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Holm Altenbach

Johannes Altenbach
Konstantin Naumenko

Ebene
Flächentragwerke
Grundlagen der Modellierung
und Berechnung von Scheiben und Platten
2. Auflage
Ebene Flächentragwerke
Holm Altenbach  Johannes Altenbach 
Konstantin Naumenko

Ebene Flächentragwerke
Grundlagen der Modellierung und
Berechnung von Scheiben und Platten

2. Auflage
Holm Altenbach Konstantin Naumenko
Institut für Mechanik, Institut für Mechanik,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Magdeburg, Deutschland Magdeburg, Deutschland

Johannes Altenbach
Magdeburg, Deutschland

ISBN 978-3-662-47229-3 ISBN 978-3-662-47230-9 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-47230-9

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Vorwort

Nach dem Erscheinen der ersten Auflage sind mittlerweile 18 Jahre vergangen, und da-
mit tritt die Frage nach den Gründen für eine Neuauflage auf. Ausgangspunkt war die
Tatsache, dass die erste Auflage nur noch beschränkt zur Verfügung stand und auch der
Nachdruck als Softcovervariante die Autoren nicht befriedigt hat. Hinzu kam das verän-
derte Leseverhalten durch die neuen Medien. Dem wollten die Autoren mit der Neuauflage
Rechnung tragen.
Bei der Entwicklung und Ausarbeitung der ersten Auflage war nicht klar, auf wel-
che Resonanz das Buch stoßen würde. Mittlerweile hat sich das Lehrbuch gut etabliert.
Dies haben die Autoren u.a. durch Korrekturhinweise von Kollegen und Promoven-
den/Studenten erfahren. Wir hoffen, dass sich in der zweiten Auflage die Fehleranzahl
verringert hat.
Das Buch enthält ein neues Kapitel, in dem knapp ein alternatives Formulierungskon-
zept für eine Plattentheorie beschrieben wird – die sogenannte direkte Methode. Dieses
Konzept geht nicht von der Reduktion der dreidimensionalen Feldgleichungen aus. A
priori wird eine deformierbare ebene Fläche eingeführt, und zweidimensionale Feldglei-
chungen werden in Analogie zur dreidimensionalen Kontinuumstheorie formuliert. Dieser
elegante Weg hat natürlich auch seinen Preis – die Spezifizierung der Konstitutivgleichun-
gen ist nicht trivial. Aufgaben aus unserem Forschungsumfeld haben jedoch gezeigt, dass
dieses alternative Konzept durchaus Berechtigung hat. Das Kap. 8 unterscheidet sich im
Schwierigkeitsgrad bezüglich der Ingenieurausbildung sehr von den übrigen Kapiteln. Da-
mit wollen die Autoren neue Denkanstöße für neue Lösungsmethoden geben, die in den
letzten Jahren an Bedeutung zugenommen haben.
Bei der Gestaltung des Literaturverzeichnisses haben die Autoren beachtet, dass in
den Jahren seit der ersten Auflage nicht viel hinzugekommen ist. Gleichzeitig sollte der
Schwerpunkt bei klassischen Monographien, Lehrbüchern und Aufsätzen bleiben. Hinzu-
gekommen sind ausgewählte aktuelle Publikationen, deren Studium weiterführende Über-
legungen unterstützen und abrunden. Bei der Literaturzusammenstellung erhielten wir
Unterstützung durch Natalija Altenbach.

V
VI Vorwort

Auf die Endfassung des Buches nahm Manuela Schildt besonderen Einfluss, da sie die
abschließende Korrektur gelesen hat. Besonderer Dank sprechen wir dem Springer-Verlag
aus. Birgit Kollmar-Thoni und Eva Hestermann-Beyerle haben viel Verständnis auch für
eine Reihe besonderer Wünsche der Autoren aufgebracht. Daneben gebührt Dank unserer
Magdeburger Arbeitsgruppe, die einzelne Aufgaben kontrollierten.

Magdeburg, Holm Altenbach


Sommersemester 2016 Johannes Altenbach
Konstantin Naumenko
Vorwort zur 1. Auflage

Das vorliegende Lehrbuch ist das Ergebnis der fast 40jährigen Forschungs- und Lehrtätig-
keit des ersten Autors sowie der fast 20jährigen bzw. 10jährigen Forschungsarbeiten der
beiden anderen Autoren auf dem Gebiet der „Ebenen Flächentragwerke“. Ausgangspunkt
der Arbeit an diesem Buch war die Erkenntnis, dass seit vielen Jahren kein eigenständiges
Lehrbuch zu dieser Problematik in deutscher Sprache erschienen ist. Die daraus resul-
tierende Notwendigkeit, den Studenten des Bauingenieurwesens und des Maschinenbaus
sowie anderer Fachrichtungen ein aktuelles Lehrbuch zur Verfügung zu stellen, wurde
von vielen Fachkollegen bestätigt. Aber auch für Hochschullehrer, die dieses Gebiet in
der Lehre vertreten, Nachwuchswissenschaftler, die sich mit entsprechenden Fragestel-
lungen auseinandersetzen müssen, sowie in der Praxis tätige Ingenieure soll das Buch
eine Unterstützung sein.
Das Buch folgt in seinem Aufbau den traditionellen Konzepten der Entwicklung von
mechanischen und mathematischen Modellen für ebene Flächentragwerke. Ausgehend
vom Verständnis der klassischen Theorie lassen sich nach Auffassung der Autoren mo-
derne Trends, die u.a. mit der Einführung sogenannter Direktor-Kontinua verbunden sind,
besser bewerten, da die „Schwächen“ der klassischen Theorie, z.B. bei der Formulierung
der Randbedingungen, erkennbar sind.
Die klassische Theorie ebener Flächentragwerke ist zu großen Teilen im letzten Jahr-
hundert abgeschlossen worden. Darüber hinausgehende Entwicklungen wurden vor allem
unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutung für die heutige Strukturmechanik in das Buch
aufgenommen. Diese Beschränkung hat zwei Ursachen. Erstens wurden ausschließlich
Erweiterungen aufgenommen, die mit den methodischen Formulierungsschritten der klas-
sischen Theorie übereinstimmen. Dazu zählen Erweiterungen des Stoffgesetzes (klassisch
– isotrop, Erweiterung – anisotrop), Erweiterungen der Kinematik (klassisch – schubstarr,
Erweiterung – schubelastisch), die Kopplung des Scheiben- und Plattenzustandes, welche
insbesondere für Flächentragwerke mit unsymmetrischen Querschnittsaufbau (z.B. Lami-
natplatten) notwendig ist, sowie eine erste Einbeziehung der geometrischen Nichtlinearität
(Berücksichtigung großer Durchbiegungen) und der Temperatur. Die zweite Ursache der
Beschränkung war der vorgegebene Buchumfang. Ungeachtet der Tatsache, dass der ur-

VII
VIII Vorwort zur 1. Auflage

sprünglich geplante Umfang deutlich überschritten wurde, bleiben wichtige Teilgebiete


der Theorie und Anwendung ebener Flächentragwerke, wie z.B. die Berücksichtigung
inelastischen Werkstoffverhaltens, unberücksichtigt. Auch auf die zunächst geplante Auf-
nahme komplexer, anwendungsorientierter Beispiele wurde verzichtet.
Aus der Sicht der Autoren wird dieses Buch aber seinen Platz finden. Unter beson-
derer Berücksichtigung der Anforderungen an ein Lehrbuch liegt sein Schwerpunkt auf
einer methodisch einheitlichen Ableitung der verschiedenen Plattenmodelle, der Erläute-
rung analytischer Lösungswege und von Näherungslösungen mit Funktionenansätzen für
die gesamte Scheibe bzw. Platte. Die heute vorrangig eingesetzten numerischen Verfah-
ren, wie die Finite-Elemente-Methode, das Finite-Differenzen-Verfahrens u.a.m., wurden
bewusst ausgelassen, da hierzu eine umfangreiche Spezialliteratur existiert. Es zeigt sich
jedoch immer mehr, dass der effektive und korrekte Einsatz dieser Verfahren ein vertieftes
Verständnis der strukturmechanischen Grundlagen verlangt. Insbesondere diesem soll mit
dem Buch Rechnung getragen werden.
Bezüglich der Ableitung der Strukturgleichungen folgt das Lehrbuch der induktiven
Vorgehensweise. Dabei wird bei der Formulierung der Grundgleichungen stets die gleiche
Reihenfolge eingehalten. Dies hat nach Auffassung der Autoren methodische Vorteile.
Die Einarbeitung in die Theorie ebener Flächentragwerke setzt solide Kenntnisse der
Höheren Mathematik voraus. Die notwendigen mathematischen Grundlagen werden in-
nerhalb der Mathematikausbildung behandelt. Ungeachtet dieser Tatsache wurden be-
stimmte mathematische Techniken aus dem Textteil herausgelöst und in kompakter Dar-
stellung in einem separaten Kapitel dargelegt. Dies soll hauptsächlich das Lesen und das
mechanische Verständnis erleichtern. Zur Auflockerung des Textes und zur Erleichterung
des Lesens wurden zahlreiche Abbildungen integriert. Diese enthalten schwerpunktmä-
ßig qualitative Aussagen, quantitative Aussagen lassen sich den Abbildungen nur in be-
schränktem Umfang entnehmen.
Der Inhalt des Lehrbuches gliedert sich wie folgt. Mit der Einleitung werden Grundbe-
griffe formuliert und eine Klassifikation ebener Flächentragwerke gegeben. Der Umfang
ist hier sicherlich größer als bei anderen Lehrbüchern, das weitere Studium des Buches
wird jedoch nach Auffassung der Autoren erleichtert. Gleichzeitig werden die wichtigsten
Grundlagen der Elastizitätstheorie, auf denen die weiteren Ableitungen beruhen, bereit-
gestellt. Die beiden nachfolgenden Kapitel stellen den Schwerpunkt des Buches dar. Bei
Beschränkung auf geometrische Linearität und isotropes elastisches Werkstoffverhalten
werden die Theorie der Scheiben und die Theorie der Platten abgehandelt. Dabei liegt das
Hauptaugenmerk auf statischen Problemen. Bezüglich der Koordinatensysteme werden
kartesische und Polarkoordinaten sowie schiefwinklige Koordinaten eingeführt. Letzte-
re sind in anderen Lehrbüchern selten zu finden. Neben der indizierten Schreibweise
wird die kompakte Vektor-Matrix-Schreibweise, die für numerische Verfahren bedeutsam
ist, angewendet. Im jeweiligen zweiten Teil der beiden Kapitel findet der Leser zahlrei-
che Beispiele. Diese werden insbesondere unter dem Aspekt der Möglichkeit exakter
Vorwort zur 1. Auflage IX

Lösungen bzw. von Näherungslösungen diskutiert. Damit stehen zahlreiche Aufgaben


bereit, deren Lösungen beim Testen numerischer Verfahren herangezogen werden kön-
nen. Mit dem vierten Kapitel wird das kinematische Modell durch Mitnahme von unab-
hängigen Rotationsfreiheitsgraden erweitert. Somit wird einem aktuellen Trend bei der
Anwendung der Theorie ebener Flächentragwerke Rechnung getragen, der für die Mo-
dellierung und Berechnung schubweicher Konstruktionselemente von Bedeutung ist. Für
Laminat- und Sandwich-Tragwerke, aber auch für bewehrte Betonplatten bzw. Platten
mit Versteifungselementen muss die Anisotropie im Stoffgesetz berücksichtigt werden.
Im fünften Kapitel werden die für anisotrope Flächentragwerke erforderlichen Gleichun-
gen zusammengefasst. Daneben findet der Leser eine Einführung in die Strukturmechanik
von Laminat- und Sandwich-Tragwerken. Ausführlich sind jedoch diese Fragen in einem
speziellen Lehrbuch von H. Altenbach, J. Altenbach und R. Rikards „Einführung in die
Mechanik der Laminat- und Sandwichtragwerkeäus dem Jahr 1996 behandelt. Kapitel
6 enthält die Ableitung der Gleichungen für dünne Platten großer Durchbiegung, wobei
eine Beschränkung auf das nichtlineare, von Kármánsche Plattenmodell erfolgte. Die zu-
nehmende Bedeutung von temperaturinduzierten Spannungen und Verzerrungen für die
Strukturmechanik führte dazu, dass im Kapitel 7 die vorher behandelten Plattenmodelle
für thermoelastische Aufgabenstellungen erweitert werden. Das abschließende Kapitel 8
gibt einen kurzen Überblick über andere Formulierungskonzepte der Strukturgleichungen,
über die Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens und über die Entwick-
lungsetappen in der Plattentheorie.
Dem Charakter eines Lehrbuches entsprechend wurden die Literaturangaben be-
schränkt, und es wurden mit nur wenigen Ausnahmen, besonders im Kapitel 8, keine
wissenschaftlichen Publikationen in Fachzeitschriften aufgenommen. Die Kollegen, die
im Rahmen der außerordentlich großen Zahl wissenschaftlicher Publikationen Beiträ-
ge zur Entwicklung der Scheiben- und Plattentheorie geleistet haben, mögen dies den
Autoren verzeihen.
Das Buch wäre nicht ohne Unterstützung zahlreicher Freunde und Kollegen entstan-
den. Ohne eine Vollständigkeit zu garantieren seien beispielhaft folgende Namen genannt:
die Herren Dr.-Ing. S. Holweg, Dipl.-Ing. J. Meenen, die Teile des Manuskriptes gelesen
und mit uns diskutiert haben, sowie Frau V. Naumenko, die insbesondere bei der sprach-
lichen Durchsicht geholfen hat. Frau S. Runkel hat sich hauptsächlich um das Schreiben
in LATEX bemüht. Frau S. Cuneus und Herr T. Lehnert vom Springer-Verlag sei gleichfalls
für die Unterstützung und das Entgegenkommen gedankt. Der Inhalt des Buches wurde
an verschiedenen Stellen ganz bzw. teilweise vorgetragen. Dabei wurden auch finanzi-
elle Mittel vom DAAD eingesetzt. Die Umsetzung des Manuskriptes, insbesondere das
Erstellen der Abbildungen sowie das Compilieren des Manuskriptes erfolgte auf einem
leistungsfähigen PC, der von der Alexander von Humboldt-Stiftung bereitgestellt wurde.
Bei der Konzeption und Realisierung des Buches wurden auch Ergebnisse genutzt, die
in einem von der DFG geförderten Projekt (Kennzeichen Al 341/7-1) gewonnen wurden.
X Vorwort zur 1. Auflage

Besonderer Dank sei abschließend unseren Kollegen W.B. Krätzig (Ruhr-Universität Bo-
chum) und H.A. Mang (TU Wien) ausgedrückt. Der Erstgenannte hat von Beginn an das
Projekt unterstützt und gleichzeitig für die Vermeidung von ungewünschten Doppelun-
gen mit den gleichfalls beim Springer-Verlag erschienen, eigenen Büchern Tragwerke 1-3
gesorgt. Der Zweitgenannte stellte kurzfristig sein eigenes Manuskript zu diesem Thema
bereit, so dass auch hier ein Abgleich erfolgen konnte.

Magdeburg, Merseburg, Holm Altenbach


zum Jahreswechsel 1997/98 Johannes Altenbach
Konstantin Naumenko
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.3.1 Koordinatensystem, Verschiebungen, Spannungen . . . . . . . 17
1.3.2 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1.3.3 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.3.4 Konstitutive Gleichungen, Werkstoffgesetz . . . . . . . . . . . 29
1.3.5 Randwert- und Anfangs-Randwertaufgaben
der linearen Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . ....... 31
1.3.6 Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie . . . . . . ....... 35
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... 40

2 Scheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben . . . . 42
2.1.1 Scheibengleichung in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . 45
2.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.4 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.1.2 Vektor-Matrix-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.1.3 Energieformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.1.4 Scheibengleichung in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 59
2.1.4.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.1.4.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 62
2.1.4.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.1.5 Scheibengleichung in schiefwinkligen Koordinaten . . . . . . 66
2.1.5.1 Kinematischen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . 67
2.1.5.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 69
2.1.5.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 71

XI
XII Inhaltsverzeichnis

2.1.6 Festigkeit und Steifigkeit von Scheiben . . . . . . . . . . . . . . 72


2.1.7 Zusammenfassung der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . 75
2.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.2.1 Allgemeine Lösungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.2.2 Elementare Lösungen der Scheibengleichung . . . . . . . . . . 84
2.2.2.1 Rechteckscheibe mit konstanter Randschub- und
linear veränderlicher Randnormalbelastung . . . . . 86
2.2.2.2 Dreieckscheibe mit hydrostatischer Belastung . . . 86
2.2.2.3 Konstruktion verbesserter Balkenlösungen für
wandartige Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
2.2.2.4 Kreisringscheibe mit konstanter Schubbeanspru-
chung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
2.2.2.5 Kreisscheibe unter konstanter Randzugbelastung . . 95
2.2.2.6 Blech mit Kreislochbohrung . . . . . . . . . . . . . . 96
2.2.2.7 Halbebene mit Einzelkraftbelastungen . . . . . . . . 97
2.2.2.8 Spannungen im Keil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
2.2.3 Wandartige Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.2.3.1 Halbscheibenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
2.2.3.2 Inneres Feld eines Durchlaufträgers großer Höhe . 108
2.2.3.3 Halbscheibe mit Randschubbelastung . . . . . . . . . 111
2.2.3.4 Scheibenhalbstreifenmodell . . . . . . . . . . . . . . . 114
2.2.3.5 Scheibenstreifenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
2.2.3.6 Rechteckscheibenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 123
2.2.4 Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringscheiben . . . . . 125
2.2.4.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 126
2.2.4.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 126
2.2.4.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 126
2.2.4.4 Randbelastete Kreisscheibe . . . . . . . . . . . . . . . 130
2.2.4.5 Kreisringscheibe mit konstanter Druckbelastung
am Innenrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
2.2.4.6 Rotierende Kreisscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
2.2.4.7 Kreisbogenscheibe mit Momentenbelastung . . . . . 132
2.2.5 Nichtrotationssymmetrische Lösungen in Polarkoordinaten . 134
2.2.5.1 Varianten der Scheibenlösungen . . . . . . . . . . . . 134
2.2.5.2 Kreisbogenträger mit Kraft- und Momentenbelas-
tung am freien Rand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
2.2.6 Näherungslösungen nach Ritz, Galerkin, Wlassow und
Kantorowitsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
2.2.7 Zusammenfassung der Beispiellösungen . . . . . . . . . . . . . 147
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Inhaltsverzeichnis XIII

3 Schubstarre Platten mit kleinen Durchbiegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 149


3.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Platten . . . . . 150
3.1.1 Plattengleichungen in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . 152
3.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 152
3.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 154
3.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 156
3.1.2 Vektor-Matrix-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
3.1.2.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 176
3.1.2.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 176
3.1.2.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 176
3.1.2.4 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3.1.3 Energieformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
3.1.4 Plattengleichungen in Polarkoordinaten –
allgemeiner (nichtrotationssymmetrischer) Fall . . . . . . . . . 181
3.1.4.1 Plattengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
3.1.4.2 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 183
3.1.4.3 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 184
3.1.4.4 Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
3.1.5 Plattengleichungen in Polarkoordinaten –
rotationssymmetrischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
3.1.5.1 Plattengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
3.1.5.2 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 185
3.1.5.3 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 186
3.1.5.4 Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
3.1.5.5 Elastisches Gesamtpotential . . . . . . . . . . . . . . 187
3.1.6 Plattengleichungen in schiefwinkligen Koordinaten . . . . . . 187
3.1.6.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 189
3.1.6.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 189
3.1.6.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 191
3.1.6.4 Allgemeine Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . 193
3.1.6.5 Elastisches Gesamtpotential . . . . . . . . . . . . . . 198
3.1.7 Festigkeit und Steifigkeit von Platten . . . . . . . . . . . . . . . 199
3.1.8 Zusammenfassung der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . 201
3.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
3.2.1 Allgemeine Lösungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
3.2.2 Elementare Lösungen der Plattengleichung . . . . . . . . . . . 203
3.2.2.1 Zylindrische Biegung einer Rechteckplatte . . . . . 203
3.2.2.2 Parabolische Biegung einer Rechteckplatte . . . . . 204
3.2.2.3 Hyperbolische Biegung einer Rechteckplatte . . . . 205
3.2.2.4 Reine Torsion einer Rechteckplatte . . . . . . . . . . 205
3.2.2.5 Eingespannte elliptische Platte
mit konstanter Flächenlast q0 . . . . . . . . . . . . . . 206
XIV Inhaltsverzeichnis

3.2.2.6 Momentenfrei gelagerte gleichseitige Dreieckplatte


mit konstanter Flächenlast . . . . . . . . . . . . . . . . 207
3.2.2.7 Auf vier Eckstützen gelagerte Rechteckplatte
mit konstanter Flächenbelastung q0 . . . . . . . . . . 208
3.2.3 Rechteckplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
3.2.3.1 Plattenbalkenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
3.2.3.2 Gelenkig gelagerter Plattenbalken
mit konstanter Flächenlast . . . . . . . . . . . . . . . . 212
3.2.3.3 Plattenstreifenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
3.2.3.4 Plattenhalbstreifenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 224
3.2.3.5 Gleichmäßig belasteter Halbstreifen
mit gelenkiger Lagerung am Querrand . . . . . . . . 227
3.2.3.6 Gleichmäßig belasteter Halbstreifen
mit eingespanntem Querrand . . . . . . . . . . . . . . 229
3.2.3.7 Rechteckplatten mit unterschiedlichen
Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
3.2.4 Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringplatten . . . . . . 240
3.2.4.1 Kreisplatte mit konstanter Volllast . . . . . . . . . . . 242
3.2.4.2 Kreisplatte mit konstanter Flächenlast für 0  r  r1 244
3.2.5 Nichtrotationssymmetrische Lösungen in Polarkoordinaten . 246
3.2.5.1 Kreisplatte mit linear veränderlicher Belastung . . . 248
3.2.5.2 Eingespannte Kreisplatte mit Momentenbelastung
über starrem Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
3.2.5.3 Kreisplatte mit Einzellast . . . . . . . . . . . . . . . . 251
3.2.5.4 Kreisringsektorplatte mit konstanter Belastung . . . 252
3.2.6 Näherungslösungen nach Ritz, Galerkin, Wlassow
und Kantorowitsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
3.2.6.1 Verfahren von Ritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
3.2.6.2 Verfahren von Galerkin . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
3.2.6.3 Allseitig starr eingespannte Rechteckplatte
unter Volllast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
3.2.6.4 Rechteckplatte mit jeweils zwei benachbarten
eingespannten und momentenfrei gelagerten
Rändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
3.2.6.5 Allseitig starr eingespannte, schiefwinklige Platte
unter Volllast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
3.2.6.6 Verfahren von Wlassow . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
3.2.6.7 Verfahren von Kantorowitsch . . . . . . . . . . . . . . 272
3.2.6.8 Eingespannter Halbstreifen . . . . . . . . . . . . . . . 274
3.2.6.9 Allseitig eingespannte Rechteckplatte . . . . . . . . 275
Inhaltsverzeichnis XV

3.2.6.10 Allseitig momentenfrei gelagerte Rechteckplatte


mit Teilbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
3.2.6.11 Trapezplatte mit unterschiedlichen
Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
3.2.7 Eigenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
3.2.7.1 Allseitig momentenfrei gelagerte Rechteckplatte . . 286
3.2.7.2 Rechteckplatte mit momentenfreier Lagerung
für x1 D 0; x1 D l1 und beliebiger Lagerung
für x2 D 0; x2 D l2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
3.2.7.3 Allseitig eingespannte Rechteckplatte . . . . . . . . 292
3.2.7.4 Eingespannte Kreisplatte . . . . . . . . . . . . . . . . 293
3.2.8 Zusammenfassung der Beispiellösungen . . . . . . . . . . . . . 295
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

4 Schubelastische Platten mit kleinen Durchbiegungen . . . . . . . . . . . . . . 299


4.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Platten . . . . . 300
4.1.1 Plattengleichung in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . 301
4.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 301
4.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 302
4.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 303
4.1.2 Energieformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
4.1.3 Plattengleichung in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 314
4.1.4 Zusammenfassung der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . 318
4.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
4.2.1 Allseitig gelenkig gelagerte Rechteckplatten . . . . . . . . . . . 319
4.2.1.1 Durchbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
4.2.1.2 Eigenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
4.2.2 Eingespannte Kreisplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
4.2.2.1 Durchbiegung bei konstanter Flächenlast . . . . . . 322
4.2.2.2 Durchbiegung bei zentrischer Einzelkraftbelastung 323
4.2.3 Zusammenfassung der Beispiellösungen . . . . . . . . . . . . . 324
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

5 Anisotrope Scheiben und Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327


5.1 Grundgleichungen für anisotrope ebene Tragwerke . . . . . . . . . . . . 329
5.1.1 Anisotropes Stoffgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
5.1.2 Scheibenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
5.1.3 Plattenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
5.1.4 Gekoppelte Platten-Scheiben-Zustände . . . . . . . . . . . . . . 338
5.1.5 Sonderfall orthotroper Scheiben und Platten . . . . . . . . . . 340
XVI Inhaltsverzeichnis

5.1.6 Ermittlung von Ersatzsteifigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 342


5.1.6.1 Steifigkeiten bei konstruktiver Anisotropie . . . . . 343
5.1.6.2 Steifigkeiten für die Einzelschicht
aus einem Kompositwerkstoff . . . . . . . . . . . . . 345
5.2 Laminattheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
5.2.1 Monotrope Einzelschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
5.2.2 Klassische Laminattheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
5.2.2.1 Schichtverbunde mit symmetrischem Schichtaufbau 356
5.2.2.2 Schichtverbunde mit unsymmetrischem und
antisymmetrischem Schichtaufbau . . . . . . . . . . 359
5.2.2.3 Spannungsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
5.2.3 Verbesserte Laminattheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
5.2.4 Strukturgleichungen für Laminatscheiben und -platten . . . . 364
5.2.4.1 Strukturgleichungen der klassischen Laminattheorie 364
5.2.4.2 Strukturgleichungen der Schubdeformationstheorie
1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
5.3 Ausgewählte Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
5.3.1 Lösungen für schubstarre Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . 370
5.3.1.1 Allseitig gelenkig gelagerte orthotrope Platte
unter verteilter Flächenlast . . . . . . . . . . . . . . . 371
5.3.1.2 Orthotrope Platte mit zwei gelenkig gelagerten
und zwei eingespannten Seiten . . . . . . . . . . . . . 371
5.3.2 Lösungen für schubelastische Tragwerke . . . . . . . . . . . . . 373
5.3.2.1 Allseitig gelenkig gelagerte Quadratplatte
aus transversal-isotropem Material . . . . . . . . . . 373
5.3.2.2 Zylindrische Biegung einer gelenkig gelagerten
Sandwich-Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

6 Schubstarre Platten mit großen Durchbiegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 377


6.1 Grundgleichungen für Platten großer Durchbiegungen . . . . . . . . . . 378
6.1.1 Grundgleichungen in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . 378
6.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 378
6.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 380
6.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 382
6.1.1.4 Grundgleichungen in den Verschiebungen . . . . . . 383
6.1.1.5 Grundgleichungen in gemischter Form . . . . . . . . 385
6.1.2 Grundgleichungen in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 387
6.2 Variationsformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
6.2.1 Variationsproblem in den Verschiebungen . . . . . . . . . . . . 388
6.2.2 Gemischte Variationsformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Inhaltsverzeichnis XVII

6.3 Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394


6.3.1 Entkoppelte Scheiben- und Plattengleichungen
(Theorie 1. Ordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
6.3.2 Gekoppelte Scheiben- und Plattengleichungen
(Theorie 2. Ordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
6.3.3 Membrangleichungen für große Durchbiegungen . . . . . . . . 395
6.3.4 Beulgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
6.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
6.4.1 Große Durchbiegungen von Platten . . . . . . . . . . . . . . . . 397
6.4.1.1 Allseitig starr eingespannte Rechteckplatte
mit konstanter Volllast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
6.4.1.2 Starr eingespannte Kreisplatte mit konstanter
Volllast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
6.4.2 Kritische Beullasten von Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
6.4.2.1 Allseitig momentenfrei gelagerte Rechteckplatte
unter konstantem einachsigen Druck . . . . . . . . . 404
6.4.2.2 Allseitig momentenfrei gelagerte Rechteckplatte
unter zweiseitigem Druck . . . . . . . . . . . . . . . . 406
6.4.2.3 Starr eingespannte Kreisplatte unter konstantem
Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
6.4.3 Zusammenfassung der Beispiellösungen . . . . . . . . . . . . . 409
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410

7 Temperaturbeanspruchte Scheiben und Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . 411


7.1 Grundgleichungen bei vorgegebenen Temperaturfeldern . . . . . . . . . 412
7.1.1 Schubstarres Scheiben-Plattenmodell . . . . . . . . . . . . . . . 413
7.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 413
7.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 414
7.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 414
7.1.2 Schubelastisches Scheiben-Plattenmodell . . . . . . . . . . . . 421
7.1.2.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 421
7.1.2.2 Gleichgewichts- und Bewegungsgleichungen . . . . 421
7.1.2.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 422
7.1.3 Große Durchbiegungen und thermoelastische Stabilität . . . . 424
7.1.3.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 424
7.1.3.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 424
7.1.3.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 425
7.1.3.4 Thermoelastische Plattenbeulung . . . . . . . . . . . 427
7.1.4 Zusammenfassung der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . 428
XVIII Inhaltsverzeichnis

7.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428


7.2.1 Elementare Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
7.2.1.1 Freie Platte beliebiger Geometrie mit Temperatur-
feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
7.2.1.2 Rechteckplatte mit Temperaturfeld
T .x1 ; x2 ; x3 / D T .x1 ; x2 /f .x3 / . . . . . . . . . . . . 431
7.2.2 Gelenkig gelagerte, schubstarre Rechteckplatten . . . . . . . . 431
7.2.2.1 Allseitig momentenfrei gelagerte Rechteckplatte . . 432
7.2.2.2 Verallgemeinerte Lévysche Reihenlösung . . . . . . 433
7.2.3 Gelenkig gelagerte, schubelastische Rechteckplatten . . . . . 434
7.2.4 Zusammenfassung der Beispiellösungen . . . . . . . . . . . . . 435
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

8 Direkte Formulierung von Theorien für ebene Flächentragwerke . . . . . . 437


8.1 Schubelastische Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
8.2 Gekoppeltes Scheiben-Plattenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
8.3 Analyse eines Dreischichtverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
8.3.1 Schichtweise Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
8.3.2 Differentialgleichungen für die Primärvariablen . . . . . . . . 459
8.3.3 Analyse eines Plattenstreifens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

9 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471


9.1 Formulierungskonzepte für elastisches Materialverhalten . . . . . . . . 472
9.2 Berücksichtigung inelastischen Werkstoffverhaltens . . . . . . . . . . . 477
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

10 Mathematische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483


10.1 Grundlagen der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
10.1.1 Eindimensionale Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
10.1.2 Zweidimensionale Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
10.1.3 Funktionale mit höheren Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . 486
10.1.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488
10.2 Fourierreihen und Fourierintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
10.2.1 Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
10.2.2 Einfache Fourierintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
10.2.3 Gemischte Fourierentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
10.3 Koordinatentransformationen für Differentialoperatoren . . . . . . . . . 495
10.3.1 Allgemeine Transformationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 495
10.3.2 Drehung des Koordinatensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
10.3.3 Schiefwinklige Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
10.3.4 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
Inhaltsverzeichnis XIX

10.4 Fourierlösungen für ausgewählte Scheibengleichungen . . . . . . . . . 502


10.4.1 Fourierreihenlösungen in kartesischen Koordinaten . . . . . . 502
10.4.2 Fourierreihenlösungen in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . 505
10.4.3 Fouriertransformation in kartesischen Koordinaten . . . . . . . 506
10.5 Halbebene unter Randbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
10.5.1 Halbebene unter periodischer Belastung . . . . . . . . . . . . . 509
10.5.2 Halbebene unter nichtperiodischer Belastung . . . . . . . . . . 510
10.6 Reduktionsmethode nach Kantorowitsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
10.7 Ansatzfunktionen für Rechteckplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520
10.7.1 Eigenfunktionen transversal schwingender Balken . . . . . . . 520
10.7.2 Eigenfunktionen des Knickstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . 522
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Einführung
1

Die Modellierung und Berechnung ebener Flächentragwerke ist ein Teilgebiet der me-
chanischen Strukturanalyse allgemeiner Tragwerke. Die Tragwerkselemente Scheibe und
Platte können für sich allein Tragwerksfunktionen übernehmen, oder sie sind Strukturele-
mente allgemeiner Scheiben-Platten-Konstruktionen, die in vielen technischen Bereichen
eingesetzt werden.
Die Strukturanalyse von Flächentragwerken setzt solide Kenntnisse über die Modell-
bildung, die Modellqualität und den Berechnungsaufwand voraus. Das einführende Ka-
pitel erläutert die Aufgabenstellungen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden.
Ausgangspunkt ist eine Klassifizierung der Tragwerke und ihrer Elemente sowie die Er-
läuterung der dafür erforderlichen Annahmen. An einfachen und anschaulichen Beispielen
werden typische Fragestellungen erläutert, die im Rahmen einer Berechnung von Flächen-
tragwerken beantwortet werden können. Es folgt eine erste Beschreibung der Scheiben-
und Plattenmodelle, die nachfolgend ausführlich abgeleitet und berechnet werden. Damit
ist auch die Zielstellung des vorliegenden Buches genauer umrissen.
Das einführende Kapitel enthält in kurzer Form eine Zusammenstellung ausgewählter
Gleichungen der Elastizitätstheorie, die für die Ableitung der Scheiben- und Plattenglei-
chungen benötigt werden. Das dabei erkennbare Ordnungsprinzip

 Ableitung kinematischer Gleichungen,


 Formulieren von Gleichgewichtsaussagen,
 Einführung eines Materialgesetzes

wird in allen Kapiteln beibehalten. Durch Elimination aller Kraftgrößen oder aller Ver-
schiebungsgrößen können dann die Randwert- oder Anfangs-Randwert-Probleme für die
unterschiedlichen Scheiben- und Plattenaufgaben formuliert werden.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 1


H. Altenbach, J. Altenbach, K. Naumenko, Ebene Flächentragwerke,
DOI 10.1007/978-3-662-47230-9_1
2 1 Einführung

1.1 Aufgabenstellung

Grundlage für eine Klassifizierung von Tragwerken ist meist eine Klassifizierung ihrer
Tragwerkselemente. Unabhängig von den speziellen Aufgaben, die ein Tragwerk erfüllen
soll, unterscheidet man zwischen Stab- und Flächentragwerken. Ausgangspunkt für eine
solche Unterscheidung ist allein die geometrische Form der Tragwerkselemente. Natürlich
gibt es auch viele gemischte Tragwerke, die sowohl stabförmige als auch flächenhafte
Elemente enthalten.
Tragwerke gibt es in vielen Bereichen unserer technischen Umwelt, sie erfüllen aber
ganz unterschiedliche Aufgaben. Eine Brücke hat eine andere Funktion als ein Wohn-
haus oder eine Lagerhalle, eine Chemieanlage wiederum eine andere als ein Baukran, ein
Frachtschiff eine andere als ein Passagierflugzeug. Die wenigen Beispiele verdeutlichen,
dass nicht nur im Bauwesen, sondern auch im Maschinenbau, in der Verfahrenstechnik, im
Schiffbau, im Flugzeugbau usw. Tragwerke entworfen, berechnet und gefertigt werden.
Unabhängig von den speziellen Aufgaben gilt für alle Tragwerke die Forderung, dass
äußere Einwirkungen, z. B. durch statische Lasten, durch erzwungene Schwingungen,
durch Temperaturänderungen u. a. m. aufgenommen, weitergeleitet und abgegeben wer-
den können, ohne dass ein Tragwerk versagt und die spezifischen Tragwerksfunktionen
damit verlorengehen. Die Prüfung dieses Sachverhaltes ist Aufgabenstellung für die me-
chanische Strukturanalyse von Tragwerken. Berechnet werden die Spannungen und Ver-
formungen für alle tragenden Strukturelemente, ihr Schwingungs- und Stabilitätsverhalten
sowie Schwingungen, Stabilität und Standsicherheit für die Gesamtkonstruktion. Dies ist
die Grundlage für die Entscheidung, ob die Festigkeit, die Steifigkeit und die Stabilität
aller Strukturelemente und der Gesamtstruktur ausreichen, um die geforderte Tragwerks-
funktion zu gewährleisten.
Trotz der heute gegebenen Möglichkeiten einer computergestützten Strukturanalyse
sind vereinfachende Annahmen zu vereinbaren, d. h., das reale Tragwerk ist auf ein Mo-
delltragwerk abzubilden. Die Modellbildung muss sichern, dass die Strukturanalyse für
das Modelltragwerk das Verhalten des realen Tragwerkes im wesentlichen richtig wider-
spiegelt und auch eine Beurteilung der Sicherheit des realen Tragwerkes gegen Versagen
möglich ist.
Die vereinfachenden Annahmen betreffen vor allem die Geometrie der Tragwerksele-
mente, ihre Kopplungen innerhalb der Gesamtstruktur sowie die Werkstoffeigenschaften
der Elemente. Es ist durch langjährige Erfahrungen und zahlreiche experimentelle Unter-
suchungen bestätigt, dass für kleine Verzerrungen und Verschiebungen unabhängig vom
speziellen Werkstoff, z. B. metallische Werkstoffe, Faserverbundwerkstoffe, Beton usw.,
die Spannungs-Verzerrungs-Gleichungenen einen linearen Anfangsbereich haben. Für die
Strukturanalyse von Modelltragwerken kann daher in vielen Fällen mit guter Näherung
das verallgemeinerte Hookesche1 Gesetz für das Werkstoffverhalten angenommen wer-
den. Dies wird auch im folgenden vorausgesetzt. Das Hookesche Gesetz ist eine lineare

1
Robert Hooke 1635–1702.
1.1 Aufgabenstellung 3

Material- bzw. Konstitutivgleichung. Man spricht daher auch von physikalischer Lineari-
tät des Tragwerkes.
Die zweite wesentliche Vereinfachung betrifft die Geometrie. Generell betrachtet, sind
alle realen Tragwerkselemente geometrisch dreidimensionale Körper. Im Rahmen der
Strukturanalyse ist es möglich und methodisch sinnvoll, Tragwerkselemente nach ihrer
räumlichen Ausdehnung zu klassifizieren:

1. Eindimensionale oder Linienelemente (Linientragwerke)

I Linienelement Bei den Linienelementen ist eine Abmessung, die Elementlänge,


wesentlich größer als die beiden anderen Abmessungen, die Elementquerschnittsmaße.
Durch die Angabe der geraden oder gekrümmten Elementachse und der Querschnitts-
form werden Linienelemente geometrisch eindeutig beschrieben. Als Elementachse
wird vielfach die Verbindungslinie der Querschnittsschwerpunkte S oder der Schub-
mittelpunkte M angenommen (Abb. 1.1).

Es kann aber im Rahmen einer Strukturanalyse von Linientragwerken auch zweck-


mäßig sein, allgemeinere Elementachsen zu wählen. In Abhängigkeit von der
Beanspruchungsart bezeichnet man Linienelemente auch als Stäbe (reine Zug/Druck-
Beanspruchung), Wellen (reine Torsionsbeanspruchung) oder Balken (Biegebe-
anspruchung), siehe Abb. 1.1. Ihre Berechnung ist Gegenstand der elementaren
Festigkeitslehre. Beim Zusammenfügen von Linienelementen zu einer komplexen
Struktur erhält man ein ebenes oder räumliches Stabtragwerk. Die Berechnung von
Stabtragwerken ist nicht Gegenstand des vorliegenden Buches. Eine ausführliche Dar-
stellung findet man bei Krätzig und Başar (1995); Krätzig und Wittek (1994, 1995).
2. Zweidimensionale- oder Flächenelemente (Flächentragwerk)

I Flächenelement Bei diesen Elementen sind zwei Abmessungen groß im Ver-


gleich zur dritten Abmessung, der Elementdicke. Halbiert man an jeder Stelle des
Flächenelementes die Elementdicke, liegen alle Halbierungspunkte auf der Mittelflä-
che des Flächenelementes (Abb. 1.2). Flächentragwerkselemente können somit geo-

Abb. 1.1 Linienelemente a b


mit gerader Elementachse. x h
a Geometrie, b Zugstab, c Bie- y
z c
gebalken, d Torsionswelle l

h; b l
d
h
b
4 1 Einführung

a b
z h
x h
y x
y z
ly
ly

lx lx

h lx ; ly h lx ; ly

Abb. 1.2 Flächentragwerkselemente mit ebener Mittelfläche. a Scheibe, b Platte

metrisch durch die Geometrie der Mittelfläche und die Angabe der Elementdicke be-
schrieben werden. Man unterscheidet Flächentragwerkselemente mit ebener oder ge-
krümmter Mittelfläche.

Ist die Mittelfläche eben, bezeichnet man das Element als Scheibe oder als Platte.
Bei einer Scheibe wirken alle äußeren Beanspruchungen nur in der Mittelfläche. Die
Mittelfläche wird dabei verzerrt, Biegewirkungen treten nicht auf. Bei einer Platte tre-
ten immer Biegeverformungen auf. Die äußeren Kräfte wirken vorrangig rechtwinklig
zur Mittelfläche. Im einfachsten Fall einer Tragwerkstheorie erster Ordnung können
die Scheiben- und die Plattenwirkungen unabhängig voneinander berechnet werden.
Es gibt aber auch zahlreiche Anwendungen, für die eine solche Entkopplung nicht
möglich ist. Die Modellierung und Berechnung ebener Flächentragwerkselemente ist
Gegenstand des vorliegenden Buches. Solche Elemente können z. B. als wandartige
Träger oder als Brückenplatte allein eine Tragwerksfunktion erfüllen. Durch Kopplung
mehrerer Flächentragwerkselemente entstehen Faltwerks- oder räumliche Plattenkon-
struktionen. In den nachfolgenden Kapiteln werden die für technische Anwendungen
bedeutsamen Scheiben- und Plattenmodelle analysiert, d. h., es wird der Spannungs-
und der Formänderungszustand, das Stabilitätsverhalten sowie das dynamische Ver-
halten unter Gebrauchslasten für unterschiedliche Modellierungen berechnet. Auf die
Problematik der Faltwerke wird jedoch nicht weiter eingegangen. Weiterführende Hin-
weise kann man der Literatur, z. B. Girkmann (1986); Wlassow (1958), entnehmen.
Die Mittelfläche von Flächentragwerkselementen kann auch einfach oder doppelt ge-
krümmt sein. Durch eine solche Krümmung, sowie durch eine geeignete Geometrie
und Lagerung der Ränder, kann die Tragqualität flächenhafter Strukturen wesentlich
beeinflusst werden. Schalen und Schalenkonstruktionen werden im weiteren jedoch
nicht betrachtet. Eine ausführliche Ableitung der Schalenmodelle findet man z. B. in
Başar und Krätzig (1985); Flügge (1981); Wlassow (1958).
1.1 Aufgabenstellung 5

Abb. 1.3 Dreidimensionales x


Quaderelement y z
lz
lx ly lz

ly
lx

3. Dreidimensionale Strukturelemente

I Dreidimensionales Strukturelement Dreidimensionale Bauteile bzw. Struktur-


elemente haben in allen Raumrichtungen Abmessungen gleicher Größenordnung
(Abb. 1.3).

Dreidimensionale Elemente werden meist nicht in die mechanische Strukturanaly-


se von Tragwerken einbezogen. Ihre Berechnung ist sehr aufwendig und kann bei
allgemeiner Geometrie und Belastung nur mit Hilfe leistungsfähiger numerischer Be-
rechnungsverfahren erfolgen. Hinweise auf ausgewählte analytische Lösungen findet
man in Lurje (1963); Neuber (1985); Vocke (1969).

Die Zuordnung eines Strukturelementes zu einer der drei geometrischen Modellklassen


ist nicht immer eindeutig und wird wesentlich durch die Aufgabenstellung mitbestimmt.
Die Einordnung in eine Modellklasse beeinflusst den Berechnungsaufwand und die Qua-
lität und Zuverlässigkeit der Aussagen einer mechanischen Strukturanalyse. Die richtige
Zuordnung zu einer Modellklasse erfordert Erfahrungen und Verständnis für das globale
und das lokale Tragverhalten von Tragwerken und ihren Elementen im Betriebszustand.
Der konstruktive Leichtbau hat zu einer Erweiterung der traditionellen Klassifizie-
rung der Strukturelemente geführt. Die dem Leichtbau zugeordneten Konstruktionen ver-
wenden häufig dünnwandige Stäbe bzw. Stabschalen, die sich in ihrer Tragqualität von
den bisher beschriebenen Strukturelementen unterscheiden. Die räumlichen Abmessun-
gen dünnwandiger Stäbe haben in drei Richtungen eine unterschiedliche Größenordnung.
Ihre Wanddicke ist klein im Vergleich zu den anderen Querschnittsabmessungen, und
diese sind wiederum klein im Vergleich zur Stablänge. Über die Modellierung und Be-
rechnung dünnwandiger Stab- und Stabschalentragwerke gibt es eine umfangreiche Spe-
zialliteratur. Eine zusammenfassende Darstellung erfolgte von Altenbach u. a. (1994).
Dünnwandige Stab- und Stabschalentragwerke werden daher im folgenden nicht weiter
betrachtet.
Flächentragwerke erfüllen im allgemeinen sowohl Funktionen der Aufnahme, der Wei-
terleitung und der Abgabe aller Belastungen im Gebrauchszustand, d. h. Tragwerksfunk-
tionen, als auch Raumbildungsfunktionen. Die Tragwerksqualität von Flächentragwerken
wird außer vom Werkstoff vor allem durch folgende Faktoren beeinflusst:
6 1 Einführung

a b

x nx x

y qx mxy
y z
ny
nxy mx myx
my
nyx
qy

Abb. 1.4 Schnittgrößen für ebene Flächentragwerkselemente. a Scheibenschnittgrößen nx .x; y/,


ny .x; y/, nxy .x; y/, b Plattenschnittgrößen mx .x; y/, my .x; y/, mxy .x; y/, qx .x; y/, qy .x; y/

 Geometrie der Mittelfläche (eben oder gekrümmt) und


 geometrische Ausbildung und Stützung der Ränder.

Für die Beurteilung der Tragqualität eines Flächentragwerks müssen die Schnittgrößen be-
rechnet werden. Für Scheibenelemente sind das die in der Mittelfläche wirkenden Längs-
und Schubkräfte, für Plattenelemente Biegemomente, Torsionsmomente und Querkräfte.
Abb. 1.4 zeigt dies beispielhaft für eine Rechteckscheibe und eine Rechteckplatte. Ty-
pische Unterschiede im Tragverhalten eines Balkens mit Rechteckquerschnitt und eines
wandartigen Trägers, d. h. eines Scheibentragwerks, zeigt Abb. 1.5.
Das unterschiedliche Verhalten einer Scheibe, einer Platte und einer stabförmigen
Schale bei der Übertragung eines Biegemomentes ist qualitativ in Abb. 1.6 dargestellt.
Für die Scheibe (Abb. 1.6a) erhält man wegen des relativ großen Hebelarmes des inneren
resultierenden Kräftepaares kleine Biegenormalspannungen, die nichtlinear über die Hö-
he verlaufen. Ein wandartiger Träger ist daher sehr biegesteif. Für die Platte (Abb. 1.6b)
hat das resultierende Kräftepaar der inneren Kräfte einen sehr kleinen Hebelarm, so dass
zur Herstellung des Momentengleichgewichts große Biegenormalspannungen notwendig
sind. Eine Platte ist im Vergleich zum wandartigen Träger sehr biegeweich.
Bei der Schale (Abb. 1.6c) ist die Mittelfläche einfach gekrümmt. Dies hat eine große
Auswirkung auf die Übertragung einer Biegebelastung. Es kommt zu einer Überlagerung
von Scheiben- und Plattenschnittgrößen. Die Belastung wird in erster Linie wie bei ei-
nem dünnwandigen Balkenquerschnitt durch gleichmäßig über die Schalendicke h und
linear über den Gesamtquerschnitt verteilte Normalspannungen (die sog. Membranspan-
nungen) übertragen und nur ein kleiner Anteil durch Biegung der Schalenmittelfläche.
1.1 Aufgabenstellung 7

Resultierende
a Tragwerkselement Schnittgrößen Normalspannungs-
Geometrie und Belastung Biegemoment und verteilung im Schnitt A
A Querbelastung
M

h x x

A Q
z l z

b
A

Abb. 1.5 Qualitativer Verlauf der Normalspannungen  im Schnitt A. a Balken (h= l  1),
b wandartiger Träger .h= l  1/

a b c

x x
z y y z

x
y z

l l l

h l
h l
h l
y
z

Abb. 1.6 Qualitativer Verlauf der Normalspannungen bei einer Biegebeanspruchung. a Großer
Hebelarm der inneren Kräfte für das Schnittmoment ergibt bei der Scheibe kleine Spannungen,
b Kleiner Hebelarm der inneren Kräfte für das Schnittmoment ergibt bei der Platte große Span-
nungen, c Schnittmoment wird bei der Schale primär durch den Gesamtquerschnitt (überwiegend
gleichmäßige Verteilung der Normalspannungen über die Schalendicke) übertragen
8 1 Einführung

Abb. 1.7 Spannungserhöhung a b


in der Umgebung von Löchern.
a Scheibe mit Kreisloch unter
einachsigem Zug, b Platte mit h
Kreisloch unter konstanter
zylindrischer Biegung

Eine Schale entwickelt dann ihre besonderen Vorzüge der Tragqualität, wenn die auf-
tretenden Belastungen vorrangig durch Membranschnittgrößen abgegeben werden. Bei
gleicher Wanddicke h haben Platte und Schale das gleiche auf die Einheit der Schnittlän-
ge bezogene Trägheitsmoment h3 =12. Das größere Tragvermögen der Schale folgt somit
allein aus der räumlichen Verteilung von „Dehnspannungen“, d. h. der über h konstanten
Normalspannungen.
Die wesentliche Zielstellung der vorliegenden Einführung in die Theorie ebener Flä-
chentragwerke ist die Ableitung von Modellgleichungen und die Berechnung von Schei-
ben und Platten sowie einfacher Scheiben-Platten-Konstruktionen. Es geht um die Her-
ausarbeitung des qualitativen Tragverhaltens ebener Flächenelemente, um eine genauere
Abschätzung der Gültigkeitsgrenzen vereinfachter Modellgleichungen, z. B. der techni-
schen Balkenbiegungslehre, zu ermöglichen. Ferner gibt es typische Aufgabenstellungen,
deren Analyse mit eindimensionalen Tragwerkselementen nicht möglich ist. Beispielhaft
seien zwei Aufgabenstellungen genannt:

1. Untersuchung der Spannungserhöhungen an Ausschnitten


Sowohl für Scheiben als auch für Platten kommt es in der Umgebung von Ausschnitten
oder Kerben zu wesentlichen Spannungserhöhungen im Vergleich zu den Spannungs-
zuständen ungestörter Bereiche (Abb. 1.7). Für die sichere Dimensionierung solcher
Flächenelemente müssen die Spannungserhöhungsfaktoren bekannt sein.
2. Untersuchung von Lasteintragungszuständen
Die Einleitung äußerer Kräfte in Flächenelemente erfordert im allgemeinen gesonderte
konstruktive Maßnahmen. Dafür sind qualitative und quantitative Kenntnisse über das
Spannungsfeld in der Umgebung konzentrierter Lasteintragungen (s. Abb. 1.8) eine
große Hilfe.

Von grundlegender Bedeutung für die Ableitung von Tragwerksmodellen für Scheiben
und Platten ist das Prinzip von de Saint-Venant2 . Ohne die Anerkennung dieses Prinzips
wäre in vielen Fällen eine effiziente Berechnung der Spannungen und der Verformungen
für Tragwerkselemente oder Tragwerke nicht möglich. Dieses Prinzip besagt folgendes:

2
Adhémar Jean-Claude Barré de Saint-Venant 1797–1886.
1.1 Aufgabenstellung 9

Abb. 1.8 Krafteinleitung ei- a b


ner Einzelkraft F und einer F F
Streckenlast q in eine Schei-
be. a Spannungstrajektorien
(Hauptspannungslinien),
b Linien gleicher Haupt-
spannungen oder gleicher
Hauptschubspannungen (Iso-
chromaten)
q q

Wenn an einem elastischen Körper lokal, d. h. örtlich begrenzt, ein Gleichgewichtssystem


von Kräften angreift, klingen die durch dieses Kräftesystem hervorgerufenen Spannungen
und Formänderungen vom Lastangriffsbereich aus schnell ab.

Betrachtet man z. B. die in Abb. 1.9a dargestellte Scheibe, treten nur in dem schraf-
fierten Bereich Spannungen und Formänderungen auf. Man kann das Prinzip von de
Saint-Venant auch in folgender Form angeben:

In einer hinreichenden Entfernung von einer lokalen Lasteintragung ist nicht mehr die spezi-
elle Art der Lasteintragung, sondern nur ihre statisch resultierende Wirkung maßgebend.

a
h
1=2F
F a
a
1=2F

b
M M F F

Š a

Abb. 1.9 Prinzip von de Saint-Venant. a Abklingen eines Gleichgewichtssystems von Kräften in-
nerhalb des schraffierten Bereichs, b Unterschiedliche Eintragung statisch äquivalenter Momente
M  F a führt im unschraffierten Bereich zu gleicher Wirkung
10 1 Einführung

a b
F
F N D
bh
N
N
b=4
b=4 N
b=2

F F
N D
bh

Abb. 1.10 Quantifizierung des Prinzipes von de Saint-Venant: a Abklingverhalten der Spannungs-
konzentration als Folge der konzentrierten Lasteintragung, b gleichmäßige Spannungsverteilung
 D F=bh in allen Schnitten

Dieser Sachverhalt ist auf Abb. 1.9b qualitativ dargestellt. Es ist für eine korrekte
Modellierung natürlich wünschenswert, den Begriff „hinreichende Entfernung“ zu quan-
tifizieren. Abb. 1.10 zeigt, wie dies z. B. bei ausgewählten Scheibenaufgaben rechnerisch
überprüft werden kann. Verallgemeinernd verwendet man für Ingenieurberechnungen die
Aussage, dass das Prinzip von de Saint-Venant in einem Abstand vom Lastangriffspunkt,
der die Abmessungen des Lastangriffsbereiches hat, mit ausreichender Genauigkeit ange-
wendet werden kann.

1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle

Für alle nachfolgenden Kapitel sollen einige Definitionen zur Tragwerkstheorie und zu
den Scheiben- und Plattenmodellen formuliert werden. Wir werden im Rahmen dieses
Buches die Begriffe Theorie 1. Ordnung, Theorie 2. Ordnung und Theorie 3. Ordnung
verwenden. Diese Tragwerkstheorien der Baustatik werden nachfolgend definiert.

I Tragwerkstheorie 1. Ordnung Die Modellierung erfolgt unter der Voraussetzung phy-


sikalischer und geometrischer Linearität. Es gilt uneingeschränkt das Hookesche Gesetz,
alle Verschiebungen sind klein. In den Gleichungen für die Verzerrungen und die Krüm-
mungen werden nur die linearen Terme berücksichtigt. Wegen der Kleinheit aller Verfor-
mungen können die Gleichgewichtsbedingungen am Ausgangssystem, d. h. für die unver-
formte Scheibe oder Platte, formuliert werden.
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle 11

Die Voraussetzungen der Theorie 1. Ordnung haben große Bedeutung für die me-
chanische Strukturanalyse. Die Modelldifferentialgleichungen sind linear, es gibt eine
lineare Beziehung zwischen allen Belastungsursachen und -wirkungen, und es gilt un-
eingeschränkt das Superpositionsprinzip für alle Kraft- und Verformungszustände. Daher
entkoppeln sich auch die Scheiben- und die Plattengleichungen. Dies gilt für die Sta-
tik und die Dynamik ebener Flächentragwerke und bei entsprechender Vereinfachung der
Wärmeleitungsgleichungen auch für nichtisotherme Aufgabenstellungen. Eine Ausnahme
bilden Laminat- und Sandwichtragwerke, bei denen bei allgemeinem Querschnittsaufbau
(unsymmetrische Querschnittsgeometrie und/oder Werkstoffeigenschaften bezüglich der
Tragwerksmittelfläche) eine Entkopplung nicht mehr möglich ist. Die Voraussetzungen
der Tragwerkstheorie 1. Ordnung gelten für den überwiegenden Teil der hier behandelten
Aufgabenstellungen.

I Tragwerkstheorie 2. Ordnung Eine Tragwerkstheorie 2. Ordnung wird so definiert,


dass alle Voraussetzungen der Theorie 1. Ordnung bis auf eine Ausnahme übernommen
werden. Die Gleichgewichtsbedingungen werden für das verformte System formuliert.
Obwohl die Modellgleichungen linear bleiben, ergeben sich doch wichtige Konsequenzen.
Scheiben- und Plattengleichungen sind auch bei homogenem Querschnittsaufbau nicht
mehr entkoppelt. Die Abhängigkeiten zwischen den Belastungen in der Mittelebene und
den Verformungen sind nichtlinear. Das Superpositionsprinzip ist daher auf die Plattenbe-
lastung beschränkt.

Die Theorie 2. Ordnung hat große Bedeutung für die Berechnung der Beulwerte für
ebene Flächenelemente, für eine näherungsweise Berechnung von Platten mit Vorverfor-
mungen und für Platten mit zusätzlichen Belastungen in der Mittelfläche, u. a. auch durch
Vorspannungen.

I Tragwerkstheorie 3. Ordnung Unter einer Tragwerkstheorie 3. Ordnung werden die


folgenden physikalisch linearen und geometrisch nichtlinearen Aufgaben verstanden. Die
Verschiebungen sind nicht mehr klein. Die Gleichgewichtsbedingungen werden am ver-
formten System formuliert und es werden auch nichtlineare Glieder in den Verzerrungs-
gleichungen in einer ersten Näherung berücksichtig. Da die nichtlinearen Glieder für die
Verschiebungen u und v in der Mittelfläche von höherer Ordnung klein sind als die nicht-
linearen Terme für die Durchbiegung w, werden sie üblicherweise auch im Rahmen einer
Theorie 3. Ordnung nicht berücksichtigt (von Kármánsche3 Theorie). Die Modellglei-
chungen für die Scheibe und die Platte sind gekoppelt und nichtlinear. Das Superpositi-
onsprinzip gilt nicht mehr.

Die Theorie 3. Ordnung wird für die Berechnung großer Durchbiegung und die Ana-
lyse von Stabilitätsproblemen im überkritischen Bereich eingesetzt. In Erweiterung der

3
Theodor von Kármán 1881–1963.
12 1 Einführung

hier angegebenen Definition wird der Begriff Theorie 3. Ordnung auch auf Aufgaben mit
großen Verschiebungen und Verzerrungen verwendet.
Die gewählten Definitionen der Tragwerkstheorien 1. bis 3. Ordnung unterscheiden
sich nur in den geometrischen Hypothesen, das Materialverhalten wird in allen drei Fällen
näherungsweise durch das lineare verallgemeinerte Hookesche Gesetz erfasst. Natürlich
können auch allgemeinere Materialgesetze formuliert werden. Besonderes Interesse für
die Analyse von Flächentragwerken verdient die Erfassung von Kriechprozessen und der
damit verbundenen Materialschädigungen sowie die Einbeziehung elastisch-plastischen
Materialverhaltens. Auf diese Fragestellungen und die damit verbundenen Konsequenzen
wird im Rahmen dieses Buches nur kurz eingegangen.
Eine zentrale Aufgabe der Ingenieurmechanik ist die Ableitung und Begründung von
Tragwerksmodellen, die für reale Konstruktionen die qualitativen und die quantitativen
Faktoren, die für die Bewertung eines Tragwerkes unter Belastungen wesentlich sind,
möglichst gut erfassen. Ein wichtiger Aspekt der Modellbildung ist die Klassifizierung
der Tragwerke und ihrer Elemente nach den geometrischen Abmessungen in Linien- und
Flächentragwerke nach Abschn. 1.1. Auch die Einordnung einer Tragwerksberechnung in
eine Tragwerkstheorie 1., 2. oder 3. Ordnung ist Bestandteil der Modellbildung.
Für die im weiteren betrachteten ebenen Flächentragwerkselemente sind zusätzli-
che Modellannahmen erforderlich, um die Modellgleichungen mathematisch nicht ohne
Grund zu verkomplizieren und damit den Lösungsaufwand zu erschweren. Die Modell-
annahmen betreffen z. B. die Präzisierung des zulässigen Verhältnisses der Dicke zu den
anderen Abmessungen, die relative Größe der Verformungen im Verhältnis zur Dicke,
die Rotation einer Normalen des unverformten Referenzzustandes, aber auch die Ver-
nachlässigung einzelner Spannungskomponenten, wenn sie im Vergleich zu den anderen
Komponenten klein sind.
Für die Scheibentheorie ist die Modellbildung recht einfach. Es wird nur vorausge-
setzt, dass sich in Abhängigkeit von der Scheibendicke und der Belastung in der Scheibe
mit guter Näherung ein ebener Spannungs- oder ein ebener Verzerrungszustand einstel-
len kann. In beiden Fällen sind alle Spannungs- und Verformungsgrößen nur Funktio-
nen der Koordinaten der Mittelfläche und in Dickenrichtung konstant. Bei einem ebenen
Spannungszustand können die in der Mittelfläche wirkenden Schnittgrößen nx ; ny ; nxy (s.
Abb. 1.4) von Null verschiedene Werte annehmen. In Dickenrichtung treten in Folge der
Querkontraktion Dehnungen auf. Bei einem ebenen Verzerrungszustand sind nur die Ver-
zerrungen x ; y ; xy der Mittelfläche von Null verschieden. Daher gibt es keine Dehnung
in Dickenrichtung. Durch die Verhinderung dieser Dehnungen gibt es Normalspannungen
in Dickenrichtung, die allerdings nicht unabhängig sind, sondern durch die Normalspan-
nungen in der Mittelfläche ausgedrückt werden können. Die allgemeinen Spannungs- und
Verformungsbeziehungen des ebenen Spannungs- und des ebenen Verzerrungszustandes
werden in Abschn. 1.3 angegeben.
Für die Plattentheorie gibt es verschiedene Modellbildungen, die für die Anwendung in
der Strukturanalyse von Flächentragwerken Bedeutung haben. Man kann diese Modelle
wie folgt klassifizieren:
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle 13

1. Membrane
Eine Membran ist der Grenzfall einer sehr dünnen Platte, bei der die Biegesteifigkeit
vernachlässigt wird. Die Modellgleichungen sind nichtlinear, die großen Durchbie-
gungen sind mit den Gleichungen für die Verschiebungen in der Mittelfläche gekop-
pelt. Das Membranmodell liefert nur Normalspannungen in der Mittelfläche und keine
Schubspannungen. Dünne Platten, für die das Verhältnis von Durchbiegung zu Dicke
w= h  5 ist, können mit guter Näherung als Membran modelliert werden.
2. Dünne Platten mit großen Durchbiegungen
Für dieses Plattenmodell ist die Scheiben- und die Plattensteifigkeit zu berücksichti-
gen. Die Modellgleichungen sind nichtlinear, und der Scheiben- und der Plattenzu-
stand sind gekoppelt. Es gibt Normal- und Schubspannungen. Die Modellgleichungen
für dünne Platten großer Durchbiegung sind erstmalig durch von Kármán abgeleitet
worden. Diese von Kármán-Plattengleichungen gelten mit guter Näherung für Platten,
deren Durchbiegungen im Bereich 0;2 < w= h < 5 liegen.
3. Dünne Platten mit kleinen Durchbiegungen – Schubstarres Plattenmodell
Für dünne Platten mit kleinen Durchbiegungen können die Modellgleichungen stark
vereinfacht werden. Wegen der Kleinheit der Durchbiegungen sind die Gleichungen
geometrisch linear, Scheiben- und Plattenaufgabe können getrennt gelöst werden. Für
dieses Plattenmodell wird näherungsweise angenommen, dass die Dehnungen und die
Gleitungen in Dickenrichtung so klein sind, dass sie vernachlässigt werden können.
Das Plattenmodell ist somit in Dickenrichtung dehn- und schubstarr. Diese Annah-
men haben zur Folge, dass eine Normale zur unverformten Plattenmittelfläche auch
nach der Verformung Normale der Mittelfläche ist. Dieses Plattenmodell wird häu-
fig als Kirchhoff4 -Modell bezeichnet. Der Anwendungsbereich wird im allgemeinen
auf Durchbiegungen w= h < 0;2 beschränkt. Auch sollte das Verhältnis von Dicke h
zur kleineren Grundrissabmessung den Wert 0;1 nicht überschreiten .h=Min.lx ; ly / <
0;1/. Eine analytische Lösung ist für einfache Geometrie und Lagerung möglich, in all-
gemeineren Fällen werden Näherungsverfahren für die Modellberechnung eingesetzt.
4. Platten mittlerer Dicke – Schubelastisches Plattenmodell
Für Platten mittlerer Dicke, für die ein Wert h=Min.lx ; ly / < 0;2 als Grenze ange-
geben werden kann und insbesondere auch für Laminat- und Sandwichplatten, die
viel schubweicher als isotrope Platten sind, liefert das schubstarre Plattenmodell oft
unzureichende Ergebnisse. Es kann aber in einer ersten Näherung durch die Einbezie-
hung der Schubverformungen auf die Plattenbeanspruchungen verbessert werden. Um
die Modellgleichungen möglichst einfach zu lassen, wird die Schubverzerrung nur im
Mittel, d. h. unter Annahme einer konstanten Verteilung über die Plattendicke, erfasst.
Durch zusätzliche Schubkorrekturfaktoren werden die Modellergebnisse verbessert.
Das schubelastische Plattenmodell ist eng mit den Namen E. Reissner5 und Mindlin6

4
Gustav Kirchhoff 1824–1887.
5
Eric Reissner 1913–1996.
6
Raymond David Mindlin 1906–1987.
14 1 Einführung

Abb. 1.11 Scheibenmo- z


delle. a Schnittgrößen und x h
Verzerrungen des Modells y
„ebener Spannungszustand“, ly
b Schnittgrößen und Verzer-
rungen des Modells „ebener
Verzerrungszustand“, c Span- lx
nungsverteilung über die
Scheibendicke h für beide a c
Scheibenmodelle ebener Spannungszustand Spannungen konstant über h
x y
z xz 0yz x; y
h
nx ; ny ; nxy D nyx ¤ 0
"x ; "y xy D yx ¤ 0

"z .nx C ny /
hE
xz yz 0 x; y
h
xy D yx
b
ebener Verzerrungszustand
"z xz yz 0
nx ; ny ; nxy D nyx ¤ 0

z D .nx C ny /
h
"x ; "y ; "z xy D yx ¤ 0

verknüpft. Trotz der vereinfachten Berücksichtigung der Schubverzerrungen sind die


Modellgleichungen wesentlich komplexer als für das Plattenmodell nach 3. und nur
in Ausnahmefällen einer analytischen Lösung zugänglich. Für numerische Lösungs-
verfahren ergeben sich im Gegensatz dazu oft Vereinfachungen. Darauf wird später
genauer hingewiesen.
5. Dicke Platten
Ist die Plattendicke nicht mehr klein im Vergleich zu den anderen Abmessungen
(h=Min.lx ; ly / > 0;2), kann ein zweidimensionales Plattenmodell das Tragverhalten
nicht mehr ausreichend genau beschreiben. Es müssen dann dreidimensionale Modell-
gleichungen herangezogen werden. Solche Modellgleichungen werden im weiteren
nicht betrachtet.

Auf den Abb. 1.11, 1.12 und 1.13 sind die unterschiedlichen Scheiben- und Plattenmodel-
le noch einmal übersichtlich zusammengefasst. In Vorgriff auf die späteren Ableitungen
wurden zur Illustration auch die Spannungsverteilungen über die Dicke der Flächenele-
mente dargestellt. Die zur Abgrenzung der Plattenmodelle angegebenen Werte für w= h
und h=Min.lx ; ly / sind nur Richtwerte, da die Art der Belastungen und der Lagerun-
gen diese Grenzen beeinflusst. In den nachfolgenden Kapiteln werden ausführlich die
beiden Scheibenmodelle und das schubstarre Plattenmodell diskutiert. Durch zahlreiche
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle 15

x
y z
ly h

lx

a
Spannungsverteilung
kinematische Hypothesen

h=min.lx ; ly / < 0;1;


w= h < 0;2
h

n
x y xy xz yz

"z 0
Normalspannungen x y
und Schubspannung xy
xz yz 0 n linear über h;
xz yz parabolisch über h

b
Spannungsverteilung
kinematische Hypothesen

h=min.lx ; ly / < 0;2;


w= h < 0;2
n h

x y xy xz yz

"z 0 ¤n Normalspannungen x y
und Schubspannung xy
linear über h;
xz yz konst ' ¤ 90ı xz yz konstant über h

Abb. 1.12 Plattenmodelle für kleine Durchbiegungen. a kinematische Hypothesen und Spannungs-
verteilungen über h für schubstarre Platten, b kinematische Hypothesen und Spannungsverteilungen
über h für schubelastische Platten
16 1 Einführung

y z
ly h

lx

Annahmen Spannungsverteilung

h min.lx ; ly /;
w= h 0;5 (Zugspannungen)
0 h x y
xy xz yz z

Annahmen

h=min.lx ; ly / < 0;1;


0;2 < w= h < 5 keine Schubspannungen

b
schubstarr
Spannungsverteilung
"z xz yz 0

schubelastisch
h
"z 0
xz yz konst

x y xy

schubstarres
h Modell
xz yz

schubelastisches
h Modell
xz yz

Abb. 1.13 Plattenmodelle für große Durchbiegungen. a Membran (dünne Platte ohne Biege- und
Drillsteifigkeit), b schubstarre und schubelastische Platte (von Kármán–Modell)

Beispiele werden Möglichkeiten und Aufwand analytischer Lösungen verdeutlicht. Alle


Gleichungen werden zunächst für isotropes Materialverhalten und isotherme Beanspru-
chungen abgeleitet und danach verallgemeinert.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 17

Für schubelastische Platten mit kleinen Durchbiegungen (Mindlin-Modell) und die


schubstarre Platte mit großen Durchbiegungen (von Kármán-Modell) werden gleichfalls
die Grundgleichungen abgeleitet. Die Anzahl von Demonstrationsbeispielen musste je-
doch wegen des begrenzten Buchumfanges stark reduziert werden.

1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie

1.3.1 Koordinatensystem, Verschiebungen, Spannungen

Im Abschn. 1.3 werden in kurzer Form die Gleichungen der Elastizitätstheorie zusam-
mengefasst, die für die nachfolgend diskutierten Scheiben- und Plattenmodelle besondere
Bedeutung haben. Auf eine ausführlichere Ableitung der Gleichungen wird verzichtet,
da es hierzu eine umfangreiche Literatur gibt, z. B. Altenbach (2015); Altenbach u. a.
(1996); Bruhns und Lehmann (1991); Eschenauer und Schnell (1993); Göldner (1991);
Hahn (1985). Die hier nicht aufgeführten Gleichungen werden an den Textstellen erläu-
tert, an denen sie benötigt werden.
Alle Gleichungen werden in kartesischen7 Koordinaten formuliert. Das Bezugssystem
ist in Abb. 1.14a dargestellt. e 1 ; e 2 ; e 3 sind Einheitsvektoren in Richtung der positiven
Koordinatenrichtungen x1 D x; x2 D y; x3 D z. Im folgenden wird stets die Koordina-
tenbezeichnung x1 ; x2 ; x3 gewählt. Die Koordinaten können durch den Koordinatenvektor
wie folgt dargestellt werden
2 3
x1
6 7
x D 4 x2 5 oder x T D Œx1 x2 x3 
x3

Durch den oberen Index T werden transponierte Vektoren bezeichnet.


Das Verhalten eines deformierbaren festen Körpers wird durch kinematische Glei-
chungen, durch Gleichgewichtsgleichungen und durch konstitutive Gleichungen (auch

Abb. 1.14 Bezugssystem. a b


a kartesisches Koordinaten- 2; x2 ; y u2 ; v
system, b Verschiebungen in
Richtung der Koordinaten-
achsen e2 e2

e1 1; x1 ; x e1 u1 ; u
e3 e3

3; x3 ; z u3 ; w

7
René Descartes (Renatus Cartesius) 1596–1650.
18 1 Einführung

Werkstoffgesetz oder Materialgleichungen) beschrieben. Als Folge äußerer, eingepräg-


ter Belastungen verändern die Punkte des Körpers ihre Lage im Raum, und es entsteht
im Körper ein Beanspruchungszustand. Die äußeren Kräfte rufen im Körper innere Kräfte
hervor, ihre Verteilung wird als stetig vorausgesetzt.
Die Lageänderungen der Punkte eines Körpers werden durch den Verschiebungsvektor
des jeweils betrachteten Punktes beschrieben
2 3
u1
6 7
u D 4 u2 5 oder uT D Œu1 u2 u3 
u3

Dabei ist ui die Verschiebungskoordinate in Richtung von xi .


Alle auf einen Körper einwirkenden äußeren Kräfte, die sogenannten eingeprägten
Kräfte, haben den Charakter von Körper- oder von Oberflächenkräften. Körperkräfte kön-
nen auf die Massen- oder die Volumeneinheit bezogen werden. Für Volumenkräfte pdV
ist z. B. p der Vektor der Volumenkraftdichte
2 3
p1
6 7
p D 4 p2 5 oder p T D Œp1 p2 p3 
p3

Die pi sind wiederum die Koordinaten in Richtung von xi .


Äußere Oberflächenkräfte wirken immer auf eine Fläche und werden daher auch als
eingeprägte Kontaktkräfte bezeichnet. Oberflächenkräfte qdA werden auf die Flächenein-
heit bezogen, q ist somit ein Spannungsvektor. Ist z. B. A D nA ein Oberflächenele-
ment mit dem äußeren Flächennormalenvektor n, erhält man durch Grenzwertbildung bei
fester Richtung n
F
lim D q.x; n/
A!0 A

den Oberflächenspannungsvektor
2 3
q1
6 7
q D 4 q2 5 oder q T D Œq1 q2 q3 
q3

als Funktion der Koordinaten xi des betrachteten Oberflächenpunktes und des Normalen-
vektors des Oberflächenelementes dA in P . Die Vektoren q der Oberflächenkräfte qdA
werden in der Literatur oft mit t (traction) bezeichnet.
Als Maß für die Beanspruchung in einem inneren Punkt P des Körpers wird der Span-
nungszustand in diesem Punkt eingeführt. In Abb. 1.15 wird ein Körper unter der Wirkung
eingeprägter Kräfte betrachtet. Entfällt auf ein inneres Flächenelement A eines Schnit-
tes durch den Körper eine resultierende innere Kraft F und ist nT D Œn1 n2 n3  der
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 19

Abb. 1.15 Gleichgewicht am a b


deformierbaren Körper. a de- x2
formierbarer Körper unter F2
F1
Wirkung eines Gleichge- n
wichtssystems äußerer Kräfte P
F i ; i D 1; : : : ; n, b Flächen-
F
element A im Schnitt des
Körpers, n ist der Vektor der
Flächennormalen, F der re- x1
sultierende Vektor der inneren
Fn
Kräfte auf A
x3

Normalenvektor im Punkt P von A, erhält man den Spannungsvektor


2 3
 n1
6 7
 n D 4  n2 5 oder  Tn D Œn1 n2 n3 
 n3

wieder durch Grenzwertbildung bei festem n

F
 n D lim
A!0 A

Da es für einen inneren Punkt P des Körpers unendlich viele Schnittelemente A gibt,
die sich durch ihren Normalenvektor n unterscheiden, kennzeichnet erst die Gesamtheit
der Spannungsvektoren für alle Schnittelemente den Spannungszustand in P . Es lässt sich
zeigen, dass bereits drei Spannungsvektoren bezüglich nicht komplanarer Schnitte durch
P ausreichen, den Spannungszustand in P eindeutig zu bestimmen. Als Schnittflächen
werden zweckmäßig die Koordinatenflächen benutzt.
Abb. 1.16 zeigt den Spannungszustand für einen Punkt P in Bezug auf die Schnitt-
ebenen x1 D const; x2 D const und x3 D const. Die Spannungen sind für die posi-
tiven Schnittufer dargestellt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Flächennor-
male in Richtung einer positiven Koordinatenachse zeigt. Für die Spannungskoordinaten
ij ; i; j D 1; 2; 3 gilt für ein positives Schnittufer:

 der erste Index i kennzeichnet die Schnittfläche xi D const,


 der zweite Index j kennzeichnet die positive Koordinatenrichtung xj .

Die Koordinaten ij der Spannungsvektoren  ni für die Schnittflächen xi D const bilden
den Spannungstensor ij ; i; j D 1; 2; 3. Der Spannungstensor wird entweder a priori als
symmetrisch vorausgesetzt (Boltzmann8 -Axiom) oder die Symmetrie wird z. B. mit Hilfe

8
Ludwig Boltzmann 1844–1906.
20 1 Einführung

Abb. 1.16 Koordinaten x2


ij ; i; j D 1; 2; 3 eines Span- 22
nungstensors. Die ij mit
i D j heißen Normalspan- 21
nungen, die ij mit i ¤ j
23
Schubspannungen
11
32 12

31
dx2 13
x1
33 dx3

dx1

x3

der Gleichgewichtsbedingungen abgeleitet. Die Koordinaten eines symmetrischen Span-


nungstensors ij D j i kann man auch als Koordinaten eines Spannungsvektors mit 6
Koordinaten betrachten:  T D Œ11 22 33 12 23 31 .
Für die Spannungen gelten drei grundlegende Transformationsgleichungen:

1. Berechnung von  n aus den Koordinaten des Spannungstensors


Kennt man die Komponenten ij des Spannungszustandes in einem Punkt P , erhält
man die Komponenten des Spannungsvektors  n für ein Flächenelement mit dem Nor-
malenvektor n aus der Gleichung

ni D ij nj ; i; j D 1; 2; 3; nj D cos.n; ej /

Über doppelt auftretende Indices ist hier und im folgenden immer von 1 bis 3 zu sum-
mieren (Einsteinsche9 Summationsvereinbarung). Diese Transformationsgleichung
kann man einfach ableiten. Aus Abb. 1.17 liest man ab

! x1 W n1 dA  11 dA1  21 dA2  31 dA3 D 0

In Analogie erhält man für die Koordinatenrichtungen x2 und x3 die Gleichungen

n2 dA  22 dA2  32 dA3  12 dA1 D 0;


n3 dA  33 dA3  13 dA1  23 dA2 D 0
Für das Gleichgewicht in den drei Koordinatenrichtungen gilt dann allgemein

ni dA D ij dAj

mit dAj D dAnj . Dies entspricht nach Division durch dA genau der angegebenen
ersten Transformationsgleichung.

9
Albert Einstein 1879–1955.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 21

Abb. 1.17 Spannungsvek- x2 nT D Œn1 ; n2 ; n3


tor  n für ein differentielles n
Schnittelement dA mit dem ni D cos.n; e i /
x1
Normalenvektor n T
n D n1 n2 n3
n
13

11 dA
12

dA1 x3

2. Drehung des Koordinatensystems


Für die Koordinaten ij und ij0 eines Spannungstensors im Koordinatensystem x T D
Œx1 x2 x3  und im nach Abb. 1.18a gedrehten Koordinatensystem x 0 T D Œx10 x20 x30 
gelten die Transformationsgleichungen

ij0 D ci k cj l kl ; e 0i D cij ej ; cij D cos.e 0i ; ej /;


0
ij D cki clj kl ; e i D cj i ej0 ; cj i D cos.ej0 ; e i /

Diese entsprechen den allgemeinen Transformationsgleichungen für Tensoren.


In allen Transformationsgleichungen ist wieder über die doppelt auftretenden Indizes
0
von 1 bis 3 zu summieren. So erhält man z. B. für 11 im Falle eines symmetrischen
0 0
Spannungstensors ij D j i die Transformationsgleichung

0
11 D 11 c11 c11 C 22 c12 c12 C 33 c13 c13
C 21 c12 c11 C 12 c11 c21 C 31 c13 c11
C 13 c11 c13 C 23 c12 c13 C 32 c13 c12
D 11 c11
2
C 22 c12
2
C 33 c13
2

C 2.12 c11 c21 C 13 c11 c13 C 23 c12 c13 /

Für den ebenen Sonderfall mit 11 ; 22 ; 12 D 21 und einer Drehung des Koordina-
tensystems .x1 ; x2 / um den Winkel ˛ in das Koordinatensystem .x10 ; x20 / (Abb. 1.18b)
erhält man die bekannten Transformationsgleichungen der elementaren Festigkeitsleh-
re
0
11 D 11 cos2 ˛ C 22 sin2 ˛ C 212 cos ˛ sin ˛;
0
22 D 11 sin2 ˛ C 22 cos2 ˛  212 cos ˛ sin ˛;
0
12 D .11  22 / sin ˛ cos ˛ C 12 .cos2 ˛  sin2 ˛/
mit c11 D cos ˛; c12 D cos. 2  ˛/ D sin ˛ D c21 ; c22 D cos ˛.
22 1 Einführung

22
a
21
23 12
x2 11
32

x20 31
13

33
x10
e2
e 02 .e 01 ; e 1 /
e 01 0
22
e1 x1 0 0 0
e3 21 12 11

e 03 0
23
0 0
0 13
x3 32
31
x30
0
33

b
0
22 22
x2 0
0
21 21
12
0
x20 12 11
11 11

x10 12 0
11
e2 0
e 02 21 0
e 01 ˛ 12
21 0
22
22
e1 x1

Abb. 1.18 Spannungskoordinaten bei Drehung des Koordinatensystems. a dreidimensionaler Fall


e 0i D cij ej ; i; j D 1; 2; 3, b zweidimensionaler Fall e 0i D cij ej ; i; j D 1; 2

3. Hauptachsentransformation und Berechnung der Hauptspannungen I ; II und III für


einen Spannungstensor ij D j i im Punkt P
Für den durch einen Spannungstensor gekennzeichneten Spannungszustand im Punkt
P gibt es im allgemeinen drei senkrecht aufeinander stehende Flächenelemente, die
schubspannungsfrei sind, d. h., bei denen der Spannungsvektor  n die Richtung von n
hat. Die auf den Schnittflächen wirkenden Normalspannungen haben dann Extremwer-
te, sie heißen Hauptnormalspannungen, die zugehörigen Richtungen Hauptrichtungen.
In Abb. 1.19 ist ABC eine Hauptebene mit dem Normalenvektor n, mit  als skalaren
Wert der Hauptspannungen und  n dem auf der Schnittfläche ABC allein wirkenden
Hauptspannungsvektor dargestellt. Aus der Transformationsgleichung

ni   ni D ij nj
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 23

Abb. 1.19 Hauptspan- x2


nungsebene ABC , Haupt-
spannungsrichtung n und B
Hauptspannungsvektor  n
n
n

dx2
dx1
x1
A

3
dx
C
x3

folgt das homogene Gleichungssystem für die nj


(
1 i Dj
.ij   ıij /nj D 0; ıij D
0 i ¤j

Ist die Koeffizientendeterminate Null, d. h.

det.ij   ıij / D 0 oder  3  I1  2 C I2   I3 D 0;

.k/
erhält man nichttriviale Lösungen nj ; j D 1; 2; 3; k D I; II; III für die drei Haupt-
spannungswerte k . Die Größen

I1 D 11 C 22 C 33


D I C II C III ;
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ 11 12 ˇ ˇ 22 23 ˇ ˇ 11 13 ˇ
I2 D ˇ ˇCˇ ˇCˇ ˇ
ˇ 12 22 ˇ ˇ 23 33 ˇ ˇ 13 33 ˇ
D I II C II III C I III ;
ˇ ˇ
ˇ   ˇ
ˇ 11 12 13 ˇ
ˇ ˇ
I3 D ˇ 12 22 23 ˇ
ˇ ˇ
ˇ 13 23 33 ˇ
D I II III
24 1 Einführung

II
III

1
I C III /
2
I I
1
I I III /
1 2
I III /
2 1
I C III /
III 2
III
II
III

1
I C III /
1 2
I III / I I
2 1
I I III /
2
1
I C III /
2
III
III

Abb. 1.20 Hauptspannungsschnitte. Hauptnormalspannungen I  II  III , maximale Schub-


spannung max D 12 .I  III /

sind Spannungsinvarianten. Ferner gibt es im allgemeinen in jedem Punkt 6 Schnittflä-


chen, für die die Schubspannungen Extremwerte I ; II ; III annehmen, die als Haupt-
schubspannungen bezeichnet werden. Diese Schnittflächen sind aber nicht normal-
spannungsfrei (Abb. 1.20).

Zusammenfassend gelten damit die folgenden Transformationsgleichungen:

ni D ij nj ;
nj D cos.n; ej /
ij0 D ci k cj l kl ; i; j; k D 1; 2; 3;
0
cij D cos.e 0i ; ej /
ij D cki clj kl
Ebener Fall: Drehung der .x1 ; x2 /-Achsen um ˛, i; j; k D 1; 2;
c11 D c22 D cos ˛; c12 D c21 D sin ˛

Für die Hauptnormal- und die Hauptschubspannungen gelten die folgenden Wert- und
Richtungszuordnungen im Hauptrichtungsbezugssystem:
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 25

p p
n1 ˙1 0 0 0 ˙ 12 2 ˙ 12 2

p p
n2 0 ˙1 0 ˙ 21 2 0 ˙ 12 2

p p
n3 0 0 ˙1 ˙ 21 2 ˙ 12 2 0

II C III I C III I C II


 I II III ˙ ˙ ˙
2 2 2
II  III I  III I  II
 0 0 0 ˙ ˙ ˙
2 2 2

1.3.2 Kinematische Gleichungen

Die Lageänderung eines Punktes P .x1 ; x2 ; x3 / als Folge äußerer Kräfte wird durch den
Verschiebungsvektor u.x1 ; x2 ; x3 / mit den Koordinaten ui .x1 ; x2 ; x3 /, i D 1; 2; 3 ausge-
drückt. Für die weiteren Ableitungen interessieren vor allem die relativen Lageänderungen
der Körperpunkte zueinander, da nur diese eine Deformation des Körpers bewirken und
somit Spannungen im Körper hervorrufen.
Setzt man voraus, dass bei einer Deformation der Zusammenhang des Körpers erhal-
ten bleibt, müssen die Verschiebungen stetige Funktionen der Koordinaten xi sein. Zwei
benachbarte Punkte

P .x1 ; x2 ; x3 / und Q.x1 C dx1 ; x2 C dx2 ; x3 C dx3 /

haben dann die Verschiebungsvektoren u und u C d u. Die Verschiebungsdifferentiale


dui .x1 ; x2 ; x3 /, i D 1; 2; 3; in Richtung der Koordinaten xi können in Taylorreihen10
entwickelt werden. Bei kleinen Verschiebungen werden die Reihenentwicklungen nach
dem linearen Glied abgebrochen, und man erhält

@u1 @u1 @u1


du1  dx1 C dx2 C dx3 D u1;1 dx1 C u1;2 dx2 C u1;3 dx3 ;
@x1 @x2 @x3
@u2 @u2 @u2
du2  dx1 C dx2 C dx3 D u2;1 dx1 C u2;2 dx2 C u2;3 dx3 ;
@x1 @x2 @x3
@u3 @u3 @u3
du3  dx1 C dx2 C dx3 D u3;1 dx1 C u3;2 dx2 C u3;3 dx3
@x1 @x2 @x3

10
Brook Taylor 1685–1731.
26 1 Einführung

In Abb. 1.21 ist für einen ebenen Schnitt anschaulich dargestellt, wie die Punkte

P .x1 ; x2 /; Q.x1 C dx1 ; x2 /; R.x1 ; x2 C dx2 /

bei einer Deformation des Körpers die neuen Lagen

P 0 .x1 C u1 ; x2 C u2 /;
Q0 .x1 C dx1 C u1 C u1;1 dx1 ; x2 C u2 C u2;1 dx1 /;
R0 .x1 C u1 C u1;2 dx2 ; x2 C dx2 C u2 C u2;2 dx2 /

einnehmen. Man erkennt, dass die Linienelemente dx1 D PQ und dx2 D PR sowohl
ihre Länge als auch den von ihnen eingeschlossenen rechten Winkel ändern
q q
ds1 D .u2;1 dx1 /2 C .dx1 C u1;1 dx1 /2 D dx1 1 C 2u1;1 C u21;1 C u22;1 ;
q q
ds2 D .u1;2 dx2 /2 C .dx2 C u2;2 dx2 /2 D dx1 1 C 2u2;2 C u22;2 C u21;2 ;

ds1  dx1 q 1
D 1 C 2u1;1 C u21;1 C u22;1  1  u1;1 C .u21;1 C u22;1 / D "11 ;
dx1 2
ds2  dx2 q 1
D 1 C 2u2;2 C u22;2 C u21;2  1  u2;2 C .u21;2 C u22;2 / D "22 ;
dx2 2

u2;1 u1;2
tan ˛1 C tan ˛2  ˛1 C ˛2 D C
1 C u1;1 1 C u2;2
 u1;2 C u2;1 C u1;1 u1;2 C u2;1 u2;2 D 2"12

Abb. 1.21 Dehnungen "11 ; "22 u1 C u1;2 dx2


x2
und Gleitungen 2"12 in der
R0
u2 C u2;2 dx2

.x1 ; x2 /-Ebene eines defor-


mierbaren Körpers ds2
˛2
2"12
2
R Q0
ds1
u2 C u2;1 dx1

P0 ˛1
dx2

u2

P Q
u1 u1 C u1;1 dx1

dx1 x1
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 27

Die Längenänderungen "ij ; i D j heißen Dehnungen, die Winkeländerungen "ij ; i ¤ j –


Gleitungen. Die Dehnungen und Gleitungen sind Verzerrungsgrößen, der Verzerrungs-
zustand eines Körpers wird für jeden Punkt eines Körpers durch den symmetrischen
Verzerrungstensor "ij D "j i beschrieben. Die Koordinaten dieses Tensors sind für kleine,
aber finite Verschiebungen und für infinite Verschiebungen nachfolgend zusammenge-
fasst:

1 2 
"11 D u1;1 C u C u22;1 C u23;1 ;
2 1;1
1 2 
"22 D u2;2 C u1;2 C u22;2 C u23;2 ;
2
1 2 
"33 D u3;3 C u1;3 C u22;3 C u23;3 ;
2
1
"12 D .u1;2 C u2;1 C u1;1 u1;2 C u2;1 u2;2 C u3;1 u3;2 / ;
2
1
"23 D .u2;3 C u3;2 C u1;2 u1;3 C u2;2 u2;3 C u3;2 u3;3 / ;
2
1
"31 D .u3;1 C u1;3 C u1;3 u1;1 C u2;3 u2;1 C u3;3 u3;1 /
2

Verzerrungen für unendlich kleine (infinite) Verschiebungen


"11 D u1;1 ; "22 D u2;2 ; "33 D u3;3 ;
1 1 1
"12 D .u1;2 C u2;1 / ; "23 D .u2;3 C u3;2 / ; "31 D .u3;1 C u1;3 / ;
2 2 2
dV
D "11 C "22 C "33 Dilatation
V

Der Verzerrungszustand eines Körpers kann für finite und für infinite Verschiebungen
sowohl durch drei Verschiebungsgrößen u1 ; u2 ; u3 oder durch sechs Verzerrungsgrößen
"11 ; "22 ; "33 ; "12 ; "23 ; "31 beschrieben werden. Zwischen den Verzerrungsgrößen müssen
daher noch Abhängigkeiten bestehen, die sog. Kompatibilitätsgleichungen. Darauf wird
bei der Ableitung der Scheibengleichungen näher eingegangen. Die Winkeländerungen
2"ij ; i ¤ j werden in der Baumechanik meist mit ij bezeichnet

2"ij D ij D ui;j C uj;i ; i ¤j

Im Verzerrungstensor haben dann alle Koordinaten ij ; i ¤ j den Faktor 1/2.


28 1 Einführung

1.3.3 Gleichgewichtsbedingungen

Als Folge eingeprägter äußerer Volumen- und Oberflächenkräfte baut sich im Körper
ein Beanspruchungszustand auf. Als Maß für den Beanspruchungszustand wurde der
Spannungszustand definiert. Dieser wird als stetig vorausgesetzt, und er ändert sich im
allgemeinen von Punkt zu Punkt. Betrachtet man zwei benachbarte materielle Punk-
te P .x1 ; x2 ; x3 / und P 0 .x1 C dx1 ; x2 ; x3 /, erhält man für die Differenz der Werte der
Koordinaten ij des Spannungszustandes in beiden Punkten

@ij
ij .x1 C dx1 ; x2 ; x3 /  ij .x1 ; x2 ; x3 / D dij  dx1 D ij;1 dx1
@x1

Abb. 1.22 zeigt als Kontrollelement eines inneren materiellen Punktes einen infiniten Wür-
fel mit den Abmessungen dx1 ; dx2 und dx3 . Zur Vereinfachung der Darstellung wurden
nur Veränderungen für die Spannungskoordinaten 11 ; 12 und 13 beim Fortschreiten um
den Wert dx1 eingetragen. Für das statische Kräftegleichgewicht in x1 -Richtung erhält
man die Gleichung

.11 C 11;1 dx1 /dx2 dx3 C .21 C 21;2 dx2 /dx1 dx3
C .31 C 31;3 dx3 /dx1 dx2
 11 dx2 dx3  21 dx1 dx3  31 dx1 dx2 C p1 dx1 dx2 dx3 D 0;

d. h.
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D 0
Für das dynamische Kräftegleichgewicht ist die Gleichung durch die Trägheitskraft
dm xR 1 zu ergänzen, und man erhält mit dm D dx1 dx2 dx3

11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D xR 1

xR 1 ist die zweite Ableitung nach der Zeit t und – die Massendichte. Die xi , ui , ij und
"ij werden Funktionen des Ortes und der Zeit.
Das Momentengleichgewicht um die x2 -Achse bestätigt die Symmetriebedingung
13 D 31 , denn aus

31 dx1 dx2 dx3  13 dx2 dx3 dx1


dx3 dx1
C 31;3 dx3 dx1 dx2 C 13;1 dx1 dx2 dx3 D0
2 2

folgt 13 D 31 , wenn man die Glieder vernachlässigt, die von höherer Ordnung klein
sind.
Wie schon gesagt, werden die Symmetriebedingungen für den Spannungstensor somit
aus den Momentengleichungen abgeleitet oder a priori als Boltzmann-Axiom eingeführt.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 29

x2

12 C 12;1 dx1 /dx2 dx3


13 dx2 dx3
11 dx2 dx3 p1 dx1 dx2 dx3 11 C 11;1 dx1 /dx2 dx3
dmxR 1 13 C 13;1 dx1 /dx2 dx3
dx3
12 dx2 dx3
x1
dx2

dx1

x3

Statische Gleichgewichtsgleichungen
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D 0
12;1 C 22;2 C 32;3 C p2 D 0 ) ij;i C pi D 0
13;1 C 23;2 C 33;3 C p3 D 0
Dynamische Gleichgewichtsgleichungen
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D x R1
12;1 C 22;2 C 32;3 C p2 D x R2 ) ij;i C pi D xR i
13;1 C 23;2 C 33;3 C p3 D x R3

Abb. 1.22 Gleichgewichtsbedingungen am infiniten Kontrollelement eines Körpers

Im letzteren Fall kann dann auf die Momentengleichungen verzichtet werden, da sie keine
neue Information liefern. Die statischen und die dynamischen Gleichgewichtsbedingun-
gen sind für alle drei Richtungen in Abb. 1.22 in allgemeiner Form angegeben.
Betrachtet man ein Volumenelement, für das ein Flächenelement dA Teil der Oberflä-
che des Körpers ist, und wirkt auf dieses Flächenelement die Oberflächenkraft qdA, sind
die Kraftrandbelastungen zu formulieren. Für ein Flächenelement mit dem Normalenvek-
tor n gilt dann nach der Transformationsvorschrift (Abschn. 1.3.1)

ni D ij nj D qi

1.3.4 Konstitutive Gleichungen, Werkstoffgesetz

Die kinematischen Gleichungen für die Verschiebungen ui und die Verzerrungen "ij so-
wie die Gleichgewichtsbedingungen für die Spannungen ij sind materialunabhängige
Gleichungen. Die notwendige Verknüpfung von kinematischen Gleichungen und Gleich-
gewichtsbedingungen liefern die konstitutiven Gleichungen (auch Material- oder Stoff-
gleichungen). Man spricht häufig auch vom Werkstoffgesetz ij D fij ."kl / bzw. "ij D
30 1 Einführung

gij .kl /. Für linear elastisches isotropes Material gilt das verallgemeinerte Hookesche
Gesetz  
1
1  
"ij D ij  ıij kk D .1 C
/ij 
ıij kk
2G 1C
E
bzw.
E 

ij D "ij C ıij "kk D 2 "ij C ıij "kk
1C
1  2

E; G D E=2.1 C
/ und
sind die für die Ingenieuranwendungen gebräuchlichen elasti-
schen Werkstoffkennwerte Elastizitätsmodul, Schubmodul und Querkontraktionszahl, die
mit und (Lamésche11 Konstanten) folgenden Zusammenhang aufweisen

E
E
D D G; D
2.1 C
/ .1 C
/.1  2
/

Temperaturänderungen bleiben hier unberücksichtigt. Wird das verallgemeinerte Hooke-


sche Gesetz ausführlich in kartesischen Koordinaten aufgeschrieben, erhält man folgende
Gleichungen

1 1 2.1 C
/
"11 D Œ11 
.22 C 33 /; 2"12 D 12 D 12 ;
E G E
1 1 2.1 C
/
"22 D Œ22 
.11 C 33 /; 2"23 D 23 D 23 ;
E G E
1 1 2.1 C
/
"33 D Œ33 
.11 C 22 /; 2"31 D 31 D 31
E G E

oder aufgelöst nach den Spannungen




11 D . C 2 /"11 C ."22 C "33 / D . C 2 / "11 C ."22 C "33 / ;
C 2



22 D . C 2 /"22 C ."11 C "33 / D . C 2 / "22 C ."11 C "33 / ;
C 2



33 D . C 2 /"33 C ."11 C "22 / D . C 2 / "33 C ."11 C "22 / ;
C 2
12 D 2"12 ; 23 D 2"23 ; 31 D 2"31

11
Gabriel Lamé 1795–1870.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 31

1.3.5 Randwert- und Anfangs-Randwertaufgaben der linearen


Elastizitätstheorie

Die kinematischen Gleichungen, die Gleichgewichtsbedingungen und die konstitutiven


Gleichungen bilden ein System von insgesamt 15 Gleichungen mit genau 15 unbekannten
Funktionen. Das sind drei Verschiebungen ui , sechs Verzerrungen "ij und sechs Span-
nungen ij . Die 15 Gleichungen kann man entweder nach den Verschiebungen auflösen
(Weggrößen- oder Verschiebungsgrößenmethode) oder man eliminiert alle kinematischen
Größen (Kraftgrößenmethode). Im ersten Fall erhält man drei partielle Differentialglei-
chungen für die Verschiebungsfunktionen ui (Lamésche oder Naviersche12 Gleichungen)
und im zweiten Fall sechs partielle Differentialgleichungen in den Spannungsfunktio-
nen ij . Diese Gleichungen sind mit dem Namen Beltrami13 und Michell14 verbunden.
In Verbindung mit Rand- und Anfangsbedingungen erhält man so Randwertaufgaben
der Elastostatik oder Anfangs-Randwertaufgaben der Elastodynamik. Formuliert man al-
le Gleichungen in Vektor-Matrix-Schreibweise, wird die Gleichungsstruktur besonders
übersichtlich. Die folgenden Zusammenfassungen enthalten die Definitionen für die er-
forderlichen Vektoren und Matrizen der linearen Elastizitätstheorie. Dabei ist zu beachten,
dass der Vektor der Verzerrungen in Übereinstimmung mit der Spezialliteratur, z. B. Al-
tenbach (1982), statt der Verzerrungen "12 ; "23 und "31 die entsprechenden Gleitungen
u
12 ; 23 und 31 enthält. Die Transformationsmatrix T entspricht einer Einheitsmatrix. Die
Einführung dieser Matrix kann aus formalen Gründen zweckmäßig sein, damit die Rand-
bedingungen für die Verschiebungen in analoger Weise wie die Randbedingungen für die
Spannungen als Vektor-Matrix-Gleichung formuliert werden können (s. z. B. Krätzig und
Başar, 1995).

Spannungszustandsvektor   T D Œ11 22 33 12 23 31 

Verzerrungszustandsvektor " "T D Œ"11 "22 "33 12 23 31 

Verschiebungsvektor u uT D Œu1 u2 u3 

Vektor der Volumenkraftdichte p p T D Œp1 p2 p3 

Vektor der Oberflächenspannungen q q T D Œq1 q2 q3 

12
Louis Marie Henri Navier 1785–1836.
13
Eugenio Beltrami 1835–1900.
14
John Henry Michell 1863–1940.
32 1 Einführung

Spannungsvektor  n auf ndA  Tn D Œn1 n2 n3 

Normalenvektor n nT D Œn1 n2 n3 ; ni D cos.n; xi /; ni ni D 1

2 3
1 0 0
u u 6 7
Transformationsmatrix T TD 40 1 05
001

2 3
n1 0 0 n2 0 n3
  6 7
Transformationsmatrix T T D 4 0 n2 0 n1 n3 0 5
0 0 n3 0 n2 n1

2 3
@1 0 0 @2 0 @3
6 7
Differentialmatrix D D D 4 0 @2 0 @1 @3 0 5
0 0 @3 0 @2 @1
@.: : :/
mit @i D D .: : :/;i
@xi

Elastizitätsmatrix (Steifigkeitsmatrix)
2 E 3
.2 C / 0 0 0
6 7
6 .2 C / 0 0 07
6 7
6 .2 C / 0 0 0 7
E D6
6
7
6 0 077
6 7
4 05

1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 33

1
Reziproke Elastizitätsmatrix
2 (Nachgiebigkeitsmatrix) E 3
1 

0 0 0
6 7
6 1 
0 0 0 7
6 7
1 6 1 0 0 0 7
E 1 D 6 7
E66 2.1 C
/ 0 0 7
7
6 7
4 2.1 C
/ 0 5
2.1 C
/

Damit erhält man die Grundgleichungen der linearen Elastizitätstheorie in Vektor-


Matrix-Schreibweise. V ist das Körpervolumen, Au und Aq die Oberflächen mit vorgege-
benen Verschiebungen u oder Oberflächenspannungen q. Alle vorgegebenen Größen sind
im folgenden überstrichen.

Kinematische Gleichungen
Verzerrungs-Verschiebungsgleichungen in V

" D D Tu 2 V

Vorgegebene Randverschiebungen uN auf Au

u
T u D uN 2 Au

Gleichgewichtsbedingungen
Elastostatik
D C pN D 0 2 V

Elastodynamik ohne Dämpfung

D C pN D uR 2 V

Vorgegebene Randspannungen qN auf Aq


T  D  n D qN 2 Aq
34 1 Einführung

Konstitutive Gleichungen, Werkstoffgesetz


 D E" 2 V

Eliminiert man aus diesen Gleichungen alle Spannungen  und Verzerrungen ", erhält
man im Sinne der Verschiebungsgrößenmethode die Differentialgleichungen der Elasto-
statik und der Elastodynamik. Für die Gleichungen in der Elastostatik hängen alle Größen
nur von den Ortskoordinaten xi ab, für die Gleichungen der Elastodynamik sind sie Funk-
tionen der xi und der Zeitkoordinate t.

Randwertaufgabe der Elastostatik


DED T u D pN 2 V
u
T uD uN 2 Au

T ED u D T
qN 2 Aq

Anfangs-Randwertaufgabe der Elastodynamik


DED T u  uR D pN 2 V
u
T u D uN 2 Au

T ED T u D qN 2 Aq
u.x; 0/ D u.x;
N 0/
P
u.x; NP
0/ D u.x; 0/
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 35

Für die Verschiebungsgrößenmethode gilt das folgende Strukturschema:

Mechanisches Modell
Annahmen über u und

Kinematik Werkstoffgesetz
" D D Tu D E"

Gleichgewicht (Statik)
C pN D 0

#
Randbedingungen u Randwertaufgabe Randbedingungen

#
u
T u D uN 2 Au DED T u p2V T ED T u D qN 2 Aq

1.3.6 Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie

Die Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie sind oft Ausgangspunkt leistungsfähiger Nä-


herungsverfahren. Sie geben auch die Möglichkeit, über anschauliche Energieformulie-
rungen die Differentialgleichungen und Randbedingungen mit den formalen Regeln der
Variationsrechnung abzuleiten. Im folgenden werden nur die beiden grundlegenden Ex-
tremalprinzipe der Elastostatik und das Hamiltonsche15 Prinzip für die Elastodynamik
erläutert.
Ausgangspunkt der Prinzipe vom Minimum des elastischen Gesamtpotentials und des
konjugierten oder komplementären elastischen Gesamtpotentials ist das Prinzip der vir-
tuellen Arbeit. Dieses kann als Prinzip der virtuellen Verrückungen oder der virtuellen
Kräfte formuliert werden. Als virtuelle Verrückungen ıui .x1 ; x2 ; x3 / bezeichnen wir Ver-
schiebungsfunktionen, die infinitesimal und geometrisch kompatibel sind, d. h., die die
linearen kinematischen Gleichungen und die kinematischen Randbedingungen erfüllen.
Bei einem deformierbaren Körper leisten bei einer virtuellen Verrückung äußere und in-

15
Sir William Rowan Hamilton 1805–1865.
36 1 Einführung

nere Kräfte Arbeit. Das Prinzip der virtuellen Verrückungen lautet

ıW D ıWa C ıWi D 0

W ist die Gesamtarbeit, Wa und Wi sind die Arbeiten der inneren und der äußeren Kräfte.
Ist pN der Vektor der Volumenkraftdichte und qN der Vektor der Oberflächenspannungen,
erhält man für die virtuelle äußere Arbeit ıWa
Z Z
ıWa D N
pıu T
dV C N T dA
qıu
.V / .Aq /

Die als gegeben betrachteten Größen pN und qN sind wieder überstrichen. Sie haben wäh-
rend der gesamten virtuellen Verrückung den gleichen Wert. Eine virtuelle Arbeit ıWi der
inneren Kräfte (Spannungen) gibt es nur bei einer Verzerrung des Körpers. Ist z. B.
 
@u1 @
ı"11 D ı D .ıu1 /
@x1 @x1

die mit der virtuellen Verrückung ıu verträgliche Dehnung, leistet die Spannung 11 die
virtuelle innere Arbeit 11 ı"11 dx1 dx2 dx3 . Das Minuszeichen folgt aus der Tatsache,
dass die innere Kraft 11 dx2 dx3 der relativen Verrückung ı"11 dx1 entgegenwirkt. Allge-
mein gilt für die innere virtuelle Arbeit ıWi
Z
ıWi D   ı"T dV;
.V /

und das Prinzip der virtuellen Arbeit lautet damit


Z Z Z
N
pıu T
dV C N
qıu T
dA   ı"T dV D 0
.V / .Aq / .V /

mit
u
" D D T u 2 V; T u D uN 2 Au
Es gilt für ein beliebiges Werkstoffgesetz.
Für linear elastische Körper gilt das verallgemeinerte Hookesche Gesetz  D E", und
jede Formänderung ist voll reversibel. Die Arbeit der äußeren Kräfte wird daher im Körper
als Formänderungsenergie gespeichert. Für eine virtuelle Verrückung folgt

ıWa D ıWf

mit
ıWf D ıWi
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 37

und Z Z
1 1
Wf D  " dV D
T
"T E"dV D ˘i .u/
2 2
.V / .V /

Wf ."/ ist die Formänderungs- oder Verzerrungsenergie. Wegen " D D T u schreibt man
auch Wf .u/. ˘i .u/ heißt Potential der inneren Kräfte.
Für äußere Kräfte, die während der Belastung weder ihren Betrag noch ihre Richtung
ändern (sogenannte konservative Kräfte), existiert ein Potential
Z Z
˘a D  N T dV 
pu N T dA
qu
.V / .Aq /

Das Prinzip der virtuellen Verrückung geht dann in das Extremalprinzip vom Minimum
des elastischen Gesamtpotentials über
Z Z Z
1
˘.u/ D "T E"dV  N T dV 
pu N T dA
qu
2
.V / .V / .Aq /

Von allen geometrisch zulässigen Verschiebungen erfüllen diejenigen, die das elastische Ge-
samtpotential minimieren, auch die Gleichgewichtsbedingungen. Sie entsprechen damit der
Lösung der elastostatischen Randwertaufgabe.

ı˘.u/ D 0; ı 2 ˘.u/  0 H) ˘.u/ Minimum


u u
" D D T u 2 V; T u D u;
N ı T u D 0 2 Au
Im Rahmen einer Tragwerkstheorie 1. Ordnung, d. h. für infinite Verschiebungen, kann
das Prinzip der virtuellen Arbeit auch als Prinzip der virtuellen Kräfte formuliert werden

ıW D ıWa C ıWi D 0

mit Z Z
ıWa D N
uıq T
dA; ıWi D 
"ı T dV
.Au / .V /

und
 
ı.D / D Dı D 0 2 V; ı qN D ı T  DT ı D 0 2 Aq
Der variierte Spannungszustand muss somit die Gleichgewichtsbedingungen und die
Kraft-Randbedingungen erfüllen. Da pN eine vorgegebene Volumenkraft ist, gilt ı pN D 0.
Führt man unter der Voraussetzung der Gültigkeit des verallgemeinerten Hookeschen
Gesetzes jetzt die konjugierte Formänderungsenergie (komplementäre Energie) mit

ıWf D ıWi
38 1 Einführung

ein und fordert die Existenz eines Potentials


Z

˘a D  N T dA;
uq
.Au /

kann man das Prinzip vom Minimum des konjugierten elastischen Gesamtpotentials for-
mulieren.

Von allen zulässigen Spannungszuständen, die die Gleichgewichtsbedingungen und die stati-
schen Randbedingungen erfüllen, machen die wirklichen, auch den kinematischen Gleichun-
gen entsprechenden Spannungen das konjugierte elastische Gesamtpotential zum Minimum.

ı˘ . / D 0; ı 2 ˘ . /  0 H) ˘ . / Minimum
D C pN D 0; ı.D / D 0 2 V
 
T  D q;
N ı T  D 0 2 Aq
Aus den beiden Extremalprinzipen folgen zwei für die Anwendung wichtige Sonder-
fälle:

1. Prinzip vom Minimum der Formänderungsenergie Wf .u/


Sind auf der gesamten Oberfläche des elastischen Körpers die Verschiebungen vorge-
schrieben und wirken keine Volumenkräfte, folgt aus dem Prinzip vom Minimum des
elastischen Gesamtpotentials
 Z 
1
ıWf .u/ D ı " E"dV D 0
T
H) Wf .u/ Minimum
2

u u
" D D T u 2 V; T u D u;
N ı T u D 0 2 Au
2. Prinzip vom Minimum der konjugierten Formänderungsenergie Wf . /
Sind auf der gesamten Oberfläche die Kräfte vorgeschrieben, folgt aus dem Prinzip
vom Minimum des konjugierten elastischen Gesamtpotentials
 Z 
1 T 1
ıWf . / Dı  E  dV D 0; Wf . / H) Minimum
2

D C pN D 0; ı.D / D 0 2 V
 
T  D q;
N ı.T  / D 0 2 Aq
Dieses Prinzip kann auch als Prinzip von Castigliano16 geschrieben werden.

16
Alberto Castigliano 1847–1887.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 39

Die Anwendung der Variationsprinzipe wird für Scheiben- und Plattenaufgaben in den
entsprechenden Kapiteln genauer erläutert.
Für dynamische Aufgaben muss die virtuelle Arbeit erweitert werden. Vernachlässigt
man alle Dämpfungseinflüsse, erhält man
Z Z Z Z
ıW D N T dV C
pıu N T dA  uıu
qıu R T dV   ı"T dV
.V / .Aq / .V / .V /

Für konservative, linear elastische Systeme kann man auch für Aufgaben der Elastodyna-
mik ein Extremalprinzip angeben. Mit dem elastischen Gesamtpotential
Z Z Z
1
˘.u/ D "T E "dV  pu N T dV  N T dA
qu
2
.V / .V / .Aq /

und der kinetischen Energie Z


1
T .u/ D uP uP T dV
2
.V /
17
wird die Lagrangesche Funktion (auch kinetisches Potential) definiert

L.u/ D T .u/  ˘.u/;

und es gilt das Extremalprinzip von Hamilton.

Das Zeitintegral des kinetischen Gesamtpotentials L.u/ hat in der Klasse aller geometrisch
zulässigen Verschiebungen, die möglichen zeitabhängigen Zuständen entsprechen und die
Bedingungsgleichungen für die Zeitpunkte t1 und t2 erfüllen, für die wirkliche Lösung einen
minimalen Wert.

Zt2 Zt2 Zt2


ı L.u/dt D 0; ı 2
L.u/dt  0; L.u/dt H) Min
t1 t1 t1
u
" D D T u 2 V; T u D u;
N ıu.x; t1 / D ıu.x; t2 / D 0
Die klassischen Extremalprinzipe und ihre möglichen Verallgemeinerungen bilden die
Grundlage für eine approximative Lösung der Aufgaben der Elastostatik und der Elas-
todynamik. Die direkten Verfahren der Variationsrechnung gehen zur Ableitung von Nä-
herungslösungen fQ für zweidimensionale Aufgaben, d. h. für Scheiben und Platten, z. B.
von Funktionsansätzen der folgenden Form aus

X
N
fQ.x1 ; x2 / D ci 'i .x1 ; x2 /
i D1

17
Joseph Louis Comte de Lagrange 1736–1813.
40 1 Einführung

(Verfahren von Rayleigh18 -Ritz19 und von Galerkin20 )

X
N
fQ.x1 ; x2 / D ci .x1 /'i .x1 ; x2 /
i D1

(Verfahren von Kantorowitsch21 ). fQ ist die im Extremalprinzip auftretende Verschiebungs-


oder Kraftgröße, die näherungsweise bestimmt werden soll. Die Ansatzfunktionen 'i
müssen in Abhängigkeit vom Näherungsverfahren bestimmte Bedingungen erfüllen. Wei-
tere Einzelheiten werden im Zusammenhang mit der Lösung ausgewählter Scheiben- und
Plattenprobleme erläutert.
Die Extremalprinzipe und ihre Erweiterungen sind aber auch die theoretische Grund-
lage für die Methode der finiten Elemente und anderer leistungsfähiger numerischer Ver-
fahren, die jedoch im Rahmen dieses Buches nicht im Detail behandelt werden.

Literatur

Altenbach H (2015) Kontinuumsmechanik – Einführung in die materialunabhängigen und material-


abhängigen Gleichungen, 3. Aufl. Springer, Heidelberg
Altenbach H, Altenbach J, Rikards R (1996) Einführung in die Mechanik der Laminat- und Sand-
wichtragwerke. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Stuttgart
Altenbach J (Hrsg.) (1982) Die Methode der finiten Elemente in der Festkörpermechanik. Hanser,
München
Altenbach J, Kissing W, Altenbach H (1994) Dünnwandige Stab- und Stabschalentragwerke. Vie-
weg, Braunschweig/Wiesbaden
Başar Y, Krätzig WB (1985) Mechanik der Flächentragwerke. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden
Bruhns O, Lehmann T (1991) Elemente der Mechanik, Bd. II. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden
Eschenauer H, Schnell W (1993) Elastizitätstheorie. B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim
Flügge A (1981) Statik und Dynamik der Schalen, 3. Aufl. Springer, Berlin
Girkmann K (1986) Flächentragwerke, 6. Aufl. Springer, Wien
Göldner H (Hrsg.) (1991) Höhere Festigkeitslehre, Bd. 1. Fachbuchverlag, Leipzig
Hahn HG (1985) Elastizitätstheorie. B.G. Teubner, Stuttgart
Krätzig WB, Başar Y (1995) Tragwerke, Bd. 3 – Theorie und Anwendung der Methode der Finiten
Elemente. Springer, Berlin
Krätzig WB, Wittek U (1994) Tragwerke, Bd. 2 – Theorie und Berechnungsmethoden statisch un-
bestimmter Stabtragwerke, 2. Aufl. Springer, Berlin
Krätzig WB, Wittek U (1995) Tragwerke, Bd. 1 – Theorie und Berechnungsmethoden statisch be-
stimmter Stabtragwerke, 3. Aufl. Springer, Berlin
Lurje AI (1963) Räumliche Probleme der Elastizitätstheorie. Akademie-Verlag, Berlin
Neuber H (1985) Kerbspannungslehre, 3. Aufl. Springer, Berlin
Vocke W (1969) Räumliche Probleme der linearen Elastizität. Fachbuchverlag, Leipzig
Wlassow WS (1958) Allgemeine Schalentheorie und ihre Anwendung in der Technik. Akademie-
Verlag, Berlin

18
John William Strutt (Lord Rayleigh) 1842–1919.
19
Walter Ritz 1878–1909.
20
Boris Grigorjewitsch Galerkin 1871–1945.
21
Leonid Witaljewitsch Kantorowitsch 1912–1986.
Scheiben
2

In diesem Kapitel werden Differentialgleichungen und Randbedingungen der Scheiben-


theorie abgeleitet und für ausgewählte Standardbeispiele deren Anwendung erläutert. Für
die Scheibengleichungen werden ein ebener Spannungs- oder ein ebener Verzerrungszu-
stand vorausgesetzt. Um die Ableitungen möglichst einfach zu halten, werden alle Glei-
chungen zunächst in kartesischen Koordinaten und für linear elastisches, homogenes und
isotropes Material angegeben. Anisotrope Scheiben werden erst in Kap. 5 behandelt, da
einschichtige, allgemein anisotrope oder orthotrope Scheibenmodelle dort als Sonderfall
enthalten sind.
Neben Rechteckscheiben haben Kreis- und Kreisringscheiben einen großen Einsatz-
bereich. Alle Grundgleichungen werden daher auch in Polarkoordinaten formuliert. Als
Beispiel allgemeiner Koordinatentransformationen für nichtorthogonale Koordinaten wird
die Scheibengleichung in schiefwinkligen Koordinaten abgeleitet und ihre Anwendung
auf Parallelogrammscheiben demonstriert.
Ausgehend von der Scheibengleichung für statische Belastungen werden durch Einbe-
ziehung der Trägheitskräfte und zeitabhängiger Belastungen die Schwingungsdifferential-
gleichungen für Scheibentragwerke angegeben. Temperaturbelastungen bleiben in diesem
Kapitel ausgeschlossen. Sie werden wegen ihrer zunehmenden Bedeutung im Kap. 7 se-
parat behandelt.
Ausgangspunkt für die Ableitung der Scheibengleichungen sind die kinematischen
Gleichungen, die Gleichgewichtsbedingungen und die linear elastischen Materialglei-
chungen. Für statische Belastungen erhält man Randwertprobleme, für dynamische
Belastungen Anfangs-Randwertprobleme. Alle Gleichungen werden auch in Vektor-
Matrixschreibweise formuliert, um das Strukturschema der Scheibentheorie zu verdeutli-
chen.
Die Grundgleichungen der Scheibentheorie werden durch Energieformulierungen er-
gänzt. An Stelle der Differentialgleichungen für Randwert- bzw. für Anfangs-Randwert-
probleme können z. B. die Prinzipien vom elastischen Gesamtpotential oder vom konju-
gierten elastischen Gesamtpotential (Komplementär- oder Ergänzungspotential) bzw. das
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 41
H. Altenbach, J. Altenbach, K. Naumenko, Ebene Flächentragwerke,
DOI 10.1007/978-3-662-47230-9_2
42 2 Scheiben

Hamiltonsche Prinzip Ausgangspunkt analytischer oder numerischer Lösungen für Schei-


benaufgaben sein.
Unter den Voraussetzungen der Tragwerkstheorie 1. Ordnung sind für isotherme ebene
Flächentragwerkselemente mit zur Mittelfläche symmetrischem Materialverhalten die
Scheiben- und Plattengleichungen unabhängig voneinander. Sie werden daher in den
Kap. 2 und 3 getrennt abgeleitet. Die Spannungs- und Verformungswerte eines ebenen
Flächentragwerks dürfen überlagert werden, falls sowohl Scheiben- als auch Platten-
beanspruchungen auftreten. Es ist aber in solchen Fällen immer zu überprüfen, ob die
Voraussetzungen der Tragwerkstheorie 1. Ordnung für die betrachtete Aufgabe Gültigkeit
haben oder ob die Tragwerkstheorie 2. Ordnung anzuwenden ist.
Der verstärkte Einsatz von Verbundwerkstoffen und von Werkstoffverbunden hat dazu
geführt, dass der Schichtaufbau einer Scheibe oder einer Platte über die Dicke h nicht
unbedingt symmetrisch zur Mittelfläche ist. In solchen Fällen sind auch im Rahmen einer
Tragwerkstheorie 1. Ordnung Scheiben- und Plattengleichungen gekoppelt. Darauf wird
im Kap. 5 eingegangen.
Die in Abschn. 2.2 aufgenommenen Beispiele erläutern die Möglichkeiten analytischer
Lösungen auf der Grundlage biharmonischer Polynome, von Fourierreihen1 und Fourier-
integralen, aber auch die Anwendung der direkten Methoden der Variationsrechnung,
d. h. der Verfahren von Ritz, Galerkin und Kantorowitsch. Damit erhält man einen Ein-
blick in die Aussagequalität von Scheibenlösungen für die Tragwerksanalyse und einfache
Testbeispiele für die Beurteilung numerischer Lösungsverfahren. Für die ausgewählten
Problemklassen wird an wenigen Beispielen die typische Vorgehensweise erläutert, weite-
re Beispiele können der Literatur entnommen werden (z. B. Andermann, 1968; Girkmann,
1986; Göldner, 1991; Pfeiffer, 1968).
Auf die Erläuterung der sehr allgemeinen und leistungsfähigen numerischen Verfah-
ren, wie der Finite-Elemente-Methode (FEM), der Randelementemethode (BEM) und der
Finite-Differenzen-Methode (FDM), wird hier verzichtet. Der Einsatz numerischer Ver-
fahren für die Lösung von Scheibenaufgaben ist sehr effizient und weitgehend unabhängig
von der Problemklasse. In der Ingenieurpraxis dominiert daher die numerische Analy-
se von Scheibentragwerken, insbesondere mit der FEM. Hierzu sind eine umfangreiche
Spezialliteratur und zahlreiche Programmdokumentationen (s. z. B. Altenbach, 1982; Al-
tenbach und Fischer, 1991; Gaul und Fiedler, 1997; Knothe und Wessels, 1991; Krätzig
und Başar, 1995; Szilard, 1990) vorhanden.

2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben

Ebene Flächentragwerkselemente, bei denen alle äußeren Belastungen in der Mittelfläche


wirken, heißen Scheiben. Typische Bauformen sind wandartige Träger. Die Scheibendi-
cke h ist vielfach konstant, sie kann aber auch veränderlich sein. Es muss jedoch die

1
Jean Baptiste Joseph Fourier 1768–1830.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 43

a b n22 D 22
x3
h n12 D 12
x1 h n11 D 11
x2

l2 p1 dx1 dx2
dx2
p2 dx1 dx2
n12 D 12

dx1
l1

c n22 dx1 d u1
n21 dx1
dx1
.n11 C n11;1 dx1 /dx2
h
dx2
.n12Cn12;1dx1/dx2

u1 C u1;1 dx1
u2
p1 dx1 dx2
n11 dx2

dx2 n12 dx2 p2 dx1 dx2 .1 C "11 /dx1 u2;1 dx1


.n21 C n21;2 dx2 /dx1
u2 C u2;2 dx2

2"12 D 12
.1 C "22 /dx2 u1;2 C u2;1
.n22 C n22;2 dx2 /dx1
dx1
u1;2 dx2

Abb. 2.1 Scheibengrößen. a gleichmäßige Eintragung der Rand- und Stützkräfte über die Schei-
bendicke h, b auf die Schnittlänge bezogenen Scheibenschnittgrößen nij [Kraft/Länge] und auf die
Fläche bezogenen Massenkräfte pi [Kraft/Fläche], c Kräfte am differentiellen Scheibenelement,
d Verzerrungen "ij des Scheibenelementes

Dünne-Hypothese gelten, d. h. für das Verhältnis Dicke h zu charakteristischer Länge l


gilt h= l  1; l D Min .l1 ; l2 /, wobei l1 und l2 die Längenabmaße in Richtung der Ko-
ordinaten x1 und x2 sind. Die Mittelfläche der Scheibe wird durch die Koordinaten x1 ; x2
aufgespannt, x3 hat die Richtung der Mittelflächennormale. Die äußeren Kräfte müssen
längs der Normalen zur Mittelfläche gleichmäßig verteilt sein. Dies betrifft die Randkräf-
te, die Massenkräfte und die Stützkräfte (Abb. 2.1a,b).
Die Ableitung der Scheibengleichung erfolgt unter folgenden Annahmen:

 Der Werkstoff, aus dem die Scheibe besteht, ist homogen und isotrop. Es gilt das ver-
allgemeinerte Hookesche Gesetz.
 Die Scheibenmittelfläche wird nur verzerrt und nicht gekrümmt. Bei der Verzerrung
verschieben sich alle Normalen zur Mittelfläche parallel. Die Verzerrungen "11 ; "22 und
2"12 D 12 sind daher konstant über h (kinematische Hypothese).
44 2 Scheiben

 Ebener Spannungszustand
Die äußeren Kräfte haben keine Komponenten rechtwinklig zur Scheibenmittelfläche.
Damit sind die Scheibenoberflächen x3 D ˙h=2, die sogenannten Scheibenlaibungen,
kräftefrei, und es gilt 33 D 13 D 23 D 0 (statische Hypothese). Mit den über h kon-
stanten Werten für "11 ; "22 und 2"12 D 12 sind auch die Spannungen 11 ; 22 und 12
über h konstant. Sie werden über h integriert, und man erhält die auf die Schnittlänge
bezogenen Schnittgrößen (Abb. 2.1b)

Zh=2 Zh=2 Zh=2


n11 D 11 dx3 ; n22 D 22 dx3 ; n12 D 12 dx3
h=2 h=2 h=2

In der Scheibe herrscht ein ebener Spannungszustand. Alle zur Mittelfläche parallelen
Ebenen haben die gleichen, von x3 unabhängigen Spannungen und Verzerrungen. In
Folge der Querkontraktion des Werkstoffes gibt es von Null verschiedene Dehnungen
"33 , die von x1 und x2 abhängen. Wegen der Dünne-Hypothese sind die daraus fol-
genden Spannungen vernachlässigbar klein. Für den ebenen Spannungszustand gibt es
somit die folgenden Spannungs- und Verzerrungskoordinaten
0 1 0 1
11 12 0 "11 2"12 0
B C B C
@ 21 22 0 A @ 2"21 "22 0 A
0 0 0 0 0 "33
ij .x1 ; x2 / D j i .x1 ; x2 / "ij .x1 ; x2 / D "j i .x1 ; x2 /

Alle Spannungen ij und alle Verzerrungen "ij sind nur Funktionen der Koordinaten
x1 und x2 .
 Ebener Verzerrungszustand
Es gibt eine Reihe praktischer Probleme, bei denen zu der Annahme, dass die äußeren
Kräfte keine Komponenten rechtwinklig zur Scheibenmittelfläche besitzen, die Forde-
rung steht, dass keine Verschiebungen oder Verzerrungen in x3 -Richtung auftreten. Es
gilt dann u3 D 0; "33 D "13 D "23 D 0 und damit 13 D 23 D 0. In der Schei-
be herrscht ein ebener Verzerrungszustand. Wegen der Querkontraktion gibt es eine
Spannung 33 , und die Spannungs- und Verzerrungskoordinaten sind
0 1 0 1
11 12 0 "11 2"12 0
B C B C
@ 21 22 0 A @ 2"21 "22 0 A
0 0 33 0 0 0
ij .x1 ; x2 / D j i .x1 ; x2 / "ij .x1 ; x2 / D "j i .x1 ; x2 /

Auch beim ebenen Verzerrungszustand sind alle Spannungen und Verzerrungen nur von
den Koordinaten x1 und x2 abhängig.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 45

2.1.1 Scheibengleichung in kartesischen Koordinaten

Die Gleichungen des ebenen Spannungs- und des ebenen Verzerrungszustandes lassen
sich einfach ineinander überführen. Die Scheibengleichung wird daher für ebene Span-
nungszustände abgeleitet. Die Scheibengleichung für ebene Verzerrungszustände folgt
dann durch eine Transformation der elastischen Konstanten.

2.1.1.1 Kinematische Gleichungen


Nach Abschn. 1.3.2 und Abb. 2.1d gelten die folgenden linearen Verzerrungs-Verschie-
bungsgleichungen

"11 D u1;1 ; "22 D u2;2 ; 2"12 D 12 D u1;2 C u2;1 (2.1)

Mit "11;22 D u1;122 ; "22;11 D u2;211 ; 12;12 D u1;122 Cu2;211 erhält man für die Verzerrungen
die Verträglichkeits- oder Kompatibilitätsbedingung

12;12 D "11;22 C "22;11 (2.2)

2.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen
Aus Abschn. 1.3.3 und Abb. 2.1c folgt mit den Schnittgrößen-Spannungsbeziehungen
n11 D h11 ; n22 D h22 ; n12 D h12

n11;1 C n12;2 C p1 D 0; n12;1 C n22;2 C p2 D 0 (2.3)

Bei allen ebenen Problemen entsprechen die pi den mit der Dicke h multiplizierten Volu-
menkräften in Abschn. 1.3.5. Sie haben die Dimension [Kraft/ Fläche]. Die zwei Gleich-
gewichtsbedingungen (2.3) reichen nicht aus, um die drei Schnittgrößen n11 ; n22 und n12
zu berechnen. Die Aufgabenstellung ist statisch unbestimmt.

2.1.1.3 Konstitutive Gleichungen


Aus Abschn. 1.3.4 erhält man unter der Voraussetzung eines ebenen Spannungszustandes
Eh
Eh"11 D n11 
n22 ; n11 D ."11 C
"22 /;
1 
2
Eh
Eh"22 D n22 
n11 ; n22 D ."22 C
"11 /; (2.4)
1 
2
Eh 1 

Eh12 D 2.1 C
/n12 ; n12 D 12
1 
2 2
Eh=.1
2 / D D ist die Dehnsteifigkeit der Scheibe. Das Elastizitätsgesetz für die Schei-
be lautet damit

n11 D D."11 C
"22 / D D.u1;1 C
u2;2 /;
n22 D D."22 C
"11 / D D.u2;2 C
u1;1 /; (2.5)
1
1

n12 D D 12 D D .u1;2 C u2;1 /


2 2
46 2 Scheiben

Für einen ebenen Spannungszustand ist 33 D 0, und aus

1
"33 D Œ33 
.11 C 22 /
E

erhält man für die Dehnung in Dickenrichtung

Eh"33 D 
.n11 C n22 / (2.6)

Die Dickenänderung h"33 D h D .


=E/.n11 C n22 / kann man einfach experimentell
messen.
Die acht Gln. (2.1), (2.2) und (2.5) enthalten genau acht unbekannte Größen: zwei Ver-
schiebungen, drei Verzerrungen und drei Schnittkräfte. Das Scheibenproblem ist somit bei
korrekter Formulierung der Randbedingungen eindeutig lösbar. Man kann die acht Glei-
chungen auf zwei Differentialgleichungen in den Verschiebungen (Weggrößenmethode)
oder eine Differentialgleichung für eine Spannungsfunktion (Kraftgrößenmethode) redu-
zieren. Beim Weggrößenverfahren setzt man das Elastizitätsgesetz (2.5) für die Schnitt-
größen und die Verschiebungen in die Gleichgewichtsbedingungen (2.3) ein und erhält
nach Ausführung der Ableitungen


@ @ 1

ŒD.u1;1 C
u2;2 / C D .u1;2 C u2;1 / C p1 D 0;
@x1 @x2
2 (2.7)
@ @ 1

ŒD.u2;2 C
u1;1 / C D .u1;2 C u2;1 / C p2 D 0
@x2 @x1 2

Für den Sonderfall D D const ergibt sich

1
1C
p1
u1;11 C u1;22 C u2;12 C D 0;
2 2 D (2.8)
1C
1
p2
u1;12 C u2;22 C u2;11 C D0
2 2 D

Damit sind die Scheibengleichungen in den Verschiebungen bekannt. Für diese Gleichun-
gen können Randbedingungen für die Verschiebungen unmittelbar angegeben werden.
Randbedingungen für die Spannungen führen auf kompliziertere Randgleichungen, die
über das Elastizitätsgesetz für die Schnittgrößen formuliert werden müssen.
Für den Fall konstanter Massenkräfte (z. B. Eigengewicht oder Fliehkraft für Scheiben
konstanter Dicke) lässt sich eine wichtige Eigenschaft für die Verschiebungsfunktionen
ui .x1 ; x2 / nachweisen. Durch mehrfache Ableitung der Scheibengleichungen (2.8) nach
x1 und x2 und ineinander Einsetzen folgen die Differentialgleichungen vierter Ordnung

@4 u1 @ 4 u1 @ 4 u1
4
C2 2 2 C D 0; u1 .x1 ; x2 / D 0;
@x1 @x1 @x2 @x24
(2.9)
@4 u2 @ 4 u2 @ 4 u2
C 2 C D 0; u2 .x1 ; x2 / D 0
@x14 @x12 @x22 @x24
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 47

mit dem Laplace2 -Operator


@2 @2
D C
@x12 @x22
ui .x1 ; x2 / D 0 sind harmonische Differentialgleichungen (Potentialgleichungen), ihre
Lösungen heißen harmonische Funktionen (Potentialfunktionen). ui .x1 ; x2 / D 0 sind
biharmonische Differentialgleichungen (Bipotentialgleichungen), ihre Lösungen heißen
biharmonische oder Bipotentialfunktionen. Damit folgt die Aussage:

Für Scheiben konstanter Dicke h mit konstanten Massenkräften p1 , p2 sind die Verschiebun-
gen u1 .x1 ; x2 / und u2 .x1 ; x2 / biharmonische Funktionen. Dies schließt den Fall p1 D p2 D 0
ein.

Kennt man die Verschiebungsfunktionen für ein gegebenes Scheibenproblem, können


die Schnittkräfte einfach aus den elastischen Gleichungen für die Schnittkräfte berechnet
werden.
Will man entsprechend der Kraftgrößenmethode die Scheibengleichungen in den
Schnittgrößen angeben, muss zu den Gleichgewichtsbedingungen (2.3) eine dritte Glei-
chung zur Berechnung der drei gesuchten Schnittgrößen n11 .x1 ; x2 /; n22 .x1 ; x2 / und
n12 .x1 ; x2 / D n21 .x1 ; x2 / gefunden werden. Diese Gleichung erhält man, wenn man die
Kompatibilitätsbedingungen (2.2) mit Hilfe der Gln. (2.5) in den Schnittgrößen angibt.
Mit
1
"11 D u1;1 D .n11 
n22 /;
Eh
1
"22 D u2;2 D .n22 
n11 /; (2.10)
Eh
1
12 D u1;2 C u2;1 D n12
Gh
folgt aus Gl. (2.2) mit h D h.x1 ; x2 / und für konstante Werte E;

@2  n11 
n22 @2  n22 
n11 @2 n12
C  2.1 C
/ D0 (2.11)
@x22 h @x12 h @x1 @x2 h

Die Gln. (2.3) und (2.11) sind drei Gleichungen für die drei gesuchten Schnittkraftfunk-
tionen nij .x1 ; x2 /. Aus den Gln. (2.3) erhält man durch partielle Differentiation der ersten
Gleichung nach x1 und der zweiten Gleichung nach x2

n11;11 C n12;21 C p1;1 D 0; n12;12 C n22;22 C p2;2 D 0

sowie durch nachfolgende Addition

n11;11 C n22;22 C 2n12;12 D .p1;1 C p2;2 / (2.12)

2
Pierre Simon Laplace 1749–1827.
48 2 Scheiben

Gl. (2.11) kann man für h D const und unter Beachtung der Gl. (2.12) umformen

n11;22 C n22;11  2n12;12 D


.n11;11 C n22;22 C 2n12;12 / D 
.p1;1 C p2;2 / (2.13)

Die Addition der Gln. (2.12) und (2.13) liefert

.n11 C n22 / D .1 C


/.p1;1 C p2;2 / (2.14)

bzw. für p1 ; p2 D const


.n11 C n22 / D 0
Die Normalkraftsumme ist unter diesen Voraussetzungen eine harmonische Funktion. Für
ausgewählte Anwendungen, wie z. B. die Spannungsberechnung für die Ränder von Aus-
schnitten, kann dies für eine effektive Problemlösung ausgenutzt werden.
Man kann die Formulierung der Scheibengleichung in den Kraftgrößen durch eine
Spannungsfunktion ˚.x1 ; x2 / besonders übersichtlich gestalten. Diese Funktion wurde
erstmalig von Airy3 verwendet. Für konstante p1 ; p2 gilt dann z. B.

n11 .x1 ; x2 / D ˚;22 .x1 ; x2 /  x1 p1 ;


n22 .x1 ; x2 / D ˚;11 .x1 ; x2 /  x2 p2 ; (2.15)
n12 .x1 ; x2 / D ˚;12 .x1 ; x2 /

Die so definierte Airysche Spannungsfunktion erfüllt die beiden Gleichgewichtsbedingun-


gen (2.3), sie muss daher nur noch die Kompatibilitätsgleichung (2.11) erfüllen. Durch
Einsetzen der Gln. (2.15) in Gl. (2.11) erhält man nach Ausführung der partiellen Ablei-
tungen und Umformung die Scheibengleichung für h D h.x1 ; x2 / und
D const in der
Form
   

1 1 1
 ˚  .1 C
/L ; ˚ D .1 
/ .x1 p1 C x2 p2 / (2.16)
h h h

mit dem Differentialoperator LŒf .x1 ; x2 /; g.x1 ; x2 /

@2 f @2 g @2 f @2 g @2 f @2 g
L.f; g/ D  2 C (2.17)
@x12 @x22 @x1 @x2 @x1 @x2 @x22 @x12

Für h D const ergibt sich der praktisch wichtige Sonderfall

˚ D 0 (2.18)

Für den Fall konservativer Massenkräfte p1 und p2 existiert ein Potential V .x1 ; x2 / mit

@V @V @p1 @p2
p1 D  ; p2 D  ; D
@x1 @x2 @x2 @x1
3
Sir George Bidell Airy 1801–1892.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 49

Für die Airysche Spannungsfunktion ˚ gelten dann die Definitionsgleichungen

n11 .x1 ; x2 / D ˚;22 .x1 ; x2 / C V .x1 ; x2 /;


n22 .x1 ; x2 / D ˚;11 .x1 ; x2 / C V .x1 ; x2 /; (2.19)
n12 .x1 ; x2 / D ˚;12 .x1 ; x2 /;

und man erhält die Scheibengleichungen in der Form der Gl. (2.20)
     
1 1 1
 ˚  .1 C
/L ; ˚ D .1 
/ V (2.20)
h h h

oder für h D const den Sonderfall

˚ D .1 
/V (2.21)

Für allgemeine Massenkräfte p1 und p2 kann man die Ayrische Spannungsfunktion ˚


auch mit Hilfe von Z Z
g1 D p1 dx1 ; g2 D p2 dx2

definieren
n11 .x1 ; x2 / D ˚;22 .x1 ; x2 /  g1 ;
n22 .x1 ; x2 / D ˚;11 .x1 ; x2 /  g2 ;
n12 .x1 ; x2 / D ˚;12 .x1 ; x2 /
Die Scheibengleichung lautet dann für konstante h- und
-Werte

@2 @2
˚ D .g 2 
g 1 / C .g1 
g2 /
@x12 @x22

Aus den Gln. (2.18) bzw. (2.21) folgt die Aussage:

Im praktisch wichtigen Sonderfall konstanter Wanddicke h und konstanter Massenkräfte


p1 ; p2 ist die Airysche Spannungsfunktion eine biharmonische Funktion.

Kennt man die Airysche Spannungsfunktion ˚.x1 ; x2 / für eine Scheibenaufgabe, kön-
nen die Schnittkräfte einfach aus den Ableitungen von ˚ berechnet werden. Die Verschie-
bungen erhält man über das Hookesche Gesetz für die Schnittgrößen. Löst man die Gln.
(2.5) nach den Verschiebungen auf, erhält man
 
n11 
n22 D D 1 
2 u1;1 D Ehu1;1 ;
 
n22 
n11 D D 1 
2 u2;2 D Ehu2;2 ;
50 2 Scheiben

Abb. 2.2 Starrkörperbewe- a b x1


x1
gungen einer Rechteckscheibe. .A1 =Eh/x1
a Starrkörperverschiebungen, A0 =Eh
x2 x2
b Starrkörperverdrehung A2 =Eh .A2 =Eh/x2

und damit die Verschiebungsgleichungen


Z
Ehu1 .x1 ; x2 / D Œn11 .x1 ; x2 / 
n22 .x1 ; x2 /dx1 C c1 .x2 /;
Z (2.22)
Ehu2 .x1 ; x2 / D Œn22 .x1 ; x2 / 
n11 .x1 ; x2 /dx2 C c2 .x1 /

c1 .x2 / und c2 .x1 / sind Funktionen einer Veränderlichen, die sich bei der Integration
der Verschiebungsgleichungen (2.22) ergeben. Sie werden aus den Randbedingungen
bestimmt. Wegen der dritten kinematischen Gl. (2.1) sind c1 .x2 / und c2 .x1 / nicht unab-
hängig voneinander, sondern müssen die Gl. (2.23) erfüllen
Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D .n22 
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1 Z
(2.23)
@
 .n11 
n22 /dx1  2.1 C
/n12
@x2

Die homogene Gl. (2.23)

dc2 .x1 / dc1 .x2 / dc2 .x1 / dc1 .x2 /


C D 0; d. h. D ;
dx1 dx2 dx1 dx2

hat die Lösungen

c2 .x1 / D A0 C A1 x1 ; c1 .x2 / D A2  A1 x2 (2.24)

Die Gln. (2.24) beschreiben die Verschiebungen u1 D A2 =Eh, u2 D A0 =Eh und die
Verdrehungen u1 D .A1 =Eh/x2 , u2 D .A1 =Eh/x1 der Scheibe als starrer Körper (s.
Abb. 2.2).
Damit sind für den ebenen Spannungszustand die Differentialgleichungen in den Ver-
schiebungen bzw. die Scheibengleichung für die Airysche Spannungsfunktion bekannt.
Löst man die jeweiligen Differentialgleichungen für vorgegebene Randbedingungen, kön-
nen alle Verschiebungen und Spannungen eines Scheibentragwerkes berechnet werden.
Der Übergang auf die Scheibengleichungen für einen ebenen Verzerrungszustand be-
reitet keine Schwierigkeiten. Abb. 2.3 zeigt zwei Beispiele für die Ausbildung von ebenen
Verzerrungszuständen in einer Scheibe. Es ist dann u3 D 0; u1 D u1 .x1 ; x2 /; u2 D
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 51

a b

n11
h n12

n22

Abb. 2.3 Modelle „ebener Verzerrungszustand“. a zwischen zwei starren Blöcken festgehaltene
Scheibe, b aus einer sehr langen Walze herausgeschnittene Scheibe

u2 .x1 ; x2 / und damit


"33 D "13 D "23 D 0

Aus Abschn. 1.3.4 folgt mit "33 D 0 die Spannung infolge der verhinderten Querkontrak-
tion
33 D 
.11 C 22 /;

und man erhält nach Einsetzen in die Gleichungen für "11 und "22 das Elastizitätsgesetz
für die Schnittgrößen

1 
2 
1
h"11 D n11  n22 D .n11 
n22 /;
E 1
E
1 
2 
1
h"22 D n22  n11 D .n22 
n11 /; (2.25)
E 1
E
2.1 C
/ 1 1
h12 D n12 D n12 D n12
E G G

Setzt man in den Gleichungen für den ebenen Spannungszustand für E;


; G

E D ;
D ; G D G; (2.26)
1 
2 1

erhält man die Gleichungen des ebenen Verzerrungszustandes. Man kann daher auf eine
gesonderte Ableitung der Scheibengleichung für ebene Verzerrungszustände verzichten.

2.1.1.4 Randbedingungen

1. Differentialgleichungen in den Verschiebungen (2.7)


Vorgegebene Verschiebungen an den Rändern x1 D const und x2 D const: u1 D
uN 1 ; u2 D uN 2 , uN i sind die vorgegebenen Verschiebungen.
52 2 Scheiben

a b c
x1 .n; x1 / x1 .n; x1 / x1
n22 n22
n12 dx1 n12 dx1
n12 n12 n12

x1 D const
n11 nN 11 n11 ds ds
n22 n11
n12 nN 12 qN 1 qN 1
dx2 n dx2 n
x2 D const
x2 x2 qN 2 x2 qN 2
n nN 12
22

Abb. 2.4 Randbedingungen für vorgegebene Randspannungen. a Belastung der Ränder x1 D const
und x2 D const durch gegebene Randschnittkräfte. b Randkräfte qN 1 ; qN 2 am schrägen Rand, c Rand-
kräfte qN 1 ; qN 2 am gekrümmten Rand

Vorgegebene Schnittgrößen an den Rändern x1 D const und x2 D const:

1

D.u1;1 C
u2;2 / D nN 11 ; D.u2;2 C
u1;1 / D nN 22 ; D .u1;2 C u2;1 / D nN 12
2

nN 11 ; nN 22 und nN 12 sind die vorgegebenen Randschnittkräfte.


Die vorgegebenen Randverschiebungen uN 1 ; uN 2 bzw. Randschnittkräfte nN 11 , nN 22 , nN 12
können auch gleich Null sein. Dies gilt z. B. für starr eingespannte Ränder oder für
eine Gleitlagerung bzw. für freie Ränder.
2. Differentialgleichungen für die Spannungsfunktion ˚ (2.21)
Vorgegebene Randspannungen:
In Abb. 2.4 sind folgende Fälle dargestellt. Abb. 2.4a zeigt die Ränder x1 D const und
x2 D const mit vorgegebenen Schnittgrößen nN ij

n11 .x1 D const; x2 / D nN 11 .x2 /; n22 .x1 ; x2 D const/ D nN 22 .x1 /;


n12 .x1 D const; x2 / D nN 12 .x2 /; n12 .x1 ; x2 D const/ D nN 12 .x1 /

Falls keine Massenkräfte auftreten, kann man schreiben

˚;22 .x1 D const; x2 / D nN 11 .x2 /; ˚;11 .x1 ; x2 D const/ D nN 22 .x1 /;


˚;12 .x1 D const; x2 / D nN 12 .x2 /; ˚;12 .x1 ; x2 D const/ D nN 12 .x1 /

Abb. 2.4b zeigt einen schrägen Rand, an dem die Randkräfte qN1 und qN 2 vorgegeben
sind. Für den schrägen Rand gelten dann die Randbedingungsgleichungen

n11 dx2 C n12 dx1 D qN 1 ds; cos.n; x1 /ds D dx2


n22 dx1 C n12 dx2 D qN 2 ds; cos.n; x2 /ds D dx1
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 53

Die Schnittgrößen können wieder durch die Ableitungen von ˚ ausgedrückt werden.
Die Gleichungen gelten auch für einen gekrümmten Rand nach Abb. 2.4c.
Vorgegebene Randverschiebungen:
Bei vorgegebenen Randverschiebungen werden die Randbedingungen mit Hilfe der
Gln. (2.22) bis (2.24) ausgedrückt.

Damit sind die Scheibengleichungen in den Verschiebungen und in den Spannungen


(Spannungsfunktion) einschließlich der Randbedingungen abgeleitet. Nachfolgend sind
die wichtigsten Gleichungen noch einmal zusammengefasst.

Schnittgrößen
n11 D ˚;22 C V; n22 D ˚;11 C V; n12 D ˚;12
mit der Airyschen Spannungsfunktion ˚.x1 ; x2 / und

@V @V
p1 D  ; p2 D 
@x1 @x2

Kraftrandbedingungen für die Ränder xi D const


n11 .x1 D const; x2 / D nN 11 ; n12 .x1 D const; x2 / D nN 12 ;
n22 .x1 ; x2 D const/ D nN 22 ; n12 .x1 ; x2 D const/ D nN 12

Kraftrandbedingungen für einen schrägen Rand mit nach außen gerichtetem Nor-
malenvektor n
n11 cos.n; x1 / C n12 cos.n; x2 / D qN 1 ; n22 cos.n; x2 / C n12 cos.n; x1 / D qN2

Ebener Spannungszustand
     
1 1 1
 ˚  .1 C
/L ; ˚ D .1 
/ V
h h h
h D const W ˚ D .1 
/V; p1 ; p2 D const W ˚ D 0
54 2 Scheiben

Z Z
Ehu1 D .n11 
n22 /dx1 C c1 .x2 /; Ehu2 D .n22 
n11 /dx1 C c2 .x1 /
Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D  .n22 
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1
Z
@
 .n11 
n22 /dx1  2.1 C
/n12
@x2

Ebener Verzerrungszustand
     
1 1 1
 ˚  .1 C
/L ;˚ V D .1 
/
h h h

h D const W ˚ D .1 
/V;
D
1

p1 ; p2 D const W ˚ D 0
Z Z
E hu1 D .n11 
n22 /dx1 C c1 .x2 /; E hu2 D .n22 
n11 /dx1 C c2 .x1 /

Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D  .n22 
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1
Z
@
 .n11 
n22 /dx1  2.1 C
/n12
@x2
E
1
E D ;
D ; .1 C
/ D
1 
2 1
1

2.1.2 Vektor-Matrix-Schreibweise

Formuliert man alle Gleichungen in Vektor-Matrix-Schreibweise, wird die Gleichungs-


struktur besonders deutlich. Es werden die folgenden Vektoren und Matrizen definiert:

Schnittkraftvektor  T D Œn11 n22 n12 


Spannungsfunktionsvektor 'T D Œ.˚;22 CV /.˚;11 CV /.˚;12 /

Verzerrungsvektor "T D Œ"11 "22 12 


Verschiebungsvektor uT D Œu1 u2 
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 55

VektorderMassenkräfte p T D Œp1 p2 
Vektor der Randkräfte q T D Œq1 q2 

Randnormalenvektor nT D Œn1 n2 ; ni D cos.n; xi /


" #
@1 0 @2
Differentialmatrix D D
0 @2 @1
h i
Differentialvektor d D @22 @11 @12
T

2 3
1
0
Eh 6 7
Steifigkeitsmatrix EQ D 4
1 0 5
1
2
0 0 1

2
2 3
1 
0
1 6 7
Nachgiebigkeitsmatrix SQ D 4 
1 0 5
Eh
0 0 2.1 C
/

1 Eh
SQ D EQ ; Q D DE D
E E
1 
2
Mit den eingeführten Vektoren und Matrizen erhält man das Randwertproblem der Schei-
bentheorie in Vektor-Matrix-Schreibweise. Für das Anfangs-Randwertproblem sind die
Gleichgewichtsbedingungen nach Abschn. 1.3.5 durch das Trägheitsglied uR zu ergän-
zen.

Kinematische Gleichungen, Kompatibilitätsbedingung


" D D T u; d T " D d T .D T u/ D 0

Gleichgewichtsbedingungen
D C p D 0; (Elastostatik)
D C p D huR (Elastodynamik)

Konstitutive Gleichungen, Werkstoffgesetz


 D EQ " D EQ D T u; " D SQ 
56 2 Scheiben

Weggrößenmethode – Ebener Spannungszustand


Randwertproblem Anfangs-Randwertproblem

D EQ D T u D pN D EQ D T u  huR D pN


u D uN 2 u u D uN 2 u
 D E D u D N 2 q  D EQ D T u
Q T
D N 2 q
u.x; 0/ D N
u.x; 0/
P
u.x; 0/ D PN
u.x; 0/
u und q sind die Scheibenränder mit vorgegebenen Verschiebungen oder Kräften.

Kraftgrößenmethode – Ebener Spannungszustand


 D'
Die Gleichgewichtsbedingung ist identisch erfüllt

D' C pN D 0

Die Kompatibilität in  liefert die Scheibengleichung

d T " D d T SQ  D d T SQ ' D 0

a) p1 D @V =@x1 ; p2 D @V =@x2 ; @p1 =@x2 D @p2 =@x1

d T SQ ' D 0

b) Mit SQ D const; p1 D p2 D 0; ' D ' D Œ˚;22 ˚;11  ˚;12  wird die Scheiben-
gleichung biharmonisch

d T SQ ' D SQ d T ' D 0
d T ' D ˚ D 0

Die folgende Gleichungsübersicht zeigt noch einmal in komprimierter Form das Struk-
turschema für das Weggrößen- und das Kraftgrößenverfahren.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 57

Weggr¨oßenverfahren Kraftgrößenverfahren

" D DTu "D Q

Q"
DE d T" D 0

dT Q D0

C pN D 0 D' C pN D 0

D EQ D T u p Randbedingungen d T SQ ' D 0

2.1.3 Energieformulierungen

Nach Abschn. 1.3.6 können die Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie vielfach für eine
effektive Berechnung der Tragwerksbeanspruchung eingesetzt werden. Dies gilt auch für
Scheibentragwerke. Unter den Voraussetzungen eines ebenen Spannungszustandes erhält
man für die Formänderungsenergie einer Scheibe mit dV D hdA
2 3
Z Z n11
1 1 6 7
Wf D  "T dA D 4 n22 5 Œ"11 "22 12 dA
2 2
A A n12

Setzt man die Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes  D EQ " voraus, kann man die Form-
änderungsenergie entweder in den Verschiebungen oder in den Schnittgrößen ausdrücken.
Im ersten Fall folgt mit  D EQ D T u und " D D T u
Z Z

1 1
Wf .u/ D .EQ D T u/.D T u/dA D D .u1;1 C
u2;2 /u1;1
2 2
A A (2.27)
1

C .u2;2 C
u1;1 /u2;2 C .u1;2 C u2;1 /2 dA
2
58 2 Scheiben

1
Im zweiten Fall gilt mit " D SQ  D EQ 
Z
1
Wf . / D  .SQ  /T dA
2
Z
A
1 1
D Œ.n11 C n22 /2  2.1 C
/.n11 n22  n212 / dA (2.28)
2 Eh
Z
A
1 1 2
D Œn C n22  2
n11 n22 C 2.1 C
/n12  dA
2 2
2 Eh 11
A

In Wf können die Schnittgrößen  mit  D ' durch die Airysche Spannungsfunktion


ersetzt werden. Die Gl. (2.28) nimmt dann für den Fall, dass Massenkräfte nicht berück-
sichtigt werden, die Form an
Z
1 1
Wf . / D Œ.˚;22 C ˚;11 /  2.1 C
/.˚;22 ˚;11  ˚;12 / dA
2 2
2 Eh
Z
A (2.29)
1 1
D Œ.˚/  2.1 C
/.˚;22 ˚;11  ˚;12 / dA
2 2
2 Eh
A

Hängt der Spannungszustand in einer Scheibe nicht von der Querkontraktionszahl


ab,
kann man für
einen beliebigen Wert einsetzen, z. B. auch
D 1, und man erhält einen
vereinfachten Ausdruck für Wf . /
Z

1 1
Wf . / D 2
.˚/ dA (2.30)
2 Eh
A

Dies hat für die Anwendung von Näherungslösungen Bedeutung.


Wie in Abschn. 1.3.6 erläutert, erhält man für konservative Randkräfte qN und Massen-
N die als äußere Kräfte die Scheibe belasten, das Potential
kräfte p,
Z I
˘a D  pu N dA  qu
T
N T d (2.31)
A q

N Damit kann
ist der Scheibenrand, q der Teil des Randes mit den Randbelastungen q.
das Prinzip vom Minimum des elastischen Gesamtpotentials

˘.u/ D ˘a .u/ C ˘i .u/; ˘i .u/ D Wf .u/; ı˘.u/ D 0 (2.32)

zur Lösung einer Scheibenaufgabe genutzt werden.


Will man das Prinzip vom Minimum des konjugierten elastischen Gesamtpotentials
einsetzen, gilt

˘ . / D ˘a . / C ˘i . /; ˘i . / D Wf . /; ı˘ . / D 0 (2.33)
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 59

u ist jetzt der Rand mit vorgegebenen Verschiebungen, und es gilt


Z
˘a . / D  N T dS
uq
u

Für die Berechnung von ungedämpften Scheibenschwingungen kann in Erweiterung


der Variationsaussagen für statische Aufgaben das Hamiltonsche Prinzip mit der Lagran-
geschen Funktion L.u/ D T .u/  ˘.u/, wobei
Z
1
T .u/ D h.uP 21 C uP 22 /dt
2
A

die kinetische Energie ist, herangezogen werden, und man erhält nach Abschn. 1.3.6 die
Variationsgleichung
Zt2
ı L.u/dt D 0
t1

Man kann in einfacher Weise überprüfen, dass die Anwendung der Variationsrechnung
mit der Forderung ı˘.u/ D 0 als Eulersche4 Differentialgleichung die Scheibenglei-
chung in den Verschiebungen und auch alle wesentlichen und natürlichen Randbedingun-
gen liefert (s. Abschn. 10.1).

2.1.4 Scheibengleichung in Polarkoordinaten

In der Bautechnik, dem Maschinenbau oder dem Apparate- und Anlagenbau kommen
außer den bisher betrachteten rechteckigen Scheiben vor allem Kreis- und Kreisringschei-
ben zum Einsatz. Die Scheibengleichung für eine Kreis- oder eine Kreisringscheibe wird
zweckmäßig in Polarkoordinaten angegeben.
Auf ausführliche gesonderte Ableitungen wird verzichtet. Es werden die im Ab-
schn. 10.3 angeführten Transformationsgleichungen für Differentialoperatoren benutzt,
um die in kartesischen Koordinaten formulierten Gleichungen in Polarkoordinaten zu
transformieren.
Abb. 2.5 zeigt die positiven Richtungen für die Spannungen rr ; ' ' und r' für ein
Element einer Kreis- oder Kreisringscheibe. Für die Koordinaten x1 ; x2 und r; ' gelten
nach Abschn. 10.3 die Transformationsbeziehungen
q
x2
x1 D r cos '; x2 D r sin '; rD x12 C x22 ; ' D arctan
x1

4
Leonhard Euler 1707–1783.
60 2 Scheiben

a x2 b x2 c

x2 D
'r r'
rd' rd'
''
rr
d' dr d' dr
r r
x1 x1 d'
'
x1

Abb. 2.5 Kreis- und Kreisringscheibe. a volle Kreisscheibe, b Kreisringscheibe, c Scheibenelement


in Polarkoordinaten

Für den ebenen Spannungszustand gibt es jetzt die folgenden Spannungs- und Verzer-
rungskoordinaten 0 1
! "rr r' 0
rr r' B C
@ 'r "' ' 0 A
'r ' '
0 0 "zz
Alle Spannungs- und Verzerrungskoordinaten sind über die Scheibendicke h konstant, und
die Funktionen hängen lediglich von r und ' ab. Die Dehnung "zz in Dickenrichtung ist
wiederum nur eine Folge der Querkontraktion.
Kennt man die Spannungskoordinaten in kartesischen Koordinaten, erhält man unter
Beachtung der Abb. 2.6 die folgenden Transformationsgleichungen für die Spannungen
in Polarkoordinaten

rr D 11 cos2 ' C 22 sin2 ' C 12 sin 2';
' ' D 11 sin2 ' C 22 cos2 '  12 sin 2'; (2.34)
r' D .22  11 / sin ' cos ' C 12 cos 2'

Die Summe der Normalspannungen ist dabei eine Invariante

rr C ' ' D 11 C 22

Löst man die Gln. (2.34) nach 11 ; 22 ; 12 auf, erhält man

11 D rr cos2 ' C ' ' sin2 '  r' sin 2';
22 D rr sin2 ' C ' ' cos2 ' C r' sin 2'; (2.35)
12 D .rr  ' ' / sin ' cos ' C r' cos 2'

2.1.4.1 Kinematische Gleichungen


Für eine Ableitung der Scheibengleichung müssen wieder die kinematischen Gleichun-
gen, die Gleichgewichtsbedingungen und das Werkstoffgesetz formuliert werden. Die
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 61

a b
x2 22 x2 22

21 D 12
12 D 21
r
rd'

dx2
11
dr
dx2

11 rr '
r'
r'
'' d'
' '
dx1 x1 dx1 x1

Abb. 2.6 Transformationsbeziehungen für die Spannungen in Polar- und in kartesischen


q Koordi-
naten. a Spannungen am Scheibenelement mit den Abmessungen dx1 ; dx2 und dr D dx12 C dx22 ,
b Spannungen am Scheibenelement mit den Abmessungen dx1 ; dx2 und rd'

kinematischen Gleichungen folgen aus Abb. 2.7


 2
2
@ur 1 @u'
.1 C "' ' / r d' D
2 2 2
d' C .r C ur /d' C .r C ur /d' ;
@' r @'

  2
@ur
.1 C "rr / dr2 2
D 1C dr dr
@r

  2
@u' ur u' @ur
C dr  u'  1C dr ;
@r r r @r
2"r' D r' D tan ˛ C tan ˇ (2.36)
@ur
d'
@'
D
1 @u'
.r C u' /d' C .r C ur /d'
r @'  
@u' ur u' @ur
dr  u'  1C dr
@r r r @r
C
@ur
1C dr
@r

Vernachlässigt man alle Glieder höherer Ordnung, erhält man die linearen kinematischen
Gleichungen für infinite Verschiebungen

@ur 1 @u' ur 1 @ur @u' u'


"rr D ; "' ' D C ; r' D C  (2.37)
@r r @' r r @' @r r
62 2 Scheiben

Abb. 2.7 Verzerrungen in C0


Polarkoordinaten

ur
.1 C /u';' d'
r

D0 B0
.1 C
ur;' d' "' /
d' / C u' C u';r dr
ˇ

r/
ur

/d
˛ u'

"r
/ r

C
.r C r
u r;

.1
u' ur / C
u';' d' d' / ur
D C
dr
A0 C
.r dr ur C ur;r dr
B
u'
ur
d' A
d'
r
'

Die Kompatibilitätsbedingung lautet im Falle der Polarkoordinaten

@2 "rr @ 2 "' ' @2 r'


C D (2.38)
@r 2 @' 2 @r@'

2.1.4.2 Gleichgewichtsbedingungen
Die entsprechenden Gleichungen folgen aus Abb. 2.8, wobei wie in kartesischen Koor-
dinaten mit den Schnittgrößen nrr D hrr ; n' ' D h' ' ; nr' D hr' gerechnet wird

@nrr 1 @nr' nrr  n' '


C C C pr D 0;
@r r @' r
(2.39)
@nr' 1 @n' ' 2
C C nr' C p' D0
@r r @' r
Für konservative Kräfte gibt es eine Potentialfunktion V .r; '/, und es gilt

@V 1 @V @pr @.rp' /
pr D  ; p' D  ; D (2.40)
@r r @' @' @r
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 63

Abb. 2.8 Schnittgrößen x2


nrr ; n' ' ; nr' und Massenkräfte
@n' ' @n'r @nrr
pr ; p' am Scheibenelement n' ' C d' n'r C d' nrr C dr
d' d' r

p' rdrd' @nr'


nr' C dr
pr rdrd' dr
rd'
dr
nr'
d'
nrr n'r
n' '
'
x1

2.1.4.3 Konstitutive Gleichungen


Die konstitutiven Gleichungen haben im isotropen Fall die gleiche Struktur wie in karte-
sischen Koordinaten, da Polarkoordinaten auch orthogonale Koordinaten sind

Eh
Eh"rr D nrr 
n' ' ; nrr D ."rr C
"' ' /;
1 
2
Eh
Eh"' ' D n' ' 
nrr ; n' ' D ."' ' C
"rr /;
1 
2
Eh 1 

Ehr' D 2.1 C
/nr' ; nr' D r' ;
1 
2 2

und mit der Dehnsteifigkeit D D Eh=.1 


2 / und den kinematischen Gleichungen erhält
man das Elastizitätsgesetz für die Schnittgrößen der Kreis- bzw. Kreisringscheibe

 
@ur 1 @u' ur
nrr DD C
C ;

@r r @' r
1 @u' ur @ur
n' ' DD C C
; (2.41)
r @'
 r @r 
1 
1 @ur @u' u'
nr' DD C 
2 r @' @r r

Im allgemeinen Fall stehen für die acht unbekannten Größen ur ; u' , nrr , n' ' , nr' , "rr ,
"' ' , r' insgesamt acht Gleichungen in Polarkoordinaten zur Verfügung.
64 2 Scheiben

Für ausgewählte Anwendungen ist der Beanspruchungszustand in einer Kreis- oder


Kreisringscheibe rotationssymmetrisch, d. h. unabhängig von '. Damit sind u' und nr'
Null, und alle Ableitungen nach ' verschwinden. Die Gleichungen vereinfachen sich er-
heblich
@ur ur
"rr D ; "' ' D ; r' D 0;
@r r
@nrr nrr  n' ' @V
C C pr D 0; pr D  ; (2.42)
@r  r   @r 
@ur ur ur @ur
nrr D D C
; n' ' D D C

@r r r @r
In den Gln. (2.42) hängen alle Größen nur noch von der Koordinate r ab.
Kinematische Gleichungen, Gleichgewichtsbedingungen und konstitutive Gleichungen
sind wie in kartesischen Koordinaten Ausgangspunkt für die Ableitung der Scheibenglei-
chung in den Verschiebungen (Weggrößenverfahren) oder in den Spannungen bzw. der
Airyschen Spannungsfunktion (Kraftgrößenverfahren).
Man kann aber auch nach Abschn. 10.3 die Gleichungen in kartesischen Koordinaten
in Polarkoordinaten transformieren. So erhält man z. B. entsprechend den Gln. (2.14) die
Gleichungen  
@pr pr 1 @p'
.nrr C n' ' / D .1 C
/ C C
@r r r @'
und für pr ; p' D const

@2 1 @ 1 @2
.nrr C n' ' / D 0; D C C
@r 2 r @r r 2 @' 2

Mit der Airyschen Spannungsfunktion ˚.r; '/ und konservativen Massenkräften folgen
die Schnittgrößen zu
 
1 @˚ 1 @2 ˚ @2 ˚ @ 1 @˚
nrr D C 2 2 C V; n' ' D C V; nr' D (2.43)
r @r r @' @r 2 @r r @'

Damit erhält man die Scheibengleichung in Polarkoordinaten in der Form


     
1 1 1
 ˚  .1 C
/L ; ˚ D .1 
/ V (2.44)
h h h
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 65

Für h D const gilt ˚ D .1 


/V , und für pr ; p' D const – ˚ D 0. Hierbei
wurden folgende Abkürzungen verwendet

@2 1 @ 1 @2
  C C ;
@r 2 r @r r 2 @' 2
@4 2 @3 1 @2 1 @
  4
C 3
 2 2
C 3
@r r @r r @r r @r
2 @4 2 @4 4 @2 4 @4
 2 2 2 3 C C ; (2.45)
r @r @' r @r@' 3 r 4 @' 2 r 4 @' 4
! !
@2 u 1 @v 1 @2 v 1 @u 1 @2 u @2 v
L.u; v/  C 2 2 C C 2 2
@r 2 r @r r @' r @r r @' @r 2
   
@ 1 @u @ 1 @v
2
@r r @' @r r @'

Alle Gleichungen vereinfachen sich wesentlich für rotationssymmetrische Zustände. So


erhält man mit dem Verschwinden aller Ableitungen nach ' die Differentialoperatoren

@2 1 @
  C ;
@r 2 r @r
@4 2 @3 1 @2 1 @
  4
C 3
 2 2C 3 ; (2.46)
@r r @r r @r r @r
   
@2 u 1 @v 1 @u @2 v
L.u; v/  C
@r 2 r @r r @r @r 2

Die bisher formulierten Gleichungen gelten für das Scheibenmodell „ebener Span-
nungszustand“. Der Übergang zum ebenen Verzerrungszustand erfolgt in gleicher Weise
wie in kartesischen Koordinaten, wenn folgende Substitutionen vorgenommen werden

E ! E D E=.1 
2 /;
!
D
=.1 
/; G ! G D G

Die Energieformulierungen des Abschn. 2.1.3 können in einfacher Weise auch auf
Polarkoordinaten übertragen werden. Für die für die Anwendungen der Scheibentheorie
vorrangig interessierende Formulierung der Formänderungsenergie in den Schnittgrößen
gelten dann die Gleichungen

Z (
1 1
Wf D .˚/2
2 Eh
A
"     #)
1 1 1
 2.1 C
/ ˚;' ' ˚;r C 2 ˚;' '  ˚;' dA
r r r ;r
66 2 Scheiben

oder für von


unabhängige Spannungszustände
Z
1 1
Wf D .˚/2 dA
2 Eh
A

2.1.5 Scheibengleichung in schiefwinkligen Koordinaten

In der Ingenieurpraxis gibt es auch Scheibentragwerke allgemeinerer Geometrie, die we-


der in kartesischen noch in Polarkoordinaten einfach zu beschreiben sind. Insbesondere für
die Formulierung der Randbedingungen und der Konstruktion analytischer Lösungsansät-
ze ist es meist zweckmäßig, der Geometrie angepasste Koordinatensysteme einzuführen.
Als Beispiel für die Formulierung der Scheibengleichungen in allgemeineren, nichtortho-
gonalen Koordinaten werden im folgenden schiefwinklige Koordinaten ;  verwendet.
Ausgangspunkt sind jetzt die im Abschn. 10.3 angegebenen Transformationsgleichun-
gen für die schiefwinkligen Koordinaten ; . Zur besseren Unterscheidung werden für die
kartesischen Koordinaten hier die Bezeichnungen x1 D x und x2 D y gewählt. Es gelten
dann die Beziehungen (Abb. 2.9a)

1
x D  C  cos ˛; y D  sin ˛;  D x  y cot ˛;  D y csc ˛; csc ˛ D
sin ˛

In Abb. 2.9b haben die Punkte P1 .; / und P2 . C d;  C d/ den Abstand ds, und es
gilt
ds 2 D dx 2 C dy 2 D d 2 C d2 C 2dd cos ˛ (2.47)

a b
y y
l
ds P2
dA
ds
d
l d
dy

P1
d d
˛ ˛
dx D ds

Abb. 2.9 Parallelogrammscheibe. a Parallelogrammscheibe im schiefwinkligen Koordinatensys-


tem , ; l , l Abmessungen der Scheibe, d, d Abmessungen des Scheibenelementes dA D
dd sin ˛, b Abstand ds der Punkte P1 .; / und P2 . C d;  C d/
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 67

Für die Projektionen ds und ds von ds auf die Koordinatenachsen  und  erhält man

ds D d C d cos ˛ D dx; ds D d cos ˛ C d

2.1.5.1 Kinematischen Gleichungen


Aus Abb. 2.10a folgt zunächst

ux D u C u cos ˛; uy D u sin ˛; u D ux  uy cot ˛; u D uy csc ˛ (2.48)

Für die Projektionen von ux und uy auf die Koordinatenachsen  und  gelten wie für ds
und ds die Gleichungen (Abb. 2.10b)

uQ  D u C u cos ˛ D ux ; uQ  D u cos ˛ C u D ux cos ˛ C uy sin ˛ (2.49)

Bei einer Verzerrung der Scheibe verschiebt sich der Punkt P1 .; / in den Punkt P10 . C
u ;  C u / und der Punkt P2 . C d;  C d/ in den Punkt P20 . C d C u C du ;  C d C
u C du /. Der Abstand der Punkte P1 ; P2 ändert sich in den Abstand ds 0 D .1 C "/ds
der Punkte P10 ; P20 , und man erhält mit Gl. (2.47)

ds 0 2 D .1 C "/2 ds 2 D .d C du /2 C .d C du /2 C 2.d C du /.d C du / cos ˛

Vernachlässigt man du2 ; du2 ; du du als klein von höherer Ordnung, folgt

.1 C "/2 ds 2 D ds 2 C 2ddu C 2ddu C 2.ddu C d C du / cos ˛

oder mit den Gln. (2.49)

.1 C "/2 ds 2 D ds 2 C 2dduQ  C 2dduQ  (2.50)

a b
y y

u
u sin ˛
0
P Cu Cu / P0 Cu Cu /
uy u u cos ˛
u

u
ux u u cos ˛
˛ ˛ ux

Abb. 2.10 Verschiebungen eines Punktes P .; /. a Verschiebungen ux , uy in kartesischen Ko-
ordinaten und u , u in schiefwinkligen Koordinaten, b Projektionen uQ  D u C u cos ˛ und
uQ  D u cos ˛ C u der Verschiebung u.; / D u.x; y/ auf der – und der –Achse
68 2 Scheiben

Entwickelt man duQ  ; duQ  in Taylorreihen und bricht diese nach den linearen Gliedern ab

@uQ  @uQ  @uQ  @uQ 


duQ   d C d; duQ   d C d;
d d d d

folgt aus Gl. (2.50)


 2  2  
@uQ  d @uQ  d @uQ  @uQ  d d
.1 C "/ D 1 C 2
2
C2 C2 C
d @s d @s d d @s @s

und mit .1 C "/2  1 C 2"


 2  2
d d d d
" D "Q  C "Q C Q (2.51)
ds ds ds ds

"Q  ; "Q sind die Dehnungen von d und d, Q ist die Änderung des Winkels ˛ bei der
Scheibenverzerrung

"Q  D uQ ; D u; C u; cos ˛;


"Q D uQ ; D u; C u; cos ˛; (2.52)
Q D uQ ; C uQ ; D u; C u; C .u; C u; / cos ˛

Die Struktur der Gln. (2.50) bis (2.52) entspricht vollständig der Darstellung in kartesi-
schen Koordinaten, wenn man ;  durch x; y ersetzt. Vergleicht man die Gl. (2.51) in
schiefwinkligen und in kartesischen Koordinaten und beachtet die Transformationsglei-
chungen

d dx dy d dy dx d d dy d
D  cot ˛; D csc ˛; D C cos ˛; D sin ˛;
ds ds ds ds ds ds ds ds ds ds

erhält man aus dem Koeffizientenvergleich von


 2  2
d d d d
" D "Q  C "Q C Q
ds ds ds ds

und  2  2
dx dy dx dy
" D "xx C "yy C xy (2.53)
ds ds ds ds
die Transformationsbeziehungen für die Verzerrungskoordinaten in kartesischen und in
schiefwinkligen Koordinaten

"xx D "Q  ; "Q  D "xx ;


"yy D "Q  cot ˛ C "Q csc ˛
2 2
"Q D "xx cos2 ˛ C "yy sin2 ˛
(2.54)
C Q cot ˛ csc ˛; C xy sin ˛ cos ˛;
xy D 2Q"  cot ˛ C Q csc ˛; Q D 2"xx cos ˛ C xy sin ˛
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 69

Obwohl uQ  und uQ  nicht die wahren Verschiebungskomponenten u und u in den Koor-


dinaten ;  sind, beschreiben die Größen "Q  ; "Q und Q vollständig den Verzerrungszu-
stand. Beachtet man z. B., dass für alle parallelen Linien zur -Achse

dx dy
D cos ˛; D sin ˛;
ds ds

ist, erhält man durch Einsetzen in Gl. (2.53)

" D "xx cos2 ˛ C "yy sin2 ˛ C xy sin ˛ cos ˛;

d. h. "Q entspricht der wirklichen Dehnung " parallel zur -Achse. Für alle parallelen
Linien zur -Achse folgt unmittelbar "Q  D "  D "xx . Für die Kompatibilitätsbedingung
findet man auch in schiefwinkligen Koordinaten die Gleichung

@2 "  @2 " @2 


C D (2.55)
@2 @ 2 @@

2.1.5.2 Gleichgewichtsbedingungen
Für die Schnittgrößen nij D hij ; i; j D ;  am schiefwinkligen Element folgen unter
Beachtung der Gleichgewichtsforderungen
X X X X X X
Fx D Fy D .Fy x  Fx y/ D 0 ! F D F D .F   F / D 0

aus Abb. 2.11.

@n  @n @n @n


C C p sin ˛ D 0; C C p sin ˛ D 0 (2.56)
@ @ @ @

Aus Abb. 2.12 folgen die Transformationsgleichungen zwischen den Schnittgrößen in kar-
tesischen und in schiefwinkligen Koordinaten

qx D nxx sin ˛  nxy cos ˛; qy D nxy sin ˛  nyy cos ˛;


nxy D n C n cos ˛; nyy D n sin ˛;
n D nxy  nyy cot ˛; n D nyy csc ˛;
n  D qx  qy cot ˛ D nxx sin ˛ C nyy cos ˛ cot ˛  2nxy cos ˛;
n D qy csc ˛ D nxy  nyy cot ˛

Die Transformationsgleichungen zwischen den Schnittgrößen n  ; n und n sowie den
nxx ; nyy und nxy lauten zusammengefasst

nxx D n  csc ˛ C n cos ˛ cot ˛ n  D nxx sin ˛ C nyy cos ˛ cot ˛
C 2n cot ˛;  2nxy cos ˛;
(2.57)
nyy D n sin ˛; n D nyy csc ˛;
nxy D n C n cos ˛; n D nxy  nyy cot ˛
70 2 Scheiben

@n
.n C d d

@n
.n C d d

p d d sin ˛ @n
.n C d d
n d
@n
.n C d d
n d
p d d sin ˛

˛
n d

n d

Abb. 2.11 Schnittgrößen n D h , n D h , n D h D n am schiefwinkligen Element
mit den Abmessungen d, d

Definiert man die Airysche Spannungsfunktion ˚.; / für den Fall konservativer Mas-
senkräfte p und p durch

n  D ˚;  V sin ˛; n D ˚;   V sin ˛; n D ˚; ;


@V @V @p @p (2.58)
p D  ; p D  ; D ;
@ @ @ @

a b
y nyy y n
nyx n

qy
n

nxx qx n

n
nxy

˛ ˛

Abb. 2.12 Spannungskomponenten. a Kartesische Koordinaten, b schiefwinklige Koordinaten


2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 71

erfüllt diese die Gleichgewichtsbedingungen (2.56). Man kann die Massenkräfte auch
R R
allgemeiner durch g D p d; g D p d einbeziehen, und es gelten dann die Glei-
chungen

n  D ˚;  g sin ˛; n D ˚;   g sin ˛; n D ˚;

2.1.5.3 Konstitutive Gleichungen


Für den ebenen Spannungszustand gilt

  D E11 "  C E12 " C E13  ; "  D S11   C S12  C S13  ;
 D E21 "  C E22 " C E23  ; " D S21   C S22  C S23  ;
 D E31 "  C E32 " C E33  ;  D S31   C S32  C S33 

Die Koeffizienten Ers bzw. Srs sind die elastischen Konstanten des verallgemeinerten
Hookeschen Gesetzes.
Für isotropes Materialverhalten erhält man nach Einsetzen der Verzerrungs- und
Schnittgrößentransformationsgln. (2.54) und (2.57) in das Hookesche Gesetz für kar-
tesische Koordinaten die folgenden Steifigkeits- bzw. Nachgiebigkeitsmatritzen E und
S D E 1
2 3
1 cos2 ˛ C
sin2 ˛  cos ˛
6 7
E D 4 cos2 ˛ C
sin2 ˛ 1  cos ˛ 5;
 cos ˛  cos ˛ 2 .1C cos ˛ 
sin ˛/
1 2 2
2 3 (2.59)
1 cos2 ˛ 
sin2 ˛ 2 cos ˛
6 7
S D 4 cos2 ˛ 
sin2 ˛ 1 2 cos ˛ 5
2 cos ˛ 2 cos ˛ 2.1C cos ˛ C
sin ˛/
2 2

Hierbei sind
1 
2 E
E D E 3
; S D S
E csc ˛ csc ˛
Mit den kinematischen Gleichungen, den Gleichgewichtsbedingungen und den konstitu-
tiven Gleichungen in schiefwinkligen Koordinaten sind alle Gleichungen bekannt, um die
Differentialgleichungen der Scheibe in den Verschiebungen oder in den Schnittgrößen ab-
zuleiten.
Ein besonders einfacher Weg zur Formulierung der Scheibengleichung in schiefwink-
ligen Koordinaten ist die Transformation der Differentialgleichung ˚.x; y/ D .1 

/V .x; y/ nach Abschn. 10.3. Für den Sonderfall h D const, p1 D p2 D 0 erhält man

˚.; / D 0;
1
˚ D Œ˚;    C 2.1 C 2 cos2 ˛/˚;  C ˚;
sin4 ˛ (2.60)
 4 cos ˛.˚;   C ˚; /;
n  D ˚; ; n D ˚;  ; n D ˚;
72 2 Scheiben

Die Energieformulierung für die konjugierte Formänderungsenergie Wf lautet in


schiefwinkligen Koordinaten unter Beachtung der Transformationsgleichungen (2.58)
Z
1 1 h 2
Wf D n C n2 C 2.cos2 ˛ 
sin2 ˛/n  n
sin ˛ 2Eh  
A i
C 4 cos ˛.n  C n /n C 2.1 C cos2 ˛ C
sin2 ˛/n2 dd

bzw. für von


unabhängige Spannungszustände einfacher
Z
1 1  2
Wf D n  C n C 2 cos ˛ n dd
sin ˛ 2Eh
A

Treten keine Massenkräfte auf, erhält man mit

n  D ˚; ; n D ˚;  ; n D ˚;

und
1  
˚ D 2
˚;   2 cos ˛˚ C ˚;
sin ˛
abschließend
Z
1 h 3 i
Wf D sin ˛.˚/2  2 sin ˛.1 C
/.˚  ˚  ˚
2
/ dd
2Eh
A

bzw. für
-freie Spannungszustände
Z
1
Wf D sin ˛
3
.˚/2 dd
2Eh
A

2.1.6 Festigkeit und Steifigkeit von Scheiben

Alle in Abschn. 2.1 abgeleiteten Gleichungen setzen voraus, dass die Scheiben über ih-
re Dicke homogen sind und in ihrer Ebene richtungsunabhängige Werkstoffeigenschaften
aufweisen, d. h. isotrop sind. Wegen der vorausgesetzten Homogenität über die Scheiben-
dicke h ist die Symmetrie zur Scheibenmittelfläche gewährleistet, und im Rahmen einer
Tragwerkstheorie 1. Ordnung kann die Scheibenaufgabe als unabhängig von der Platten-
aufgabe betrachtet werden.
Bei homogenem und isotropem Material hat ein Scheibenelement in allen Richtungen
das gleiche elastische Steifigkeits- und Nachgiebigkeitsverhalten. Zwischen dem Schub-
modul G und dem hier als belastungsunabhängig betrachteten Zug-/Druckmodul E gibt
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 73

es über die Querkontraktionszahl


einen eindeutigen Zusammenhang G D E=2.1 C
/,
so dass nur zwei Werkstoffkennwerte in die Materialsteifigkeit eingehen. Vielfach setzt
man für metallische Werkstoffe
 0;3, für Kunststoffe
 0;4 und für Beton
 0
oder
 1=6, so dass das elastische Verhalten der isotropen und homogenen Scheibe nä-
herungsweise nur noch von einem Materialkennwert abhängt. Aus den Gln. (2.4) folgen
die Dehn-, die Kontraktions- und die Schubsteifigkeiten

Eh
Eh 1
Eh
DD ;
D D ; D D Gh D
1 
2 1 
2 2 2.1 C
/

und aus Gl. (2.10) die entsprechenden Nachgiebigkeiten

1 
1 2.1 C
/
SD ; 
S D ; 2.1 C
/S D D
Eh Eh Gh Eh

Die Dehnsteifigkeit entspricht somit der für eine einachsige positive Einheitsdehnung
erforderlichen Kraft, die Kontraktionssteifigkeit der in Folge Querkontraktion dabei auf-
tretenden Querzugkraft. Die Zugnachgiebigkeit ist die bei einer einachsigen Zugbelastung
auftretende positiven Längsdehnung, die Kontraktionsnachgiebigkeit die dabei gleichzei-
tig auftretende negative Querdehnung.
Für die Festlegung zulässiger Spannungs- und Verzerrungsgrenzwerte können z. B. für
einen konkreten Scheibenbeanspruchungszustand die jeweiligen Maximalwerte berechnet
werden. Nach Abschn. 1.3.1 gelten folgende Transformationsformeln für die Schnittgrö-
ßen und die Verzerrungen (Abb. 2.13)

n011 D n11 cos2 ˛ C n22 sin2 ˛ C 2n12 sin ˛ cos ˛;


n022 D n11 sin2 ˛ C n22 cos2 ˛  2n12 sin ˛ cos ˛;
n012 D .n11  n22 / sin ˛ cos ˛  n12 .sin2 ˛  cos2 ˛/;

"011 D "11 cos2 ˛ C "22 sin2 ˛ C 12 sin ˛ cos ˛;


"022 D "11 sin2 ˛ C "22 cos2 ˛  12 sin ˛ cos ˛;
0 1
12 D  ."11  "22 / sin ˛ cos ˛  12 .sin2 ˛  cos2 ˛/
2

Für die Hauptrichtungen sind nach Abschn. 1.3.1 die Schubspannungen Null und die Nor-
malspannungen nehmen Extremwerte an. Die Bedingung n012 D 0 liefert die Hauptrich-
tungen
2n12 1 2n12
tan 2˛I D ; ˛I D arctan
n11  n22 2 n11  n22
mit den zugeordneten Extremwerten für die Normalkräfte
q
1 1
hI;II D .n11 C n22 / ˙ .n11  n22 /2 C 4n212
2 2
74 2 Scheiben

xi ; xi0 nij n0ij "ij "0ij

x1

x10
x20 x2

Abb. 2.13 Transformation der Schnittgrößen nij und der Verzerrungen "ij bei Drehung des Koor-
dinatensystems

Die maximalen Schubspannungen max erhält man aus dn012 =d˛ D 0 mit

2n12
cot 2˛ D
n11  n22

zu q
1 1
hmax D .n11  n22 /2 C 4n212 D h.I  II /
2 2
Man erkennt die Winkelbeziehung ˛extr D ˛ extr ˙=4. Analoge Gleichungen erhält man
für die Verzerrungen, wobei für isotropes Material die Hauptspannungsrichtungen und die
Hauptdehnungsrichtungen übereinstimmen.
Für die anschauliche Darstellung des Spannungszustandes in einer Scheibe verwen-
det man häufig ausgewählte Spannungskurven, z. B. Linien gleicher Hauptspannungen
(Isochromaten), Linien gleicher Hauptspannungsrichtungen (Isoklinen) und Linien, deren
Neigung den Hauptspannungsrichtungen entspricht (Trajektorien). Isolinien haben eine
besondere Bedeutung für die Spannungsanalyse in Scheiben mit optischen Methoden.
Für die rechnerische Beurteilung der Festigkeit einer Scheibe müssen Festigkeitshy-
pothesen herangezogen werden, da der Spannungszustand mehrachsig ist. Für ein homo-
genes und isotropes Festigkeitsverhalten können unter der Voraussetzung einer gleichför-
migen Spannungsverteilung im betrachteten Element einfache geschlossene Versagens-
hypothesen eingesetzt werden. Die Normalspannungshypothese geht davon aus, dass die
Hauptspannungen das Festigkeitsversagen verursachen (Sprödbruchversagen), die Schub-
spannungshypothese macht die maximale Schubspannung dafür verantwortlich (Fließ-
bruchversagen) und die Gestaltänderungshypothese geht davon aus, dass die Gestaltände-
rungsenergie die Festigkeit begrenzt. Als Vergleichsspannung V für den im einachsigen
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 75

Zugversuch ermittelten Materialgrenzwert G des Versagens gilt dann

V DMax.jI j; jII j/ (Normalspannungshypothese);


V D2max D Max.jI  II j; jI j; jII j/ (Schubspannungshypothese);
q
V D I2 C II
2
 I II (Gestaltänderungshypothese)

mit V  G . Ausführliche Hinweise auf allgemeine Festigkeitshypothesen findet man


z. B. bei Altenbach (1993) und Altenbach u. a. (1995).
Die Festigkeitsanalyse von Flächentragwerkselementen ist ein sehr komplexes Pro-
blem. So treten z. B. an Lasteinleitungsstellen oder an Kerben steile Spannungsgradienten
auf, die die statische oder dynamische Materialfestigkeit stark beeinflussen. Die Betriebs-
festigkeit eines Bauteiles wird nicht nur durch die Materialfestigkeit oder -steifigkeit,
sondern auch durch die konstruktive Gestaltung und die Art der Belastung beeinflusst.
Ihre reale Einschätzung erfordert umfangreiche Versuche.

2.1.7 Zusammenfassung der Grundgleichungen

Die Berechnung der Spannungen und der Verschiebungen in Scheibentragwerken erfolgt


mit Hilfe der Differentialgleichungen in den Verschiebungen oder in den Spannungen
bzw. der entsprechenden elastischen Gesamtpotentiale. Im allgemeinen sind dies par-
tielle Differentialgleichungen bzw. Variationsformulierungen für Funktionale mit zwei
unabhängigen Variablen. Nur für wenige Sonderfälle, wie z. B. rotationssymmetrische
Scheibenaufgaben, ist das Scheibenproblem von einer Variablen abhängig.
Viele praktische Anwendungsfälle betreffen Scheiben konstanter Dicke mit vorge-
gebenen Kraft-Randbedingungen und verschwindenden oder konstanten Massenkräften.
Die Scheibengleichung für die Airysche Spannungsfunktion ist dann eine Bipotential-
gleichung, für jeden Scheibenrand können zwei Randbedingungen vorgegeben werden.
Sind für einfach zusammenhängende Scheiben, d. h. Scheiben ohne innere Ausschnitte,
nur Randkräfte vorgegeben, ist die Scheibengleichung unabhängig von der Querdehnzahl

. Diese Aussage gilt auch für die Airysche Spannungsfunktion und somit für den Span-
nungszustand in der Scheibe. Von
unabhängige Spannungszustände erhält man für mehr-
fach zusammenhängende Scheibenbereiche nur dann, wenn alle geschlossenen Randkur-
ven durch Gleichgewichtssysteme von Kräften beansprucht werden. In allen anderen
Fällen, z. B. auch einfach zusammenhängende Scheibenprobleme mit vorgegebenen
Randverschiebungen oder Lastangriffen im Scheibeninneren, und für alle mehrfach
zusammenhängenden Scheibenprobleme, auf deren geschlossenen Einzelrändern nicht
Kräftegleichgewichtssysteme wirken, ist der Scheibenzustand von
abhängig. Von
un-
abhängige Spannungszustände können experimentell einfacher überprüft werden als die
allgemeinen, von
abhängigen Spannungszustände. Mit den in Abschn. 2.1 formulierten
Scheibengleichungen können alle homogenen und isotropen Scheibenprobleme mathe-
76 2 Scheiben

matisch modelliert und berechnet werden. Lösungen für ausgewählte Scheibenaufgaben


werden im folgenden Abschn. 2.2 kurz erläutert.

2.2 Beispiele

Die folgenden Anwendungen der Scheibentheorie für ausgewählte Beispiele haben die
Zielstellung, das Spannungs- und Verformungsverhalten von Flächentragwerkselementen
mit typischen Scheibenbeanspruchungen zu analysieren und damit z. B. auch die Grenzen
einer eindimensionalen Modellierung wandartiger oder gekrümmter Träger oder von Trä-
gern mit stark veränderlicher Höhe im Rahmen der Balkentheorie qualitativ und quantita-
tiv aufzuzeigen. Für die Scheibengleichung in kartesischen Koordinaten werden Grund-
spannungszustände und einfache Korrekturlösungen der Balkentheorie erläutert und
typische Modelle wandartiger Träger wie die Halbebene, der Scheibenstreifen und die
Rechteckscheibe betrachtet. In Polarkoordinaten existieren gleichfalls einige für die An-
wendung interessante Grundspannungszustände. Ferner haben rotationssymmetrische,
aber auch allgemeinere Beanspruchungszustände für Kreis- und Kreisringscheiben Be-
deutung für die Strukturanalyse von Flächentragwerken, was für ausgewählte Beispiele
erläutert wird. Einfache Beanspruchungszustände für Parallelogramm- und Trapezschei-
ben vervollständigen die Scheibenbeispiele. Abb. 2.14 zeigt einfache Strukturmodelle für
Scheibentragwerke.

2.2.1 Allgemeine Lösungsmethoden

In der Literatur zur Scheibentheorie wird im allgemeinen zwischen analytischen Lösungs-


methoden, Näherungsmethoden mit Funktionenansätzen für das Gesamtgebiet und nume-
rischen Lösungsmethoden unterschieden.
Zur ersten Gruppe gehören die Konstruktion von Scheibenlösungen aus bekannten
Lösungen der Bipotentialgleichung (semiinverse Methode), Reihenansätze auf der Basis
einer Separation der Variablen, Integraltransformationen und Lösungen mit Hilfe funk-
tionentheoretischer Methoden. Von dieser Gruppe werden bei den folgenden Beispielen
die semiinverse Methode, die Separationsmethode und die Fouriertransformation einge-
setzt. Ausführliche Darstellungen zur Anwendung funktionentheoretischer Methoden fin-
det man bei Sawin (1956); Babuška u. a. (1960) und Mußchelischwili (1971), allgemeinere
Integraltransformationen werden u. a. von Sneddon (1951) diskutiert.
Zur zweiten Gruppe zählen vor allem die direkten Variationsmethoden von Ritz
und von Kantorowitsch/Wlassow5 sowie die Methode der gewichteten Residuen, die
in Abhängigkeit von den gewählten Gewichtsfunktionen als Galerkin/Kantorowitsch-
Verfahren, als Fehlerquadratmethode oder als Kollokationsmethode bezeichnet werden

5
Wassilij Sacharowitsch Wlassow 1906–1958.
2.2 Beispiele 77

Abb. 2.14 Einfache Modelle für Scheibentragwerke. a Halbebene, Halbstreifen, Vollstreifen,


Rechteckscheibe, b keilförmige Scheibe, stark gekrümmter Träger, Kreis- und Kreisringscheibe,
c Parallelogrammscheibe, Trapezscheibe

kann. Von dieser Gruppe wird die Anwendung der direkten Variationsmethoden und das
Galerkin/Kantorowitsch-Verfahren erläutert.
Für die Lösung komplexer Scheibenaufgaben werden heute vorrangig rein numerische
Verfahren eingesetzt. Dazu zählen die Finite-Elemente-Methode, die Randelementeme-
thode und das Differenzenverfahren, für die jeweils leistungsfähige Computerprogramme
existieren. In Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung haben diese Verfahren
ihre bevorzugten Anwendungsbereiche. Besonders leistungsfähige und universelle Ana-
lyseprogramme existieren für die FEM, so dass die Anwendung der FEM in der Inge-
nieurpraxis dominiert. Auf numerische Verfahren wird im folgenden nicht eingegangen.
Die hier getroffene Auswahl der Lösungsmethoden erfolgte unter der Zielstellung, ein
Grundverständnis für das Strukturverhalten von Scheibentragwerken und ihrer Tragwerks-
elemente zu gewinnen, die Fähigkeit zur Modellfindung auszubilden und gleichzeitig auch
Referenzlösungen zur Testung von Computerprogrammen bereitzustellen.
Unabhängig von den gewählten Koordinaten .x1 ; x2 /; .r; '/; .; / gilt für die Scheiben
konstanter Dicke h und konstanter Massenkräfte die Scheibengleichung ˚ D 0, wobei
der -Operator in den jeweiligen Koordinaten definiert ist. Treten keine Massenkräfte
auf, erhält man die Airysche Spannungsfunktion in den kartesischen Koordinaten aus Gl.
78 2 Scheiben

(2.15) zu
n11 D ˚;22 ; n22 D ˚;11 ; n12 D ˚;12
In den Polarkoordinaten folgt nach Gl. (2.43)
 
1 1 @ 1
nrr D ˚;r C 2 ˚;' ' ; n' ' D ˚;rr ; nr' D ˚;'
r r @r r

und für schiefwinklige Koordinaten nach Gl. (2.60)

n  D ˚; ; n D ˚;  ; n D ˚;

Jeder Lösung der Gleichung