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Med Klin Intensivmed Notfmed Stefan Kluge1,2,5,6 · Uwe Janssens1,2,5 · Tobias Welte3,5 · Steffen Weber-Carstens4,5 ·
https://doi.org/10.1007/s00063-020-00674-3 Gernot Marx2,4,5 · Christian Karagiannidis1,2,5
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Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Berlin, Deutschland
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von 2
Springer Nature 2020 Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Berlin, Deutschland
3
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Berlin, Deutschland
4
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Nürnberg, Deutschland
5
ARDS Netzwerk Deutschland, Berlin, Deutschland
6
Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
Empfehlungen zur
intensivmedizinischen Therapie
von Patienten mit COVID-19
Patienten sollte eine CT bei Intensivpa- Medikamentöse Therapie Ziel ist es eine adäquate Oxygenierung
tienten nur bei therapeutischer Konse- sicherzustellen, empfohlen wird eine
quenz durchgeführt werden [8]. Bettsei- Für eine spezifische antivirale Therapie SpO2 ≥90 % [14]. Beachtet werden muss,
tige Untersuchungen (Ultraschall) wer- liegen bislang noch keine ausreichenden dass die Anwendung der High-flow-
den bevorzugt. Daten vor. Es gibt Therapieversuche mit Sauerstofftherapie sowie der nichtinvasi-
einer Reihe von Substanzen (Hydroxy- ven Beatmung zu einer Aerosolbildung
Unterbringung/ chloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camo- führt. Absolut notwendige Vorausset-
Hygienemaßnahmen stat, Remdesivir etc.). Ein Einsatz kann zungen für diese Therapieformen bei
unter Umständen nach einer Benefit- dieser Patientengruppe sind daher ein
Die Unterbringung erfolgt vorzugsweise Risiko-Abwägung als Einzelfallentschei- adäquater Sitz der NIV-Maske bzw. der
einzeln in einem Isolierzimmer, idea- dung erwogen werden. Therapieversu- nasalen High-flow-Brille [15] sowie die
lerweise mit Schleuse/Vorraum. Im Fall che sollten, wenn möglich, im Rahmen korrekte Verwendung der persönlichen
einer ausgeprägten Epidemie/Pandemie von „Compassionate-Use“-Programmen Schutzausrüstung beim Personal (insbe-
sollte eine Kohortenisolation angestrebt oder Studienprotokollen durchgeführt sondere korrekter Dichtsitz der FFP2-
werden. Zugang zum Patienten erfolgt werden [10]. Die Universität Liverpool Maske). Bei entsprechender Erfahrung
nur durch für die Versorgung von CO- hat eine Aufstellung wahrscheinlicher ist die nichtinvasive Beatmung mittels
VID-19-Patienten geschultes Personals, PK-Interaktionen mit experimentellen Beatmungshelm zu bevorzugen.
das möglichst von der Versorgung ande- Therapien von COVID-19 veröffentlicht Insgesamt sollte daher die Indikati-
rer Patienten freigestellt wird. Dabei ist [11]. on für HFNC/NIV bei akuter hypoxä-
die Zahl der Personen, die das Zimmer Steroide sollten bei ARDS in keinem mischer respiratorischer Insuffizienz im
betreten, auf ein Minimum zu reduzie- Fall routinemäßig gegeben werden, ei- Rahmen von COVID-19 eher zurückhal-
ren (Besuchsverbot). Der Personaleinsatz ne Gabe scheint die virale Clearance zu tend gestellt werden. Bei Patienten mit
sollte bedarfsgerecht sein. Bei der Betreu- verzögern und begünstigt das Pilzwachs- einer schwereren Hypoxämie (PaO2/FIO2
ung der Patienten ist unbedingt auf eine tum [12]. Studien bei SARS und Influenza ≤200 mm Hg) ist vorzugsweise die Intu-
konsequente Umsetzung der Basishygie- zeigten nachteilige Effekte. Ausnahme ist bation und invasive Beatmung anzustre-
ne (einschließlich Händehygiene) sowie die niedrig dosierte Hydrokortisonthera- ben. In jedem Fall müssen ein kontinuier-
auf die korrekte Verwendung der persön- pie bei septischem Schock ohne Anspre- liches Monitoring und eine ständige Intu-
lichen Schutzausrüstung (PSA) zu ach- chen auf Flüssigkeits- und Vasopressor- bationsbereitschaft sichergestellt sein. Ei-
ten. Laut Empfehlungen des RKI besteht therapie über einen Zeitraum von mehr ne Verzögerung der Intubation bei Nicht-
die persönliche Schutzausrüstung aus als einer Stunde [13]. ansprechen einer NIV verschlechtert die
Schutzkittel, Einweghandschuhen, dicht Prognose, eine notfallmäßige Intubation
anliegender Atemschutzmaske (FFP2 Antibiotische Therapie sollte aufgrund des Übertragungsrisikos
bzw. FFP3 oder Respirator bei ausge- unbedingt vermieden werden.
prägter Exposition gegenüber Aerosolen, Grundsätzlich sollte bei Beginn der Be-
z. B. bei Bronchoskopie oder anderen Tä- handlung auf der Intensivstation und bei Intubation/Prozeduren
tigkeiten, bei denen Aerosole entstehen einer Verschlechterung des Patienten im
können) und Schutzbrille. Wichtig ist Verlauf die Abnahme von mindestens 2 Prozeduren an den Atemwegen (Intu-
die korrekte Verwendung der PSA, dies (sowohl aerobe als auch anaerobe) Blut- bation, Bronchoskopie, offenes Absau-
beinhaltet das kontrollierte Anlegen kultursets erfolgen [13]. Bei Patienten mit gen, manuelle Beatmung, Tracheotomie)
(insbesondere Dichtsitz der Maske) und Verdacht auf eine Koinfektion sollte eine sollten aufgrund der Aerosolbildung nur
das korrekte Ablegen (mit mehrfachen kalkulierte antibiotische Therapie früh- bei absoluter Notwendigkeit mit ent-
Händedesinfektionen), die Mitarbeiter zeitig initiiert werden. Eine prophylak- sprechenden Schutzmaßnahmen (inkl.
sollten diesbezüglich geschult sein. Kon- tische Antibiotikagabe wird nicht emp- FFP2/FFP3-Maske und Schutzbrille)
krete Empfehlungen zu den notwendigen fohlen. durchgeführt werden. Bei invasiver Be-
Hygienemaßnahmen (räumliche Unter- atmung sollte eine geschlossene Absau-
bringung, Personalschutzmaßnahmen, Maßnahmen bei akuter gung verwendet werden.
Desinfektion, Reinigung, Abfallentsor- hypoxämischer respiratorischer Die Intubation sollte nur durch einen
gung und Krankentransport) finden sich Insuffizienz Arzt mit umfangreicher Intubationsex-
auf der Homepage des RKI [9]. Die Fest- pertise durchgeführt werden. Wenn ver-
legung von Maßnahmenbündeln sollte Eine Flüssigkeitstherapie sollte, insbe- tretbar sollte eine Rapid Sequence In-
für jede medizinische Einrichtung la- sondere bei Fehlen von Schock oder Ge- duction (RSI) ohne Zwischenbeatmung
geangepasst durch ein Expertengremium webeminderperfusion, zurückhaltend durchgeführt werden, um die Aerosol-
erfolgen. erfolgen. Bei einer Flüssigkeitsüberla- bildung zu minimieren [16]. Durch den
dung kommt es zu einer Verschlechte- Einsatz eines Videolaryngoskops kann
rung der Oxygenierung. der Abstand zwischen Arzt und Patient
bei der Prozedur vergrößert werden. Der