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Johannes Altenbach
Konstantin Naumenko
Ebene
Flächentragwerke
Grundlagen der Modellierung
und Berechnung von Scheiben und Platten
2. Auflage
Ebene Flächentragwerke
Holm Altenbach Johannes Altenbach
Konstantin Naumenko
Ebene Flächentragwerke
Grundlagen der Modellierung und
Berechnung von Scheiben und Platten
2. Auflage
Holm Altenbach Konstantin Naumenko
Institut für Mechanik, Institut für Mechanik,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Magdeburg, Deutschland Magdeburg, Deutschland
Johannes Altenbach
Magdeburg, Deutschland
Springer Vieweg
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus-
drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das
gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein-
speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-
rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in
diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch
die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des
Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Nach dem Erscheinen der ersten Auflage sind mittlerweile 18 Jahre vergangen, und da-
mit tritt die Frage nach den Gründen für eine Neuauflage auf. Ausgangspunkt war die
Tatsache, dass die erste Auflage nur noch beschränkt zur Verfügung stand und auch der
Nachdruck als Softcovervariante die Autoren nicht befriedigt hat. Hinzu kam das verän-
derte Leseverhalten durch die neuen Medien. Dem wollten die Autoren mit der Neuauflage
Rechnung tragen.
Bei der Entwicklung und Ausarbeitung der ersten Auflage war nicht klar, auf wel-
che Resonanz das Buch stoßen würde. Mittlerweile hat sich das Lehrbuch gut etabliert.
Dies haben die Autoren u.a. durch Korrekturhinweise von Kollegen und Promoven-
den/Studenten erfahren. Wir hoffen, dass sich in der zweiten Auflage die Fehleranzahl
verringert hat.
Das Buch enthält ein neues Kapitel, in dem knapp ein alternatives Formulierungskon-
zept für eine Plattentheorie beschrieben wird – die sogenannte direkte Methode. Dieses
Konzept geht nicht von der Reduktion der dreidimensionalen Feldgleichungen aus. A
priori wird eine deformierbare ebene Fläche eingeführt, und zweidimensionale Feldglei-
chungen werden in Analogie zur dreidimensionalen Kontinuumstheorie formuliert. Dieser
elegante Weg hat natürlich auch seinen Preis – die Spezifizierung der Konstitutivgleichun-
gen ist nicht trivial. Aufgaben aus unserem Forschungsumfeld haben jedoch gezeigt, dass
dieses alternative Konzept durchaus Berechtigung hat. Das Kap. 8 unterscheidet sich im
Schwierigkeitsgrad bezüglich der Ingenieurausbildung sehr von den übrigen Kapiteln. Da-
mit wollen die Autoren neue Denkanstöße für neue Lösungsmethoden geben, die in den
letzten Jahren an Bedeutung zugenommen haben.
Bei der Gestaltung des Literaturverzeichnisses haben die Autoren beachtet, dass in
den Jahren seit der ersten Auflage nicht viel hinzugekommen ist. Gleichzeitig sollte der
Schwerpunkt bei klassischen Monographien, Lehrbüchern und Aufsätzen bleiben. Hinzu-
gekommen sind ausgewählte aktuelle Publikationen, deren Studium weiterführende Über-
legungen unterstützen und abrunden. Bei der Literaturzusammenstellung erhielten wir
Unterstützung durch Natalija Altenbach.
V
VI Vorwort
Auf die Endfassung des Buches nahm Manuela Schildt besonderen Einfluss, da sie die
abschließende Korrektur gelesen hat. Besonderer Dank sprechen wir dem Springer-Verlag
aus. Birgit Kollmar-Thoni und Eva Hestermann-Beyerle haben viel Verständnis auch für
eine Reihe besonderer Wünsche der Autoren aufgebracht. Daneben gebührt Dank unserer
Magdeburger Arbeitsgruppe, die einzelne Aufgaben kontrollierten.
Das vorliegende Lehrbuch ist das Ergebnis der fast 40jährigen Forschungs- und Lehrtätig-
keit des ersten Autors sowie der fast 20jährigen bzw. 10jährigen Forschungsarbeiten der
beiden anderen Autoren auf dem Gebiet der „Ebenen Flächentragwerke“. Ausgangspunkt
der Arbeit an diesem Buch war die Erkenntnis, dass seit vielen Jahren kein eigenständiges
Lehrbuch zu dieser Problematik in deutscher Sprache erschienen ist. Die daraus resul-
tierende Notwendigkeit, den Studenten des Bauingenieurwesens und des Maschinenbaus
sowie anderer Fachrichtungen ein aktuelles Lehrbuch zur Verfügung zu stellen, wurde
von vielen Fachkollegen bestätigt. Aber auch für Hochschullehrer, die dieses Gebiet in
der Lehre vertreten, Nachwuchswissenschaftler, die sich mit entsprechenden Fragestel-
lungen auseinandersetzen müssen, sowie in der Praxis tätige Ingenieure soll das Buch
eine Unterstützung sein.
Das Buch folgt in seinem Aufbau den traditionellen Konzepten der Entwicklung von
mechanischen und mathematischen Modellen für ebene Flächentragwerke. Ausgehend
vom Verständnis der klassischen Theorie lassen sich nach Auffassung der Autoren mo-
derne Trends, die u.a. mit der Einführung sogenannter Direktor-Kontinua verbunden sind,
besser bewerten, da die „Schwächen“ der klassischen Theorie, z.B. bei der Formulierung
der Randbedingungen, erkennbar sind.
Die klassische Theorie ebener Flächentragwerke ist zu großen Teilen im letzten Jahr-
hundert abgeschlossen worden. Darüber hinausgehende Entwicklungen wurden vor allem
unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutung für die heutige Strukturmechanik in das Buch
aufgenommen. Diese Beschränkung hat zwei Ursachen. Erstens wurden ausschließlich
Erweiterungen aufgenommen, die mit den methodischen Formulierungsschritten der klas-
sischen Theorie übereinstimmen. Dazu zählen Erweiterungen des Stoffgesetzes (klassisch
– isotrop, Erweiterung – anisotrop), Erweiterungen der Kinematik (klassisch – schubstarr,
Erweiterung – schubelastisch), die Kopplung des Scheiben- und Plattenzustandes, welche
insbesondere für Flächentragwerke mit unsymmetrischen Querschnittsaufbau (z.B. Lami-
natplatten) notwendig ist, sowie eine erste Einbeziehung der geometrischen Nichtlinearität
(Berücksichtigung großer Durchbiegungen) und der Temperatur. Die zweite Ursache der
Beschränkung war der vorgegebene Buchumfang. Ungeachtet der Tatsache, dass der ur-
VII
VIII Vorwort zur 1. Auflage
Besonderer Dank sei abschließend unseren Kollegen W.B. Krätzig (Ruhr-Universität Bo-
chum) und H.A. Mang (TU Wien) ausgedrückt. Der Erstgenannte hat von Beginn an das
Projekt unterstützt und gleichzeitig für die Vermeidung von ungewünschten Doppelun-
gen mit den gleichfalls beim Springer-Verlag erschienen, eigenen Büchern Tragwerke 1-3
gesorgt. Der Zweitgenannte stellte kurzfristig sein eigenes Manuskript zu diesem Thema
bereit, so dass auch hier ein Abgleich erfolgen konnte.
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.3.1 Koordinatensystem, Verschiebungen, Spannungen . . . . . . . 17
1.3.2 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1.3.3 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.3.4 Konstitutive Gleichungen, Werkstoffgesetz . . . . . . . . . . . 29
1.3.5 Randwert- und Anfangs-Randwertaufgaben
der linearen Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . ....... 31
1.3.6 Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie . . . . . . ....... 35
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... 40
2 Scheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben . . . . 42
2.1.1 Scheibengleichung in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . 45
2.1.1.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.1.4 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.1.2 Vektor-Matrix-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.1.3 Energieformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.1.4 Scheibengleichung in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 59
2.1.4.1 Kinematische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.1.4.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 62
2.1.4.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.1.5 Scheibengleichung in schiefwinkligen Koordinaten . . . . . . 66
2.1.5.1 Kinematischen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . 67
2.1.5.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 69
2.1.5.3 Konstitutive Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 71
XI
XII Inhaltsverzeichnis
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Einführung
1
Die Modellierung und Berechnung ebener Flächentragwerke ist ein Teilgebiet der me-
chanischen Strukturanalyse allgemeiner Tragwerke. Die Tragwerkselemente Scheibe und
Platte können für sich allein Tragwerksfunktionen übernehmen, oder sie sind Strukturele-
mente allgemeiner Scheiben-Platten-Konstruktionen, die in vielen technischen Bereichen
eingesetzt werden.
Die Strukturanalyse von Flächentragwerken setzt solide Kenntnisse über die Modell-
bildung, die Modellqualität und den Berechnungsaufwand voraus. Das einführende Ka-
pitel erläutert die Aufgabenstellungen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden.
Ausgangspunkt ist eine Klassifizierung der Tragwerke und ihrer Elemente sowie die Er-
läuterung der dafür erforderlichen Annahmen. An einfachen und anschaulichen Beispielen
werden typische Fragestellungen erläutert, die im Rahmen einer Berechnung von Flächen-
tragwerken beantwortet werden können. Es folgt eine erste Beschreibung der Scheiben-
und Plattenmodelle, die nachfolgend ausführlich abgeleitet und berechnet werden. Damit
ist auch die Zielstellung des vorliegenden Buches genauer umrissen.
Das einführende Kapitel enthält in kurzer Form eine Zusammenstellung ausgewählter
Gleichungen der Elastizitätstheorie, die für die Ableitung der Scheiben- und Plattenglei-
chungen benötigt werden. Das dabei erkennbare Ordnungsprinzip
wird in allen Kapiteln beibehalten. Durch Elimination aller Kraftgrößen oder aller Ver-
schiebungsgrößen können dann die Randwert- oder Anfangs-Randwert-Probleme für die
unterschiedlichen Scheiben- und Plattenaufgaben formuliert werden.
1.1 Aufgabenstellung
Grundlage für eine Klassifizierung von Tragwerken ist meist eine Klassifizierung ihrer
Tragwerkselemente. Unabhängig von den speziellen Aufgaben, die ein Tragwerk erfüllen
soll, unterscheidet man zwischen Stab- und Flächentragwerken. Ausgangspunkt für eine
solche Unterscheidung ist allein die geometrische Form der Tragwerkselemente. Natürlich
gibt es auch viele gemischte Tragwerke, die sowohl stabförmige als auch flächenhafte
Elemente enthalten.
Tragwerke gibt es in vielen Bereichen unserer technischen Umwelt, sie erfüllen aber
ganz unterschiedliche Aufgaben. Eine Brücke hat eine andere Funktion als ein Wohn-
haus oder eine Lagerhalle, eine Chemieanlage wiederum eine andere als ein Baukran, ein
Frachtschiff eine andere als ein Passagierflugzeug. Die wenigen Beispiele verdeutlichen,
dass nicht nur im Bauwesen, sondern auch im Maschinenbau, in der Verfahrenstechnik, im
Schiffbau, im Flugzeugbau usw. Tragwerke entworfen, berechnet und gefertigt werden.
Unabhängig von den speziellen Aufgaben gilt für alle Tragwerke die Forderung, dass
äußere Einwirkungen, z. B. durch statische Lasten, durch erzwungene Schwingungen,
durch Temperaturänderungen u. a. m. aufgenommen, weitergeleitet und abgegeben wer-
den können, ohne dass ein Tragwerk versagt und die spezifischen Tragwerksfunktionen
damit verlorengehen. Die Prüfung dieses Sachverhaltes ist Aufgabenstellung für die me-
chanische Strukturanalyse von Tragwerken. Berechnet werden die Spannungen und Ver-
formungen für alle tragenden Strukturelemente, ihr Schwingungs- und Stabilitätsverhalten
sowie Schwingungen, Stabilität und Standsicherheit für die Gesamtkonstruktion. Dies ist
die Grundlage für die Entscheidung, ob die Festigkeit, die Steifigkeit und die Stabilität
aller Strukturelemente und der Gesamtstruktur ausreichen, um die geforderte Tragwerks-
funktion zu gewährleisten.
Trotz der heute gegebenen Möglichkeiten einer computergestützten Strukturanalyse
sind vereinfachende Annahmen zu vereinbaren, d. h., das reale Tragwerk ist auf ein Mo-
delltragwerk abzubilden. Die Modellbildung muss sichern, dass die Strukturanalyse für
das Modelltragwerk das Verhalten des realen Tragwerkes im wesentlichen richtig wider-
spiegelt und auch eine Beurteilung der Sicherheit des realen Tragwerkes gegen Versagen
möglich ist.
Die vereinfachenden Annahmen betreffen vor allem die Geometrie der Tragwerksele-
mente, ihre Kopplungen innerhalb der Gesamtstruktur sowie die Werkstoffeigenschaften
der Elemente. Es ist durch langjährige Erfahrungen und zahlreiche experimentelle Unter-
suchungen bestätigt, dass für kleine Verzerrungen und Verschiebungen unabhängig vom
speziellen Werkstoff, z. B. metallische Werkstoffe, Faserverbundwerkstoffe, Beton usw.,
die Spannungs-Verzerrungs-Gleichungenen einen linearen Anfangsbereich haben. Für die
Strukturanalyse von Modelltragwerken kann daher in vielen Fällen mit guter Näherung
das verallgemeinerte Hookesche1 Gesetz für das Werkstoffverhalten angenommen wer-
den. Dies wird auch im folgenden vorausgesetzt. Das Hookesche Gesetz ist eine lineare
1
Robert Hooke 1635–1702.
1.1 Aufgabenstellung 3
Material- bzw. Konstitutivgleichung. Man spricht daher auch von physikalischer Lineari-
tät des Tragwerkes.
Die zweite wesentliche Vereinfachung betrifft die Geometrie. Generell betrachtet, sind
alle realen Tragwerkselemente geometrisch dreidimensionale Körper. Im Rahmen der
Strukturanalyse ist es möglich und methodisch sinnvoll, Tragwerkselemente nach ihrer
räumlichen Ausdehnung zu klassifizieren:
h; b l
d
h
b
4 1 Einführung
a b
z h
x h
y x
y z
ly
ly
lx lx
h lx ; ly h lx ; ly
metrisch durch die Geometrie der Mittelfläche und die Angabe der Elementdicke be-
schrieben werden. Man unterscheidet Flächentragwerkselemente mit ebener oder ge-
krümmter Mittelfläche.
Ist die Mittelfläche eben, bezeichnet man das Element als Scheibe oder als Platte.
Bei einer Scheibe wirken alle äußeren Beanspruchungen nur in der Mittelfläche. Die
Mittelfläche wird dabei verzerrt, Biegewirkungen treten nicht auf. Bei einer Platte tre-
ten immer Biegeverformungen auf. Die äußeren Kräfte wirken vorrangig rechtwinklig
zur Mittelfläche. Im einfachsten Fall einer Tragwerkstheorie erster Ordnung können
die Scheiben- und die Plattenwirkungen unabhängig voneinander berechnet werden.
Es gibt aber auch zahlreiche Anwendungen, für die eine solche Entkopplung nicht
möglich ist. Die Modellierung und Berechnung ebener Flächentragwerkselemente ist
Gegenstand des vorliegenden Buches. Solche Elemente können z. B. als wandartige
Träger oder als Brückenplatte allein eine Tragwerksfunktion erfüllen. Durch Kopplung
mehrerer Flächentragwerkselemente entstehen Faltwerks- oder räumliche Plattenkon-
struktionen. In den nachfolgenden Kapiteln werden die für technische Anwendungen
bedeutsamen Scheiben- und Plattenmodelle analysiert, d. h., es wird der Spannungs-
und der Formänderungszustand, das Stabilitätsverhalten sowie das dynamische Ver-
halten unter Gebrauchslasten für unterschiedliche Modellierungen berechnet. Auf die
Problematik der Faltwerke wird jedoch nicht weiter eingegangen. Weiterführende Hin-
weise kann man der Literatur, z. B. Girkmann (1986); Wlassow (1958), entnehmen.
Die Mittelfläche von Flächentragwerkselementen kann auch einfach oder doppelt ge-
krümmt sein. Durch eine solche Krümmung, sowie durch eine geeignete Geometrie
und Lagerung der Ränder, kann die Tragqualität flächenhafter Strukturen wesentlich
beeinflusst werden. Schalen und Schalenkonstruktionen werden im weiteren jedoch
nicht betrachtet. Eine ausführliche Ableitung der Schalenmodelle findet man z. B. in
Başar und Krätzig (1985); Flügge (1981); Wlassow (1958).
1.1 Aufgabenstellung 5
ly
lx
3. Dreidimensionale Strukturelemente
a b
x nx x
y qx mxy
y z
ny
nxy mx myx
my
nyx
qy
Für die Beurteilung der Tragqualität eines Flächentragwerks müssen die Schnittgrößen be-
rechnet werden. Für Scheibenelemente sind das die in der Mittelfläche wirkenden Längs-
und Schubkräfte, für Plattenelemente Biegemomente, Torsionsmomente und Querkräfte.
Abb. 1.4 zeigt dies beispielhaft für eine Rechteckscheibe und eine Rechteckplatte. Ty-
pische Unterschiede im Tragverhalten eines Balkens mit Rechteckquerschnitt und eines
wandartigen Trägers, d. h. eines Scheibentragwerks, zeigt Abb. 1.5.
Das unterschiedliche Verhalten einer Scheibe, einer Platte und einer stabförmigen
Schale bei der Übertragung eines Biegemomentes ist qualitativ in Abb. 1.6 dargestellt.
Für die Scheibe (Abb. 1.6a) erhält man wegen des relativ großen Hebelarmes des inneren
resultierenden Kräftepaares kleine Biegenormalspannungen, die nichtlinear über die Hö-
he verlaufen. Ein wandartiger Träger ist daher sehr biegesteif. Für die Platte (Abb. 1.6b)
hat das resultierende Kräftepaar der inneren Kräfte einen sehr kleinen Hebelarm, so dass
zur Herstellung des Momentengleichgewichts große Biegenormalspannungen notwendig
sind. Eine Platte ist im Vergleich zum wandartigen Träger sehr biegeweich.
Bei der Schale (Abb. 1.6c) ist die Mittelfläche einfach gekrümmt. Dies hat eine große
Auswirkung auf die Übertragung einer Biegebelastung. Es kommt zu einer Überlagerung
von Scheiben- und Plattenschnittgrößen. Die Belastung wird in erster Linie wie bei ei-
nem dünnwandigen Balkenquerschnitt durch gleichmäßig über die Schalendicke h und
linear über den Gesamtquerschnitt verteilte Normalspannungen (die sog. Membranspan-
nungen) übertragen und nur ein kleiner Anteil durch Biegung der Schalenmittelfläche.
1.1 Aufgabenstellung 7
Resultierende
a Tragwerkselement Schnittgrößen Normalspannungs-
Geometrie und Belastung Biegemoment und verteilung im Schnitt A
A Querbelastung
M
h x x
A Q
z l z
b
A
Abb. 1.5 Qualitativer Verlauf der Normalspannungen im Schnitt A. a Balken (h= l 1),
b wandartiger Träger .h= l 1/
a b c
x x
z y y z
x
y z
l l l
h l
h l
h l
y
z
Abb. 1.6 Qualitativer Verlauf der Normalspannungen bei einer Biegebeanspruchung. a Großer
Hebelarm der inneren Kräfte für das Schnittmoment ergibt bei der Scheibe kleine Spannungen,
b Kleiner Hebelarm der inneren Kräfte für das Schnittmoment ergibt bei der Platte große Span-
nungen, c Schnittmoment wird bei der Schale primär durch den Gesamtquerschnitt (überwiegend
gleichmäßige Verteilung der Normalspannungen über die Schalendicke) übertragen
8 1 Einführung
Eine Schale entwickelt dann ihre besonderen Vorzüge der Tragqualität, wenn die auf-
tretenden Belastungen vorrangig durch Membranschnittgrößen abgegeben werden. Bei
gleicher Wanddicke h haben Platte und Schale das gleiche auf die Einheit der Schnittlän-
ge bezogene Trägheitsmoment h3 =12. Das größere Tragvermögen der Schale folgt somit
allein aus der räumlichen Verteilung von „Dehnspannungen“, d. h. der über h konstanten
Normalspannungen.
Die wesentliche Zielstellung der vorliegenden Einführung in die Theorie ebener Flä-
chentragwerke ist die Ableitung von Modellgleichungen und die Berechnung von Schei-
ben und Platten sowie einfacher Scheiben-Platten-Konstruktionen. Es geht um die Her-
ausarbeitung des qualitativen Tragverhaltens ebener Flächenelemente, um eine genauere
Abschätzung der Gültigkeitsgrenzen vereinfachter Modellgleichungen, z. B. der techni-
schen Balkenbiegungslehre, zu ermöglichen. Ferner gibt es typische Aufgabenstellungen,
deren Analyse mit eindimensionalen Tragwerkselementen nicht möglich ist. Beispielhaft
seien zwei Aufgabenstellungen genannt:
Von grundlegender Bedeutung für die Ableitung von Tragwerksmodellen für Scheiben
und Platten ist das Prinzip von de Saint-Venant2 . Ohne die Anerkennung dieses Prinzips
wäre in vielen Fällen eine effiziente Berechnung der Spannungen und der Verformungen
für Tragwerkselemente oder Tragwerke nicht möglich. Dieses Prinzip besagt folgendes:
2
Adhémar Jean-Claude Barré de Saint-Venant 1797–1886.
1.1 Aufgabenstellung 9
Betrachtet man z. B. die in Abb. 1.9a dargestellte Scheibe, treten nur in dem schraf-
fierten Bereich Spannungen und Formänderungen auf. Man kann das Prinzip von de
Saint-Venant auch in folgender Form angeben:
In einer hinreichenden Entfernung von einer lokalen Lasteintragung ist nicht mehr die spezi-
elle Art der Lasteintragung, sondern nur ihre statisch resultierende Wirkung maßgebend.
a
h
1=2F
F a
a
1=2F
b
M M F F
Š a
Abb. 1.9 Prinzip von de Saint-Venant. a Abklingen eines Gleichgewichtssystems von Kräften in-
nerhalb des schraffierten Bereichs, b Unterschiedliche Eintragung statisch äquivalenter Momente
M F a führt im unschraffierten Bereich zu gleicher Wirkung
10 1 Einführung
a b
F
F N D
bh
N
N
b=4
b=4 N
b=2
F F
N D
bh
Abb. 1.10 Quantifizierung des Prinzipes von de Saint-Venant: a Abklingverhalten der Spannungs-
konzentration als Folge der konzentrierten Lasteintragung, b gleichmäßige Spannungsverteilung
D F=bh in allen Schnitten
Dieser Sachverhalt ist auf Abb. 1.9b qualitativ dargestellt. Es ist für eine korrekte
Modellierung natürlich wünschenswert, den Begriff „hinreichende Entfernung“ zu quan-
tifizieren. Abb. 1.10 zeigt, wie dies z. B. bei ausgewählten Scheibenaufgaben rechnerisch
überprüft werden kann. Verallgemeinernd verwendet man für Ingenieurberechnungen die
Aussage, dass das Prinzip von de Saint-Venant in einem Abstand vom Lastangriffspunkt,
der die Abmessungen des Lastangriffsbereiches hat, mit ausreichender Genauigkeit ange-
wendet werden kann.
Für alle nachfolgenden Kapitel sollen einige Definitionen zur Tragwerkstheorie und zu
den Scheiben- und Plattenmodellen formuliert werden. Wir werden im Rahmen dieses
Buches die Begriffe Theorie 1. Ordnung, Theorie 2. Ordnung und Theorie 3. Ordnung
verwenden. Diese Tragwerkstheorien der Baustatik werden nachfolgend definiert.
Die Voraussetzungen der Theorie 1. Ordnung haben große Bedeutung für die me-
chanische Strukturanalyse. Die Modelldifferentialgleichungen sind linear, es gibt eine
lineare Beziehung zwischen allen Belastungsursachen und -wirkungen, und es gilt un-
eingeschränkt das Superpositionsprinzip für alle Kraft- und Verformungszustände. Daher
entkoppeln sich auch die Scheiben- und die Plattengleichungen. Dies gilt für die Sta-
tik und die Dynamik ebener Flächentragwerke und bei entsprechender Vereinfachung der
Wärmeleitungsgleichungen auch für nichtisotherme Aufgabenstellungen. Eine Ausnahme
bilden Laminat- und Sandwichtragwerke, bei denen bei allgemeinem Querschnittsaufbau
(unsymmetrische Querschnittsgeometrie und/oder Werkstoffeigenschaften bezüglich der
Tragwerksmittelfläche) eine Entkopplung nicht mehr möglich ist. Die Voraussetzungen
der Tragwerkstheorie 1. Ordnung gelten für den überwiegenden Teil der hier behandelten
Aufgabenstellungen.
Die Theorie 2. Ordnung hat große Bedeutung für die Berechnung der Beulwerte für
ebene Flächenelemente, für eine näherungsweise Berechnung von Platten mit Vorverfor-
mungen und für Platten mit zusätzlichen Belastungen in der Mittelfläche, u. a. auch durch
Vorspannungen.
Die Theorie 3. Ordnung wird für die Berechnung großer Durchbiegung und die Ana-
lyse von Stabilitätsproblemen im überkritischen Bereich eingesetzt. In Erweiterung der
3
Theodor von Kármán 1881–1963.
12 1 Einführung
hier angegebenen Definition wird der Begriff Theorie 3. Ordnung auch auf Aufgaben mit
großen Verschiebungen und Verzerrungen verwendet.
Die gewählten Definitionen der Tragwerkstheorien 1. bis 3. Ordnung unterscheiden
sich nur in den geometrischen Hypothesen, das Materialverhalten wird in allen drei Fällen
näherungsweise durch das lineare verallgemeinerte Hookesche Gesetz erfasst. Natürlich
können auch allgemeinere Materialgesetze formuliert werden. Besonderes Interesse für
die Analyse von Flächentragwerken verdient die Erfassung von Kriechprozessen und der
damit verbundenen Materialschädigungen sowie die Einbeziehung elastisch-plastischen
Materialverhaltens. Auf diese Fragestellungen und die damit verbundenen Konsequenzen
wird im Rahmen dieses Buches nur kurz eingegangen.
Eine zentrale Aufgabe der Ingenieurmechanik ist die Ableitung und Begründung von
Tragwerksmodellen, die für reale Konstruktionen die qualitativen und die quantitativen
Faktoren, die für die Bewertung eines Tragwerkes unter Belastungen wesentlich sind,
möglichst gut erfassen. Ein wichtiger Aspekt der Modellbildung ist die Klassifizierung
der Tragwerke und ihrer Elemente nach den geometrischen Abmessungen in Linien- und
Flächentragwerke nach Abschn. 1.1. Auch die Einordnung einer Tragwerksberechnung in
eine Tragwerkstheorie 1., 2. oder 3. Ordnung ist Bestandteil der Modellbildung.
Für die im weiteren betrachteten ebenen Flächentragwerkselemente sind zusätzli-
che Modellannahmen erforderlich, um die Modellgleichungen mathematisch nicht ohne
Grund zu verkomplizieren und damit den Lösungsaufwand zu erschweren. Die Modell-
annahmen betreffen z. B. die Präzisierung des zulässigen Verhältnisses der Dicke zu den
anderen Abmessungen, die relative Größe der Verformungen im Verhältnis zur Dicke,
die Rotation einer Normalen des unverformten Referenzzustandes, aber auch die Ver-
nachlässigung einzelner Spannungskomponenten, wenn sie im Vergleich zu den anderen
Komponenten klein sind.
Für die Scheibentheorie ist die Modellbildung recht einfach. Es wird nur vorausge-
setzt, dass sich in Abhängigkeit von der Scheibendicke und der Belastung in der Scheibe
mit guter Näherung ein ebener Spannungs- oder ein ebener Verzerrungszustand einstel-
len kann. In beiden Fällen sind alle Spannungs- und Verformungsgrößen nur Funktio-
nen der Koordinaten der Mittelfläche und in Dickenrichtung konstant. Bei einem ebenen
Spannungszustand können die in der Mittelfläche wirkenden Schnittgrößen nx ; ny ; nxy (s.
Abb. 1.4) von Null verschiedene Werte annehmen. In Dickenrichtung treten in Folge der
Querkontraktion Dehnungen auf. Bei einem ebenen Verzerrungszustand sind nur die Ver-
zerrungen x ; y ; xy der Mittelfläche von Null verschieden. Daher gibt es keine Dehnung
in Dickenrichtung. Durch die Verhinderung dieser Dehnungen gibt es Normalspannungen
in Dickenrichtung, die allerdings nicht unabhängig sind, sondern durch die Normalspan-
nungen in der Mittelfläche ausgedrückt werden können. Die allgemeinen Spannungs- und
Verformungsbeziehungen des ebenen Spannungs- und des ebenen Verzerrungszustandes
werden in Abschn. 1.3 angegeben.
Für die Plattentheorie gibt es verschiedene Modellbildungen, die für die Anwendung in
der Strukturanalyse von Flächentragwerken Bedeutung haben. Man kann diese Modelle
wie folgt klassifizieren:
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle 13
1. Membrane
Eine Membran ist der Grenzfall einer sehr dünnen Platte, bei der die Biegesteifigkeit
vernachlässigt wird. Die Modellgleichungen sind nichtlinear, die großen Durchbie-
gungen sind mit den Gleichungen für die Verschiebungen in der Mittelfläche gekop-
pelt. Das Membranmodell liefert nur Normalspannungen in der Mittelfläche und keine
Schubspannungen. Dünne Platten, für die das Verhältnis von Durchbiegung zu Dicke
w= h 5 ist, können mit guter Näherung als Membran modelliert werden.
2. Dünne Platten mit großen Durchbiegungen
Für dieses Plattenmodell ist die Scheiben- und die Plattensteifigkeit zu berücksichti-
gen. Die Modellgleichungen sind nichtlinear, und der Scheiben- und der Plattenzu-
stand sind gekoppelt. Es gibt Normal- und Schubspannungen. Die Modellgleichungen
für dünne Platten großer Durchbiegung sind erstmalig durch von Kármán abgeleitet
worden. Diese von Kármán-Plattengleichungen gelten mit guter Näherung für Platten,
deren Durchbiegungen im Bereich 0;2 < w= h < 5 liegen.
3. Dünne Platten mit kleinen Durchbiegungen – Schubstarres Plattenmodell
Für dünne Platten mit kleinen Durchbiegungen können die Modellgleichungen stark
vereinfacht werden. Wegen der Kleinheit der Durchbiegungen sind die Gleichungen
geometrisch linear, Scheiben- und Plattenaufgabe können getrennt gelöst werden. Für
dieses Plattenmodell wird näherungsweise angenommen, dass die Dehnungen und die
Gleitungen in Dickenrichtung so klein sind, dass sie vernachlässigt werden können.
Das Plattenmodell ist somit in Dickenrichtung dehn- und schubstarr. Diese Annah-
men haben zur Folge, dass eine Normale zur unverformten Plattenmittelfläche auch
nach der Verformung Normale der Mittelfläche ist. Dieses Plattenmodell wird häu-
fig als Kirchhoff4 -Modell bezeichnet. Der Anwendungsbereich wird im allgemeinen
auf Durchbiegungen w= h < 0;2 beschränkt. Auch sollte das Verhältnis von Dicke h
zur kleineren Grundrissabmessung den Wert 0;1 nicht überschreiten .h=Min.lx ; ly / <
0;1/. Eine analytische Lösung ist für einfache Geometrie und Lagerung möglich, in all-
gemeineren Fällen werden Näherungsverfahren für die Modellberechnung eingesetzt.
4. Platten mittlerer Dicke – Schubelastisches Plattenmodell
Für Platten mittlerer Dicke, für die ein Wert h=Min.lx ; ly / < 0;2 als Grenze ange-
geben werden kann und insbesondere auch für Laminat- und Sandwichplatten, die
viel schubweicher als isotrope Platten sind, liefert das schubstarre Plattenmodell oft
unzureichende Ergebnisse. Es kann aber in einer ersten Näherung durch die Einbezie-
hung der Schubverformungen auf die Plattenbeanspruchungen verbessert werden. Um
die Modellgleichungen möglichst einfach zu lassen, wird die Schubverzerrung nur im
Mittel, d. h. unter Annahme einer konstanten Verteilung über die Plattendicke, erfasst.
Durch zusätzliche Schubkorrekturfaktoren werden die Modellergebnisse verbessert.
Das schubelastische Plattenmodell ist eng mit den Namen E. Reissner5 und Mindlin6
4
Gustav Kirchhoff 1824–1887.
5
Eric Reissner 1913–1996.
6
Raymond David Mindlin 1906–1987.
14 1 Einführung
"z .nx C ny /
hE
xz yz 0 x; y
h
xy D yx
b
ebener Verzerrungszustand
"z xz yz 0
nx ; ny ; nxy D nyx ¤ 0
z D .nx C ny /
h
"x ; "y ; "z xy D yx ¤ 0
Auf den Abb. 1.11, 1.12 und 1.13 sind die unterschiedlichen Scheiben- und Plattenmodel-
le noch einmal übersichtlich zusammengefasst. In Vorgriff auf die späteren Ableitungen
wurden zur Illustration auch die Spannungsverteilungen über die Dicke der Flächenele-
mente dargestellt. Die zur Abgrenzung der Plattenmodelle angegebenen Werte für w= h
und h=Min.lx ; ly / sind nur Richtwerte, da die Art der Belastungen und der Lagerun-
gen diese Grenzen beeinflusst. In den nachfolgenden Kapiteln werden ausführlich die
beiden Scheibenmodelle und das schubstarre Plattenmodell diskutiert. Durch zahlreiche
1.2 Tragwerkstheorien und Berechnungsmodelle 15
x
y z
ly h
lx
a
Spannungsverteilung
kinematische Hypothesen
n
x y xy xz yz
"z 0
Normalspannungen x y
und Schubspannung xy
xz yz 0 n linear über h;
xz yz parabolisch über h
b
Spannungsverteilung
kinematische Hypothesen
x y xy xz yz
"z 0 ¤n Normalspannungen x y
und Schubspannung xy
linear über h;
xz yz konst ' ¤ 90ı xz yz konstant über h
Abb. 1.12 Plattenmodelle für kleine Durchbiegungen. a kinematische Hypothesen und Spannungs-
verteilungen über h für schubstarre Platten, b kinematische Hypothesen und Spannungsverteilungen
über h für schubelastische Platten
16 1 Einführung
y z
ly h
lx
Annahmen Spannungsverteilung
h min.lx ; ly /;
w= h 0;5 (Zugspannungen)
0 h x y
xy xz yz z
Annahmen
b
schubstarr
Spannungsverteilung
"z xz yz 0
schubelastisch
h
"z 0
xz yz konst
x y xy
schubstarres
h Modell
xz yz
schubelastisches
h Modell
xz yz
Abb. 1.13 Plattenmodelle für große Durchbiegungen. a Membran (dünne Platte ohne Biege- und
Drillsteifigkeit), b schubstarre und schubelastische Platte (von Kármán–Modell)
Im Abschn. 1.3 werden in kurzer Form die Gleichungen der Elastizitätstheorie zusam-
mengefasst, die für die nachfolgend diskutierten Scheiben- und Plattenmodelle besondere
Bedeutung haben. Auf eine ausführlichere Ableitung der Gleichungen wird verzichtet,
da es hierzu eine umfangreiche Literatur gibt, z. B. Altenbach (2015); Altenbach u. a.
(1996); Bruhns und Lehmann (1991); Eschenauer und Schnell (1993); Göldner (1991);
Hahn (1985). Die hier nicht aufgeführten Gleichungen werden an den Textstellen erläu-
tert, an denen sie benötigt werden.
Alle Gleichungen werden in kartesischen7 Koordinaten formuliert. Das Bezugssystem
ist in Abb. 1.14a dargestellt. e 1 ; e 2 ; e 3 sind Einheitsvektoren in Richtung der positiven
Koordinatenrichtungen x1 D x; x2 D y; x3 D z. Im folgenden wird stets die Koordina-
tenbezeichnung x1 ; x2 ; x3 gewählt. Die Koordinaten können durch den Koordinatenvektor
wie folgt dargestellt werden
2 3
x1
6 7
x D 4 x2 5 oder x T D Œx1 x2 x3
x3
e1 1; x1 ; x e1 u1 ; u
e3 e3
3; x3 ; z u3 ; w
7
René Descartes (Renatus Cartesius) 1596–1650.
18 1 Einführung
den Oberflächenspannungsvektor
2 3
q1
6 7
q D 4 q2 5 oder q T D Œq1 q2 q3
q3
als Funktion der Koordinaten xi des betrachteten Oberflächenpunktes und des Normalen-
vektors des Oberflächenelementes dA in P . Die Vektoren q der Oberflächenkräfte qdA
werden in der Literatur oft mit t (traction) bezeichnet.
Als Maß für die Beanspruchung in einem inneren Punkt P des Körpers wird der Span-
nungszustand in diesem Punkt eingeführt. In Abb. 1.15 wird ein Körper unter der Wirkung
eingeprägter Kräfte betrachtet. Entfällt auf ein inneres Flächenelement A eines Schnit-
tes durch den Körper eine resultierende innere Kraft F und ist nT D Œn1 n2 n3 der
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 19
F
n D lim
A!0 A
Da es für einen inneren Punkt P des Körpers unendlich viele Schnittelemente A gibt,
die sich durch ihren Normalenvektor n unterscheiden, kennzeichnet erst die Gesamtheit
der Spannungsvektoren für alle Schnittelemente den Spannungszustand in P . Es lässt sich
zeigen, dass bereits drei Spannungsvektoren bezüglich nicht komplanarer Schnitte durch
P ausreichen, den Spannungszustand in P eindeutig zu bestimmen. Als Schnittflächen
werden zweckmäßig die Koordinatenflächen benutzt.
Abb. 1.16 zeigt den Spannungszustand für einen Punkt P in Bezug auf die Schnitt-
ebenen x1 D const; x2 D const und x3 D const. Die Spannungen sind für die posi-
tiven Schnittufer dargestellt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Flächennor-
male in Richtung einer positiven Koordinatenachse zeigt. Für die Spannungskoordinaten
ij ; i; j D 1; 2; 3 gilt für ein positives Schnittufer:
Die Koordinaten ij der Spannungsvektoren ni für die Schnittflächen xi D const bilden
den Spannungstensor ij ; i; j D 1; 2; 3. Der Spannungstensor wird entweder a priori als
symmetrisch vorausgesetzt (Boltzmann8 -Axiom) oder die Symmetrie wird z. B. mit Hilfe
8
Ludwig Boltzmann 1844–1906.
20 1 Einführung
31
dx2 13
x1
33 dx3
dx1
x3
Über doppelt auftretende Indices ist hier und im folgenden immer von 1 bis 3 zu sum-
mieren (Einsteinsche9 Summationsvereinbarung). Diese Transformationsgleichung
kann man einfach ableiten. Aus Abb. 1.17 liest man ab
mit dAj D dAnj . Dies entspricht nach Division durch dA genau der angegebenen
ersten Transformationsgleichung.
9
Albert Einstein 1879–1955.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 21
11 dA
12
dA1 x3
0
11 D 11 c11 c11 C 22 c12 c12 C 33 c13 c13
C 21 c12 c11 C 12 c11 c21 C 31 c13 c11
C 13 c11 c13 C 23 c12 c13 C 32 c13 c12
D 11 c11
2
C 22 c12
2
C 33 c13
2
Für den ebenen Sonderfall mit 11 ; 22 ; 12 D 21 und einer Drehung des Koordina-
tensystems .x1 ; x2 / um den Winkel ˛ in das Koordinatensystem .x10 ; x20 / (Abb. 1.18b)
erhält man die bekannten Transformationsgleichungen der elementaren Festigkeitsleh-
re
0
11 D 11 cos2 ˛ C 22 sin2 ˛ C 212 cos ˛ sin ˛;
0
22 D 11 sin2 ˛ C 22 cos2 ˛ 212 cos ˛ sin ˛;
0
12 D .11 22 / sin ˛ cos ˛ C 12 .cos2 ˛ sin2 ˛/
mit c11 D cos ˛; c12 D cos. 2 ˛/ D sin ˛ D c21 ; c22 D cos ˛.
22 1 Einführung
22
a
21
23 12
x2 11
32
x20 31
13
33
x10
e2
e 02 .e 01 ; e 1 /
e 01 0
22
e1 x1 0 0 0
e3 21 12 11
e 03 0
23
0 0
0 13
x3 32
31
x30
0
33
b
0
22 22
x2 0
0
21 21
12
0
x20 12 11
11 11
x10 12 0
11
e2 0
e 02 21 0
e 01 ˛ 12
21 0
22
22
e1 x1
ni ni D ij nj
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 23
dx2
dx1
x1
A
3
dx
C
x3
.k/
erhält man nichttriviale Lösungen nj ; j D 1; 2; 3; k D I; II; III für die drei Haupt-
spannungswerte k . Die Größen
II
III
1
I C III /
2
I I
1
I I III /
1 2
I III /
2 1
I C III /
III 2
III
II
III
1
I C III /
1 2
I III / I I
2 1
I I III /
2
1
I C III /
2
III
III
ni D ij nj ;
nj D cos.n; ej /
ij0 D ci k cj l kl ; i; j; k D 1; 2; 3;
0
cij D cos.e 0i ; ej /
ij D cki clj kl
Ebener Fall: Drehung der .x1 ; x2 /-Achsen um ˛, i; j; k D 1; 2;
c11 D c22 D cos ˛; c12 D c21 D sin ˛
Für die Hauptnormal- und die Hauptschubspannungen gelten die folgenden Wert- und
Richtungszuordnungen im Hauptrichtungsbezugssystem:
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 25
p p
n1 ˙1 0 0 0 ˙ 12 2 ˙ 12 2
p p
n2 0 ˙1 0 ˙ 21 2 0 ˙ 12 2
p p
n3 0 0 ˙1 ˙ 21 2 ˙ 12 2 0
Die Lageänderung eines Punktes P .x1 ; x2 ; x3 / als Folge äußerer Kräfte wird durch den
Verschiebungsvektor u.x1 ; x2 ; x3 / mit den Koordinaten ui .x1 ; x2 ; x3 /, i D 1; 2; 3 ausge-
drückt. Für die weiteren Ableitungen interessieren vor allem die relativen Lageänderungen
der Körperpunkte zueinander, da nur diese eine Deformation des Körpers bewirken und
somit Spannungen im Körper hervorrufen.
Setzt man voraus, dass bei einer Deformation der Zusammenhang des Körpers erhal-
ten bleibt, müssen die Verschiebungen stetige Funktionen der Koordinaten xi sein. Zwei
benachbarte Punkte
10
Brook Taylor 1685–1731.
26 1 Einführung
In Abb. 1.21 ist für einen ebenen Schnitt anschaulich dargestellt, wie die Punkte
P 0 .x1 C u1 ; x2 C u2 /;
Q0 .x1 C dx1 C u1 C u1;1 dx1 ; x2 C u2 C u2;1 dx1 /;
R0 .x1 C u1 C u1;2 dx2 ; x2 C dx2 C u2 C u2;2 dx2 /
einnehmen. Man erkennt, dass die Linienelemente dx1 D PQ und dx2 D PR sowohl
ihre Länge als auch den von ihnen eingeschlossenen rechten Winkel ändern
q q
ds1 D .u2;1 dx1 /2 C .dx1 C u1;1 dx1 /2 D dx1 1 C 2u1;1 C u21;1 C u22;1 ;
q q
ds2 D .u1;2 dx2 /2 C .dx2 C u2;2 dx2 /2 D dx1 1 C 2u2;2 C u22;2 C u21;2 ;
ds1 dx1 q 1
D 1 C 2u1;1 C u21;1 C u22;1 1 u1;1 C .u21;1 C u22;1 / D "11 ;
dx1 2
ds2 dx2 q 1
D 1 C 2u2;2 C u22;2 C u21;2 1 u2;2 C .u21;2 C u22;2 / D "22 ;
dx2 2
u2;1 u1;2
tan ˛1 C tan ˛2 ˛1 C ˛2 D C
1 C u1;1 1 C u2;2
u1;2 C u2;1 C u1;1 u1;2 C u2;1 u2;2 D 2"12
P0 ˛1
dx2
u2
P Q
u1 u1 C u1;1 dx1
dx1 x1
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 27
1 2
"11 D u1;1 C u C u22;1 C u23;1 ;
2 1;1
1 2
"22 D u2;2 C u1;2 C u22;2 C u23;2 ;
2
1 2
"33 D u3;3 C u1;3 C u22;3 C u23;3 ;
2
1
"12 D .u1;2 C u2;1 C u1;1 u1;2 C u2;1 u2;2 C u3;1 u3;2 / ;
2
1
"23 D .u2;3 C u3;2 C u1;2 u1;3 C u2;2 u2;3 C u3;2 u3;3 / ;
2
1
"31 D .u3;1 C u1;3 C u1;3 u1;1 C u2;3 u2;1 C u3;3 u3;1 /
2
Der Verzerrungszustand eines Körpers kann für finite und für infinite Verschiebungen
sowohl durch drei Verschiebungsgrößen u1 ; u2 ; u3 oder durch sechs Verzerrungsgrößen
"11 ; "22 ; "33 ; "12 ; "23 ; "31 beschrieben werden. Zwischen den Verzerrungsgrößen müssen
daher noch Abhängigkeiten bestehen, die sog. Kompatibilitätsgleichungen. Darauf wird
bei der Ableitung der Scheibengleichungen näher eingegangen. Die Winkeländerungen
2"ij ; i ¤ j werden in der Baumechanik meist mit ij bezeichnet
1.3.3 Gleichgewichtsbedingungen
Als Folge eingeprägter äußerer Volumen- und Oberflächenkräfte baut sich im Körper
ein Beanspruchungszustand auf. Als Maß für den Beanspruchungszustand wurde der
Spannungszustand definiert. Dieser wird als stetig vorausgesetzt, und er ändert sich im
allgemeinen von Punkt zu Punkt. Betrachtet man zwei benachbarte materielle Punk-
te P .x1 ; x2 ; x3 / und P 0 .x1 C dx1 ; x2 ; x3 /, erhält man für die Differenz der Werte der
Koordinaten ij des Spannungszustandes in beiden Punkten
@ij
ij .x1 C dx1 ; x2 ; x3 / ij .x1 ; x2 ; x3 / D dij dx1 D ij;1 dx1
@x1
Abb. 1.22 zeigt als Kontrollelement eines inneren materiellen Punktes einen infiniten Wür-
fel mit den Abmessungen dx1 ; dx2 und dx3 . Zur Vereinfachung der Darstellung wurden
nur Veränderungen für die Spannungskoordinaten 11 ; 12 und 13 beim Fortschreiten um
den Wert dx1 eingetragen. Für das statische Kräftegleichgewicht in x1 -Richtung erhält
man die Gleichung
.11 C 11;1 dx1 /dx2 dx3 C .21 C 21;2 dx2 /dx1 dx3
C .31 C 31;3 dx3 /dx1 dx2
11 dx2 dx3 21 dx1 dx3 31 dx1 dx2 C p1 dx1 dx2 dx3 D 0;
d. h.
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D 0
Für das dynamische Kräftegleichgewicht ist die Gleichung durch die Trägheitskraft
dm xR 1 zu ergänzen, und man erhält mit dm D dx1 dx2 dx3
xR 1 ist die zweite Ableitung nach der Zeit t und – die Massendichte. Die xi , ui , ij und
"ij werden Funktionen des Ortes und der Zeit.
Das Momentengleichgewicht um die x2 -Achse bestätigt die Symmetriebedingung
13 D 31 , denn aus
folgt 13 D 31 , wenn man die Glieder vernachlässigt, die von höherer Ordnung klein
sind.
Wie schon gesagt, werden die Symmetriebedingungen für den Spannungstensor somit
aus den Momentengleichungen abgeleitet oder a priori als Boltzmann-Axiom eingeführt.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 29
x2
dx1
x3
Statische Gleichgewichtsgleichungen
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D 0
12;1 C 22;2 C 32;3 C p2 D 0 ) ij;i C pi D 0
13;1 C 23;2 C 33;3 C p3 D 0
Dynamische Gleichgewichtsgleichungen
11;1 C 21;2 C 31;3 C p1 D x R1
12;1 C 22;2 C 32;3 C p2 D x R2 ) ij;i C pi D xR i
13;1 C 23;2 C 33;3 C p3 D x R3
Im letzteren Fall kann dann auf die Momentengleichungen verzichtet werden, da sie keine
neue Information liefern. Die statischen und die dynamischen Gleichgewichtsbedingun-
gen sind für alle drei Richtungen in Abb. 1.22 in allgemeiner Form angegeben.
Betrachtet man ein Volumenelement, für das ein Flächenelement dA Teil der Oberflä-
che des Körpers ist, und wirkt auf dieses Flächenelement die Oberflächenkraft qdA, sind
die Kraftrandbelastungen zu formulieren. Für ein Flächenelement mit dem Normalenvek-
tor n gilt dann nach der Transformationsvorschrift (Abschn. 1.3.1)
ni D ij nj D qi
Die kinematischen Gleichungen für die Verschiebungen ui und die Verzerrungen "ij so-
wie die Gleichgewichtsbedingungen für die Spannungen ij sind materialunabhängige
Gleichungen. Die notwendige Verknüpfung von kinematischen Gleichungen und Gleich-
gewichtsbedingungen liefern die konstitutiven Gleichungen (auch Material- oder Stoff-
gleichungen). Man spricht häufig auch vom Werkstoffgesetz ij D fij ."kl / bzw. "ij D
30 1 Einführung
gij .kl /. Für linear elastisches isotropes Material gilt das verallgemeinerte Hookesche
Gesetz
1
1
"ij D ij ıij kk D .1 C
/ij
ıij kk
2G 1C
E
bzw.
E
ij D "ij C ıij "kk D 2"ij C ıij "kk
1C
1 2
E; G D E=2.1 C
/ und
sind die für die Ingenieuranwendungen gebräuchlichen elasti-
schen Werkstoffkennwerte Elastizitätsmodul, Schubmodul und Querkontraktionszahl, die
mit und (Lamésche11 Konstanten) folgenden Zusammenhang aufweisen
E
E
D D G; D
2.1 C
/ .1 C
/.1 2
/
1 1 2.1 C
/
"11 D Œ11
.22 C 33 /; 2"12 D 12 D 12 ;
E G E
1 1 2.1 C
/
"22 D Œ22
.11 C 33 /; 2"23 D 23 D 23 ;
E G E
1 1 2.1 C
/
"33 D Œ33
.11 C 22 /; 2"31 D 31 D 31
E G E
11 D . C 2/"11 C ."22 C "33 / D . C 2/ "11 C ."22 C "33 / ;
C 2
22 D . C 2/"22 C ."11 C "33 / D . C 2/ "22 C ."11 C "33 / ;
C 2
33 D . C 2/"33 C ."11 C "22 / D . C 2/ "33 C ."11 C "22 / ;
C 2
12 D 2"12 ; 23 D 2"23 ; 31 D 2"31
11
Gabriel Lamé 1795–1870.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 31
Verschiebungsvektor u uT D Œu1 u2 u3
12
Louis Marie Henri Navier 1785–1836.
13
Eugenio Beltrami 1835–1900.
14
John Henry Michell 1863–1940.
32 1 Einführung
2 3
1 0 0
u u 6 7
Transformationsmatrix T TD 40 1 05
001
2 3
n1 0 0 n2 0 n3
6 7
Transformationsmatrix T T D 4 0 n2 0 n1 n3 0 5
0 0 n3 0 n2 n1
2 3
@1 0 0 @2 0 @3
6 7
Differentialmatrix D D D 4 0 @2 0 @1 @3 0 5
0 0 @3 0 @2 @1
@.: : :/
mit @i D D .: : :/;i
@xi
Elastizitätsmatrix (Steifigkeitsmatrix)
2 E 3
.2 C / 0 0 0
6 7
6 .2 C / 0 0 07
6 7
6 .2 C / 0 0 0 7
E D6
6
7
6 0 077
6 7
4 05
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 33
1
Reziproke Elastizitätsmatrix
2 (Nachgiebigkeitsmatrix) E 3
1
0 0 0
6 7
6 1
0 0 0 7
6 7
1 6 1 0 0 0 7
E 1 D 6 7
E66 2.1 C
/ 0 0 7
7
6 7
4 2.1 C
/ 0 5
2.1 C
/
Kinematische Gleichungen
Verzerrungs-Verschiebungsgleichungen in V
" D D Tu 2 V
u
T u D uN 2 Au
Gleichgewichtsbedingungen
Elastostatik
D C pN D 0 2 V
D C pN D uR 2 V
T D n D qN 2 Aq
34 1 Einführung
Eliminiert man aus diesen Gleichungen alle Spannungen und Verzerrungen ", erhält
man im Sinne der Verschiebungsgrößenmethode die Differentialgleichungen der Elasto-
statik und der Elastodynamik. Für die Gleichungen in der Elastostatik hängen alle Größen
nur von den Ortskoordinaten xi ab, für die Gleichungen der Elastodynamik sind sie Funk-
tionen der xi und der Zeitkoordinate t.
Mechanisches Modell
Annahmen über u und
Kinematik Werkstoffgesetz
" D D Tu D E"
Gleichgewicht (Statik)
C pN D 0
#
Randbedingungen u Randwertaufgabe Randbedingungen
#
u
T u D uN 2 Au DED T u p2V T ED T u D qN 2 Aq
15
Sir William Rowan Hamilton 1805–1865.
36 1 Einführung
ıW D ıWa C ıWi D 0
W ist die Gesamtarbeit, Wa und Wi sind die Arbeiten der inneren und der äußeren Kräfte.
Ist pN der Vektor der Volumenkraftdichte und qN der Vektor der Oberflächenspannungen,
erhält man für die virtuelle äußere Arbeit ıWa
Z Z
ıWa D N
pıu T
dV C N T dA
qıu
.V / .Aq /
Die als gegeben betrachteten Größen pN und qN sind wieder überstrichen. Sie haben wäh-
rend der gesamten virtuellen Verrückung den gleichen Wert. Eine virtuelle Arbeit ıWi der
inneren Kräfte (Spannungen) gibt es nur bei einer Verzerrung des Körpers. Ist z. B.
@u1 @
ı"11 D ı D .ıu1 /
@x1 @x1
die mit der virtuellen Verrückung ıu verträgliche Dehnung, leistet die Spannung 11 die
virtuelle innere Arbeit 11 ı"11 dx1 dx2 dx3 . Das Minuszeichen folgt aus der Tatsache,
dass die innere Kraft 11 dx2 dx3 der relativen Verrückung ı"11 dx1 entgegenwirkt. Allge-
mein gilt für die innere virtuelle Arbeit ıWi
Z
ıWi D ı"T dV;
.V /
mit
u
" D D T u 2 V; T u D uN 2 Au
Es gilt für ein beliebiges Werkstoffgesetz.
Für linear elastische Körper gilt das verallgemeinerte Hookesche Gesetz D E", und
jede Formänderung ist voll reversibel. Die Arbeit der äußeren Kräfte wird daher im Körper
als Formänderungsenergie gespeichert. Für eine virtuelle Verrückung folgt
ıWa D ıWf
mit
ıWf D ıWi
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 37
und Z Z
1 1
Wf D " dV D
T
"T E"dV D ˘i .u/
2 2
.V / .V /
Wf ."/ ist die Formänderungs- oder Verzerrungsenergie. Wegen " D D T u schreibt man
auch Wf .u/. ˘i .u/ heißt Potential der inneren Kräfte.
Für äußere Kräfte, die während der Belastung weder ihren Betrag noch ihre Richtung
ändern (sogenannte konservative Kräfte), existiert ein Potential
Z Z
˘a D N T dV
pu N T dA
qu
.V / .Aq /
Das Prinzip der virtuellen Verrückung geht dann in das Extremalprinzip vom Minimum
des elastischen Gesamtpotentials über
Z Z Z
1
˘.u/ D "T E"dV N T dV
pu N T dA
qu
2
.V / .V / .Aq /
Von allen geometrisch zulässigen Verschiebungen erfüllen diejenigen, die das elastische Ge-
samtpotential minimieren, auch die Gleichgewichtsbedingungen. Sie entsprechen damit der
Lösung der elastostatischen Randwertaufgabe.
ıW D ıWa C ıWi D 0
mit Z Z
ıWa D N
uıq T
dA; ıWi D
"ı T dV
.Au / .V /
und
ı.D / D Dı D 0 2 V; ı qN D ı T DT ı D 0 2 Aq
Der variierte Spannungszustand muss somit die Gleichgewichtsbedingungen und die
Kraft-Randbedingungen erfüllen. Da pN eine vorgegebene Volumenkraft ist, gilt ı pN D 0.
Führt man unter der Voraussetzung der Gültigkeit des verallgemeinerten Hookeschen
Gesetzes jetzt die konjugierte Formänderungsenergie (komplementäre Energie) mit
ıWf D ıWi
38 1 Einführung
kann man das Prinzip vom Minimum des konjugierten elastischen Gesamtpotentials for-
mulieren.
Von allen zulässigen Spannungszuständen, die die Gleichgewichtsbedingungen und die stati-
schen Randbedingungen erfüllen, machen die wirklichen, auch den kinematischen Gleichun-
gen entsprechenden Spannungen das konjugierte elastische Gesamtpotential zum Minimum.
ı˘ . / D 0; ı 2 ˘ . / 0 H) ˘ . / Minimum
D C pN D 0; ı.D / D 0 2 V
T D q;
N ı T D 0 2 Aq
Aus den beiden Extremalprinzipen folgen zwei für die Anwendung wichtige Sonder-
fälle:
u u
" D D T u 2 V; T u D u;
N ı T u D 0 2 Au
2. Prinzip vom Minimum der konjugierten Formänderungsenergie Wf . /
Sind auf der gesamten Oberfläche die Kräfte vorgeschrieben, folgt aus dem Prinzip
vom Minimum des konjugierten elastischen Gesamtpotentials
Z
1 T 1
ıWf . / Dı E dV D 0; Wf . / H) Minimum
2
D C pN D 0; ı.D / D 0 2 V
T D q;
N ı.T / D 0 2 Aq
Dieses Prinzip kann auch als Prinzip von Castigliano16 geschrieben werden.
16
Alberto Castigliano 1847–1887.
1.3 Grundgleichungen der Elastizitätstheorie 39
Die Anwendung der Variationsprinzipe wird für Scheiben- und Plattenaufgaben in den
entsprechenden Kapiteln genauer erläutert.
Für dynamische Aufgaben muss die virtuelle Arbeit erweitert werden. Vernachlässigt
man alle Dämpfungseinflüsse, erhält man
Z Z Z Z
ıW D N T dV C
pıu N T dA uıu
qıu R T dV ı"T dV
.V / .Aq / .V / .V /
Für konservative, linear elastische Systeme kann man auch für Aufgaben der Elastodyna-
mik ein Extremalprinzip angeben. Mit dem elastischen Gesamtpotential
Z Z Z
1
˘.u/ D "T E "dV pu N T dV N T dA
qu
2
.V / .V / .Aq /
Das Zeitintegral des kinetischen Gesamtpotentials L.u/ hat in der Klasse aller geometrisch
zulässigen Verschiebungen, die möglichen zeitabhängigen Zuständen entsprechen und die
Bedingungsgleichungen für die Zeitpunkte t1 und t2 erfüllen, für die wirkliche Lösung einen
minimalen Wert.
X
N
fQ.x1 ; x2 / D ci 'i .x1 ; x2 /
i D1
17
Joseph Louis Comte de Lagrange 1736–1813.
40 1 Einführung
X
N
fQ.x1 ; x2 / D ci .x1 /'i .x1 ; x2 /
i D1
Literatur
18
John William Strutt (Lord Rayleigh) 1842–1919.
19
Walter Ritz 1878–1909.
20
Boris Grigorjewitsch Galerkin 1871–1945.
21
Leonid Witaljewitsch Kantorowitsch 1912–1986.
Scheiben
2
1
Jean Baptiste Joseph Fourier 1768–1830.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 43
a b n22 D 22
x3
h n12 D 12
x1 h n11 D 11
x2
l2 p1 dx1 dx2
dx2
p2 dx1 dx2
n12 D 12
dx1
l1
c n22 dx1 d u1
n21 dx1
dx1
.n11 C n11;1 dx1 /dx2
h
dx2
.n12Cn12;1dx1/dx2
u1 C u1;1 dx1
u2
p1 dx1 dx2
n11 dx2
2"12 D 12
.1 C "22 /dx2 u1;2 C u2;1
.n22 C n22;2 dx2 /dx1
dx1
u1;2 dx2
Abb. 2.1 Scheibengrößen. a gleichmäßige Eintragung der Rand- und Stützkräfte über die Schei-
bendicke h, b auf die Schnittlänge bezogenen Scheibenschnittgrößen nij [Kraft/Länge] und auf die
Fläche bezogenen Massenkräfte pi [Kraft/Fläche], c Kräfte am differentiellen Scheibenelement,
d Verzerrungen "ij des Scheibenelementes
Der Werkstoff, aus dem die Scheibe besteht, ist homogen und isotrop. Es gilt das ver-
allgemeinerte Hookesche Gesetz.
Die Scheibenmittelfläche wird nur verzerrt und nicht gekrümmt. Bei der Verzerrung
verschieben sich alle Normalen zur Mittelfläche parallel. Die Verzerrungen "11 ; "22 und
2"12 D 12 sind daher konstant über h (kinematische Hypothese).
44 2 Scheiben
Ebener Spannungszustand
Die äußeren Kräfte haben keine Komponenten rechtwinklig zur Scheibenmittelfläche.
Damit sind die Scheibenoberflächen x3 D ˙h=2, die sogenannten Scheibenlaibungen,
kräftefrei, und es gilt 33 D 13 D 23 D 0 (statische Hypothese). Mit den über h kon-
stanten Werten für "11 ; "22 und 2"12 D 12 sind auch die Spannungen 11 ; 22 und 12
über h konstant. Sie werden über h integriert, und man erhält die auf die Schnittlänge
bezogenen Schnittgrößen (Abb. 2.1b)
In der Scheibe herrscht ein ebener Spannungszustand. Alle zur Mittelfläche parallelen
Ebenen haben die gleichen, von x3 unabhängigen Spannungen und Verzerrungen. In
Folge der Querkontraktion des Werkstoffes gibt es von Null verschiedene Dehnungen
"33 , die von x1 und x2 abhängen. Wegen der Dünne-Hypothese sind die daraus fol-
genden Spannungen vernachlässigbar klein. Für den ebenen Spannungszustand gibt es
somit die folgenden Spannungs- und Verzerrungskoordinaten
0 1 0 1
11 12 0 "11 2"12 0
B C B C
@ 21 22 0 A @ 2"21 "22 0 A
0 0 0 0 0 "33
ij .x1 ; x2 / D j i .x1 ; x2 / "ij .x1 ; x2 / D "j i .x1 ; x2 /
Alle Spannungen ij und alle Verzerrungen "ij sind nur Funktionen der Koordinaten
x1 und x2 .
Ebener Verzerrungszustand
Es gibt eine Reihe praktischer Probleme, bei denen zu der Annahme, dass die äußeren
Kräfte keine Komponenten rechtwinklig zur Scheibenmittelfläche besitzen, die Forde-
rung steht, dass keine Verschiebungen oder Verzerrungen in x3 -Richtung auftreten. Es
gilt dann u3 D 0; "33 D "13 D "23 D 0 und damit 13 D 23 D 0. In der Schei-
be herrscht ein ebener Verzerrungszustand. Wegen der Querkontraktion gibt es eine
Spannung 33 , und die Spannungs- und Verzerrungskoordinaten sind
0 1 0 1
11 12 0 "11 2"12 0
B C B C
@ 21 22 0 A @ 2"21 "22 0 A
0 0 33 0 0 0
ij .x1 ; x2 / D j i .x1 ; x2 / "ij .x1 ; x2 / D "j i .x1 ; x2 /
Auch beim ebenen Verzerrungszustand sind alle Spannungen und Verzerrungen nur von
den Koordinaten x1 und x2 abhängig.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 45
Die Gleichungen des ebenen Spannungs- und des ebenen Verzerrungszustandes lassen
sich einfach ineinander überführen. Die Scheibengleichung wird daher für ebene Span-
nungszustände abgeleitet. Die Scheibengleichung für ebene Verzerrungszustände folgt
dann durch eine Transformation der elastischen Konstanten.
Mit "11;22 D u1;122 ; "22;11 D u2;211 ; 12;12 D u1;122 Cu2;211 erhält man für die Verzerrungen
die Verträglichkeits- oder Kompatibilitätsbedingung
2.1.1.2 Gleichgewichtsbedingungen
Aus Abschn. 1.3.3 und Abb. 2.1c folgt mit den Schnittgrößen-Spannungsbeziehungen
n11 D h11 ; n22 D h22 ; n12 D h12
Bei allen ebenen Problemen entsprechen die pi den mit der Dicke h multiplizierten Volu-
menkräften in Abschn. 1.3.5. Sie haben die Dimension [Kraft/ Fläche]. Die zwei Gleich-
gewichtsbedingungen (2.3) reichen nicht aus, um die drei Schnittgrößen n11 ; n22 und n12
zu berechnen. Die Aufgabenstellung ist statisch unbestimmt.
Eh12 D 2.1 C
/n12 ; n12 D 12
1
2 2
Eh=.1
2 / D D ist die Dehnsteifigkeit der Scheibe. Das Elastizitätsgesetz für die Schei-
be lautet damit
n11 D D."11 C
"22 / D D.u1;1 C
u2;2 /;
n22 D D."22 C
"11 / D D.u2;2 C
u1;1 /; (2.5)
1
1
1
"33 D Œ33
.11 C 22 /
E
Eh"33 D
.n11 C n22 / (2.6)
ŒD.u1;1 C
u2;2 / C D .u1;2 C u2;1 / C p1 D 0;
@x1 @x2
2 (2.7)
@ @ 1
ŒD.u2;2 C
u1;1 / C D .u1;2 C u2;1 / C p2 D 0
@x2 @x1 2
1
1C
p1
u1;11 C u1;22 C u2;12 C D 0;
2 2 D (2.8)
1C
1
p2
u1;12 C u2;22 C u2;11 C D0
2 2 D
Damit sind die Scheibengleichungen in den Verschiebungen bekannt. Für diese Gleichun-
gen können Randbedingungen für die Verschiebungen unmittelbar angegeben werden.
Randbedingungen für die Spannungen führen auf kompliziertere Randgleichungen, die
über das Elastizitätsgesetz für die Schnittgrößen formuliert werden müssen.
Für den Fall konstanter Massenkräfte (z. B. Eigengewicht oder Fliehkraft für Scheiben
konstanter Dicke) lässt sich eine wichtige Eigenschaft für die Verschiebungsfunktionen
ui .x1 ; x2 / nachweisen. Durch mehrfache Ableitung der Scheibengleichungen (2.8) nach
x1 und x2 und ineinander Einsetzen folgen die Differentialgleichungen vierter Ordnung
@4 u1 @ 4 u1 @ 4 u1
4
C2 2 2 C D 0; u1 .x1 ; x2 / D 0;
@x1 @x1 @x2 @x24
(2.9)
@4 u2 @ 4 u2 @ 4 u2
C 2 C D 0; u2 .x1 ; x2 / D 0
@x14 @x12 @x22 @x24
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 47
Für Scheiben konstanter Dicke h mit konstanten Massenkräften p1 , p2 sind die Verschiebun-
gen u1 .x1 ; x2 / und u2 .x1 ; x2 / biharmonische Funktionen. Dies schließt den Fall p1 D p2 D 0
ein.
@2 n11
n22 @2 n22
n11 @2 n12
C 2.1 C
/ D0 (2.11)
@x22 h @x12 h @x1 @x2 h
Die Gln. (2.3) und (2.11) sind drei Gleichungen für die drei gesuchten Schnittkraftfunk-
tionen nij .x1 ; x2 /. Aus den Gln. (2.3) erhält man durch partielle Differentiation der ersten
Gleichung nach x1 und der zweiten Gleichung nach x2
2
Pierre Simon Laplace 1749–1827.
48 2 Scheiben
Gl. (2.11) kann man für h D const und unter Beachtung der Gl. (2.12) umformen
@2 f @2 g @2 f @2 g @2 f @2 g
L.f; g/ D 2 C (2.17)
@x12 @x22 @x1 @x2 @x1 @x2 @x22 @x12
˚ D 0 (2.18)
Für den Fall konservativer Massenkräfte p1 und p2 existiert ein Potential V .x1 ; x2 / mit
@V @V @p1 @p2
p1 D ; p2 D ; D
@x1 @x2 @x2 @x1
3
Sir George Bidell Airy 1801–1892.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 49
und man erhält die Scheibengleichungen in der Form der Gl. (2.20)
1 1 1
˚ .1 C
/L ; ˚ D .1
/ V (2.20)
h h h
˚ D .1
/V (2.21)
definieren
n11 .x1 ; x2 / D ˚;22 .x1 ; x2 / g1 ;
n22 .x1 ; x2 / D ˚;11 .x1 ; x2 / g2 ;
n12 .x1 ; x2 / D ˚;12 .x1 ; x2 /
Die Scheibengleichung lautet dann für konstante h- und
-Werte
@2 @2
˚ D .g 2
g 1 / C .g1
g2 /
@x12 @x22
Kennt man die Airysche Spannungsfunktion ˚.x1 ; x2 / für eine Scheibenaufgabe, kön-
nen die Schnittkräfte einfach aus den Ableitungen von ˚ berechnet werden. Die Verschie-
bungen erhält man über das Hookesche Gesetz für die Schnittgrößen. Löst man die Gln.
(2.5) nach den Verschiebungen auf, erhält man
n11
n22 D D 1
2 u1;1 D Ehu1;1 ;
n22
n11 D D 1
2 u2;2 D Ehu2;2 ;
50 2 Scheiben
c1 .x2 / und c2 .x1 / sind Funktionen einer Veränderlichen, die sich bei der Integration
der Verschiebungsgleichungen (2.22) ergeben. Sie werden aus den Randbedingungen
bestimmt. Wegen der dritten kinematischen Gl. (2.1) sind c1 .x2 / und c2 .x1 / nicht unab-
hängig voneinander, sondern müssen die Gl. (2.23) erfüllen
Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D .n22
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1 Z
(2.23)
@
.n11
n22 /dx1 2.1 C
/n12
@x2
Die Gln. (2.24) beschreiben die Verschiebungen u1 D A2 =Eh, u2 D A0 =Eh und die
Verdrehungen u1 D .A1 =Eh/x2 , u2 D .A1 =Eh/x1 der Scheibe als starrer Körper (s.
Abb. 2.2).
Damit sind für den ebenen Spannungszustand die Differentialgleichungen in den Ver-
schiebungen bzw. die Scheibengleichung für die Airysche Spannungsfunktion bekannt.
Löst man die jeweiligen Differentialgleichungen für vorgegebene Randbedingungen, kön-
nen alle Verschiebungen und Spannungen eines Scheibentragwerkes berechnet werden.
Der Übergang auf die Scheibengleichungen für einen ebenen Verzerrungszustand be-
reitet keine Schwierigkeiten. Abb. 2.3 zeigt zwei Beispiele für die Ausbildung von ebenen
Verzerrungszuständen in einer Scheibe. Es ist dann u3 D 0; u1 D u1 .x1 ; x2 /; u2 D
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 51
a b
n11
h n12
n22
Abb. 2.3 Modelle „ebener Verzerrungszustand“. a zwischen zwei starren Blöcken festgehaltene
Scheibe, b aus einer sehr langen Walze herausgeschnittene Scheibe
Aus Abschn. 1.3.4 folgt mit "33 D 0 die Spannung infolge der verhinderten Querkontrak-
tion
33 D
.11 C 22 /;
und man erhält nach Einsetzen in die Gleichungen für "11 und "22 das Elastizitätsgesetz
für die Schnittgrößen
1
2
1
h"11 D n11 n22 D .n11
n22 /;
E 1
E
1
2
1
h"22 D n22 n11 D .n22
n11 /; (2.25)
E 1
E
2.1 C
/ 1 1
h12 D n12 D n12 D n12
E G G
E D ;
D ; G D G; (2.26)
1
2 1
erhält man die Gleichungen des ebenen Verzerrungszustandes. Man kann daher auf eine
gesonderte Ableitung der Scheibengleichung für ebene Verzerrungszustände verzichten.
2.1.1.4 Randbedingungen
a b c
x1 .n; x1 / x1 .n; x1 / x1
n22 n22
n12 dx1 n12 dx1
n12 n12 n12
x1 D const
n11 nN 11 n11 ds ds
n22 n11
n12 nN 12 qN 1 qN 1
dx2 n dx2 n
x2 D const
x2 x2 qN 2 x2 qN 2
n nN 12
22
Abb. 2.4 Randbedingungen für vorgegebene Randspannungen. a Belastung der Ränder x1 D const
und x2 D const durch gegebene Randschnittkräfte. b Randkräfte qN 1 ; qN 2 am schrägen Rand, c Rand-
kräfte qN 1 ; qN 2 am gekrümmten Rand
1
D.u1;1 C
u2;2 / D nN 11 ; D.u2;2 C
u1;1 / D nN 22 ; D .u1;2 C u2;1 / D nN 12
2
Abb. 2.4b zeigt einen schrägen Rand, an dem die Randkräfte qN1 und qN 2 vorgegeben
sind. Für den schrägen Rand gelten dann die Randbedingungsgleichungen
Die Schnittgrößen können wieder durch die Ableitungen von ˚ ausgedrückt werden.
Die Gleichungen gelten auch für einen gekrümmten Rand nach Abb. 2.4c.
Vorgegebene Randverschiebungen:
Bei vorgegebenen Randverschiebungen werden die Randbedingungen mit Hilfe der
Gln. (2.22) bis (2.24) ausgedrückt.
Schnittgrößen
n11 D ˚;22 C V; n22 D ˚;11 C V; n12 D ˚;12
mit der Airyschen Spannungsfunktion ˚.x1 ; x2 / und
@V @V
p1 D ; p2 D
@x1 @x2
Kraftrandbedingungen für einen schrägen Rand mit nach außen gerichtetem Nor-
malenvektor n
n11 cos.n; x1 / C n12 cos.n; x2 / D qN 1 ; n22 cos.n; x2 / C n12 cos.n; x1 / D qN2
Ebener Spannungszustand
1 1 1
˚ .1 C
/L ; ˚ D .1
/ V
h h h
h D const W ˚ D .1
/V; p1 ; p2 D const W ˚ D 0
54 2 Scheiben
Z Z
Ehu1 D .n11
n22 /dx1 C c1 .x2 /; Ehu2 D .n22
n11 /dx1 C c2 .x1 /
Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D .n22
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1
Z
@
.n11
n22 /dx1 2.1 C
/n12
@x2
Ebener Verzerrungszustand
1 1 1
˚ .1 C
/L ;˚ V D .1
/
h h h
h D const W ˚ D .1
/V;
D
1
p1 ; p2 D const W ˚ D 0
Z Z
E hu1 D .n11
n22 /dx1 C c1 .x2 /; E hu2 D .n22
n11 /dx1 C c2 .x1 /
Z
dc2 .x1 / dc1 .x2 / @
C D .n22
n11 /dx2
dx1 dx2 @x1
Z
@
.n11
n22 /dx1 2.1 C
/n12
@x2
E
1
E D ;
D ; .1 C
/ D
1
2 1
1
2.1.2 Vektor-Matrix-Schreibweise
VektorderMassenkräfte p T D Œp1 p2
Vektor der Randkräfte q T D Œq1 q2
2 3
1
0
Eh 6 7
Steifigkeitsmatrix EQ D 4
1 0 5
1
2
0 0 1
2
2 3
1
0
1 6 7
Nachgiebigkeitsmatrix SQ D 4
1 0 5
Eh
0 0 2.1 C
/
1 Eh
SQ D EQ ; Q D DE D
E E
1
2
Mit den eingeführten Vektoren und Matrizen erhält man das Randwertproblem der Schei-
bentheorie in Vektor-Matrix-Schreibweise. Für das Anfangs-Randwertproblem sind die
Gleichgewichtsbedingungen nach Abschn. 1.3.5 durch das Trägheitsglied uR zu ergän-
zen.
Gleichgewichtsbedingungen
D C p D 0; (Elastostatik)
D C p D huR (Elastodynamik)
D' C pN D 0
d T " D d T SQ D d T SQ ' D 0
d T SQ ' D 0
b) Mit SQ D const; p1 D p2 D 0; ' D ' D Œ˚;22 ˚;11 ˚;12 wird die Scheiben-
gleichung biharmonisch
d T SQ ' D SQ d T ' D 0
d T ' D ˚ D 0
Die folgende Gleichungsübersicht zeigt noch einmal in komprimierter Form das Struk-
turschema für das Weggrößen- und das Kraftgrößenverfahren.
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 57
Weggr¨oßenverfahren Kraftgrößenverfahren
Q"
DE d T" D 0
dT Q D0
C pN D 0 D' C pN D 0
D EQ D T u p Randbedingungen d T SQ ' D 0
2.1.3 Energieformulierungen
Nach Abschn. 1.3.6 können die Variationsprinzipe der Elastizitätstheorie vielfach für eine
effektive Berechnung der Tragwerksbeanspruchung eingesetzt werden. Dies gilt auch für
Scheibentragwerke. Unter den Voraussetzungen eines ebenen Spannungszustandes erhält
man für die Formänderungsenergie einer Scheibe mit dV D hdA
2 3
Z Z n11
1 1 6 7
Wf D "T dA D 4 n22 5 Œ"11 "22 12 dA
2 2
A A n12
Setzt man die Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes D EQ " voraus, kann man die Form-
änderungsenergie entweder in den Verschiebungen oder in den Schnittgrößen ausdrücken.
Im ersten Fall folgt mit D EQ D T u und " D D T u
Z Z
1 1
Wf .u/ D .EQ D T u/.D T u/dA D D .u1;1 C
u2;2 /u1;1
2 2
A A
(2.27)
1
C .u2;2 C
u1;1 /u2;2 C .u1;2 C u2;1 /2 dA
2
58 2 Scheiben
1
Im zweiten Fall gilt mit " D SQ D EQ
Z
1
Wf . / D .SQ /T dA
2
Z
A
1 1
D Œ.n11 C n22 /2 2.1 C
/.n11 n22 n212 / dA (2.28)
2 Eh
Z
A
1 1 2
D Œn C n22 2
n11 n22 C 2.1 C
/n12 dA
2 2
2 Eh 11
A
N Damit kann
ist der Scheibenrand,
q der Teil des Randes mit den Randbelastungen q.
das Prinzip vom Minimum des elastischen Gesamtpotentials
˘ . / D ˘a . / C ˘i . /; ˘i . / D Wf . /; ı˘ . / D 0 (2.33)
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 59
die kinetische Energie ist, herangezogen werden, und man erhält nach Abschn. 1.3.6 die
Variationsgleichung
Zt2
ı L.u/dt D 0
t1
Man kann in einfacher Weise überprüfen, dass die Anwendung der Variationsrechnung
mit der Forderung ı˘.u/ D 0 als Eulersche4 Differentialgleichung die Scheibenglei-
chung in den Verschiebungen und auch alle wesentlichen und natürlichen Randbedingun-
gen liefert (s. Abschn. 10.1).
In der Bautechnik, dem Maschinenbau oder dem Apparate- und Anlagenbau kommen
außer den bisher betrachteten rechteckigen Scheiben vor allem Kreis- und Kreisringschei-
ben zum Einsatz. Die Scheibengleichung für eine Kreis- oder eine Kreisringscheibe wird
zweckmäßig in Polarkoordinaten angegeben.
Auf ausführliche gesonderte Ableitungen wird verzichtet. Es werden die im Ab-
schn. 10.3 angeführten Transformationsgleichungen für Differentialoperatoren benutzt,
um die in kartesischen Koordinaten formulierten Gleichungen in Polarkoordinaten zu
transformieren.
Abb. 2.5 zeigt die positiven Richtungen für die Spannungen rr ; ' ' und r' für ein
Element einer Kreis- oder Kreisringscheibe. Für die Koordinaten x1 ; x2 und r; ' gelten
nach Abschn. 10.3 die Transformationsbeziehungen
q
x2
x1 D r cos '; x2 D r sin '; rD x12 C x22 ; ' D arctan
x1
4
Leonhard Euler 1707–1783.
60 2 Scheiben
a x2 b x2 c
x2 D
'r r'
rd' rd'
''
rr
d' dr d' dr
r r
x1 x1 d'
'
x1
Für den ebenen Spannungszustand gibt es jetzt die folgenden Spannungs- und Verzer-
rungskoordinaten 0 1
! "rr r' 0
rr r' B C
@ 'r "' ' 0 A
'r ' '
0 0 "zz
Alle Spannungs- und Verzerrungskoordinaten sind über die Scheibendicke h konstant, und
die Funktionen hängen lediglich von r und ' ab. Die Dehnung "zz in Dickenrichtung ist
wiederum nur eine Folge der Querkontraktion.
Kennt man die Spannungskoordinaten in kartesischen Koordinaten, erhält man unter
Beachtung der Abb. 2.6 die folgenden Transformationsgleichungen für die Spannungen
in Polarkoordinaten
rr D 11 cos2 ' C 22 sin2 ' C 12 sin 2';
' ' D 11 sin2 ' C 22 cos2 ' 12 sin 2'; (2.34)
r' D .22 11 / sin ' cos ' C 12 cos 2'
Löst man die Gln. (2.34) nach 11 ; 22 ; 12 auf, erhält man
11 D rr cos2 ' C ' ' sin2 ' r' sin 2';
22 D rr sin2 ' C ' ' cos2 ' C r' sin 2'; (2.35)
12 D .rr ' ' / sin ' cos ' C r' cos 2'
a b
x2 22 x2 22
21 D 12
12 D 21
r
rd'
dx2
11
dr
dx2
11 rr '
r'
r'
'' d'
' '
dx1 x1 dx1 x1
Vernachlässigt man alle Glieder höherer Ordnung, erhält man die linearen kinematischen
Gleichungen für infinite Verschiebungen
ur
.1 C /u';' d'
r
D0 B0
.1 C
ur;' d' "' /
d' / C u' C u';r dr
ˇ
r/
ur
/d
˛ u'
"r
/ r
C
.r C r
u r;
.1
u' ur / C
u';' d' d' / ur
D C
dr
A0 C
.r dr ur C ur;r dr
B
u'
ur
d' A
d'
r
'
2.1.4.2 Gleichgewichtsbedingungen
Die entsprechenden Gleichungen folgen aus Abb. 2.8, wobei wie in kartesischen Koor-
dinaten mit den Schnittgrößen nrr D hrr ; n' ' D h' ' ; nr' D hr' gerechnet wird
@V 1 @V @pr @.rp' /
pr D ; p' D ; D (2.40)
@r r @' @' @r
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 63
Eh
Eh"rr D nrr
n' ' ; nrr D ."rr C
"' ' /;
1
2
Eh
Eh"' ' D n' '
nrr ; n' ' D ."' ' C
"rr /;
1
2
Eh 1
Ehr' D 2.1 C
/nr' ; nr' D r' ;
1
2 2
Im allgemeinen Fall stehen für die acht unbekannten Größen ur ; u' , nrr , n' ' , nr' , "rr ,
"' ' , r' insgesamt acht Gleichungen in Polarkoordinaten zur Verfügung.
64 2 Scheiben
@r r r @r
In den Gln. (2.42) hängen alle Größen nur noch von der Koordinate r ab.
Kinematische Gleichungen, Gleichgewichtsbedingungen und konstitutive Gleichungen
sind wie in kartesischen Koordinaten Ausgangspunkt für die Ableitung der Scheibenglei-
chung in den Verschiebungen (Weggrößenverfahren) oder in den Spannungen bzw. der
Airyschen Spannungsfunktion (Kraftgrößenverfahren).
Man kann aber auch nach Abschn. 10.3 die Gleichungen in kartesischen Koordinaten
in Polarkoordinaten transformieren. So erhält man z. B. entsprechend den Gln. (2.14) die
Gleichungen
@pr pr 1 @p'
.nrr C n' ' / D .1 C
/ C C
@r r r @'
und für pr ; p' D const
@2 1 @ 1 @2
.nrr C n' ' / D 0; D C C
@r 2 r @r r 2 @' 2
Mit der Airyschen Spannungsfunktion ˚.r; '/ und konservativen Massenkräften folgen
die Schnittgrößen zu
1 @˚ 1 @2 ˚ @2 ˚ @ 1 @˚
nrr D C 2 2 C V; n' ' D C V; nr' D (2.43)
r @r r @' @r 2 @r r @'
@2 1 @ 1 @2
C C ;
@r 2 r @r r 2 @' 2
@4 2 @3 1 @2 1 @
4
C 3
2 2
C 3
@r r @r r @r r @r
2 @4 2 @4 4 @2 4 @4
2 2 2 3 C C ; (2.45)
r @r @' r @r@' 3 r 4 @' 2 r 4 @' 4
! !
@2 u 1 @v 1 @2 v 1 @u 1 @2 u @2 v
L.u; v/ C 2 2 C C 2 2
@r 2 r @r r @' r @r r @' @r 2
@ 1 @u @ 1 @v
2
@r r @' @r r @'
@2 1 @
C ;
@r 2 r @r
@4 2 @3 1 @2 1 @
4
C 3
2 2C 3 ; (2.46)
@r r @r r @r r @r
@2 u 1 @v 1 @u @2 v
L.u; v/ C
@r 2 r @r r @r @r 2
Die bisher formulierten Gleichungen gelten für das Scheibenmodell „ebener Span-
nungszustand“. Der Übergang zum ebenen Verzerrungszustand erfolgt in gleicher Weise
wie in kartesischen Koordinaten, wenn folgende Substitutionen vorgenommen werden
E ! E D E=.1
2 /;
!
D
=.1
/; G ! G D G
Die Energieformulierungen des Abschn. 2.1.3 können in einfacher Weise auch auf
Polarkoordinaten übertragen werden. Für die für die Anwendungen der Scheibentheorie
vorrangig interessierende Formulierung der Formänderungsenergie in den Schnittgrößen
gelten dann die Gleichungen
Z (
1 1
Wf D .˚/2
2 Eh
A
" #)
1 1 1
2.1 C
/ ˚;' ' ˚;r C 2 ˚;' ' ˚;' dA
r r r ;r
66 2 Scheiben
1
x D C cos ˛; y D sin ˛; D x y cot ˛; D y csc ˛; csc ˛ D
sin ˛
In Abb. 2.9b haben die Punkte P1 .; / und P2 . C d; C d/ den Abstand ds, und es
gilt
ds 2 D dx 2 C dy 2 D d 2 C d2 C 2dd cos ˛ (2.47)
a b
y y
l
ds P2
dA
ds
d
l d
dy
P1
d d
˛ ˛
dx D ds
Für die Projektionen ds und ds von ds auf die Koordinatenachsen und erhält man
Für die Projektionen von ux und uy auf die Koordinatenachsen und gelten wie für ds
und ds die Gleichungen (Abb. 2.10b)
Bei einer Verzerrung der Scheibe verschiebt sich der Punkt P1 .; / in den Punkt P10 . C
u ; C u / und der Punkt P2 . C d; C d/ in den Punkt P20 . C d C u C du ; C d C
u C du /. Der Abstand der Punkte P1 ; P2 ändert sich in den Abstand ds 0 D .1 C "/ds
der Punkte P10 ; P20 , und man erhält mit Gl. (2.47)
ds 0 2 D .1 C "/2 ds 2 D .d C du /2 C .d C du /2 C 2.d C du /.d C du / cos ˛
Vernachlässigt man du2 ; du2 ; du du als klein von höherer Ordnung, folgt
a b
y y
u
u sin ˛
0
P Cu Cu / P0 Cu Cu /
uy u u cos ˛
u
u
ux u u cos ˛
˛ ˛ ux
Abb. 2.10 Verschiebungen eines Punktes P .; /. a Verschiebungen ux , uy in kartesischen Ko-
ordinaten und u , u in schiefwinkligen Koordinaten, b Projektionen uQ D u C u cos ˛ und
uQ D u cos ˛ C u der Verschiebung u.; / D u.x; y/ auf der – und der –Achse
68 2 Scheiben
Entwickelt man duQ ; duQ in Taylorreihen und bricht diese nach den linearen Gliedern ab
"Q ; "Q sind die Dehnungen von d und d, Q ist die Änderung des Winkels ˛ bei der
Scheibenverzerrung
Die Struktur der Gln. (2.50) bis (2.52) entspricht vollständig der Darstellung in kartesi-
schen Koordinaten, wenn man ; durch x; y ersetzt. Vergleicht man die Gl. (2.51) in
schiefwinkligen und in kartesischen Koordinaten und beachtet die Transformationsglei-
chungen
d dx dy d dy dx d d dy d
D cot ˛; D csc ˛; D C cos ˛; D sin ˛;
ds ds ds ds ds ds ds ds ds ds
und 2 2
dx dy dx dy
" D "xx C "yy C xy (2.53)
ds ds ds ds
die Transformationsbeziehungen für die Verzerrungskoordinaten in kartesischen und in
schiefwinkligen Koordinaten
dx dy
D cos ˛; D sin ˛;
ds ds
d. h. "Q entspricht der wirklichen Dehnung " parallel zur -Achse. Für alle parallelen
Linien zur -Achse folgt unmittelbar "Q D " D "xx . Für die Kompatibilitätsbedingung
findet man auch in schiefwinkligen Koordinaten die Gleichung
2.1.5.2 Gleichgewichtsbedingungen
Für die Schnittgrößen nij D hij ; i; j D ; am schiefwinkligen Element folgen unter
Beachtung der Gleichgewichtsforderungen
X X X X X X
Fx D Fy D .Fy x Fx y/ D 0 ! F D F D .F F / D 0
Aus Abb. 2.12 folgen die Transformationsgleichungen zwischen den Schnittgrößen in kar-
tesischen und in schiefwinkligen Koordinaten
Die Transformationsgleichungen zwischen den Schnittgrößen n ; n und n sowie den
nxx ; nyy und nxy lauten zusammengefasst
nxx D n csc ˛ C n cos ˛ cot ˛ n D nxx sin ˛ C nyy cos ˛ cot ˛
C 2n cot ˛; 2nxy cos ˛;
(2.57)
nyy D n sin ˛; n D nyy csc ˛;
nxy D n C n cos ˛; n D nxy nyy cot ˛
70 2 Scheiben
@n
.n C d d
@n
.n C d d
p d d sin ˛ @n
.n C d d
n d
@n
.n C d d
n d
p d d sin ˛
˛
n d
n d
Abb. 2.11 Schnittgrößen n D h , n D h , n D h D n am schiefwinkligen Element
mit den Abmessungen d, d
Definiert man die Airysche Spannungsfunktion ˚.; / für den Fall konservativer Mas-
senkräfte p und p durch
a b
y nyy y n
nyx n
qy
n
nxx qx n
n
nxy
˛ ˛
erfüllt diese die Gleichgewichtsbedingungen (2.56). Man kann die Massenkräfte auch
R R
allgemeiner durch g D p d; g D p d einbeziehen, und es gelten dann die Glei-
chungen
D E11 " C E12 " C E13 ; " D S11 C S12 C S13 ;
D E21 " C E22 " C E23 ; " D S21 C S22 C S23 ;
D E31 " C E32 " C E33 ; D S31 C S32 C S33
Die Koeffizienten Ers bzw. Srs sind die elastischen Konstanten des verallgemeinerten
Hookeschen Gesetzes.
Für isotropes Materialverhalten erhält man nach Einsetzen der Verzerrungs- und
Schnittgrößentransformationsgln. (2.54) und (2.57) in das Hookesche Gesetz für kar-
tesische Koordinaten die folgenden Steifigkeits- bzw. Nachgiebigkeitsmatritzen E und
S D E 1
2 3
1 cos2 ˛ C
sin2 ˛ cos ˛
6 7
E D 4 cos2 ˛ C
sin2 ˛ 1 cos ˛ 5;
cos ˛ cos ˛ 2 .1C cos ˛
sin ˛/
1 2 2
2 3 (2.59)
1 cos2 ˛
sin2 ˛ 2 cos ˛
6 7
S D 4 cos2 ˛
sin2 ˛ 1 2 cos ˛ 5
2 cos ˛ 2 cos ˛ 2.1C cos ˛ C
sin ˛/
2 2
Hierbei sind
1
2 E
E D E 3
; S D S
E csc ˛ csc ˛
Mit den kinematischen Gleichungen, den Gleichgewichtsbedingungen und den konstitu-
tiven Gleichungen in schiefwinkligen Koordinaten sind alle Gleichungen bekannt, um die
Differentialgleichungen der Scheibe in den Verschiebungen oder in den Schnittgrößen ab-
zuleiten.
Ein besonders einfacher Weg zur Formulierung der Scheibengleichung in schiefwink-
ligen Koordinaten ist die Transformation der Differentialgleichung ˚.x; y/ D .1
/V .x; y/ nach Abschn. 10.3. Für den Sonderfall h D const, p1 D p2 D 0 erhält man
˚.; / D 0;
1
˚ D Œ˚; C 2.1 C 2 cos2 ˛/˚; C ˚;
sin4 ˛ (2.60)
4 cos ˛.˚; C ˚; /;
n D ˚; ; n D ˚; ; n D ˚;
72 2 Scheiben
und
1
˚ D 2
˚; 2 cos ˛˚ C ˚;
sin ˛
abschließend
Z
1 h 3 i
Wf D sin ˛.˚/2 2 sin ˛.1 C
/.˚ ˚ ˚
2
/ dd
2Eh
A
bzw. für
-freie Spannungszustände
Z
1
Wf D sin ˛
3
.˚/2 dd
2Eh
A
Alle in Abschn. 2.1 abgeleiteten Gleichungen setzen voraus, dass die Scheiben über ih-
re Dicke homogen sind und in ihrer Ebene richtungsunabhängige Werkstoffeigenschaften
aufweisen, d. h. isotrop sind. Wegen der vorausgesetzten Homogenität über die Scheiben-
dicke h ist die Symmetrie zur Scheibenmittelfläche gewährleistet, und im Rahmen einer
Tragwerkstheorie 1. Ordnung kann die Scheibenaufgabe als unabhängig von der Platten-
aufgabe betrachtet werden.
Bei homogenem und isotropem Material hat ein Scheibenelement in allen Richtungen
das gleiche elastische Steifigkeits- und Nachgiebigkeitsverhalten. Zwischen dem Schub-
modul G und dem hier als belastungsunabhängig betrachteten Zug-/Druckmodul E gibt
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 73
Eh
Eh 1
Eh
DD ;
D D ; D D Gh D
1
2 1
2 2 2.1 C
/
1
1 2.1 C
/
SD ;
S D ; 2.1 C
/S D D
Eh Eh Gh Eh
Die Dehnsteifigkeit entspricht somit der für eine einachsige positive Einheitsdehnung
erforderlichen Kraft, die Kontraktionssteifigkeit der in Folge Querkontraktion dabei auf-
tretenden Querzugkraft. Die Zugnachgiebigkeit ist die bei einer einachsigen Zugbelastung
auftretende positiven Längsdehnung, die Kontraktionsnachgiebigkeit die dabei gleichzei-
tig auftretende negative Querdehnung.
Für die Festlegung zulässiger Spannungs- und Verzerrungsgrenzwerte können z. B. für
einen konkreten Scheibenbeanspruchungszustand die jeweiligen Maximalwerte berechnet
werden. Nach Abschn. 1.3.1 gelten folgende Transformationsformeln für die Schnittgrö-
ßen und die Verzerrungen (Abb. 2.13)
Für die Hauptrichtungen sind nach Abschn. 1.3.1 die Schubspannungen Null und die Nor-
malspannungen nehmen Extremwerte an. Die Bedingung n012 D 0 liefert die Hauptrich-
tungen
2n12 1 2n12
tan 2˛I D ; ˛I D arctan
n11 n22 2 n11 n22
mit den zugeordneten Extremwerten für die Normalkräfte
q
1 1
hI;II D .n11 C n22 / ˙ .n11 n22 /2 C 4n212
2 2
74 2 Scheiben
x1
x10
x20 x2
Abb. 2.13 Transformation der Schnittgrößen nij und der Verzerrungen "ij bei Drehung des Koor-
dinatensystems
Die maximalen Schubspannungen max erhält man aus dn012 =d˛ D 0 mit
2n12
cot 2˛ D
n11 n22
zu q
1 1
hmax D .n11 n22 /2 C 4n212 D h.I II /
2 2
Man erkennt die Winkelbeziehung ˛extr D ˛ extr ˙=4. Analoge Gleichungen erhält man
für die Verzerrungen, wobei für isotropes Material die Hauptspannungsrichtungen und die
Hauptdehnungsrichtungen übereinstimmen.
Für die anschauliche Darstellung des Spannungszustandes in einer Scheibe verwen-
det man häufig ausgewählte Spannungskurven, z. B. Linien gleicher Hauptspannungen
(Isochromaten), Linien gleicher Hauptspannungsrichtungen (Isoklinen) und Linien, deren
Neigung den Hauptspannungsrichtungen entspricht (Trajektorien). Isolinien haben eine
besondere Bedeutung für die Spannungsanalyse in Scheiben mit optischen Methoden.
Für die rechnerische Beurteilung der Festigkeit einer Scheibe müssen Festigkeitshy-
pothesen herangezogen werden, da der Spannungszustand mehrachsig ist. Für ein homo-
genes und isotropes Festigkeitsverhalten können unter der Voraussetzung einer gleichför-
migen Spannungsverteilung im betrachteten Element einfache geschlossene Versagens-
hypothesen eingesetzt werden. Die Normalspannungshypothese geht davon aus, dass die
Hauptspannungen das Festigkeitsversagen verursachen (Sprödbruchversagen), die Schub-
spannungshypothese macht die maximale Schubspannung dafür verantwortlich (Fließ-
bruchversagen) und die Gestaltänderungshypothese geht davon aus, dass die Gestaltände-
rungsenergie die Festigkeit begrenzt. Als Vergleichsspannung V für den im einachsigen
2.1 Grundgleichungen und Randbedingungen für isotrope Scheiben 75
. Diese Aussage gilt auch für die Airysche Spannungsfunktion und somit für den Span-
nungszustand in der Scheibe. Von
unabhängige Spannungszustände erhält man für mehr-
fach zusammenhängende Scheibenbereiche nur dann, wenn alle geschlossenen Randkur-
ven durch Gleichgewichtssysteme von Kräften beansprucht werden. In allen anderen
Fällen, z. B. auch einfach zusammenhängende Scheibenprobleme mit vorgegebenen
Randverschiebungen oder Lastangriffen im Scheibeninneren, und für alle mehrfach
zusammenhängenden Scheibenprobleme, auf deren geschlossenen Einzelrändern nicht
Kräftegleichgewichtssysteme wirken, ist der Scheibenzustand von
abhängig. Von
un-
abhängige Spannungszustände können experimentell einfacher überprüft werden als die
allgemeinen, von
abhängigen Spannungszustände. Mit den in Abschn. 2.1 formulierten
Scheibengleichungen können alle homogenen und isotropen Scheibenprobleme mathe-
76 2 Scheiben
2.2 Beispiele
Die folgenden Anwendungen der Scheibentheorie für ausgewählte Beispiele haben die
Zielstellung, das Spannungs- und Verformungsverhalten von Flächentragwerkselementen
mit typischen Scheibenbeanspruchungen zu analysieren und damit z. B. auch die Grenzen
einer eindimensionalen Modellierung wandartiger oder gekrümmter Träger oder von Trä-
gern mit stark veränderlicher Höhe im Rahmen der Balkentheorie qualitativ und quantita-
tiv aufzuzeigen. Für die Scheibengleichung in kartesischen Koordinaten werden Grund-
spannungszustände und einfache Korrekturlösungen der Balkentheorie erläutert und
typische Modelle wandartiger Träger wie die Halbebene, der Scheibenstreifen und die
Rechteckscheibe betrachtet. In Polarkoordinaten existieren gleichfalls einige für die An-
wendung interessante Grundspannungszustände. Ferner haben rotationssymmetrische,
aber auch allgemeinere Beanspruchungszustände für Kreis- und Kreisringscheiben Be-
deutung für die Strukturanalyse von Flächentragwerken, was für ausgewählte Beispiele
erläutert wird. Einfache Beanspruchungszustände für Parallelogramm- und Trapezschei-
ben vervollständigen die Scheibenbeispiele. Abb. 2.14 zeigt einfache Strukturmodelle für
Scheibentragwerke.
5
Wassilij Sacharowitsch Wlassow 1906–1958.
2.2 Beispiele 77
kann. Von dieser Gruppe wird die Anwendung der direkten Variationsmethoden und das
Galerkin/Kantorowitsch-Verfahren erläutert.
Für die Lösung komplexer Scheibenaufgaben werden heute vorrangig rein numerische
Verfahren eingesetzt. Dazu zählen die Finite-Elemente-Methode, die Randelementeme-
thode und das Differenzenverfahren, für die jeweils leistungsfähige Computerprogramme
existieren. In Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung haben diese Verfahren
ihre bevorzugten Anwendungsbereiche. Besonders leistungsfähige und universelle Ana-
lyseprogramme existieren für die FEM, so dass die Anwendung der FEM in der Inge-
nieurpraxis dominiert. Auf numerische Verfahren wird im folgenden nicht eingegangen.
Die hier getroffene Auswahl der Lösungsmethoden erfolgte unter der Zielstellung, ein
Grundverständnis für das Strukturverhalten von Scheibentragwerken und ihrer Tragwerks-
elemente zu gewinnen, die Fähigkeit zur Modellfindung auszubilden und gleichzeitig auch
Referenzlösungen zur Testung von Computerprogrammen bereitzustellen.
Unabhängig von den gewählten Koordinaten .x1 ; x2 /; .r; '/; .; / gilt für die Scheiben
konstanter Dicke h und konstanter Massenkräfte die Scheibengleichung ˚ D 0, wobei
der -Operator in den jeweiligen Koordinaten definiert ist. Treten keine Massenkräfte
auf, erhält man die Airysche Spannungsfunktion in den kartesischen Koordinaten aus Gl.
78 2 Scheiben
(2.15) zu
n11 D ˚;22 ; n22 D ˚;11 ; n12 D ˚;12
In den Polarkoordinaten folgt nach Gl. (2.43)
1 1 @ 1
nrr D ˚;r C 2 ˚;' ' ; n' ' D ˚;rr ; nr' D ˚;'
r r @r r