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Posthistoire und die Verführung des Orients (Entwurf)

von Christoph Raetzsch (Raetzsch@gsnas.fu-berlin.de)

„The Orient is one of Europe’s deepest and most recurring images of the Other.“
Edward Said. Orientalism. 1978. 1

Zu den Einsichten Edard Saids zählt die Annahme, dass der Westen, und
hierbei vor allem Europa, den Orient stets als Spiegel seiner eigenen
Selbstdefinition und Abgrenzung benutzt hat und dies in seinen Diskursen
noch stets tut. Diese durch die Jahrhunderte gewachsene Perspektive, die
zunächst in kolonisierender Absicht, den Orient als Quelle grosser
Reichtümer, später auch als Quelle ästhetischer und lebensweltlicher
Inspiration betrachtet, hat nach Said’s Meinung dazu beigetragen, dass, „der
Orient ein integraler Bestandteil der materiellen Zivilisation und Kultur
Europas geworden ist. Der in den post-colonial studies vorherrschende
Gedanke die kolonisierten Völker prägten über kurz oder lang die Sprache
und Kultur ihrer Kolonialherren, wie dies anhand der indisch-britischen
Beziehungen oft nachgewiesen wurde, kann in Saids Sinn auf die europäische
Kultur, nicht erst unter dem Einfluss immer grösser werdender
Migrantenströme, verallgemeinert werden. Ein wiederkehrender Topos eines
solchen orientalischen „Anderen“ stellt Japan dar. Vielleicht ist Japan gerade
deshalb so reizvoll weil sich dort ein dem Westen vergleichbares
Wohlstandsniveau herausgebildet hat, weil neben anderen reichen
asiatischen Staaten wie Malaysia oder Singapur, Japan der epigonal
verwendete „Spagat zwischen Tradition und Moderne“ gelungen zu sein
scheint. Die Tradition der Betrachtung des Westens durch den Blick nach
Japan reicht zurück bis zu den ersten holländischen und portugiesischen
Kolonialherren, die aber in Japan allenfalls Kolonialwarenhändler sein
durften. Japan hat sich über Jahrhunderte Kolonialisierungsversuchen stetig
widersetzt, man könnte sagen, bis zur Erscheinung des American Way of Life.
In einer Art von Selbstkolonialisierung haben sich auch die Japaner die
Zeichen der Moderne in Form von Massenkonsum, Mobilität und
Kommunikation angeeignet, ohne dabei ihre eigenen Umgangsformen,
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kulturelle Produktion, Handwerk oder soziale Organisation ebenfalls diesem
Way of life anzupassen. Für eine post-historische Gesellschaft gibt Japan ein
weit besseres Beispiel ab, gerade weil hier „mangels jeden Bürgerkrieges
oder äußeren Krieges“ wie Kojève schreibt, ein Moment des Hegel’schen
Handels im historischen Sinne von vornherein nicht gegeben ist.
Revolutionen im Sinne europäischer Vorbilder sind in Japan schlicht
ausgeblieben, was nicht vergessen machen sollte, das Japan im Zuge seiner
Imperialfeldzüge in Asien selbst als Kolonialmacht aufgetreten ist, in diesem
Sinne also schon „historisch“ in Aktion getreten ist. Es wäre kurzsichtig
dahinter nur wirtschaftliche Interessen zu vermuten, denn die
Selbstauffassung der Japaner als von den Göttern abstammendes Volk ist
nicht erst durch die Insellage und Jahrhunderte währende Isolation ins
nationalistische gesteigert worden.
Es soll an dieser Stelle auf einige Feststellungen Kojèves in seiner berühmt
gewordenen Fussnote zum post-historischen Menschen eingegangen
werden, in der sich ein weiteres Beispiel jener langen Tradition der
europäischen Selbstvergewisserung über das Orientalische abbildet. Die
Kritikpunkte richten sich vor allem auf Kojèves eigene nicht reflektierte
Beobachterposition und die antagonistische Auffassung von Westen und
Osten, wahlweise der American Way of life und der japanische Snobismus,
wie er es nennt. Während diese Positionen im Wesentlichen zurückgewiesen
werden, soll am Ende eine Beobachtung Kojèves den Anlass geben, ein
Merkmal der gegenwärtigen japanischen Kultur zu analysieren, dass diesmal
Japan als Vorreiter für die sogenannten westlichen Kulturen charakterisiert.
Wenn wir der Annahme folgen, Japan sei aufgrund ausgebliebener
revolutionärer Umwälzungen das am ehesten post-historische Land, so liegt
auch die Vermutung nahe, hier ließen sich Zukunftsentwicklungen der erst
kürzlich in den post-historischen Zustand übergegangenen Staaten des
Westens schon heute ablesen. Dies wäre nicht ein weiteres Kapitel
gegenseitiger Orientalisierung sondern unter den Vorzeihen der „politischen
Ökonomie der Zeichen“ ein Blick auf die moderne Form des Kampfes um

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Anerkennung der über Konsum, nicht von materiellen Gütern sondern
immateriellen Formen, ausgetragen wird.

I Abgrenzung und Ausprägung derselben Idee

Will man sich vor Augen führen, wie das „Andere“, das Orientalische, seinen
Weg in die europäische Zivilisation fand, wie sich gerade der Orient als
Differenzpunkt zu Europa herauskristallisierte, muss man zunächst die Frage
stellen, wie dieser Eurozentrismus zustande kam. Ohne hier erschöpfend
argumentieren zu können, zeigt bereits ein Blick in Max Webers Werk „Die
protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, wie grundlegend die
Abwertung des Orients zur Aufwertung der europäischen Kultur beigetragen
hat. In seiner Vorbemerkung schreibt Weber 1907: „Nur im Okzident gibt es
‚Wissenschaft’ in dem Entwicklungsstadium, welches wir als ‚gültig’
anerkennen.“ Den selbstlegitimierenden Charakter dieses Satzes einmal
beiseite gelassen, stellt Weber auf den weiteren Seiten viele Beispiele auf, die
so unterschiedliche Bereiche wie Medizin, Architektur, Staatswesen,
Verwaltung und eben Wirtschaft betreffen. In all diesen Feldern macht Weber
die herausragende, weil auf rationalen, logische Prämissen fußende, Position
des Westens gegenüber dem Osten deutlich, obschon er anerkennt, dass es
auch in der islamischen Welt und in China, wichtige Beiträge zur
Wissenschaft gemacht worden sind. Allein ihnen fehlte oftmals objektive
Formalisierung, wie auch durchgehende Überlieferung und Beständigkeit
durch Institutionen. Der für Weber wichtigste Punkt ist die Genese des
„bürgerlichen Betriebskapitalismus“ der im 20. Jahrhundert sich global
ausgebreitet hat. Im Zusammenhang mit der These des post-historischen
Menschen und den Ausführungen Fukuyamas, scheint es hilfreich, Webers
Hauptargumente für den Erfolg dieser Wirtschaftsform noch einmal zu
benennen. Die kapitalistische Art des Wirtschaftens basiert auf dem
Gedanken der Gewinnmaximierung, der mit Hilfe einer Kapitalrechung in
zeitlich gleichen Abständen und unter Aufrechung von Ausgaben und
Einnahmen bestimmt wird. Grundlage ist eine rationale Art der Berechnung,
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die auf Basis eines generalisierten Tauschwertes, also Geld, objektiv
einschätzbar ist. Gesellschaftspolitisch ist ferner von Bedeutung, dass die
Arbeit ihrer Art nach frei ist, also anders als bei der Sklavenwirtschaft, die
Angestellten sich ihren Arbeitsplatz aussuchen können.

In einer Universalgeschichte der Kultur ist also für uns,


rein wirtschaftlich, das zentrale Problem letztlich nicht die
überall nur in der Form wechselnde Entfaltung kapitalistischer
Betätigung als solcher: des Abenteurertypus oder des
händlerischen oder des an Krieg, Politik, Verwaltung und ihren
Gewinnchancen orientierten Kapitalismus (wie er in anderen
Teilen der Erde praktiziert wird). Sondern vielmehr die
Entstehung des bürgerlichen Betriebskapitalismus mit seiner
rationalen Organisation der freien Arbeit.1

Wichtig ist hier zu bemerken, dass Weber seine Definition des Kapitalismus in
Abgrenzung zu anderen Formen kapitaler Ertragswirtschaft gewinnt und
darüber hinaus auch recht behält was die überragende Stellung westlicher
Organisationsprinzipien für Staat, Wirtschaft und Wissenschaft die sich heute
zu weltweiter Dominanz ausgeweitet haben. Auch Japan veränderte sich um
Zuge der Meiji Restoration nach 1868 unter dem Einfluss westlicher Ideen
gravierend. Sei es die Übernahme des Bismarck’schen Sozialsystems oder die
Einführung der westlichen Medizin durch den deutschen Arzt Phillip Franz
von Siebold, in vielen Punkten fühlten sich die Japaner zu diesem Zeitpunkt
dem Westen gegenüber unterlegen und rückschrittlich, was zu einer
bereitwilligen Annahme westlicher Wissenschaften und
Organisationsprinzipien führte. Auch der Erfolg des American Way of Life
resultiert aus einem ähnlichen Unterlegenheitsgefühl, was sich nach Ende des
Zweiten Weltkrieges noch stärker einstellte, als zur Meiji Zeit.
Es wäre nun aber kurzsichtig anzunehmen, Weber’s Hypothese der
dominanten Form des Kapitalismus europäischer Prägung, hätte sich
ungehindert in ebensolcher Form auch in anderen Ländern durchgesetzt.
Politologen und Wirtschaftswissenschaftler werden bestätigen, dass sowohl
Demokratien wie auch kapitalistische Wirtschaften von Land zu Land sehr

1 Weber, S.17
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unterschiedliche Prägungen haben können, dass selbst Staaten die einen
laissez-faire Kapitalismus praktizieren, ganz ohne liberaldemokratische
Gesellschaftsorganisation auskommen, siehe China. Der
Wirtschaftswissenschaftler Werner Abelshauser schreibt daher, auch als
Antwort auf Fukuyama’s These vom „Ende der Geschichte“, „dass es – anders
als die neoklassische Wirtschafttheorie unterstellt - nicht nur einen Weg gibt,
langfristig die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt“ zu sichern. „Wir
wissen vielmehr aus historischer Erfahrung, dass unterschiedliche
Marktbedingungen voneinander abweichende institutionelle Varianten auf
der Angebotsseite hervorbringen können[…].“ Zwar sind die Wirtschaften
Asiens der Weber’schen Definition nach ebenso kapitalistisch wie jene
Europas, es gibt aber gravierende Unterschiede im Status der „freien Arbeit“
sowie der Rolle der Arbeit für die Gesellschaft und das Individuum. Wenn sich
nach, Fukuyama’s These, zum westlichen Wirtschaftssystem durch den
Zusammenbruch des kommunistischen Machtblocks keine Alternative im
Sinne einer konkurrierenden, historischen Idee ausmachen lässt, so wäre
jetzt die Zeit, jene verschiedenen Ausprägungen ein und derselben Idee des
Kapitalismus zu untersuchen.
Dies soll nur als Vorbemerkung dazu dienen, die scheinbar gleichen
Ausprägungen, also die Formen, derselben Idee nicht als Manifestation
derselben zugrunde liegenden Strukturen anzusehen. Gerade am Beispiel
Japan lässt sich gut nachweisen, wie europäische Beobachter stets
Spiegelungen oder Bestätigungen ihrer eigenen Ideen im Fernen Osten
konstruiert haben, weil hier die Erscheinungen westlicher Gesellschaften
scheinbar ebenso anzutreffen sind und ebenso gut funktionieren.

It is hard to avoid the clichés about Japan, because both Japanese and foreigners seem to
feel most comfortable with them. (Buruma, 1984, ix)

Als Beispiele seien hier nur zwei Vertreter angeführt, die durch kürzere oder
längere Reisen nach Japan, ähnliche Sinneswandel erlebten, wie sie Kojève
beschreibt. Es muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass Japan
gerade nicht als Gegenbeispiel für den post-historischen Menschen sondern
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als prominentester Vertreter der post-historischen Ära beschrieben werden
soll. Dieses „Aussen“, dieser „Andere“, den Kojève eigentlich als Moment der
Selbstvergewisserung einführt soll radikal dekonstruiert werden, denn es ist
mit Virilio gesprochen der verlorene Horizont, der sich noch als ein Aussen
der kapitalistischen Ordnung und des Amercian Way of Life präsentieren
kann. [Spiritualität als Erlösung von der entleerten westlichen Welt. Dies kann
durch Japan nicht mehr bedient werden, zeigt aber eine Zukunftsentwicklung
der westlichen Gesellschaften].

Bruno Taut „The Japanese House and ist People (1936) Sah in den Bauten der
Japaner eine Vorwegnahme der modernen Architektur, analysierte, welche
klimatischen Bedingungen welche Art von Architektur hervorbringen.
Zeichnete Parallelen zu europäischen Bauten nach. Schrieb Bücher über
Japanische Kunst und Architektur, Lebensart und Gebräuche, ohne je die
„snobistische“ Perspektive ablegen zu können, nach der in der europäischen
Architektur vieles bereits besser gelöst worden sei.

Diese Geschichte ließe sich auch andersherum erzählen: Das Bauhaus wurde
von der Katsura Villa (17. Jh) inspiriert und folgte den abstrakten,
geometrischen Formen und einfachen Gestaltung. Die Katsura Villa in Kyoto
wird aber von japanischen Architekten als feudaler Stil abgelehnt. Taut’s
vereinfachte Architekturgeschichte an deren Ende das bauhaus steht wird
von Japanologen und Architekten als zu simpel angesehen.

Roland Barthes „Das Reich der Zeichen“ (1981) Sicher der eloquentere
Versuch Japan zu beschreiben, wenn auch als intellektuelles mindgame. „Und
dieses System werde ich Japan nennen.“ Barthes ist sich seiner
Konstruktionsleistung bewusst, reiht bewusst unverbunden Bilder und kurze
Beschreibungen aneinander, bleibt aber den Zeichen fremd, weil sich ihre
historische Dimension seinem kursorischen Blick genauso entzieht.
Stattdessen spricht er vom leeren Zeichen, dass nicht in der Essenz sondern
im Prozess, also in der endlosen Differentiation, Abgrenzung, existiert.
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Fazit: beide folgen ihrer Disziplin und konstruieren ihre Ursprünge oder
Gegenpole. Beide tun dies aufgrund mehr oder minder langer Aufenthalte,
machen aber dennoch sehr grundlegende Aussagen, die für Japaner sehr
schmeichelhaft sind. Ähnlich wie Kojève, der offen zugibt nach einer „Reise“
seine Einstellung radikal geändert zu haben. Wahrscheinlich sprach keiner
der Herren Japanisch. Gleichwohl gewinnt ihr Wort Gewicht, da es prominente
Personen sind und die Art ihrer Aussage autoritär ist. Im Westen scheint
bereits die Tatsache einer Reise in jenes fremde Land der Stimme
Glaubwürdigkeit zu verleihen, weil jemand es selbst gesehen hat. Doch in
Japan ist vieles mehrdeutig, was auf den ersten Blick eindeutig erscheint.

Zum Snobismus
Seppuku ist der rituelle Selbstmord, in dem sich die Loyalität des
Gefolgsmanns, Samurai, Untergebenen gegenüber seinem Herrn ausdrückt.
Das Samuraischwert ist eine Angriffswaffe und dient nicht dem Selbstmord.
Samurai trugen oftmals ein kleines Schwert am Gürtel mit dem sie sich im
Falle der Niederlage selbst entleibten. Dem Zeremoniell entsprechend, schlug
aber der beste Freund dem „Selbstmörder“ schließlich den Kopf ab. Schwert
und Flugzeug (Kamikaze) sind also nicht gleichzusetzen. Die Kamikaze
Piloten waren auf Kaiser und Vaterland eingeschworen. Sie starben also
durchaus für eine Idee. Ihre Seelen wurden dem Yasukuni Schrein
überantwortet, was ein Kapitel für sich ist.

Hagakure
Von Yamamoto Tsunetomo verfasster Text mit Geschichten und Tudengen
des Samurai, der als Grundthese aufstellt, der Samurai sei von vornherein
schon tot, seinem Meister vollkommen unterworfen. „The way of the Samurai
is found in death.“ Der Tag des eigentlichen Todes sei deshalb auch nicht
schmerzhaft, das Scheiden von der Welt ist auch kein Verlust (Shintoismus -
Wiedergeburt). Die Kamikaze Piloten trugen vielfach dieses Buch mit sich in
den Tod. Der oberste Herr ist der Kaiser. Der Schriftsteller Yukio Mishima ist
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sicher der prominenteste Vertreter dieses Samuraikults und des rituellen
Selbstmords. „Yukoku“ Film – Geschichte und dessen tatsächlicher Tod durch
harakiri. Auf dem „bushido“ – dem Weg des Samurai basiert auch die
militaristische Ausstellung zur Verherrlichung der Kriegstoten im Yushukan
Museum auf dem Gelände des Yasukuni Schreins, der wie gesagt ein Kapitel
für sich ist.

Zum Snobismus (2)


Jene bei Kojève unter Snobismus subsumierten Tätigkeiten der feudalen
Oberschicht sind jenen schöngeistigen und im Veblen’schen Sinne nutzlosen
Tätigkeiten nicht unähnlich. Stets geht es um die Kultivierung von
Unterschieden zum Zeichen der hierarchischen Positionierung. Veblen weist
ausdrücklich auf diese Parallele zwischen dem europäischen und japanischen
Adel hin, bevor er die moderne Form der conspicuous consumption am
Beispiel der neureichen Amerikaner, der robber barons und Tycoons Anfang
des 20.Jh betrachtet.

Der Snobismus als weltweiter Lebensstil


Ian Buruma schreibt dass jeder Japaner von vornherein mit einer
Verpflichtung, einer Schuld aufwächst. Zunächst gegenüber seinen Eltern,
seiner Familie, später gegenüber allen, die einem etwas Gutes getan haben.
Zu früheren Zeiten wohl auch gegenüber dem Kaiser als Person. Das enge
Netz sozialer Beziehungen bewirkt dann auch die Einlösung dieser Schuld
durch Arbeit und nach außen sichtbare Beweise des Wohlstands (ostentation),
durch Erzeugung neuer Schuld bei nachkommenden Generationen. Eine
weitere Variante ist der Selbstmord, der wie Buruma sagt, neben dem Sex,
die einzige Möglichkeit sich der bestehenden formalisierten Umgangsformen
und Verpflichtungen zu entziehen. Gerade aber durch den Tod wird die
formale Ordnung wieder hergestellt. Diese Idee der Verpflichtung ist aber
ebenso in Lockerung begriffen, wenn auch nicht in Auflösung. Ohne weiteres
lässt sich aber dieses japanische Modell der Auflösung von Herrschaft und
Knechtschaft nicht auf andere Länder übertragen.
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ABER: Kojève sieht, dass der post-historische Mensch in Ermangelung
historisch-transformierender Ideen „die Ideen von ihren Inhalten lösen muss“
nicht um die Ideen zu transformieren sondern um sich selbst als Form sich
selbst und den anderen vorzuführen anstelle von (en tant que) irgendwelchen
Inhalten.“ Die Gebrauch von Formen um ihrer selbst willen (ästhetisch) oder
im politischen Sinn der sozialen Differenzierung aber ist Snobismus. Mode ist
nichts anderes. Hierfür ist Japan ein exzellentes Beispiel, da hier nicht nur
eine der dynamischsten Mediengesllschaften existiert, sondern weil von
jeher, der Formenfundus der Welt, mangels mitgelieferter Ideen, aktiv in
neue Formen umgewandelt wurde. In dieser gesättigten Konsumlandschat
kann allein noch die Form einen Unterschied machen, weil ihre Rezeption
subjektiv begründet ist. Die Sondierung des verfügbaren Formenschatzes
aber ist Hauptaufgabe der Medien, die diese in Japan fast ausschließlich
erfüllen in Form von Konsumvorschlägen. An diesem Punkt macht es aber
nun wirklich keinen Sinn mehr über die Deckung von Bedürfnissen
materieller Art zu sprechen, sondern wir sind mitten in der politischen
Ökonomie der Zeichen nach Jean Baudrillard.

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