. Im Pantheismus ist die Be-
deutung herausgehoben, aber das Eine ist affirmativ in Allem enthalten, und
dem nach ist es zugleich als Reinigung der Erscheinung dargestellt. Bei dem
Judentum ist es das Eine, worauf die Erscheinung auch bezogen ist, indem Gott
Ehre an der Existenz der Welt hat.
Die Rückkehr zum Symbolischen entsteht, wenn in dem Innern selbst eine Be-
stimmtheit gesetzt wird, daß seine Macht in sich bestimmt sich fasse. Ein Band
vom Innern und Äußern entsteht dadurch, denn es handelt sich nicht darum, eine
innere Bedeutung anzunehmen, deren Gestalt nur zufällig wäre, ob sie voll-
kommen oder nicht ist, sondern das Bestimmtsein des Innern ist schon ein Äu-
ßeres, ein Unterschied entsteht dadurch, und das Äußere ist ja unterschieden in
der Mannigfaltigkeit. Wird das Innere bestimmt, so entsteht ein Äußeres, das
mehr dem Innern entspricht. Dieser Begriff hat sich natürlich entwickelt. Wir
treten in den Kreis des Symbolischen in seiner höchsten Form.
Das An und für sich seiende ist an ihm selbst bestimmt; der Fortgang zur
Substanz; wenn das Bestimmen seine Wahrhaftigkeit hat, wird [es] als Geist
bestimmt und gefaßt, nicht als geistiges Wesen überhaupt, sondern konkret152
als Geist, sich im Innern unterscheidend nach seinen konkreten Momenten. Gott
ist gütig, weise, recht und hat innere Bestimmtheit; aber diese Bestimmungen
sind nur Prädikate in Beziehung auf das Andere, welches wesentlich als äußer-
lich bleibt, und die Negation wird außer seinem selbst gesetzt. Die Prädikate
sind Bestimmungen eines Andern, und reichen nicht hin; Recht gegen Andere
meint man nur; thut Gott Wohlthat, so sind die Wesen zu Zwecken gemacht,
und haben eine Richtung nach außen. Es ist das Innere nach sich selbst zu fassen.
Dieses Bestimmen ist der Geist, die Freiheit, d. h. das Sich selbst bestimmen.
Das Innere ist als bestimmt aufzufassen. Die erste Bestimmung am Sub-
stantiellen selbst, an der153 Figur, muß als eine unmittelbare Bestimmung, als
Negation[,] die unmittelbar ist, erscheinen, in ihrer natürlichen Weise und in
der umfassendsten Weise ist es der Tod. Das An und für sich Seiende hat den
Tod in sich aufgenommen, diese Negation. Der höchste Zweck alles Lebendi-
gen ist nun, in ihm zu ersterben. Das Andere[,] das entstehen läßt, ist nicht, daß
das Eine als sterbend angesehen werde, aus dem Tode aufzuerstehen, dieses
Rückkehren zum Leben und der Tod tritt so vereinigt als umwandelnd ein, zu-
gleich ein Beharren, und Ähnliches und Zusammenstimmen des Innern und
Äußern, wodurch eine Möglichkeit der höhern Symbolik entsteht.
d. 11/12 Der Gedanke ist ein abstraktes; der Begriff ist der bewußte, concrete Ge-
danke, der sich selbst bestimmt und bestimmt, eine Einheit hat, alle Bestimmung
in sich zurück[ge]kehrt hat. Das Geistige ist 1) die Einheit als Allgemeines, die
bestimmende, dann 2) die sich bestimmende [Einheit]. Ebenso ist es mit dem
Innern in der reinen Einheit, daß das Innere, die Bedeutung sich selbst bedeute,
und einen Übergang zum Äußern hat, ohne daß nur Naturgegenstände eine Be-
deutung haben, sondern daß die Seele allein das darzustellende ist. Hierin liegt
das Moment des Bestimmens und Sich bestimmens. Die Negation ist in die Ein-
heit so aufgenommen, daß das mit der Negation versöhnte an ihm selbst ist.
Der Tod hat nun zwei Seiten, unmittelbare Negation, das abstrakte Nichts, aber
er ist auch das Natürliche, der Tod der Unmittelbarkeit, das ist die Geburt des
Geistes, welcher nicht unmittelbar ist, und das ist die Bestimmung des Geistigen,
die Zurückkehr des Geistes aus dem unmittelbaren in sich selbst. So kommen
wir zu höheren Kunstformen aus dem Orient heraus.
Wir nähern uns nun dem Westen mehr. Der Phönix, ein ägyptisches
Symbol, der Tod, der aus seiner Asche hervortritt, verjüngt. Hier her gehören
die Bilder des Adonis, aus den syrischen Künsten. Seine Trauerfeiern, die noch
in Athen gefeiert sind.cl So Attis auch in Phrygien.cli | [53]
Diese allgemeine Bestimmung des Geistes, zu sein aus dem nicht sein hat
das Natürliche an sich. Dieser Trauertag des Adonis am 21.März, wo der Win-
ter vorgestellt ist, die Sonne verschwand, die Kraft der Natur sich erneuert, in-
dem man Adonis wieder vorfindet. Ceres und Proserpinaclii sind so Nachklänge.
Ober-Unterwelt; Verlust, der wieder durch Auferstehung des Samens in der le-
bendigen Pflanze [aufgehoben wird].
So hat am Natürlichen der Geist seine Geschichte. Adonis ist Symbol
dieses Natürlichen; hiermit tritt das Symbolische wieder auf, und ist Mittel-
punkt, ist größte Form des Symbolischen im weitesten Umfang. Dieses Symbo-
lische ist das, was wir in der ägyptischen Kunst haben.
Das Erste, dem wir in Ägypten begegnen, ist, daß Todte aufzubewahren
sind, einzubalsamieren, um dem Leiblichen eine Dauer zu geben. Die Vorstel-
lung des Todes wird zu einem besonderen unsichtbaren Reiche. Die Todten
sind durch Kunst aufbewahrt worden; und diese Gräber, diese Räume sind so
mächtige Construktionen, als nur Gebäude irgend sein können. Diese unter und
über irdische Architektur, Labyrinthe, die ungeheuersten Werke sind nicht ge-
nügend. Auch in der Vorstellung wird die Fortdauer des Menschen befaßt. Die
Seele ist unsterblich, d. h. daß das Geistige an und für sich ist; dieses Fixiren
des Geistes ist eine wesentliche Bestimmung. Die Menschen werden gerichtet
von Osiris, dem Könige[,] dem Richter des todtenreichs.
Das durch Kunst vorgestellte ist auch unmittelbar da, nicht bloß daß man
jeden Todten richtete in jener Welt, sondern schon hier richtete man ihn, ehrte
und schändete ihn. Der abstrakte Geist und das Natürliche sind so geschieden.
– Man hat den Pyramiden viele Bestimmungen zugeschrieben; aber die Älteste
ist die wahre, es sind Gräber. Ein Abgeschiedener, um ihn eine ungeheure Um-
gebung, das Symbol selbst, ein Äußeres und Inneres. Innen der Todte, Außen
die Pyramide.
Das Thier ist ein Lebendiges, steht höher als das unorganische Natürli-
che. Man bete[te] die Thiere an. In diesem Apis, Katze, Hund ist Lebendigkeit,
eine höhere innere Macht. Ein solches Thier ist eigentlich kein Symbol, und
man hat es zum Gott gemacht. Man hat es aber zum Symbol herabgesetzt von
einem Geistigen, wenn dieses Geistige auch nicht die Thätigkeit eines Menschen
war. [Es ist] das Göttliche in seiner wahrhaften Gestalt und in der menschli-
chen Gestalt am Ammon. Eine menschliche Gestalt mit Löwenkopf ist für Mi-
nervagestalt angesehen[,] wo die Thiergestalt Symbol ist. Man braucht die
Thiergestalt auch zur Maske. Die sich mit Mumien beschäftigen, werden mit
Thierköpfen vorgestellt, die sind Maske. | [54]
Eine andere Beziehung ist in Memnonen zwischen Innen und Außen, un-
geheure Figuren, wie in Oberägypten 2 gefunden sind, wo die Höhe der Fußzehe
12/12 eine Menschengröße hatte; ihre Bestimmung scheint das Licht der Sonne aus-
zudrücken, wie man es auch in den Spitzen der Pyramiden dargestellt sieht.
Wir kennen solches155 auch aus Herodot, daß die Memnonen beim Aufgang der
Sonne einen Klang von sich gegeben hätten,cliii und auch die Engländer hörten
ihn. Die Erhitzung der Steine, die Kühle des Thaues und der Umstand, daß die
Sonne darauf scheint, kann innerlich feine Risse hervorbringen, welche ver-
schwinden, und mit dem Knistern von Mineralien im Wasser zu vergleichen
[sind]. Sie bedurften des Lichts von Außen, um zu tönen. Beim Menschen ist
es nicht das Außen, was tönen läßt, sondern das Innere selbst ist Grund des Tö-
nens. Das ist die Höhe der Kunst, sich aus sich herauszutönen. Das äußerlich
Natürliche ist hier berücksichtigt.
Osiris. Von Adonis wurde156 schon gesprochen, und dieses Moment des
Übergangs zum göttlichen erscheint im Osiris. Er wird erzeugt, getödtet; man
sucht und findet seine zerstreuten Gebeine und begräbt ihn. Hier ist das
Bestimmen des Osiris. Er ist Herr des Todtenreiches, ein Für sich Seiendes, der
Veränderung Entnommenes. Diese Veränderung ist auch die Veränderung im
Natürlichen, zu erstehen, zu sterben, und wieder zu erstehen. Die Sonne giebt
uns auch dieses Bild. Im Winter ist sie kraftlos für uns; sie gewinnt ihre Kraft
im Frühling und verliert sie, so ist Osiris das Bild der Sonne. Das Natürliche ist
die Bedeutung, und Osiris ist das Symbol.
Der Nil ebenso. Kein Regen ist in Ägypten, der Nil befruchtet alles; er ist
schwach innerhalb seiner Ufer, schwillt an, überschwemmt, befruchtend treibt
[er] die üppigste Vegetation hervor und trocknet durch die Hitze, [die] Winde
der Wüste und [die] Wüste selbst. Ein feindseliges nimmt die Kraft dem Nil,
und so ist Osiris Symbol des Nils auch.cliv Die Ägypter bewegen sich so im
Symbolischen des Osiris, der auch Symbol des Jahreslaufes ist.
Hier sind natürliche Veränderungen zur Bedeutung geworden, aber Kunst-
werke sind auch nur äußerliche Bedeutungen innerer Bestimmungen. Für das
Geistige ist das Natürliche, das Symbol, die äußerliche Weise des Erscheinens.
Das Geistige ist hier selbstständig; entgegen dem Natürlichen, und fängt an
gewußt zu werden. – Hier ist alles Symbol, wo das Geistige natürlich, das Natür-
liche geistig äußerlich dargestellt wird. Der Charakter dieser Darstellung ist
durch und durch symbolisch. Der Thierkreis hängt mit Jahren, Monaten zu-
sammen, welche in symbolischer Darstellung angedeutet werden. Götter wer-
den für die Monate gesetzt. Die Stufen am Altare sind nicht zufällig, sondern
haben die Beziehung, daß sie so hoch sind, wie die Höhe, die der Nil erreicht.
Denn davon hing die Abgabe an die Regierung bei den Ägyptern ab. Zahlen also
haben Beziehung so wie die Farben. Auf diese symbolische Beziehung Rück-
sicht nehmend, hat man die Gottheiten des Thierkreises Kalendergötter ge-
nannt, welche auch bei den Römern zu Hause waren.
Dieses Natürliche ist jedoch nicht allein die Gestalt, der Gott ist Personi-
fikation nicht allein, sondern auf die vielfältigste Weise stellt Eins das Andere
vor.
Die Labyrinthe mit ihren Kammern sind157 1, Zahlen der Monate usw. zu-
sammenhängend, so wie auch die Form der Konstruktionen, die Gänge zu-
sammenhängen mit [dem] Lauf der Planeten. Das Geistige wird Wesentliches.
Das Innere ist Bedeutung, das Äußere, Natürliche ist Symbol. Die menschliche
Gestalt ist noch nicht zu freier Schönheit gelangt. Sitzende Figuren, [auf]ge-
setzte Haupte, angelegte Arme, parallele Füße. Dädalus gab erst die Freiheit
der menschlichen Figuren, da aber ist das Nichtfreie das Gezwungene. Aus-
wärts gedrehte158 Füße und grade Stellung haben Bedeutung noch jetzt. | [55]
Die Bildung der Sphinx als Räthsel giebt so das Symbolische bei den
Ägyptern an. Die Mengen der Sphinxe aus dem härtesten Gestein mit Hiero-
glyphen bemalt, sind mit großer Sorgfalt gemacht und enthalten den Begriff
des Symbolischen; der menschliche Kopf entwindet sich dem thierischen Kör-
per, [wird] frei. Das ist, daß das Natürliche verlassen wird, und daß das Geistige
dennoch nicht klar ist, so ist das Räthselhafte hierin. Der Mythus des griechi-
schen Oedipus, welcher die Sphinx hinabstürzt,clv stellt den freien Menschen
geistig dar, welcher das Allein wahrhafte ist. Das ãíùèé óáõôïí erscheint darin
so deutlich, man erkennt sich, was die Wahrheit und [das] Geistige in Men-
schen ist. Das Bewußtsein erscheint so, und das wahrhafte Wissen vom Innern.
Die Gestaltung dieses Innern, der Objektivität geht mit dem Handeln an. Aber
gährend und ringend, daß das Geistige aus dem Thierischen sich heraushebe,
daß nicht das Thier [als Geistiges erscheint], Sonne noch weniger, denn diese
ist nicht lebendig[,] nicht wie es159 das Objektive, Wahre ist.
Wo die Bedeutung als solche angegeben wird, und die Bildung und Gestaltung
derselben entgegengesetzt erscheint160, das ist die bewußte Symbolik. Die In
Eins Bildung beider muß auch gewußt werden. Indem die Symbolik bewußt
wird, wird sie untergeordnet, partikulär, in klassischer und romantischer Kunst,
wo man über sie hinaus ist, und man nur das Geistige in natürlicher Gestalt se-
hen will. Die äsopischen Fabeln und das Bild überhaupt in der einfachsten
Form als Metapher, Vergleichung werden nun zu besprechen sein.
15/12 Man kann vom Äußern ausgehen, diesem eine Bedeutung geben, oder
umgekehrt der Bedeutung eine Gestalt geben, und wenn man anzeigt, daß man
dieses thun will, so ist das die bewußte Symbolik. Es kann nun jedes von Bei-
den das Erste sein, und die In eins Bildung ist nicht mehr vorhanden; man muß
sie durch Witz, geistreiches Beziehen des Subjekts zusammenbringen in Be-
ziehung auf eine sonstige Erscheinung. Dieses sind unvollkommene Weisen
der Kunst, indem nicht die Gestalt als solche an ihr selbst das Innere erscheinen
macht, sondern sie stellt noch ein Andres in sich vor, was näher bezeichnet
werden soll. Diese Trennung macht sie zur untergeordneten Kunstform. Oder
gibt es ein Ganzes, so ist es eine untergeordnete Weise oder es ist als Neben-
werk bloß Kunstschmuck.
Gebilde passen nicht hier und dort hin nicht, und solche unvollkommenen Ge-
bilde, die dem Begriff nicht entsprechen, fallen nach einer Seite hin, wo das
Ganze noch nicht seinem Begriff gemäß vorhanden ist. So die
schrieben. Das fabula docet ist ein späterer Zusatz,clxx welcher der Fabel von
dem Naiven Etwas nimmt, indem die Prosa hineingestellt wird, außerdem paßt
nicht immer die Lehre, es können noch 10 andere hineingesetzt werden, die
vielleicht noch besser passen würden. Viele solche Bilder hat Göthe, die natürli-
che Verhältnisse haben, und durch eine leichte Wendung ist ihnen ein allgemei-
ner Sinn gegeben.
16/12 Die Sprichwörter haben denselben Charakter, z. B., eine Hand wäscht die
andere,clxxi wo vom wirklichen Waschen nicht die Rede ist, sondern man nimmt
es im allgemeinen Sinne.
Die Fabel vom Roßkäfer und Adler ist sonderbar zusammengebracht, daß
der Instinkt des Adlers nicht künstlich ganz Etwas Allgemeines ist. Der Roßkäfer
hat sonst große Bedeutung, so in Ägypten ist er Zeichen der Emanation, und
seine Kugel ist als die Macht angesehen, als Welt. Die Fabel zeigt nun Anklang
an ein Bild, das sonst von Witzigkeit ist. Aristophanes im Frieden hat den Roß-
käfer auf die Bühne gebracht,clxxii und mit ihm Possen getrieben, der doch bei den
Ägyptern solche Wichtigkeit hat. Die Thiersymbolik ist von den Griechen her-
abgewürdigt [dar]gestellt worden.
Reineke Fuchs ist eine Fabel, wo Personen eingekleidet sind; der König
ist da mit seinen Vasallen, aber anderer seits als allein herrschend und die Par-
tikularität der Vasallen, die nach ihrem Willen handeln, paßt gut zur Thierna-
tur. Eine Vermischung ist hier also, wo das Thierische die Einkleidung giebt.
Zwei Hamster in der Fabel geben eine deutliche Lehre, aber der Naturin-
stinkt ist nicht zu Grunde gelegt, da die Hamster nicht einsammeln.clxxiii – Fabeln
sind auch zu gewissem Zweck gemacht, wie die des Menenius Agrippaclxxiv
etc. | [57]
Parabel, Apolog.
Einer gewöhnlichen Begebenheit im Leben eine höhere Bedeutung zu geben,
ist Parabel. So erzählt Herodot von Cyrus und seinen Persern, daß Cyrus sie
erst arbeiten, dann speisen ließ, eine praktische Parabel.clxxv Die christliche Pa-
rabel im neuen Testament, vom Gastmahl und den wenigen Gästen,clxxvi vom
Sämann,clxxvii so wie der Ring von Lessingclxxviii auf die Religionen angewendet,
Göthes Parabel vom Schulmann im Gesellschaftszimmer und auf dem Felde,
wo er Ohrfeigen erhält, und sich nun erst findet, von der Katze in der Paste-
teclxxix in Bezug auf Newton mit seiner Farbenlehre, die schlechte Erfahrung
tüchtig ausgewürzt hat, oder daß Newton die Sülze ist, an die163 die moderne
Physik viel Gewürze gethan.
Der Apolog entsteht, wenn die Geschichte nicht Bild der Lehre ist, son-
dern daß in der Geschichte die Lehre selbst ausgesprochen ist, so ist das Ge-
dicht der Bajadereclxxx als ein Apolog anzusehen. Maria Magdalenaclxxxi ist auf
indische und göthesche Weise behandelt. Man kann also auch eine Parabel, wo
die Lehre ausgesprochen ist, als Apolog ansehen, wie es auch geschah.
Verwandlungen.
Diese Vorstellungen geben den Übergang zum Klassischen, wo vom Ringen
der Ägypter zur Freiheit der menschlichen Gestalt übergegangen wird. Die
Verwandlungen aus dem Ovid bekannt, die Ovid kunstvoll dargestellt, die Ei-
genthümlichkeiten der Zeit, der sie angehören[,] sind nicht zu sehen. Ein Na-
türliches wie Fluß, Felsen, Pflanzen, wird erklärt, daß er zeigt, daß es nicht das
Äusserliche, ein Fluß etc. sei, sondern daß es einen Inhalt hat, der eine vom
Geist ausgehende Geschichte ist. Die Nachtigall ist demnach auch ein Geisti-
ges; aber Ägyptisches hat man so voraus, wo ja auch Natürliches als geistige
Macht verehrt ist, wo in Nachtigall, Felsen, Niobe die weinende, trauernde zu
sehen [ist]. Die Thiergestalten, Blumen etc. sind Resultate von unglücklicher
Begebenheit, oder von Verbrechen, so daß die natürliche Gestalt nicht mehr so
betrachtet wird, daß in ihr164 ein Höchstes enthalten ist, sondern ein Herunter-
kommen des Geistigen, eine Strafe. Das Verhältniß der Ägypter ist selbst dem-
nach verwandelt. Ein unendlicher Schmerz läßt das Geistige seiner Freiheit
beraubt sein. So entsteht ein Übergang vom Göttlichen zum Natürlichen, in De-
gradation. Der Anfang ist nicht ein Bild, das wird vorgebracht, sondern [das]
als äußerlich Vorhandene, wie Thier, Blume, so wie in der äsopischen Fabel.
Spuren von älteren Mythen und Beziehungen sind demnach in den Verwand-
lungen enthalten. So die Verwandlung der Pieriden[, die] in Spechte verwan-
deltclxxxii werden, wo der Inhalt ist, daß die Pieriden den Titanen singen, und daß
die griechischen Götter in Thieren sich verborgen haben, die Musen singen den
griechischen Göttern, die Pyriden werden nun bestraft durch den Gegensatz.
Räthsel 17/12
[– hier] ist alles Symbol in weiterem Sinn, so wie die ägyptische Kunst. Es sind
Gestalten, wo noch nicht die Bedeutung heraus ist, indem die Bedeutung nicht
das Klare ist. Es giebt ausdrückliche Räthsel. In der alten Kunst giebt es sol-
ches, was uns nicht klar ist. In dem ausdrücklichen Räthsel sind die Züge wi-
dersprechend ausgedrückt, scheinen nicht zusammenkommen zu können. Sie
passen auf Vieles, und Eins ist zu finden. Sancho Pansa sagt, er will die Auflö-
sung vorher lieber haben. | [58]
Im Orient und Mittelalter hat die Kunst Interesse erregt. Sinnreiche Ge-
danken sind auf versteckte Weise dargestellt. In den Wartburgclxxxiii Kämpfen ist
auch ein Sinn dem Räthsel einfach165 gegeben worden, und so ist oft viel Werth
darauf gelegt worden.
Epigramm.
[Wird man] bei einem Gegenstand einen sinnreichen Einfall haben[,] entstehen
2 Bestimmungen, Gegenstand und Vorstellung, die in Verbindung stehen. Das
Frappante ist, daß ein solcher Inhalt in dem Gegenstand aufgezeigt wird. Un-
ermeßlich ist hier das Reich der Gedanken, Witz, Einfälle. Ein Einfall kann für
sich kurz ausgesprochen werden, in dem Sinngedicht, wo nur eine äußerliche
Verbindung ist, und [das] nicht poetischen Gehalt hat. Die Bedeutung kann
auch Sinn des Ersten sein, mit dem Sinn wird eine Gestalt [so] verbunden, daß
[sie] zugleich der Sinn von Gestalt ist; hier wird die Bedeutung gesucht aus der
bildlichen Darstellung, und hieher gehört das Räthsel selbst, wo Züge gesucht
werden, um auf eine Bedeutung zu zeigen; aber beim Räthsel ist die Erschei-
nung das Erste. So kommen wir auf die
Allegorie
wo man von der Bedeutung als einer allgemeinen Eigenschaft, die äußerlich
dargestellt wird, ausgeht, in einer Handlung auch. Das Innere ist ein nicht wahr-
haft Conkretes, sondern ein dramatisches, abstraktes, wie die Zeiten des Jahres
als Person dargestellt [werden], nach ihren Produkten, ebenso Krieg, Friede,
u.s.w. Solche Wesen sind nicht klassische Götter, ein wirklicher Mensch auch
nicht. Die Allegorie ist deßhalb frostig, weil die Subjektivität äußerlich, und
[der] Inhalt abstrakt ist. Das Abstrakte wird nun in Mitteln, die symbolisch
sind, dargestellt. Die Gerechtigkeit mit der Wage, u.s.w. Die Skulptur nimmt
häufig zu ihr Zuflucht, wenn ein Subjekt mit seinen Eigenschaften vorgestellt
werden soll. Freilich kann der fromme Mann durch seine Stellung vom Krieger
unterschieden werden; aber sollen die Eigenschaften bestimmt sein, so werden
sie allegorisch vorgestellt, man setzt den Genius des Sieges zum Krieger. Auf
Sarkophagen hat die Kunst weniger dazu Zuflucht genommen. Mythologische
Gegenstände[,] die Beziehung auf das Schicksal des Todten haben, wurden
hingesetzt.
In der romantischen Poesie ist sie vornehmlich gebraucht vermöge des
Christentums, da sie es mit Christus zu thun hat und seinen Aposteln; aber auch
mit dem Geistigeren überhaupt, in seinem Verhältniß und Eigenschaft, Glaube,
Liebe, Hoffnung. Nicht zu Göttern soll man sie individualisiren, sondern alle-
gorisch auffassen. Dante ist selbst allegorisch.clxxxiv So der Eingang seines Ge-
dichts; Beatrice war ein Mädchen von neun Jahren, die er mit inniger Empfin-
dung liebte, welche er zur allegorischen Figur der christlichen Religion mit
mystischem Sinn erhebt.
Metapher
ist eine bekannte Redefigur, [durch] welche die Bedeutung nicht ausdrücklich
angegeben ist, aber [sich] aus dem Zusammenhang erhellt. Ein Bildliches, das
für Etwas allgemein Abstraktes gebraucht wird. Ein Bildliches ist auf Geistiges
übertragen, und so ist es auf Symbolisches übertragen, aber die Bedeutung ist
gegeben, und sie ist das 1te. In der Sprache giebt es eine Menge solcher Meta-
phern: begreifen, fassen, ist auf sinnliche Weise festhalten, dann auch das gei-
stige Fassen. Durch die Länge des Gebrauchs kann es eigentlich und nicht
mehr metaphorisch sein. Wir erinnern uns nicht mehr des Sinnlichen, sondern
des Geistigen zugleich166. Bei den alten Sprachen kann man dieses nicht mehr
so unterscheiden. – Ein See von Thränen, – Frühling der Wangen. –
In den modernen Sprachen und [im] Orient findet man mehr Metaphern
als im klassischen Styl, die prosaische Sprache ist weniger blumenreich. Ari-
stoteles hat keine, Plato wenige, Thukydides und Sophokles und Homer haben
nur eigentliche Ausdrücke, die unmittelbar zur Vorstellung gehören. | [59]
Die Metapher entfernt sich mehr von strenger Einfachheit, und von dem
festen Boden der Sprache. Man geht in ein anderes Feld über. Ein Luxus sei
sie, den man auch im Orient besonders findet.
Vergleichung
ist auch Metapher; aber die Metapher ist einfach, die Bedeutung ist nur bildlich
gesagt. Bei der Vergleichung ist beides geschieden, und die Vergleichung ist
deßhalb ausführlichere Metapher. Beides kann auch mit einander vermischt sein.
Aristoteles setzt den Unterschied beider in das Wie.clxxxv Die Vergleichung ist ein
Schmuck der Poesie besonders, und von unendlicher Mannigfaltigkeit. Einer Art
von Poesie ist sie mehr als anderen erlaubt. Ist die Bedeutung bestimmt ausge-
sprochen, so ist es überflüssig, noch ein Bild zuzufügen. In den Homeschen
Commentarien zu Virgilclxxxvi werden die Vergleichungen als erklärend gerühmt,
aber oft sind sie nicht nöthig. Schildert Homer Ajax wie einen Esel beim Zu-
rückziehen aus dem Kampfe, so ist das selbst klar, aber das ist nicht Zweck die-
ser Vergleichung. Es gilt dieses Bild doch nicht Etwa für schön bei einem sich
zurückziehenden General. Man verweilt sich durch den vorigen Gegenstand da-
bei, man interessirt sich bei der Sache, und wird vom Fortgang durch die Ver-
gleichung herausgezogen. Aber das ist die Absicht des Dichters, sich nicht
befangen zu machen, sondern ruhig den Gegenstand als äußerlich zu betrachten.
Es ist also eine theoretische Absicht, aus der ernsthaften Fortschreitung den Le- 18/12
ser herauszureißen. Etwas Schmerzliches wird dadurch zurückgehalten, indem
man auf den äußern Anblick beschränkt wird, und die Empfindung entfernen
läßt, welche bei Homer z. B. bei einer Verwundung das innere Brüten schnell
schwächt. So wird auch das Ekelhafte dadurch entfernt. Im natürlichen kindi-
schen Vorstellen, die noch nicht das Poetische zu beleben wissen, nimmt man zu
anderen Parallelen seine Zuflucht, und giebt der Vorstellung eine Wichtigkeit
dadurch, z. B. Polyphem in Ovids Metamorphosen, den seine Galathea verwun-
det, preist sie in 18 Hexametern in lauter Vergleichungen, wo eine Art Ironie
über Polyphem selbst enthalten ist.clxxxvii Im hohen Lied Salomonsclxxxviii sind ähn-
liche [Vergleichungen], wo das Weiße der Zähne gepriesen und mit Verglei-
chungen breiter und wichtiger wird. So [ist] Cap. 4 wieder komisch. Ossian’s
[Vergleichungen gehören hierher,] wo noch nicht tiefer Geist, nur oberflächliche
Empfindung ist, Armuth an Tiefe der Phantasie. Ein Verweilen der Ermattung
sind sie auch bei Ossian.clxxxix Eine gewisse Wehmuth über die Vergangenheit des
Heldenalters läßt das Gemüth ermatten, und zu äußern Dingen greifen.cxc
Shakespeare ist oft wegen seiner Vergleichungen getadelt [worden]; man
hielt sie für unnatürlich167, wenn die Seele von tiefen Leiden ergriffen ist, daß
sie zu Bildern greift, in Vergleichungen sich ergeht. Sie seien ein üppiger Aus-
wuchs des Dichters, und daß die Stärke der Leidenschaft dadurch verfehlt wer-
de. Aber zugleich ist es nicht zu vergessen, daß indem eine Seele in Leiden
versunken ist, sie sich auch stark, edel beweisen muß, und der Adel in Leiden-
schaft zeigt sich, wenn der Geist sich befreit von ihm zeigt, und in diesem Leid
Besonnenheit erhält, und deßhalb vermindern solche Bilder den Eindruck
nicht. Im Heinrich 4.[,] wo Percys Tod der Vater Northumberland erfährt, ver-
gleicht er sich mit Priamus,cxci welches selbst entfernt scheint; beim lesen kön-
nen wir uns hineindenken, aber beim Sprechen ist es schwer. Shakespeare
macht seine Personen zu Dichtern, indem er ihnen Phantasie giebt. So der edle
Richard,cxcii Katharina.cxciii | [60]
Wenn die Erhebung über seinen Zustand ausgedrückt wird, läßt Shakes-
peare seine Personen Reflexionen machen, die allgemein sind, aber daß seine
Personen sie haben, zeigt ihre Ergebenheit in die Umstände. Macbeths Ver-
gleich seines Schicksals mit der Sonne,cxciv und in Heinrich 8, Wolsey.cxcv
Üppig scheinen oft wohl doch solche Vergleichungen. So Warwicks Ver-
gleich bei seinem Tode.cxcvi
Bild
ist ausgeführte Metapher, eine in die Bedeutung selbst eingeflochtene Verglei-
chung, wo die Bedeutung und Gestalt nicht Eins jedes ist, sondern verschmol-
zen. Theils modern, theils orientalisch sind die Bilder. Schiller und Göthe
brauchen sie oft. Mahomets Gesang.cxcvii Bedeutung und Verglichenes ist ver-
schmolzen. Die Sehnsucht ist mit dem Bilde der untergehenden Sonne im Faust
üppig durchgeführt.
1828 19/12 Auf die kühnste Weise findet man sie in des Orient glühender Phantasie.
„Die Reue zerschlägt des Herzens Glas.“cxcviii
Der Inhalt verbindet sich mit der Form, je vollkommener beide sich entspre-
chen, desto vollkommener sind sie auch. In der klassischen Kunst ist die Ein-
heit der Selbstbedeutung enthalten. Die Elemente hiezu haben wir zerstreut
gesehen. Die einfache Einheit mit sich selbst, die einfache Freiheit des Den-
kens, die Erhabenheit, das Beruhen auf sich selbst, wo das Mannigfaltige ein
unterschiedliches Verhältniß hat, war eine Bestimmung eines Elementes. Das
Beziehen auf sich durch Negation, Bestimmung durch Veränderung, war das
2te Element. Das Geistige überhaupt, das Freie, was sich selbst bestimmt, und
bei sich selbst ist, und sich selbst bedeutet, die Realität, das Objektive über-
haupt, gehört dem Innern an. Deßhalb ist es auch an ihm selbst bedeutungsvoll.
Indem das Geistige in seinem Erscheinen als Kunst ist, so ist das Geistige in
Existenz zu sehen. Die Existenz ist natürlich. Sie hat das Zufällige und Äußere
an sich, ist für die Vorstellung, so daß das Gestalten ganz vom Geist durch-
drungen wird, und Nichts an sich zeigt, als das Geistige: Im Symbol stellt der
Gegenstand ein Anderes vor als die Bedeutung. Hier ist eine äußere Gestalt
und innere Bedeutung verschieden. In der klassischen Schönheit ist dieser Un-
terschied nicht vorhanden.
Das Menschliche, Geistige, wie es existirt, wird dargestellt, mit besonde-
ren Zwecken, als handelnd. Die That und Gestalt ist nicht ein Erfolgen, Sich-
begeben, was sich vorstellt; sondern was an sich seinen Geist darstellt.
In der griechischen Kunst hat sie ihre Vollkommenheit erhalten. Symbol
ist zwar auch an dieser Gestalt haften geblieben, aber im Mittelpunkt aufgefaßt
ist sie nicht Symbol. Die menschliche Gestalt, Gesicht, Haltung zeigt sich als
Geistiges an ihm selbst. Diese ist Etwas Natürliches, Lebendiges. Das Gerüste
mit dem organischen System beachtet der Physiologe als Etwas Belebtes, aber
er muß auch noch lernen, wie der Körper Organ des Menschlichen und Geisti-
gen ist. Der Leib des Menschen ist nicht Symbol, sondern Organ des Geistes.
Thaten und Handlungen sind auch Äußerlichkeiten, die zum Theil dem Me-
chanismus anheim fallen, aber als That des Menschen karakterisiren sie sich als
geistig. Hier kommt dieses Abstrakte nicht in Betracht. | [61]
Die klassische Kunst ist also die vollendete Kunst und die klassische
Kunstform ist als Mittelpunkt der Kunst zu betrachten. Was man das Anthro-
pomorphistische nennt, darin bewegt sie sich, auf rein menschliche Weise.
Man giebt dieses für einen Mangel aus; aber dieser besteht nur darin, daß der
Inhalt nicht anthropomorphistisch genug ist. Das Wahre, daß Gott die abstrakte
Einheit sei, und die Gestaltung seiner unwürdig sei, sagt man. Das Ideale[,] das
Anthropomorphistische soll mangelhaft sein in Bezug auf die göttliche Idee in
der klassischen Kunst, aber in der romantischen Kunst wird sich dieser Mangel
noch mehr offenbaren.
Über jeden Fortschritt in der Bildung haben170 die Griechen wohl berich-
tet, und auf jeden haben sie einen Mythos. Berühmte Jagden,cc wie die des Me-
laager, Herkules, sind171 in gutem Andenken geblieben. Diese Jagden sind
aufbewahrt als ein Fortschritt. Die Vorstellung von Verwandlung [bedeutet],
daß Thier zu sein, Strafe ist, daß nicht mehr die göttliche Existenz, sondern die
ungöttliche, unglückliche Gestalt darin gesehen wurde.cci Der Roßkäfer, dieses
hohe Symbol bei den Ägyptern wurde verspottet. Jupiter im Stier und Schwan,ccii
und eine Menge solcher Liederlichkeiten, zeigen nur das Thier als [das] böse
Mittel bei gemeinen Liebesgeschichten. Der Wolf, dieses große Symbol war als
Verbrecher nachher vorgestellt, in welchen Lykaon verwandelt ist.
Die Pieriden, welche die Flucht der Götter nach Ägypten besangen, sind
in Spechte verwandelt worden.cciii Der Inhalt hat den Gegenstand der geistigen
Götter gesagt, und Gesang der Götter in der Thiergestalt, in welche sie sich aus
Angst verkrochen.
Die Thiergestalt wird Attribut des Gottes, und neben ihn gestellt. Jupiter
und der Adler. Adler und Sperber sind in Ägypten der Gott selbst: hier sind172
es nur Diener neben dem Gott. Der Hund, Anubis wird zum Wächter der Hölle.
Im Bock, ðOí der Griechen, ist das Allgemeine, Schreckenhafte; der Mendes
bei den Ägyptern wird bei den Griechen in Bocksfüßen herabgesetzt. Es sind
theils ganz menschliche Gestalten, Faunen, nur mit spitzigen Ohren, kleinen
Hörnern, aber sie sind ihrem Geistigen nach Nichts höheres, sondern sinnliche
Lust; innige Liebe wird ihnen beigelegt, welche in der Maria bei den Christen
nachher als Ideal der Kunst vorgestellt wurde. Diese subjektive Empfindung,
der natürlichen Liebe angehörend, ist dort in andern Kreisen vorgestellt. Es
sind also Mittelgebilde zwischen Mensch und Thier. Der Centaur, Nessus, hat
die wilde rohe Begierde in sich. Chiron ist edeler, aber das Unterrichten gehört
dem Menschen, nicht dem Göttlichen an.
Das zweite Moment ist, daß die griechischen Götter unterschieden sind
von den bloßen Personifikationen der Naturelemente. Sprechen wir vom Gott
des Meeres, so denken wir uns die Substanz des Meeres; aber die Vorstellung
ist nicht antik, ¿ èåïò ôáò èáëáóóçò kommt nirgends vor. Helios ist Sonne als
Gott, nicht Gott der Sonne; aber der Inhalt, die Substanz und die Form sind
personificirt wie Najaden. Die Griechen haben die bestimmte Vorstellung, daß
das Natürliche nicht das Göttliche sei. Sie ist enthalten in dem was ihre Götter
sind, ohne ausgesprochen zu sein.
Unterschieden von einander kommen Helios und Apoll vor. Helios ist 6/1
nicht Gott der Sonne, sondern die Sonne in ihrer Kraft selbst. Uranus ist so der
Himmel. Okeanos ist von Poseidon und Neptun verschieden. Die Nemesis, Dike,
hohe herabfolgende, Strafende, sind Mächte, die der Leidenschaft angehören.
fikation derselben ist auch nur ein Oberflächliches, gemachter Gehalt, das aus
dem Geistigen nur hervorging. Ein Erzeugtes ist also der Inhalt, nicht auf eine
natürliche Weise hervorgekommen. Dieses Geistige ist in seinem Wesentlichen
aufgefaßt, und ist deßhalb ein Göttliches. Zu der Auffassung und Darstellung
gehört aber das Abstrahiren vom Zufälligen, Gewöhnlichen und Häßlichen.
Der Stoff ist da, aber unrein, im Auffassen streift man dieses Unreine ab und
gestaltet es als geistige Individualität, als existirend, wo alles Unreine vom
Dichter zu unterdrücken ist.
Herodot sagt[,] Homer und Hesiod hätten den Göttern ihre Namen, Cha-
rakter, Gestalten gegeben, und [daß] deßhalb die Namen von den Göttern der
Ägypter genommen sind.ccvii Beides ist zu vereinigen. Lokale Traditionen sind
als Ausgangspunkt anzusehen, die als Ingredienzen für die Gestalt der Götter
[genommen] wurden. Aber der innere Geist war noch nicht darin, diesen Geist
haben die Dichter vorgestellt, und Homer und Hesiod sind so die Dichter, wel-
che den Griechen die Mythologie gegeben. | [64]
Das freie Produciren war nun dem Künstler erlaubt, wenn es auch nicht 7/1
ein willkührliches war, denn es war ja nicht ein aus dem Äußeren der Natur ge-
nommener Inhalt. Dieses ðïéåsí der Götter stellt sich klar dar, indem der Dich-
ter der ìáíôéò Erklärer war, d. h. er faßte auf und erklärte, was die Erscheinung
bedeute. Nehmen wir Homer vor, so finden wir eine Menge von Erklärungen,
die in den Mund der Priester gelegt sind. Der Dichter erzählt, Pallas und Zeus
haben das gethan. Aber er läßt den ìáíôéò auftreten und den Erzähler erklären,
wie im Anfang Kalchas, welcher die Pest erklärt, das Göttliche darin nach-
weist, und die Ursachen angiebt.ccviii Im letzten Buche der Odyssee erzählt Aga-
memnon vom Begräbniß Achills, wo Nestor das Rauschen des Meeres erklärt,
nämlich Thetis komme hervor, um zu ihrem Sohn zu gehen.ccix So sind die
Dichter die Lehrer der Völker geworden.
Nachdem die geistigen Götter von den Naturmächten getrennt sind, ent-
stand der Kampf zwischen diesen geistigen Göttern und den Elementarmächten
im Kampf der neuen mit den alten Göttern, indem die alten gestürzt, und die
neuen Herrscher werden. Dieser Fortgang ist nothwendig gewesen im Verhält-
niß des Geistigen. Dieser aber vor das Bewußtsein gestellt, ist die Haupttat der
Götter, wo das Lokale zufällig ist. Die176 Hauptsache, daß Kronos seine Kinder
verzehrt,ccx ist das Symbol der Zeit, wo Vergehen überhaupt ist. Und wo vom
Vergehen die Rede ist, hat sich noch nicht das Politische, Feste mit Zwecken
Verbunden[, das] noch nicht da ist, wo Geschichte noch fehlt.
Wilde Völker sind da gewesen, die keine Geschichte gehabt haben, wo
alles was geschah, nur in der Zeit geschah, ohne Zweck. Kronos verschlang
seine Kinder – eine läppisch scheinende Geschichte – Jupiter mit seinen Brü-
dern wurde erhalten, Demeter, Hestia und Here so wie Vulkan gab er von
sich – : die Bedeutung ist wohl diese, obwohl es wenig erkannt ist. Giganten,
mißgestaltete Mächte mit hundert Armen, gleich einem indischen Gebilde mit
zahllosen Armen – Unordnung wurde durch Ordnung, Gesetz verdrängt. Pro-
metheusccxi ist ein Titan, wird von Jupiter an [den] Kaukasus geschmiedet; eine
terrestrische Gewalt ist er nicht, und es scheint Unrecht, ihn zu den Titanen zu
zählen. Feuer zu den Menschen zu bringen, ist was menschliches, Nichts natür-
liches, er thut, was Demeter gethan, Gutes den Menschen, und dennoch ist er
Titan? Plato in seinem Politikos, Protagoras erzähltccxii diesen Mythos. Die Göt-
ter hätten die Menschen aus Feuer und Erde gebildet, den Epimetheus beauf-
tragt, alles zu schmücken: Er rüstete die Thiere aus, – selbst gut – das Thier hat
den Instinckt, ihm ist alles gemacht – der Mensch muß sich alles selbst machen
– die Natur sorgt für die Thiere – der Geist für ihn selbst.
Die Menschen sollten auch aus der Erde heraus. Prometheus stahl He-
phaistos künstlerische Weisheit, und diese gab er den Menschen zum Ge-
schenk. So haben sie die Kunst für das Leben – ôçí ôå÷íçí ðñïò ôïí âéïí.
Aber die Politik haben sie nicht, denn diese war noch beim Zeus. Prometheus
war nicht verstattet, in die Akropolis des Zeus einzugehen, deßhalb konnte er
sie den Menschen nicht geben; aber die Feuerkunst der Athene und Hephaistos
stahl er. | [65]
8/1 Die Befriedigung des Bedürfnisses wird bloß dem Prometheus zuge-
schrieben; es ist nur der Privatnutzen, deßhalb ist auch seine Strafe Etwas Un-
ersättliches, wie im Tantalus die subjektive Begierde nicht befriedigt werden
kann. Selbst die Befriedigung kann nicht befriedigt werden und wird be-
schränkt durch eine ewige Sehnsucht. Eine andere Weisheit legte Plato dem
Zeus als neuem Gott zu. Die Staatseinrichtung ist das Sittliche, Allgemeine der
Freiheit. Helios und die andern Titanen mit Prometheus sind in ihrer Ehre ge-
blieben; natürliche Momente der Nothwendigkeit sind Sonne und Mond, eben-
so auch Feuer und Essen des Fleisches. Prometheus wird nun von Herkules
befreit. Er prophezeit, daß auch Jupiter wird von seinem Throne gestoßen wer-
den. Herkules ist als Mensch erzeugt in die Gottheit übergegangen, das ist die
neue Gottheit. Prometheus hat einen Tempel auf Colonos, neben dem Tempel
des Poseidon,ccxiii wogegen der Scholiast bemerkt, daß er auch einen Altar in
der Akademie gehabt hat, wo Prometheus mit Hephaistos zusammengestellt
sei. Hephaistos ist der neue, Prometheus als alter Gott hält das Scepter, und
beide haben einen Altar. Hephaistos ist auch das Feuer, und die Kunst durch
Feuer zu arbeiten. Hephaistos ist herabgeschleudert von Jupiter hinkend ge-
worden,ccxiv weil das in Feuer arbeiten nur das Bequemliche, das Lebens die-
nende ist. Jupiter kommt dagegen zu, die Politik. Er wird mit Creta deßhalb
zusammengebracht, wo die Quelle des Rechts war. Jupiter ist der Donner, der
die gewaltige Naturerscheinung hat, aber nicht in sofern dieses Naturereigniß
ist, sondern als óçìåéïí des ìáíôéò, also der das Geistige in sich enthält.
Zwei interessante Darstellungen giebt es in Bezug auf das Alte und Neue.
Dieser Gegensatz ist in den Eumeniden dargestellt.ccxv Die alten Götter sind
Äéêç, Èåìéò; der Unterschied scheint äußerlich von der Phantasie herzurühren;
aber diese Unterschiede sind nicht oberflächlich, einen tiefen Sinn enthalten
sie, die Sittlichkeit, welche in uns erst später klar werden [wird], und dann
werden manche die Griechen noch mehr schätzen. Die Eumeniden verfolgen
Orest wegen Muttermords. Sie werden als Furien, Haß, Böses, nach unserer
Vorstellung gedacht. Bei den Griechen sind es die Wohlgesinnten, die das
Recht geltend machen. Sie rächen den Muttermord, den ein neuer Gott ge-
rathen, Apollo. Der Aeropag, ein menschliches Gericht, an dessen Spitze Athe-
ne steht, schlichtet den Streit. Athene wirft den weißen Stein hinein. Das
Menschliche, Konkrete schlichtet zwischen Göttern den Kampf; aber der kon-
krete Volksgeist der Athene beherrscht sie. Für Apoll wurde entschieden. – Die
Eumeniden sehen auf den innigsten Zusammenhang von Mutter und Sohn, und
auf dessen177 Verletzung; aber was man durch den Begriff einsehen [kann], daß
die Familie die Sittlichkeit ist, dieser Zusammenhalt der Familie, aber diese
Sittlichkeit ist die natürliche, eine sinnlich empfundene Sittlichkeit, im Blute
schon liegende. Deßhalb rächen so die Eumeniden. Apoll bestraft die Verlet-
zung des Fürsten und Ehegatten. Die Ehe ist etwas Späteres. In der Rache liegt
die Liebe, welche als Empfindung von der Sittlichkeit der Ehe sich trennt. Bei-
de sind unabhängig von einander; wenn die Empfindung gewichen ist, so be-
steht die Verbindung. Ebenso ist das politische Verhältniß des Fürsten zum
Staate. Ein sittlicher bewußter Zusammenhang des Rechtes und Zweckes liegt
darin. Die Sittlichkeit des Apoll, des neuen geistigen Gottes liegt darin. Die
Oberhand der Athene ist für die bewußte sittliche Macht gewonnen. Athene
giebt dem Einen den Vorzug, wiewohl sie sonst gleich stehen. Die Eumeniden
sind aufgebracht über diesen Urtheilspruch. | [66]
Aber Athene sagt ihnen, sie sollten ihre Ehre zu Athen behalten. Apollo
sagt[,] wenn Klytemnestra nicht bestraft wäre, so wäre die Ehe und politische
Gewalt des Zeus verletzt worden, deßhalb können die Eumeniden die Klytem-
nestra nicht schützen; aber sie erhalten doch ihre Ehre. Sie sollen den Mißwuchs
in Frucht und Geburt verhüten. Athene dagegen will Athen in Kämpfen ver-
treten. So ist auch hier der Kampf des Natürlichen mit dem Geistigen sichtbar.
Eine andere Darstellung von diesem Kampfe finden wir in der Antigo-
ne. Kreon und Antigone, Herrscher und Familienliebe im Streite. Der Staat
ccxvi
hat dem Bruder die Ehre des Begräbnißes versagt, aus Interesse des Staates.
Antigone läßt sich dadurch nicht zurückhalten, sie hat ihre eigene Pietät, sie be-
ruft sich auf das Gesetz der Götter. Das ist das Gesetz der êáôù èåùí, der un-
teren Götter, der inneren Götter, der Familie, dagegen das Gesetz des Staates
das Bewußte überhaupt ist.
sieht man das Herunterkommen des Symbolischen. Solche Züge, die meist in
Menge da sind, dienen dazu, um die geistige Gestalt zu partikularisiren.
Die prosaische Vorstellungsweise ist, daß die griechischen Götter in alten
Königen ihren Ursprung haben. In der Athene ist die Stadt, aber nicht die Göt-
tin, sondern der Geist der Stadt, der sein wirkliches Dasein und Geschichte hat.
Mit dem Geiste eines Volkes hängen solche Züge zusammen.ccxx Aber in frühe-
ren Mysterien und Symbolen muß man die griechischen Götter suchen. Sie
sind die Götter des Bewußtseins.
In den Mysterien war nicht die erste Weisheit, sondern die ältere Vorstel-
lung, auf Naturmächte alles zurückzuführen. Daher die falsche Vorstellung
vom Tiefsten im Griechischen Geiste, welcher der wissende Geist war, der Zweck
des Staates und [der] Familie. Homer erzählt, die Götter sind einst nach Äthio-
pien gereist, um dort zu schmausen.ccxxi Man sieht hierin eine symbolische My-
thologie, so wie im Herkules, der aus Mensch Gott geworden. Bestimmte
beschränkte Gottheiten gab es in der Mythologie. Sie sind aus fremden Mytho-
logien genommen. Eine ägyptische Juno und Aphroditeccxxii werden182 von den
Griechen erwähnt, in denen eine oberflächliche Übereinstimmung nur vorhan-
den ist, und [die] einem anderen Geiste angehören. Im griechischen Ideale sind
nun auch solche fremdartige Züge eingemischt, wo Naturverhältniß das Über-
wiegende war. Die 12 Arbeiten des Herkulesccxxiii sind nur die 12 Monathe, in
sofern nur die Sonne mit hereinspielt. Der Zug nach Hesperiden, [die] hesperi-
dischen Äpfel, haben einen weiteren, tieferen Ursprung, dem man nachgehen
muß. Juno, Jupiters Gattin, ist der Himmel überhaupt. Jupiter, heißt es, hat den
Herkules an die Brust der Juno gelegt, sie hat ihn von sich geschleudert, und
aus der verspritzten Milch die Milchstrasse gebildet. Diese an dem Ideale er-
scheinenden Zufälligkeiten sind das äußerste Moment.
Die ruhende Gestalt hat Etwas Einfaches, aber es sind besondere Züge
dabei, die man mit ihnen verweben kann. (Blüchers Statue mit Basreliefs.)ccxxiv
Von dem Mittelpunkt der klassischen Kunst ist schon in der Einleitung gespro-
chen. Sie ist somit genug besprochen. Die hohen Skulpturbilder, Muster der
Schönheit, die im183 Beruhen auf sich die Erhabenheit an sich tragen184, haben
eine Trauer über sich verbreitet. Der Eindruck auf uns wird mit dieser Trauer,
Stimmung auch verbunden sein. In ihrer Ruhe haben sie Etwas Lebloses, der
Empfindung Entrücktes. Diese Trauer ist das, was schon selbst ihr Schicksal
ausmacht, daß Etwas höheres gefordert, und ein Übergang für sie nothwendig
ist. Das Schicksal überhaupt, was innerhalb der griechischen Kunstwelt eintritt,
ist diese Trauer. Eine abstrakt allgemeine Nothwendigkeit, das Bewußtsein von
geistigen Mächten und ihren Indivualitäten, erscheint an ihnen. Diese Mächte
haben einen beschränkten Umfang. Die Idee jedes Gottes, möge sie allgemein
genommen werden wie Gesetz und Wissen im Jupiter und Apoll, oder indivi-
duell, bleibt doch immer beschränkt. Der Olymp ist ein Pantheon mit vielen
Individuen, die als Menge und besondere Individuen und gegen einander auf-
treten. Etwas Höheres tritt über sie empor[,] das Verstandlose, was nicht ge-
wußt wird, als reiner absoluter Zweck, die Nothwendigkeit des Schicksals, dem
Menschen und Götter unterliegen, ist es. Dieses Schicksal zeigt das Unbefrie-
digende ihrer Bestimmung überhaupt. | [68]
Das Anthropomorphistische ist dann zu bemerken. Die Schicksalbestim-
mung, ist die Bestimmtheit freigelassen, die zufällige und anthropomorphistische
also. Der Gehalt des Idealen sank deßhalb zur Zufälligkeit und Äußerlichkeit
herab, welches seine Entwicklung hat zum Gemeinen, Possenhaften. Die klassi-
sche Gestalt muß nothwendig vergänglich sein. Im griechischen Leben ist
höchste Bestimmung, in einem äußerlichen Dasein selbst da zu sein. Wie die
Kunstgestalten wesentlich erscheinen, so soll der Geist als äußerlich existirend
sich zeigen. Die absolut geistige Bestimmung als Etwas weltlich Vorhandenes
da zu sein, machte den Staat; sittlich und patriotisch zu sein und nach Gesetzen
des Staates zu leben. Kein höherer Zweck, der wahrhaft ist, ist fürs Individuum
vorhanden. Als weltlicher Zweck ist er unwesentlich185, und fällt der Geschichte
und Vergänglichkeit anheim.
Ein Staat, in dem jeder für den Staat lebt, ist ein schwacher Staat, er wird
zertrümmert und das Individuum hat keine Rechte.
12/1 Der Zweck des Individuums, unterschieden von Substanz und Staate, und
seine Eigenthümlichkeit ist nicht zu ihrem Recht gekommen: Eine Selbstsucht
entstand daraus, die sich gehen läßt und zum Verderben wird, endlich zum Ge-
gensatz gegen den Staat kommt. Innerhalb dieser Freiheit muß diese höhere
Freiheit des Bewußtseins [angelegt sein], des Subjekts in sich selbst Ich zu
sein. Das Subjekt sucht in sich Befriedigung, weil es im Substanziellen keine
Befriedigung fand. So Sokrates, Plato und Xenophon suchten, da sie einen Ekel
vor dem Allgemeinen, dem Staate hatten, in sich die Befriedigung, so entsteht
dieses Äußerliche in der klassischen Kunst, wo die Zuflucht zu sich selbst Be-
friedigung sucht. Dann erst ist die Freiheit wahrhaft geistig, wenn der Geist
sein Eigenes wird. Deßhalb entstand der Untergang dieser Kunst. Der Über-
gang führt sie auf ein anderes Feld, nicht auf das der Kunst.
Zweierlei kann in Hinsicht dieses Übergangs bemerkt werden. Erst in
neuerer Zeit ist eine Sehnsucht nach der klassischen Kunst vernommen wor-
den. Diese Trauer über den Untergang des Klassischen ist im Gegensatz zum
Christentum beklagt186 worden. Denn angenommen, daß das Christentum eine
höhere Ansicht von Gott hat, wie ein jeder eingesteht, so spricht sich doch es
aus, als wenn für die Kunst der Untergang jenes Standpunkts zu bedauern wäre.
Die christliche Religion enthält zwar auch das Element der Kunst, aber sie hat
eine solche Entwicklung genommen, daß der Verstand dieses Element ver-
drängt hat, welches für die Kunst wesentlich ist, nämlich das Element des wirk-
lichen menschlichen Gottes. Wenn der Verstand sie aber zur Vernunft bringt,
so tritt das Bedürfniß nach Kunst unter [einer] Bestimmung ein, welche dann
auch Kunst ist. In der Bestimmung der Vernünftigkeit ist der Gedanke enthal-
ten mit seiner Realisirung, und das ist die Grundbestimmung der Kunst. Nach-
dem die Unbefriedigtheit des Verstandes durch das Bedürfniß der Vernunft
eingesehen worden ist, so spricht sich auch eine Sehnsucht nach Kunst aus und
auch nach griechischen Göttern. Die Periode des Verstandes hat kalte Kunst-
werke hervorgebracht, weil immer der Verstand sich einmischt. – Die Götter
Griechenlands von Schiller sind so entstanden, wo schöne Ruhe mit schönem
Inhalt verbunden ist; Pathos ist mit tiefer Sehnsucht ausgesprochen gegen
Verstand und Christentum. Später hat er die Härte gemildert. Alles Natürliche,
sagt er, ist belebend damals aufgefaßt worden. – : ’da die Götter menschlicher
noch waren, waren die Menschen auch göttlicher.‘ccxxv – Der christliche Gott ist
viel mehr Mensch, da das Anthropomorphistische im Christlichen mehr auf die
Spitze getrieben war als bei den Griechen. Die geistige Freiheit in sich selbst,
welche das Menschliche göttlich macht, haben die Griechen nicht gehabt. | [69]
Die Kunstgestalten, sagt er, seien gerichtet auf die Höhen des Pindusccxxvi
– das ist ihre wahre Vorstellung, daß sie der Fantasie angehören, nicht aber
dem abstrakt denkenden Geist das Letzte seien. Diese Sehnsucht im tiefen
Schiller muß man ernsthaft betrachten. So hat Schiller seine Ansicht dargelegt.
Die Franzosen haben auch ihre Sehnsucht dargestellt, aber wie oberflächlich,
wie frivol!ccxxvii Göthes Braut von Corinthccxxviii hat tief dieses dargestellt. Er
schilderte die Liebe in der Entsagung; das Einseitige der katholischen Religion,
daß die Bestimmung der Gattin erniedrigt wird zur Ehelosigkeit wird da durch-
geführt, und man findet hierin den Gegensatz der sittlichen Bestimmung gegen
Vorstellung, die auch einem Einseitigen Standpunkt der christlichen Religion
angehört hat. Ein schauerlicher Ton ist dem Inhalt gegeben. Das lebendige ist
gespenstische Tändelei und Feierlichkeit im Versmaß hat ihre187 große Wirkung.
Zweitens ist zu betrachten, daß die Bedeutung bei dem Symbol ausge-
sprochen ist, und das Äußerliche die Bedeutung verdollmetschte. Das Inne-
re[, das] indem es erscheint wahrhaft im Äußeren ist[, hat] nicht mehr Bedeu-
tung. Sobald aber die Bedeutung für sich ausgesprochen ist, und dann diese
äußerlich ausgesprochen ist, so entsteht eine Unterordnung in der Kunst. Eben-
so tritt auch bei dieser klassischen Kunst die bestimmtere Bedeutung her vor.
Im Felde des Geistigen und Selbstbestimmens sind wir jetzt. Freiheit und Sich
bestimmen werden Zweck, welcher das Gute genannt werden kann. Aber das
Gute im Gegensatz unversöhnt mit der Partikularität. Dieses Gute für sich vor-
gestellt, abstrakt, in so fern die Kunstform nur äußerlich angebracht wird, bil-
det das Lehrgedicht, wo ein moralischer, prosaischer Inhalt ist; wird diesem
Inhalte eine künstlerische Form und Schmuck gegeben, so entsteht dadurch ein
äußerliches poetisches Kunstwerk. Das Gute, Tugend überhaupt wird für sich
ausgesprochen, dem sein Dasein unangemessen ist und erscheint, wodurch die
Satyre sich bildete und der römischen Welt eigen war.
13/1
Der Zweck ist hier, feindselig gegen das Bestehende wütend188, auf eine
negative Weise zu zeigen, wie das Gute zu erreichen. Man zeigt das Schlechte
als das sich selbst zerstörende. Die alten Sitten und Verfassung sind es, welche
zurückgerufen werden in eine Zeit, zu der sie nicht mehr passen. So sehen wir
in der römischen Welt das Gesetz der freien Sittlichkeit in Abstraktheit zur
Herrschaft gelangen. Ein Geist, der auf die abstrakte Aufopferung basirt ist und
bürgerliche Tugend, ist der Kunst nicht vortheilhaft; denn das wahrhafte Prin-
cip der Kunst ist das Schöne. Die Römer haben alle ihre Kunst aufgenommen.
Ihre Skulpturen und Malerei kamen von Griechenland, wie Epos, Drama und
Lyrik. Keine eigenthümliche Form haben sie erfunden. Allerdings haben sie
Dramen gehabt; aber theils [sofern ihre Kunst] als etwas Namhaftes gewesen
ist, ist [sie] aus dem Griechischen geschöpft, wie auch Enneid von den Grie-
chen alles genommen und die Mythologie auf eine prosaische Weise erklärt
hat, und so der Poesie entfernt hat.
Das Eigenthümlichste, was sie hatten, war Komisches, aber auch nicht in
der höchsten Ausarbeitung, wie Plautus,ccxxix der auch von den Griechen alles
entliehen. Eigenthümlich ist ihnen die Satyre. Der Geist tugendhafter Verdrieß-
lichkeit, in welchem Tacitus,ccxxx Sallustccxxxi und Senecaccxxxii geschrieben, aber
das äußerliche189 der Zeit gegen das Abstrakte des Stoizismus wurde herr-
schend. Die Tugenden einer vergangenen Welt riefen nun die Poeten herauf190.
Horazccxxxiii hat sich als Satyriker ganz in die griechische Kunst eingearbeitet.
Juvenal,ccxxxiv Lucianccxxxv sind auch her zu nehmen, welcher Letzte auch über die
Vorstellung der Götter sprach, wie sich Aristophanes schon lustig gemacht
hat.ccxxxvi | [70]
Diese Dissonanz bildet so den Übergang. Das Gute wird nun nicht bloß
gewußt vorgestellt in antiker Tugend, sondern in der reinen unbeschränkten
Wahrheit, und daß es gewußt wird als nicht entgegengesetzt einem partikulären
Weltzustand, sondern sich mit der Welt versöhnend. Diese Affirmation des
Verhältnisses ist das Princip der romantischen Kunst.
Wir sahen im Symbolischen das Aufstreben von der Natur zum Geistigen, wo
Naturverhältnisse doch den wesentlichen Inhalt ausmachen, und das Geistige
nur gesucht ist mit äußerlicher Form. Das Geistige wird Bedeutung im Klassi-
schen, mit natürlicher Form, mit schöner Einigung des Ideellen und Reellen,
wo beides gleich würdig hervortritt, so daß das Leibliche die Erscheinung des
Geistes ist. Der Geist in sich selbst, daß er sich weiß, Nicht sinnlich vorgestellt
und äußerlich, ist die klassische Kunst. Die Schönheit nach ihrem Begriff ist in
der klassischen Kunst, wo die Vollendung der Schönheit ist, wo Nichts mehr
schöner aber Höheres sein kann, das auch schön ist, aber an ihm191 zeigt[,] daß
der Geist als bei sich seiend noch das Höhere ist, als indem es im Sinnlichen
sich zeigt.
Im Erheben des Geistes zu sich liegt eine Unangemessenheit des äußerli-
chen Daseins, denn er entrückt aus dem äußerlichen Dasein, welches nicht die
Wahrheit ist, sondern daß der Geist seiner Realität sich bewußt ist, wie auch
seiner Unendlichkeit und Freiheit. Diese Unendlichkeit enthält, daß dieses
nicht ein Unmittelbares ist, sondern daß der Geist192 sie in sich hervorbringen
muß, deßhalb es sein natürliches Sein und Empfindung und freies Leben im
Dasein, den Zweck des Staates überwindet, und dieses abwirft, wodurch ein
Kampf entsteht. Die Entzweiung in sich ist der Zweck der Überwindung, daß
er sich von sich trennt, und sich einen unendlichen Schmerz verursacht, daß er
in dem natürlichen Sein nicht ist, wie er sein soll, sondern daß er unrecht daran
ist, und daß sein unmittelbares Wollen nichtig ist. Aus dieser Vernichtung sei-
nes Seins kommt er zu seiner wahrhaften Bestimmung, woraus seine Freiheit
hervorgeht. Leiden und Entzweiung entstehen deßhalb, und erhalten eine geistige
nothwendige Bedeutung, statt einer natürlich nothwendigen. Das schmerzliche
Wehgefühl erhält eine Wichtigkeit für den Geist, indem er zu sich selbst kommt,
und sich mit sich versöhnt.
Der Tod ist den193 Griechen ein Furchtbares, aber ein Tod ohne geistige
Würde ist ihnen nicht trennbar vom Leichnam. Sie umgaben den Leichnam mit
lebhaften Bildern, nicht aber den Tod. Der Tod hat nur die Bedeutung des Ne-
gativen gegen Leben überhaupt gehabt, aber keine Auferstehung aus dem To-
de, d. h. nicht die Bestimmung der Negation des Negativen, indem das Leben
als affirmativ betrachtet ist, und schon deßhalb ein Natürliches ist, und deßhalb
Negatives schon, was nicht dem Geiste angemessen ist. Der Tod hat bei den
Griechen die Bestimmung der ersten Negation. Achill spricht dieses in der
Odyssee aus, indem er Sehnsucht nach dem natürlichen Leben in der Unterwelt
hat.ccxxxvii Der Tod für sich selbst wird nun aber selbst zum Leben. Diese Grund-
bestimmung ist es, die dem Romantischen eigen ist194, und das Innere deßhalb
ausmacht195. Das Innerliche selbst ist hier Hauptbestimmung. Der Genuß des
Individuums in ihm selbst, sein Rückgekehrtsein in sich. Zweierlei entstehe.
Ein geistiges, göttliches Reich in sich vollendet, ein mit sich versöhntes Ge-
| [71]müth. Ein wahrhafter Kreislauf entsteht hier, indem man von sich zu sich
zurückkehrt.
Die Äußerlichkeit und Realität ist ein Empirisches auf der anderen Seite
geworden, deren das Innerliche nicht bedarf. Hier ist also das Innere in sich das
Innige, das Vernehmen seiner Einheit in sich, ganz nur sich, musikalisch. Die-
ses Innerliche ist getrennt von dem Äußerlichen.
Der religiöse Inhalt tritt in die weltliche Äußerlichkeit, in das Ritterthum über. In
die formelle Subjektivität, Charakter überhaupt, und sich in der losgebundenen
Äußerlichkeit ergehen, die Abentheuerlichkeit zu bestehen, gehen diese über.
Das erste Princip ist also das religiöse. Der Inhalt ist die Geschichte Chri-
sti, die Versöhnung des Geistes mit sich, die absolute Geschichte der Wahrhaf-
tigkeit des Geistes.
14/1 Die romantische Idee wird hier also in ihrem Wesentlichen vorgestellt.
Der Geist ist die Thätigkeit, und sein Sein ist die Geschichte seines Wesens.
Die Philosophie hat ihn zu denken. Bei der Religion muß der Inhalt für alle
Menschen da sein, für das empfindende Bewußtsein und nicht sowohl für das
begreifende Bewußtsein. Diese Geschichte des Geistes, so vorgestellt, so ist
der nähere Inhalt, die Grundbestimmung, daß das absolut Wesentliche und
[die] unendliche Bestimmung des Geistes erfaßt wird. Jeder Mensch als Sub-
jekt hat diese Bestimmung und den hohen Zweck als Geist. Er soll dazu kom-
men, seine Bestimmung zu erreichen, wo er dann freier Geist wird. Dieses Ziel
ist die Grundlage; der Menschen Geist ist an sich ein Wesenhaftes. Was er her-
vorbringen soll, ist für sich zu sein, d. h. ein Individuum. Ursprünglich sind
diese 2 Momente im Menschlichen als Geist verbunden. Er kann nur jenes Ziel
erreichen, indem er für sich ist. An sich ist Gott und Mensch Eins; der Mensch
ist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Also wird gewußt, daß ein einzelner
Mensch Gott und Gott ein Mensch sei. Gott ist also nicht auf menschliche Wei-
se, sondern er ist als einzelner Mensch anzuschauen196. Die Einheit der mensch-
lichen und göttlichen Natur ist wahrhaft nur als ein solches Subjekt; nicht bloß
für den Gedanken sondern auch für den Sinn ist dieses in Anschauung zu brin-
gen.
An den einzelnen Menschen ist die Geschichte des Geistes auch an dem
Einzelnen zu sehen. Diese Geschichte des Geistes an dem Einzelnen ist Nichts
Anderes als was wir wissen, daß dieser Einzelne sich durch Einzelnheit abthue,
d. h. daß er leide und sterbe, und durch den Tod hervorgehe als der verherrlich-
te Gott, der in die Existenz als Gott gekommen ist, und nun Gemeinschaft mit
Gott ist. Das ist der Grundgegenstand für die Kunst. Die Kunst ist schon über-
flüssig hier. Die Hauptsache liegt am Glauben, an der Gewißheit dieser Wahr-
heit. Die Vorstellung der Wahrheit soll nun gewußt werden, und wird so in die
Vorstellung verlegt[,] wird innere Empfindung. Das Idealische ist hier nicht ei-
gentlich mehr vorhanden, denn das Dasein in dem Körperlichen wird äußerlich
in der Kunst verlangt, daß der Gott nicht als ein Gestaltloses gedacht werde,
sondern als Mensch, [in] diesem hohen Anthropomorphismus. Aber es ist der
Akcent auch darauf gelegt, daß der Mensch ein Einzelnes sei in der gewöhnli-
chen Zeitlichkeit und menschlichen Existenz. | [72]
Die Wahrheit der menschlichen Natur soll hier in einem Diesen gefunden
werden, wodurch eine Vereinzelung entsteht, daß das Körperliche, Äußere na-
türlich sei, und nicht bloß durch die Innerlichkeit bestimmt wird. Nicht Ideal ist
es also. Der unendliche Contrast zeigt sich hier nicht allgemein wie im Ideal,
sondern vereinzelt; die unendliche Dissonanz soll dargestellt werden, und ihre
Versöhnung macht die wahrhafte Tiefe aus, daß man ganz Entgegengesetztes
zusammenhalten soll. Die Tiefe zeigt sich um [so] mehr je stärker hier der
Kontrast zwischen der Endlichkeit und Unendlichkeit ist. Diese Ärmlichkeit
der äußern Hülle, daß Christus in die Krippe gelegt ist, und dann die unendli-
che Höhe, ist ein Kontrast, der mit der Einzelnheit erst anschaulich wird. Es
trat dadurch das ein, was dem reinen Begriff der Schönheit nicht angemessen
ist. Indem Christi Gestalt [zum] Gegenstand der Darstellung gemacht ist, so
soll es porträtmäßig [sein; er soll] als dieser Mensch dargestellt werden, worin
sich dieser Zug zeigen soll. Alle Gemälde von Christus sind schön, erhaben,
stellen aber nicht das Urbild dar; und diejenigen welche das griechische Ideal
hineinlegen, bleiben am meisten zurück. Denn nicht auf ideale Weise soll Chri-
stus dargestellt werden. Christus am Kreuze enthält nicht den Begriff der idea-
len, klassischen Schönheit, aber die tiefe Innigkeit der Verklärung des Geistes
in sich ist darin ausgedrückt. Das Figurative um ihn, Freunde und Feinde, sind
nicht Ideale, es sind diese Menschen. Die Feinde sind als Feinde Gottes darge-
stellt, als innerlich bös, und die Darstellung des Bösen und Verzerrung ist nicht
idealisch. Zu den Freunden gehört zuerst die Mutter, dieser Gegenstand der
christlichen Kunst. Die Freiheit des Geistes in dem Bei sich sein hat eine Form
der Empfindung, welche in der uneigennützigen Liebe liegt, weßhalb hier Gott
die Liebe ist, sich in einem Anderen zu empfinden, und in einem Anderen mein
Selbst zu fühlen. Diese Liebe ist eine Hauptform der Bestimmung der Idee
selbst. Diese Liebe ist am reinsten in der Mutterliebe, wo Verlangen und Be-
gierde des Geschlechts nicht vorhanden ist. Diese Natureinheit, daß die Mutter
das Kind unter ihrem Herzen genährt hat, ist ein Gefühl der innigsten Einheit.
Die Freundschaft ist unter Männern, welche Zwecke haben, und in einer Sache
kommt die Freundschaft zusammen, welche wesentlich ist, aber diese Sache ist
bei der Mutter nicht. Dort ist diese Trennung nicht. Diese Liebe spricht sich al-
so am meisten in der Einheit aus. Die Form des Geistigen liegt noch darin,
weßhalb im Protestantismus der höhere Geist die höhere Wahrheit an die Stelle
der äußerlichen Mutterliebe in dem Katholizismus getreten ist.
Das Verhältniß der Gemeinde, in so fern sie noch im Kampfe ist, tritt
noch ein in den Märthyrern, welche im äußerlichen Mißverhältniß stehen; in
den Büßenden, in denen ein innerer Kampf ist, und [die] sich selbst innerlich
Etwas auflegen, um den Schmerz in sich zu wecken, aus welchem die Reini-
gung des Geistes und Wille[ns] hervorgehen soll, und der Zweck des Höhern.
Äußere und innere Mißhandlung erscheinen so im Märthyrer und Büßenden.
Diese Individuen sind auch als diese mit äußerlicher Existenz, nicht als Ideale
zu denken, mit dem, was ihnen geschieht, in gräßlicheren Situationen im Ge-
gensatz mit dem Natürlichen. | [73]
Die innere Verklärung ist auch hier darzustellen, nicht das Äußerliche.
Mißhandlungen sollen hier erscheinen. Der Kontrast der Seeligkeit zu dem Da-
15/1
sein, die äußere Gegenwart ist so behandelt.
Die Innigkeit und Frömmigkeit ist daher nur ein Hauptgegenstand der
Malerei, nicht der Skulptur. Nicht die Gesundheit ist hier die Schönheit, son-
dern die Seele soll hier durchdrungen sein von Schmerz, entweder daß das Lei-
den noch sie drückt, oder daß sie schon zur Seeligkeit gekommen ist, und [das]
in der äußerlichen Darstellung erscheint. In der Malerei ist solche Innigkeit ein-
facher als Zug des Gesichtes zu erscheinen. In der Ausführung des Schmerzes,
des Gräuelhaften, welches mit der Innigkeit im Gegensatz ist, sieht man die
entwickeltere Gestalt. Eine Form des Religiösen ist das koncentrirte Zurück-
ziehen nach dem Himmlischen, das sich ins Weltlose abzieht. Das ausgebildete
sittliche Leben gehört zu dem Weltlichen. Das Wahrhafte ist nur eingeschlos-
sen in das Innerliche. Wenn die Darstellung in einfachen Zügen gehalten ist, so
ist das nicht allein nicht widerlich, sondern sehr schätzbar. Wenn aber die Dar-
stellung ausführlich wird, wenn das Entsagen nach sittlicher Hinsicht, wenn
das Beharren in seinem Vorsatze gegen die Welt ausgeführt ist, so werden wir
nicht mitfühlen können. In den Legenden finden wir ähnliche Bilder, wo die
Einfachheit erscheint, aber ein Fanatismus auch des Entsagens, den man nicht
mehr annehmen kann als sittlich. So die Geschichte von dem Vater und Gatten,
welcher 20 Jahre in seinem Hause unerkannt leben mußte, und sich erst auf
dem Todtenbett zu erkennen gab. So die Frömmigkeit des Mädchens in Saler-
no, welche zum Heil des Ritters Herrmann von der Aue, sich opfern lassen
wollte;ccxxxviii aber dort tritt die Rohheit der Mönche, die sie opfern wollten, und
des Ritters, der sie opfern lassen wollte in der barbarischen Kraft des Gemüthes
auch vor Augen. Diese barbarische Frömmigkeit kann sich auch gegen das Böse
wenden, und das Böse in sich vernichten. Es ist ein hoher Glaube, daß diese
Richtung des Geistes auf das Göttliche vernichten kann den Menschen, wel-
cher ein Böser ist, und das Schlechte ungeschehen machen kann. Es ist eine
Richtung von unendlicher Gewalt; aber es ist eine That, die mehr in dem Inne-
ren als solchem vorgeht und mehr der Religion als der Kunst angehört. Die
Kunst erfordert die Fertigkeit des Charakters, die zusammenstimmende197 Ver-
bindung des Inneren mit der Wirklichkeit allein. Es giebt viele Geschichten,
die für uns nicht das Religiöse haben, welches es zu Kalderonsccxxxix Zeit hat.
Wir sahen den Inhalt, der sich aus der Wirklichkeit zurückzieht. Die Maria
Magdalena gehört hieher. Die Malerei hat in diesem Stoffe das Schönste gelie-
fert,ccxl indem sie eine schöne Sünderin ist und sich mehr dem Profanen nähert,
und voll Empfindung ist. Man verzeiht ihr, daß sie gefehlt, und die viele
Schönheit verzeiht die viele Liebe. Der Irrthum ist, daß sie nicht zuviel geliebt
hat, sondern daß sie sich als Sünderin hält. Diese Vorstellung des Gegenstands
gehört dieser Sphäre an.
Diese Innerlichkeit scheint in die Weltlichkeit hinein, nicht auf negative son-
dern auf affirmative Weise, auf eine lebenskräftige Weise. Das Prinzip ist das
in sich unendlich Subjektive, das absolute Bestimmung ist, und sich im Glau-
ben verhält mystisch dem Menschlichen gegen einander. Diese Innerlichkeit
kehrt sich heraus. Die Wirklichkeit, die das Subjektive ist, muß zum gegenwär-
tigen Inhalt kommen. „Ihr müßt Vater und Mutter verlassen, und mir fol-
gen“,ccxli so ist | [74] das das abstrakte negative erste Verhältniß. Ist die Ge-
meinde gebildet, so wird das Subjekt frei, und weiß sich unendlich. Drei
Empfindungen steigern sich, um zu dieser Unendlichkeit zu kommen. Die per-
sönliche Selbstständigkeit, die Liebe als Geschlechtsneigung, die Anhänglich-
keit an einen Herrn, Ehre, Liebe, Treue sind diese 3 Bestimmungen. Es sind
nicht eigentlich sittliche Tugenden, sondern romantische Eigenschaften. Die
erste ist nur überhaupt Rechtschaffenheit in der Berufssphäre. Die Liebe ist ei-
ne Leidenschaft, die zugleich durch die Phantasie erweitert ist. Die Treue
kommt zu ihr noch hinzu. Sie hat ein Gemeinsames zu ihrem Interesse; aber
nicht das Gemeinsame in Objektivität als Staat, sondern in Beziehung zu einem
Herrn, der auf individuelle Weise das Zusammenleben bewirkt. Diese drei ma-
chen das Ritterthum aus. Die Person auf sich nur sehend, in Beziehung auf
Familie in romantischer Liebe und in Beziehung auf Staatsverhältnisse sich ei-
nigend198, machen die romantische Zeit aus. Das unendlich Innere, das nicht
mehr abstrakt bleibt, sondern das sich anderem Dasein [zu]wendet, ist dieses.
Das Abentheuer mit dem Araber, welcher199 in der Abstraktion seines Gottes
lebt, nur Himmel und Wüste sieht, aber lebenskräftig in das Weltliche hinaus-
tritt, und die abstrakte Freiheit sich erhält, sind die Handelnden hierin.
16/1 Dieses Romantische hat mit dem Orientalischen der Araber das gemein-
sam, daß aus der Trockenheit der Wüste in die Welt mit der reinen Freiheit ge-
treten wird[;] der Stempel der Unabhängigkeit des Inneren ist dann aufgedrückt.
Die Ehre
ist der klassischen Kunst unbekannt. Die Verletzung des Achill wird nicht in
der Form der verletzten Ehre aufgefaßt,ccxlii sondern die volle Verletzung des
ãåñáò, welches ein Ehrengeschenk ist. Achills Ehre ist nicht beleidigt, und er
wird befriedigt, indem der entrissene Theil der Beute ihm zurückgegeben wird.
Die romantische Ehre ist nicht das Eigenthum, welches verletzt wird, sondern
auch das Ideale, die ganze Persönlichkeit wird verletzt. Das Individuum hat das
Bewußtsein seiner Unendlichkeit. Sein Besitz ist nur ein Besonderes, das verlo-
ren nicht das Individum zerstört. Die Ehre gehört in sofern nicht dem reellen
Sein, sondern der Vorstellung an. Durch die Vorstellung wird das Besondere
zum Allgemeinen gemacht, und jedes Besondere ist Ich, und in dessen Verlet-
zung ist mein Ich verletzt. Die Ehre ist richtig in sofern nur ein Schein, indem,
wenn eine meiner Sachen verletzt ist, an Eigenthum, Körper oder durch
Schimpfrede, so scheine nicht Ich, sondern nur eine Seite, und gegen die Reali-
tät scheint insofern nur die Seite, aber statt der Seite tritt mein Ich [ein]. Diese
Ehre ist nun die Grundbestimmung – in der romantischen Kunstform. Ein he-
raustreten aus der Welt des Innerlichen und der religiösen Vorstellung, als eine
Lebendigkeit ist deutlich jetzt zu sehen, und in sofern schon die Bildung einer
Vorstellung. Der Inhalt der Ehre ist nun auch mannigfach. Was dar[in] ist, ist
meine Ehre, Liebe zum Vaterland, Treue gegen den Fürsten. Dieser Inhalt ist
noch nicht an und für sich, als sittlich sanktionirt, sondern nur in sofern ich
meine subjektive Unendlichkeit hineinlege, als ich es [als] das Mir angehörige
ansehe. Zufälliger Inhalt, den ich mir schaffe als ein wesentliches, kann auch
Inhalt der Ehre sein. Die Ehre kann also einen Inhalt haben, der wahrhaft in-
haltsleer ist. | [75]
Die Spitzfindigkeit der Reflexion kann Unbedeutendes so in den Umfang
meiner Ehre ziehen. Man sieht dieses in spanischen Vorstellungen besonders.
Solche konkreten Verhältnisse erscheinen in der Treue der Ehe. Zu dieser
Treue der Frau kann, wenn sie analysirt wird, die Analyse die kleinsten Um-
stände als verletzend heranziehend, und so ein jeder Inhalt hereingelegt [wer-
den], der auch dem sittlichen Leben widersprechend ist. So ist der Alarkos von
Schlegelccxliii unsittlich um der Ehre willen; dieses trockene gehaltlose Wort be-
kommt einen schrecklichen Inhalt, so daß man um dessentwillen die Frau er-
mordet. Die Ehre ist hier, daß er Tochtermann des Königs wird. Diese Selbst-
ständigkeit des Ichs herrscht hier also, entgegen dem Leben im Staate. Der
romantische Held, dem das Gesetz seine200 Ehre ist, beruht auf sich, seinem
Willen. Diese Selbstständigkeit verbindet sich mit der Vorstellung Ihrer selbst,
daß sie sich in diesem als ihre Subjektivität vorstellt.
Die Liebe
hat zum Höchsten die Hingebung eines Individuums201 an ein anderes, [um] in
diesem aufzugehen. Liebe und Ehre sind so höchst entgegengesetzt. Selbstbe-
harrlichkeit und Beharren in einem Anderen ist eine heilige Collision zwischen
Ehre und Liebe. Der Stand, der durch die Natur bestimmt ist zu bewahren, der
Stand ändert sich, wenn ein Subjekt einem Niedrigeren sich hingiebt, als was
mit ihm auf einer Stufe steht. Diese Liebe verbunden mit der Ehre, zwei kalte
Abstraktionen sind in unsern Dramen oft entgegengestellt. Der Held ist in sich
hin und hergerissen. Die Liebe hat eine außerordentliche Wichtigkeit bei der
romantischen Kunst. Sie gehört einem Subjekt zu, und enthält ein natürliches
Moment202, wogegen die Sittlichkeit gleichgültig ist; dann ist sie ein Subjekti-
ves, dem es aber als seine Empfindung als sein Höchstes ist. Verschieden von
Liebe ist Ehe, Staat, welche Gemeinwesen sind. Die Liebe geht mit besonderem
Individuum. Nicht Liebe überhaupt ist es hier, auch ist der Gegenstand nicht
ein allgemeiner, sondern ein besonderer. Das Individuum, das sich unendlich
weiß203, macht auch aus der Geliebten das Schönste für ihn. Keine Schönste ist
für ihn auf der Welt da. – Andere wissen, daß es noch mehr solche Vortreffli-
che giebt. – Im Klassischen ist nicht diese Subjektivität der Leidenschaft so
[dar]gestellt. Es ist die Liebe nur ein Untergeordnetes. Hämon bringt sich
selbst um, und nimmt sich der Antigone an, aus objektiven Gründen, des Staa-
tes. Seine Liebe zu Antigone macht er nicht geltend gegen den Vater. Bei Euri-
pides, Comödie fängt die Liebe mit größter Wichtigkeit einzudringen an. Die
Liebe der Alten kommt vor ohne Innigkeit und Tiefe der Empfindung. Die me-
dicäische Venusccxliv ist an sich nicht die innige Liebe der romantischen Welt.
19,[1]
Die Treue
ist die Freundschaft. Im Klassischen finden wir sie häufig. Sie wird in die he-
roische, mythische Zeit verlegt, wo sie mehr Platz hat, denn dann ist der
Mensch ein Individuum für sich ohne Zweck. Er kann seine Persönlichkeit
dann ganz an einen Anderen geben. Ebenso ist auch die Liebe in die mythische
Zeit verlegt. In Ilias und Odyssee sieht man nicht diese Liebe der romantischen
Welt. Nicht um der Helena, um Paris Willen kämpften alle Griechen gegen die
Trojaner.ccxlv Freundschaft kommt auch später vor zwischen Sokrates und Alci-
biades, aber hier ist ein Zweck, der sie verbindet. Die 3. [Weise] ist Verhältniß
gegen einen, | [76] gegen den Staat. Sein Vortheil wird jedem Ritter Hauptsa-
che. Die Gemeinschaftlichkeit besteht nur darin, daß ihm Etwas erhalten wird.
Der Fürst ist das Haupt. Nicht eigentlich objektives Interesse ist da. Nur An-
hänglichkeit an den Fürsten ist da, und diese ist durch die Ehre bekräftigt. Nun
kann Ehre und Gehorsam in Collision kommen, wenn gegen den Willen des
Fürsten der Lehnsmann sich behaupten will. So verfolgen die Vasallen ihren
Zweck nach ihrem Willen und kündigen dem Fürsten die Treue auf. Der Cid ist
so ein schönes Beispiel.ccxlvi Er widersetzt sich dem Fürsten als Ritter. Er wird
verbannt. Das Verhältniß Carls des Großen zu seinen Vasallenccxlvii ist vom Erz-
bischof von Turinccxlviii so dargestellt wie das Verhältniß von Zeus zu den Göt-
tern, die sich geltend machen[,] und in des Königs Willen liegt auch der ihrige.
Ein treues Bild von diesem Verhältniß giebt der Reinicke der Fuchsccxlix mit der
2deutigen Treue. Die Treue in untergeordneten Kreisen erscheint oft sehr rüh-
rend, wenn der Gehorsam des Herrn Gemüthssache ist. Im Leareccl ist dieses
schön vorgestellt im Kent, welcher die Größe des Herrn an den Mienen erken-
nen will. So ist diese Treue des Dieners gegen den Herrn, in der Familie schon
im Homer geschildert im Schweinehirten. Dieser Treue entspricht das Verhält-
niß zum Staate.
So ist die persönliche Selbstständigkeit des Individuums mit der Liebe
und Treue die Innigkeit, welche in das Weltliche hinaustritt.
Was als das 3te noch zu bemerken ist, das ist das Formelle der Subjekti-
vität, das ist das Formelle des Charakters, im Handeln, das Abenteuer, und der
nähere Ausdruck dieser Form.
Hierbei kann man den abstrakten Formalismus unterscheiden, und das Formel-
le, das in dem Mangel der Entwicklung liegt und in einfacher Verschlossenheit
lebt. Jenes ist, daß ein Subjekt auf seinem Willen beharrt, ohne daß dieser einen
sittlichen, heroischen Charakter hat, nur im partikulären Zwecke unbeugsam,
und diese Partikularität durchführt und zu Grunde darin geht. Die formelle
Consequenz ist dieses. Ein solcher häßlicher Charakter ist Etwas Partikuläres
und Verschiedenheit, mit verschiedenen, zufälligen Zwecken. Dieses Partikulä-
re führt zum Bösen und zum Untergang. Eine Entwicklung des Handelns gegen
die Hindernisse der partikulären Zwecke ist die des Schicksals, aber nicht die
Entwicklung des Schicksals aus der Handlung, sondern auch mit Entwicklung
des Charakters, einem innern Werden, verbunden, so daß entweder ein Zerfal-
len oder Zermattung entsteht. Bei den Alten sehen wir den pathetischen Cha-
rakter, wo schon eine Situation der Handlung vorhanden ist, so daß der Charak-
ter zum Ende ist, was er zum Anfang war. Diese Entwicklung ist bei den
Neuen ein inneres Werden. Die Charaktere des Shakespeare sind so zu fassen.
Die Entwicklung des Schicksals aus der Handlung und die Entwicklung des in-
nern Charakters. Makbeth streckt die Hand nach der Krone aus. Er ist nicht ein
entschiedener Charakter.ccli Die Hexen, seine Gattin die entschiedenen sind äu-
ßerlich, die in Makbeth den Entschluss machen, den König zu morden. Ab-
strakter als die Chronik hat es Shakespeare aufgefaßt, indem er nicht anführt,
daß Makbeth Recht an der Krone hatte. | [77]
Eine abstrakte konsequente Festigkeit in der Grausamkeit des Makbeth
erscheint nun. Der Wahnsinn der Frau, der Geist des Banko und alles tritt vor
ihn, aber er verwildert mit der Handlung, so daß die Handlung nicht bloß äu-
ßerlich ist[,] sondern das Innere wird. Die Lady ist schon entschieden, wie
überhaupt der weibliche Charakter. Ihre Angst ist ein inneres Schicksal, Zer-
trümmerung moralisch und physisch. Sie stirbt am Wahnsinn. Ebenso [wie] bei
Lear [ist] dieser Wahnsinn bei Richard, bei Othellocclii in der Oberfläche seiner
Vorstellung. Eine feste Consequenz erscheint in allem, was ihnen geschieht,
um sich auch innerlich zu entwickeln. Ebenso die unbedeutenden Charaktere
des Shakespeare sind so was Formelles, wo der Formalismus recht erscheint
mit der Einseitigkeit des Interesses; jedoch mit Genialem gepaart. Nicht die an-
tike Festigkeit erscheint hier, wo ein Deus ex machina die Festigkeit des Cha-
rakters, die inhaltsvoll ist und sittliches Pathos ist, bricht.
Das Formelle kann so beschaffen sein, daß ein innerliches Gemüth ein-
fach bleibt und nicht zur Entwicklung kommt. Mangel an Entwicklung und
Haltung erscheint deßhalb. Innerliches erscheint nur selten wie ein Blitzen. Ein
innerer Reichthum mit Fülle ist vorhanden, der sich nur wenig und unklar und
stumm äußert. Still bleibt er in sich wie das Schweigen des Meeres, das unauf-
hörlich tief ist. Das Seichte, Stumpfe kann auch schweigen, um von der Tiefe
zu zeugen; aber das Ende entdeckt ihn. Eine Naivität muß zeigen, daß das Ge-
müth von substantieller Tiefe ist. Ein solches Gemüth wird endlich auch einmal
ergriffen, und mit ungetheilter Stärke wirft es sich in ein Interesse, wo es ohne
Haltung untergeht. Ein Halt der Reflexion muß sich ihm geben. Herrlich sind
diese Charaktere, wie Julia im Shakespeare.ccliii Ein kindliches Mädchen, ohne
Bewußtsein der Welt, ohne Reflexion und Grundsätze, fest durch sich selbst.
Eine Leidenschaft ergriff sie plötzlich, und die Knospe bricht auf, entwickelt
ist die Rose; aber das Hervorquellen eines Grundes bleibt ihre Bestimmtheit.
Groß und innig zeigt sie sich, aber in einem Interesse befangen weiß sie sich
selbst nicht zu helfen, und geht durch die Kunst eines Weisen als eine schnell
entfaltete Blume unter. Im Sturme ist es Miranda,204 ccliv wie Thekla im Schil-
ler,cclv die schon mehr reflektirt ist.
20/1 Es ist dieses zugleich ein barbarischer Charakter. Es ist ein Gemüth, ver-
schlossen im Innern mit Reichthum, das arm an Äußerungen ist, welche auch
nur symbolisch sein können; die Franzosen haben den Ausdruck entier eigen-
sinnig und ganz, welcher diesen Charakter bedeutet. Hieher gehören die Dich-
tungen von Göthe wie der König von Thule, der nur durch den Becher seine
Liebe zu erklären giebt.cclvi Alles hinterläßt er gerne seinen Erben, nur nicht ihn.
Der Becher ist eine gleichgültige Sache, und gleichgültig, ob andere ihn ge-
brauchen oder nicht; aber es ist dieses eine Dumpfheit der Empfindung, worin
sich die Consideration, die Stille der Empfindung zeigt. Des Schäfers Klagecclvii
gehört auch hieher, wo nichts zur Klarheit kommt, es ist alles unbestimmt und
weit hier sich aussprechend. Ein Stand, wo Ausbildung nicht ist und Empfindun-
gen nicht so sich aussprechen lassen. Die Lebensläufe in aufsteigender Linie von
Hippel,cclviii wo Kants Grundsätze, schon vorher auseinandergesetzt sind,205 läßt
sich am vorzüglichsten so darstellen in diesem Charakter. | [78]
So Hamlet im Shakespeare, ein unendlich schönes Bild; schwach ist er
nicht, wie Göthe sagt;cclix ein edler Sinn ist in ihm, der nur ahndet, daß etwas
vergangen ist. Der Geist entwickelt ihm alles; aber er traut ihm nicht. Das ist
eine schöne Rechtlichkeit, nicht Zaghaftigkeit. Die Unthätigkeit einer schönen
Seele liegt vor uns. Zu einem förmlichen Entschluß kommt er nicht durch sich
selbst. Melancholie wird Thatkraft hier; der Zufall löst die Verwickelung. Das
sind romantische Töne des In sich bleibenden Gemüths.
So sahen wir die formelle Thätigkeit und formellen Willen des Charak-
ters. Wir sprechen nun von der
Handlung
die Ausbreitung des Christenthums, die Kreuzzüge; aber in sofern das Wesen
der Religion innerlich ist, und die Ausführung dieser That nur äußerlich, so
sind sie jenem nicht angemessen[,] geistlos, fantastisch. Das Grab Christi wird
erobert, ist nur ein sinnlicher Gegenstand. Nicht ein an und für sich Wesentli-
ches ist das. Ein solcher Zweck muß, da er nicht wahrhaft ist, nicht gut enden.
Alle Leidenschaften mischen sich dann ein, und die innere Ausbildung des
Geistes bleibt nicht fest und kommt nicht zur Sittlichkeit. Das Werk der Ver-
treibung der Mauren aus Spanien ist ebenso zu betrachten.
Daß der Mensch allein einen Zweck hat, nicht die Menschheit und die
Art, nach der der Mensch seine Seeligkeit zu erlangen strebt, liegt in dem Cha-
rakter dieser Handlungen. – Der Dichter maaßt sich die Stelle der Kirche an, er
spricht heilig und verdammt. Kaiser und Päpste verdammt er zur Hölle und er-
hebt andere in den Himmel. Der Dichter nimmt zu sich die Schlüssel der Hölle
und Himmel. Dieser Charakter des Dichters gehört auch nur der abentheuerli-
chen Zeit an. Von äußerer Zufälligkeit sind auch die andern Zwecke. Daß die
Gerechtigkeit vollbracht wird, und daß das Individuum diese ausüben soll,
nicht allgemein anerkannt die Gerechtigkeit pflege, daß der Einfall einzelner
Individuen dieses auf sich nimmt, ist nur eine Zufälligkeit, welche ebenso gut
als unglücklich enden kann. Deßhalb liegt auch diese Willkühr dem Komischen
nahe, weil die Thätigkeit sich selbst oft schadet und andern. Diese Auflösung
des Komischen mußte auch eintreten im Ariost und Cervantes. Eine edle Natur
ist in Don Quixote; aber er geht durch jene Idee des Abentheuers unter. Sehr
gut läßt ihn Cervantes mit der Hermandad d.i. der Polizei zusammenkommen,
nur um sein Verfahren noch mehr lächerlich darzustellen. Das ganze Werk ist
mehr romanhaftes. Ariost ist mehr märchenhaft im Roman, indem er fantasti-
sche Verhältnisse in äußerliche Zustände verlegt. | [79]
Märchen enthalten Etwas Phantastisches, mit dem gespielt wird; der na- 21/1
welcher der Subjektivität zu Grunde liegt. Es ist die Religion und Innigkeit.
Das Äußerliche ist für sich entlassen. Im Klassischen ist das Innere so aufs Äu-
ßere bezogen, daß das Letzte nur eine Gestalt von Ersterem und nicht von ihm
entlassen ist. Im Romantischen wird das Äußerliche gleichgültig. Das Gemüth
kann sich in207 allen Gegenständen ergehen; das Subjekt[,] die Absicht ist
Hauptsache. Die Äußerung des Gemüths soll Hauptsache sein. Diese Äußer-
lichkeit hat eine weitläufige Umgebung, weil sie nicht Einheit hat, nämlich ins
Innere eingebildet zu werden. So bildet sich ein nicht plastischer zusammenge-
haltener sondern zersplittener Kreis von Handlungen, Zufälligkeiten. Im
Shakespeare sind die Individuen in das wesentliche Interesse der Handlung
verwebt, aber es ist nicht ein plastisches strenges Verhältnis der Individuen ge-
gen einander, sondern es tritt das Gefolge, Hausgesinde mit ein. Im Hamlet ist
es der Hof mit den Schildwachen, welche in die Handlung eintreten208.
Diese Gegenstände in ihrem Äußerlichen gewinnen nun Interesse. Daher
die Prosa der Verhältnisse. Das Innere zur Versöhnung gekommen, betrachtet
das Äußere als solches; man sieht ein Spreitzen im Menschen in Bezug auf die
Thätigkeit auf sich. Die Kunst tritt nun in die Menge dieser Gegenstände ein,
wie es überhaupt in späterer Periode der Kunst zu geschehen pflegt. Der Putz,
Schmuck, Waffen, Edelgestein, wird Stoff der Kunst. Das nähere Interesse ist,
die Geschicklichkeit des Subjekts, das solche Gegenstände von sich aus durch
subjektive Kunst darzustellen weiß. Das Abstrakte der Stoffe tritt nun ein, der
Natur die Gestalt und Form der Blume, Baumes und Gegend abzugewinnen.
Für jedes Produkt sind nun besondere Mittel. Für jeden Gesichtsausdruck, jede
Situation hat der Mensch seine Weise des Darstellens. Der Mensch in seinen
Vorstellungen giebt ihnen die Bedingung, welche die Natur hat. Luft, Himmel
usw. In seinen Gedanken faßt er das Wesentliche fest: den sinnlichen Schein
auch auszusprechen und darzustellen.
Einerseits ist das die Zerfallene abstrakte Befriedigung der Gegenstände
[zwar], ist die Objektivität vorhanden; die Natur; die andere Seite ist aber die
zufällige Subjektivität[,] die sich mit ihrer Partikularität ergeht. Gleichgültige
Objekte sind209 nun gemalt, die zufällige Subjektivität; das Subjekt läßt sich
scheinen; eine Auflösung der subjektiven Zwecke in Zufälligkeit, das ist das
Humoristische, subjektive Einfälle, Witze, etc, wo tiefe Anschauung als Zufall
und Einfall erscheint. | [80]
Leicht ist es und scheint es, humoristisch zu sein. Ein Volk ist nachsich-
tiger gegen den Humor als ein anderes. Bei uns macht es Glück; nicht bei den
Franzosen und Griechen. Das Subjekt soll sich nicht preisgeben, sein Hervor-
207 in] an
208 eintreten] eintritt
209 sind] ist
bringen soll innern Gehalt haben, der besteht. Die humoristischen Einfälle ge-
nau betrachtet können platt erscheinen. Das Humoristische soll es erträglich
sein, muß Geist enthalten, daß es nicht lose scheine. Je loser es ist, desto inne-
rer muß es sein. Eine Menge Witze werden überdrüßig. Bei Jean Paul ist das
leicht möglich. Hat man sich hineinversetzt mit großem Interesse, wird man
mit einmal herausgerissen, weil die Hauptbestimmung Zufall ist, nicht objektiv
Bestehendes. – Diese äußerliche Objektivität hat gegenüber die Subjektivität
des Producirens; welche ebenso zufällig ist. Wir stehen an der Auflösung und
Extremen der romantischen Kunst. Beim Übergang vom Symbolischen zum
Klassischen haben wir den Unterschied der Bedeutung und Gestalt, und be-
merkten, daß Gestalt und Geist nur Partielles, nicht Ganzes ausmachen kann.
Ebenso ist hier ein subjektiver zufälliger Inhalt im Gegensatz mit jenem, mit
einer Entzweiung in sich, einer Innigkeit des Gemüths auf sich und der Gegen-
satz der Gestalt. Indem wir zu solcher Zufälligkeit der äußerlichen Gegenstän-
de gekommen sind, und wir eine Befriedigung darin haben können, so kann
diese tiefer werden, was man Innigkeit überhaupt genannt. Die Befriedigung an
solchen Gegenständen ist keine Innigkeit und der Humor kann wahrhaft objek-
tiver Humor werden, wenn wir eine Vereinigung in den Gegenständen mit dem
Gemüth [finden, die] doch nur in partiellen Gegenständen sein210 kann. Die
Vereinigung kann auch nur partiell sein, denn wo sie sich ausdehnt, wird Hand-
lung, Entfaltung der Vorstellung, und dann tritt objektive Darstellung ein. Die-
se Vereinigung, dieses Sich ergehen kann nur als ein empfindungsvolles
Vertiefen in den Gegenstand sein, der sich geistreich darin bewegt; aber nicht
subjektive Willkühr ist da, sondern eine geistreiche Bewegung macht den In-
halt des Gegenstandes aus. Dieser Verinnigung kann man entgegensetzen, was
uns [als] Epigramm bekannt ist. Ein Gegenstand ist in ihnen, z. B. wer Etwas
geschenkt hat; das Epigramm enthält Etwas, und darüber ist eine Reflexion,
Witz ausgesprochen, oder irgend eine Empfindung über und an Etwas. Das ist
Poesie, aber untergeordnete Art der Poesie, weil es an und über einen Gegen-
stand ist. Das ist selbst mannigfaltig. Wenn die Sprache gebildet ist, und jeder
gebildet ist und reflektirt, so muß ihm bei einem Gegenstand Etwas einfallen,
welches in einer gehobenen Sprache, mit Bildern und Versmaß dargestellt
werden [kann]. Jeder muß also ein Gedicht machen können, so wie er einen
Brief schreibt. Es kommt nur darauf an, eine Empfindung an einem Gegen-
stand zu machen, und ob sich der Gegenstand mit ihr verinnigt hat.
Die Bewegung des Gemüths dreht sich in gegenständlicher Weise herum; 22/1
das ist nicht die klassische Darstellung der Kunst, noch die symbolische Dar-
stellung. Es ist eine stete Rückkehr zum Gemüth. Diese Form finden wir bei
den Morgenländern in glänzendster Fülle, bei Spaniern, Italienern, auch in
Deutschland. Es giebt sich auf verschiedene Weise kund. Es ist nicht Verlangen
noch Sehnsucht, wie in Klopstocks Oden, Verlangen nach der Geliebten ohne
Begierde, mit freier Phantasie, spielt man mit dem Gegenstand, und macht sich
unzählige Bilder in Üppigkeit der Verse und Reime von diesem Gegenstand.
Man hat das Gefühl, daß der Dichter in seiner Phantasie dafür interessirt ist und
auf die freieste Weise es ist. | [81]
Der Gegenstand wird in seiner Subjektivität uns entfernt dadurch. Ha-
fis Gedichte haben dieses sowie der Diwan von Göthe.cclxi Ebenso auch das
cclx
Spanische. Bei Rückertcclxii ebenso. Der Wein spielt bei der Liebe Hauptrolle.
So rührend die Liebe ist, so ist das Spiel mit dem Gram im Wein doch dabei. In
so fern stechen Göthes Gedichte im Diwan von den Früheren ab. Die Verinni-
gung nimmt er für das Nichtpoetische nun. Ein älteres Gedicht von Göthe: Ab-
schied;cclxiii ist in der zweiten Strophe eine schöne Diktion aber prosaischer
Inhalt. Empfindung und Begierden werden geschildert. Anders ist es im Di-
wan. Unentschiedenheit211 der Phantasie ist hier, der Gegenstand ist ein gerin-
ger Kreis, und das Gemüth treibt sich nur und unaufhörlich herum. Spiele der
Phantasie streiten sich, die von einer Zufälligkeit ausgehen, und tiefe Empfin-
dung ohne Verlangen enthalten. Der Charakter der Freiheit und Innigkeit be-
wegt sie. Bei den Morgenländern ist die Vereinigung mit der Rose z. B.
theoretischer Art, bei den Abendländern ist sie nur Mittel. Hier heißt es: Amor
ruht auf Rosen; dort heißt die Nachtigall die Braut der Rosen.cclxiv Rumi hat ein
Gedicht auf die Rose gedichtet.cclxv Es ist die freie Verherrlichung des Gegen-
standes mit sinnlichen Gedanken und Phantasie.
Die Spanier werden verworfen oft, weil sie nicht natürliche Empfindung
aussprechen. Die Phantasie in der Empfindung bleibt sich frei und beweist ihre
subjektive Freiheit. Klopstock sagt über Petrarka: Laura besang Petrarka in
Liedern, lieblich der Empfindung, aber dem Liebenden nicht.cclxvi Aber die
Phantasie ergeht sich [in] freier Schönheit in sich, mit einem theoretischen Ge-
fallen im Gegenstand der Begierde und [im] Verlangen und dieses tadelt man.
Petrarka hat auch eine Sehnsucht, aber sie befriedigt sich selbst in ihrer Phantasie.
Dritter Theil
Von den besonderen Gestaltungen der Kunstwerke.
Wir werden hier die Individualität des Kunstwerks betrachten. Die Einheit der
Kunstwerke ist schon angegeben worden. Das Kunstwerk ist eine Totalität, und
eine Totalität, deren Momente auseinander fallen. Es ist ein Ganzes mit ver-
schiedenen Gliedern und Organen, welche als selbstständig erscheinen, und be-
sondere Modifikationen des Ganzen ausmachen. Die Kunst ist das Ganze,
welches zerfällt in Kunstgebilde, welche zusammengehören und sich aufeinan-
der beziehen. Sie sind besonders gegen einander. Ihren Kreis betrachten wir.
Die Kunstform hat einen Fortgang in sich in 3 Formen des Entstehens,
Vollendens und Entzweiens; ebenso hat das Kunstwerk auch so seinen Fort-
gang, in Beziehung auf die Kunstform, und in äußerer abstrakter Beziehung.
Die verschiedenen Stufen der Ausbildung des Technischen nennt man Styl. Jede
Kunst hat ihren Verlauf, den man mit dem eigentlichen Namen des Styls be-
zeichnet. Welches die Anfänge gewesen sind, der ernste Styl, sagt man; aber es
ist mehr der Erkünstelte, Hölzerne mit mehr dem, was der Zeit nach das Erste
war, bis sich die Schönheit freier gestaltete, so daß dessen Darstellung nur das
Nothwendige, Genaubestimmte enthielt. Zuletzt kam man zu Anmuth und An-
genehmem, welche aufs Gefallen des Besonderen, und nach Außen geht, nicht
mehr durch die Vollendung des Begriffs sich darstellt, sondern viele212 Einzel-
heiten und Rücksichten hervorkehrt, um anzuziehen. Besonders [der] Kunstge-
schichte bleibe es vorbehalten, den Maler in der Manier durchzunehmen und
am Kunstwerk nachzuweisen, von wo da die Unterschiede aufgewiesen wer-
den213. | [82]
Die allgemeine Eintheilung der besonderen Kunstformen ist schon ange- 23/1
geben. Die Momente der Totalität fallen für diese als einzelne Theile auseinan-
der und sind nicht Glieder einer Einheit, so daß jede als besondere existirt. Die
erste Gestaltung ist die des Äußerlichen selbst, des Unorganischen, in Bezie-
hung auf das Subjektive, das Mittelpunkt des Gestaltens ist, das ist die mensch-
liche Gestalt. Die Kunst dieses Elements ist die Kunst der Architektur; es ist
nun diese Architektur die erste Form der Künste, eine Form, wo das Äußerliche
an sich selbst subjektiv ist. Die Skulptur, das Subjekt, folgt dann, die sich selbst
bedeutende Gestalt. Zunächst ist die objektive Bestimmung ihr gegeben, die
sich äußerlich darstellt. Das objektive Bild existirt noch nicht in der Form der
Subjektivität. Das Subjektive in der Form des Subjekts, das In sich gehen des
Subjekts, oder indem das Subjekt andern214 sich darstellt, subjektiv ist und par-
tikulär vortritt, ist die Malerei, welche die Gemeinde darstellt, das selbstbe-
wußte und sich empfindende Geistige. Die Erscheinung giebt sich äußerlich
kund durch die Empfindung, Farbe, welche in die Partikularität des Handelns
und Empfindens eingeht. In die Gemeinde geht auch das Göttliche über. Das
Göttliche soll je subjektiv als ein Geistiges empfunden werden. Diese 3 Künste
faßt man unter den Namen der bildenden, weil sie es mit äußerlichem Material
zu thun haben. Die 4te ist, daß [das] Subjekt sich kund giebt, nicht im äußerli-
chen Material, wie noch die Farbe ist, sondern in einem Material, das dem Vor-
stellen angehört, so daß ihm der Charakter des Vorgestellten unmittelbar mit
den Gedanken verschwindet, sowie der Gedanke selbst verschwindet. Das ist
das Abstrakte des Tons. Der Ton als artikulirt, so daß die bestimmte Formation
des Tons auch eine bestimmte Vorstellung ausdrückt, das ist die Kunst der Re-
de und Dichtkunst. Hier zeigt sich das lebende wirkliche Subjekt bis zur höch-
sten Spitze mit der ganzen Persönlichkeit des Subjekts. Der Mensch zeigt sich
ganz zu sehen im Drama. Diese beiden letzten Künste, im Material des Tons
ihre Subjektivität habend, heißen: tönende Künste. Das organische Verhältniß
liegt im Material des Darstellens.
Baukunst.
fängt an, weil man mit dem Äußerlichen, Unmittelbaren anfängt. Der Anfang
ist nicht empirisch. Man kann sich dann viele Hypothesen machen, daß dieses
der Mensch zuerst gethan hat; aber davon ist nicht die Rede, was aus dem Be-
dürfniß hervorgeht, sondern was als Kunst betrachtet werden soll. Höhlen hat
sich der Mensch zuerst gebaut. Aber gesungen hat auch der Mensch zuerst. Die
äußerliche Seite der Idee erscheint bei der Architektur. Wir denken bei ihr
sogleich an Haus und Tempel, wo ein Gott für die Gemeinde aufgestellt ist.
Bestimmen wir hier nach die Architektur, so bestimmen wir sie nach ihrer We-
sentlichkeit, aber dann machen wir einen Unterschied zwischen äußerlicher
Objektivität des Tempels und des Inneren Gottes. Gehen wir vom Anfang aus,
so findet die Scheidung nicht Statt; der Bau hat seine eigene Bedeutung dann.
Wenn der Bau selbst Bedeutung hat, so hat er die Bestimmung der Skulptur
zugleich; ist aber doch nicht Skulptur, denn dieser hat das Unorganische noch
an sich. Sie ist Symbol, weil sie an sich nicht die Bedeutung hat, und da wir
mit dem Symbol anfangen, so unterscheiden wir auch hier 3 Formen der Archi-
tektur, wie in den 3 Kunstformen. | [83]
[Symbolische Architektur]
Diese Unterschiede zeigen sich besonders an der Architektur. Sie ist in dem
Äußerlichen Kunst, und damit ist ihr Begriff der des Äußerlichen. An ihr hat
sie Verschiedenheiten also, die bei den anderen Künsten nur unbedeutend sind.
Hält man die Bestimmung des Gebäudes fest, die Umschließung für einen Mit-
telpunkt, ein Subjekt, das unterschieden von seiner215 Umgebung ist, so kom-
men wir in Verlegenheit, wie man diesen Unterschied nehmen soll. Die erste
Architektur ist die selbstständige, nicht so die klassische, weil sie Umschlie-
ßung ist. Bei der selbstständigen Architektur müssen wir Zweck und Mittel be-
achten. Sie geht hervor, auch empirisch als die erste, aus dem ursprünglichen
Bedürfniß der Kunst, Etwas im Gedanken vorzustellen, ein äußerliches Objekt
für die Andern, welches gemacht ist vom Geiste, so daß die geistigen Vorstel-
lungen an ihm sichtbar werden, muß daran erkennbar sein. Es muß ein Allge-
meines für Viele sein; es muß eine an sich wesentliche Bedeutung enthalten.
Wenn die Menschen Steine zusammenwerfen, so ist es ein Zweck, das Denk-
mal – für Verstorbene, – Schlacht – was Vielen wichtig ist. Dieses ist symbo-
lisch, und unter diese Kategorien fallen die größten Kunstwerke der Indier[,]
Ägypter. Das Ungeheure und Phantastische sind Werke für Nationen gewesen,
nicht nur zum Nutzen sondern für den Geist, daß ein Wesentliches ihnen in ih-
rer Einheit, deren sie sich bewußt werden sollen, erscheine. Die Menschen sol-
len sich als Eines wissen. Ein Vereinigungspunkt ist dazu gegeben. Den ersten
Vereinigungspunkt für die Menschen, daß sie sich darin wissen, hat die Kon-
struktion des ältesten Werkes, des Thurmes von Babel gehabt. Die gesellschaft-
liche Vereinigung entsteht daran. So wie Gesetze eine Einheit, so ist dieses
eine äußerlich dargestellte Einheit. Vom Bel Tempel in Babylon spricht Hero-
dot,cclxvii welche Nachricht von einer thurmähnlichen Konstruktion zeugt. Es
war ein ôåìåíïò, Tempel, Bezirk mit eisernen Pforten, in Quadratform; in der
Mitte ein massiver Thurm, wo der Zweck erscheint, daß man nicht etwas darin
aufbewahren wollte. Auf dem Würfel des Thurmes befanden sich 8 andere
Würfel; im letzten war ein Tempel, also in einem ausgehöhlten Würfel, wo
kein Bild war, sondern nur eine Bank, auf der sich der Gott selbst ausruhen soll
bei Tage, weßhalb auch keiner am Tage hinaufgehen durfte. Die Zahl der 7
Würfel auf einem 8ten ist die Bestimmung des Symbolischen.
Die menschliche Gestalt tritt noch nicht in diese Form ein. Naheliegend 26/1
ist es, daß man Formen gebrauchen mußte, die Etwas Wesentliches ausdrücken
sollten. Diese Bestimmungen sind dann symbolisch; man findet sie in jenem
Beispiel, daß der Thurm mit 7 Stockwerken, welche Würfel sind, eine regel-
mäßige solide Gestalt ist, die gerade Linie zum Grundzuge an sich habend. Die
Bedeutung der 7 Stockwerke ist uns nicht überliefert, und man kann glauben,
daß es Zufall ist. Aber eine solche Zahl ergiebt sich aus vielen anderen Stük-
ken, [so] daß sie eine wesentliche Bedeutung haben [wird]. Das Wesentliche
[ist] in der Natur zu suchen, so ist die Zahl der 7, schon früh als wichtig in Be-
ziehung auf Himmelskörper erschienen, Mond, Sonne und Planeten, deren 7
waren, wenn Sonne und Mond zugerechnet werden. Die Burg der Meder Ecba-
tana hat auch 7 Umkreise in der Mauer mit verschiedenen Formen gehabt.cclxviii
Diese 7 [als] symbolische Zahl erscheint also als das Wesentlichste, Wichtigste
in der Natur. Deßhalb solche Symbole zu erkennen sind, daß man ins Einzelne
der Bauwerke eingehen und sie auffassen [kann]. | [84]
In Indien findet man schon ausgeführtere Tempel, wo eine bestimmte
Gestaltung als solcher Zweck erscheint, und [die] doch als Architekturwerke zu
betrachten sind. Wir haben schon bemerkt, daß die Lebenskraft der Natur früh
ein Gegenstand der Verehrung gewesen ist. Die Zeugungskraft der Natur, nicht
des Geistes, hat ihre natürliche Vorstellung im Dienste der Inder, Ägypter,
Griechen. In den Bildern hat man häufig das Innerste des Phallus dienstes er-
kannt, des mythologischen Dienstes des Dionysos erwähnt schon Herodot.
Steinerne Konstruktionen mit Thürmen, massiv aufgebaut, wurden als solcher
verehrt. Später höhlte man sie aus, und stellte [etwas] als einen Gott hinein, ein
Thierchen oder fast ein Bildchen, es war ein Kern mit Schale so entstanden. In
der Vorstellung hat sich dieses noch mehr erweitert. Der Berg Meru in Indien
ist nur für eine Erweiterung desselben Bildes der Zeugung anzusehen. Die Ge-
stalt der Pagoden ist auch eigen deßhalb, die Form ist schmal und hoch, so daß
nach oben enge, schmale Ausgänge sind; die Form ist vom Säulenwesen ge-
nommen. Säulen sind auch da in Gängen angebracht. Sesostris hat solche bis
nach Kolchis errichten lassen,cclxix nach Nachbildung des männlichen und weib-
lichen Gliedes. Es ist dieses indisch und auch ägyptisch. Die Person des Seso-
stris ist noch keine Fabel, sondern durch alle Quellen der Inder auch konstituirt.
Ritter in seiner Vorhalle erwähnt, daß Herodot sie noch gesehen hat, aber dem
Sesostris sind sie nicht zugeschrieben.cclxx Herodot nimmt die Gestaltung nicht
nach ihren natürlichen, sondern nach ethischer Deutung, daß die Völker, deren
Bürger tapfer gefochten, als eine Säule mit dem männlichen, die Feigen mit
weiblichem Gliede gebildet sind. In Syrien ist der Dienst der Cybele ebenso zu
nehmen.
Eine dritte Art symbolischer Bauwerke, die zwischen Architektur und
Skulptur zuweilen schwanken, hat man an den ägyptischen Bauwerken. Tempel
finden wir hier. Herodot spricht von Belus’ Tempel, als von einer Umschlie-
ßung. Außerhalb stehen vor jenem Tempel Elephanten und andere ungeheure
Thiere, daneben Altäre. Als die216 eigenthümlichen Formen der Ägypter sind die
der Obelisken und Pyramide auszuzeichnen. Obelisken haben wie Pyramiden
den Zweck des Begräbnisses. Die Obelisken sind Construktionen, die regelmä-
ßige Gestalt haben, nicht von Lebendigem, auch nicht vom Pflanzenreich, son-
dern mit der allgemeinen Bestimmung, die Sonnenstrahlen in Stein aufzustel-
len und aufzufangen.cclxxi In persischen Bildsäulen, sieht man Feuerstrahlen auf-
steigen. Die Pyramiden sind äußerlich regelmäßig, architektonisch, nicht der
selbstständigen Architektur angehörend, sondern bestimmt[,] die Todten aufzu-
nehmen.
Außerdem haben wir Memnonen, menschliche Bildnisse bei den Ägyp-
tern, aber so wie sie frei für sich stehen, sind [sie] durch Grandiosität der Ar-
chitektur zugewiesen, da sie Construktionen wie die der Architektur haben, in
dem sie an Tempeln anstatt Säulen gebraucht werden. Sie bilden Reihen und
tragen, und indem sie nur in dieser Ordnung Vieles, Gleiches gelten, sind sie
heruntergesetzt in die architektonische Bestimmung. Ebendasselbe gilt von den
Sphinxen, die an sich Skulpturwerke sind, aber man findet sie in der ungeheu-
ersten Größe und Menge. Eine in der Nähe der Pyramiden, welche ein Italie-
nercclxxii aufgedeckt hat, und [die] mehr der Skulptur angehört hat, hat einen
gepflasterten Boden unter der Basis mit Löwen umher. Von der Basis, die auch
die Basis des Tempels ausmacht, bis zum Kopf hat sie 65’. Die Pfoten des Lö-
wen betragen 57’, und die Höhe der Klauen 8’. | [85]
Diese ungeheuren Massen sind aus Kalkstein, welcher den Boden aus-
macht, herausgehauen und bilden einen Theil des Felsens. Champonillon hat
auch diese Sphinx gesehen.cclxxiii Solche Sphinxe standen um den Tempel in ei-
ner Umschließung. Man fand 2 Reihen von hunderten solcher Gebilde, durch
die man gehen kann, und so werden sie dadurch, daß da der Zweck des Ganges
sichtbar wird, zur Architektur herabgesetzt. Jede ist 30’ hoch. Mauern und
Thore nähern sich der Architektur. Sie zeigen aber doch eine Art Selbststän-
digkeit, die um ihrer selbst willen dazustehen scheinen. Pylonen nennt man sie
und sie haben eine Höhe von 100’ und mehr. Die Mauern weiter vor den Tho-
ren sind niedriger als die Thore, welche also selbstständig für sich da stehen.
Unten sind sie breit, oben schmal, so wie auch die Gänge selbst gebaut sind. 27/1
Sie sind nicht bestimmt[,] Etwas zu tragen, indem sie nicht senkrecht sich
erheben, sondern sich oben spitzig abschließen. Dergleichen Mauern bilden
auch vielfache Gänge, und sind mit Hieroglyphen bedeckt. Die Gänge, die sich
nach verschiedenen Seiten so hinziehen, gleichen Löchern. Sie haben in ihrem
Verhalten der Construktion Etwas Symbolisches. So die Labyrinthe, die Kam-
mern über und unterhalb der Erde, welche auch verwinkelte Gänge haben.
Auch auf Creta, Morea, Malta, wurden solche unterirdischen Konstruktionen
gefunden, und die Cloaken der Römer gehören auch hieher, sie haben eine
noch ganz andere Bestimmung. Die Verschlingungen haben die Bestimmung,
wenn man erkennen will, daß der Lauf der himmlischen Körper vorgestellt
werden soll217. Ein Räthsel ist die Bedeutung. Säulen, Treppen, Stufen, Anzahl
von Sphinxen und Memnonen, alles ist bestimmt und nicht unverständlich,
auch nicht einem Äußern dienend, angeordnet. Bei Tempeln hängt das Äußere
von Zwecken ab; nicht hier. Die Zahlen, worauf sich die construktionen bezie-
hen[,] sind die Anzahl der Füße, welche der Nil steigt, die 12 himmlischen Zei-
chen, 7 Planeten, von deren Anzahl die Zahl der Gänge usw. genommen ist.
Diese Bestimmtheit hat natürlich selbst überrascht, da man die Zufälligkeit
hinwegräumte. So gehören diese Werke symbolischer Art sich selbst an, und
haben keinen Zweck weiter, so daß sie zwischen Skulptur [und Architektur]
stehen. Unternehmung, die einen Zweck hat, findet man auch in dem Bau des
Sees Möriscclxxiv u. a.
Die unterirdische Architektur ist schon im Labyrinth erwähnt. Hieher ge-
hören auch die Exkavationen, die man gegen Nubien, Indien auch in unge-
heuren Beispielen findet. In Nubien findet man in den Felsen gehauene Tempel
mit Säulen, Bildnissen, Thieren, die mit den natürlichen Felsen in Zusammen-
hang stehen. In Indien lernte man sie näher kennen. Die Beschreibung davon
findet man in vielen Werken. Mit ihnen fängt der Zweck an. Man höhlt erst
aus, und stellt wieder Etwas Anderes ein, so daß ein Umschließendes erst ge-
schaffen wird durch die Höhlung. Solche Exkavationen findet man in Ägypten,
Syrien, die zum Theil auch natürlich sind, und nur erweitert sind, sie fassen
viele Tausende Menschen oft. Andere Höhlen haben auch einen religiösen
Zweck wie die bei Bombai, welche Niebuhrcclxxv zuerst beschrieb. Der ungeheu-
re Ochs, der dort verehrt wird[,] steht in einer tempelartigen Höhle. Die My-
trashöhlen haben auch religiösen Zweck, sie stammen aus Persien her, und man
fand solche Monumente | [86] auch in Deutschland. Man fand diesen Marmor
im Kapitol unter dem Tempel des Jupiters Kapitolius. Hier sind auch Wölbun-
gen und Gänge. Die Wölbungen sind symbolische Darstellungen des Himmels
und Laufes der Planeten. Die Gänge stellen zugleich die Wege der Seele in ih-
rer Reinigung dar; sie haben eine bestimmte Form und Konstruktion in Bezie-
hung auf jenes doppelte Symbol.
Die Todtenbehausungen haben die Bestimmung des Verhüllens. In Indien
findet man wie bei den Ägyptern ungeheure Werke zu dieser Bestimmung.
Man balsamirt die Todten ein, und zeigt dadurch die Unsterblichkeit des Men-
schen an. Aber auch dem Körper wollten sie Unvergänglichkeit zusichern. Die
Pyramiden sind bekanntlich für diesen Zweck bestimmt. Sie enthalten Gänge,
Kammern, deren letzter Zweck zu sein scheint des Begräbnisses, für Fürsten
und Thiere auch. Sie wurden vollkommen zugeschlossen. Europäer haben die
Gänge geöffnet. Araber haben die Gänge schon früher aufgerissen, um Schätze
zu suchen. Aber diese Durchbrechungen waren nur gewaltsame, und die wirk-
lichen Kammern erreichten sie doch nicht. Die ächten erbrachen die Europäer;
sie fanden ungeheure Quadern vor die Öffnung gesetzt, und so fest vermauert,
daß [als] der Zweck die Unzugänglichkeit erscheint, daß man dieses nicht mehr
brauchen, sondern für immer verschlossen lassen will.
kern, und ihr Leib, zeigt man an, soll auch von Verletzung frei und [der] einer
Heiligkeit gemäße [sein]. In den Pyramiden tritt die Absicht des äußerlichen
Zweckes hervor, und es ist nicht mehr Skulptur. Es geht in den Charakter der re-
gelmäßigen Architektur über. – Als Darius seinen Zug gegen die Skythen unter-
nahm, die Skythen ihm auswichen, er aber ihm das bekannte Wort sagen ließ, so
antwortete der König, sie haben Nichts zu verlieren, wollte er kämpfen, möge er
nur zu den Gräbern ihrer Väter kommen und sehen[,] ob sie zu kämpfen verstän-
den.cclxxvi – Bei den Römern sind ebenso die Grabmäler ausgeführt worden, so der
Hadrianspallast. Tempelartige Gräber fand man, welche also anzeigten, daß man
dem Tode einen Tempel setzte, die Todten aber apotheosirt. Kapellen, Nischen
fand man, wo Porträtsstatuen in Gestaltung bekannter Götter oder Kaiser von ih-
nen219 aufgestellt werden, so daß der Sinn der Apotheose und [des] Tempels der
Verstorbenen einleuchtete. Indem die Ägypter ihre Todten in Kasten legten,
zeigten sie an, daß sie diese zu Osiris machten. | [87]
In der selbstständigen Architektur auch bei den Ägyptern sind die Be-
stimmungen der organischen Gestalt sichtbar. Das geradlinigte rechtwinklige
tritt nun ein. Mauern und Säulen findet man jetzt in einer neuen Form. Die Säu-
le hat die Bestimmung des Tragens, nicht zu umschließen. In dieser Rücksicht
konzentrirt sich in der Säule der Schmerz; bei der Wand, die auch trägt, ist ein
Überfluß des Tragens zu sehen; da die Säulen keinen Überfluß am Tragen ha-
ben, so hat es die Bestimmung des abstrakten Tragens, wie wir in der klassi-
schen Form sehen. Die Kraft ist auf eines der Mittel reducirt. Die Säule trägt
Etwas von ihr Verschiedenes.
Die Mauern haben mehr die Bestimmung des Selbstständigen als des
Umschließens. Die Säule kann auch selbstständig für sich genommen werden,
wie es bei den Ägyptern der Fall war. Memnonen brauchen die Ägypter, und
nachher sind auch Figuren bei den Griechen so gebraucht worden zum Tragen
(Kariatiden).cclxxvii Ihre Stellung und das Gedrücktsein des Hauptes haben eine
klassische Beziehung gehabt. Ein Überfluß ist es, Memnonen zum Tragen zu
brauchen. Die Säulen allein stehend entsprechen ihrem Zwecke nicht. Es gab
Säulen[,] auf denen Figuren standen, wie die Triumphsäule des Hadrian,cclxxviii
auf deren oberer Fläche die mit feiernden Figuren standen. In dem das Abstrakte,
die Säule, hervortreten soll, so kann sie nicht in ihrer Reinheit gleich auftreten;
so daß [die Säulen] in Gestalt eines Natürlichen, eines Baumes, Stengel, senk-
recht aufsteigen. Die ägyptischen Säulen haben in diesem Zusammenhang die
Form einer Pflanze, in der größten Mannigfaltigkeit, Lotusstämme u.s.w.cclxxix
Wo auch mehrere freie verbunden220 sind als Kolonaden, sieht man nicht die
Einheit der Form, es ist bald die Zwiebelgestalt, zusammengedrängte Wurzel-
blätter, daß der Stengel freier emporstrebt. Dann ragt der Stengel hervor und
ein Blumenartiges Auseinandergehen der Zweige ist das Kapital! Die Nachah-
mung kann nicht treu bleiben. Sie wird durch Kreisrundes, gradliniges näher-
gebracht. Von hier aus geht die Form der Arabeske221 aus, welche in der Form
einer solchen Säule gemalt ist. Man kann sagen, daß es unnatürlich sei, daß
diese Schnörkeln auseinander und zusammengehen, Verzierungen, die von der
Malerei ausgehen. Es sind verzogene Thiergestalten, die in Pflanzen übergehen
und ausgehen von der Pflanzenwelt. Es ist also gegen die Naturform. Aber es
ist die Art der Kunst, die Naturform spielend als Zierrath zu verwenden. Die
Pflanze steht dem Unorganischen damit näher, sie hat nicht die Freiheit der
Gestaltung der empfindenden Natur, und bietet sich daher zu architektonischen
Zwecken dar. Sie darf also und soll also verzerrt werden, damit Spiel des freien
Gebrauchs der Kunst erscheint.cclxxx
Die Säule wird nun überhaupt Bestimmung der klassischen Baukunst.
Klassische Baukunst.
Hauses
und [der] Wohnung, als Schutz gegen Witterung und Thiere; eine Umschlie-
ßung gegen den äußeren Raum und andere Geschöpfe. Eine Versammlung soll
darin sein, wo man vereinigt sicher sein soll. Bei einem Hause ist223 das Be-
dürfniß die Hauptsache der Umschließung. Die Säule ist zum Tragen und die
Wand und Dach ist zum Umschließen da. Die Säule kann entbehrlich scheinen,
aber sie macht die Eigenthümlichkeit der griechischen Baukunst aus. Säule und
Umschließung haben einen Unterschied, und dieser ist zwischen griechischen
und gothischen Bauwerken wohl zu bemerken. Göthe schrieb in seiner Jugend
über die gothische Baukunst zu einer Zeit, wo keiner Sinn für sie hatte. „Von
deutscher Baukunst“ war der Aufsatz betitelt.cclxxxii Ein gründlicher Sinn des
Anschauens ist darin vorhanden. Herder ließ ihn drucken und in Kunst und Al-
terthum findet man es wieder abgedruckt.cclxxxiii
Es ist ein Streit, welcher zuerst, ob Holz oder Steinbau bei den Alten da 29/1
gewesen sei? Hirt ist darüber angegriffen worden, indem er den Holzbau als das
Anfängliche angiebt.cclxxxiv Man blieb nicht bei den einfachen Formen des Holz-
baues stehen. Nachdem [man] durch das Holz für das Bedürfniß gesorgt hatte,
sah man noch auf ein Anderes. Im Steinbau erscheint das Selbstständige des
Symbolischen, daß es für sich [ist]. Beim Holz erscheint224 Pfosten, Säule und
Tragendes, welches auch bei den Ägyptern in den Säulen vor Gängen vor-
kommt. Es bilden sich Reihen von Säulen, auf die Steinmassen gelegt wurden,
um alle zu verbinden. So wurde der Pfosten als Säule gebraucht. Indem die Säule
das Tragen zur Bestimmung hat, so ist die Säule als für sich bestehend, nicht nur
als [Um]schließendes gebraucht worden. Man findet sich in einer Begrenzung,
aber man ist halb drinnen und halb draußen. In den Säulengängen liegt nicht das
Bedürfniß eine Versammlung einzuschließen, wie bei der romantischen Kunst.
Dort ist auch das Richten nach Außen als Zweck sichtbar. Ein Oblongum ist von
Säulen als Gang gebildet an den Seiten eines Platzes, an den Vorder-, Hinter-
und auch an allen vier Seiten eines Tempels Pìöéðñüóôõëïò225.
Die Säule hat also Bestimmung des Tragens, und zwar einen Balken, auf
welchem Balken liegen andere Balken, die senkrecht einen rechten Winkel bil-
den, die Balkenköpfe schauen hervor, und quer auf diesen liegen parallel mit
Grundbalken andere, welche das Dach tragen. Dieses ist flach und mit geneigten
Wänden, die in eine Spitze, den Firsten des Hauses auslaufen. Das flache Dach
schließt nicht das Haus, und da das Haus ein Geschlossenes haben soll, so ist
das schiefe Dach passend zum Schluß.
Die Säule muß eine Basis haben; die toskanische hat keine; aber die rei-
nere Ordnung hat solche. Es ist eine verständige Bestimmung, denn die Basis
zeigt den Anfang der Säule und den Zweck der Säule des Tragens. Steht die
Säule auf der Erde, und in sie gedrückt, so erscheint sie als zufällig, mehr und
weniger eingedrückt. | [89]
Dorische Ordnung Das Kapital zeigt das Ende an, damit die Länge nicht als zufällig erscheine,
der besten Griechischen Zeit
(Zeit des Perikles[ ) ] daß vielleicht das Material die größere Breite nicht erlaubte, deßhalb ist das Ka-
(halbe) viersäulige Giebel pital da. Zwischen den geradeliegenden Balken entsteht eine Öffnung, die aus-
Front eines Tempels
I) Unterbau: Tragen zum um- gefüllt das Fries heißt. Das Hervorspringende der Balken an der Seite heißt der
schließen
II Säule: Kranz. Die Dielen des Daches fallen schief herunter, und diese Konstruktion
a) Base fehlt immer macht sich unmittelbar. Die Ausführungen desselben in Stein226 behandeln die-
b) Schaft ist mit 20 Cannelen
c) Capital: hat Wulst und so selben Formen. Die Balkenköpfe treten markirt bei der dorischen Säule hervor,
mit kein
III Gebälk die Räume heißen metopen u. a. m. Umständen.
a) Architraph
b) Fries: besteht aus Basrelief
Die Säule hat also die Bestimmung des Nicht ganz Abschließens, son-
oder dern einen Raum offen zu lassen, neben dem Zwecke des Tragens. Bei der
einem Triglyphen und Meto-
pen dichten Mauer hat also eine Säule keinen Sinn mehr und sie wird zum Pfosten.
c) Kranzgesimse: hat
dreidimensionale Körper Man tadelt es in der Baukunst, wenn Mauern auf solche Weise formirt werden,
daß Halbsäulen entstehen. Man verteidigte dieses, weil man schon bei den Al-
ten Ähnliches findet. Die Säule ist als rundes sich nicht Fortsetzendes, wenn sie
Halb zur Stütze gebraucht wird, viereckig erscheint, so setzt es sich fort, ver-
längert sich zu andern Flächen, so ist der Charakter der Säule verschwunden.
Eine Wiederholung der ganzen Säulen an der Vorderseite in platten ebenen
Säulen an der Hinterseite ist deßhalb nur ein Abschatten der ganzen Säulen.
Die Alten haben 3erlei Hauptsäulen,cclxxxv bei denen man noch jetzt stehen
bleiben muß, da noch Nichts anderes gemacht ist, was die Harmonie hätte,
welche man in jenen findet. Die römische Säulenordnung, die mit korinthischer
über[ein]stimmt und eine weitere Verzierung von ihr ist, aber [als] Etwas Über-
flüssiges erscheint. Die dorische, ionische, korinthische sind die 3 Hauptsäulen.
Bei der Säulenordnung kommt es auf das Verhältniß der Höhe zum Durchmes-
ser an. Wenn die Höhe nicht im Verhältniß mit dem [Durchmesser] steht, so
erscheint sie entweder plump oder schmächtig. Auch auf den Zwischenraum
der Entfernung der Säulen im Verhältniß zur Höhe und Dicke muß man wohl
sehen. Der Säulenschaft bleibt glatt, nicht streng vertikal, oben etwas schmaler,
und unten in der Mitte wenig anschwellend. Dieses fand man zu leer und wand
Blumenkränze herum. Das ist gegen guten Geschmack. Die Säule soll als tra-
gend emporschwellen. Die Alten haben nur das Kanneliren sich erlaubt, wo-
durch die Säulen höher und stärker erscheinen. Die Räume sind zweimal so
groß wie Nischen, sind aber im Verhältniß mit den Säulen.
Dorische Ordnung
ist die einfachste, die solideste, deren Höhe 6 untere Durchmesser hat, später 7
Durchmesser. Festigkeit ist Hauptsache hierbei. Unter 6 würde sie schwerfällig
erscheinen. Ernst ist ihr Charakter. Die Balkenköpfe und Zwischenräume sind
nicht groß. Die Triglyphen sind eigenthümlich, wo die Balkenköpfe sichtbar
werden. Zwischen [ihnen] sind Metopen, worauf basreliefs zu sehen sind. 30/1
heitere Ruhe
große Einfachheit
vollkommene Harmonie
feine Grazie
Die Ionische
nahm das Holz fort. Die Masse ist so fest, daß die dauerhafteste Wölbung ent-
standen ist. Die römische Baukunst zeichnet228 sich so durch seine Wölbung aus.
Hier sieht229 man: nachdem man vom französischen Geschmacke abkam, ging
man zu den römischen Formen, später zu den griechischen Formen über.
Bei den Römern hat das Bauwesen eine andere Bestimmung angenom-
men als bei den Griechen, bei denen die Privatwohnung unbedeutend, und das
Prachtwerk öffentlich war. Skulpturwerk war nur zu öffentlichem Gebrauch
verwendet. Die Römer haben auch ungeheure Tempel, Collosseum230, Theater,
Cirkus gebaut und Bäder, die sie mit griechischen geplünderten Kunstschätzen
schmückten. Aber auch die Privatwohnungen wurden ausgezeichnet. Lukulls
Haus.cclxxxvii Anlagen wurden anders gemacht, um für Bequemlichkeit der Bür-
ger zu sorgen. Man baute schon Gärten und schaffte Linderung gegen die Hit-
ze.
Die gothische Baukunst ist lange für barbarisch gehalten worden. Erst in unse-
rer Zeit ist sie zu Ehren gekommen. Die Bauten christlicher Kirchen waren Ba-
silikenartig gebaut, die Bestimmung war die Versammlung. Es waren oblonge
Säale, welche Konstantin den Christen ein räumte. Eine Tribuna, um Geschäfte
abzumachen, befand sich darin. Der Priester trat auf sie, um vorzulesen. Hier
aus entstand die Vorstellung des Chors. Kirchen baute man in Deutschland
hiernach, und hat nur römische Baukunst vor sich. Diese Baukunst der späten
römischen Architektur ist die Byzantinische Baukunst. | [91]
Die Säulen in dieser Baukunst sind plump, aber nie sehr schmächtig. Hier
nach baute die gothische Baukunst, welche man aber die deutsche nennen wollte.
Aber dieses wäre nicht richtig. Denn die gothischen Kirchen sind in Südfrank-
reich und Spanien zu finden, und diese Bauart ist in Deutschland nachgeahmt.
In Asturien haben sich nämlich gothische Könige erhalten, und hier findet man
auch den Ursprung der gothischen Baukunst. Ob sie von Arabern genommen
sind, scheint aus dem Gesagten wahrscheinlich gemacht zu sein. Aber man
muß die maurische Baukunst wohl davon scheiden.
den 2/2 Die Bestimmung der romantischen Baukunst ist für Versammlung, die
eine Erhebung ist über das Endliche. Eine Bewegung des Erhabenen ist sicht-
bar. Ein Umschlossenes ist damit verbunden. Äußere heitere Gänge, die mit der
Welt zusammenhängen, fallen hier fort. Keine Zerstreuung soll hier Statt fin-
den. Die Säulen sind im Inneren, wo Mannigfaltigkeit der Gänge und Plätze
nöthig ist. Die Gänge sollen zusammenhalten und nicht durch Wände getrennt
sein, das ist der Säulengang. Die Leere soll nicht für das Gemüth vorhanden
sein. Ein Leeres wäre nicht mit der Bewegung zum Jenseits vereinbar.
Die Bogen haben nicht mehr die reine Bestimmung des Tragens, sondern
sie schließen sich zusammen, wo der Mittelpunkt ein Anderes als die Säule ist.
Der Bogen ist nicht vorhanden, sondern der Spitzbogen, der aus 2 Ausgängen
der Säule besteht. Das Emporsteigende an der Säule erscheint nur als Fortset-
zung der Säule, wie beim Baume das Emporsteigen der Äste, die vom Stamme
getragen werden. Die Fortsetzungen der Säule stoßen zusammen, nicht im Mit-
telpunkt eines Kreisbogens, so daß beide Seiten selbstständig in [einer] Spitze
zufällig zusammenkommen. Fenster, Thüren haben alle dieselbe Bestimmung,
das Zusammenlaufen in Spitzen. Die Saiten sind mager und schlank nach Oben
hin aufstrebend, fast ohne Verhältniß, auch nicht rund, sondern, da sie oben
ausstrahlt, bilden sie231 ein Convolut von Fasern. Die Vorstellung des Organi-
schen tritt so mit ein, und nicht bloß das Mechanische des Tragens. Das Aufra-
gen des Innern verlangt die Mannigfaltigkeit in den Gängen, so daß die Leere
der Kirche bei der Größe nicht disharmonisch mit dem Gemüthe sei. Säulen
sind also nothwendig, um die Massen zu tragen. Das Dach ist nicht geschlossen
bei der großen Weite, und dieses Dach bedarf der Stütze. Das Innere ist großar-
tig nach der Stimmung, geräumig, da die ganze Gemeinde vereinigt sein soll.
Die Anzahl der Säulen hat veranlaßt, viel Mystisches in [ihrer] Anordnung auf-
zusuchen, so im Dom zu Kölln. Zur Zeit des Baues hat man allerdings in der-
gleichen Zahlenbestimmung große Wichtigkeit gelegt, da der trübe Sinn nach
dem Höheren aufs Äußere fällt. Die Willkühr wurde so mystisch; aber man
muß nicht zu kleinlich in allen Zahlen Etwas Bedeutendes jetzt aufsuchen.
Die Kirche theilt sich in Chor für die Priester, wo die Tribüne sonst war,
deßhalb [er] auch doppelt so hoch gewöhnlich gemacht ward als die Höhe des
Schiffes. Ein Chor war auch gegen Abend, in der Vorhalle, wohin der Tauf-
stein gestellt [war], um das Kind in die Gemeinde aufzunehmen. Der Eindruck
ist die Stille, [das] Erhebende, Erhabene. Die Fenster sind mit gemalten Schei-
ben ausgefüllt, um die Dunkelheit und Trübheit zu erhalten, damit nicht das
physische Licht von Außen, sondern ein Gemachtes, Kerzen, brennen sollten;
ein anderes als der natürliche Tag sollte herein leuchten.
Die Säulengänge sind nach der Länge des Schiffes bestimmt. 5 Säulen-
gänge findet man sogar in einem gothischen Dome. | [92]
Kirchenstühle findet man nicht, wie in den protestantischen Kirchen, weil
die Ruhe bei der Predigt nicht erfordert wird. Ein nomadisches Leben führt
man hier; jedes hat sein Geschäft. Leichen werden geweiht, andere beichten,
verrichten ihre Andacht. Eine ganze Welt ist vorgestellt, eins lebt ungestört ne-
ben dem Andern.
Von Innen heraus ist das Äußere bestimmt. Die Thüren entsprechen den
Gängen und Schiffen, sie vertiefen und spitzen sich, so daß der Eingang sich
zuletzt einengt und das Innerliche, in das man eingeht, anzeigt. Die Bogen-
fenster entsprechen so den Gängen. Das Hauptfenster wird hier nicht passend
sein in der Gestalt des länglichen Fensters.
Das Glockengeläute ist auch bezeichnend. Das bloße Tönen ist Affektion
des Innern, aber ein Unbestimmtes, worauf man zur Musik ins Innere tritt,
durch den Gesang das artikulirte Tönen empfindet und endlich die Stimme von
der Kanzel vernimmt. Auch nach Außen endigt alles spitzig, in Blättern ausge-
hend, daß das Organische bemerkt sein soll. Die Verzierungen werden klein-
lich, so daß ein Gegensatz in den gothischen Kirchen [entsteht zwischen] der
Vertiefung in das Innere des Unendlichen in die ungeheuere Maaßlosigkeit,
und der kleinlichen Äußerlichkeit.
3/2
Skulptur.
Das Skulpturbild ist die ruhige, in sich geschlossene Gestalt, und zwar ist es
die Gestalt, die aus dem Materiellen sich abgelöst hat. Das Geistige wird als
abgeschlossenes[,] nachdem es aus dem Materiellen herausging, dargestellt.
Dieses Bild hätte die höchste Darstellung, wenn es auch die Farbe hätte, die zur
menschlichen Gestalt gehört und zur Belebung und zur Partikularität der Be-
wegung und [zum] Ausdruck des Pathos gehört. Allein schon der Anblick hat
Etwas Widerwärtiges an gemaltem Skulpturwerk. Die Kunst geht vom Geist
aus, und der künstlerische Geist stellt eine Totalität dar, die sich ein geordne-
tes, organisch fortschreitendes Ganzes bildet. | [93]
Deßhalb legt der Künstler die Momente des Ganzen auseinander, daß das
Kunstwerk ein232 abstraktes Moment des Denkens hat. Das Geistige in seiner
Leiblichkeit, aber als materielles ohne Partikularität stellt sich im Bilde dar.
Besondere Empfindung und Bewegung treten nicht hervor. Bei der Gestalt als
solche, die Nichts als Mechanisch Materielles enthält, räumlich begrenzt, sicht-
bar sind233 alle Bewegungen in räumliche Formen gebracht. Alle Partikularität
des Physischen ist noch abgehalten. Bloß Licht, weiße Farbe, und überhaupt
eine Farbe muß daher im Bilde erscheinen.
Sehen wir auf das Geschichtliche, so sind die ersten Skulpturbilder, wie
die des Phidias mit farbigen Gewändern, Augen, Gold und Edelsteinen am
Elphenbein, versehen gewesen. Aber die höchste Blüthe der Kunst hat dieses
nicht. Die Unvollkommenheit des234 Anfanges zeigt sich nicht im Einfachen,
sondern Bunten, äußerlich Konkreten; abstrakt ergreift ihre Bestimmung die
vollendete Kunst.
Hier fällt nun jener Unterschied fort von symbolischem, klassischem und
romantischem, wie bei der Baukunst. Die Skulptur kann geschieden werden in
alte, klassische und neuere Skulpturbilder. Alte Skulpturbilder wie die ägypti-
schen, altgriechischen, die Skulptur der Attik und die Skulptur des Porträts,
welches später bei den Griechen gewesen und jetzt eine Hauptseite der Skulp-
tur ist. Die Skulptur ist überhaupt auf das Ideale angewiesen und hier macht die
klassische Skulptur den Mittelpunkt aus. Die ausgezeichnetsten Skulpturwerke
sind hier zu suchen. In der modernen Zeit tritt der partikuläre Mensch als sol-
cher hervor, der einen unendlichen Werth erhält, und zum Gegenstand der
Kunst gemacht wird, und die Kunst läßt sich zum Porträt herunter, welches
dem Porträt der Malerei nachsteht, in so fern hier die Partikularität bestimmt
ausgedrückt werden kann. Die Skulptur ist wesentlich auf das Ideale angewie-
sen. Sie soll die Gestalt ohne Partikularität darstellen. Ein bestimmter Charakter
soll ausgedrückt werden, jedoch ist nicht die Partikularität das Überwiegende.
Das Geistige in seinem ewigen Beruhen, ohne Bewegung. Der Charakter wird
nur als die allgemeine unendliche Möglichkeit dargestellt, welche ganz in der
ruhenden Gestalt in Formen der Räumlichkeit [dargestellt ist], wo die Augen
verschwinden.
Das Auge ist das lebendige Organ, und dennoch muß es der Künstler 4/2
entbehren. Man kann es als Mangel an der Skulptur ansehen, daß nicht ein Sur-
rogat der Augen hinzukommen darf. Aber das Auge als blickend gehört nicht
in die Skulptur, es ist nicht Mangel. Durch Schatten deutet man das Auge an,
indem man eine kegelförmige Höhlung macht; aber es ist dieses Nichts gegen
das Auge, wo der höchste Ausdruck und der einfachste Abdruck der Seele liegt.
Aber deßhalb schließt man es von Skulptur aus, weil es der Punkt der Subjekti-
vität ist. In den andern Formen liegt die Bestimmtheit des Innerlichen im Rau-
me; in der Äußerlichkeit soll der Bildhauer den Charakter darstellen. Diese
Bestimmung der Skulptur macht, daß das Auge vermißt wird, und nicht herge-
setzt. Wir haben 2erlei, den Kopf, Gesicht und Körper bei der Bildsäule. Der
Leib wird zum Ausdruck konkurriren; aber im Gesichte liegt die Hauptsache.
Die Stellung des Körpers, Arme, Füße ist zwar auch bemerkbar; aber das Ge-
sicht ist es vornehmlich, was zu betrachten ist. Worin nun das Idealische be-
steht, muß man sich ins Einzelne einlassen. Nichts wird durch das Allgemeine
bestimmt. Das Idealische im allgemeinen ist schon früher gesehen. Man hat in
neuerer Zeit Kunstwerke mit viel größerem Umfang als vor 50 Jahren kennen
gelernt. | [94]
Winckelmann hat die Kenntniß von ägyptischen, griechischen Skulptur-
werken gehabt.cclxxxviii Aber jetzt hat man auch äginätische Kunstwerke gefunden,
die zur altgriechischen Kunst gehören, ebenso hat man Werke [gefunden] von
Phidias selbst oder unter seiner Anleitung gearbeitet, und die Werke, die man in
die Zeit der Blüthe der Kunst setzen kann, hat man jetzt erst kennen gelernt.
Eine neue Anschauung der Kunst bildete sich. Was vom Idealischen ge-
wußt war, hat eine eigene Bestimmung erhalten. An ihnen ist nicht Schönheit der
Form, noch Anmuth, Reiz und Grazie der Gestalt, die schon mehr nach Außen
gehen, und eine Darstellung für anderes, das Gefallen schon zum Zwecke ha-
ben235, an ihnen ist das Beruhen auf sich, nur das Äußere des Innern. Nicht die
Freiheit und Keckheit der Arbeit ist an ihnen zu schauen. Sondern die Leben-
digkeit dieser Kunstwerke läßt sich anstaunen. Die Natur hat die Kunst über-
wältigt, einem Marmor ist Leben gegeben, und dieses erregt die Theilnahme.
Die Haut nun hat weich und elastisch zu sein.
Dieses ist das, was die Blüthe vor der alten Kunst voraus hat. Die Le-
bendigkeit wird nur bewirkt mit dem Zauber und Anmuth durch die Genauig-
keit, Fleiß der Ausarbeitung. Der Künstler hat das genaueste Studium und An-
schauung der Beschaffenheit aller Theile, die Anatomie, wie sie sich bewegt,
spitzt oder rundet, verlängert und verkürzt, und alles ist aufs Vollkommenste
ausgedrückt, jedoch nur angedeutet, so daß nicht das Äußerliche peinlich ko-
piert ist. Diese gründliche Ausarbeitung ist so beschaffen, daß das Auge keinen
Unterschied wahr nimmt. Gyps, Marmor, der nicht das grelle Weiße des
Gypses, sondern eine Haut gegen die Witterung hat, die mehr gelblich war, er-
halten durch den Schatten außen feine Unterschiede. Theils durch das Auffallen
des Lichtes oder durch Wendung sucht man diesen Unterschied zu bemerken.
In gewöhnlicher Beleuchtung mit Augen sind die Theile nicht bestimmt be-
merkbar, doch ist der allgemeine Eindruck nicht verloren. Nicht in der Bewe-
gung, sondern auch in drehenden Theilen ist diese Vorstellung des Lebendigen.
Diese organische Flüssigkeit von236 durch Geist beseelten Flächen, das Organi-
sche der Umrisse, Fließen237 in einander, doch nicht in ebenen Flächen, auch
nicht in Convexes, [das] belebt unser Auge.
Eine mathematische Bestimmung des Verstandes ist hier nicht zu suchen.
Allgemeinen Zusammenhang kann man jedoch einsehen in dem zusammen-
hängenden freien Geistigen der Körper Formen. Die Hauptmomente dieses Zu-
sammenhangs ergeben sich bei der Untersuchung desselben genauer. Jedes
Organ hat 2 Seiten, die sinnliche Bestimmung, aber auch die Funktion des gei-
stigen Ausdrucks. Jenes gehört dem physischen Leben, dieses dem Organi-
schen an, da sich der Geist darin geltend macht.
Im Gegensatz zu den griechischen hat man die ägyptischen Formen ge-
stellt, um das Idealische in der griechischen Form zu erkennen. Winckelmann
sagt von den Ägyptern in Ansehung der Augen,cclxxxix daß diese platt und schräg
gezogen, nicht senkrecht mit der Nase sind, daß sie nicht tief [liegen] sondern
vorgehen, gleich fast mit der Stirne. Der Augenknochen mit Augenbrauen ist
auch platt. Dieses ermahnt uns, daß auch wir die Augen vortreten lassen, wenn
wir gedankenlos hinstieren auf Etwas und ganz außer uns sind, oder wenn wir
bestimmter in Anschauung des Sinnlichen, [in] Richtung nach Außen versenkt
sind. Die Augenlieder sind durch [eine] eingegrabene Linie bezeichnet, durch
einen platten Streif, der bis zur Schläfe ragt, wo er abgeschnitten ist. | [95]
Daran erkennen wir Etwas Mechanisches, nicht Organisches ohne Geist
und Natürliches. Der Backenknochen ist erhaben, das Kinn klein zurückgezo-
gen. Das Gesicht ist oval und regelmäßig, jedoch nicht so abstrakt zum Kreise
und Ellipse [gestaltet]. Der Schluß des Mundes gegen den Winkel ist aufwärts
gezogen, wodurch ein Lächeln gedeutet ist, der Mund ist geschlossen und die
Lippen durch Einschnitt bemerkt; aber bei den Griechen sind sie geöffnet.ccxc
Finger ohne Andeutung der Gelenke. Die Arme am Leibe, Beine an einander,
und parallel wenn sie auseinanderstehen. Dädalus löste sie von einander bei
den Griechen, indem er die Freiheit der Stellung ausdrücken wollte.
Das griechische Profil: Die Verbindung der Nase und Stirneccxci in gerader Linie
ist hier herrschend; die Richtung der Linie ist so bestimmt, daß von der Nasen-
wurzel eine Linie gezogen wird zum Kanal des Ohrs einen rechten Winkel
formirend. Diese Linie ist von Kamper als Schönheitslinie benannt worden;ccxcii
sie238 ist bei allen Menschenrassen verschieden. Blumenbachccxciii legte diese Linie
zu Grunde bei Betrachtung der Schädelform. Im Allgemeinen ist diese Linie
auf ihr karakterisirend. Bei dem Thierschädel ergiebt sich, daß das Ohr und
Auge nicht so weit entfernt sind, und daß die Linien von beiden Punkten zu der
Spitze des Mundes einen spitzen Winkel geben; bei den Menschen ergiebt sich
ein bald mehr sich dem Rechten Winkel nähernder Winkel, und bei den grie-
chischen Köpfen und überhaupt im Süden sind diese beiden Linien beinahe im
Rechten Winkel zusammenlaufend. Diesen Rechten Winkel hat man als Haupt-
bestimmung beim griechischen Ideal. Daß dieses Etwas Schönes ist, wenn dieser
Winkel ein Rechter ist, ist zu merken, wenn man die Kopfbedeckung betrach-
tet, [da hier] 2 Mittelpunkte sich auszeichnen, der Mund und das Auge. Der
Mund hat die Bestimmung zur Befriedigung des Bedürfnisses zu Essen und
Trinken. Das Auge ist der theoretische Sinn, nicht praktisch, ruhig; der Mund
nicht. Das Verhältniß ist nun, daß der Spitze Winkel bei der Schnauze des
Thieres sich zeigt; ist der Winkel recht, so tritt die sinnende Stirn hervor, und
der Mund239 zurück als animalisches. Wesentlich sehen wir hier das Element
des Schönen, in dem das Thierische nicht hervortritt, dagegen das theoretische
Auge und die sinnende Stirn. Der Übergang von Stirn zu Nase ohne Einschnitt,
bewirkt, daß die Stirn der Nase angehört, und die Nase nur Erweitung der Stirn
erscheint, sonst ist, bei dem Einschnitt die Nase zum Munde herabgezogen. In
Ansehung des Mundes ist zu bemerken, daß außer der Befriedigung des Essens
noch eine zweite Bestimmung da ist, nämlich das idealisch theoretische, bei
den Thieren zum Schreien, bei Menschen theoretisch sich zu produziren, la-
chen, seufzen, und aller Ausdruck des Inneren. Das ist der Gegenstand einer
höheren Physiologie, den Mund als das konkrete zu betrachten, und ihm zwei
verschiedene Funktionen zu geben, und die konkrete Bestimmung zu fassen.
Die praktische animalische und theoretische idealische Bestimmung liegt im
Munde. Die Nase hat die Funktion des Riechens, die mit dem Geschmack zu-
sammenhängt, es ist der Beginn der Funktion des Mundes; der Vorsatz des Essens
und Anfang der Begierde, das ist die animalische Bestimmung. In Einheit mit
der Stirne in gerader Linie erscheint sie in einer geistigen Bestimmung. | [96]
Das Riechen kann auch theoretisch sein; es ist ein feiner Ausdruck geisti-
gen Urtheils, im Rümpfen, Hochtragen. So gering diese Bewegungen sind, so
hängen sie doch damit zusammen, sodaß sie ein geistiges Urtheil ausdrücken240.
Ihre Funktion theilt sich also wie die des Mundes.
Äußerlich ist also nur dieses griechische Profil. Schön nennen wir es; die
Chinesen und Neger nicht; aber aus der gegebenen Betrachtung erscheint diese
Schönheit nicht als besondere, sondern so daß es eine Form des Schönen ist,
indem das Übergewicht des Geistigen sich darin ausspricht.
238 sie] es
239 der Mund] das Auge
240 ausdrücken] ausdrückt
Dieser Winkel hat die Bestimmung, daß das Auge und Ohr in eine andere
Richtung zum Rückgrad und zum ganzen Körper gebracht ist. Der Mensch stellt
sich aufrecht; er kann auch mit allen 4[en] kriechen; aber er steht, weil er es
will. Durch jenen rechten Winkel entsteht nun ein neues Verhältniß. Es hängt
damit die aufrechte Stellung zusammen. Bei Thieren ist Auge und Schnauze in241
einer Linie mit dem Rückgrade.
Winckelmann giebt in Ansehung der Augen viele Bestimmungen an in
Beziehung auf Schönheit.ccxciv Die Größe ist eine Hauptsache, die sich im
Schnitte des Augenliedes zeigt. Der Augapfel ist im Profil [dar]gestellt, vortre-
tend. Ein näherer Umstand ist, daß bei Idealen Köpfen die Augenknochen er-
haben vortreten; das Auge tiefer liegt, indem der Blick des Auges im Skulptur-
bild erstorben ist; aber seine Wirksamkeit wird dadurch bewirkt, daß man es
tiefer legt, ein Schatten entsteht dadurch, und es entsteht das Gegentheil von
dem übrigen Skulpturbild, indem sich das Auge nicht in das Äußerliche drängt
und mehr das Zurückziehen nach Innen angedeutet wird. Das Sinnende er-
scheint auch in Rücksicht hierauf.
Der Mund ist nach dem Auge der schönste Theil des Gesichts, indem in
ihm die Sprache liegt, das Abstrakte, die Explikation des Innern, die unendli-
che Beweglichkeit des Mundes im Sprechen, Lächeln, Schief machen u.s.w. Es
ist das beweglichste Organ. In den griechischen Formen ist der Mund selbst
schön; die Lippen sind voll; Kargheit der Lippen drückt Kargheit des Empfin-
dens aus. Ein Reichthum in den Lippen deutet auf die Empfindung hin. Er ist
nicht geschlossen. Wenn die Thätigkeit beginnt, so schließt sich erst der Mund,
das Sinnige tritt ein, und der Mund versenkt sich in Ruhe.
Das Kinn hat rundliche Völligkeit, und ist groß. In der Venus von Medi-
ciccxcv
ist das Kinn flach, und deßhalb glaubt man, hier sei eine Restauration am
Bilde.ccxcvi Das volle Kinn drückt Sattheit aus; das Kinn selbst ist nicht thätig
oder doch wenig bei der Funktion des Essens, wie die Lippen, es zeigt Völlig-
keit in der animalischen Funktion.
Vom Ohre sagt Winckelmann[,] es sei stets mit Fleiß ausgearbeitet, und
[das] sei ein Zeichen von Ächtheit. Man findet aber auch plattere Ohren, und
diese Köpfe gehören den Kämpfern an, weil beim Faustkampf die Ohren zu-
sammengeschlagen werden.ccxcvii | [97]
In der Gestaltung des griechischen Ideales ist kein System und Ganzes eines
Kreises, der den Begriff erfüllte, zu suchen. Vielfache Bestimmungen sind an
dem Individuum, die zur Zufälligkeit des Individuums gehören. Sie haben ihren
Ebenso ist die èåìéò als liebliche Göttin dargestellt, ist schwer von Venus
zu scheiden, und die Venus Urania ist schwer zu den andern zu scheiden, man
muß sich die Lage der Augen da jedoch [an]sehen. An Hadrians Lieblingskna-
ben erkennt man die spätere Zeit der Arbeit; aber viele Collision entstand, ob
man ihn nicht für einen Bacchus anstatt des Antinous zu nehmen [habe]. Man
muß daher auch auf den anatomischen Bau, auf die Muskeln sehen, welche in
den alten, ägyptischen Werken nicht bezeichnet sind, da der Ausdruck allge-
mein stehen blieb; man suchte nur Arm und Bein hier darzustellen, die Adern
jedoch zeigen sich sogar auf trefflichen Kunstwerken.
ist wohl zu beachten nach 2 Seiten hin. Der Gegensatz des Nackten und der
bekleideten Figur, und die Bekleidung selbst sind zu bemerken. Eine ziemlich
allgemeine Meinung ist, daß das Hohe der Skulptur im Nackten dargestellt
worden sei, man rühmt daher den Muth der Griechen und ihre Vortrefflichkeit
im Bilden nackter Körper; man beklagt die Neuern deßhalb, da sie die Äußer-
lichkeit doch sehen müssen, welcher nicht die natürliche Schönheit nachkommt,
und daß sie nicht Gelegenheit haben, die Schönheit des Leiblichen zu studiren,
wie die Alten.
Die organische Form ist die schönste, die Form der menschlichen Glied- 9/2
maaßen ist die der Lebendigkeit mehr als durch die der Bekleidung, die nur
mechanisch ist, bestimmt. Die Haltung der Glieder und Natur der Stoffe wirkt
dann auf das Organ ein. In Rücksicht dieser Schönheit ist die bloß sinnliche or-
ganische Schönheit von geistiger Schönheit zu trennen. Es ist bekannt, daß die
Schaamhaftigkeit allgemeines Gefühl ist, und daß sie dem Körper Kleidung
gab, d.h. die Theile zu verbergen, die animalisches Bedürfniß haben. Seine gei-
stige Bestimmung ist verschieden von den Gliedermaaßen zum physischen Be-
dürfniß. Dieses Bedürfniß und das Bewußtsein des Geistes machen den Grund
der Schamhaftigkeit aus. Der Mensch schämt sich auch vor einem Verbrechen
und dergleichen, das ist auch ein Erröthen vor dem was man ist, und was man
sein soll. Das Gefühl der Schaam zeigt sich bei allen Völkern, und das erste
Bewußtsein Adams und Evas war das der Schaam; eine Entzweiung des Leib-
lichen und Körperlichen entstand in ihnen und veranlaßte die Kleidung. Nach
Herodot ist [es] bei den Lydern eine Schande, den Menschen nackt zu sehen
(Kandaules Frau!).cccii Die Griechen allein rechneten es sich hoch an, sich über
dieses Gefühl erhoben zu haben. Die Lakedämonier haben zuerst nackt gerun-
gen. Bei den Athenern war dieses dann auch der Fall. Die Liebe der Schönheit
als solche ist bei den Griechen Hauptsache. Die Lakedämonier haben solche
Gleichgültigkeit gegen das Geistige, die Athener Gleichgültigkeit gegen das
Sinnliche gehabt, so daß sie nackt rangen. Ehre war es, in körperlicher Ge-
schicklichkeit den Sieg davon zu tragen. Die weiblichen Figuren, die meist bei
den Griechen verkleidet waren, nur 1 gegen 10 unbekleidet sich finden; die
männlichen Figuren sind allerdings nicht bekleidet. Herkules ist unbekleidet
und überhaupt die Gestalt, wo die Ausarbeitung der Muskeln wesentliche Be-
stimmung ist. Ein hoher geistiger Sinn leitete die Griechen. Die Amorinen, de-
ren Nacktheit Unbefangenheit und geistige Reflexionslosigkeit ist, haben sie
nackt wie die Helden gebildet, da ihre Tapferkeit Inhalt ihres Charakters244 ist;
Nicht Innerliches, sondern Körperliches war ihr Bezeichnendes. Bachantinnen
waren nackt; Jupiter und andere, Juno, Pallas, Parzen waren nicht nackt. | [99]
Im Gesichte liegt der Ausdruck, im Körper, Haltung der Glieder ist der
Charakter und Situation bezeichnet in Bezug auf die innere Stimmung. Diese
Stellung des Körpers aber kann in der Bekleidung gezeigt werden, so daß auf
den Ausdruck gesehen, Nichts durch die Bekleidung verloren geht, wenn sie
richtig markirt ist. Die Kleidung bezeichnet die Stellung noch mehr. Für den
eigentlichen Zweck, den Ausdruck des Geistes geht durch die Kleidung Nichts
verloren. Vortheilhaft ist es sogar, nur so viel zu zeigen, als zur Beziehung auf
die Handlung gehört.
Die idealische Kleidung hat vor der modernen einen großen Vorzug. Wir
sehen bei uns die Haltung der Glieder, aber auf müßige Weise. Eine Unge-
staltheit erscheint bei uns; die Lebendigkeit wird überdeckt; mechanisches Be-
dingtsein erscheint allenthalben und ein äußerlich Gemachtes. Einfache Ebene
oben zusammengehalten, sonst freifallend in Falten geworfen noch durch Ge-
setze der Schwere ist hier nicht. Die Kleidung ist Umgebung, wie ein245 archi-
tektonisches Werk, ein Haus, worin wir wohnen, ein Umschließendes, nur daß
dort das tragende, hier das fallende Prinzip ist. Diese Freiheit des Fallens ent-
hält das Kunstmäßige dieser Form.
Ob Helden unserer Zeit in ideale Kleidung zu kleiden sind, darüber ist
viel gestritten worden. Unangemessen scheint es uns eine solche Person ganz
in der eigenthümlichen Tracht unserer Alltäglichkeit vorgestellt zu sehen;ccciii
freilich würde es bei Privatpersonen in der Familie besser passen. Schuhe und
Stiefel würden wir an diesem Mann sehen, wogegen wir gleichgültig sind, so
wie gegen den modernen umschließenden Rock mit eigenem Schnitte; Nicht
würdig genug erscheint es uns. In der Mode liegt das Zufällige, und sie übt ihre
Gewalt an diesem Bilde aus; das Jetzt gefallende ist Mode und später[,] wenn
die Gewohnheit wegfällt, erscheint das Lächerliche. Deßhalb suchen unsere
Künstler eine Verkleidung. Portraits von partikulären Individuen, nicht beson-
dere Kreise des Lebens und Staates werden vorgestellt.
Ein General ist noch nicht Gesetzgeber und Dichter und Fürst, beschränkt
in der Wirksamkeit, nicht diese Gestalt eines Gottes ziemt ihm. Alexander
kann so mit idealer Kleidung vorgestellt werden. Man sieht Napoleon auf fami-
liäre Weise mit Dreihut u.s.w. vorgestellt, selbst gewöhnlich;ccciv aber als Statue
muß ihm eine ideale Kleidung gegeben werden, so wie wir gern Friedrich 2 mit
idealer Kleidung sehen würden als in seiner Modetracht, da er schon mehr in
unserem Innern als im Körperlichen lebt; sonst als alten Fritzen kann man ihn
immer mit Stock und Tabaksdose vorstellen.
Es ist schon gesagt worden, daß um noch genauer die Ideal Person zu bezeich-
nen, man jedem ein Attribut gegeben hat. Jupiter erhielt einen Adler, etc.
Theils ist hier das Thierische neben den menschlich gestalteten Gott gestellt;
dann giebt es Attribute, die sich mehr auf Etwas Individuelles beziehen, aber
auch gemeinschaftlich sind246, die Ähre findet sich nicht allein bei Ceres, wie
die Ägis bei der Pallas, welche auch Apoll und Juno als schirmende Wesen er-
halten. Jupiter hat den Blitz; aber auch Pallas besitzt ihn. Es liegt in der Gött-
lichkeit der Individuen, daß solche Attribute mehreren zukommen können. Das
Attribut drückt eine Bezüglichkeit nach einer Seite, Handlung und symboli-
schen Zusammenhang aus. | [100]
Das Heraustreten der Gestalt aus der Ruhe ist die Andeutung der Hand-
lung; so die Stellung der Medicäischen Venuscccv und des Apoll von Belvede-
re,cccvi in dem die Anmuth und die Siegeslust noch sich ausprägt. Diese beiden
Gestalten sind sonst sehr berühmt gewesen und bewundert worden. Sie sind
nicht mehr in der Ruhe, sondern es ist eine Andeutung der Bewegung. Jetzt ist
der Werth nicht mehr so gepriesen wie bei Lessing und Winckelmann. Seitdem
man lebendigere Kunstwerke der Griechen kennen gelernt [hat,] erkannte man
den späteren Styl in diesen Werken, das Gefallen, das Polirte zeigt sich schon
als Zweck. Ein Engländer nennt den Apoll einen Stutzer und von der Venus
sagt er, sie hat eine Sanftheit, Weisheit im Ausdruck, eine schüchterne Grazie
ohne Fehler, jedoch nur negative Vollkommenheit; weder geistige Verfeine-
rung noch Wollust drückt sich in ihr aus. Venus soll der Liebe Göttin sein, sie
kann nicht in der Skulptur so dargestellt werden, wie wir uns das Innerliche der
Empfindung der Liebe denken; es ist keine Empfindung in jenem Skulpturbild.
– Die Kunst geht von diesen Anfängen nach Außen fort zu
Gruppen
und Darstellung von Bewegung. So die beiden Jünglinge, welche die Pferde
bändigen.cccvii Es sind nicht Kastor und Pollux,cccviii in kolossaler Gestalt, jedoch
mit der höchsten Richtigkeit und Zierlichkeit. Einer wird dem Phidias zuge-
schrieben. Hier erscheint nur die Ruhe in beiden, wie überhaupt in den kolossa-
len Figuren der Alten die Zierlichkeit erscheint. Die Gruppe der Grazien, die
dem Sokrates zugeschrieben sind, wurden öffentlich ausgestellt wie die des
Laokoon,cccix die lange Gegenstand von trockener Erörterung war. Sie trägt die
Spur des späteren Styls an sich; aber die höchste Vollkommenheit erscheint in
ihr. Man stritt über die Öffnung des Mundes usw.
Im Gibelfelde der Tempel waren solche Gruppen angebracht, wo die Be-
ziehung der Skulpturwerke merklich zum Raum gemacht ist. Die Anordnung
der Gruppen muß sich nach dem Dreiecke richten.
Hieran schließt sich das Basrelief, Darstellung auf Flächen zum247 Zeigen.
Die Fläche ist die Bedingung, so daß die Figuren nicht hinter einander sondern
auf einem Plan, nebeneinander sich darstellen. Geräthschaften zum Opfer und
Kampf, Dreifuß, Sessel wurden zierlich dann dargestellt. Der Skulptur verwandte
Künste zeigen sich in dem Material der Ausarbeitung. Die höchsten Gegen-
stände der Skulptur waren die Göttergestalten; man ging zu anderer Darstel-
lung der Phantasie und Wirklichkeit, zu den Heroen, Pfaunen, Satyrn, Thieren
über. Mehr dem animalischen Leben gehört an und entfernt von dem idealen
sind die 3 letzteren. Pferde unter den Thieren, da sie den Heroen angehören,
wurden auf [dem] Fries dargestellt. Die Kuh von Miron, dessen Satyr mit der
Doppelflöte sind ausgezeichnet. Die Kuh hat Göthe in Kunst und Alterthum
selbst gut beschrieben, und über den eigenthümlichen Sinn der Griechen ge-
sprochen.cccx
Der Kreis der Mutterliebe, der der romantischen Kunst angehört, ist aus-
geschlossen aus der Skulptur. Das Säugen hat sie nur als thierische Funktion
dargestellt. | [101]
Jedes Material hat eine eigene Art der Behandlung. Das Material selbst hat Zu-
eignung zu einer gewissen Weise der Behandlung, und beide müssen überein-
stimmen. Das Holz ist einer der ältesten Stoffe, aus denen man Götterbilder
schuf, von denen Pausanias oft spricht. Auch später arbeiteten die Griechen
darin. Das Eigenthümliche des Holzes macht es nur für kleine [Figuren] taug-
lich, Fasern und Farbe bewirkten starke Einschnitte und Ecken, und diese pas-
sen nur zu kleinen Figuren; weßhalb man den Gemälden ansieht, ob sie nach
Holzbildern gemalt sind.
d 11/2 Elfenbein war theils für sich theils in Verbindung mit Gold das zweite
Material, in welchem die Alten gearbeitet, wie Phidias jenen Zug in Olympia,
Pallas auf der Akropolis von Athen in Elfenbein gebildet hat, wo noch nicht
der in die Anmuth übergehende Stil, sondern das Große herrschte; die Pallas
hält auf ihrer Hand eine Viktoria, die über lebens groß war. Das Gewand war
von Gold. Diese Art zu arbeiten, mit verschiedenen Farben, der Gelblichkeit
des Elfenbeines, stammte aus dem Alterthum her. Phidias hat andere Werke
noch ausgearbeitet, so einen Koloss, Pallas in ihrem Tempel bei Platäa, wo
Kopf, Hände und Füße aus Marmor, das andere aus vergoldetem Holze be-
stand. Sehr reinliches, aber nicht körnigtes so wie der Marmor, und theures
Material ist Elfenbein gewesen. Ein Franzose hat ein ausgezeichnetes Werk
hierüber geschrieben. Quatremère de Quincycccxi ist es, der auch das Technische
nach allen Seiten untersucht hat, der die Platten erforschte, die aus einem Zahn
zusammengesetzt worden sind. Aus historischen Schriften lernte er den Jupiter
kennen, das Basrelief248 des Stuhls, auf dem er saß, und man sieht, wie vollen-
det und reich an Kunst die sitzende Figur des Jupiter war249. In neuern Zeiten
hat man auch dieses Material gebraucht, im Mittelalter, von Benvenuto Cellini,
u. a., und man hat sehr kunstreiche Werke daraus noch erhalten.
Stein und Erz ist ein drittes Material, [das] rohere [ist] das Erz[,] das älter
ist als das reine Steinbild. Aus ungeheuren Granitfelsen haben die Ägypter ihre
Werke gebildet, und sie polirt; aber der Marmor ist das eigenthümliche Stein-
material. Eine ganze Statue aus Marmor zu bilden, fing man erst später an.
Phidias hat zwar in Marmor gearbeitet, aber nicht ganz; Mirons und Polyclets
Zeiten haben meist Erzstatuen. Zur250 Zeit des schönen Stils, haben Praxiteles
und Skopas die größten Meister neben erzenem Bild, ihre Hauptwerke in Mar-
mor gebildet. Sie wollten die Farbe nämlich ganz entfernen, wie man [sie] im
Elfenbein, und im Golde zusammen, noch hatte angewendet. Das reine Ab-
strakte der Skulptur brachten sie herbei. Die reine Schönheit läßt sich auch in
Erz darstellen; aber die Anmuth ist allein im Marmor auszudrücken, so daß die
Durchsichtigkeit der Nasen und Ohren hervorstrahlt um die Weichheit der Um-
risse empfindlich zu machen; das sanfte Zusammenstoßen der Linie zu zeigen.
Wenn das Erz anfängt grünlich anzulaufen, so enthält der Glanz eine Blende.
Glanzlichter entstehen oft, die störend für die Auffassung sind. | [102]
Des Erzes dunkele Farben haben ein wärmeres251 Ansehen; in der Kunst
des Gießens brachten es die Griechen weit, und ein Erzwerk ist wohlfeiler als
ein Marmorwerk gewesen. Der Guß war so rein, daß man nicht nachzuarbeiten
brauchte, (ciseliren252), um die Rauheit weg zu meißeln. Das Metall war da-
durch glänzend und giebt falsche Lichter, weßhalb man ihm jetzt einen fal-
schen Überzug giebt. Die feinen Züge des Modells leiden dadurch. Die
Chinesen besitzen noch diese Kunst, dem Guß eine solche Festigkeit zu geben,
daß das Erz nicht Blasen schlug und deßhalb nicht so lose253 ist. Dieses Techni-
sche ist nicht zu verachten, da der Künstler es mit einem materiellen Stoff zu
thun hat, und von diesem muß er Meister werden. Das Genie ist Meister auch
im Technischen. – Die meisten Kunstwerke der Alten sind in Erz gearbeitet. Es
setzt uns in das größte Erstaunen, diese Werke in Fülle und Massen existiren zu
sehen. Das korinthische Erz ist eine eigene Mischung, die beim Brand der Stadt
Korinth entstand. Wir haben viele Kanonen in Preußen in Erz, aber wenige Sta-
tuen aus Erz, eine bronzene Thür ist an einer Kirche in Preußen254. Sehen wir
auf den Reichthum Griechenlands, so müssen wir erstaunen, und glauben, daß
der Kunstsinn ein eigener Instinkt des Geistes ist, der nur bei einem Volk und
zu einer Zeit existiren kann. Der Marmor hat auch eine Grenze im Gebrauch;
aber die Bildsamkeit des Erzes dehnt sich unendlich aus, gießen, schlagen
u.s.w. kann man es, wie auch graviren. Man hat auch nur Modell und Guß zu
machen.
Aber nach dem Modell muß beim Marmor erst ausgearbeitet werden mit
dem Meißel, [so] daß eine doppelte Arbeit für dasselbe Werk erfordert wird.
Oft haben die Alten ohne Modell in dem Block gearbeitet, denn man sieht an
vielen auch vollendeten Werken Fehler, die der Künstler beim Modell nicht
hätte machen können, so beim Apoll von Belvedere ist ein Bein länger als das
andere.
12/2 Münzkunst.
Wir haben in Gold, Silber herrliche Stücke aus dem Alterthum, ungeachtet die
Habsucht sie zu vernichten gesucht [hat]. Man bemerkt auch hier Auf und Ab-
steigen in der Kunst. In der Maschinerie sind die Griechen nicht so weit ge-
kommen als wir. In neuern Zeiten haben die Künstler, die den Napoleon als
Münzen schlugen[,] sich ausgezeichnet. Edelstein und Glas sind vielfach als
Material gebraucht worden. Die Farben haben sie selbst zahlreich benutzt. Die
Onixe, wo mehrere Lagen des Gesteins verschiedene Farben haben, sind so ge-
graben worden, daß man die Farben größer vertheilt erhielt. Aus Achatkugeln255
sind auch mehrere in Braunschweig zu finden, wo viel Kunst zu sehen [ist].
Man findet den Gegenstand der Mysterien auf ihnen. Aemilius Paullus hat Ge-
fäße von solchen Gesteinen nach Rom mitgebracht. Die Edelsteine sind klein;
aber ganze Scenen sind auf ihnen vorgestellt. Im Schneiden der Steine hat man
es zwar jetzt weit gebracht, aber diese Kunst des Fühlens ist im Alterthum ein-
zig. Der Künstler kann nicht sein Bild vor Augen sehen, sondern nur das Ge-
fühl ist einzige Leiterin bei der Arbeit gewesen. In diesen Gemmen ergeht sich
Malerei.
In der Skulptur sind schon die Anfänge der Malerei enthalten; nicht in den Far-
ben der alten Bilder der Griechen, nicht in den Gemmen, sondern im ganzen
Charakter der Darstellung schon. Abstrakt die Subjektivität ausdrücken, die
Mannigfaltigkeit der Gegenstände in Situationen, Gruppe von vielen Individu-
en ist der Malerei Charakter. Der Gott ist das selbstständige in sich Ruhende;
von ihm geht man über zur Gemeinde, der sich wissenden und fühlenden. Der
Marmor hat das Bestehende in sich, einfach auf sich bezogen; wir fordern eine
gewissere Entwickelung, die noch nicht im Ruhen enthalten ist. Die Skulptur-
werke lassen uns deßhalb kalt; unser Verweilen ist mehr ein gelehrtes Studium
der feinen Unterschiede. Der Charakter des Kunstwerks wird uns klar, aber wir
wollen das Übergehen in Thätigkeit und Empfindung.
Für uns gehört Übung, um uns von dem Skulpturwerk anziehen zu lassen;
wir müssen erst nach vielen Gesichtspunkten hin uns ausdehnen, nachdenken,
beobachten, und dann genießen. Aber einen solchen Genuß verlangt nicht die
Kunst. Deßhalb sind wir einheimischer bei der Malerei. Die Innerlichkeit, das
Subjekt, das Dasein und Empfindung ist verbunden mit dem Bestimmen der
Formen der Äußerlichkeit. Zurückziehen in sich und das Gegentheil, das Aus-
einandergehen in der Form, sind zwei verschiedene Dinge hier. Die einfache
Ruhe des Skulpturwerks beruht auf sich; die Malerei entwickelt sich zur Thä-
tigkeit. Die abstrakte Bestimmung der Äußerlichkeit, des Raumes, hat die Skulp-
tur in den 3 Dimensionen; die Malerei zieht die 3 in 2 zusammen und hält sich
in Ebenen; dieses liegt im Beschränktsein des Äußerlichen, durch das Innerli-
che, so daß 2 Dimensionen nur bleiben. Eine Dimension, die Linie, ist noch zu-
rückziehender und unruhiger. | [104]
Die Malerei kann schon einen Mangel zwar haben durch die 2 Dimensio-
nen; aber es liegt in dem Gesagten, daß es nicht so ist. Die Besonderheit tritt in
die Malerei, und diese im Verhältniß zum Raume muß gefaßt werden, daß die
physikalische Bestimmung256 in das Prinzip des Raumes gehört, da es die
Skulptur mit Raumbestimmung zu thun [hat]. Die Malerei tritt in die physische
Bestimmung, und um dieses herauszuheben, muß ihm Abbruch gethan werden.
Die Skulptur beruht auf sich, unbekümmert um den Zuschauer, nicht so bei der
Malerei, es hat das Verhältniß zu erscheinen, und für die Erscheinung ist nur
die Ebene vorhanden, als ein fester Punkt des Erscheinens.
13/2 Es leidet also die Selbstständigkeit im Gemälde; es ist nur die Beziehung
auf den Menschen dargestellt. Zum Erscheinen ist die Ebene hinreichend, und
die Natur vermag diese nicht darzustellen. Alles ist auf die Bedürftigkeit des
materiellen Zusammenhangs zurückgeführt. Die Malerei erhält dadurch eine
entferntere Beziehung auf die Architektur. Sie zieht sich auf das Zimmer, an
die Wand, zurück; das Skulpturwerk wird für sich aufgestellt; eine Basis ist
deßhalb nöthig, man kann sie hinauf, auf die Treppen, [in] Gärten stellen. Ein
Gemälde gehört dagegen, die leeren Wände auszufüllen257. Die gothische Bau-
kunst füllt die Flächen des Gibels auch aus, und diese Flächen sind bei weitem
größer; es sind lange Kasten, welche große, leere Ebenen bilden, deren Größe
und Leere aber bald verschwindet, wenn man näher tritt, und genauer sieht.
Physikalisches tritt in die Besonderheit der Erscheinung herein. Die auf-
geschlossene Schwere, das Licht, aber nicht die abstrakte Sichtbarkeit, sondern
auch das Dunkel, also Hell und Dunkel tritt auf. Der Umriß ist das Dunkele,
und beide sind durch die Farben zu verbinden. Die Farbe ist eine Einheit von
Licht und Dunkel; die Trübung des Lichtes, dann an sich farbenleer, giebt eine
Veränderung, das Dunkle. Nun ist nicht möglich, daß das Licht aus 7 dunkeln
Farben entstehen soll. Die Maler halten sich an das Erscheinen und dessen
Sinn, gelb und blau, beiden sind entgegengesetzt roth und grün. Diese Farben,
gelb, blau und roth sind einfach, hell, aber in ihnen ist auch Dunkel und das ist
die Trübung. Helles und Dunkeles lassen alle Raumverhältnisse der dritten
Dimension hervor und zurücktreten. Alle Unterschiede werden reducirt auf den
Unterschied von Hell und Dunkel. Zwei Menschen sind von einander unter-
schieden; jeder ist für sich, selbstständig durch seine Persönlichkeit gegen den
andern Menschen; Organisation und Bewußtsein sind eigen; beide unterschei-
den sich durch hell und dunkel; hier hört die Farbe auf, dort fängt sie an.
Schwer ist es[,] diese Raumunterschiede hervorzubringen. Sie durch Farben zu
marquiren, scheint mangelhaft zu sein; aber es ist die Bestimmung der Malerei,
die sinnliche Manifestation zu fassen, die dritte Dimension zu verwerfen, wie
schon gesagt ist.
Eine vierte Bestimmung der Malerei ist diese, daß das Objekt bezüglich
durch seine Persönlichkeit auf den Menschen vorgestellt werden soll. Ein weit-
läufiger Zusammenhang mit anderen Objekten beschränkt sich auf die Ebene;
mit dem Gegenstand tritt sogleich der Hintergrund herein und die Beziehung
zur Umgebung, eine Beziehung, die abgetrennt sein muß, so daß das Gemälde
ein Ganzes [ist], in dem das Beziehende marquirt sein soll. Nicht zufällig soll
das Gemälde aussehen, sondern begrenzt durch den Rahmen. | [105]
Das Statuarische fällt nun weg. Einzelne Bildnisse werden nicht dar-
gestellt mit einem Hintergrund von Architektur, wie in altdeutschen Bildern zu
sehen ist, wo der statuarische Typus erscheint. Dieses Bild hat keine Lebendig-
keit, das Marmorne ist noch an ihm. Auf Flügelthüren sehen wir Apostel, aber
nur dann ist das so möglich, [wenn diese] als einzelne Figuren der Religion, als
Individuen für sich, selbstständig wie die Portraits gelten. Ist diese Bestim-
mung nicht vorhanden, so hat die Vereinzelung keinen Platz. Man wird also
nicht, wie es geschehen, das Brustbild vom verlorenen Sohn malen, da die Si-
tuation von ihm nur durch den Zusammenhang mit Anderem zu ersehen [ist];
wohl aber kann man einen Christus im Brustbilde malen.cccxiv Ein Schweinchen
als Symbol im Hintergrund des verlorenen Sohnes zu malen, ist ein kleinlicher
Nothbehelf. Näher bringt sich das Einzelne nicht dem Geiste; und in der That
sind die einzelnen Verehrungsbilder häßlich, sie haben einen gewissen Typus
des Stumpfen. Freiheit in der Kunst und des Geistes hat sich aus dem Stumpfen
heraus gerissen und das geistig Belebte, dem Geiste des Menschen Verwandte-
res, gebildet. Diese Isolirung von Personen hat nur Interesse beim Portrait.
Als 5tes ist zu bemerken, daß sich der Gegenstand der Malerei durch den
Hintergrund ins Unendliche sich erweitert; das Unorganische, Sonne, Mond,
Felsen, Thiere, Landschaftliches überhaupt mit den einzelnen Parthien, wo je-
des für sich genommen wird, die Menschen mit ihren Kleidern, Wohnungen, in
Zuständen von Empfindung; und Handlung und Situation tritt in der höchsten
Ausdehnung ein, und der Gegenstand der Malerei wird gränzenlos. Keine
Schranke ist diesem Gränzenlosen gesetzt. Der höchste Inhalt soll erscheinen
auf der Fläche, und in Erscheinung soll der innerste Ernst bis auf das abstrakte-
ste Äußere sich kund thun und auf die Effekte des Erscheinens sehen. Die le-
bendige Wirklichkeit scheint nun durch die Besonderheit mehr vom Idealischen
sich zu entfernen. Die abstrakte allgemeine Befriedigung ist, daß der Mensch
als erscheinend sich vorstellig mache. Dieses Erscheinen aber selbst erfordert
die große Kunst, die unendliche Bestimmung und Genauigkeit. Jede Einzeln-
heit erscheint hier als vollendet, und die Ausarbeitung wird hier noch mehr
flüssig gemacht als in der Skulptur.
16/2 Etwas Nationales, Individuelles liegt in dem Geben der Farben, so daß
man die bestimmten Bilder der Italiener, Deutschen gleich unterscheiden kann.
Jeder Maler hat auch noch seine Manier; deßhalb entstanden die Malerschulen.
Der partikuläre Geist der Völker, Zeiten, Individuen malt sich im Gemälde ab;
das Technische ist auf vielfache Weise berücksichtigt.
Hieran knüpft sich das, daß die Malerei in der romantischen Kunst ihre
höchste Blüthe erlangt hat; denn die romantische Kunst ist die des geistigen
Sich in sich reflektirens, und in das Bestimmte übergehend, wodurch Mannig-
faltigkeit der Zustände, Handlung, Äußeres entsteht. Die alten können auch
vortreffliche Malerei gehabt haben. Wenn auch wenig von dem Alterthum er-
halten [ist], jedoch in dem Aufgefundenen zeigt sich nicht die Vortrefflichkeit
der alten Zeit, so daß sie auch damals nicht zu dem trefflichen wurden ge-
zählt258. | [106]
Ternitecccxv hat geistreich die Herculaneischen Gemälde kolorirt darge-
stellt. Besonders in Bezug auf die Architektur sind sie merkwürdig. Wir sehen
die Richtigkeit und Schönheit der Form, das Passende der Gegenstände, die Art
des Auffälligen, die Trefflichkeit des Kolorits, die sich solang erhalten hat.
Viele dieser Gemälde fielen bei durchziehender Luft zusammen. Deutlichkeit
der Gruppirung, Leichtigkeit in der Ausführung, alles findet sich dort, obwohl
sie doch nicht zu den namhaft erwähnten Gemälden gehören. Wir müssen aber
doch behaupten, daß bei der Romantischen Kunst der Vorzug der Malerei ge-
wesen sei. Nicht auf der Kunstfertigkeit beruht der Vorzug, sondern auf dem
Inhalt, auf den höhern Gegenständen, wo die Innigkeit der Empfindung er-
scheint mit geistvoller Seeligkeit. Im Ausdruck ist deßhalb eine höhere Voll-
kommenheit. Vom Ausdruck läßt sich der Inhalt nicht abscheiden. Der Ausdruck
ist der Ausdruck des inneren Gehaltes. Dadurch hat sich die Malerei zu der
großen Höhe emporgehoben. Es giebt von einem französischen Kritiker eine
Vergleichung zwischen ägyptischen und christlichen gleichen Gruppen.cccxvi Die
ägyptische Isis wird oft mit dem Sohn Horus auf den Knien vorgestellt, ein
ähnliches Sujet [ist die] Mutter mit dem Christus. Die Isis kommt oft im Basre-
lief vor, aber das macht keinen wesentlichen Unterschied von der Art der Be-
handlung. Beide betrachtet unterscheiden sich sehr. Das ägyptische Werk ist
symmetrisch, die Formen gradlinigt, unbeweglich, keine Spur von Neigung,
Zärtlichkeit und innerer Bewegung, keine Mutter und kein Kind, weder göttlich
noch Götter; es ist die wahre Vorstellung einer natürlichen Handlung nicht. Im
ältesten Byzantinischen Gemälde bis Raphael, welche Bewegtheit, Unendlich-
keit der Reinheit der Jungfrau, menschlicher Affektion, göttlicher Laune, phy-
sischer Schönheit geistiger Größe; nicht Formen, sondern Gefühle will die Kunst
jetzt darstellen: das Sinnlichschöne soll in unserem Innern das Gefühl [des]
schönen erwecken, ohne welches keine Kunst ist. Sehr wahr ist diese Darstel-
lung und Entgegensetzung. Die griechische Kunst ist unendlich mehr als die
ägyptische fortgeschritten mit Beziehung auf Lebendigkeit und Innigkeit. Ein
Faun hält mit der größten Lieblichkeit den Bacchusknaben im Arme. Schöne
Nymphen[,] die den Bacchusknaben pflegen[,] sind sehr empfindungsreich. Aber
diese Empfindung der Liebe zum Kinde, ohne Begierde und Sehnsucht, hat
nicht die Tiefe der christlichen Liebe. Der Ausdruck in der Malerei hat durch
den höhern Inhalt deßhalb einen höhern Ausdruck gewonnen.
Stellt die Malerei die Besonderheit dar, so haben wir noch Einiges hier-
über zu bemerken. Die Malerei wird historienmalerei durch diese Bestimmung.
Historienmalerei.
Die Malerei kann einerseits einen Moment ohne Sukzession darstellen, und
steht dann dem Dichter nach, der eine Handlung in fortgehender Entwicklung
darstellen kann; jedoch kann die Malerei vor der Dichtkunst die einzelnen Per-
spektiven259 vor die Seele stellen. Der Dichter wird trocken, wenn er malt; er
entbehrt der Bestimmtheit der Einzelnheit des sinnlichen Anblicks. Die Vor-
stellung ist abstrakt, allgemein und nicht bestimmt. Bestimmungen als Bestim-
mungen sind zu abstrakt. | [107]
Die Malerei muß nur das Momentane darstellen; aber der Rest des An-
fanges und der Vollendung muß sich auch zeigen als Folge. Im Moment des
Sieges erscheint der Kampf und das Neigen zum Sieg. Die büßende Magdalena
ist bald sehr einfach, bald mannigfaltig und ausführlich gemalt worden. Fran-
ceschinicccxvii hat sie mit allem äußeren Schmuck angethan, und sie so darge-
stellt, daß sie alles fortwirft und die Geißel ergreift. Der Maler ist dramatisch.
Wir haben schon gesprochen von den ruhenden Bildern, die aus der Skulptur
noch entstanden; aber besondere Lebendigkeit soll im Gemälde erscheinen. Die
Innerlichkeit soll mit ihrer Tiefe heraustreten; sie steht so der Dichtkunst nach,
daß auch die Innerlichkeit konkret, bestimmt, in sich bewegt, nur von der Dicht-
kunst explicirt werden kann, als Fortgang zu Vorstellungen. Dieses Lyrische
der Empfindung kann nur vom Dichter vorgestellt werden. Läßt sich die Male-
rei auf die Lyrik ein, so kennt sie ihre Mittel nicht; sie muß die Äußerlichkeit
und Abstrakte Ausdrücke darstellen. In neuern Zeiten sah man das Treiben der
Malerei nach poetischer Seite, was nur ein Mißgriff sein kann.cccxviii
Eine Darstellung des innerlichen Empfindens ist die Poesie und so unter- 17/2
scheidet sie sich von der Malerei. Die Malerei malt Inneres als äußerlich sich
darstellend; die Poesie faßt das Äußere nur als Inneres der Empfindung auf.
Die Kunst für die sinnliche Anschauung des Äußerlichen, und die Äußerung
des Innern, als Thatsächliches, Folge vom Innern, das sich in der äußern Exi-
stenz darstellt, ist die Malerei. In dem Ausdruck des Gesichts und [der] Stel-
lung zeigt sich die Äußerung des Innern, aber auch die Handlung an einem
Dritten. Dramatisch ist also die Malerei. Setzt man das Poetische der Malerei
darin, daß sie ihre Innerlichkeit unmittelbar ausdrücken soll, ohne Handlung
und Motive, so zieht sie sich ins Abstrakte zurück, bemächtigt sich der Ei-
genthümlichkeit der Poesie, wird fade und trocken, weil sie in ihren Mitteln
diese Kraft nicht hat. So sahen wir in der letzten Kunstaustellung große techni-
sche Fertigkeit in der Kunst der neuen Schule,cccxixaber der Geist der Darstel-
lung war in der Liebe; aus der Dichtung war der Gegenstand genommen; so die
Nymphe mit dem (Schiffer) Fischer,cccxx dessen Sehnsucht nach der Reinheit
des Wassers freut; wir sehen Mignon;cccxxi Rinaldo und Armide,cccxxii die sich
recht verliebt ansehen und weiter nichts thun; der ganze Ausdruck konzentrirt
sich im Auge und Munde; die Stellung ist übrig; das lange Bein des Rinaldo ist
in Verlegenheit, wohin er sich legen soll; die Gesichter der Männer sind trivial,
prosaisch. Der Schäfer ist ein Bauerngesicht. Das große Moment des Aus-
drucks hat die Malerei; im Auge liegt dieses Moment; aber man muß nicht al-
les dahin übertragen. Ohne Fantasie ist die Poesie hier; die Liebe erscheint im
Auge, sonst nirgends. Abstrakt, verständig ohne Phantasie ist daher diese Poe-
sie. Es soll sich aber das Innere durch Handlung äußern; die ältern Maler haben
auch Scenen vorgestellt, denen die Liebe zu Grunde lag, aber mit Fantasie,
theils allegorisch, wie Amor und Psyche, oder in der Mitte mit Nymphen, in
der größten Mannigfaltigkeit, wodurch die Macht der Liebe angezeigt wird.
Der Raub der Sabinerinnen, der hat auch seinen Grund in der Liebe, die260 auch
eine Handlung hervorbrachte. Herkules und Omphale ist ebenso allegorisch
dargestellt. | [108]
Das Bild von Jakob und Rahelcccxxiii ist deßhalb so schön, wie er ankommt,
sie beim Brunnen antrifft, umarmt und von einer Menge von Knechten umge-
ben ist; Allenthalben ist Handlung. Ebenso Paris mit den 3 Göttinnen. In un-
sern Bildern ist das Weib krank, schmächtig, [sich] in Sehnsucht verzehrend,
und nur die Schönheit der Formen an sich tragend. Mignon gehört hieher, die-
ser rein poetische Charakter, der vor uns in der Phantasie recht lebhaft lebt;
aber im Bilde ist es prosaisch; ohne Entschluß, Zweck, ohne Richtung zur
Handlung; gebrochen, und nicht zerschlagen, nicht wissend sich zu helfen, er-
scheint sie uns auf dem Bilde. Die Poesie kann die Leidenschaft zum Gegen-
stand machen, indem sie diese auf innerliche Weise explicirt, aber fantasievoll;
ist die Poesie auf innerliche Weise poetisch, so ist dieses nur durch Fantasie
möglich. Die Malerei kann sie nur im Reichthum von Motiven, Handlung,
Drama darstellen. Die Kunst besteht darin, daß die Empfindung zur Vorstel-
lung durch die Fantasie verklärt wird. Der Inhalt des Kunstwerks muß diese
Fantasie auch ausdrücken.
Die Kunst der Malerei hat eine unendliche Mannigfaltigkeit, weßhalb
man die Gemälde selbst betrachten muß, um ihre Besonderheiten vor sich zu
haben. Der Beschreibungen wird man bald müde. Sie lassen die Vorstellung
unbestimmt. Die geschichtliche Behandlung ist deßhalb das beste für die Zeit,
der sie angehört. Die Aufstellung einer geschichtlichen Sammlung wird un-
schätzbar sein; dann wird man der Malerei nachgehen können, wie die Malerei
mit dem Steifen, Kunstlosen angefangen; wie die Charakteristik des Indivi-
duums, das Schöne dargestellt zu werden später erfolgte.
Die Auffassung der religiösen Gegenstände wird auf den Unterschied von
Schulen führen. Von diesen Gegenständen in der höchsten Idealität ging die
Malerei zur Weltlichkeit der Gegenstände über; mit dieser ist die Hauptsache
Reiz des Scheinens, Magie des Scheinens geworden.
Das Romantische überhaupt ist das angemessenste für die Malerei, die in
ihrer höchsten Macht sich nur an romantischen Gegenständen zeigen kann. Die
Gegenständlichkeit dieser Rücksicht ist die Empfindung der Tiefe, die Inner-
lichkeit. Zu dieser Tiefe gehört nicht bloß griechische Heiterkeit, sondern auch
noch ein anderes Moment, daß die Seele zu einer höhern Heiterkeit durch die
Entzweiung, durch Arbeit, Schmerz gelangt, indem sie das Natürliche über-
wunden [hat]. Ein Negatives ist so in der höhern Heiterkeit ausgelöscht. Eine
errungene Heiterkeit ist es hier, die auch berechtigt [ist]. Die verklärte Glück-
seligkeit erscheint hier, nicht die natürliche, zufällige Zusammenstimmung der
äußern Zustände, sondern der Ausdruck der Seligkeit, der sich auf äußerliche
Existenz nicht, nur auf Innerliches sich bezieht, nicht bloß Heiterkeit, sondern
Befriedigung erhalten hat.
Bei den Alten ist Herkules unter die Götter versetzt durch seine Arbei- 18/2
ten;cccxxiv
aber er hat einem König gedient, und diese Arbeiten sind mehr äußer-
lich. In der261 Arbeit, wodurch Befriedigung erreicht, und innerlich ist, muß
man262 sich selbst überwunden haben. | [109]
Die Arbeit kann bloß mechanisch sein, beten; aber mit gewissem Be-
wußtsein eines Geistigen ist sie unternommen. Immer ist es ein In sich gehen,
wenn auch nur momentan, dennoch eine Betrachtung, die einen Zug von gei-
stiger Versöhnung in die Seele bringt. Diese Arbeit und das Gefühl des
Schmerzes kann ganz oberflächlich sein, nur abgesetzt gegenüber263 Leben, ohne
Tiefe. Ein eigenthümlicher Charakter entsteht aber doch, eine berechtigte Ei-
genthümlichkeit. Die mechanisch betenden sind ganz für sich, nicht tugend-
haft; auf den feierlichsten Gottesdienst, der in die Tiefen des Herzens eindrang,
folgt unmittelbar eine Ausgelassenheit; aber es ist ein Berechtigtes, Versöhn-
tes; man hat ein gutes Gewissen; die Befriedigung überhaupt hat den ei-
genthümlichen Zug erhalten, der nicht in der ursprünglichen Heiterkeit der
Griechen liegt. Eine Innerlichkeit wird doch hervorgebracht in diesem Moder-
nen, das sich in der Kunst bestimmter ausdrückt. Den nähern Kreis des Roman-
tischen haben wir nun schon betrachtet. Der Geist der Liebe ist der Mittel-
punkt. Die Liebe der Mutter ist schon ein konkretes Menschliches; in der Kunst
selbst, in der Religion auch verlangt es einen Fortgang der Entwicklung, um zu
diesem Mittelpunkt zu kommen. Eine gefühlte Befriedigung ist also konkret:
sie fühlt sich identisch mit einem andern. Die Liebe ist also schon etwas Nega-
tives, sie gehört einer Person an, die für sich gehört. Das selbstsüchtige Herz ist
es, das sein Für sich sein aufgiebt, [es] ist das negative Moment, das die Einig-
keit der Liebe bewirkt, und ein Höheres, Geistiges ist. Ein einzelnes Indivi-
duum wird gewußt, und deßhalb ist die Liebe auch Etwas Rührendes; ein
Widerspruch zu sehen in Einem. Das Rührende liegt in dem dialektischen Wi-
derspruch des Verhältnisses, daß man seine Person aufgegeben hat. So ist die
Liebe Mittelpunkt der höhern Kunst. Die ältere Malerei zeigt eben dieses Inne-
re der Liebe. Die Form der Mutterliebe ist ein natürliches Verhältniß, so daß
der Inhalt der Liebe, der Gegenstand, welcher geliebt wird, nicht ein besonde-
res Individuum, sondern ein Gott ist. Die Mutter ist zugleich Mensch und zu-
gleich das Hohe. Es ist dieses die höchste Form zu der sich die Kunst
emporgehoben. Die Liebe ist hier eine Liebe ohne Leidenschaft, und zugleich
die Erhabenheit; nicht die Freude natürlicher Liebe, sondern die Liebe zu Gott;
nicht die Liebe zum Manne erscheint, sondern der Mann hat auch die Ehrfurcht
vor dem Kinde. Die Freudigkeit dehnt sich also sehr weit aus; die Freude der
Hirten, Könige, höhere göttliche Freude ist es, Freude des Geistes über das ge-
kommene Erwartete. Der Gott als Vater wird im Gedanken aus dem Sinnlichen
entfernt und aus dem natürlichen Verhältniß; er wird Gott des Gedankens und
mehr der Kunst entrückt. Deßhalb sind die trefflichsten Vorstellungen von Gott
Vater von Raphaelcccxxv in den Wolken: es wurde Licht, sprechend, eine sehr
würdige Vorstellung, die dem alten Jupiter an die Seite gesetzt werden kann.
Eine Konzeption wie man sie nirgends wieder findet, in Rücksicht auf Würde
und Erhabenheit, und dennoch nicht befriedigend für unsern Geist. Ebenso ist
es mit Christus. Malerei hat theils in modernem Sinn, theils in antiker Schön-
heit ihn dargestellt, mit antiken Formen, und berühmte Meister haben ihn ge-
malt; aber dennoch entspricht Nichts der Vorstellung: | [110]
Er erscheint als Einer, wie ein griechischer Gott, als ein Mensch, welches
wir uns beim Kinde gefallen lassen; indem der Widerspruch beim Kinde mehr
erträglich ist in seiner Unschuld. Das Kind erlaubt Erhabenheit in seinen Zü-
gen, die ihn als übermenschlich anzeigen; einem Mann beigelegt bringt [dies]
so nicht mehr die Wirkung hervor. Eine gewisse Partikularität ist immer darin
zu finden, und dieses befriedigte. Die Freudigkeit der Versöhnung, die Verklä-
rung und Himmelfahrt, die Vollendung erlaubt nur allein das Höhere, Göttli-
che; der Mensch ist nicht mehr als Mensch vorgestellt; die Situation hat das
Vermischen des Menschlichen zugegeben und das Übergehen in höhere Klar-
heit. Ebenso ist es auch mit den Aposteln; diese Charaktere mit ihrem großen
Berufe; Engel und Heilige, welche der Noth des Lebens entnommen sind, tra-
gen an sich die Schwierigkeit, an ihnen diese Reinheit von dem Leiden auszu-
drücken. Die anbetende Gemeinde als menschliche in ihrer Andacht und Glau-
ben, mit der Sehnsucht, die sie drängt in ihrem geistigen Gebete, mit der
Gewißheit der Erhörung, folgt dann. So ist die erste Form des Beseligtseins.
Die Entzweiung ist eine zweite Form; das Leiden, Christi am Kreuze und
eine vorhergegangene Situation, die Verspottung, wo der Feind gegen [ihn]
auftritt; die Grablegung, die schmerzliche Empfindung der Mutter, Apostel, die264
die höhere Aussicht, die Heilung der Welt gefunden zu haben, und zu verlie-
ren, ist eine Zerknirschung, daß das Heil subjektiv werde, ein Schmerz, in dem
zugleich das Objektive, die Versöhnung gewiß ist, und der sich reflektirt im
Kampfe der Seele mit sich, als Märtyrer, Büßende, denen die objektive Ver-
söhnung gewiß ist.
Der Ausgangspunkt des Kampfes kann eine natürliche Freiheit und Fröh- 19/2
lichkeit sein, eine Entschiedenheit im Leben, die Bande des Nothwendigen
leicht zu nehmen, und sie nicht zu achten, wodurch diese Grundlage mit
Schönheit des Erscheinens265 sich schmückt und die Grazie entsteht.
Aber der ursprüngliche Sinn kann halsstarrig sein; die Überwindung er-
fordert eine harte Gewalt, aus ihr sich zu reißen und in die Region des Geisti-
gen zu gelangen, wodurch härtere Formen, nicht der Schönheit, sondern der
Härte entstehen. Aus dem Herausreißen der Widerspenstigkeit geht266 man mit
bleibenden Wunden, und so entstehen zwei Hauptbestimmungen bei diesen
Kämpfen. Schönheit und Härte.
Der zuerst genannte Ausgangs punkt kann in der
Italienischen Kunst der Malerei
vorwaltend gefunden werden. Der andere kann in der
Deutschen Kunst der Malerei
gefunden werden.
Bei der italienischen Kunst stellen wir uns nun leicht vor die natürliche
Schönheit und Reinheit des Sinnes und Heiterkeit des Gemüthes, und schöne
ihm entsprechende Formen, Unschuld, Grazie, Adel, Feinheit des Geistes, Un-
befangenheit und Naivität, so daß ein solches schönes Naturell, wenn es er-
[111]höht wird zur Geistigkeit und Seligkeit, ein Harmonisches in sich ist. Eine
natürliche Schönheit oder eine durch Frömmigkeit erworbene Geistigkeit kann
in solchem Naturell liegen. Ein müheloser Weg stand zum seeligen Leben hier
offen. Der tiefere Kampf erscheint, jedoch ohne Widerspenstigkeit, ohne Schmerz,
und alles hat in den reinen Regionen des Glaubens seinen Conzentrirpunkt. Einen
ideal bleibenden Übergang sehen wir. Eigensucht und Härte kämpfen nicht da-
gegen. Deßhalb entstehen keine ideellen Wunden, sondern mehr Schwärmerei
im abstrakten Innern. Dieser Charakter liegt im altitalienischen. Dieser Charakter
ist im vorigen Jahrhundert verachtet worden; man glaubte darüber erhaben zu
sein, es besser machen zu können; aber in neuerer Zeit ist die Reinheit der Un-
schuld in der altitalienischen Schule anerkannt, und einfache Anmuth bei Man-
gel der Kunstbildung anerkannt und geschätzt. Leonardo da Vinci und andere
haben diese vollendet; nach ihnen verminderte sich jene immer mehr.
Nach den ersten Versuchen der Barbarei ist Künstlicheres der Nachah-
mung des Byzantinischen gebildet worden.cccxxvi Bei den Griechen blieb Kunst
übrig, und die alte Tradition war noch immer erhalten. Die Bilderstürmerei hat
vieles vernichtet; nachher trat die Verehrung der Heiligen wieder vor. Eine
bessere Technik trat ein; Stellung, Gewänder, Gesichtsformen haben einen ei-
genen Charakter. So geistlos die [Orientierung der] Malerei an den Byzantinern
ist, so sind doch die Formen nicht zu verkennen. Die Ausführung war geistlos,
handwerksmäßig. In Griechenland blieb die Tradition in Ansehung des Techni-
schen; aber der Geist verschwand. Der italienische Aufschwung war lebendig
und geistvoll. Man ging von den Typen des Byzantinischen aus, wo man kei-
nen großen Umfang in Beziehung auf Gegenstände hat. Mehr protestantische
Vorstellungen sind gebildet worden. Die Jungfrau ward noch nicht gemalt.
Man brachte in den Leib Verstand und Leben. Der Schüler konnte beim Kopi-
ren vieles nicht verstehen vom Original; vieles erschien unerklärlich für ihn.
Der Schatten und Licht ist ihm auf unerklärliche Weise hineingebracht, aber er
kopirt alles ohne Verstand; ebenso ging es mit dem mechanischen Begreifen
der alten Kunst im Byzantinischen Treiben; man machte alles mechanisch nach
und entstellt es, so daß in der Kopie all mählich der größte Unsinn und Wider-
natürliches zum Vorschein kommt. So ging es damals auch mit der Kunst; erst
nach der Byzantinischen Zeit verglich man die Kopie mit dem natürlichen Ori-
ginal im Leben, und lernte das Charakteristische verstehen und kennen in der
alten Kunst, und das falsch kopierte in der Byzantinischen Kunst. Derjenige,
der die Kunst befreite[,] ist Ghiotto.cccxxvii Man überzog die Gemälde früher mit
Wachs und gab ein gelbliches Ansehen dem Gemälde. Andere Mittel fand Ghi-
otto, so daß seine Gemälde schon äußerlich zu erkennen sind. Seine Stoffe sind
faltigkeit und Lebendigkeit und Ausdruck des Fleisches; durch Gelblich braun
sind die Züge unterschieden. Licht und Schatten, worin Corregiocccxxix der größ-
te Meister, waren noch nicht erfunden, wie auch die Kunst der Perspektive. Die
Figuren sind mager. In der Einförmigkeit der Gruppen erblickt man mehrere
Momente, mehrere Handlungen und Geschichten auf einem Gemälde. Klein,
hölzern, eckig, falschgebrochen sind die Falten; aber die Tiefe der Frömmig-
keit läßt sich nicht darin verkennen. Ist man auch zu größerer Innigkeit gelangt,
so hat man große Reinheit des Gemüthes nicht mehr gefunden. Auch weiß man
von den Malern der Zeit, daß sie die größten und frömmsten Männer gewesen
sind, daß sie nicht malten, ohne vorher gebetet zu haben, und daß sie in Thrä-
nen gebadet, die Gemälde angefertigt [haben]. Die Gewißheit des Glaubens ist
gewiß in den Gemälden zu erkennen. | [113]
Von dieser Stufe reiner Innigkeit und Frömmigkeit ging die Kunst zu
größerer Ausbreitung mit ihrem Gegenstand über das Heilige, der Wirklichkeit
sich nähernd, so daß Menschen der Gegenwart sich nicht entfernten, [sie] wur-
den mit der Kunst in die Gegenwart hineingezogen. Das frohe, kraftvolle auf
sich selbst beruhende Leben der Bürger mit ihrer Betriebsamkeit, das Geistrei-
che ihrer Lebensheiterkeit, das Wohlergehen mit der Gegenwart, war ein Zug
der Empfindung, der sich der Kunst bemächtigt hat. Dieses wiedererwachende
Wohlgefallen der Menschen an ihrer Tugend, diese Versöhnung mit der Wirk-
lichkeit ist auch in den Geist268 der Kunst eingetreten. Die Kunst hat nun die
große Freiheit[,] sich Hintergründe zu machen, Teppiche mit in ihre Gemälde
zu ziehen, und überhaupt das Äußerliche damit zu verbinden. Bildnisse und
Portraits von großen Männern wurden Gegenstand der Kunst. Das Landschaft-
liche, Anlagen von Kirchen, Pallästen, Architekturwerke wurden nicht ver-
nachläßigt, wie auch nicht die häuslichen Gegenstände. Eine geistvolle Auf-
gabe entstand nun. Freilich wurde die innige Frömmigkeit der vorigen Periode
durch diese Gegenstände ein wenig gemindert. Jedoch bedurfte die Kunst die-
ser Momente, um zu ihrem Gipfel zu gelangen: Alles, Farbe, Stellung, wurde
nun Leben, nicht ein bloßes Gerüste; alles ist bezeichnend.
Raphael ist es, in dem die höchste Vollendung erscheint. Im Geiste des
Pietro Peruginocccxxx haben wir aus seiner Jugend viele Bilder gemalt, von hier
an zeigt sich das Streben zum Hohen. Die Versenktheit in seinen Gegenstand
und der Sinn der Lebendigkeit, ihn zu fassen, ausgedrückt wie die Natur sich
ausgedrückt [hat], waren die Mittel, durch die er stieg. Die frischeste Empfin-
dung mit der Lebendigkeit verbunden mit der großen Bewunderung der Antike,
die idealische Schönheit der Form brachten ihn zum Gipfel. Religiöse Strenge
und durchgebildete Lebendigkeit der Natur also. Daher der Reichthum des Le-
bens in seinen Figuren, aus denen erscheint, daß er alle seine Mittel gekannt;
die Magie des Helldunkels fehlt bei ihm; wie sie im Correggio sich zeigt, eben-
so auch die Schönheit der Farben ist nicht in der Reinheit wie bei dem Vene-
zianischen Meister. Die Härte, die bei ihm erscheint[, fehlt] auch, und [wird]
im Titiancccxxxi und Correggio verschwunden sein.
23/2
Die deutsche Malerei
Die Niederländer der ältern Zeit lernten wir erst seit 30 Jahren wieder schätzen;
so wie auch die oberdeutschen Künstler wie Dürer. Den Niederländern,
Eyk,cccxxxii wird die Erfindung der Oelmalerei zugeschrieben. Es ist diese der
wunderbare Fortschritt, den wir aus dem Italienischen vollständig verfolgen
können. Geschichtlich hat sie sich wenig aufbewahrt; auf einmal steht sie voll-
endet in ihrer Größe vor uns da; vortrefflicher kann man nicht malen als hier
geschehen; man machte mit der Vollendung den Anfang. Der ganze Reichthum
der Malerei auch in der Umgebung, die dramatische Handlung, nicht die Ruhe
der Figuren, erscheint hier in Charakter und Bewegung; der Hintergrund, Ar-
chitektur, Krippe, Haus[,] Aussicht ins Landschaftliche, alles ist wie Teppiche
und Pracht der Kleidung in der höchsten Vollkommenheit. Die Malerei hat
noch keine Bildrahmen269 damals gehabt. Im Jahre 1432 hat van Eyk schon sei-
ne vollendeten Gemälde gemacht.cccxxxiii | [114]
Zufällige Wirklichkeit ist aber mehr als das Ideal im deutschen vorherr-
schend; dagegen das Erhabene, Hohe, Schöne im Ideal sich findet. Die Welt-
lichkeit erscheint dort; hier mehr durch Entfernung davon. Das Bild der Maria
ist freilich auch den deutschen gelungen, und vortreffliche Formen haben sie in
ihr aufgestellt, auch die Kinder sind schön; aber Trockenheit in dem Fleisch ist
ein Mangel; und fiele der Zug der Frömmigkeit von der Maria weg, so würde
das Geistreiche auch verschwinden in ihr; so daß die Frömmigkeit das Geistige
bei den Deutschen ersetzt. Die Gemälde dieser Zeit lassen in Zeichnung, Farbe,
Stellung Nichts zu wünschen über. Sieht man ein italienisches Bild dagegen, so
würde man doch von dem Idealen mehr angezogen, da dort das Schöngeistige
auch nicht fehlt.
Nachher ging man in das Unschöne, Affektvolle der Darstellung über,
wo jene stille Innigkeit und Frömmigkeit zurücktritt; rauh sind die Kriegs-
knechte um den Christus; scheußlich die Quäler der Märtyrer vorgestellt; die
Sinne sind270 mehr bewegt; und sieht man ein Gemälde aus dieser Zeit, so kann
man, weil auch die Technik nicht so vollkommen ist, verleitet werden, dieses
Rauhe als Anfang anzusehen. Häufig kommt es daher auch vor, daß man sich
so irrt. Die Feinheit in der Ausführung fehlt in diesen ebenfalls. In die Welt-
lichkeit und zum frohen Bürgerlichen traten nachher Italiener und Deutsche
ein, wo man durch die Kunst das Selbstgefühl als würdiges behandelt sieht.
Kolorit.
Es ist die Farbe, die den Maler zum Maler macht; das Zeichnen ist die Grund-
lage; deßhalb glauben viele, man könne dabei schon bleiben; aber zum Gemäl-
de gehört Kolorierung, die selbst Zeichnung wird. Sie ist das Farbige des
Ausdrucks; Zeichnung hat für sich großen Werth, und man sieht mit dem größ-
ten Vergnügen die Zeichnungen der größten Meister. Nicht das Mühsame be-
wunderte man, sondern die Fertigkeit der Hand, [in Bildern,] die so groß den
Ausdruck zu zeigen vermögen, und doch so leicht verfertigt sind. Den Einfall
des Augenblicks und augenblickliche Ausführung muß man darin bewundern;
aber das Ganze bringt nur die Farbe hervor. Die Venezianer und Niederländer
sind beide unter feuchtem Horizont Meister des Kolorits geworden. Das Trübe
und Graue des Hintergrundes hat auch dazu beigetragen, ihre Farben reiner zu
geben.
Dunkel und hell ist zuerst zu beachten, wo eins durch das andere unter- d 24/2
brochen wird. Alle Rundung, Hebung, Senkung, Entfernung gehört dazu und
das Wesentlichste der Erscheinung der Gestalt. Hinzu tritt die eigenthümliche
Färbung des besonderen Theils, so daß ein Theil mehr Farbe hat als ein ande-
rer, von den Lippen; wodurch ein Gegensatz eintritt in Ansehung der Färbung,
des Dunkeln und Hellen, die dem Theile spezifisch angehören, im Verhältniß
zur Gestalt. Die Lippen haben eine dunkele Farbe; zeichnet man eine Statue, so
sieht man auf das Verhältniß der Gestalt im Raume; wird das Licht darauf fal-
len, so hat die Gestalt eine andere Stellung271 als in dem Dunkel. Bei Zeichnun-
gen besonders entsteht das Mißverhältnis selbst leicht, besonders da bei der
Zeichnung die Rundung gegeben werden soll und die Lokalfarbe gegeben wer-
den soll: das Haar wird bei der Statuenabzeichnung nicht dunkler als das Ge-
sicht selbst, sondern nur durch die Stellung.
Die Farben selbst haben das Verhältniß der Dunkelheit und Helligkeit,
warme und kalte Farben; blau ist dunkler als gelb und roth. Dieses hängt mit
der Natur der Farbe zusammen. Das Dunkele wird durch das Licht gefärbt und
getrübt. Gelb geht in roth, blau in Purpur durch Erhellung über; grün ist neu-
tral. Diese Farben sind einfach, indem sie ein Scheinen des Hellen des Dunkeln
sind272, oder ein Scheinen des Dunkels in einem helleren Medium. Die andern
Farben sind solche, die in der Grundfarbe eine Schattierung erhalten, wie Vio-
lett. Die Wirkung der Farbe ist nun in Betracht zu ziehen vom Maler. Deßhalb
haben auch die Farben ein Symbolisches, das Blaue mit dem Dunkel ist das
Sanfte, Empfindungsvolle, wo die Farbe wenig Widerstand leistet; das Helle
widersteht und bestimmt sich als heiter; das Roth ist die Königin; das Grün ist
das anmuthige. Die Farben bilden nun einen Gesamtkreis, den man in einem
historischen Gemälde finden wird. | [116]
Alle Hauptfarben erscheinen nun auf einem Gemälde, Maria hat den
blauen, Joseph den rothen Mantel als bezeichnende Personen. Gelb, grün, vio-
lett wird an Nebenpersonen vertheilt, wie es die deutschen Maler wohl zu wäh-
len wußten, dagegen Raphael selbst nicht solche Farben nahm. Die Farben
müssen in Harmonie stehen, gleiche Härte im Hervortreten haben; bei schwa-
chem Kolorit ist die Disharmonie nicht auffallend. Schwaches Violett, schwa-
ches grün usw. sieht man so zusammen. Bei reinen Farben ist die Harmonie
schwer hervorzubringen. Die Farbe wirkt für sich und durch die benachbarten
Farben. Diese letzten Wirkungen haben die Künstler wohl kennen müssen, so
[entsteht] der Glanz des Atlas, Kupfers und Zinns auf den holländischen Ge-
mälden, wenn man nahe hinsieht, erblickt man nur graue Farbe in den goldenen
Borten, und im metallischen Glanze überhaupt eine einfache, gewöhnliche
Farbe ohne metallische Bestandtheile. Aber ihre Nachbarschaft wirkt so, daß
der Glanz hervorscheint. Die Luftperspektive affizirt den Farben ton; die Ath-
mosphäre selbst enthält einen eigenen Schein; die Entfernung aber dämmt die
Farben ab, so daß das Entferntere dunkeler, das Nahe heller und sichtbarer ist;
in der That aber wird das Entferntere heller, farblos, hellgrau, das Nahe aber,
der Vordergrund ist dunkel, wo die Bestimmung der Farbe am klarsten ist; das
Licht in der Nähe macht das Nahe jedoch heller; unbestimmt werden die Um-
risse durch die Entfernung, und deßhalb ist die Luftperspektive eine große
Kunst.
Die Bestimmtheit der Beleuchtung kommt noch von Außen hinzu. Das
Tageslicht ist zu verschiedenen Zeiten, Orten, bei Gewitter, Kerze, Mond,
Sonne, anders, und muß daher wohl unterschieden werden. Es muß nun eine
Einheit der Farben mit Einheit des Lichtes ins Auge kommen, sonst wird das
Gemälde unruhig. Schwierig ist es, beim Morgen, Abend, Gewitter das Vorü-
bergehende, Momentane festzuhalten.
Jeder Maler hat nun seine eigene Manier; eigenen Sinn für die Natur; hei-
ter und gesetzt usw. In der Farbe erscheint die Manier; jeder Maler hat anderes
Kolorit, so daß man dieses Kolorit für ein Subjektives ansehen kann, so daß ein
Solches nur aus Gewohnheit, nicht aus der Natur gekommen zu sein scheinen
kann. Aber das Kolorit ist in der Natur unendlich verschieden, und bei Gewitter
usw. erscheint der Gegenstand anders. Dieses muß der Künstler festhalten, sol-
che Modifikation der Färbung ziehen.
Das schwerste Kolorit ist die menschliche Fleischfarbe. Besonders hat
jeder Maler auch ein anderes Inkarnat, abgesehen vom Zustande der Leiden-
schaft. Oft sehen wir widernatürliche Fleischfarbe, die dennoch dem Beginn
und Elemente nach ihre Rechtfertigung haben.
25/2 Das menschliche Fleisch ist für sich selbst das, was in sich das Durch-
dringende aller Farben hat. Die Metalle glänzen, und sind bestimmt und fest; die
Blumen haben eine entschiedene Farbe; die Trauben haben schon mehr Durch-
scheinendes. Aber die Farbe ist doch nur etwas Festeres auf der Oberfläche.
Bei der thierischen Haut, Haaren und Gefieder ist eine Verschiedenheit an sich
vorhanden. | [117]
Bei der menschlichen Haut ist eine Ebene, aber ein für sich Duftiges, das
die Tiefe aller Farben in sich enthält und der Schein der Haut ein Resultat aller
Farben ist. Das Roth ist das Auffallendste; das reine Rosenroth ist das gesünde-
ste und schönste; aber das ist nur ein Anflug, ein Resultat, das zugleich als ein
Hervorgehendes sich zeigt; durch die Haut erscheint das arterielle Roth. Die
Haut selbst ist gelb, und die Streifen sind blau; diese drei Farben dringen sich
zu einem Glanzlosen; das frische Fleisch ist das Erstorbene (morbidezza) in
Bezug auf Glanz. Deßhalb erscheint ein Inkarnat bei einem Maler nach der
Wirkung mehr in einer als anderer Farbe. Dieses Duftige aber hervorzubringen
ist die größte Schwierigkeit. So Diderot über Malerei von Göthe: „Wer erst das
Gefühl des Fleisches hat, der ist weit gekommen“.cccxxxiv Es muß das Scheinende
des Fleisches auch zugleich das Durchscheinende sein. Man muß eine Durch-
sichtigkeit erreichen, was beim Glanze nicht nöthig ist.
Diese Magie des Scheins kann das Musikalische der Malerei genannt
werden, es ist eine Sichtbarkeit aus Reflexen, ein Scheinen aus einem andern
Scheinen. Sie wird befreit von dem äußerlich Objektiven. Das Sein geht in den
Schein über, und kündigt sich als ein Scheinen im Scheinen, und so geht das
Objektive ins Subjektive über. So gehen wir über zur
Musik
zur Subjektivität von dem äußerlichen Objektiven der Baukunst. Die räumli-
che, ruhende Äußerlichkeit, das Außer einander, indem es sich negirt und zum
Scheinen wird, geräth in Zittern, das seine Ruhe verändert. Die Idealität des
räumlichen Bestehens ist für das Gehör; die Künste sind nur für den theoreti-
schen nicht für den praktischen Sinn; die Kunst ist so für die Theorie, für das
begierdelose Anschauen; die theroretischen Sinne sind Gesicht und Gehör,
welche man die ideellen nennen kann, weil sie den Charakter der Räumlichkeit
verlieren und die Erscheinung des Bewegens ein unmittelbares Verschwinden
ist. Wir gehen zur273 Innerlichkeit über.
Ich bin mit dieser Kunst am wenigstens vertraut, weil das musikalische
Element etwas so Abstraktes ist, so daß, wenn zur Angabe des Bestimmten
fortgegangen werden soll, nur durch die technischen Angaben gesprochen
wird. Die Natur des Elements dieser Kunst und ihr Prinzip erfordert so die ab-
strakte Innerlichkeit und den Ton, weniger Bestimmtes, und geht man über, so
kommt man nur zu technischer Bestimmtheit.
Die anderen Künste kann man objektive Künste gegen die Musik nennen. d 26/2
Jene sind durch die Gestalt und Inhalt gebunden, von fester Bestimmtheit, Situ-
ation gehen Skulptur und Malerei aus: Die Formen der Gestalt sind vorhanden
und gegeben; den Charakter der Handlung haben sie zu individualisiren, aber
sie ist bestimmt vorhanden. Das Äußerliche ist ebenso gegeben; die Formen
sind fest zu fassen und zu idealisiren, aber sie sind Modelle, die modificirt
[werden] von außen durch [die] Idee; aber fest sind sie doch uns in der Be-
stimmung. Sie bringen das in der Vorstellung Eingehüllte zum äußern An-
schauen. | [118]
Aber die Musik hat auch ein Thema; aber sie arbeitet nicht vom Innern
heraus; sie verhält sich synthetisch; es ist ein Zurückgehen in die eigene Frei-
heit; man macht sich eine Erinnerung in sich selbst. Die Einheit ist zu konzen-
triren in andern Künsten, je mehr bestimmt das Werk wird, desto mehr ist die
Einheit verstärkt; die musikalische Ausbildung ist mehr ein Ausweiten, Entfer-
nen und ein zurückführen dieses Ausweitens zur Einheit; aber das Thema wird
nicht deutlicher, nicht explicirt; seine Bestimmung ist schon ausgesprochen im
Thema, und erschöpft; in den Gegensätzen wird es widerholt; aber zum Ver-
ständniß wird nicht weiter beigetragen durch Details.cccxxxv Die Musik hat das
Moment der subjektiven Freiheit, über das Thema hinauszureichen. Der Künst-
ler erinnert [sich] seiner Freiheit, er geht hin und zurück und treibt. Diese freie
Willkühr, Fantasien zu zeigen ist Zweck. Er kann bekannte Melodien verweben
und zum heterogenen fortschreiten274. Die Musik kann gehaltener ausgeführt
werden; es kann plastischer sein; aber von jenem Punkte aus, wo sich der
Künstler in Willkühr ergeht und sich unterbricht, fortwiegt, überschweift, geht
er doch immer aus und macht seine Subjektivität geltend. Soll der Künstler die
Natur studiren und ihre Formen, so hat die Musik nicht einen solchen Umfang
von Formen und solche Bestimmtheit vor sich. Die
hat diese Seite, daß eine gewisse Empfindung ausgesprochen ist, Freude, Lie-
be, Sehnsucht, Muth. Dieser Inhalt ist nicht der Musik eigenthümlich, sondern
das, was zu der elementarischen Macht der Musik gehört, muß in ihr liegen; es
ist die reine Innerlichkeit, das leere Ich selbst, das in sich sich vernimmt, nur
ein tönendes sich Vernehmen ohne bestimmten Inhalt. Diese Bewegung der
reinen Innerlichkeit des Ichs betrachtet, so bemächtigt sich die Musik der in-
nersten Tiefe des Innerlichen; versenkt man sich in die Malerei des Gemäldes,
so ist doch immer ein Äußerliches vor mir, ich mag mich noch so sehr in den
Geist vertiefen, so hält275 mich doch nur ein Äußeres. In der Musik hingegen
werde ich ganz fortgetragen, nicht mehr ein Ich gegen ein Objekt bin ich, nicht
mehr halte Ich mich für mich, mein Ich ist im Aussprechen ganz genommen.
Die reine Subjektivität ist versenkt. So bleibt Nichts für mich übrig gegen die
Erfüllung dieses Inhalts. Bin ich von einem Gemälde noch so sehr umfangen,
so bin Ich immer gegenüber einem Andern; in der Musik nicht; der Inhalt also
gehört dazu, das reine Tönen, die abstrakte Innerlichkeit; (die militärische Mu-
sik giebt nicht den Muth, wenn er nicht da ist, so fügt sie zu, wenn das Interes-
se des Inneren beschäftigt ist mit dem Angriff). Sie läßt so dem Subjekt keine
Freiheit. Weiß man nur von der Zeit, die leer ist, so hat man Langeweile, und
dieses Leere weiß sie durch die Anregung zu beschäftigen: die Macht der Musik
beruht also auf dem Gesagte[n].
Tönen.
Ein Erzittern ist das Tönen; eine Veränderung entsteht dadurch, in dem sich die
Subjektivität geltend machte.cccxxxvi Die Luft erzittert. Eine materielle Länge ist
es theils, und dann sind es Saiten: eine Fläche kann erzittern, wie das Fell,
Glocken, oder in einem Raume, Blasinstrumente. Es ist ein eigenes Bedürfniß,
in sofern die Längen erzittern, die uns ansprechen. Pauke, Glocke dienen weni-
ger zur Musik. Die Harmonika,cccxxxvii diese Fläche bewirkt nicht einen dauern-
den Beifall; sie kann auch nicht in Verbindung mit andern Instrumenten
gebracht werden. Ein concentus kann man in die Harmonika nicht hereinbrin-
gen. Viele Menschen bekommen Kopfweh dabei. Die einfache Innerlichkeit er-
fordert in sofern, daß sie ein Vernehmen ist, das Erzittern der Längen, der
Linie; das breite Tönen der Fläche, runden Fläche, ist physikalisch nicht ange-
messen der Kraft des Vernehmens.
Das Hauptinstrument ist die menschliche Stimme.cccxxxviii Die Luftsäule;
die Muskeln, Darmsaiten mit ihrem Erzittern liegen zusammen in der mensch-
lichen Stimme. Jedes Instrument hat einen eigenen Charakter; man hat sie in
neurer Zeit zum Zusammenstimmen gebracht, damit jedes in seiner Eigen-
thümlichkeit gehört und ein Magisches gebildet wird. Es ist als wenn ein Dia-
log in Mozartscccxxxix Symphonien entstünde in den beiden Instrumenten. Das
Hauptinstrument aber ist die menschliche Stimme. Sie wird von der Seele re-
giert. Sie hat die große Mannigfaltigkeit und Partikularität. Die ganz klare, ein-
fache italienische Stimme ist auch nur die Klare. Sie sollen ähnlich sein, aber
sie partikularisiren sich doch bei der Klarheit. Bei unreinen Stimmen hört man
daher Geräusch, als wenn eine Reibung, die sich hörbar macht, entsteht; es
muß aber ein reines Erzittern der Luftsäule durch die Kehle sein. Wird die
Kehle matt, so hört man die Reibung.
Der Takt ist der Begriff der Zeit, das Zeitmaaß. Wenn die Malerei und Skulptur
im Raume sind, so ist das Tönen in der Zeit; diese Äußerlichkeit ist aber nega-
tiv; es ist Etwas, was nicht mehr ist. Das äußerlich affirmative ist der Raum ne-
beneinander. Aber die Zeit ist nur durch das Verschwunden sein. Dieses hängt
mit dem Subjektiven zusammen und der abstrakten Innerlichkeit, welche ein-
fach ist. Das äußerliche kann daher nicht bestimmt sein darin. In die Zeit muß
nun das Maaß kommen; es kann das Tönen in der Zeit nicht unbestimmt fort-
gehen, wie es einige Musiker versucht haben; denn der Takt ist die Sammlung
des Ich in sich selbst, und gegen dieses abstrakte Fortgehen zwar. Dieses Flie-
ßen der Zeit ist ein gleichmäßiges Fortgehen einer Linie, eine hinausgehende,
verschwindende Äußerlichkeit. Die Innerlichkeit gegen das Leere des Fortge-
hens, die Bei sich selbst ist, und das Sammeln seiner selbst ist eine Unterbre-
chung des Fortgangs, die aber immer gleich ist; immer derselbe Abschnitt wird
wiederholt. Die gleiche Wiederholung befreit uns vom leeren Äußern; indem
ich mich selbst darin erkenne. | [120]
Musik und Architektur haben so Einheiten, die elementarisch sind, Ver-
standeseinheiten aus der Äußerlichkeit; eine innere Rückkehr ist die Gleichheit.
Das Natürliche hat keinen Takt, die Bewegung der himmlischen Körper ist
nicht gleichmäßig. Der Verstand thut so der Natur Gewalt an, und im Äußern
kann das nur Gleichförmigkeit sein. So die Gleichförmigkeit der Uhr. Das
Gleiche muß daher Ungleichheit in sich enthalten. Verschiedene Töne sind un-
gleich; einer wird eine längere, [ein] anderer kürzere Zeit gehalten; und in der
Ungleichheit kann doch Einheit herrschen. Einförmigkeit im Tönen ist kein
Takt. Ein Verhältniß von Länge und Kürze zu einer Einheit gerechnet, tritt nun
so ein. Ganze, halbe u.s.w. Takte entstehen nun.
Die verschiedene Theilbarkeit der Einheit und verschiedene Art der Be-
wegung machen den Rhythmus des Taktes aus. Jambisch und Trochäisch sind
dem Takt nach dieselben, der Rhythmus ist ein anderer. Vom Rhythmus des
Taktes ist der der Melodie verschieden. So halten auch im Hexameter die Wor-
te nicht mit dem Takt zusammen, das Abweichende beider Rhythmen ist das
Schöne in dem Silbenmaß und [der] Musik.
Die Silbenmaße können reine Rhythmen haben, und die Musik richtet
sich unbewußt in dem Rhythmus der Melodie danach. Der iambische Rhyth-
mus ist im Deutschen der Herrschende, eine langweilige Wiederholung: la lá la
lá, etc. Man macht den Franzosen den Vorwurf, daß sie nur auf die Anzahl der
Silben sehen. Es scheint uns Mangel an Gehör, obwohl auch da das Melodische
im Verschiedenen [ist], wenn auch nicht die Strenge des Silbenmaaßes. Wir
wollen stark angegriffen sein. Im Italienischen ist noch größer die Freiheit. Für
die deklamatorische Musik ist es ein Vortheil. Nimmt man lateinische Texte,
so sind sie frei vom Rhythmus des Silbenmaaßes. Eine Gebundenheit und gro-
be Wiederkehr wie bei uns ist da nicht vorhanden. In der Musik wird man auch
so von tiefern zu276 höhern Tönen übergegangen finden, wie im Händelschen
Messias, wo der Text aus dem Englischen auch noch die Befangenheit des
iambischen Rhythmus enthält.cccxl Die Händelsche Musik hat daher bei den Italie-
nern keine große Wirkung hervorgebracht; weil dieses Geheimnis des Rhyth-
mus dazu beigetragen hat. Für uns paßt dieser Rhythmus; er ist unserer Natur
gemäß. Befangenheit, Einförmigkeit fühlen wir nicht so.
Die elementare Bestimmung des Tons betrifft das Physikalische, das ob- 16/3
jektive Verhältniß des Tönens, abstrahirt von Subjektivität. Es ist dieses die
Harmonie; nach physikalischer Bestimmtheit ist es so die harmonische Be-
stimmtheit. Diese beruht auf Zahlenverhältnissen, [ist] also eine mechanische
Bestimmtheit. Das Tönen ist nun ein Erzittern eines elastischen Körpers einer
Länge. Saite und Luftsäule haben eine Länge, die schwingen kann277. Es kommt
nun auf die Dicke der Luftsäule auch an; und dann auf die Spannung. Pythago-
ras machte diese Entdeckung der drei Elemente.cccxli Es kommt darauf an, ob die
Länge mehr oder weniger Schwingungen macht. Ist sie länger, so ist die
Schwingung größer. Eine Schwingung macht eine octave. 5 Schwingungen
oder 4 Schwingungen des Grundtons machen die Terze. Ist die Schwingung
3:2, so entsteht die Quinte, und 4:3 macht die Quarte aus. So bestimmt das
Empfinden des Hörens das Verständnis der Zahlen. | [121]
Es ist nun ein wesentlicher Zusammenhang zwischen beiden. Man muß
nur die Empfindung vom objektiven Bewußtsein in der Empfindung unter-
scheiden. Einen Ton hören ist ein einfaches Empfinden; [ist] aber diese Emp-
findung gewußt, spricht sich das Verhältniß aus. Dieses hängt mit der Natur
des Begriffs zusammen. Es giebt ein Verhältniß vom Empfinden zum Denken.
In der Harmonie ist die Einheit; im Ton ist diese Harmonie nicht. Es ist die
Einheit also in der Mannigfaltigkeit bei der Harmonie.
Wo das Verhältniß der Zahlen selbst einfach ist, da ist am meisten Har-
monie.
Ein anderes Verhältniß ist das der Tonarten, von denen die Alten viel
sprechen, ionisch, lydisch, äolisch, dorisch.cccxlii Die phrygische ist als traurig
angegeben gegen die ionische. Die Alten haben nur 8 Töne gehabt. Von diesen
kann jeder zur Grundlage gemacht werden; im System dieser Töne ist eine
Verschiedenheit des Fortschreitens der Töne.
Hier ist die Hauptsache, von der Melodie zu sprechen, von der Höhe des Tö-
nens [und] der Empfindung. Wenn wir von natürlichen Tönen ausgehen, so ist
es uns bekannt, was wir interjection nennen. Ein Ton der Empfindung ist es.
Der Ausdruck durch den Ton, der Schrei, hat noch Nichts Artikulirtes. Man
kann jedes Wort durch Schrei rufen, aber es ist noch nicht die Sprache und das
Zeichen einer Vorstellung zum Bewußtsein gebracht. Aber der natürliche Ton
ist noch nicht Musik, noch nicht die Kunst. Die Musik erregt Empfindung, aber
diese wird schön, indem sie in ein bestimmtes Verhältniß gebracht wird, und
das Tönen zum Gegenstand gemacht wird; das gebildete Tönen ist die Melodie,
Die Kunstkenntniß.
Die deklamatorische Musik, Musik, die einen Text hat, Gedichte oder Worte,
in denen sich Reichthum der Vorstellung ausdrückt, wo das Empfinden zur
Vorstellung übergeht, und wodurch sich überhaupt das Empfinden des Men-
schen von dem der Thiere unterscheidet. Bei den Gedichten kann das Melodi-
sche vorherrschend sein; jedes Lied hat ein ganzes von Stimmungen, so wie
eine Landschaft einen Ton hat; so ist ein Lied im Ganzen Ein Ton; jeder Vers
hat aber doch ein Verschiedenes im Ausdruck. Ein Lied kann nun so gebildet
werden, daß das ganze besonders angemessen ist den Versen. Der Sinn schränkt
sich ein für den Ton; Sinn und Worte sind nicht überwiegend, nur die Melodie.
Es giebt Verse, wo jeder eine andere Stimmung hat, andere Empfindungen, als
dann ist die Musik nicht am Platze, so wie man auch nicht das metrum immer
fort so ändert. Die Musik wird hier ein Begleitendes, wie die höchsten Gattun-
gen der Musik. Die alte Musik war so begleitend. Die Kirchengebete machen
bei der Kirchenmusik Gelegenheit zur Musik. Bei den Protestanten sind die
Choräle Hauptsache, deren Kirchenmusik mehr Zustimmung und Vergnügen
als Gottesdienst in den Oratorien ist.cccxliii | [123]
Die Musik ist auch Drama in der Oper, deren Unterhaltung Vermischung
von Heterogenem der Prosa und Musik ist, und deßhalb ohne Verstand ist; un-
natürlich nennt man sie sonst; aber unnatürlicher ist es noch, einen Helden im-
mer fort in der Oper singen zu hören. Aber hier sind wir einmal aus der Prosa
herausgegangen und zur Kunstwelt emporgehoben. In der Vermischung aber
ist nur dann eine Rechtfertigung möglich, wenn die Vermischung eine Ironie
auf sich selbst ist, wie in der französischen guten Operette. Es ist ein sich selbst
Parodirendes. Der Text soll hier aber und Sinn vernommen werden, und die
Musik ist nur begleitend; ein Anflug vom Komischen erscheint nun. Ist aber
Ernst darin, so ist die Vermischung geschmacklos.cccxliv
Der Text muß einen guten Inhalt haben, wenn die große Würze ange- 18/3
bracht sein soll; aus einer gebratenen Katze kann man keinen Hasen schaffen,
man mag sie noch so bespecken. Bei der melodischen Musik ist der Text gleich-
gültig, aber der Inhalt muß doch immer dasein. Ein guter musikalischer Text
darf nicht ein Triviales sein, wie wir es in alten deutschen Operetten haben;
aber er muß auch nicht zu gedankenschwer [sein]; ein Pathos von Schiller, das
Schicksalbestimmende ist für die Vorstellung zu überwältigend, wie Sophokle-
ische Chöre, so daß man sie zur Musik gebrauchen kann; sie sind zu ausgear-
beitet, so daß der guten Vorstellung Nichts übrig bleibt, um noch damit zu
spielen, und in besonderer Bewegung sich zu ergehen. Romantischer Inhalt der
Texte ist die reflektirende Poesie, sie soll Volkspoesie sein, und naiv, aber es
ist eine Naivität, die sich auf Gemeinheit Etwas zu Gute thut. Reine Empfin-
dungen sind nicht darin herrschend, sondern eine Erzwungene Reflexion über
die Empfindung. Schönthuerei liegt mehr als Durchdringendes in diesem Ge-
schen. Inhalt ist uns bekannt oder unbekannt; kennen wir ihn, sind wir nicht
mehr gespannt; wir können nun nicht mehr gleich aufpassen, und reißen uns
von dem Inhalte los, der nicht musikalisch ist.
Die Form der Instrumentalmusik ist eine andere. Text bindet nicht mehr
und der Compositeur kann ganz seine Willkühr zeigen, er ist ganz unabhängig;
und sein Genie, der Reichthum seiner Motive und harmonischer Kunst entfaltet
sich ohne objektive Grundlage; eine fortwährende Aufgabe und Versuch[,] ei-
nen Inhalt zu erhaschen[,] zeigt sich und wird unterbrochen. Das Objektive der
Melodie ist kein Hinderniß mehr. Solche Musik, wenn sie nicht ganz beschäf-
tigt, erregt leicht eine Träumerei des Zuhörers, seiner eigenen Gefühle. Nicht
mehr die Musik erfüllt ihn und interessirt. Eine solche Musik kann auch gar
Nichts selbst ausdrücken zuweilen, und ist nur begleitend, wie beim Gottes-
dienst. Die Andacht beschäftigt, und das Tönen ist ein vorbeigehendes Ver-
klingen. Deßhalb soll die Musik in der Kirche nicht zu ausgearbeitet, sondern
einfach sein, um nicht die Andacht zu stören, wie auch die einfachsten Bilder
am besten die Andacht erhöhen können. Man darf daher solche Musik nicht
aus dem Umfange ihrer Wirklichkeit herausgerissen beurtheilen.
Spricht sich nun die Subjektivität am meisten in der Instrumentalmusik
aus, so ist noch eine andere Subjektivität im Ausüben der Kunst zu bemerken.
Bei der Skulptur verschwindet der Künstler ganz; nicht so bei der Musik; der Stein
ist das Bild in der Ruhe, und so wie der Dichter beim Epos, so verschwindet
hier der Künstler, und erscheint nur wie der Rhapsode beim Epos, der auf sein
Tönen nicht die Aufmerksamkeit zieht. | [125]
Der ausübende Künstler kann ebenso zum Handwerker heruntersinken,
und wird als gehorchend angesehen, der seine Lektion vorträgt. Der Vortrag
kann aber auch seelenvoll sein, so daß der Künstler ruhig ist, und bereith für
die Ausführung ist, er hört auf seinen Vortrag. Der geniale Künstler geräth leicht
dahin[,] in der Exekution als selbst komponirend zu erscheinen, wie es Rossi-
nicccli dem Künstler leicht279 gemacht hat, selbst sich zu zeigen. Ein melodisches
Ergehen zeigt sich dann auch in der Melodie280 besonders; ist so die Freiheit des
Sängers überwiegend, so hat man das künstlerische Wirken vor sich; das Pro-
duzirende selbst interessirt dann in der lebendigen Gegenwart; alles Bedingen-
de ist verschwunden, wie die Bedingung der Kirche und des Inhalts der
dramatischen Musik. Die gegenwärtige Seele läßt des Textes entbehren. Eben-
so kann es bei anderen Instrumenten als Sachen sich zeigen, wo die Existenz
nicht mehr herrscht.ccclii In der Virtuosität verliert das Instrument sein Recht als
Sache, es wird Organ des Künstlers, das Genie zeigt seine Meisterschaft über
das Äußere und innere ungebundene Freiheit. Das Momentane beweist die
Willkühr, melodisch fortzugehen, humoristisch sich zu unterbrechen, und auch
innerlich seine Freiheit über das Instrument darzuthun. Der Künstler kann aus
einem beschränkten Instrument, wie Violine, ein großes machen, den Charakter
überwinden281, und die Mannigfaltigkeit von Klangarten anderer Instrumente
hervorbringen.cccliii Wir haben jetzt das wundervolle Geheimniß vor den Ohren,
daß ein solches Instrument zu einem selbstlosen, beseelten Organ geworden
[ist], und das innerliche Produziren der genialen Phantasie wie in keiner andern
Kunst.
20/3 Wir gehen zum Tönen fort, als Zeichen der Vorstellung, zur redenden
Kunst.
Das Tönen ist für sich inhaltslos; bestimmt es sich zum Wort, so wird es Aus-
druck der Vorstellung; die Architektur verlangt einen Gott und Gemeinde; das
Abstrakte Tönen der Musik verlangt einen Text für [die] Vorstellung; die re-
dende Kunst ist die 3te zu dieser. Sie hat Inhalt und Bestimmtheit der Gestal-
tung von der Skulptur genommen, und das Tönen des sich selbst Vernehmens
aus der Musik genommen. Fängt man von der Poesie zu sprechen an, und ist
noch nicht von Inhalt und Weise der Kunst gesprochen, so ist die Schwierig-
keit, zu sagen, was Poesie sei. Will man eine Definition geben von [der] Indi-
vidualität einer Gattung, indem man282 von dem individuellen Produkt ausgeht,
so ist [es] schwierig, ein Allgemeines zu sagen, in dem alles enthalten ist. So
[ist es schwierig] auch in Gedichten, wenn sie solche sind, die Erklärung von
Poesie zu geben. Denn nicht alle Gedichte sind solche; wir gehen nach dem
Vorhandenen, was man als Poesie ansieht, zur Erklärung gewöhnlich; aber der
Begriff der Poesie ist für sich anzugeben, und dieser Aufgabe sind wir überho-
ben, da wir nur von Schönem überhaupt gesprochen haben. Spricht man nun
von Poesie, von der Verschiedenheit von der Prosa, so müßte alles, was vom
Ideal gesagt ist, wiederholt werden. Das Geistige soll schön zum Bewußtsein
gebracht werden. | [126]
Nicht das Natürliche, Landschaft und Berge, Gesetze der Bewegung,
Adern und Farben können nur Gegenstände der Poesie sein, wenn sie nicht als
Umgebendes der Empfindung dargestellt werden. Das Geistige des Inhalts soll
nicht prosaisch, sondern poetisch, idealisch, wie schon früher gesagt[,] dargestellt
sein. Es muß eine geschlossene Gestaltung sein mit mannigfachen Beziehun-
gen und Handlungen. Alles muß sich als bewegt, seinem substanziellen Wesen
gemäß283 zeigen nur einem Innern. Der unendliche Reichthum steht in einem
verständigen Zusammenhang, sowie Mittel zum Zweck, nach Äußerlichem und
Endlichem in der Prosa; jede Sache steht als besondere für sich vor einem an-
dern da. Vom Inneren heraus geht das, was idealisch ist. Nach endlichen Ursa-
chen geht alles Prosaische, so auch der prosaische Gedanke; aber die Äußer-
lichkeit muß einen verständigen, mächtigen, von Zwecken aus determinirten
Grund haben. Ausgeschlossen ist deßhalb die Form der gesetzlichen Wissen-
schaft; das Allgemeine muß [sich] besondern, indem es auf individuelle Weise
von einem gewünscht ist. Die Anfänge der Poesie müssen daher wohl getrennt
werden von dem Folgenden.
Älter ist die Poesie als Prosa. Der Mensch wurde poetisch, indem er sich
aussprechen wollte; in der Prosa ist die Sache der Zweck und Interesse; in der
Poesie ist die Sache nicht so zum Zwecke, nur das Selbst. Das Gesprochene ist
nur da, um gesprochen zu sein in der Poesie; im Herodot finden wir einige In-
schriften in Distichen; der Inhalt ist prosaisch; aber [das] Interesse ist [die] In-
schrift, das Gesagte für die Nachwelt, daß man es wisse; der Ausdruck wird ein
gebildeter und poetisch; der Inhalt kann ganz einfach sein. Die Inschriften bei
Thermopylae:cccliv hier haben 300 Myriaden gegen 4000 Peloponnesier gefoch-
ten;ccclv ebenso ist im Homer alles einfach, das Wort als solches, nicht metapho-
risch, gesagt. Das Wort ist aber von solcher Würde, daß es zum musikalischen
sich hin neigt; aber dieses machen des Wortes (ðïéåéí), dieser einfache Inhalt
ist ðïéçóéò. Gegenüber der Prosa284, die nicht mehr für sich spricht, ist so die
Poesie.
Die Poesie ist die Kunst von weitestem Umfang. Ihr Element ist das
Wort. Das Reich der Vorstellung ist das reichste, und dieses ist darin aus-
gedrückt, und deßhalb ist diese Rede das Allerumfassendste. Dieses Bildsame
Wort, dem Geiste angeeignet, das seine Interessen ausdrückt, ist mehr als der
Stein, Farbe, geeignet, ihn in allen seinen Bewegungen fassen zu können. Alle
Empfindung, Leidenschaft, Mächte des geistigen Lebens sollen285 zum Bewußt-
sein gebracht werden, und sind286 Inhalt der Poesie. Sie ist die erste, ausgebrei-
teste Lehrerin der Menschheit gewesen, und ist es noch. Das Lernen ist, um uns
bewußt zu werden; wir müssen unsere Mächte und Kräfte wissen, und dieses
Wissen in der substanziellen Form zeigt uns die Poesie.
Des Menschen Geist ist mannigfaltig, national. Indem die Poesie nicht
die [wie] Wissenschaft Allgemein, sondern Bildlich individuell [ist] und [uns]
das Allgemeine vorstellt, so ist sie national, und orientalisch, deutsch, italie-
nisch u.s.w. sind verschieden. Zu gewissen Zeiten ist die Poesie anders; die
Poesie ist also national und temporär. Die Empfindungsweisen sind nationell
und temporär partikularisirt. Die morgenländischen Verhältnisse sind ihrer Na-
tur nach poetischer als die des Abendlandes. Das substantielle Unzersplitterte
ist dort Hauptsache und poetisch. | [127]
eines Wortes, die die wesentliche Bedeutung hat, hat den Akzent, so daß wir
den Akzent für Länge nehmen. Die Länge einer Silbe besteht im Verweilen auf
diesem Tone, und [ist] auch dadurch bestimmt, um wie lange es dauert, um
zum nächsten Vokal überzugehen. Bei den Alten ist dieses ein Hauptpunkt, das
Schwerdt, man verweilt länger auf a, indem man aus Schwert das zumachen
hat, | [128] um zu e zu kommen. Darauf nehmen wir aber keine Rücksicht. In
Geschichten machen wir doch genau das. Bei den Alten ist das längere oder
kürzere Klingen Hauptsache. Bei uns ist aber der Sinn das Hauptmoment.
Indem bei uns der Akzent gilt, ist eine Folge der Art, wie zu der Haupt-
bedeutung der Modifikationen zurückgeführt wird; bei uns ist das Substanzielle
in dem Stamm selbst liegend herausgehoben; bei den Alten bleibt dieses nicht
so herausgehoben, und das Ohr muß auch auf das andere hören.
So ist der Rhythmus bei den Alten überwiegend, das Lauschen auf Län-
gen und Kürzen hat Übergewicht; unser Ernst bleibt bei der Hauptsache dem
Stamm selbst stehen. So wird der Reim herbeigebracht. Die Längen und Kür-
zen ziehen nicht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Ein Wohltönen muß in das
Tönen hineinkommen, wenn das Tönen wohlig genug sein soll, um uns auf
sich zu ziehen. Das ist der Reim; es ist ein plumpes Klingen gegen den zarten
Rhythmus diese Wiederholung, diese Gleichheit ist so stark, daß man es hören
muß; dagegen das rhythmische Wohlklingen beruht nur auf dem Verhältniß des
Verweilens und auf der Aufmerksamkeit auf dieses Verhältniß. In dieser Rück-
sicht kann man bemerken, daß man bei den Arabern den Reim zuerst suchte;
aber der Reim hängt mit unserer tiefen Innerlichkeit, [in]dem die Bedeutung
mehr als das Klingen Haupsache ist, zusammen. Die christliche Religion und
[die] nordische Region haben den ernsthaften Ernst erhalten und Tiefe, Gleich-
gültigkeit gegen das Sinnliche. Geschichtlich kann man nicht zeigen, daß unser
Reim von den Arabern aufgenommen sei. Der Reim ist in der christlichen Kir-
che älter als die Bekanntschaft mit arabischer Poesie, die selbst sehr alt ist.
Vom heiligen Ambrosius hat man noch einen gereimten Hymnus (370 n. Chr)
in lateinischer Sprache.ccclix Augustin hat einen gereimten Gesang geschrie-
ben.ccclx Der Reim hat sich also gleich in der christlichen Kirche eingefunden.
Bei den Römern findet man auch Reime, die aber zufällig sind, zuweilen auch
mit Absicht, so Ovid/Metamorphosen, 14.
Voss hat in die Versmaße auch Takt hineinbringen wollen wie in die Mu-
sik,ccclxi
aber dann hat er Gewalt dem Vers angethan. Der Takt ist in der Versla-
ge nicht so wesentlich wie in der Musik.
Man hat 3 Formen, episch, lyrisch und dramatisch; die epische Poesie hat die
geistige Welt zum Stoff in Wirkungen und Leidenschaften. Menschen und Göt-
ter bestimmen das Handeln, das so ist, daß es als Begebenheit erscheint, und
die Thaten auch von Äußerlichem herbeigeführt werden. Das fatum waltet
ebenso wie der Wille des Menschen. Zu göttlichen Mächten wird der Mensch
zwar; aber eine äußerlich feindliche Macht steht ihm entgegen, so daß das
Ganze Begebenheit ist. Die Sache, die geschieht, ist hier Hauptsache. Der vor-
tragende Sänger tritt zurück. Nie spricht Homer von sich. Die Sache schreitet
fort und ist nur ein Besprochenes. Der belebte Sänger, seine Subjektivität er-
scheint im Lyrischen, und sein Inneres vorgebracht290 ist Hauptsache. Die ei-
gentliche Handlung ist das dritte, das nicht bloß sich darstellt, sondern auch
etwas hervorbringt. | [129]
Welt als vergehend wird hier vorgestellt. Das Subjekt stellt sich in der Lyrik
vor. Beides vereinigt zeigt sich im Drama. Die Empfindung ist hier ein Wol-
len[,] ein Vollbringen durch den Willen. Eine Handlung ist hier auch, aber
durch den subjektiven Charakter ausgeführt und gewollt. Es ist die geistige
Bewegung, die hier sich ausspricht und zugleich wirkt. Im Epos ist das Fatum,
ein Objektives das Einwirkende und also ein Zufälliges; aber im Drama ist ein
subjektives Wollen zur Handlung gebracht.
Im Drama sprechen sich Personen, die auftreten, durch ihre Gebärden
aus, so daß ein Äußerliches noch zur 3ten Weise zukommt. Nichts dergleichen
erscheint bei Lyrik und Epos. Das Drama scheint so von anderer Art zu sein.
Die Poesie ist tönend, sie soll nicht gesehen werden durch Lesen; wenn es ge-
sprochen [wird], muß ein Lyrisches durch einen Menschen da sein. Der
Rhapsode thut es als Maschiene beim Epos, welches Gedicht nicht gesehen
wird, und deßhalb, da der Dichter verschwindet, gleichförmig gesprochen wer-
den mußte. Deßhalb waren auch die Rhapsodenccclxii eben nicht geachtete Leute.
Das Lyrische soll nicht bloß gesprochen, sondern mit Modulation gesungen
werden; hier muß die Empfindung so vortreten, da das abstrakte Empfinden
seine Äußerlichkeit hat, im Musikalischen; der Sänger giebt sich kund. Pindar
wurde zum Besingen gerufen. Das Drama muß auch gesprochen werden, aber
so, daß es auf Vorstellung und Willen der Zuhörer wirkt, indem so das Spre-
chen wirksam sein soll, muß sich die Geberde daran anschließen. Diese Geber-
de ist so gut als die Sprache; und die Pantomime, die so ausdrucksvoll ist, daß
sie des Sprechens entbehren kann, und der Tanz sind so die höchsten künstle-
risch ausgebildeten Gebärden. Eine lebendige Person tritt jetzt auf, einmal
gleich dem ruhigen Skulpturwerk; die höchste Beseelung des Kunstwerks ist
das Drama, das Material ist der Mensch.
Epos
heißt das Wort, das Aussprechen, was die Sache ist. Es ist das Epos auch das
Wort êáô åîï÷çí, indem das Wort als Hauptinteresse angesehen wird. Der
Mensch spricht erst von der Sache, dann von seiner Ansicht und Gefühl, deß-
halb ist es291 früher als das Lyrische. Das Epos fängt insofern mit dem Epi-
gramm an, mit der Aufschrift, welche den Zweck anzeigt und die Sache erklärt,
die Säule z. B. Die Vorstellung der Sache giebt das Epos dann, sie stellt uns
Person und Sachen vor. Sittensprüche, Pflichten sind, und stärker noch als die
sinnlichen Dinge, fester als die Sonne. Die Pflicht ist das engste Verhältniß der
Menschen, und deßhalb die Gnomen episch sind, insofern sie aussprechen, was
der wollende Geist ist. Solche Gnomen unter dem Titel der goldenenen Sprü-
che haben wir so von Pythagorasccclxiii und Solon.ccclxiv Das erste Philosophiren
spricht aus, wie die Natur ist in ihrem Wesen, und so sind die Lehrgedichte
episch, sie lehren was ist, nicht bloß aus Willkühr. Die Zwitterarten beachten
wir nicht.
Der Hauptgegenstand des Epos ist eine Begebenheit einer Handlung, die
umfassendes und großes Interesse erregend ist; es ist eine Handlung, und ein
Zweck ausgeführt, nicht die Geschichte eines Landes und Staates; denn diese
haben schon ein Individuum an der Spitze. | [130]
Die Biographie ist der Verlauf, den ein Individuum nimmt, [sie] ist aus
vielen Interessen zusammengesetzt, deren292 Inhalt nur durch das Individuum
erblickt wird, ist zwar ein Ganzes des Individuums, aber die Handlung hat ein
bestimmtes Interesse.
Solche Handlung kann enger zusammengezogen sein, und das sind die
Romanzen der Spanier, ein Bild einer vereinzelten Handlung, und wird das In-
dividuum mehr zum Hauptsubjekt, so nähert es sich dem Lyrischen; ein Basre-
lief bewegt sich vor uns in ruhigem Fortschreiten; das Hauptinteresse ist nicht
dramatisch, sondern das Vorgehende ist die Hauptsache, nicht der Zweck des
Vorgehens; die einzelnen Bilder sollen uns beschäftigen. Ein Ganzes ist das
Drama, aber nur ein Loses; so hat [es] ein Vor und Schluß; aber mit dem
Schluß ist das Vorgehende noch nicht zu Ende. Die Iliade klagte man an, daß
sie ohne Ende sei, wie die cyklischen Gedichte; auch innerhalb hat sie den lo-
sen Charakter; einzelne Bilder reihen sich aneinander; aber das ist der Charak-
ter des Epos, und dennoch ist die Iliade geschlossen. Für den Verstand könnte
beim Tode des Patroklus ein Ende sein; aber nothwendig knüpft sich daran die
ihm erwiesene Ehre in den Spielen.
Wenn man sagt, daß die Iliade von den Rhapsoden, von dem Volke ge-
macht sei, so ist da nicht mehr Einer der293 Dichter, aber das Gedichtete liegt in
dem Geiste des Volkes, und in sofern macht das Volk ein Gedicht. Göthe ist
deßhalb der große Dichter, weil er, Einer mit Genie, das Volk auszusprechen
wußte. Fortsetzen kann man ein Gedicht, wie einige294 Tausend von göthischen
und Schillerschen Gedichten als fortsetzend angesehen wurden, aber diese sind
ebensowenig von Schiller und Göthe, als die Cyklischen Gedichte von Homer.
25/3 Im Epos waltet das Schicksal; Fürstinnen werden zu Sklaven; Helden
werden zu Dienern von Zauberinnen, welche sie nur durch das Schicksal ge-
zwungen, entlassen. Im Schlafe kommt Ulyß zu Hause [an]; es ist seine That,
und auch nicht seine That. Schicksal ist es, daß der höchste des griechischen
Heeres, Achill, einem Obern untergeben ist, wie Herkules [als] ein Knecht für
den Ereustheus arbeiten muß. Was Achill thut, ist nicht dramatisch; er kann
nicht gegen Agamemnon handeln, zürnen kann er nur und sich zurückziehen;
ihn macht nur der Tod des Patroklus handeln.
Der Ton im Epos ist auch objektiv. So in dem Abschied des Hektor und
Andromache.ccclxv Ihre Vorstellungen, die sie ihm macht, sind nur objektiv.
Nicht die Empfindung und Leid, sondern der Zustand, in den sie versetzt wird,
wird nach des Hektors Tod hier ausgesprochen295. Sie erzählt die Geschiche
ausführlich, und ebenso antwortet ihr Hektor. Die Scham hält ihn zurück, nicht
seine Gesinnung, also der Umstand, nicht sein Wille. Nicht der Zorn und Ge-
müth gebieten ihm, sondern das Objektive der Pflicht.
Die Scene zwischen Montgomery und der Jungfrau von Orleansccclxvi ist
ebenso mehr episch als dramatisch, ein Vorwurf, den man Schiller gemacht
hat. Er spricht nur objektiv, und ebenso antwortet sie ihm. Der Ton ist auch
episch allerdings hier.
Der epische Charakter soll den Reichthum des Individuums haben,
menschliche Eigenschaften kommen nach allen Seiten zur Sprache und ent-
wickeln sich. Im Drama ist es ein Pathos, | [131] welches das Individuum
treibt. Der ganze Kreis der Mächte des Willens tritt296 in den Göttern dort auf;
im Drama ist es nicht so.
Ob die epischen Gedichte die ursprünglichen Gedichte sind, ist schon
früher gesagt. Der wahrhafte Boden für Poesie und ein Werk von objektivem
Charakter, ist die Heimath der Heroen selbst. Das Geschichtliche, das Prosai-
sche, Verständige ist noch nicht vorhanden. – Bearbeitet ein Dichter aus gebil-
detem Zeitalter einen epischen Stoff, so wird er einen Zweck wählen, wo der
Staat, Pflicht Recht, dem Wollen noch angehören. Aber der Sinn des Dichters
muß auch auf dieser Stufe stehen. Das Gedicht des Lucian aus Cäsars Zeit ist
nicht mehr aus einer poetischen Welt; und wäre es auch als eine solche Zeit,
wie bei Virgil, so daß der Geist des Dichters sich dorthin versetzten [kann] um
nicht zwei Dinge, den Dichter mit seiner Subjektivität, und die Zeit als objektiv
[zu] erblicken; die Götter werden nur Maschinerie bei ihm; sie unterhalten sich,
ernst reflektirend, und sind nur äußerlich. Bei Homer sind die Götter in ihrer
Inkonsequenz gelassen, und ein ironischer Charakter ist nicht zu verkennen;
Hephaistos und Aphrodite sind so belachenswerth; aber die virgilschen Götter
sind diplomatisch streng in ihrem Hasse. Das Opfer des Odysseus bei seinem
Eintritt in die Unterwelt läßt uns in Zweifel, ob es wirklich ist, und Schauder
erregt es uns; aber bei Virgil ist alles verständig nach den mythologischen
Compendien, und ein nicht jugendlicher Ernst waltet im Ganzen. Wenn der
Dichter einen prosaischen Gegenstand [aufgreift], den er selbst als solchen an-
erkennt, so werden wir ein Machwerk nur erhalten, es mag noch so viel Phan-
tasie aufgewandt sein. Klopstock hat mit einer mittelmäßigen Tiefe, und mit
der Orthodoxie seiner Zeit, aber mit Phantasie seinen Stoff erfaßt, aber sein
Werk ist auch so wie Miltonsccclxvii und Bodmersccclxviii Epen nur prosaisch. Die
Phantasie von Klopstock müssen wir bewundern, indem er sich in jene Ver-
hältnisse zu versetzen wußte; aber alles ist doch nur Erdichtung; man glaubt
nicht an die göttlichen Wesen, Engel; bei Homer glaubt man an die Pallas, Be-
sonnenheit, Mars, Krieg zwischen Trojanern und Griechen, ein durchaus Indi-
viduelles. Mächte stehen miteinander im Kampfe. – Klopstock ist stellenweise
wahrhaft zu bewundern; aber wir können uns nicht an seine Sagen nähern; er
ist nicht glaubhaft. Die Weise das Substanzielle zu fassen, und die besondere
Empfindungsweise behält jeder Mensch; kein Dichter unserer Zeit wird also
wahrhaft den Kampf der Troer schildern können. Aus den nationalen, originel-
len dichterischen Stoffen allein wird ein wahrhaftes Gedicht, in epischem Ge-
halte, gebaut werden können. Die Morgenländer haben mehr Anlage zu
epischen Gedichten als die Nordländer. In ihrer substanziellen Ansicht, wo das
Zertheilen ins Einzelne der Nordländer fehlt, bewegen sie sich in dem Panthei-
smus. | [132]
Epen haben wir von vielen Völkern; die Inder haben die Weltanschauung 26/3
in der höchsten und tiefsten Unbestimmtheit aller Gestalten in ihren Epen nie-
dergelegt; Abwesenheit sittlicher Forderung ist darin zu finden; poetisch ist das
Indische so an sich, daß es keine Prosa darin giebt; selbst die Macht ist poe-
tisch; aber Freiheit und Vernünftigkeit ist nicht Grundlage, und mit einer sol-
chen [Dichtung] können wir uns nicht vereinen. Nicht mehr so ursprünglich ist
ein anderes orientalisches Epos, das im 13. Jahrhundert geschrieben ist. In die-
sem hat Firdausiccclxix der Dichter die ältesten Traditionen von Feuer aber trübe
und verworren zum Grunde gelegt. Als Muhamedaner konnte er nicht in das
Persische eingehen. Bestimmtheit und Individualität der Gestalten fehlt auch
Lyrik.
Der Inhalt ist nicht das Seiende, was als Objektives vergeht nicht, sondern das
Subjektive mit seinen Affekten, in seiner Selbstständigkeit gegen alles Andere
erscheint hier, und dadurch wird alles durch Affekte erst poetisch. Die Befrie-
digung ist in der Fantasie zu suchen.
Sie ist die allgemeinste Poesie, die alle Dichter gebraucht haben; viele 27/3
Völker haben nicht Epos und Drama, aber Lieder sind das allgemeinste. Jeder
spricht seine Ansicht aus. Der Sänger tritt auf; Pindar hat zwar immer eine
Veranlassung gehabt; aber oft braucht man diese auch nicht; deßhalb sind die
Lyrischen Gedichte oft nur Gelegenheitsgedichte. Jedoch ist es der Sänger im-
mer, der sich über eine Veranlassung ausspricht. Der Gegenstand wird oft von
Pindar ganz ausgelassen, und das Große, Schöne, das Leben wird sein poeti-
scher Stoff.ccclxxx Klopstock fühlte so die selbstständige Würde eines lyrischen
Dichters. | [134]
Aber der lyrische Dichter gehört einer gewissen Zeit, Volke, Bildung an;
deßhalb sind die Interessen verschieden. Wir kennen indische, arabische, türki-
sche, eskimotische,299 Lieder, und die Neugriechen und Serwier und Molacken
können alles in Lieder bringen. Da der subjektive Ton so vorherrschend ist mit
der Partikularität des Dichters, so sind die Seiten der Lyrik selbst verschieden.
Beim Drama ist das allgemein Menschliche, das Objektive, was hervorstehen
soll, wenn es auch national ist.
Soll uns nun ein Lyrisches Gedicht interessieren, so muß das Volk, wo-
durch es kommt[,] Etwas uns Interessierendes haben; das Barbarische, Wilde
wird uns nicht interessiren. Die Serwischen Lieder, die von einer reaction der
Freiheit singen, haben einen wilden Charakter, etwas Rohes. Denn diese Reak-
tion ist nur ein persönliches, nicht allgemeines nationales Gefühl der Serwier;
deßhalb ist der Raub, der Mord eines Türken ein Stoff zu einem lyrischen Ge-
dicht, und überhaupt sind die Situationen dieser Gedichte gräulich und zurück-
stoßend. Südliche Gluth der Fantasie kann uns vortrefflich scheinen, aber ihre
Rhetorik ist unserer Empfindung nicht angemessen.
Das Lied will gesungen sein; die Silbenmaaße sind deßwegen von unend-
licher Mannigfaltigkeit; die Dithyrambe, Päanccclxxxi ist das Preisen eines Gottes
und überhaupt eines Gegenstandes, deren im alten Testamente die höchsten
und erhabensten sind, verschieden von den homerischen, die mehr episch, ob-
jektiv den Gott darstellen; ihnen nähern sich Rumis Hymnen,ccclxxxii welcher die
unendlichen Formen der Natur mit ihrer Pracht besingt. Das Subjekt spricht
sich aus, aber es geht aus sich hinaus, in den Versen, in den Jubel über das
Große und tiefe.
Eine zweite Form ist die Ode überhaupt, die nicht genau vom Päan sich
scheiden läßt. Was die pindarschen Oden betrifft, so sind es die ursprünglichen
Oden, denen die horazischenccclxxxiii und klopstockschenccclxxxiv sich nur angereiht
und nachgeahmt haben. Über einen gewichtigen Inhalt ergeht sich hier das
Subjekt; aber nicht episches Objekt ist der Inhalt, sondern das Gefühl und Fan-
tasie des Dichters und seine Reflexion. Über den Inhalt wird hier nicht der
Dichter Meister, er wird nicht frei von dem Subjektiven, und kann sich nicht in
das Objektive hinausschwingen. Ein objektives Bild kommt daher nicht zum
Vorschein, ein plastisches episches Bild. Das Eigenthümliche des Dichters im
Gegensatz zum Inhalt erscheint hier besonders. Pindars Helden sind nicht be-
rühmt [ge]worden; aber Achill ist durch Homer verherrlicht, denn dort stellte
der Dichter sein inneres Drängen und Treiben dar; er selbst wird hingerissen,
so daß er aber seine Besonnenheit behält; Horaz ist selbst kühl, und wir erken-
nen das Gemachte; gewisse Anstalten macht er immer, kommt er zur Sache ist
es aus, daran erkennen wir eben den Dichter, der nur sich darstellt. Klopstocks
nicht selbst tiefe aber empfindsame Eigenthümlichkeit ist in seinen Oden wohl
ausgesprochen; er wollte eine lyrische Poesie seinem Volk geben; seine Begei-
sterung für Deutschland ist groß, wiewohl nicht auf Tiefe beruhend. Der Jubel
der Thaten an Frankreichs Freiheit, und Empörung über die Gräuel dieses An-
fanges ist wohl zu erkennen. | [135] Das Ganze eines Individuums, wie Klop-
stock von seinen früheren Jahren an bis zu seinem Alter, ist selbst merkwürdig.
Das Lied selbst ist eigentlich zum Singen bestimmt, und hier ist der ge-
dankentiefe Inhalt nicht nöthig; deßhalb sind die schillerschen Gedichte zum
Singen nicht passend, sie sind zu schwer für die Komponisten; man hat viele
Lieder. Anfangs wollte jeder etwas Großes, Tiefes machen; aber bald bei der
großen Bildung bildeten sich auch die Lieder, die anfangs selbst schal und
kahl, der Lust bedürfend sind. Frisch sind Göthes Lieder,ccclxxxv die auch zu-
gleich nicht ohne Sinn sind. Viele Lieder sind mehr gesellige Unterhaltung,
denen ein poetischer Werth nicht zugeschrieben ist. Eine große Mannigfaltig-
keit kann in den Liedern herrschen. Die südlichen Völker mit ihrer Empfin-
dung haben eine solche Mannigfaltigkeit, die man nicht klassifiziren muß, denn
selbst beschränkt sind alle diese Klassifikationen doch zuletzt. Das Sonnett ist
eine feinsinnige, reflektirende Empfindung; eine Sehnsucht mit Sinnigkeit und
Besonnenheit der Reflexion, weßhalb das Tönen im Silbenmaaß nothwendig
ist. In der Elegie wird die Empfindung mehr beschrieben, und das Epische ist
nicht zu verkennen. Alexis und Dora von Götheccclxxxvi ist so meisterhaft.
Ein gewöhnliches Lied ist das nur beschreibende der Empfindung bei
Etwas und über Etwas[,] wo das Interesse ist, wie der Dichter gegenüber einem
Gegenstand empfinden kann, und diese Form ist ohne schöpferische Fantasie
und selbst trivial.
Diese Lieder sind am wenigsten poetisch, wie wir schon bei Göthe fin- 28/3
den: Willkommen und Abschied,ccclxxxvii wo keine Phantasie zu sehen ist. Auf
dem Seeccclxxxviii ist auch eine Beschreibung, wo der Geist in Träumerei verfällt,
aber dann wieder zur Beschreibung zurückkehrt. Geistesgruß.ccclxxxix Im Diwan
ist es nicht mehr die Begierde des Beschreibens, sondern die Freiheit des Gei-
stes, die über der Begierde steht, und wodurch das Herz weit wird. Die Befrie-
digung der Phantasie ist hier eigentlich gesucht, nicht die der Begierde, ebenso
wie bei Horaz und Anakreoncccxc die Freiheit in der Begierde ist und die Befrie-
digung in der Vorstellung. Dieses ist die höchste Richtung des Liedes.
Unter Schillers Liedern, denjenigen die am meisten ansprechen, sind die
tief gehaltvollen Balladen; der Inhalt ist der Gedanke, und didaktisch mehr;
schwere Mächte walten hier; der Ernst des Lyrischen in seiner Höhe in den
Kranichen des Ibykus,cccxci im Chor der Eumeniden, wo die Auffassungsweise
die hervorgebrachte lyrische Wirkung gegen die leidende Person erkannt wird.
Der Ton der angstvollen Empfindung über eine Situation, gesteigert durch die
Musik, ist schauerlich, bei der die Stimme mit Angst erstickt.
Drama.
Die dramatische Poesie ist die letzte Form, weil sie die Totalität aller, die voll-
kommenste ist, sie enthält die lyrische Subjektivität; ein Inhalt des Äußerlichen
wird vom Charakter aufgefaßt, und spiegelt sich in ihm ab; es ist eine reaction
des Willens gegen die Situation. Eine Bestimmung des Gemüthes geht zur
Handlung fort. | [136]
Das Lyrische, das Innere wird sodann verwirklicht durch den wollenden
Geist, und das Lyrische geht zur Handlung über, wie beim Epos, wo nur das
Geschehene, nur in Beziehung auf den Charakter vorherrscht. Das Kunstwerk,
das sich darstellend macht und zur Erscheinung bringt, macht der wollende
Geist. Die Kunst des Tönens verbindet sie mit dem Skulpturbild; es ist die Rede,
wodurch sich ein Subjekt äußert, und das Wort wird durch ein Objekt Skulp-
turbild, das beseelt ist, gesprochen wird, [es] muß auf eine bestimmte Weise
vorgetragen werden. Der Vortragende Mensch ist noch anders ausdrucksvoll
als das Skulpturbild und die Gemälde; er geht in alle Leidenschaften ein, und
durch Einwirkung des Menschlichen auf den Menschen wird [er] sich klar in
einem Andern. Deßhalb ist die höchste Gattung der Poesie das Drama. Die gei-
stigen, göttlichen Mächte, in ihrem Unterschied, im Recht, Liebe zu Vater und
Gemahlin, zum Staate, liegen zu Grunde, und von ihnen geht alles aus; das Ly-
rische ist demnach wieder Grund, aber es wird zum Bewußtsein gebracht, aus-
gesprochen und realisirt durch Individuen. Diese Mächte kommen in Collision
mit bestimmter Situation, wo ein Hinderniß eintritt, und die Verwicklung der
Zwecke der Ausführung oder Verfehlung ist sichtbar.
So sehen wir das beseelte Skulpturbild im Drama. Wir lesen es, und
bringen die Phantasie vor unsere Vorstellung; aber dieses Verhältniß ist ganz
abstrakt. Das Vorlesen läßt die Sache schon sprechen, und nicht bloß ein-
schließen. Das Vorstellen endlich, mit der Bewegung und Miene, Modifikation
der Empfindung und Inhalt des Ausdrucks geben uns das vollständige Bild im
Agiren. Aber noch ist es abstrakt nach der Seite der Kunst. Denn es soll zu-
nächst karakteristisch, richtig sein, daß das Meisterwerk uns richtig vorgelegt
sein soll im Sprechen und Agiren. Wenn das Sprechen aber überhaupt künstle-
risch behandelt werden kann, so kann es musikalisch werden, im richtigen De-
klamiren; die Bewegung aber (Pantomimik), wo Richtigkeit Bestimmung ist,
muß sich auch mit sich verbinden. Die Aktion bildet sich so zum Tanze aus,
und dann ist das Drama in seiner Totalität; so befinden wir uns bei der Tragö-
die der Alten und bei der Oper der Modernen Zeit in der Totalität. Die alten
Tragödien wurden mit Tanz und Gesang verbunden; die Musik war nur bei den
Chören hauptsächlich; der Dialog ist nur leicht begleitet gewesen. Uns ist aber
der Tanz etwas Leichtsinniges in Deutschland, aber diese Form gehört zu der
Totalität des Kunstwerks. In der Oper tritt das Interesse für den Gehalt zurück,
und die Musik und Tanz ist überwiegend, so daß dem sinnlichen Genuß zu viel
Genuß eingeräumt wird. Bei der Komödie und Tragödie der Alten ist das Wort
so überwiegend geblieben, daß es scheint, daß die Schauspieler wenig zu dem
Worte durch ihre Miene hinzusetzten300, denn die Bürger selbst spielten ja, wie
es Sophokles that. Also ist auch die Aktion nicht so leidenschaftlich gewesen,
besonders da die Masken vor dem Gesichte lagen, und vom Mienenspiel das
Wort nicht verdrängt worden ist. Erst bei der Komödie werden auch die Hi-
strionencccxcii berichtigt. | [137]
Das Aufführen des Dramas ist also ein Wesentliches, und das Lesen ge- 30/3
nügt keinesweges. Es ist nothwendig, daß ein gutes Drama einen solchen Bei-
fall erregt beim Publikum, daß die Wirkung dadurch erkannt wird. Es ist die
Bestimmung des Kunstwerks nun, aufgeführt zu werden, und es sollte kein
Drama gedruckt werden, eher es aufgeführt worden ist. Das Publikum ist schon
vorhanden, und die Verachtung des Publikums erscheint dadurch, daß man ein
Drama so drucken läßt. Ein präsentes Publikum muß sich der Dichter denken,
und dessen Beifall muß er durch das menschliche Interesse seines Dramas er-
langen. Die Situation muß auch präsent sein, so daß wir unsere Vorstellung
daran gewöhnen können, und [es] nicht zu entfernt von uns ist. Die Charaktere
dürfen nicht perzonifizirte Interessen haben, wie sie die neuesten Dichter ma-
chen: Die Individualisirung ist nur zur oberflächlichen Form bei ihnen gewor-
den, allegorisch sonst; lebendig muß der Charakter sein, sowie verständig die
Handlung. Tiefe Gedanken, sittliche Anschauung und tiefe Gefühle machen
keine Wirkung, wenn nicht die Lebendigkeit des Individuums vorhanden ist.
Äußerliche Bedingungen, wie Kleider und Dekorationenswechsel muß
schon durch die vorhergehenden Scenen möglich gemacht werden. Ein großes
Kunstwerk wie Die Jungfrau von Orléans,cccxciii Wallensteincccxciv gefällt bei je-
dem Publikum, weil hier die Lebendigkeit herrscht, und wenn auch das Publi-
kum verschieden ist im Süden und Norden, so wird doch Etwas Großes überall
großen Eindruck machen.
Der Unterschied vom Klassischen und Romantischen ist schon früher be-
sprochen, ebenso der Stoff, der sich für beide am besten eigenet. Von der Ver-
sifikation ist auch schon gehandelt; die Natürlichkeit soll herrschen, sagt man,
aber man steht vor einem Kunstwerk, nicht vor einem gewöhnlichen, natürli-
chen Menschen. Haben auch Gleichförmigkeit die Verse, so zeigt sich das Be-
sonnene in den Leidenschaften um so mehr.
Einheit muß ein Drama haben; aber worin besteht sie? Alles muß auf die-
se Handlung sich beziehen; Jedes Individuum hat ein Interesse, das mit den In-
teressen des Ganzen zusammenhängt. In der romantischen Form sind auch
vielfache Situationen besonders; jedoch muß in der Losigkeit dennoch ein Ab-
schließen dasein, und ein Zusammenhang. Mit einer Situation fängt ein Drama
an, die von dem Geist des Menschen genommen ist; auf sie wendet der Mensch
das Sittliche an. So ist eine Voraussetzung da, und diese ist Folge schon von
vorhergegangener Situation. Der Schluß kann so sein, daß für einige Individuen
neue Situationen sich bilden, und so Etwas Neues beginnen kann, woher auch
die Trilogien bei den Alten entstanden.
Daß ein Drama sich in Akte theilt, versteht sich. Pausen muß man haben,
so wie in jeder Sache. Die Natur der Handlung verlangt 3 Akten, der Eingang
im ersten, oder die Exposition der Situation; weßhalb es gut ist, wenn der Stoff
bekannt ist, und diese Mühe der Exposition erspart werden kann. | [138]
Es erscheint so die Collision der Interessen durch die Exposition selbst.
Die Collision wird lebendig und die Differenz entsteht im Angriff der Parteien.
Das dritte ist die Spitze, wo die Collision aufs Höchste getrieben, sich endlich
auflösen muß.
Diese Akte können auch 5 sein, wo dann die Exposition der einen, und
die Exposition der anderen Partei überhaupt in den 3 ersten Akten erscheint, im
4ten die Collision und im 5ten die Entwicklung sich zeigt.
Was die Einheit von301 Zeit und Ort betrifft, so spricht von der zweiten
Aristoteles gar nicht, und die Franzosen haben darin nicht Recht. Die Zeit muß
Einheit haben, man kann nicht den Zuschauern zumuthen, daß sie sich Jahre
lang versetzt denken; leichter ist es, einen so auf die Handlung aufmerksam zu
machen, daß er nicht auf die Veränderung des Aktes merkt.
Man theilt das Drama in die Tragödie und Komödie; in der Tragödie sind
substanzielle Zwecke in Collision, welche besondere sind und so fähig sind[,]
in Gegensatz zu kommen. Die Liebe des Kindes zu Mutter und Vater kann in
gewissen Situationen in Collision kommen, wenn es auch nicht in gewöhnli-
chen Situationen der Fall ist. Solche Collisionen entwickeln zu lassen, muß in
einem Hauptstücke vorkommen. Wahrhaftes Interesse müssen sie aber erregen
durch die Größe des Gehaltes.
Zufällige Zwecke in einen Charakter gelegt, dem sie nicht anpassen,
kommen in Collision in der Komödie. Die Collisionen sind hier in Ohnmacht
gegen das Interesse, mit dem einer sie zu vollführen sucht. Geiz und Reich-
thum. – Ein solcher beschränkter Zweck, dessen Ohnmacht gegen Lust Nichts
aushalten kann. Solches Individuum ist dann so verwickelt, daß es den Gegen-
satz von dem Vorhaben ausführt. Ein großer Zweck in ein geringes Individuum
[gelegt] ist auch Gegenstand der Komödie, wie die Republik von Plato von
Weibern ausführen zu lassen.
Die ewige Gerechtigkeit zeigt sich an den Individuen bei den Collisio-
nen, welche die Unhaltbarkeit der Ansichten der Individuen schieden. Da nun
diese Einseitigkeit nicht von beiden Seiten ausgeführt werden kann, so muß der
eine untergehen und sich aufgeben.
31/3 Substanzielle Mächte machen das Pathos eines Individuums aus. Bei den
Alten erscheinen so im Sophokles plastische Figuren. Eine feste, sichere Ruhe,
von dorthin und hierhin ausgehend, nur auf dramatisches Interesse gerichtet, so
daß für den acteur wenig zugesetzt ist. Die Figur ist mehr statuarisch. Das Pa-
thos ist die feste Bestimmung eines Individuums, ohne Schwanken in sich, oh-
ne Anerkennung des Rechtes im Andern.
In modernen Kunstwerken findet man ironische Charaktere, deren Nich-
tigkeit in sich selbst Hauptcharakter ist, deren Thaten sich auflösen, und [sie]
sind so dem Pathetischen entgegen. Die Kollision, die eintrat, war bei den Al-
ten theils in der Religion. Agamemnon opfert seine Tochter so. Solche Situa-
tionen sind uns fremd. Die handelnden Personen sind solche, die sich aus der
gewöhnlichen sittlichen Welt herausreißen, die Heroen, denen der Friede der
Götter, die ohne Widersprüche sind, entgegenstehen [muß]. | [139]
Diese friedliche Welt ist in dem Chor vorgestellt; es ist das Volk, das
nicht in die großen Collisionen der Anführer gerathen [soll]. Das Volk in sei-
nem dunkeln Gefühle steht ihnen so gegenüber mit einem thatlosen Bewußt-
sein. Über den Sinn des Chors hat man viel gesprochen, auch ihn wieder
aufgeführt;cccxcv aber man erkannte nicht den Charakter der Tragödie. Ruhiges
Zuschauen und Reflexion über die Handlung ist sein Geschäft; er billigt nicht
die Einseitigkeit der Handelnden, so daß das Publikum innerhalb des Schau-
spiels gesetzt ist. Aber der Chor ist nicht bloß so zu fassen, auch nicht ganz als
der302 Ursprung der Tragödie aus dem Chor, der durch einzelne Stimmen unter-
brochen worden ist, so daß der Chor nicht als Überbleibsel sich zufällig histo-
risch nachgeschleppt [hat], und daß er oft beschwerlich und überflüssig ist. Die
Helden sind durch die Existenz des Publikums bedingt. Das Theater [hat] seine
Scene in der Wirklichkeit, und geistig in dem Chor, es ist ein Skulpturbild, das
der Chor umgebaut [hat], ein Geist durch einen Geist umgeben. Der wahrhafte
Ton des Ganzen ist uns so, daß der Chor reflektirt, aber seine Betrachtung
wendet sich nicht an objektive Gesetze, sondern sein Urtheil hat eine Grundla-
ge, die aber nicht im Rechte und Staate ihren Boden hat, die nicht Idealisch
sein kann.303 Der Chor macht nur subjektive Reflexionen, nicht über feststehen-
de Gesetze, sondern er ruft die Götter an, als innere Mächte, die durch die Fan-
tasie als äußerliche vorgestellt werden. Das Pathos des Individuums spricht
sich aus, und die innerlichen304 ðáèç bespricht der Chor, und ruft die Götter an.
Hierdurch ist genau bestimmt, in wie weit das Objekt hier vorhanden ist. Deß-
wegen handelt der Chor nicht, er dient nicht, wie in der Braut von Messina der
Chor nicht jenem entspricht, da er dient. Der alte Chor ist lyrisch, und ent-
schlägt sich der Interessen. Die Antike ist demnach von den Modernen unter-
schieden. Die Interessen sind dort die größten, Menschenopfer, Opfer eines
Gliedes der Familie, die von uns selbst entfernt liegen. In den modernen Dramen
tritt, im Hamlet, der Sohn gegen die Mutter auf, wie Orest; aber das Verbre-
chen ist hier ganz unberechtigt, nur durch böse Leidenschaften entstanden,
fen. Kreon behauptet das Interesse des Staates, steht aber in Gewalt der
Familienverhältnisse. Ein Vollkommenvernünftiges ist hier dargestellt. Die ob-
jektive Versöhnung in der Anschauung erscheint hier.cdi Die Vernunft wird be-
friedigt und der sittliche Geist. Zu populär darf die Kunst nicht sein, denn sonst
wird die Lebendigkeit, das Anschauliche beim Lesen, nicht genug interessirt
auf der Bühne.
Der Ausgang ist traurig, in sofern die Charaktere zu Grunde gehen, in-
dem die Einseitigkeit aufgehoben ist, welches aber auch so geschehen kann,
daß das Subjekt von seiner Einseitigkeit nachläßt, aber nur äußerlich, indem
eine höhere Macht auftritt. So im Philoktetcdii der Charakter von Neoptolemos
gerettet ist, er ist verführt durch Odysseus; er erkennt es, und mit ihm steht nun
Philoktet in Collision, die durch Herakles aufgehoben ist.cdiii So auch in den
Eumeniden, wo das Ende nicht traurig ist, indem Apoll anerkannt wird von dem
athenischen Volke.cdiv Modern ist, daß der Charakter sich ändert, auf eine
religiöse Betrachtung [hin] seinen Charakter aufgiebt. So hat Göthe die Iphige-
nie modernisirt, indem er Thoas sich bewegen läßt, nicht auf einen Kampf alles
ankommen läßt.
Traurig braucht also der Schluß in der Tragödie nicht zu sein. Ist er so, 1/4
und ist er Zweck, so ist es schon mehr romantisch, dessen Unterschied vom
Klassischen schon bemerkt ist. Mit der ewigen Gerechtigkeit durch Harmonie
schließt die antike [Tragödie]; eine bestimmte, besondere Macht ist es in den
neuern, und zwar hauptsächlich die Religion, die Staatsmacht, welche Schick-
sal selbst gegen das Interesse des Individuums [ist]; der Kaiser gegen Wallen-
stein, der von Pikkolomini, seinem Freunde, dem Anhange des Kaisers verlas-
sen, untergeht. So ist in den Räuberncdv der Angriff Karls auf die Macht des
Staates, die ihn zu Grunde richtet; so im Götz, der sich gegen die beginnende
Ordnung stämmt, auf deren Seite Weißlingen steht, seinen Freund verräth; aber
beide[,] der sich Auflehnende und der Anhänger der Ordnung[,] unterliegen,
wie auch Pikkolomini durch seinen Sohn leidet. Die Liebe ist das Hauptinteres-
se, und eine innere Entwicklung bringt den Untergang. | [141]
Das Innere wird gebrochen durch dieses Interesse, welches auch die herr-
schende Form der Aufführung der heutigen Dramen oder Schauspiele ist. Der
Ausgang der Trauer ist uns nicht so klar, weil wir nicht das plastische Innere so
vor uns haben. Die Verwickelung ist unglücklich, in einem kleinen Kreise, wo
ein Verstoß gegen Pflichten ist, der Schluß ist das Ablassen vom Bösen, und
die Rückwirkung in der Verzeihung.
Die Komödie ist die letzte Form der Kunst, die Auflösung der Kunst, wo
der Gehalt der Kunst selbst vernichtet wird. Diesen wesentlichen Sinn hat die
alte Tragödie gehabt. Eine objektive Gestalt, ein wesentlicher Inhalt erscheint;
subjektiver Wille löst den objektiven Inhalt auf, und die Sicherheit des Sub-
jekts, die Heiterkeit, die von Haus aus alles unternimmt ohne Bekümmertheit,
ist das Interesse. Die subjektive Heiterkeit wird nun vernichtet. Deßhalb ist das
Komische nur in niedrigen, charakterlosen Personen möglich, wo nur subjekti-
ve Interessen nicht der Ernst großer Vorhaben zu ihnen passen. So ist beim
Aristophanes die Heiterkeit der Subjektivität. Die305 Hohlheit des Willens des
Demos erscheint. Euripides hat gelten wollen; Aristophanes war ernst, heiter,
patriotisch, und so stellte er die Torheit des Volkes vor, auch der Götter. Die
unvermischtere Sicherheit in sich und die Torheit nehmen die höchsten Pläne
vor, und führen sie töricht aus. So ist Sokrates nur ein Tor beim Aristophanes,
der richtig das Treiben des Volks nannte.cdvi Die Wolken sind nicht bloß lustig,
sie sind auch bitter; und der Kontrast ist nur komisch, wie in den lüsternen
Weibern, die einen Staat bilden wollen. Zu Grunde gerichtet ist die Gestaltung
des Sittlichen, die sich aufspreizt. Die Komödie ist so das Extrem der Kunst,
worin sich das Plastische vernichtet. Die Nichtigkeit der Kunst spricht sich aus
in der neuerdings angewendeten Ironie.
Aristophanes ist eins der größten Symptome des Untergangs der griechi-
schen Kunst; der Widerspruch zwischen Göttern und Staat und die Subjektivi-
tät der Bürger ist in ihm ausgesprochen. So sind wir am Schlusse der Kunst. –
Die neuere Komödie hat den Sinn, daß zufällige Torheit in ihrer Nichtigkeit
vorgestellt wird. Nicht ein wahrhafter Gehalt in einer wichtigen Existenz, son-
dern das Gehaltlose und Schiefe ist es, an dem die Nichtigkeit nachgewiesen
wird. Die Lustspiele können nun krasser sein, wie der Tartuffe,cdvii welches aber
gar nicht den Namen Komödie verdient. Die Religion und Frömmigkeit ist hier
vorgestellt so wie die Sucht des Besitzens in dem Avare, wo Religion und Geiz
zu besonderen schlechten Leidenschaften angewendet werden.cdviii Die morali-
sche Befriedigung erscheint am Ende. Die Komödie hat die Intrigen zu ihrem
Hilfsmittel, die einen persönlichen Zweck haben. Die Komödie ist schlecht,
wenn das Nichtige den Sieg davon trägt; schlechte Söhne und Bediente, Vor-
münder betrügen, und dieses kann nur komisch werden, wenn solche Personen
in einem falschen Interesse und Vorurtheilen sich bewegen, so daß das Zufälli-
ge im Kampf mit Zufälligem [auf]tritt, und nur ein Schiefes, Zufälliges, lächer-
lich wird, und seinen Zweck verfehlt. Für uns ist die Kunstphilosophie eine
Nothwendigkeit geworden, da wir über die Kunst hinaus sind.
4/2 [2/4]
Ende
Öfter herangezogene Schriften werden wie folgt zitiert (die Werke, welche im Aukti-
onskatalog der Bibliothek Hegels erwähnt werden, werden durch Stern *) gekennzeich-
net):
i
Christian Wolff (1679-1754), Philosoph. Zu seinen Anhängern gehören unter den
Verfechtern einer philosophischen Kunstlehre insbesondere Alexander Gottlieb Baum-
garten (1714-1762) sowie auch Johann Jacob Engel (1741-1802), Johann August Eber-
hard (1739-1809) und Moses Mendelssohn (1729-1786). Die Bezeichung Ästhetik für
die Wissenschaft von der Empfindung sc. der sinnlichen Erkenntnis des Schönen ist seit
der 1750 veröffentlichten unvollendenten lateinischen Schrift Aesthetica von Baumgar-
ten gebräuchlich. Doch bezieht sich Hegel in seiner Vorlesung eher auf die Schriften
von Engel und Eberhardt (s.u. Anm. xi).
ii
Kallistik (wörtlich nach dem griechischen: die Wissenschaft des Schönen) wur-
de versuchsweise als Bezeichnung für die Theorie des Schönen gebraucht, ebenso wie
Kalliästhetik, Kalologie oder Kalleologie. S. z.B. Gottlieb Philipp Christian Kaiser:
Ideen zu einem Systeme der allgemeinen reinen und angewandten Kalliästhetik: ein
Versuch zu einer Vereinigung der entgegengesetzten Meinungen auch zum Selbst-
Unterrichte in dieser Wissenschaft. Nürnberg 1813.
iii
Das Beispiel der Trauben des Zeuxis (435-390 v.u.Z.), die angeblich so naturge-
treu gemalt waren, daß Sperlinge sich täuschen ließen und daran pickten, spielt in der
Debatte um die Nachahmung eine entscheidende Rolle. Die von Hegel erwähnte Episo-
de wird in unterschiedlicher Deutung berichtet bei Plinius (23/24-79) in Naturalis histo-
ria. Liber XXXV, 65 und bei Seneca Maior (55 vor - 40 nach) in den Controversiae,
Liber V, Contr. XXV.
iv
Vgl. Kehler 1826, Ms. 15: „Blumenbach erzählte von einem alten Büttner, Stu-
dentenbursche Linnés; der steckte alles Geld in Bücher, auch Rösels Insektenbelusti-
gung […]. [Darin finden sich] kolorierte Kupfer, das Schönste, was man sehen kann.
Büttner hatte ein nicht eingebundenes Exemplar. Einen Affen fand er [damit] beschäf-
tigt, alles zerrissen, an einem Blatt nagend, worauf ein Maikäfer gemalt war, und die Sa-
tisfaktion, daß der Affe getäuscht war, mäßigte seinen Ärger.“ Die Episode findet sich
in Goethe: Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke. Ein Gespräch
(1798). (Vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 13, 175-181, hier: 179f.) – August Johann
Rösel von Rosenhof (1705-1759) beschreibt in seinen Insektenbelustigungen die Le-
bensgeschichte einheimischer Insekten und verschiedener Süßwassertiere. (August Jo-
hann Rösel von Rosenhof: Insektenbelustigungen. Nach dessen Tode von Christian
Friedrich Karl Kleemann fortgesetzt. 4 Theile. Nürnberg 1741-1761.)
v
Vgl. Kehler 1826, Ms. 15: „Menschen können den Schlag der Nachtigall nach-
ahmen. Kant sagt, sobald wir merken, daß ein Mensch das sei, finden wir es abge-
schmackt.“ (*) Vgl. Immanuel Kant: Critik der Urtheilskraft. Berlin und Lindau 1790, §
22, § 42.
vi
Aristoteles: Poetik. In: (*) Aristotelis Opera omnia. Basilae 1531.
vii
(*) Diogenes Longinus: De Sublimitate, ex rec Zach Pearcii c. vers. Lat. ed.
S.F.N. Morus. Leipzig 1768. (Pseudo-Longinos: Vom Erhabenen. Griechisch und
deutsch. Von Reinhardt Brandt. Darmstadt 1966.) Hegel hat den Traktat über das Erha-
bene zwischen 1786 und 1787 aus dem griechischen übersetzt, diese Übersetzung ist
verschollen.
viii
Hegel weist auf die ca. 18 v.u.Z. entstandenen, unter dem Titel Ars poetica
überlieferten Epistola ad Pisones des Horaz hin, die die Forderung nach Regeln der
Hervorbringung von Kunstwerken um eine Reihe weiterer Aspekte ergänzen. Hegel be-
saß diesen seit dem 18. Jahrhundert populären Text in der Gessnerschen Edition. (*)
Horatius ed. Baxter, add. J. M. Gessner. Lipsiae 1772.
ix
(*) Henry Home (1696-1782): Grundsätze der Kritik. Aus dem Engl. übersetzt
von Joh. Nikolaus Meinhard. 2 Bde. Leipzig 1772 [nach der 4. Aufl. bearbeitet von Gar-
ve und J. J. Engel].
x
Charles Batteux (1713-1780): Les beaux-arts réduits à un même principe. Paris
1746; Cours de belles-lettres, ou principe de la littérature. 5 Bde. Paris 1747-1750; (*)
Karl Wilhelm Ramler (1725-1798): Einleitung in die schönen Wissenschaften. Nach
dem Französischen des Herrn Batteux mit Zusätzen vermehrt. 3. Aufl. Bd. 1-4. Leipzig
1769.
xi
Johann Jacob Engel (1741-1802): Theorie der schönen Künste und Wissenschaf-
ten. Halle 1783. (*) Johann August Eberhard (1738-1778): Theorie der schönen Künste
und Wissenschaften. Zum Gebrauche seiner Vorlesungen herausgegeben. Zweite verbes-
serte Auflage. Halle 1786. Engel und Eberhardt gehören zur Wolfischen Schule (s.o.
Anm. i).
xii
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1852).
xiii
Plato: Werke. Hegel integriert in diese Vorlesung Überlegungen aus seinen
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (vgl. G. W. F. Hegel: Vorlesungen
über Platon [1825/26]. Hrsg. und eingel. von Jean-Louis Vieillard-Baron. Frankfurt
a.M./Berlin/Wien 1979).
xiv
Plato: Phaidros, 251.
xv
Hinweis auf Aristoteles: Metaphysik I. In: Aristotelis Opera omnia.
xvi
Hegel hat die systematische Grundlage seiner Ästhetik in der Enzyklopädie
entwickelt, die er zuerst 1817 in Heidelberg veröffentlichte. Er verweist auf die im
Wechsel mit der Ästhetikvorlesung gehaltenen Berliner Vorlesungen über die Enzyklo-
pädie, die die systematische Exposition enthalten (Enzyklopädie. 1827. §§ 556-563).
xvii
Johann Heinrich Meyer (1759-1832), Maler und Kunstschriftsteller, enger
Mitarbeiter Goethes in Fragen der bildenden Kunst.
xviii
Aloys Hirt (1759-1839) wurde 1796 von Rom nach Berlin berufen, wo er Pro-
fessor der Archäologie und mit Hegel befreundet war. Er hat für die Idee eines Muse-
ums in Berlin gefochten, welches tatsächlich gegründet und 1830 eröffnet wurde.
xix
(*) Aloys Hirt: Versuch über das Kunstschöne. In: Die Horen: eine Monat-
schrift. Hrsg. von Friedrich Schiller. 3. Jg., 7. Stk. Tübingen 1797, 34f: „Unter Charak-
teristik verstehe ich nemlich jene bestimmte Individualität, wodurch sich Formen,
Bewegung und Geberde, Miene und Ausdruck – Lokalfarbe, Licht und Schatten, Hell-
dunkel und Haltung – unterscheiden, und zwar so, wie der verlegte Gegenstand es ver-
langet“.
xx
(*) Johann Heinrich Meyer: Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen.
3 Bde. Dresden 1824. Bd. 1, 206: „Beide Meinungen sind indessen spurlos vorüberge-
gangen, und glauben mag man, zum Besten der Kunst: jene erste Meinung hätte wahr-
scheinlich zum Carrikaturmäßigen, diese zur Unnatur geleitet“.
xxi
Anton Raphael Mengs (1728-1779), deutscher Maler und Kunsttheoretiker.
xxii
Johann Wolfgang von Goethe: Über Kunst und Altertum. 2. Bandes 1stes Heft.
Stuttgart 1818, 182. Zitiert von Meyer: Geschichte der bildenden Künste. Bd. I, 205:
„Der höchste Gegensatz der Alten, heißt es, war das Bedeutende, das höchste Resultat
aber einer glücklichen Behandlung, das Schöne“.
xxiii
Vgl. (*) Immanuel Kant: Critik der Urtheilskraft. Berlin und Lindau, 1790.
Hegel trägt in seiner Vorlesung 1828/29 eine ausführlichere Auseindandersetzung mit
Kant vor als in den früheren Vorlesungen.
xxiv
Als Prinzip a priori der Urteilskraft „in Ansehung der Form der Dinge der Na-
tur unter empirischen Gesetzen überhaupt“ bestimmt Kant die „Zweckmäßigkeit der
Natur in ihrer Mannigfaltigkeit“ (KU, XXVIII). Dieses Prinzip hat nur „in der reflektie-
renden Urteilskraft seinen Ursprung“ (ebd.), da das Besondere nicht unter das Allge-
meine begrifflich subsummiert, sondern die Urteilskraft zum gegebenen Besonderen
„das Allgemeine finden soll“ (KU, XXVI).
xxv
In der Vorrede zur Kritik der Urteilskraft heißt es entsprechend: „Dieser trans-
zendentale Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur ist nun weder ein Naturbegriff noch
ein Freiheitsbegriff, weil er gar nichts dem Objekte (der Natur) beilegt, sondern nur die
einzige Art, wie wir in der Reflexion über die Gegenstände der Natur in Absicht auf ei-
oder Nützliches begrifflich feststellen ließe. Daher ist Schönheit „Form der Zweckmä-
ßigkeit eines Gegenstandes, sofern sie ohne Vorstellung eines Zwecks an ihm wahrge-
nommen wird“ (KU, § 17; A 61).
xxxiii
In der organischen Natur findet Kant Beispiele einer „Zweckmäßigkeit ohne
Zweck“. Hier lassen sich Naturphänomene nur so beschreiben, als ob ein planender
Verstand diese in ihrer zweckmäßigen Struktur entwickelt und geschaffen habe. Kant
benutzt in diesem Zusammenhang die Formulierung „Zweckmäßigkeit der Form nach“
(KU, § 10; A 34). – Kant spricht in diesem Zusammenhang in der Kritik der Urteilskraft
von „Naturzweck“. Von diesem kann dann gesprochen werden, wenn ein Naturding
„von sich selbst (…) Ursache und Wirkung ist“ (KU, § 64). In Hegels Vorlesungen über
die Philosophie der Natur von 1818/19 heißt es ähnlich: „Der Organismus ist Selbst-
zweck“ (V 16, 140).
xxxiv
Aus der Analyse des vierten Moments des Geschmacksurteils, der Modalität,
folgert Kant: „Schön ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines nothwendigen Wohlge-
fallens erkannt wird“ (KU, § 22).
xxxv
William Hogarth (1697-1764), englischer Maler, Kupferstecher und Kunst-
theoretiker, entwickelte seine Lehre von der Schönheitslinie (line of beauty) in seiner
kunsttheoretischen Schrift Analysis of Beauty. London 1753.
xxxvi
Vermutlich bezieht sich Hegel auf Kants Forderung in der Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten, zweiter Abschnitt. (Kants Werke. Akademie-Ausgabe. Bd. IV.
Berlin 1968, 406.)
xxxvii
Vgl. F. von Schiller: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Hegel weist
auf eine Episode des Dreißigjährigen Krieges hin, als der Graf Tilly, der Hauptmann der
kaiserlichen Armee, die Stadt Magdeburg niederbrennen läßt.
xxxviii
Hegel integriert bereits im sog. Ältesten Systemprogramm des deutschen
Idealismus (1797) F. Schlegels Bestimmung der Kunst als Lehrerin des Volks in sein
Konzept der Philosophie (Über das Studium der griechischen Poesie. In: Schlegel. Bd.
1, 217-367, hier: 351). Er setzt damit zugleich seinen eigenen Versuch fort, im An-
schluß an Schiller ein Ideal der Volkserziehung zu entwickeln (vgl. 29,2-3; Briefe von
und an Hegel. 1785-1812. Bd. 1. Hrsg. von Johannes Hofmeister. Hamburg 1969, 20,
24f). Hegel bezieht sich damit auf Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung und
wendet sich mit ihm gegen Rousseau. Nicht die Natur, sondern die Dichtung gewährlei-
stet die Ausbildung der Menschheit, die Bildung der Sittlichkeit (Schiller: Werke. Bd.
20, 337). Diese Konzeption Schillers hat Hegel in seiner Diskussion mit Hölderlin zu
einem Ideal der Volkserziehung erweitert; indirekt weist er in der Vorlesung daher zu-
gleich auf die Konzeption Lessings hin.
xxxix
Vgl. Herodot (um 495 bis um 425 v.u.Z.): Historien. II, 53 (Bd. 1, 246-249).
xl
Hegel kritisiert Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775-1854) Annahme, die
Kunst sei als intellektuelle Anschauung des Absoluten der höchste philosophische Ge-
genstand (Organon der Philosophie). Er setzt sich bereits in seinen Jenaer Schriften und
Reflexionen in derselben Weise von Schelling ab, indem er auf die Beschränktheit der
Kunst ihrem Inhalt nach hinweist (so z.B. in der Schrift Über die Differenz des Fich-
te’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie. In: Hegel: Gesammelte Werke.
Bd 4, 75-77). In der Abhandlung Ueber Dante in philosophischer Beziehung (Schelling:
Ueber Dante, 486-493) entwickelt Schelling die „historische Construction“ der An-
schauung des Absoluten in einem Kunstwerk, das als Typus der Betrachtung des Uni-
versums überhaupt (a.a.O. 490) ausgezeichnet wird. Die entsprechende „speculative
Construction“ der Anschauung des Absoluten findet sich in Schellings System des
transzendentalen Idealismus in der Bestimmung der Kunst im Zusammenhang der De-
duktion eines allgemeinen Organons der Philosophie (Friedrich Wilhelm Joseph von
Schellings sämtliche Werke. Erste Abtheilung. Dritter Band. Stuttgart und Augsburg
1859, 612). Die speculative Construction trägt Schelling auch in seiner Jenaer Ästhetik-
vorlesung von 1802/03 vor, von der es nur ein Nachschriftenzeugnis gibt (Schellings
Ästhetik in der Überlieferung von Henry Crabb Robinson [1802/03]. Hrsg. von Ernst
Behler. In: Philosophisches Jahrbuch. 83 [1976], 133-183); ebenso wird diese Bestim-
mung der Kunst als Anschauung des Absoluten in der 14. Vorlesung der Vorlesungen
über die Methode des akademischen Studiums (Schellings sämtliche Werke . Erste
Abtheilung. Fünfter Band. Stuttgart und Augsburg 1859, 344-352) entwickelt.
xli
Dieses Bilderverbot diskutiert Hegel in der Vorlesung von 1826 im Zusammen-
hang seiner Kritik der „Nachahmung des Natürlichen“: „Das Bewußtsein des Mangels
[der Abstraktheit der Nachahmung des Natürlichen] können wir finden in dem Tadel ei-
nes Türken. Ihm wurden Gemälde des Bruce von Fischen und anderen Tieren gezeigt
[und] er erwidert: ’Wenn nun dieser Fisch am Jüngsten Gericht gegen dich aufsteht und
sagt, du hast ihn zwar als Fisch gemacht und [zugleich] keine Seele gegeben; wie wirst
du dich dagegen verteidigen?’“ (von der Pfordten 1826, 55). James Bruce (1730-1794)
war englischer Reisender und Verfasser der Travels to discover the source of the Nile in
the Years 1768, 1769, 1770, 1771, 1772 and 1773. Edinburgh o.J. (dt.: Zu den Quellen
des blauen Nils. Die Erforschung Aethiopiens 1768-1773. Hrsg. von Herbert Gussen-
bauer. Stuttgart/Wien u. a. 1987). Die erste deutsche Übersetzung erschien als James
Bruce Esq. Reisen nach Abyssinien die Quellen des Nils zu entdecken. Aus dem Engli-
schen in einem zweckmäßigen Auszug aus dem Originalwerk von Samuel Shah, Esq.
Erlangen 1792.
xlii
Es handelt sich offenbar um einen Hörfehler, denn statt Xenokrates muß es
Xenophanes (um 500 v.u.Z.) heißen (vgl. Hotho 1823, 176). Xenophanes kritisiert die
anthropomorphistische Gottesvorstellung der Griechen. (*) Xenophanis reliquiae carm.,
de vita ejus et studiis. Ed. J. Karsten. Bruxellis 1830.
xliii
Platon: Politeia. X, 607a.
xliv
Im Gegensatz zu den Vorlesungen von 1820/21, 1823 und 1826, in denen He-
gel jeweils eine Zweiteilung in Allgemeinen und Besonderen Teil vornimmt, ergänzt er
nunmehr diese Zweiteilung um einen dritten – den Individuellen – Teil. Diese Dreitei-
lung der Ästhetikvorlesungen hat H. G. Hotho dann später in der Edition der Druckfas-
sung der Ästhetik übernommen.
xlv
Carl Friedrich von Rumohr (1785-1843) war Kunsthistoriker, Schriftsteller und
Verfasser eines Kochbuchs, außerdem war er als Einkäufer für die Gemälde der neu ge-
gründeten Preußischen Museen in Berlin tätig. 1827 bis 1831 veröffentlichte er drei
kunsthistorische Bände mit dem Titel Italienische Forschungen, auf deren ersten Teil
von 1827 Hegel in seiner Ästhetikvorlesung von 1828/29 reagieren konnte: (*) C.F. von
Rumohr: Italienische Forschungen. 3 Bde. Berlin 1827-1831. Hegel hatte auch persön-
lich Kontakt zu von Rumohr.
xlvi
„Bis dahin haben wir die Schönheit an sich selbst, und ohne ausschließliche
Beziehung auf die Kunst, untersucht, und, wie ich glaube, gefunden: daß Schönheit im
allgemeinsten, und wenn man so will, im modernen Verstande, alle Eigenschaften der
Dinge in sich begreift, welche entweder, den Gesichtssinn befriedigend anregen, oder
durch ihn die Seele stimmen und den Geist erfreuen; daß aber eben diese Eigenschaften
in drey durchaus verschiedene Arten zerfallen, deren eine nur auf das sinnliche Auge,
deren andere nur auf den eigenen, voraussetzlich dem Menschen eingebornen, Sinn für
räumliche Verhältnisse, deren dritte zunächst auf den Verstand wirkt, dann erst durch
die Erkenntnis auch auf das Gefühl“ (Rumohr: Italienische Forschungen, 145f).
xlvii
Vgl. Kant: Kritik der Urteilskraft, § 3 (s.o. Anm. xxix).
xlviii
In der Phänomenologie des Geistes hatte Hegel bereits angedeutet, welche
Konsequenzen undurchschaute, in sich selbst kreisende Empfindungen, jenes „Extrem
der substanzlosen Reflexion seiner in sich selbst“ (GW 9, 12) haben können. So werden
etwa das „Schöne, Heilige, Ewige, die Religion und Liebe“ beschworen. Nicht der Be-
griff, sondern „die Ekstase, nicht die kalt fortschreitende Nothwendigkeit der Sache,
sondern die gärende Begeisterung soll die Haltung und fortleitende Ausbreitung des
Reichtums der Substanz sein“ (GW 9, 13). Für Hegel ist es jedoch ein „Widermenschli-
ches“, „Tierisches“, „im Gefühle stehen zu bleiben und nur durch dieses sich mitteilen
zu können“ (GW 9, 48). In der Enzyklopädie erinnert Hegel, weil letztlich alles, also
auch das Schlechte, Böse und Substanzlose „aus dem Herzen kommen“ kann (selbstver-
ständlich nicht muß), mit ironischem Unterton daran, „daß das Denken das Eigenste
ist, wodurch der Mensch sich vom Vieh unterscheidet, und daß er das Empfinden mit
diesem gemein hat“ (GW 20, § 400).
xlix
Hegel bezieht sich auf den Prolog zu Schillers Wallensteins Lager. Vgl. Fried-
rich Schiller: Wallenstein, ein dramatisches Gedicht. Erster Theil. Tübingen 1800, 7:
„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“.
l
Johann Gottfried von Herder: Der Cid (nach spanischen Romanzen besungen).
In: Sämmtliche Werke. Zur schönen Literatur und Kunst. Fünfter Theil. Stuttgart und
Tübingen 1827, § 6: „Mit zerrißnem Trauerschleier/Sprach Ximene jetzt zum Kö-
nig:/Thränen schwollen ihre Augen,/Wie war sie in Thränen schön!“.
li
Hegel bezieht sich hier auf dem Lachchor im ersten Akt von Carl Maria von
Webers Freischütz. Vgl. Der Freischütz: Romantische Oper in drei Aufzügen. Text von
Friedrich Kind, Musik von Carl Maria von Weber. Die Uraufführung fand am 18. Juni
1821 im Königlichen Schauspielhaus Berlin statt.
lii
Diese Stelle der Vorlesung entspricht der Kritik der Ironie, die Hegel in seiner
Solger-Rezension ausführlicher entwickelt hat. Diese Rezension ist im März (1. Artikel)
und im Juli 1828 (2. Artikel) erschienen. Vgl. Hegel: Solger-Rezension, 114ff.
liii
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) war Hegels Vorläufer an der Berliner Uni-
versität. Hegel besaß ein Exemplar seiner Wissenschaftslehre. Vgl. J. G. Fichte: Grund-
lage der gesammten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer. Jena 1794.
liv
Friedrich Wilhelm Josef von Schelling (1775-1854) studierte mit Hegel in Tü-
bingen und war Professor an der Münchener Universität.
lv
Hegel bezieht sich hier auf Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des
Menschen, welche in der Zeitschrift Die Horen 1794-1795 veröffentlicht wurden.
lvi
Vgl. Friedrich von Schlegel (1772-1829): Kritische Fragmente. Lyceum der
schönen Künste. Berlin 1797, 161f. Nr. 108 (KFSA II, 60).
lvii
In Kritische Fragmente (1797) definiert Friedrich Schlegel die Ironie folgen-
dermaßen: „Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut und
groß ist.“ (Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. 2 [1. Abt.], 153.) In den Ideen (1798) heißt
es: „Ironie ist klares Bewußtsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen Chaos“
(Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. 2 [1. Abt.], 262). Vgl. auch Ernst Behler: Friedrich
Schlegels Theorie der Ironie. In: Ders.: Ironie und literarische Moderne. Paderborn
1997, 92-114.
lviii
Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772-1805). Vgl. Hegel: Solger-
Rezension, 123: „Dieser ist dem edlen Jüngling vielmehr so ins Herz geschlagen, mit
solcher Treue kann man sagen, dass die transcendente Sehnsucht, diese Schwindsucht
des Geistes, sich durch die Leiblichkeit durchgeführt, und dieser consequent ihr Ge-
schick bestimmt hat“.
lix
Ludwig Tieck (1773-1853). Tiecks von Hegel erwähnte kritische Schriften sind
in vier Bänden zugänglich: Ludwig Tieck: Kritische Schriften. Zum ersten Male ge-
sammelt und mit einer Vorrede herausgegeben von Ludwig Tieck. 4 Bde. Leipzig 1852.
Photomechanischer Nachdruck Berlin/New York 1974.
lx
Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1780-1819) war Hegels Kollege an der Berli-
ner Universität. Hegel hat im März 1828 mit der Rezension von Solgers Nachgelasse-
nen Schriften angefangen (vgl. Hegel: Solger-Rezension).
lxi
Vgl. hierzu als Variante: „Tieck in Dresden ist auch aus jener Periode hervorge-
gangen; in seinen kritischen Schriften spricht er immer von dieser Ironie, und er wie an-
dere imponieren mit diesem Ausdrucke, er tut ganz familiär damit. Wenn Tieck also −
eigentlich um die Ironie zu erwähnen − große Kunstwerke beurteilt, z.B. die Beurtei-
lung Romeo und Julias, so ist diese Beurteilung vortrefflich, weil er nämlich gar nicht
von Ironie spricht; so zeigt sich also die Inkonsequenz, daß er die Ironie sich gar nicht
durchführen lässt, bei solcher Gelegenheit kommt aber die Ironie nicht vor, wo es einen
guten Platz einnehmen kann, und es ist auch nicht leicht, die Ironie hier zu erklären, der
Teufel könnte vielleicht ironisch dabei erscheinen“ (von der Pfordten 1826, 63f). Die
Beurteilung von Romeo und Julia findet sich in Ludwig Tieck: Kritische Schriften.
Leipzig 1852, Band 3, 171-201. S.auch Hegel: Solger-Rezension, 118.
lxii
Vgl. Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums.
Dresden 1764.
lxiii
Raffaelo Sanzio (1483-1520), italienischer Maler.
lxiv
Mit Bezug auf Karl August Böttiger (1760-1835): Ideen zur Archäologie der
Malerey. Dresden 1811 schreibt Rumohr: „Nicht aus der Idee, sondern aus dem Ein-
druck des sinnlich Vorliegenden entwickelte sich demnach (…) was ihm Idealform
heißt“ (Italienische Forschungen. I, 105, Anm.).
lxv
Nach Hotho spielt Hegel hier auf die Berliner Kunstausstellung der Düsseldor-
fer Schule an, welche im Herbst 1828 stattfand (Hegel: Werke. 10. Bd. 1, 208). S.u.
Anm. cccxix.
lxvi
Hegel bezieht sich auf eine unter dem Namen Alonso Fernández de Avellane-
da veröffentlichte, aber inoffizielle und durch Cervantes nicht genehmigte Fortsetzung
des in der Romantik hochgeschätzten Romans von Miguel de Cervantes Saavedra
(1547-1616) El ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha (Teil 1. 1605. Teil 2.
1615), die 1614 unter dem Titel Segundo tomo del ingenioso hidalgo Don Quixote de la
Mancha – que contiene la tercera salida, y es la quinta parte de sus aventuras erschien.
In Kapitel 21 der von Avellaneda herausgegebenen Fortsetzung gibt es eine Szene, in
der Gänse über eine schmale Brücke gehen.
lxvii
„Die Worte: gemeine Natur, Beschränktheit der Natur, und ähnliche, sind in
der ästhetischen Literatur so gang und gebe, daß ich durch Anführung des Einen, den
Anderen zu betheiligen fürchte“ (Rumohr: Italienische Forschungen. I, 106, Anm.).
lxviii
Hegel spielt hier auf Rembrandts (1606-1699) Nachtwache an. Das Bild
konnte er in Amsterdam während seiner Reise in die Niederlande 1822 sehen. Vgl. He-
gel: Briefe. Bd. 2, 362.
lxix
Hegel bezieht sich auf Bilder von Bartolomé Esteban Murillo (1618-1682), die
er in München sehen konnte. Das eine Bild ist Die häusliche Toilette, das andere ist
Trauben- und Melonenesser (Alte Pinakothek, München).
lxx
Raffaelo Sanzio: Portrait d’un jeune homme dont la tête est appuyée sur la
main. Vgl. Notice des tableaux exposés dans la Galerie du Musée Royal. Paris 1826,
222. Das Bild konnte Hegel während seines Paris Aufenthalts 1827 sehen.
lxxi
„Die Ansicht also, welche dem Künstler die Fähigkeit beylegt, willkührliche,
aus der Luft gegriffene, der Natur im Einzelnen, oder im Ganzen entgegengesetzte For-
men hervorzubringen; welche sich verspricht, daß solche von Menschen ersonnene
Formen schöner und edler und bedeutender ausfallen werden, als die natürlichen; ist
(…) doch durchhin unhaltbar“ (Rumohr: Italienische Forschungen. I, 63).
lxxii
„So wird der Künstler künftig wohl thun, von dem titanischen Vorhaben abzu-
stehen, die Naturform zu verherrlichen, zu verklären“ (ebd.).
lxxiii
Rumohr behauptet, „daß die Darstellung der Kunst auch da, wo ihr Gegen-
stand der denkbar geistigste ist, nimmer auf willkührlich festgesetzten Zeichen, sondern
durchhin auf einer in der Natur gegebenen Bedeutsamkeit der organischen Formen be-
ruhe“ (a.a.O. 83).
lxxiv
„Wäre es, wie die Kunstlehre der letzten sechzig Jahre darzulegen und zu be-
haupten bemüht gewesen, der Zweck, oder doch der Hauptzweck der Kunst, die Schöp-
fung in ihren einzelnen Gestaltungen nachzubessern, beziehungslose Formen
hervorzubringen, welche das Erschaffene ins Schönere nachäffen, und das sterbliche
Geschlecht gleichsam dafür schadlos hielten, das die Natur eben nicht schöner zu ge-
stalten verstanden: so würde dem Künstler (…) alle Aussicht auf freye Bewegung und
selbstständige Leistung benommen“ (a.a.O. 115f).
lxxv
„Es fragt sich, ob die Verlängerung des Unterleibes, welche Winckelmann
(…) als ein Merkmal antiker Formenideale bezeichnet, nicht ebenfalls aus römischen
Standbildern entnommen ist“ (a.a.O. Anm.).
lxxvi
Das Mädchen ist Vittoria Caldoni (geboren um 1806), Tochter eines Winzers,
und wurde um 1820 von August Kestner (1777-1853) in Albano entdeckt. Ihre ideale
ebenmäßige Schönheit faszinierte viele Maler, wie etwa Schnorr von Carolsfeld oder
Friedrich Johann Overbeck. Thorvaldsen und Schadow stellten sie in Marmor dar. Um
das junge Mädchen nicht zu kompromittieren, wenn es sich porträtieren läßt, stellte Ba-
ronin von Reden, die Gattin Kestners, ihre Räume in der Villa Malta für die entspre-
chenden Porträtsitzungen zur Verfügung.
lxxvii
Das von Kardinal Giulio de’Medici um 1517 bestellte Monumentalbild der
Verklärung Christi war Raffaels letztes Werk. Das Bild wurde 1797 durch Napoléon
Bonaparte nach Paris verschleppt, in der Gallerie des Louvre ausgestellt, wo Friedrich
Schlegel u.a. es sehen konnten, und nach dem Wiener Kongress 1815 dem Vatikan zu-
rückerstattet. Es befindet sich heute in den Vatikanischen Museen in Rom. Vgl. Fried-
rich Schlegel: Raphael. In: Europa. Eine Zeitschrift. Hrsg. von F. Schlegel. Frankfurt
1803. I. Bd., 2. St., 3-19.
lxxviii
Vgl. Aischylos’ Weihgußträgerinnen (den zweiten Teil der Orestie).
lxxix
Vgl. Homer: Ilias. Erster Gesang.
lxxx
Vgl. Sophokles: König Ödipus. II. V. 798-812 (Sophokles: Tragödien, 198-
199).
lxxxi
Hegel spielt hier auf Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand an
(1773). In: Goethe: Werke. Bd. IV, 73-175.
lxxxii
Vgl. Schiller, Die Räuber. Ein Schauspiel. Frankfurt/Leipzig (korrekt: Stutt-
gart) 1781 (Schiller: Werke. Bd. 3).
lxxxiii
Hegel besaß von Salomon Gessners Schriften die 1756 erschienen Idyllen:
Gessners Idyllen, aus den Sämmtlichen Schriften der 2te Band. Karlsruhe 1775.
lxxxiv
Herrmann und Dorothea von J. W. von Göthe. Taschenbuch für 1798. Berlin
1797 (Goethe: Werke. Bd. II, 437-514). Bis zu Goethes Tod erschien die Idylle in mehr
als dreißig Ausgaben, von denen Hegel eine Liebhaberedition besaß: Herrmann und
Dorothea, der deutsche Text und Übersetzung in lateinische Hexameter von Graf v.
Berlichingen. Jaxthausen 1825 sowie Jaxthausen ²1825.
lxxxv
Vgl. dazu Johann Gottfried Herders (1744-1803) Abhandlung über Shake-
speare (1773) (Herder: Sämmtliche Werke. Bd. 5, 208-257, bes. 222f, 226, 251):
„Shakespeare hat also auch den Begebenheiten nach seiner neuen Welt eine neue Zeit
geschaffen, und das Gefühl dieser neuen, wenn ich so sagen darf, Shakespeareschen
Zeit, ist wie wichtig“ (a.a.O. 251).
lxxxvi
Bei der erwähnten Merkur-Statue handelt es sich um ein Werk des französi-
schen Bildhauers Jean-Baptiste Pigalle (1714-1785), das in Potsdam steht. Das von He-
gel erwähnte Werk ist eine Replik in großem Maßstab von einem der Hauptwerke des
Künstlers, der Marmorstatuette des sich Flügelschuhe bindenden Merkur (1744; Paris,
Louvre), die 1748 als Geschenk Ludwigs XV. an Friedrich den Großen nach Sanssouci
gekommen war (später: Berlin; Staatl. Museen).
lxxxvii
Bertel Thorvaldsen (1770-1844): Merkur als Argustöter, modelliert im Früh-
ling 1818; 1819 vom Herzog von Augustenburg in Marmor bestellt. Das ausgeführte
Exemplar wird nach England verkauft (heute: Koppenhagen; Thorvaldsen Museum).
Eine zweite Marmorfassung des Merkur als Argustöter (wegen eines Marmorfehlers
ohne Hut) bleibt bei Thorwaldsen und wird 1849 nach Madrid verkauft (heute Madrid;
Prado); eine dritte Fassung geht 1829 an den polnischen Grafen Leon Potocki (heute:
Krakau; Nationalmuseum).
lxxxviii
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werther Leipzig
1774. In: Goethe: Werke. Bd. VI, 7-124.
lxxxix
Pindar (um 518 bis 446 v.u.Z.): Siegeslieder. Griechisch-deutsch. Hrsg und
übers. von Dieter Bremer. München 1992.
xc
Sophokles: Antigone. Vers 21-79.
xci
Hegel bezieht sich sowohl auf Euripides als auch auf Goethes Iphigenie auf
Tauris (s. Anm. xcvii) und möglicherweise auch auf die Oper von Christoph Willibald
Gluck (Anm. cccxlvii).
xcii
Vgl. Clemens Alexandrinus (gest. vor 216): Opera omnia graece et latine quae
extant. Post accuratem D.V. Danielis Heinsii recensionem […]. Köln 1688, 16B. Pro-
trepticus (Kap. 2. § 26,4) (dt.: Clemens von Alexandrien: Mahnrede an die Heiden. Der
Erzieher. Buch 1. Aus dem Griechischen übersetzt von Otto Stählin. München 1934,
95).
xciii
Hegel bezieht sich auf Schillers Abhandlung Über den Gebrauch des Chors in
der Tragödie (Schiller: Werke. Bd. 10, 7-15), die Schiller der Braut von Messina voran-
geschickt hatte (Tübingen 1803). Dieselbe Position entwickelt Schiller auch im Brief-
wechsel mit Körner. (So in den Briefen vom 6.2.1803 und vom 10.3.1803. [Schiller:
Werke. Bd. 32. Nr. 10, 8f; Nr. 26, 19f]).
xciv
In der Vorrede zu Rodogune, princesse des Parthes (tragédie, Paris 1647) ver-
teidigt Pierre Corneille (1606-1684) seine Veränderungen der historischen Wahrheit als
„des embellissements de l’invention, et des acheminements vraisemblables à l’effet
dénaturé que me présentait l’Histoire, et que les lois du poème ne me permettaient pas
de changer“. (Vgl. Pierre Corneille: Oeuvres complètes. Hrsg. von Georges Couton. Bd.
2. Paris 1984, 196.)
xcv
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776-1822) galt lange, besonders im Aus-
land, als der größte deutsche Erzähler. Hegel bezieht sich hier auf die ausgeprägten
spukhaft-grotesken Züge von Hoffmanns umfangreichem Erzählwerk.
xcvi
Hegel bezieht sich hier auf das Nibelungenlied (s. Anm. c, cix).
xcvii
Vgl. Goethe: Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel. Das Schauspiel entstand
1779 und wurde in überarbeiteter Fassung im dritten Band von Goethe's Schriften
(Leipzig 1787, 1-136) publiziert; Goethe: Werke. Bd. VI, 7-67.
xcviii
Euripides: Iphigenie im Taurerlande. Schlußszene. V. 1435-1445. (Euripides:
Sämtliche Tragödien. Bd. 4, 102-105).
xcix
Zu Hamlet. I, 4-5; II, 2 (Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. III, 607-615,
619-635).
c
Das Nibelungenlied ist ein deutsches Strophenepos aus der Zeit um 1200. Vgl.
Der Nibelungen Lied in der Ursprache mit den Lesarten der verschiedenen Handschrif-
ten. Hrsg. durch Friedrich Heinrich von der Hagen. Berlin 1810.
ci
Sir John Falstaff in Shakespeares Heinrich der Vierte (King Henry IV). In:
Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. II.
cii
Vgl. Aischylos: Eumeniden. V. 84ff.
ciii
Johann Jakob Bodmer (1698-1783), schweizer Schriftsteller.
civ
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) (s. Anm. cvii).
cv
Johann Wolfgang von Goethe: West-oestlicher Divan. Stuttgart 1819. (Vgl.
Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 3, 285-412.)
cvi
Vgl. J. W. von Goethe: Polygnots Gemälde in der Lesche zu Delphi. In: Jenai-
sche Allgemeine Literatur-Zeitung. Extra-Beilage zum 1. Januar 1804.
cvii
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) ersetzte nach 1760 in seinem Werk
in Gedichten und Dramen die bis dahin verbindliche klassische Mythologie durch eine
germanisch-nationale Vorstellungswelt. Sein Ziel war die Erneuerung der nordischen
Göttersage, des vaterländischen Gesanges. Gemeinsam mit Heinrich Wilhelm von Ger-
stenberg (1737-1823), der 1766 das Gedicht eines Skalden schrieb, begründete er die
Bardenlyrik.
cviii
Vgl. Sophokles: Ödipus auf Kolonos. V. V. 1434.
cix
Zum Nibelungenlied vgl. Anm. c. – Hegels Ablehnung des Nibelungenliedes
als Nationalepos enthält eine scharfe Kritik an den kulturpolitischen Interessen, die sich
an die Versuche der Wiederbelebung der germanischen Mythologie knüpfen und ist
umstritten. Vgl. u. a. Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. VI, 294-314, bes. 301f,
313f.
cx
Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. (o.O.) 1773. In: Goethe: Werke.
Bd. IV, 73-175. Goethe zweifelt im 13. Buch von Dichtung und Wahrheit (Aus meinem
Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1-3. Tübingen 1811, 1812, 1814; In: Goethe: Wer-
ke. Bd. IX, 571) daran, ob er in der ursprünglichen Bearbeitung seinem Werk hinrei-
chend „historischen und nationalen Gehalt“ gegeben, und sich nicht zu eng auf eine
„Lebensbeschreibung Götzens und der Deutschen Altertümer“ beschränkt habe. In der
Zeitschrift Über Kunst und Altertum publiziert Goethe eine von ihm ins Deutsche über-
setzte Rezension seiner dramatischen Werke durch J. J. A. Ampère, die Hegels Deutung
teilweise entspricht: „Das Mittelalter athmet ganz und gar in diesem Götz mit der eiser-
nen Hand; hier ist die Kraft, die Rechtlichkeit, die Unabhängigkeit dieser Epoche, sie
spricht durch den Mund dieses Individuums [...] unterliegt und stirbt mit ihm“ (Über
Kunst und Altertum. Bd 5. Drittes Heft. Stuttgart 1826, 144). Später wiederholt Goethe
diese Deutung sinngemäß in den Berichten: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit
(17. Buch [1831]. Tübingen 1833. In: Goethe: Werke. Bd. X, 116).
cxi
Luiz de Camoëns (1524-1580) schuf mit seinen Lusiaden (1570) das National-
epos der Portugiesen. Die Lusiaden sind das Epos eines Volkes, das die Meere erobert,
in seine Mitte ist die Gestalt Vasco da Gamas und seine Fahrt nach Indien bis Kalkutta
gestellt. – Torquato Tassos (1544-1595) Hauptwerk, das Kreuzzugsepos La Gerusa-
lemme Liberata (Das befreite Jerusalem; 1581) sollte belehrend wirken und die Einheit
des Christentums fördern. (Die Entstehung des Werks fällt in die Zeit der Türkenab-
wehr.) Das Werk wurde ein europäischer Erfolg und diente als Muster für zahlreiche
Epen der Barockzeit. Für es begeisterten sich die Romantiker.
cxii
Zu Goethes Iphigenie auf Tauris s.o. Anmn. xcvii.
cxiii
Hegel bezieht sich auf Jean Racines (1639-1699) Iphigenie (Paris 1674) wie
sie am Hof von Versailles zur Zeit Ludwig XIV. aufgeführt wurde.
cxiv
Es handelt sich um das Bühnenstück Esther von Jean Racine (Paris 1689).
cxv
Hegel bezieht sich auf Hans Sachs’ (1494-1576) Comedia. Die ungeleichen
kinder Eve, wie sie Gott, der Herr, anredt; hat XIX person und fünff actus des Hans
Sachs. (Sehr herrliche schöne und wahrhaffte gedicht, geistlich und weltlich, allerley
art, als ernstliche tragedien, liebliche comedien […] durch den sinreichen und weyt be-
rümbten Hans Sachsen, ein liebhaber teudscher poeterey. Nürnberg MDLVIII; Hans
Sachs. Hrsg. von Adelbert von Keller. Bd. 1. Stuttgart 1870 ([Bibliothek des Literari-
schen Vereins Stuttgart. Bd. 102; Repr. Hildesheim 1964], 78). Vgl. auch Actus IV, die
Prüfung und Pater-noster Verballhornung Kains; Actus III die Katechismus-Prüfung an
Adams anderen Söhnen (a.a.O. 68-76).
cxvi
Vgl. Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Zweite Fassung).
I, 1. (Schwarzenberg in Franken. Herberge): „Hänsel, noch ein Glas Branntwein und
meß christlich“ (Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 4, 643).
cxvii
Hegel spielt an auf Isaak Newtons Farbenlehre. Vgl. Isaak Newton: Opticks or
a treatise of the reflections, refractions, inflections and colours of light (1704) sowie
ders.: New Theory about Light and Colours (1672).
cxviii
Hegel spielt nicht auf die eigentlich ersten Produktionen Goethes und Schil-
lers an, die sich noch in traditionellen Formen halten, sondern auf den Götz von Berli-
chingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel (Anm. cx, cxvi), eventuell auf Die
Leiden des jungen Werther (Anm. lxxxviii) und auf Schillers Die Räuber. Ein Schau-
spiel (Anm. lxxxii).
cxix
Der Begriff der Begeisterung geht auf Platons (428/427 v. Chr. bis 348/347 v.
Chr.) Konzeption einer durch das Göttliche inspirierten (allerdings in ihrer höchsten
Form philosophischen, nicht dichterischen) Begeisterung zurück. Hegel spielt zudem
auf die bereits bei Horaz, später in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts und bei Kant ge-
führte Diskussion an, ob die Begeisterung der Index für die Wahrheit der Dichtung sei.
– Beeinflußt durch die englische Dichtungs- und Kunsttheorie (insbesondere Anthony
Ashley Cooper, 3. Earl of Shaftesbury; 1671-1713) wird der Begriff der Begeisterung
bzw. des prometheischen Enthusiasmus bei Christoph Martin Wieland (1733-1813), Jo-
hann Gottfried Herder (1744-1803) und dem jungen Johann Wolfgang Goethe (1749-
1832) zum Grundbegriff der (bei Hegel sog.) „Genieperiode, einer berühmte[n], berufe-
ne[n] und verrufene[n] Literaturepoche“ (Dichtung und Wahrheit. Dritter Teil. 12.
Buch. In: Goethe: Werke. Bd. IX, 520). Das Genie bewies sich vornehmlich dadurch,
daß es „die vorhandenen Gesetze überschritt, die eingeführten Regeln umwarf und sich
für grenzenlos erklärte, statt durch Handeln und Thun Gesetz und Regel zu geben“
(Dichtung und Wahrheit. 4. Teil. 19. Buch. In: Goethe: Werke. Bd. X, 161).
cxx
Friedrich Schlegel schätzte und propagierte ebenso wie Tieck die Ausbreitung
von ’getreuem’ historischem, besonders altdeutschem Ambiente durch evokative De-
tails. – Zu seiner Einschätzung des Götz vgl. z. B. seinen Versuch über den verschiede-
nen Styl in Goethe’s früheren und späteren Werken in der gemeinsam u. a. mit Tieck
herausgegebenen Zeitschrift Athenaeum (Jg. 1800. 3. Bd. 2. Stk., 170-187, hier: 173).
cxxi
Jean Paul Richter (1763-1825), deutscher Schriftsteller. Es wurde ihm 1817
auf Hegels Vorschlag die philosophische Ehrendoktorwürde in Heidelberg verliehen.
cxxii
Die ironische Kritik des Mönchstums findet sich im ersten Akt, zweite Szene
(Herberge im Wald) des Götz von Berlichingen (Zweite Fassung) im Dialog zwischen
Götz und Bruder Martin. (Vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 4, 646-651.)
cxxiii
Hegel spielt auf Johann Bernhard Basedow (1723-1790) an. Basedow eröff-
nete 1774 in Dessau das Philanthropinum. Hegels Bemerkung bezieht sich auf den Ge-
gensatz zwischen der höfischen Erziehung von Götz’ Sohn Karl und der
erfahrungsorientierten des Stallburschen Georg. Zu diesem Gegensatz vgl. auch Fried-
rich Immanuel Niethammers (1766-1848) Schrift Der Streit des Philanthropinismus und
Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unserer Zeit (Jena 1808).
cxxiv
Hegel bezieht sich auf die Szene Jaxthausen. Götzens Burg im ersten Akt von
Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein
Schauspiel (1773. In: Goethe: Werke. Bd. IV, 73-175; die genannte Szene: 83-92, hier:
88).
cxxv
Vgl. Georges Louis Leclerc comte de Buffon: Discours prononcé dans
l’Académie française le 25 août 1753. Paris 1753 : „le style est l’homme même“.
cxxvi
Albrecht Dürer (1471-1528), deutscher Maler. Mehrere Feiern wurden 1828
in Deutschland bzw. in Berlin anlässlich des Todestages veranstaltet. Vgl. Helmut
Schneider: Hegel und Hotho bei den Dürer-Feiern 1828 in Berlin. In: Jahrbuch für He-
gelforschung 4/5. 1998/1999, 10-13.
cxxvii
Hegel bezieht sich auf Friedrich Schlegels Rede von der Poesie der Poesie.
Vgl. hierzu die sog. Athenaeumsfragmente (Athenaeum. Jg. 1798. 1. Bd. 2. Stk., 3-146,
hier: 65, 68 u. ö.). Die Allegorie ist für F. Schlegel (als pars pro toto für alle künstleri-
schen Ausdrucksformen) Manifest der Darstellung des Undarstellbaren, Unendlichen,
durch die Kunst. Vgl. z. B.: „Alle Schönheit ist Allegorie. Das Höchste kann man eben
weil es unaussprechlich ist, nur allegorisch sagen“ (Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. 2,
324).
cxxviii
Die Divina Commedia des Dante Alighieri (1265-1321), auf die Hegel sich
hier bezieht, entstand zwischen 1307 und 1321 (Erstdruck 1472). Zu Hegels Zeit war
die dreibändige Übersetzung von Karl Ludwig Kannegießer im Umlauf (Die göttliche
Komödie. Leipzig 1814-1821; der erste Band, Die Hölle, war bereits 1809 in Amster-
dam separat erschienen; vgl. Die Göttliche Komödie. Italienisch und deutsch. Übers.
von Hermann Gmelin. 3 Bde. Stuttgart 1949-1951).
cxxix
Christian Gottlob Heyne (1729-1812): Philologe, Professor der Beredsamkeit
und Universitätsbibliothekar in Göttingen. Vgl. Chr. G. Heyne: Akademische Vorlesun-
gen über die Archäologie der Kunst des Alterthums, insbes. der Griechen und Römer.
Braunschweig 1822.
cxxx
Vgl. Johann Joachim Winckelmanns Versuch einer Allegorie, besonders für
die Kunst. Dresden 1766.
cxxxi
Die Darstellung rekurriert auf Abraham Hyacinthe Anquetil du Perrons
(1731-1805) Zend-Awesta, Ouvrage de Zoroastre, contenant les Idées théologiques,
physiques et morales de ce législateur, les cérémonies du culte religieux qu’il a établi et
plusieurs traits importants relatifs à l’ancienne histoire des Pères (Paris 1777), das He-
gel zumindest durch Johann Friedrich Kleuker in deutscher Übersetzung kannte (Zend-
Avesta. Zoroasters Lebendiges Wort. […] Nach dem Französischen des Herrn Anquetil
du Perron [hrsg. von Johann Friedrich Kleuker]. 5 Bde. Riga 1776-1783 [eine erweiterte
und vermehrte Auflage folgte 1789]).
cxxxii
Hegels Charakteristik des Ormuzd bezieht sich indirekt auf Anquetil du Per-
ron bzw. auf die Übersetzung Kleukers, referiert möglicherweise aber Creuzers Darstel-
lung der Medisch-Persischen Religion, die auf Kleuker fußt. Vgl. Friedrich Creuzer
(1771-1858): Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen. 6
Bde. Leipzig/Darmstadt 21819-1822. Bd. 1, 650-799, bes. 693ff.
cxxxiii
Vgl. Hegel: Philosophie der Religion (in: Hegel: Werke. Bd. 11, 415): „Die-
se Sterne heißen die Amschadspan, und Ormuzd, der das allgemeine Licht ist, ist auch
einer der Amschadspan. Das Reich des Ormuzd ist das Lichtreich, es giebt darin sieben
Amschadspan: man könnte hierbei etwa an die Planeten denken, aber sie werden im
Zendavesta und in allen, auch sogar an jeden einzelnen, gerichteten Gebeten nicht näher
chrarakterisirt. Die Lichter sind die Gefährten des Ormunzd und regieren mit ihm. Auch
der persische Staat ist, wie dieses Lichtreich, als das Reich der Gerechtigkeit und des
Guten dargestellt: der König war auch mit sieben Großen umgeben, die seinen Rath bil-
deten, und die als Repräsentanten der Amschadspan, wie der König als Stellvertreter des
Ormuzd, vorgestellt wurden. Die Amschadspan regieren, jeder einen Tag abwechselnd,
im Lichtreich mit Ormuzd: es ist somit hier nur ein oberflächlicher Unterschied der Zeit
gesetzt.“
cxxxiv
Vgl. Herodot: Historien. I, 125,2-126,6 (Bd. 1, 122-125).
cxxxv
Vgl. dazu die Darstellung Creuzers, auf die Hegel sich vermutlich bezieht:
Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 2, 714.
cxxxvi
Mithras, Gott des Rechtes und der Ordnung des Staates, auch als Lebens-
spender aufgerufen; seit dem 1. Jhd. n. Chr. im römischen Reich Erlöser und Gott der
Soldaten.
cxxxvii
Die Bestimmung des Brahma als Abstraktum findet sich in Hegels Rezensi-
on von W. v. Humboldts Bhagavad-Gita (Hegel: Bhagavad-Gita, 111). Weitere Be-
stimmungen sind „das reine Sein“ (138), „das abstrakte Selbstbewußtsein“ (144; zur
Darstellung des Brahma im Verhältnis zu Vishnu oder Krishna vgl. 149). Vgl. auch
Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 626, 634.
cxxxviii
Hegel spielt auf die beiden großen indischen Nationalepen Ramayana und
Mahabharata an. – Das Ramayana wurde nie vollständig ins Deutsche übersetzt. Eine
Übersetzung der Eingangspassagen des Ramayana findet sich beispielsweise im An-
hang von Friedrich Schlegels Abhandlung Über die Sprache und Weisheit der Indier.
Ein Beitrag zur Begründung der Alterthumskunde. Heidelberg 1808 (Schlegel: Kriti-
sche Ausgabe. Bd. 8, 327-379). Weitere Passagen übersetzt etwa A. W. Schlegel unter
dem Titel Die Herabkunft der Göttin Ganga, in: Indische Bibliothek (1. Bd. 1. Heft.
Bonn 1820, 50-96). Schlegel hebt in dieser Zeitschrift die Verdienste der „Englischen
Uebersetzungen indischer Bücher“ (a.a.O. 16) hervor und verweist auf die (nicht abge-
schlossene) Übersetzung und Kommentierung des Ramayana (a.a.O. 20f): The Ra-
mayuna of Valmeeki, in the original Sungskrit. With prose translation and explanatory
notes, by William Carey and Joshua Marshman. 3 Bde. Serampore 1806-1810. Auf die-
se Ausgabe stützt sich auch Hegel nach eigener Aussage. Vgl. Hegel: Bhagavad-Gita,
122, Anm.
cxxxix
Das Lingam/Linga (Sanskrit ’Geschlechtsglied’), eine Phallusdarstellung ist
das in ganz Indien verehrte Sinnbild des Shiva. Die Joni ist bei den Hindus das weibli-
che Gegenstück, die Darstellung des Mutterschoßes als Symbol der gebärenden Natur-
kraft und der sie verkörpernden Göttin Uma.
cxl
Die Geschichte, auf die Hegel sich hier bezieht, findet sich wiederum im ersten
Buch des Ramayana (Bala Kanda. 36. Gesang). Vgl. auch Hegel: Bhagavad-Gita, 118f.
Die Übersetzung von Schlegel findet sich in: Indische Bibliothek (1. Bd. 1. Heft. Bonn
1820, 50-96).
cxli
Rudra: Sturmgott der indischen Mythologie; aus ihm entwickelte sich Shiva.
cxlii
Ramayana. Buch 1, Sectio 51-55.
cxliii
Hegel bezieht sich auf Friedrich Schlegels Übersetzung der Bhagavad-Gita.
Vgl. Hegel: Enzyklopädie 1827, § 573.
cxliv
Dschellaledin Rumi, Persischer Dichter (1207-1273). Vgl. Friedrich Rückert:
Mewlana Dschelaleddin Rumi. In: Taschenbuch für Damen aus dem Jahre 1821. Tü-
bingen 1821. Das 3. Gedicht wird auch im Rahmen der Diskussion um den Pantheismus
in Hegels Enzyklopädie (1827, § 573 Anm.) ausführlich zitiert. Hegel polemisiert gegen
den Theologen Tholuck, welcher in seiner Blüthensammlung aus der morgenländischen
Mystik (Berlin 1825) über den Sufismus Hafis’ und Rumis geschrieben hat.
cxlv
Vgl. Angelus Silesius (1624-1677): Geistreiche Sinn- und Schlußreime aus
dem Cherubinischen Wandersmanne. Hrsg. von Karl August Varnhagen von Ense,
Hamburg 1822.
cxlvi
S. Anm. cxliv. Nach seiner zweiten Heimat erhielt der Dichter den Beinamen
’Rumi’, d.h. ’der Anatolier’. Er stiftete den Derwischorden der Mewlewije. Sein Divan
gilt als das schönste Werk der persischen Mystik.
cxlvii
Genesis 1, 3. – Longin (Anm. vii) führt dies als Beispiel der Erhabenheit an
(vgl. Pseudo-Longinos: Vom Erhabenen. 9.9).
cxlviii
Mit dieser Charakteristik der Psalmen bezieht sich Hegel auf Johann Gott-
fried Herder: Vom Geist der Ebräischen Poesie. Zweiter Teil (1783). Herder beschreibt
die Psalmen als „Ausdrücke der innersten, der individuellsten Herzenssprache“ (Herder:
Sämmtliche Werke. Bd. 12, 232).
cxlix
Psalm 104.
cl
Vgl. Ovid: Metamorphosen. IX, 708-739, 394f.
cli
Attis wurde in Phrygien als Gefährte bzw. Geliebter der Göttin Kybele verehrt.
clii
Hegel bezieht sich vermutlich auf Ovid: Metamorphosen. V. 341-661, 180-197
(zu Ceres); V. 385-571, 182-193 (zu Proserpina).
cliii
Vgl. Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 458.
cliv
„Osiris ist der Nil, Isis das fruchtbare Land Aegypten“ (Creuzer: Symbolik und
Mythologie. Bd. 1, 334); für die Bestimmung des Osiris als des „weilende[n], schmach-
tende[n], beinahe ausgetrocknete[n] Nil[s]“ und der Isis als der „sich härmende[n] Gat-
tin“ vgl. Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 269: „Isis […] ist das dem Nil, dem
Gatten und Bruder, verbundene Schwesterland, das nun bei seiner Todesschwäche die
Folgen empfindet.“ Vgl. auch Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 268, wo Isis
das „Aegyptische Land“ genannt wird.
clv
Hegel führt die spätantiken Hypotheseis zu Ödipus Tyrannos an (Sophokles:
Tragödien und Fragmente. Griechisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Wilhelm Willige.
München 1966, 900-903). S. dazu die Bezugsstelle im Drama: Prolog. V. 35f
(Sophokles: Tragödien, 171).
clvi
Äsop (6. Jh. v.u.Z.), griechischer Fabeldichter. Vgl. Samuel Richardsons Sit-
tenlehre für die Jugend in äsopischen Fabeln. [Aus dem Englischen übertragen und mit
einer Vorrede von Gottold Ephraim Lessing.] Leipzig 1757. (Zitiert: Äsop: Fabeln.) –
S.u. Anm. clxi.
clvii
Die Deutung der Äsopischen Fabeln, die Hegel gibt, spiegelt Lessings Deu-
tung der Verwendung von Tiergestalten wieder. Nach Lessing umfassen die Tiergestal-
ten „die kleine Sphäre derjenigen Wesen, […] von denen man zuverlässig weiß, daß
auch bei den Unwissendsten ihren Benennungen diese und keine andere Idee entspricht“
(Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel. In: Lessing: Werke. Bd. 5, 385-393, hier:
390). Die Verknüpfung von Tiergestalten mit einer Moral entspricht Lessings Definition
der Fabel, daß diese einen „allgemeinen moralischen Satz“ an einem „besonderen Fall“
anschauend erkennen lässt. Vgl. Vom Wesen der Fabel. In: Lessing: Werke. Bd. 5, 384.
clviii
Vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Fabeln. Drei Bücher. Nebst Abhandlungen
mit dieser Dichtungsart verwandten Inhalts (Berlin 1759); (Werke. Bd. 1, 217-271).
clix
Hegel bezieht sich auf den Reineke Fuchs. Die älteste Spur der Fabel ist der la-
teinische Ekbasis captivi, in Lothringen um 940 entstanden. Es folgten verschiedene
Umformungen. Um 1250 enstand dann in Ostflandern die Grundlage des späteren, 1498
ins Niederdeutsche umgeschriebenen Reyneke de Vos. Johann Christoph Gottscheds
(1700-1766) hochdeutsche Prosaübertragung von 1752, die den niederdeutschen Text
als Anhang wiedergibt sowie die protestantische Glosse aus dem 16. Jh. (Explikation
der Sittenlehre des Textes) mitüberliefert: Heinrichs von Alkmar Reineke der Fuchs, mit
schönen Kupfern. Nach der Ausgabe von 1498 ins Hochdeutsche übersetzt und mit ei-
ner Abhandlung von dem Urheber, dem Alter und großen Werth dieses Gedichtes ver-
sehen von Johann Christoph Gottscheden. Leipzig und Amsterdam 1752. Gottscheds
Ausgabe wurde die Grundlage für Goethes Hexameter von 1794 (vgl. Goethe: Sämtli-
che Werke. Bd. 3, 7-162). Hegels Charakteristik trifft das Anliegen Herders (vgl. Reine-
ke, der Fuchs [1793]. [Sämmtliche Werke. Bd. 16, 218-222]) wie Goethes, die den
Reineke als Schelm, nicht als Betrüger darstellen (Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 3, 7).
clx
Zu Äsop (angebl. Mitte d. 6. Jh. vor Chr.) vgl. das im 13. Jh. durch Maximus
Planudes zusammengestellte Corpus Fabularum Aesopiarum; s. auch Aesopische Fa-
beln. Griechisch und deutsch. Bearbeitet von August Hausrath. München 1940; bzw. die
im folgenden zitierte, von Lessing übersetzte Ausgabe: Äsop: Fabeln (s.o. Anm. clvii).
clxi
Von Äsop wird vermutet, daß er ein freigelassener Sklave aus Samos war, der
später als Gesandter des Königs Krösos großes Ansehen gewann. Ein Sklave war aber
auch der um 50 n. Chr. verstorbene römische Fabeldichter Phädrus, der aus Makedonien
als Sklave nach Rom kam, dort von Augustus freigelassen wurde und seine fünf Bücher
der Fabeln (entsprechend dem griechischen Trimeter in jambischen Senaren) zunächst
in Anlehnung an Äsop, dann selbständig verfaßte. Die von Hegel im folgenden erwähn-
te Ableitung einer „Lehre“ ist eine spätere Hinzufügung zu den Äsopischen Fabeln, die
erst im 11. Jahrhundert durch die Byzantiner zusammengestellt wurden.
clxii
Vgl. 163. Fabel: „Die Eiche und die Weide“ (Äsop: Fabeln, 239-242).
clxiii
Die Fabel xxix: „Der Adler und der Fuchs“, findet sich im dritten Buch von
Lessings Fabeln (s.o. Anm. clviii).
clxiv
Vgl. 18. Fabel: „Die Schwalbe und andere Vögel“ (Äsop: Fabeln, 34-36).
clxv
Vgl. 13. Fabel: „Der Fuchs und der Rabe“. (Äsop: Fabeln, 26-29.)
clxvi
Kondrad Pfeffel (1736-1809).
clxvii
Christian Fürchtegott Gellert (1715-1869).
clxviii
Gottlob Ephraim Lessing (1729-1781).
clxix
Jean de La Fontaine (1621-1695).
clxx
Hegel kritisiert hier das traditionelle „fabula docet“. Eine solche kritische Auf-
fassung vertritt auch Lessing, u. a. in seiner Abhandlung Vom Wesen der Fabel (Les-
sing: Werke. Bd. 5, 355-385), wo er sich insbesondere von der Fabeltheorie Johann
Jakob Breitingers (1701-1778) kritisch absetzt, der die Fabel lediglich als Einkleidung
der Wahrheit versteht. Lessing erklärt hier, daß die Fabel „die moralische Lehre in die
Handlung weder versteckt noch verkleidet, sondern durch sie der anschauenden Er-
kenntnis fähig gemacht werde“ (Lessing: Werke. Bd. 5, 371 [Kursivierungen im zitier-
ten Text]).
clxxi
Hegel spielt möglicherweise auf die Rubriken Gott, Gemüth und Welt und
Sprichwörtlich an, die Goethe in den zweiten Band der Werke von 1815-1819 aufge-
nommen hat (vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 1, 407-442). Vgl. dazu die im dritten
Band der von ihm selbst 1827 herausgegebenen Ausgabe seiner Werke unter der Über-
schrift Gott und Welt zusammengefaßten Weltanschaulichen Gedichte (Goethe: Sämtli-
che Werke. Bd. 1, 507-533).
clxxii
Hegel bezieht sich auf Aristophanes’ Vespas (Die Wespen. V. 1446) und Ei-
rene (Der Friede. V. 129). Eine Paraphrase der Fabel findet sich in der Aristophanes-
Edition von Johann Heinrich Voß (1751-1826). (Aristofanes von Johann Heinrich Voß.
Mit erläuternden Anmerkungen von Heinrich Voß. Zweiter Band. Braunschweig 1821,
11; Corpus Fabularum. Bd. 3, 1. c.)
clxxiii
Hegel beschreibt das Motiv der ersten Fabel des ersten Buches der Fables
(1628) von Jean de la Fontaine (1621-1695); allerdings sind die Akteure dort Grille und
Ameise (La Cigale et la Fourmi). In Lessings Fabeln findet sich im ersten Buch die Fa-
bel ii. Der Hamster und die Ameise (s.o. Anm. clviii).
clxxiv
Vgl. Titus Livius, 2. Buch, Kap. 32.
clxxv
Vgl. Herodot: Historien. I, 125,2-126,6 (Bd. 1, 122-125).
clxxvi
Hegel spielt an auf Das große Gastmahl im Evangelium nach Lukas (vgl. Lu-
kas 14, 16-24).
clxxvii
Matthäus 13, 1-9, hier: 13, 3; Markus 4, 1-9, hier: 4, 2; Lukas 8, 4-8, hier: 8,
5.
clxxviii
Vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise. Ein dramatisches Ge-
dicht in fünf Aufzügen (1779). III, 7 (Lessing: Werke. Bd. 2, 275-282).
clxxix
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Katzenpastete (1810); (Goethe: Sämtli-
che Werke. Bd. 1, 399f).
clxxx
Johann Wolfgang von Goethe: Der Gott und die Bajadere. Indische Legende
(1797); vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 1, 158-160.
clxxxi
Das in der christlichen Ikonographie verbreitete Motiv der büßenden Maria
Magdalena geht nicht auf eine biblische Überlieferung zurück, sondern auf eine seit
dem 10. Jh. in Anlehnung an die Legende der Maria Ägyptiaca von Italien aus verbrei-
tete Legende. Das biblische Motiv der anonymen schönen Sünderin (Lukas 7, 37-50),
das Hegel verschiedentlich aufgreift, wird in der patristischen Exegese mit der Person
der Maria Magdalena verknüpft.
clxxxii
Die Musen bzw. Pieriden werden bei Ovid nicht in Spechte, sondern in El-
stern verwandelt. Vgl. Ovid: Metamorphosen. V. 294-331, 178-181 (Gesang der Pier-
iden); V. 341-661, 180-197 (Gesang der Calliope über Ceres); V. 669-678, 196f
(Verwandlung der Pieriden in Elstern [picae]). Der Specht [picus] als Sohn des Saturn
wird eigens behandelt: XIV, 312-396, 528-533.
clxxxiii
In höfischer Zeit entstanden Rätselgedichte wie das Traugemundeslied und
der Wartburgkrieg sowie Rätsel in der Spruchdichtung, später im Meistersang. Im
Spätmittelalter bewahren Volksbücher wie auch der Eulenspiegel (1515) und andere
Volksdichtungen Rätsel.
clxxxiv
S.o. Anm. cxxviii.
clxxxv
Vgl. Aristoteles: Poetik. 1457a, 5; 1459a, 15, bes. 1457b, 15-25.
clxxxvi
Vgl. Henry Home: Grundsätze der Critik. Leipzig 1772.
clxxxvii
Vgl. Ovid: Metamorphosen. XIII, 789-807, 504f.
clxxxviii
Das Alte Testament berichtet von einem Rätselstreit zwischen Salomo und
der Königin von Saba. (Vgl. 1 Könige [3 Kg]. 10, bes. 10,1-3; 2 Chronik. 9, bes. 9,1-2.)
clxxxix
Hegel folgt Herder, der Ossian als die letzte Stimme der Heldenzeit für die
schwächere Nachwelt, als die Stimme voriger Zeiten, aber eine traurige Stimme charak-
terisiert. (Vgl. Homer und Ossian. In: Herder: Sämmtliche Werke. Bd. 18, 100.)
cxc
Vgl. Poems of Ossian. 2 Bde. Edinburgh 1971 (Reprographischer Nachdruck
der Ausgabe London 1805). Conlath and Cuthona: A Poem.
cxci
Hegel bezieht sich auf Shakespeares King Henry IV. Part II. I, 1, 68-75 in der
Übersetzung von Schlegel-Tieck mit leichten orthographischen Varianten (Shakespeare:
Sämtliche Dramen. Bd. II, 252).
cxcii
Hegel spielt an auf Shakespeares Richard II (Shakespeare: Sämtliche Dramen.
Bd. II).
cxciii
Hegel spielt auf die Rede der Queen Katherine aus Shakespeares King Henry
VIII. III, 1, 146-153 an (Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. II, 846).
cxciv
Hegel spielt auf Shakespeares Macbeth. V. 5, 23-26 an (Shakespeare: Sämtli-
che Dramen. Bd. III, 582).
cxcv
Hegel bezieht sich auf Shakespeares King Henry VIII. III, 2, 351-358 (die
Worte des Kardinals Wolsey; Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. II, 858).
cxcvi
Zitiert in Henry Homes: Grundsätze der Critik. 3. Teil. Leipzig 1766, 46.
cxcvii
Johann Wolfgang von Goethe: Mahomets Gesang. Hegel bezieht sich nicht
auf die 1772/1773 entstandene Erstfassung, die im Göttinger Musenalmanach (1774) un-
ter dem Titel Gesang erschienen ist, sondern auf die zu der Handschrift für Frau von Stein
(1777) revidierte, dann beibehaltene Fassung von Mahomets-Gesang (Goethe: Werke. Bd.
1, 42-44).
cxcviii
Mohammed Schemsed-din Hafis: Der Diwan. Aus dem Persischen zum er-
stenmal ganz übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall. Stuttgart/Tübingen 1812.
Bd. 1, 80 (Der Buchstabe Ta, XXIV): „Der Bau der Reu’, er schien so fest,/Als wär’ er
ganz von Steine/O seht, wie das kristallne Glas/Ihn schon zerschlagen“.
cxcix
Die Sage des Prometheus findet Hegel bei Hesiod (Hesiod: Theogonie. V.
507-616, 42-51).
cc
Eine der berühmtesten Jagden der Antike, an der neben Theseus eine große An-
zahl Heroen beteiligt war, ist die Jagd auf den Kaledonischen Eber. Homer behandelt in
der Ilias (IX, 529-599, 306-309) vor allem den um das Fell des Ebers entbrannten
Krieg. Ausführlicher über die Jagd und deren Teilnehmer berichten Apollodor (Biblio-
thek. I. VIII, 2f [Apollodor: Bibl. Bd. 1, 64-69]) sowie Ovid (Metamorphosen. VIII,
260-444, 288-297). Dazu vgl. auch Diodorus (IV, 34 [Diodorus. Bd. 2, 452-455]). Zu
den berühmten Jagden gehört u. a. auch die Erlegung des Nemeischen Löwen, die erste
der zwölf Arbeiten des Herakles. Vgl. dazu Hesiod: Theogonie. V. 326-332, 30f; Apol-
lodor: Bibliothek. II. V, 1 (Apollodor: Bibl. Bd. 1, 184-187); Diodorus (IV, 11, 3-4
[Diodorus. Bd. 2, 376-379]). Bei Hesiod wird ebenfalls der Kampf mit der Lernäischen
Schlange erwähnt (vgl. Hesiod: Theogonie. V. 316, 28f).
cci
Vgl. Ovid: Metamorphosen. Beispiele für solche Verwandlungen in ein Tier als
Strafe der Götter für menschliche Hybris sind die Verwandlung der Weberin Arachne
durch Pallas Athene in eine Spinne (a.a.O. VI, 1-145) und die Verwandlung der Lyki-
schen Bauern durch Latona in Frösche (a.a.O. VI, 312-380). Ein Beispiel der Bestrafung
für eine Ungeschicklichkeit eines Menschen ist die Verwandlung des Aktaeon durch
Diana in einen Hirsch (a.a.O. III, 155-252).
ccii
Zur Verwandlung des Jupiter in einen Stier vgl. Apollodor: Bibliothek. III, 1.1
(Apollodor: Bibl. Bd. 1, 298-299); Ovid: Metamorphosen. II, 846-875, 86-89. Über die
Verwandlung in einen Schwan berichten Apollodor (Apollodor: Bibliothek. III, 10, 7
[Apollodor: Bibl. Bd. 2, 22f]) und Laktantius (De falsa religione. I, 21 [Migne. PL To-
mus VI (Lucii Caecilii Firmiani Lactantii opera omnia. Tomus primus). Paris 1844,
230-242]). Vgl. auch Euripides: Helena. Vorszene. V. 17-22 (Euripides: Sämtliche Tra-
gödien. Bd. 4, 112f).
cciii
Vgl. Anm. clxxxii.
cciv
Vgl. Aischylos: Eumeniden. V. 84ff (Aischylos: Tragödien und Fragmente,
190ff). Die Tragödie (der dritte Teil der Orestie) schildert die Entsühnung des von den
Erynnien verfolgten Orest, des Muttermörders, bis schließlich die Erynnien zu Eumeni-
den, d.h. Gutgesinnten, werden. Zwischen der Göttin Athene und den Erynnien wird ein
Forum des höheren Gerichts entwickelt, in dem zwischen Vater- und Mutterrecht bzw.
Gesetz des sittlichen Staates und Gesetz der Naturmächte entschieden werden soll, denn
Orest hat dem Vaterrecht Apolls gehorcht, das Mutterecht dagegen verletzt. Athene be-
ruft den Areopag, Apoll selbst tritt als Zeuge auf, um Orest zu entlasten. Da der Areo-
pag zu keiner Entscheidung kommt, fällt die Zeus-Tochter Athene schließlich das Urteil
und entscheidet für das Vaterrecht. Die Erynnien söhnt sie aus, indem sie sie in den Kult
des Landes aufnehmen läßt. Als Eumeniden sind sie schließlich mitwirkend bei Ent-
scheidungen des Rechts.
ccv
Pausanias, X, 5, 5.
ccvi
Vgl. Anm. xxxix; Hegel meint Herodot. Vgl. Herodot: Historien. II, 53 (Bd. 1,
246-249).
ccvii
Vgl. Herodot: Historien. II, 50 (Bd. 1, 244f).
ccviii
Hegel spielt auf Homers Ilias an und zwar auf die Rede des Kalchas, der die
Krankheit als Strafe für die Verletzung eines der Priester Apollons deutet (Homer: Ilias.
I, 93-100, 10f), und auf die durch Apollon gesendete neuntägige Pest (Homer: Ilias. I,
43-53, 8f).
ccix
Homer: Odyssee. XXIV, 50-97, 640-642.
ccx
Hegel bezieht sich auf die Geschichte des Chronos bei Hesiod (Hesiod: Theo-
gonie. V. 453-467, 38-41).
ccxi
Die Sage des Prometheus findet Hegel bei Hesiod (Hesiod: Theogonie. V. 507-
616, 42-51).
ccxii
Hegel bezieht sich auf Platon: Politikos. 274c-274d; vgl. auch Platon: Prota-
goras. 321d-322a. Platon bezieht sich seinerseits auf Hesiod: Theogonie. V. 507-616,
42-51, hier bes. V. 565-570, 46-49.
ccxiii
Vgl. Sophokles: Oedipus auf Kolonos. V. 54ff.
ccxiv
Vgl. die Theomachie der Ilias; z. B. XXI. 331-382, 724-729.
ccxv
Vgl. Äschylos: Eumeniden.
ccxvi
Vgl. Sophokles: Antigone. II. V. 450-457 sowie Hegels Phänomenologie des
Geistes (Hegel: Gesammelte Werke. Bd. 9, 236-509).
ccxvii
Die Diana bzw. Artemis (Diana von Ephesus) beschreibt Hesiod (Theogonie.
V. 14, 6f).
ccxviii
Hegel bezieht sich vermutlich auf Ovid: Metamorphosen. V. 341-661, 180-
197.
ccxix
S.o. Anm. ccii.
ccxx
Hegel stellt diesen Zusammenhang systematisch im Religionskapitel der Phä-
nomenologie des Geistes als den Übergang von der symbolischen Religion zur griechi-
schen Kunstreligion dar (Hegel: Gesammelte Werke. Bd. 9, 375ff). Vgl. die
Parallelstelle: „[Die Götter sind] Erzeugnisse der Künstler und müssen es sein. Traditi-
on und Umbildung derselben hat die geistigen Götter der Griechen hervorgebracht. Ein
Überliefertes und ein Gemachtes [sind sie]; man stellt sich vor, als ob dies miteinander
stritte, aber [das ist] gar nicht [der Fall], sondern das Hervortreten des Geistigen hat
nothwendig eine Voraussetzung, und diese Voraussetzung ist das Natürliche“ (Kehler
1826, Ms. 226f).
ccxxi
Vgl. Herodot: Historien. II, 50 (Bd. 1, 244f).
ccxxii
Für die Aphrodite findet Hegel seine Charakteristik bei Hesiod (Theogonie.
V. 187-206; 20f).
ccxxiii
Hegels Quelle ist Creuzers Symbolik und Mythologie, wobei Creuzer sich auf
Dionysus (1 Jh. v.u.Z.), Diodorus und Strabo (ca. 63 vor-20 nach) beruft: „Sodann be-
merken wir den Jahrescyclus von 365 Tagen, personificiert als Som-Herakles, als der
Kämpfer auf der Sonnenbahn. Nach dieser Ansicht ist er der Sohn des Lichtkönigs
Ammon, der im Widderzeichen erscheint, und das Jahr unter mancherlei Arbeiten
durchführt; denn die zwölf Kämpfe stellen uns eben den Lauf der Sonne durch den Zo-
diacus dar“ (Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 456).
ccxxiv
Gemeint ist wohl das Blücherdenkmal in Rostock auf dem Hopfenmarkt
(heute Universitätsplatz). Das Denkmal ist eine Bronzefigur auf einem Sockel, der an
den vier Seiten mit Bronzereliefs verziert ist. Es wurde am 26. August 1819 zu Ehren
von Gebhard Leberecht von Blücher errichtet. Der in Rostock geborene Blücher war
Feldherr in den Napoleonischen Befreiungskriegen und der erste Ehrenbürger Rostocks.
ccxxv
Hegel bezieht sich hier auf das Gedicht Schillers: Die Götter Griechenlands
(erste Fassung): „Da die Götter menschlicher noch waren, / waren Menschen göttlicher“
(Schiller: Werke. Bd. 1, 190-195, hier: 195).
ccxxvi
„Aus der Zeitflut weggerissen, schweben/Sie gerettet auf des Pindus
Höhn;/Was unsterblich im Gesang soll leben,/Muß im Leben untergehn.“ (Ebd.)
ccxxvii
Hegel bezieht sich auf: Evariste de Parny (1753-1814): La guerre des dieux.
Poème en dix chants. Paris 1799. Vgl. Kehler 1826, Ms. 262. – Das Buch wurde 1827
in Frankreich verboten, doch besaß Hegel ein Exemplar.
ccxxviii
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Die Braut von Korinth. In: Friedrich
Schiller: Musenalmanach für das Jahr 1798. Tübingen 1798, 88-99 (Goethe: Werke.
Bd. 1, 268-273).
ccxxix
Plautus (gest. 184 v. u. Z.), römischer Dichter.
ccxxx
Hegel spielt vermutlich auf De origine et situ Germanorum des römischen
Historikers Publius Cornelius Tacitus (55-ca. 115 nach) an, der dem Verfallsprozeß der
Kaiserzeit die idealisierte virtus der Germanen entgegensetzt.
ccxxxi
Sallust (C. Sallustius Crispus, 86-35 v.u.Z.), römischer Geschichtsschreiber.
Vgl. Gaius Sallustius Crispus: Werke. Lat. und Dt. von Werner Eisenhut. München
1985.
ccxxxii
Seneca d. Ä. (um 55 v.-um 40 nach), der Vater des Philosophen, hat ein
(nicht erhaltenes) Geschichtswerk verfaßt, in welchem die Zeitgeschichte seit Beginn
des Bürgerkrieges dargestellt war.
ccxxxiii
Vgl. Horaz: Satyren. (Horaz: Sämtliche Werke, 254-417 [Sermones].) Vgl.
dazu die mit kulturkritischen Anmerkungen versehene Übersetzung Christoph Martin
Wielands: Horazens Satiren aus dem Lateinischen übersetzt und mit Einleitungen und
erläuternden Anmerkungen versehen von C.M. Wieland (1786). (Christoph Martin Wie-
land: Übersetzung des Horaz. Hrsg. von Manfred Fuhrmann. Frankfurt a.M. 1986.)
ccxxxiv
Juvenal (58/60-138/130 nach Chr.), römischer Satiriker.
ccxxxv
Lukian (120-180 nach Chr.), griechischer Schriftsteller. Vgl. Lucian von
Samosata: Sämtliche Werke. Aus dem Griechischen übersetzt und mit Anmerkungen
Stk., 199-215) erschien eine mit S[eckendorff; Karl Sigmund Freiherr von Seckendorff,
1744-1785] gezeichnete Übersetzungsprobe: Romantische Geschichte des Cid. Hier
wird wie bei Hegel die Zugehörigkeit der ursprünglich spätmittelalterlichen Heldenlie-
der zur romantischen Welt betont.
ccxlvii
Hegel bezieht sich hier auf eine nicht näher zu spezifizierende Fassung des
Rolandsliedes des Pfaffen Konrad (ca. 1170) oder auf dessen Vorlage, das Chanson de
Roland (ca. 1100), das dem Théroulde zugeschrieben wird. Der Stoff war überdies
durch die Bearbeitung Karl Leberecht Immermanns (1796-1840) Das Tal von Ronceval
(1819) und Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte Fouqués (1777-1843) Romanzen
vom Thale Ronceval (1805) bekannt.
ccxlviii
Hegel bezieht sich möglicherweise auf Claudius von Turin (gest. um 827).
ccxlix
Der Stoff des Reineke Fuchs liegt seit dem frühen Mittelalter in zahlreichen
Bearbeitungen vor, u.a. im mittelateinischen Ysengrimus (ca. 1150), im französischen
Roman de Renart (13. Jh.), im mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs (Ende 12. Jh.) und
in der niederdeutschen Volksdichtung Reynke de Vos (1498). Die Geschichte der frevel-
haften Winkelzüge des schlauen Fuchses wird dabei häufig für satirische Absichten ge-
nutzt. Goethes Tierepos Reineke Fuchs (1794) basiert auf einer Prosaübersetzung des
niederdeutschen Volksbuches, die Gottsched 1752 veröffentlichte (s. auch Anm. clix).
ccl
Vgl. Shakespeare: König Lear (King Lear), I. 4.
ccli
Vgl. die Parallelstelle Hotho 1823: „Macbeth z.B. ist dieser Charakter,
[sch]wankend zuerst, bis die Leidenschaft des Ehrgeizes sich völlig fest in ihm gesetzt
hat. Er streckt die Hand nach der Krone hin; um sie zu behaupten, begeht er Verbrechen
− dies ist die pralle Identität seines partikulären Charakters seiner selbst. Himmlische,
menschliche Rechte haben keinen Sinn da, und so vollführt er sich. Die Lady Macbeth
ihm zur Seite ist noch schlimmer; von dem, daß ihr Gemahl das geworden ist, davon ist
keine Rede, noch Freude, sondern das erste ist, daß sie ihn fürchtet: ’Nur fürcht' ich dein
Gemüt’“ (Macbeth. I. 5, V. 16 [Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. 3, 528]).
cclii
Vgl. Othello (Othello, The Moore of Venice). Tragödie in fünf Akten (Vers
und Prosa) von William Shakespeare (1564-1616). Entstanden um 1603; Erstausgaben
Quarto, London 1622, Folio ebda. 1623; erste bezeugte Aufführung 1.11.1604 White-
hall.
ccliii
Vgl. bes. Romeo and Juliet. I. 3, V. 16-62: die Schilderung von Julias Kind-
heit etc. (Shakespeare: Sämtliche Dramen. Bd. 3, 293-295).
ccliv
Hegel bezieht sich auf Miranda, die Tochter des Prospero aus Shakespeares
Tempest (Erstaufführung 1661; Erstdruck 1623). Im ersten Akt (I. 2, V. 18) charakteri-
siert Prospero seine Tochter als „ignorant of what thou art“ (Shakespeare: Sämtliche
Dramen. Bd. 1, 33). Diese Einschätzung trifft das Handeln und Selbstverständnis Mi-
randas. Vgl. dazu bes. die erste Szene des dritten Aktes: Shakespeare: Sämtliche Dra-
men. Bd. 1, 63-66.
cclv
Thekla ist eine Gestalt, die Schiller erfunden hat. Vgl. Schiller: Wallenstein.
Tübingen 1800.
cclvi
Johann Wolfgang von Goethe: Der König von Thule; zuerst veröffentlicht in:
Volks- und ander Lieder. In Musik gesetzt von Siegmund Frhn. v. Seckendorf. Dessau
1782; dort Nr. 3, S. 6: Der König von Thule. Aus Goethens Dr. Faust (Goethe: Werke.
Bd. 1, 79-80).
cclvii
Hegel verweist auf Goethes Gedicht „Schäfers Klagelied“. In: Taschenbuch
auf das Jahr 1804. Hrsg. v. Wieland und Goethe. Tübingen 1804, 113f. Hegels Ab-
schrift des Gedichtes befindet sich im Besitz der Stadtbibliothek Nürnberg (Autogr.
1500); vgl. Hegels Abschrift von Goethes Gedicht „Schäfer's Klagelied“. Mitgeteilt von
Helmut Schneider. In: Hegel-Studien. 13 (1978) 77-84.
cclviii
Vgl. Theodor Gottlieb von Hippel (1741-1796): Kreuz- und Querzüge des
Ritters A bis Z (2 Bde. 1793-1794) und Lebensläufe nach Aufsteigender Linie (4 Bde.
1778-1781).
cclix
Hegel wendet sich hier gegen Goethe, der Hamlet „zu Unrecht ein schwaches
Gemüt“ vorwerfe. Vgl. Shakespeare und kein Ende! (Goethe: Werke. Bd. 18, 147-160,
hier: 154) und Wilhelm Meisters Lehrjahre. 5. Buch. 6. Kap. (Goethe: Sämtliche Werke.
Bd. 7, 329). Vgl. auch als Variante dieser Passage: „Hamlet gehört auch in die Katego-
rie des formellen Charakters. Ein unendlich edles Gemüt, das nicht schwach ist. Goethe
nennt ihn zu Unrecht ein schwaches Gemüt“ (Kehler 1826, Ms. 275f).
cclx
Mohammed Schemseddin, gen. Hafis (1300-1389), persischer Lyriker (s. Anm.
cxcviii).
cclxi
Goethe: West-Östlicher Divan (Anm. cv). Goethe vollendete den West-
östlichen Divan 1819 (vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 3, 285-412).
cclxii
Friedrich Rückert (1788-1866), deutscher Dichter, hat Rumi ins deutsche frei
und nach Hegel bewunderungswürdig übertragen. Vgl. Friedrich Rückert: „Mewlana
Dschelaleddin Rumi“. In: Taschenbuch für Damen aus dem Jahre 1821. Tübingen
1821.
cclxiii
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Der Abschied (1770). In: Goethes Schrif-
ten. 8. Band. Leipzig 1789, 112:
„Traurig wird in dieser Stunde
Selbst der Liebe süßtes Pfand,
Kalt der Kuß von deinem Munde,
Matt der Druck von deiner Hand.“
cclxiv
Hafis: Der Diwan. Der Buchstabe Sa. VI. Bd. 2, 35: „Die Braut der Rose
kehrt zum Fest“.
cclxv
S. Anm. cxliv, cxlvi.
cclxvi
Klopstock: Die künftige Geliebte [1748]. In: Klopstocks Oden. Bd. 1. Leipzig
1798, 29: „Heissest du Laura? Laura besang Petrarcha in Liedern, / Zwar dem Bewun-
derer schön, aber dem Liebenden nicht!“
cclxvii
Zur Beschreibung des Tempels des Bel vgl. Herodot: Historien. I. 181,5,
183,1, 184,1; III, 158 (Bd. 1, 164-169, 500f).
cclxviii
Hegel bezieht sich auf Creuzers Symbolik und Mythologie (Bd. 1, 686f).
Creuzer beschreibt dort Ekbatana im Zusammenhang seiner Behandlung der persischen
und medischen Architekturmonumente unter Hinweis auf Herodots Historien (Herodot:
Historien. I, 98 [Bd. 1, 96-99]): „Ekbatana […] von Dejoces erbaut, [war] eine königli-
che Burg gebaut an einem Hügel, terassenförmig, mit sieben Mauern, wovon eine im-
mer höher war als die andere, und die sich durch den verschiedenen Anstrich
voneinander unterschieden unstreitig mit Bezug auf die sieben Planeten, die hier in den
Kreis uralter, naiver Sinnbildnerei gezogen werden“.
cclxix
Hegel bezieht sich beim Bericht über den Zug des Sesostris auf Herodots Hi-
storien. II, 102,3-5, sowie 106,1 (Bd. 1, 282f, 284f).
cclxx
Carl Ritter (1779-1859), Die Vorhalle europäischer Völkergeschichten vor
Herodotus, um den Kaukasus und an den Gestaden des Pontus. Berlin 1820.
cclxxi
Der Bericht, auf den sich Hegel hier stützt, findet sich in Plinius’ Naturalis
Historia (Libri XXXI-XXXVII). Hegels Bezugsstelle ist vermutlich nicht Plinius selbst,
sondern Creuzer, der auf Plinius’ Naturalis Historia (Liber XXXVI. 14) verweist: „So
auch baut der Aethiopische Sohn Aurorens den Medern planetarische Städte. Mithras,
der Meder oder Perser, regiert in der Sonnenstadt Aegyptens (zu On-Heliopolis), und
wird dort von einem Traume erinnert, Obelisken zu bauen, sozusagen Sonnenstrahlen in
Stein, und Buchstaben darauf einzugraben, die man die Aegyptischen nennt“ (Creuzer:
Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 469). − Vgl. auch als Variante dieser Passage: „Zu
solchen Konstruktionen gehört viel Ägyptisches: [z. B.] die Obelisken. Hier sind gleich-
sam die Sonnenstrahlen in Stein ausgehauen und Buchstaben, sagt Plinius, [seien darauf
geschrieben], Hieroglyphen“ (Kehler 1826, Ms. 300f).
cclxxii
Vgl. die Schrift des Forschungsreisenden Giovanni Battista Murray Belzoni
(1778-1822): Narrative of the operations and recent discoveries within the pyramids,
temples, and excavations, in Egypt and Nubia. […]. 2 Bde. 3London 1822 (11820-1821)
(dt.: Entdeckungsreisen in Ägypten 1815-1819: in den Pyramiden, Tempeln und Grä-
bern am Nil. Mit einer Geschichte der Ägyptenreisen seit dem 16. Jahrhundert von Ing-
rid Nowel. Köln 31990 [11982]).
cclxxiii
Jean-François Champollion (1790-1832), französischer Sprachwissenschaft-
ler.
cclxxiv
Möris, Mörissee (ägypt. mer-wer): Im alten Ägypten der natürliche, stellen-
weise künstlich eingedämmte See, der als Speicher für das Überschwemmungswasser
des Nils gedient haben soll.
cclxxv
Carsten Niebuhr (1733-1815), Reisebeschreibung nach Arabien und andern
umliegenden Ländern. 2 Bände. Kopenhagen 1774-1777.
cclxxvi
Der Skythenkönig Idanthyrsos, von Darius zur Rede gestellt, warum er dem
Kampf mit den Eroberern ausweicht, erklärt: „Wir Skythen haben keine Städte und kein
Ackerland, um das wir besorgt sein müßten, es könnte erobert oder verwüstet werden,
so daß wir uns zum Kampf mit euch drängen müßten. Wenn ihr aber durchaus wollt,
daß es bald dazu kommt: Wir haben ja noch die Gräber unserer Väter. Wohlan! Findet
sie auf und versucht sie zu zerstören! Dann werdet ihr bald erkennen, ob wir mit euch
um die Gräber kämpfen werden oder nicht. Vorher aber, wenn es nicht unserer Über-
zeugung entspricht, werden wir den Kampf mit dir vermeiden“ (Herodot: Historien. II,
127, 2-4 [Bd. 1, 595]).
cclxxvii
Kariatiden sind Säulen oder Pfeiler, die Bilder von Frauen darstellen und
häufig in der griechischen und ägyptischen Architektur verwendet wurden.
cclxxviii
Hegel meint vermutlich die einzige erhaltene Säule des nach Trajans Tod
(53-117) von Kaiser Hadrian erbauten Tempels für Trajan und dessen Gemahlin Ploti-
na, die um 113 fertiggestellt wurde. Diese Säule befindet sich auf dem Trajansforum in
Rom; sie muß ursprünglich etwa 29 Meter hoch gewesen sein, hatte ein Marmorkapitell
und war aus einem Granitblock gehauen. Das etwa 200 Meter lange, spiralförmig um
den Schaft laufende Reliefband schildert Szenen aus den Dakerkriegen (101/102;
105/106). Im Inneren führt eine Wendeltreppe empor. In dem goldenen Sockel war die
Asche des Kaisers beigesetzt, auf der Säule befand sich eine vergoldete Bronzestatue
Trajans (1588 durch eine Petrusstatue ersetzt).
cclxxix
Hegel stützt sich hier auf ein Werk von Baron Dominique Vivant Denon
(1747-1825): Voyage dans la basse et la haute Égypte pendant les campagnes du géné-
ral Bonaparte. Paris 1802 (dt.: Reise in Nieder- und Ober-Aegypten, während der Feld-
züge des Generals Bonaparte. Aus dem Französischen übersetzt und mit einigen
Anmerkungen begleitet von Dieterich Tiedemann. Berlin 1803; Mit Napoleon in Ägyp-
ten. 1798-1799. Hrsg. von Helmut Arndt. Tübingen 1978); hier bes. 216: „Die Kapitäle,
wenn schon jedes von verschiedener Gattung, nehmen sich schön aus. Ein Beweis, daß
die Ägypter nichts von anderen Nationen entlehnten, ist, daß sie alle Verzierungen,
woraus ihre Kapitäle zusammengesetzt sind, von Erzeugnissen ihres Landes nehmen,
wie den Lotus, die Palme, die Weinrebe, die Binse usw“.
cclxxx
Diese Position teilt Hegel mit Goethe (vgl. Von Arakesken [1789]. [Goethe:
Sämtliche Werke. Bd. 13, 62-66]) und Karl Philipp Moritz (1757-1793); (vgl. Vorbegrif-
fe zu einer Theorie der Ornamente. Berlin 1793, bes. 25-28). Radikal abgelehnt wird die
Arabeske bei Friedrich Bouterwek (1766-1828); (vgl. Ästhetik. Leipzig 1806, bes. 216f)
und Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr (1757-1822); (Caspar David Friedrich:
Bekenntniße. Ausgewählt und hrsg. von Kurt Karl Eberlein. Leipzig 1924, 354).
cclxxxi
Es ist umstritten, ob diese Formulierung tatsächlich Friedrich Schlegel, des-
sen Bruder August Wilhelm Schlegel oder F.W.J. Schelling oder noch anderen Kunst-
theoretikern zu Anfang des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben ist. Immerhin heißt es mit
Bezug auf einen Aufenthalt von Friedrich und Dorothea Schlegel in Paris (1802-1804)
auf die dort von Friedrich Schlegel gehaltene erste Vorlesungsreihe Über deutsche Lite-
ratur (1802/03) in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek, und zwar in der Rubrik
„Vermischte Nachrichten und Bemerkungen“: „Herr Friedrich Schlegel hält in Paris
deutsche Vorlesungen über Philosophie und Literatur im Athenée des Etrangers. Es
wird nicht gesagt, ob er in diesen Vorlesungen auch die großen Entdeckungen verbrei-
tet, welche man in den Vorlesungen der neuesten Philosophen und Ästhetiker von seiner
Parthey zu hören bekommt. Z. B. „Die Liebe ist das Negative der Schwerkraft“. – „Die
Architektur ist eine gefrorne Musik.“ – „Die bezweifelte Nachricht alter Schriftsteller
von dem Tode des Euripides, nämlich, daß er von Hunden zerrissen worden, ist gewiß:
denn er hat ja die griechische Tragödie vor die Hunde gebracht.“ (78. Bd. Erstes Stück.
Berlin u. Stettin 1803, 206-207).
cclxxxii
Goethe: Von deutscher Baukunst. Frankfurt 1773 [recte 1772]. Wiederho-
lung in Herders Sammlung Von deutscher Art und Kunst. Hamburg 1773. Von Goethe
selber abgedruckt in: Über Kunst und Altertum. Bd. 4, Heft 3, 1824. Der Name Gotik
wurde von Vasari (1522-1574) geprägt. Er betrachtete die Goten als Urheber der (für
den Renaissancegeschmack) barbarischen mittelalterlichen Kunst. Auch nach der Be-
richtigung dieses historischen Irrtums blieb die Bezeichnung erhalten. Hegel bezieht
sich wahrscheinlich auf Goethes Eloge über das Straßburger Münster in Von deutscher
Baukunst: „das ist deutsche Baukunst, da der Italiener sich keiner eignen rühmen darf,
viel weniger der Franzos“ (Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 13, 16-26, hier: 23). 1810 hat-
te der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) die Bestimmung der
Gotik als der deutschen Architektur durch die Verknüpfung mit der christlichen Religi-
on erweitert: „die Neues schaffende und die gesamte Menschheit auf eine ganz andere
Stufe setzende Idee des Christentums bemächtigte sich endlich eines wahren Urvolkes,
der Deutschen, welches fern davon, sich unbedingt dem Einflusse des Altertums hinzu-
geben, aus dem eigenen Freiheitssinne heraus, allerdings unter Aufnahme früherer For-
men, eine eigen geartete Welt des Geistes und Lebens entstehen ließ“ (Dieter Kimpel
und Robert Suckale: Die gotische Kathedrale. Gestalt und Funktion. In: Funkkolleg
Kunst. Hrsg. von Werner Busch. Bd. 1. München 1987, 29-54, hier: 34).
cclxxxiii
S. Anm. cclxxxii.
cclxxxiv
Vgl. Aloys Ludwig Hirts (1795-1839) Schriften Die Baukunst nach den
Grundsätzen der Alten (Berlin 1809) sowie Die Geschichte der Baukunst bei den Alten
(4 Bde. Bde. Berlin 1821-1827). Zur Schilderung der Anfänge des Bauens im Holzbau
bei Vitruv (1. Jh. vor Chr.) vgl. die Schrift Vitruvii de architectura libri decem (1487
erstmals gedruckt, 1514 ins Deutsche übersetzt), inbes. Vitruv: De Architectura. Liber
secundus, 1. Vitruv behandelt hier die Formen urzeitlichen Bauens. – Zu den Autoren,
die ebenso wie Hirt in ihrem Streben nach Reinheit der Form die Idee strikt ablehnten,
die Holzbaukunst sei in Stein übersetzt worden, zählt auch A.W. Schlegel. (Vgl. u.a.
Schlegel: Kunstlehre, bes. 148f).
cclxxxv
Eine Beschreibung findet sich bei Vitruv. (Vgl. bes. Vitruv: De Architectu-
ra. Liber quartus).
cclxxxvi
Aloys Hirt: Die Geschichte der Baukunst bei den Alten. Bd. 2. Berlin 1822,
104f: „Eine der wichtigsten Erfindungen, die Technik des Wölbens, geht zu den Rö-
mern über“.
cclxxxvii
Hegel spielt vermutlich an auf Lucius Licinius Lucullus (117-56 v. Chr.),
einen römischen Senator und Feldherrn, der für seine ausschweifenden Festmahle und
seine prächtig ausgestatteten Villen und Gartenanlagen bekannt wurde.
cclxxxviii
Zur griechischen Skulptur vgl. Winckelmann: Geschichte der Kunst des
Alterthums (1764), 156-164; Gesch. d. Kunst d. A., 156-162; zur ägyptischen Kunst vgl.
Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums (1764), a.a.O. 40; Gesch. d. Kunst
d. A., 52.
cclxxxix
Vgl. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums, 41f: „An dem
Kopf sind die Augen platt und schräg gezogen, welche insgemein nicht tief, wie an
griechischen Statuen, sondern mit der Stirn gleich liegen; daher auch der Augenkno-
chen, auf welchem die Augenbrauen mit einer erhobenen Schärfe angedeutet sind, platt
ist.“
ccxc
Vgl. a.a.O. 42. Vgl. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums
(1764), 42, 181; Gesch. d. Kunst d. A., 54, 177.
ccxci
Zur Gestaltung der Stirn in der griechischen Kunst vgl. Winckelmann: Ge-
schichte der Kunst des Alterthums (1764), 180; 177; zur Gestaltung der Augen bei den
Griechen vgl. a.a.O. 165f, 179f; Gesch. d. Kunst d. A., 163f, 175-177; zur Gestaltung
der Augen bei den Ägyptern vgl. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums
(1764), 41f; Gesch. d. Kunst d. A., 53.
ccxcii
Hegel bezieht sich auf Petrus Campers (1722-1789) Abhandlung Ueber den
natürlichen Unterschied der Gesichtszüge in Menschen verschiedener Gegenden und
verschiedenen Alters, über das Schöne antiker Bildsäulen und geschnittener Steine,
nebst Darstellung einer neuen Art, allerlei Menschköpfe mit Sicherheit zu zeichnen.
Hrsg. von Adrian Gilles Camper. Übersetzt von S. Th. Soemmering. Berlin 1792.
ccxciii
Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) war Zoologe und Anthropologe
und betätigte sich insbesondere auf dem Gebiet der vergleichenden Anatomie. Er legte
für seine vergleichenden anatomischen Studien eine inzwischen berühmt gewordene
Schädelsammlung an. Seine Hauptwerke sind sein Handbuch der vergleichenden Ana-
tomie und Physiologie (1804) sowie sein Handbuch der Naturgeschichte (11. Aufl.
1825).
ccxciv
S.o. Anm. ccxci.
ccxcv
S.o. Anm. ccxci.
ccxcvi
An dieser Statue ist nicht das Kinn, sondern der rechte Arm und Finger der
rechten Hand restauriert worden. Über das (Grübchen im) Kinn der mediceischen Venus
berichtet auch Winckelmann (Geschichte der Kunst des Alterthums, 181). Zu den re-
staurierten Händen dieser Skulptur vgl. a.a.O. 182.
ccxcvii
Vgl. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums: „Kein Teil des
Haupts alter Köpfe pfleget mit mehrerem Fleiße, als die Ohren, ausgearbeitet zu seyn,
und die Schönheit, sonderlich die Ausarbeitung ist hier eins von den untrüglichsten
Kennzeichen, das Alte von dem Zusatze und von der Ergänzung zu unterscheiden“.
ccxcviii
Hegel spielt auf den Olympischen Zeus (vor 432 vor Chr.) des Phidias (ca.
460-430 vor Chr.) an, von dem Strabo (etwa 63 vor Chr.-20 nach Chr.) in seinen Geo-
graphika (Buch VIII, C 353 [3.30]) eine Beschreibung gibt und von dem Wiedergaben
auf Münzen erhalten sind. Der Olympische Zeus ist das zweite Hauptwerk des Phidias
neben der Athena Parthenos. Die beiden riesigen Standbilder waren aus Gold und El-
fenbein gefertigt; die Zeusstatue wurde zu den Weltwundern gezählt. Die Originale bei-
der Werke, die nach einer legendären Überlieferung der Spätantike nach Konstantinopel
überführt worden sein sollen, sind verloren. Über die Kolossalstatue des Zeus in Olym-
pia berichten auch Plinius (Naturalis historia. Liber XXXV, 55; Liber XXXVI, 18) und
Pausanias (um 110-180) (Beschreibung Griechenlands. 5, 11; in Hegels Besitz befand
sich die Ausgabe Pausaniae Graeciae descriptio. 3 Bde. Leipzig 1818; vgl. dazu Il pe-
riegeta Pausanias. Descriptio Graeciae. Rec. Johann Heinrich Christian Schubert. 2
Bde. Leipzig 1870).
ccxcix
Zu Winckelmanns Bestimmung der Typen der weiblichen Gottheiten in der
griechischen Kunst vgl. bes. Geschichte der Kunst des Alterthums. Dresden 1764, 164-
166 (Winckelmann: Gesch. d. Kunst d. A., 162-164). Zu den Typen der männlichen
Gottheiten in der Skulptur vgl. a.a.O. 157-164 (Winckelmann: Gesch. d. Kunst d. A.,
157-162). Die Rede vom Profil der Juno spielt möglicherweise auf Winckelmanns Be-
schreibung der Typen männlicher und weiblicher Gottheiten auf Münzen an; a.a.O. 166
(Winckelmann: Gesch. d. Kunst d. A., 164f).
ccc
Die Diana bzw. Artemis (Diana von Ephesus) beschreibt Hesiod (Theogonie.
V. 14, 6f; V. 918, 74f). Für die Aphrodite findet Hegel ebenfalls seine Charakteristik bei
Hesiod (Theogonie. V. 187-206; 20f).
ccci
Vgl. Libelt 1828/29: „Achilles als Mädchen gekleidet, konnte von Mädchen
nicht unterschieden werden, die Unterschiede waren also konventionnell, z. B. in den
Haaren“.
cccii
Sadyattes I. war König von Lydien und wurde nach Herodot von den Griechen
auch Myrsilos genannt. Seine Herrschaftszeit ist nicht sicher nachweisbar, er starb ver-
mutlich 680 v. Chr. Sein religiöser Titel war Kandaules (KandaÚlhj). Der Legende nach
sei Kandaules auf die Schönheit seiner Frau Nyssia dermaßen stolz gewesen, daß er sie
Gyges, dem Begründer der Mermnaden-Dynastie, nackt zeigte. Nyssia war daraufhin so
gekränkt, daß sie Gyges vor die Wahl stellte, Selbstmord zu begehen oder Kandaules zu
ermorden und sich an dessen Stelle zu setzen. Vgl. Herodot: Historien. I, 8-13.
ccciii
Hegel spielt an auf das Standbild des preußischen Generals Gerhard Johann
David von Scharnhorst (1755-1813) von Christian Daniel Rauch (1777-1857), das am
18. Juni 1822, dem Tag der Schlacht bei Belle-Alliance, zusammen mit der Statue des
Generals Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow an der Neuen Wache in Berlin aufge-
stellt worden war. Hegel ergreift hier in dem zeitgenössischen Streit um die Art der Be-
kleidung von Portraitfiguren Partei für die realistische Seite, die in Deutschland
maßgeblich durch den Berliner Klassizismus vertreten wurde.
ccciv
Hegel bezieht sich möglicherweise auf die Bildnisse Napoleons des französi-
schen Malers Jacques-Louis David (1748-1825).
cccv
Die sog. Venus von Kos bzw. von Knidos oder auch Knidische Venus (Rom,
Vatikan) ist ein Werk des Praxiteles. Das Werk war ursprünglich von den Bürgern von
Kos bestellt worden, aber diese konnten sich nicht für eine gänzlich unbekleidete Dar-
stellung der Göttin entscheiden, und so gelangte die Skulptur in den Besitz der Knidier.
– Zum Vergleich der Mediceischen Venus mit anderen Typen vgl. auch: J.J. Winckel-
mann: Geschichte der Kunst des Alterthums (1764), 164f; Winckelmann: Gesch. d.
Kunst d. A., 364-366, hier: 162f.
cccvi
Bei dem hier erwähnten Apollo von Belvedere handelt es sich um eine kaiser-
zeitliche Marmorkopie einer Leochares zugeschriebenen Bronzestatue (4. Jh. vor Chr.
Rom, Vatikan); benannt nach ihrem Standort, dem Belvederehof des Vatikan. Johann
Joachim Winckelmann (1717-1768) betrachtet diese Statue als „das höchste Ideal der
Kunst unter allen Werken des Alterthums, welche der Zerstörung derselben entgangen
sind.“ Zur Beschreibung der Statue vgl. J. J. Winckelmann: Geschichte der Kunst des
Alterthums (1764), 392-394, hier: 392; und Gesch. d. Kunst d. A., 364-366, hier: 364.
cccvii
Nach Hotho spielt Hegel auf die „zwei kolossolen Rossebändinger, die zu
Rom auf dem Monte Cavallo stehen und auf Kastor und Pollux gedeutet werden“ (Wer-
ke, 10. 2, 437). Es handelt sich um die Dioskurenbrunnen auf der Piazza del Quirinale.
cccviii
Vgl. Ovid: Metamorphosen. VIII, 372-377, 294f.
cccix
Die Laokoon-Gruppe ist eine antike Marmorskulptur in Rom, die in den Vati-
kanischen Museen zu besichtigen ist. Seit ihrem Fund hat die Laokoon-Gruppe die eu-
ropäische Kunstgeschichte und die Diskussion um die Bedeutung der griechischen
Kunst maßgeblich beeinflußt. Zu nennen sind hier insbesondere neben Lessings Lao-
koon, oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766) Herders Aufsatz über Pla-
stik (geschr. 1768-1770) und Goethes Propyläenbeitrag von 1798 Über Laokoon, A. W.
Schlegels Kunstlehre (1801/02) und Schellings Jenaer Ästhetikvorlesung (1802/03).
cccx
Johann Wolfgang von Goethe: Myrons Kuh. In: Kunst und Altertum. II, 1,
1818.
cccxi
Antoine Quatremère de Quincy (1755-1849) war ein französischer Archäolo-
ge, Schriftsteller und Kunsthistoriker. Als sein Hauptwerk wird Le Jupiter olympien
(1814) über die Zeus-Statue des Phidias angesehen, auf die Hegel sich wohl bezieht.
cccxii
Hier ist wohl eher an die sogenannten „lebenden Bilder“ zu denken. Lebende
Bilder (tableaux vivants), Darstellungen von Gemälden und Plastiken durch regungslos
verharrende Personen, kamen gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Mode, maßgeblich
mit angeregt durch die sog. Attitüden, pantomimische Darstellungen antiker Statuen,
der Lady Emma Hamilton (1765-1815). Goethe, der zu den Bewunderern ihrer Kunst
zählte, trug durch seine Beschreibung in den Wahlverwandtschaften (1809) mit dazu
bei, daß sich lebende Bilder als eine Form höfischer und bürgerlicher Gesellschaftsspie-
le etablierten. Vgl. Birgit Jooss: Lebende Bilder. Zur körperlichen Nachahmung von
Kunstwerken in der Goethezeit. Berlin 1999; Sabine Folie/Michael Glasmeier: Ta-
bleaux Vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. Wien
2002.
cccxiii
Das Grabmal des Grafen von Nassau und seiner Gemahlin Maria von Baden
in Breda stammt nicht, wie zu Hegels Zeiten angenommen, von Michelangelo (1475-
1564), sondern von einem unbekannten Künstler. Hegel schreibt über dieses Werk auch
in einem Brief an seine Frau vom 9. Oktober 1822 (vgl. Brief Nr. 438 in: Hegel: Briefe.
Bd. 2, 358f).
cccxiv
Hegel spielt hier auf die Bilder von Gerhard von Kügelgens (1772-1820) an,
die er in der Kunstaustellung in Dresden 1820 gesehen und kritisiert hatte, insbesondere
Der verlorne Sohn und ein Christusbild. Vgl. „Über von Kügelgens Bilder“. In: Hegel:
GW 15, 204-206. S. auch A. Gethmann-Siefert und G. Stemmrich: „Hegels Kügelgen-
Rezension und die Auseinandersetzung um den „eigentlichen historischen Stil“ in der
Malerei“. in: Welt und Wirkung von Hegels Ästhetik. Hrsg. von A. Gethmann-Siefert
und Otto Pöggeler. Bonn 1986, 139-168.
cccxv
Wilhelm Ternite (1786-1871), Berliner Hofmaler und königlicher Galeriein-
spektor, hielt sich im Frühjahr 1825 in Neapel auf. Er fand dabei die Gelegenheit, sämt-
liche Gemälde aus Herculaneum und Pompeji, die in Portici und Pompeji aufbewahrt
wurden, zu kopieren. Diese Kopien waren teils Durchzeichnungen der Konturen, teils
farbige Nachbildungen.
cccxvi
Vgl. Désiré-Raoul Rochette (1790-1854): Cours d’archéologie. Paris 1828.
cccxvii
Hegel meint das Ölgemälde Die büßende Magdalena mit ihren Frauen von
Marco Antonio Franceschini (1648-1729), Dresden, Gemäldegalerie, das zwischen
1700 und 1705 entstand.
cccxviii
Hegel wendet sich damit gegen die zeitgenössischen Kunstkritiken, die er-
wägen, ob man den „dichtenden Pinseln“ der Maler „eine neue und durchaus selbstän-
dige Farbendichtung“ im Anschluss an poetische Vorbilder zutrauen dürfe (vgl. Carl
Seidel: Die schönen Künste in Berlin. In: Kunst-Blatt. 1828. Heft 10, 221f).
cccxix
Hegel spielt auf die Kunstausstellung der Berliner Kunstakademie von 1828
an, auf der die Bilder der Düsseldorfer Malerschule, die poetischen Sujets gewidmet
waren, ausgestellt wurden. Gegen die Mehrzahl der damaligen Kritiker, die diese Bilder
positiv aufnahmen, stießen sie bei Hegel auf Vorbehalte. Vgl. hierzu A. Gethmann-
Siefert: Die Kritik an der Düsseldorfer Malerschule bei Hegel und den Hegelianern. In:
Düsseldorf in der deutschen Geistesgeschichte. 1750-1850. Hrsg. von Gerhard Kurz,
Düsseldorf 1984, 263-283.
cccxx
Hegel bezieht sich auf das Gemälde Der Fischerknabe und die Nixe von Juli-
us Hübner (1806-1882), das dieser nach der Ballade Der Fischer (1779) von Goethe
schuf und auf der Berliner Kunstausstellung von 1828 ausstellte (heute: Staatliche Mus-
sen zu Berlin).
cccxxi
Hegel spielt an auf das Gemälde Mignon von Wilhelm von Schadow (1788-
1862), das sich auf die gleichnamige Figur aus dem Wilhelm Meister von Goethe be-
zieht (Leipzig, Museum der bildenden Künste).
cccxxii
Hegel bezieht sich auf das Gemälde Rinaldo und Armida von Karl Ferdinand
Sohn (1805-1867) (Düsseldorf, Kunstmuseum).
cccxxiii
Giorgione (1478-1510) (recte: Palma il Vecchio), Jakob begrüßt Rahel,
Dresden, Gemäldegarie Alte Meister.
cccxxiv
Von den zwölf Arbeiten, die dem Herkules bzw. Herakles von Eurysteus
auferlegt wurden, erwähnt Homer das Heraufholen des Kerberos. (Homer: Ilias. VIII,
368, 266f; Homer: Odyssee. XI, 623, 320f.) Bei Hesiod (8. Jh. vor Chr.) wird der
Kampf mit dem Nemeischen Löwen, der Lernaischen Schlange und mit Gernyones er-
wähnt (Hesiod: Theogonie. V. 332, 30f; V. 316, 28f; V. 289-292, 26f). Vollständig wer-
den die zwölf Arbeiten zuerst in der Hérákleia des Peisandros (7. oder 6. Jh. vor Chr.)
aufgezählt, bei Pindar (um 522 bzw. 518-446 vor Chr.) und den Tragikern wird die
Zwölferzahl übernommen. Hegels Quelle ist Creuzers Symbolik und Mythologie, wobei
Creuzer sich auf Dionysus (1 Jh. vor Chr.), Diodorus und Strabo (ca. 63 vor Chr.-20
nach Chr.) beruft: „Sodann bemerken wir den Jahrescyclus von 365 Tagen, personifi-
ciert als Som-Herakles, als der Kämpfer auf der Sonnenbahn. Nach dieser Ansicht ist er
der Sohn des Lichtkönigs Ammon, der im Widderzeichen erscheint, und das Jahr unter
mancherlei Arbeiten durchführt; denn die zwölf Kämpfe stellen uns eben den Lauf der
Sonne durch den Zodiacus dar.“ (Creuzer: Symbolik und Mythologie. Bd. 1, 456.)
cccxxv
Zu dem von Kardinal Giulio de’Medici um 1517 bestellten Monumentalbild
der Verklärung Christi von Raffael (1483-1520) s.o. Anm. lxxvii. An der malerischen
Ausführung hatte der Meister selbst noch beträchtlichen Anteil: Die ganze Verklärungs-
szene einschließlich der Landschaft ist sein Werk, und innerhalb der Apostelgruppe
stammt der größte Teil der linken Seite von seiner Hand; hingegen lassen die übrigen
Partien die Mitwirkung seiner beiden Hauptschüler Giovanni Penni (1488-1528) und
Giulio Romano (1499-1546) erkennen. Das Bild befindet sich in den Vatikanischen
Museen in Rom.
cccxxvi
Vgl. Rumohr: Italienische Forschungen. Bd. 1, 279f.
cccxxvii
Giotto di Bondone (um 1266-1337), italienischer Maler.
cccxxviii
Die Gemäldegalerie des Berliner Museums wurde zu einem wesentlichen
Teil aus den Bildern der Sammlung des englischen Kaufmanns Solly aufgebaut.
cccxxix
Correggio, eigentlich: Antonio Allegri (1489-1534), italienischer Maler.
cccxxx
Perugino, eigentlich: Pietro di Cristoforo Vannucci (1445/48-1523) war ein
bedeutender italienischer Maler der Renaissance und Lehrer Raffaels.
cccxxxi
Tiziano Vecellio (1476-1576).
cccxxxii
Hubert van Eyck (um 1370-1426) und Jan van Eyck (um 1390-1441), hol-
ländische Maler.
cccxxxiii
Hegel bezieht sich hier vermutlich auf eine Tafel (den oberen Teil der Sei-
tentafel) des sog. Genter Altares (1432) der Brüder Jan und Hubert (ca. 1370-1426) van
Eyck.
cccxxxiv
Vg. Denis Diderot (1713-1784): Versuch über die Malerei. Übersetzt und
mit Anmerkungen begleitet (1799): „Wer das Gefühl des Fleisches erreicht hat, ist
schon weit gekommen, das übrige ist nichts dagegen. Tausend Maler sind gestorben,
ohne das Fleisch gefühlt zu haben, tausend andere werden sterben, ohne es zu fühlen“
(Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 13, 234).
cccxxxv
Diese Zeilen sind in den Vorlesungen vor 1828/29 ohne Äquivalent. Sie be-
treffen speziell die Instrumentalmusik, genauer: die Sonatenform, wie sie sich im Laufe
des 18. Jahrhunderts insbesondere in der Wiener Schule (Haydn, Mozart, Beethoven)
entwickelt hat.
cccxxxvi
Die Betrachtungen über das Wesen des Tönens werden in der Vorlesung
von 1828/29 in knapper Form vorgetragen. Sie werden dagegen in der Enzyklopädie
von 1827 (§§ 300-302) breiter entwickelt.
cccxxxvii
Bei der „Harmonika“ handelt es sich im Begriffsgebrauch der Zeit um je-
nes Instrument, das heute als „Glasharmonika“ bezeichnet wird. Dieses Instrument
wurde 1762 durch Franklin erfunden.
cccxxxviii
Die Behauptung der Überlegenheit der Stimme über alle anderen Instru-
menten findet sich bereits in der Enzyklopädie (§ 351).
cccxxxix
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Hegel scheint eine besondere
Neigung für seine Musik, dabei insbesondere seine Opern, gehabt zu haben. Er besaß
im übrigen die Mozartbiographie von Georg Nikolaus von Nissen (Wien 1828).
cccxl
Georg Friedrich Händel (1685-1759): Der Messias. Das Oratorium wurde
1741 komponiert und 1742 in Dublin uraufgeführt. Hegel kritisiert weniger die Musik
als den deutschen Text, wie dies klarer aus den Aufzeichungen der früheren Vorlesun-
gen hervorgeht.
cccxli
Die Entdeckung, daß sich musikalische Intervalle durch Zahlenverhältnisse
ausdrücken lassen, wird der Schule des Pythagoras (575/70-500 vor Chr.) zugeschrie-
ben, die in Unteritalien gegründet wurde. In diesem Zusammenhang ist auch auf die
Ausführung zur Harmonie in der Enzyklopädie 1827 (§ 300) zu verweisen.
cccxlii
Die Tonarten der altgriechischen Musik lagen in abgewandelter Form der
mittelalterlichen kirchlichen Musik zugrunde (Kirchentonarten). Sie wurden später ab-
gelöst durch die um 1600 aufkommende Systematisierung in Dur- und Molltonarten.
Hegels Ausführungen verdanken sich seiner Lektüre der griechischen Autoren, insbe-
sondere Pythagoras, Plato und Aristoteles.
cccxliii
Die Berliner Singakademie führte die Oratorien Grauns oder Händels ebenso
in der Kirche wie im Opernhaus auf, bevor sie 1827 einen eigenen Saal erhielt. In die-
sem, nicht in einer Kirche, also nicht in einem religiösen Rahmen, fand auch die Wie-
deraufnahme der Matthäuspassion Johann Sebastian Bachs unter der Leitung von
Hegels Schüler Felix Mendelssohn Bartholdy statt. Man weiß, daß Hegel die beiden
Aufführungen vom 11. und 23. März 1829 besuchte. Die Äußerungen in der Vorlesung
hierüber datieren vom 19. März und könnten sich auf die erste Aufführung beziehen.
cccxliv
Hegel kritisiert hier einen weiteren Aspekt der deutschen Musik: die Sing-
spiele oder wie man zu dieser Zeit sagte, die Operetten. Sie sind durch die französischen
Vaudevilles inspiriert, wie Charles-Simon Favart (1710-1792) sie in Paris begründet
hatte, worunter man eine Mischung aus leichten Melodien und gesprochenen Dialogen
verstand.
cccxlv
An der Oper hatte E. T. A. Hoffmann bereits 1816 in Berlin seine Oper Un-
dine mit einem Text von La Motte Fouqué dargeboten. Es ist aber vor allem Carl Maria
von Weber, der mit dem Freischütz, der seit seiner Uraufführung in Berlin 1821 enor-
men Erfolg hatte, und dann mit Euryanthe (1824) und Oberon (1826) die deutsche ro-
mantische Oper begründete.
cccxlvi
Emanuel Schikaneder (1751-1812) verfaßte das Libretto zu Mozarts Oper
Die Zauberflöte. Am 30. September 1791 wurde die Oper im Theater auf der Wieden in
Wien uraufgeführt. Schikaneder spielte selbst den Vogelfänger Papageno.
cccxlvii
Christoph Willibald Gluck, deutscher Komponist (1714-1787). Hegel hatte
für die Gluckschen Opern, wie Anna Milder-Hauptmann sie seinerzeit in Berlin inter-
pretierte, eine Vorliebe, wie mehrere der ihm nahestenden Personen und seine Zeitge-
nossen berichten.
cccxlviii
Pietro Metastasio, eigentlich Pietro Trapassi (1698-1782), war ein italieni-
scher Librettist und Dichter. Gluck griff für viele seiner zahlreichen Opern jeweils auf
ein Libretto von Metastasio zurück.
cccxlix
Der Musiker Niccolo Piccini und sein Librettist Marmontel waren in Paris
die Hauptgegner der Gluckschen Reform, die dazu tendiert, den dramatischen Inhalt
und von daher das Rezitativ auf Kosten der Melodie zu bevorzugen.
cccl
Hegel denkt hier vermutlich an den Freischütz C. M. von Webers. Im ersten
Bild geht der fröhliche Tanz der Jäger und Bauern am Vorabend des Preissschießens
und der Hochzeit der Agathe unmerklich in die Verzweiflung des Max und dann in die
triumphierende Rache des Kaspar über. Carl Dahlhaus sieht in den entsprechenden Stel-
len von Hothos Ausgabe der Ästhetik (Hegel: Werke. 10. 3, 205) ebenfalls einen Hin-
weis auf den Freischütz. Vgl. Carl Dahlhaus: Hegel und die Musik seiner Zeit. In:
Kunsterfahrung und Kulturpolitik im Berlin Hegels. Hrsg. von Otto Pöggeler und An-
nemarie Gethmann-Siefert, Bonn 1983, 342ff.
cccli
Gioachino Antonio Rossini (1792-1868) war ein italienischer Opernkompo-
nist. Innerhalb der zeitgenössichen Debatte nimmt Hegel, im Gegensatz zur Mehrzahl
seiner Landsleute, entschlossen für Rossini partei, dessen durch italienische Sänger in-
terpretierte Werke er in Wien und Paris hören konnte (darunter Il Barbiere di Siviglia,
Otello, Semiramide). Zur Zeit Rossinis konnte der Sänger in der Tat die Rezitative frei
modifizieren, die Verzierungen und Kadenzen variieren, neue Melodien einschieben
und andere auslassen. Hegel berichtet in seinen Briefen aus Wien von diesen Praktiken.
Er schreibt anläßlich einer Aufführung des Otello: „[...] keine Faulheit im Singen und
Hervorbringen der Töne, nicht seine Lektion aufgesagt, – sondern da ist die ganze Per-
son darin; die Sänger, die Mde. Fodor insbesondere, erzeugen und erfinden Ausdruck,
Koloraturen aus sich selbst; es sind Künstler, Compositeurs so gut als die Oper in Musik
gesetzt“ (Hegel: Briefe. Bd. 3, 54).
ccclii
Genauer als in den vorausgegangenen Vorlesungen schreibt Hegel in der Vor-
lesung von 1828/29 nicht allein dem Gesang und dem Sänger als einer aktiven Schöp-
fung bzw. einem aktiv Schöpfenden diese Möglichkeit der konkreten Manifestation der
Subjektivität zu, sondern er dehnt diese Vorstellung auf die Instrumentalmusik aus. Die
Virtuosität auf dem Instrument ist nicht notwendig, wie dies früher gesehen wurde, Sa-
che der Kenner, ist keine rein technische und gefühllose Zurschausstellung.
cccliii
Gelegenheiten, Virtuosen auf der Geige zu hören, waren in Berlin nicht sel-
ten. So gab Niccolò Paganini (1782-1840) zwischen März und Juni 1829 eine Reihe von
Konzerten, die Hegel besuchte. Das erste Konzert fand am 4. März, das zweite Konzert
am 13. März 1829 statt. Die Beschreibung der Virtuosität aus der Vorlesung vom 20.
März 1829 läßt sich insofern als eine implizite Beschreibung der Berliner Konzerte Pa-
ganinis interpretieren. Vgl. Alain Patrick Olivier: Hegel et la musique. Paris 2003, 78ff.
cccliv
Hegel bezieht sich vermutlich auf die Inschrift am Thermopylen-Denkmal,
das auch als „Grab des Leonidas“ bezeichnet wird. Nach der Überlieferung befand sich
darauf ein Epigramm des Simonides, des spartanischen Königs und Heerführers, der
sich an dem Engpaß der Thermopylen mit etwa tausend Mann gegen das zahlenmäßig
haushoch überlegene Heer des Perserkönigs Xerxes verteidigte und dort mit allen Mit-
streitern starb. Die Inschrift soll folgenden Text gehabt haben: „Fremder, melde den La-
kedämoniern, daß wir hier liegen, den Befehlen jener gehorchend“.
ccclv
Vgl. Herodot: Historien. VII, 228.
ccclvi
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Die Braut von Korinth (Goethe: Werke.
Bd. 1, 268-273) (s. Anm. ccxxviii).
ccclvii
Klopstock führte den Hexameter in die deutsche Dichtung ein und paßte ihn
der Eigengesetzlichkeit des deutschen Sprachrhythmus an.
ccclviii
Johann Wolfgang von Goethe: Antiker Form sich annähernd (Goethe: Sämt-
liche Werke. Bd. 1, 347): „Stehn uns diese weiten Falten zu Gesichte, wie den Alten?“
ccclix
Vgl. Ambroise de Milan: Hymnes. Texte établi, traduit et annoté sous la di-
rection de Jacques Fontaine. Paris 1992; Hymni latini antiquissimi. Hrsg. von W. Bulst.
Heidelberg 1956; A. S. Walpole: Early Latin Hymns. Hildesheim 1966 (Repr. der Ausg.
Cambridge 1922).
ccclx
Vgl. Augustinus: Psalmas contra partem Donati. In: Migne. PL Tomus XLIII
(Sancti Aurelii Augustini opera omnia. Tomus Nonus). Paris 1865, 23-32.
ccclxi
Hegel spielt auf die Kontroverse um J.H. Voß: Zeitmessung der deutschen
Sprache (Königsberg 1802) an. Voß forderte im Deutschen eine dem Griechischen ana-
loge Prosodie und im Versbau die Reproduktion des griechischen Schemas.
ccclxii
Von Herder stammt der Topos von Homer als dem blinden Sänger. Vgl.
auch: „Von Homer hat man neuerdings gesagt, er habe nie existiert, einzelne Rhapsoden
haben es gedichtet, und so höre das Gedicht nicht auf. Dies ist das höchste Lob. Der
Sänger verschwindet […]. Die Sache des Volks, die objektive Weise der Anschauung
eines Volks stellt sich dar“ (Hotho 1823, 295f).
ccclxiii
Die akousmata der Pythagoreischen Lehre erschienen zuerst übersetzt von
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) im Teutschen Merkur. Mai 1775: Die
goldnen Sprüche des Pythagoras. Aus dem Griechischen, nebst Anhang. Halberstadt
1775; danach durch Glendorf hrsg. Leipzig 1776 und Halberstadt 1786; vgl. Die Frag-
mente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch von Hermann Diels. Hrsg. von Wal-
ther Kranz. Bd. I. Berlin 171974, 462-466.
ccclxiv
Möglicherweise bezieht sich Hegel auf die Aussprüche, die Demetrios von
Phaleron Solon zuschreibt.
ccclxv
Vgl. Homer: Ilias. VI, 371-499 (212-221).
ccclxvi
Vgl. Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans: Eine romantische Tragö-
die (1801). II. 7, V.
ccclxvii
John Milton (1608-1674), englischer Dichter.
ccclxviii
S.o. Anm. ciii.
ccclxix
Firdausi (Abu I-Kasem Mansur; 932-1020) vollendete das Königsbuch
Schah-Name gegen 1010. Hegel stützt sich bei dieser Charakteristik auf den (in seinem
Besitz befindlichen) Text von Joseph Görres (1776-1848): Das Heldenbuch des Iran
aus dem Schah Nameh des Firdusi. Berlin 1820.
ccclxx
S.o. Anm. cxc.
ccclxxi
Es bleibt unklar, worauf Hegel sich hier bezieht.
ccclxxii
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803): Oden. Bd. 1. Leipzig 1798.
ccclxxiii
In Hegels Besitz befand sich Ludovico Ariosto (1474-1533): Orlando furio-
so. Venezia 1570.
ccclxxiv
Hegel bezieht sich offensichtlich auf das in der Romantik hochgeschätzte
Werk des Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616): El ingenioso Hidalgo Don Qui-
xote de la Mancha. Vgl. dazu auch Johann Ludwig Tiecks (1773-1853) Übersetzung
Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1799-
1801 (Neudruck nach der Ausgabe 1852/53 in 2 Bdn. Berlin 1982.)
ccclxxv
S.o. Anm. ccxlvi.
ccclxxvi
S.o. Anmn. c, cix.
ccclxxvii
S.o. Anm. cxxviii.
ccclxxviii
Johann Heinrich Voss: Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. Ent-
standen 1782-1794; Die Luise erschien nach Vorabdrucken einzelner Idyllen in der
zweiten Fassung zuerst in Königsberg 1795, in endgültiger Fassung Tübingen 1807.
ccclxxix
S.o. Anm. xxxiv.
ccclxxx
Hegel bezieht sich auf Herders Bestimmung der Ode als ein (der Gelegen-
heit verdanktes, ursprünglich auch improvisiertes) Lied. Für Pindars (um 522 bzw. 518-
446 v. Chr.) Epinikien trifft diese Deutung zu (Pindar: Siegeslieder. [vgl. 113,4-5], 6-
349).
ccclxxxi
Ein Päan oder Päon (gr.: Παιών) oder Paian (gr.: Παιάν, Nothelfer) ist ein
feierlicher Gesang, der insbesondere zu Ehren des griechischen Gottes Apoll gesungen
wurde.
ccclxxxii
S.o. Anmn. cxliv, cxlvi.
ccclxxxiii
Hegel bezieht sich sehr wahrscheinlich auf Horazens Carmina, die neben
Preis-, Trink- und Liebesliedern Gedichte mit z.T. auch politischem Inhalt enthalten
(Horaz: Sämtliche Werke, 6-209 [Carmina]; 210-215 [Carmen Saeculare]).-Vgl. als Va-
riante der Passage: „Man zeichnet Dithyramben und Hymnen aus: dieses Aufjauchzen
des Gemüts, der Andacht oder der Fröhlichkeit. Die Homerischen Hymnen erhalten
ganz den epischen Charakter. Dann die Oden: eine mehr oder weniger fremde Art für
uns; sie haben eine bestimmte Veranlassung, zu würdigen, mehr geschichtlich oder zu
allgemeinen Gnomen [fortgehend]. Von dieser Art sind die Pindarischen und Horazi-
schen Oden; letztere sind sehr gebildet, aber von einer sehr großen Kälte, so absichtlich
gemacht; daß sie sangbar [seien], kann ich mir nicht vorstellen, das carmen saeculare
vielleicht [ausgenommen], im ganzen sind sie fürs Lesen gemacht. Pindarische Oden
sind wesentlich zum Vortrag durch den Gesang bestimmt gewesen; diese werden vorge-
tragen, in einem feierlichen concessus, einem förmlichen Gesang, Musik und Tanzfest.
Klopstock hat bei uns die Oden eingeführt; es ist weniges unter seinen Oden, was uns
ansprechen kann, [so z.B.] die Ode an die deutsche Sprache, [die] von klassischer Form
[ist]; diese kann man sich aneignen, ohne dabei zu empfinden“ (von der Pfordten 1826,
242f).
ccclxxxiv
Vgl. die vorhergehende Anm.
ccclxxxv
Herder, der selbst Volkslieder sammelte, hielt auch Goethe in Straßburg
dazu an und veröffentlichte 1778/79 die erste Volksliedersammlung (Volkslieder), die
ab der zweiten Auflage (1807) unter dem Titel Stimmen der Völker erschien. Er nimmt
auch Goethes Heideröslein (1771) und Der Fischer (1778) in die Sammlung auf, da für
ihn nicht (wie später für die Romantiker) die Herkunft aus dem Volk und die anonyme
Verbreitung im Volksmund wesentlich ist, sondern der unmittelbare Ausdruck der Emp-
findung (Vgl. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 1, 18 und 116f).
ccclxxxvi
Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Alexis und Dora. In: Friedrich Schiller:
Musenalmanach für das Jahr 1797. Tübingen 1797, 1-17.
ccclxxxvii
J. W. von Goethe: Willkommen und Abschied.
ccclxxxviii
J. W. von Goethe: Auf dem See.
ccclxxxix
J. W. von Goethe: Geistes-Gruß.
cccxc
Anakreon (ca. 572-488 v.u.Z.), griechischer Dichter. Die Schenkenlieder in
Goethes Spätwerk, dem Divan, sind in ihrer Verschmelzung von Leidenschaft, Bildung
und Humor im Geist Anakreons geschaffen.
cccxci
Die Kraniche des Ibykus ist eine Ballade von Friedrich Schiller aus dem Jah-
re 1797. Sie wurde erstmals in Schillers Musen-Almanach für das Jahr 1798 veröffent-
licht.
cccxcii
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, 318 de-
finiert den „Histriones“ wie folgt: „Histriones, lat., Schauspieler; auch ein Acteur, der
durch Tanz oder Gesticulation einen andern Acteur begleitete. Die H. waren bei den
Römern als Stand ehrlos und ihre Kunst wurde in der Regel nur von Freigelassenen und
Sklaven betrieben.“
cccxciii
Vgl. Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans. (Schiller: Werke. Bd. 9.)
cccxciv
Vgl. Friedrich Schiller: Wallenstein. (Schiller: Werke. Bd. 8.)
cccxcv
Hegel bezieht sich auf Schillers Abhandlung Über den Gebrauch des Chors
in der Tragödie. (In: Schiller: Werke. Bd. 10, 7-15), die Schiller der Braut von Messina
vorangeschickt hatte (Tübingen 1803). Dieselbe Position entwickelt Schiller auch im
Briefwechsel mit Körner (so in den Briefen von 06. 02. 1803 und vom 10. 03. 1803. In:
Schiller: Werke. Bd. 32, Nr. 10, 8f; Nr. 26, 19f).
cccxcvi
Johann Wolfgang von Goethe: Egmont (1788), in: Goethe: Werke. Bd. IV.
cccxcvii
Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel (1773). In:
Goethe: Werke. Bd. IV, 73-175.
cccxcviii
Vgl. Antigone (Sophokles: Tragödien, 65-117).
cccxcix
Eigentlich handelt es sich um den Schluss der Trachinierinnen: vgl.
Sophokles: Trachinierinnen. V. 1278: êïšäcí ôïýôùí ” ôé ìx Æåýò.
cd
Vgl. Sophokles’ Antigone und Elektra.
cdi
Hegel bezieht sich auf Sophokles: Antigone, 450-457 (Sophokles: Tragödien,
84-85).
cdii
Vgl. Sophokles’ (ca. 497-ca. 406 vor Chr.): Philoktetes (409). Rosenkranz be-
richtet von Hegels intensiver Beschäftigung mit Sophokles und einer verschollenen
Übertragung ins Deutsche, die Hegel vorgenommen hat (Karl Rosenkranz: G.W.F. He-
gel’s Leben. Berlin 1844, 11).
cdiii
Am Ende von Sophokles’ Philoktetes erscheint Herakles und entscheidet die
Frage, wohin Philoktet reisen soll (Schluß-Szene, V. 1409-1445 [Sophokles: Tragödien,
342f]).
cdiv
Vgl. Aischylos: Eumeniden. – Hegel bezieht sich auf die Darstellung der di-
vergierenden Pflichten in der Orestie des Aischylos. Vgl. z.B. den Auftrag Apollons an
Orest, seinen Vater Agamemnon zu rächen (Weihgußträgerinnen. V. 269-305 [Aischy-
los: Tragödien und Fragmente, 130-133]) und den Konflikt zwischen Rache und Ehre
der Mutter (Weihgußträgerinnen. V. 306-478 [Aischylos: Tragödien und Fragmente,
132-143]). Vgl. auch die Rechtfertigung des Orest (Weihgußträgerinnen. V. 1027-1033,
1053f [Aischylos: Tragödien und Fragmente, 180f]), sowie die Konsequenz der Ver-
pflichtungen, nämlich die durch den Muttermord heraufgeschworene Rache der Erinny-
en (Eumeniden. V. 198-231 [Aischylos: Tragödien und Fragmente, 198-201]).
cdv
Die Räuber. Ein Schauspiel. Frankfurt/Leipzig (korrekt: Stuttgart) 1781 (Schil-
ler: Werke. Bd. 3).
cdvi
Hegel bezieht sich auf Aristophanes' Wolken (423 v.u.Z. bei den Dionysien ur-
aufgeführt) V. 222ff, 627ff. (Aristophanes: Sämtliche Komödien [vgl. 144,15-16],
120ff, 137ff).
cdvii
Hegel besaß Molières Le Tartuffe [1667] (Paris 1825) und wohnte in Paris ei-
ner Aufführung mit Mlle. Mars im September 1827 bei. Vgl. Hegel: Briefe. Bd. 3, 196.
cdviii
Molière: L’Avare. Paris 1668.