auszumachen. Romantische Motive und Ereignisse sind so in den Text eingebaut, dass sie in den Rahmen eines
realistischen Erzählens passen. Am Beispiel des Teufelsmotivs soll dies im folgenden erläutert werden: der
Glaube an Fluch und Schicksalsverhängnis ist romantisch, aber durch die materialistische Erklärung bleibt
dieses Motiv realistisch.
Der Teufelsglaube wird eingeführt von Rosalie. Ihre Mutter übergab sie wegen der unliebsamen Verbindung
mit einem Franzosen „mit feierlicher Rede dem Teufel“. Rosalie glaubt fest an diesen Fluch, der auf ihr lastet.
Francœurs Krankheit erklärt sie sich dadurch, dass ein Teil des Fluchs mit der Heirat auf ihn übergegangen sein
müsse. Damit vertritt sie eine romantische Auffassung, denn sie glaubt an wunderbare Vorgänge, an Fluch und
Schicksal. Eine entgegengesetzte, realistische Haltung nimmt vor allem Graf Dürande, der Kommandant von
Marseille, ein. Er nimmt Rosalies Geschichte von Fluch und Teufel nicht wirklich ernst und überführt als erster
das Teufelsmotiv in eine semantische Ebene: „ein Franzose hat immer den Teufel im Leibe!“. Für ihm ist der
Teufel eher ein Sinnbild. Francœur steht zwischen diesen beiden Extremen. Als er erstmals damit konfrontiert
wird, dass er vom Teufel besessen sein soll, sagt er nur „er wisse nichts vom Teufel“. Später redet er so, als
glaube er selber daran, dass der Teufel in ihm ste>der Teufel und im Namen des Teufels sage ich euch, redet
kein Wort“.
Das wunderbare Motiv der Teufelsbesessenheit wird am Ende materialistisch erklärt und durch eine
medizinische Erklärung aufgelöst. Der Ausgang der Erzählung gibt einer realistischen Auffassung recht. Indem
der Knochensplitter aus Francœurs Kopf entfernt wird, verschwindet auch der Wahnsinn oder der Teufel
daraus. Eine Art Bewertung des Teufelsglaubens lässt sich jedoch im Verlauf der Geschichte schon früher
ausmachen, denn an den Teufel glauben nur die einfachen, ungebildeten Figuren. Rosalies Mutter ist die erste,
die den Teufel ins Spiel bringt. Als Prostituierte gehört sie zu den untersten Gesellschaftsschichten. Rosalie
stammt damit aus der selben Schicht und hat ebenso wenig Bildung wie ihre Mutter. Bei diesen beiden ist der
Glaube an den Teufel am heftigsten ausgeprägt.
Graf Dürande nutzt das Teufelsmotiv wie schon erwähnt nur in übertragenem Sinne. Er steht Rosalies
abergläubischen Ansichten zwar freundlich, aber eher skeptisch entgegen. Der Teufel taucht in seinen Reden
nur in übertragenem Sinne, oftmals spielerisch und in geradezu positivem Sinne auf. Als gebildeter Mann von
hoher Stellung vertritt der Kommandant eine realistische Auffassung von Francœurs `Besessenheit`, die sich am
Ende der Erzählung auch bewahrheitet. Interessant ist auch, dass der Teufel allein durch die Sprache in die
Vorstellungswelt der Figuren Einzug hält.
Als Francœurs Kopfwunde aufplatzt, häufen sich noch einmal fantastische, romantische Elemente: die
brennende Zündschnur wird durch Blut und Tränen gelöscht, während ein Wirbelwind das Pulver weg und die
Teufelsflagge vom Turm herab weht. Im Anschluss fliegen in einer idyllischen Szene zwei Tauben um die
wieder vereinte, glückliche Familie. Genau zur gleichen Zeit, so erfährt Rosalie später, stirbt ihre Mutter. Die
Tauben werden vom Erzähler zumindest soweit in einen realistischen Rahmen integriert, als er sie schon vorher
einführt: es handelt sich vermutlich um das Taubenpaar, welches Francœur beim Einzug in das Fort von seinen
Vorgängern erstanden
In Achim von Arnims Erzählung „Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau“ sind sowohl romantische als auch
realistische Motive auszumachen. Dabei lässt sich feststellen, dass sich Realistisches und Wunderbares nicht
etwa mischt, wie es zum Beispiel in Ludwig Tiecks „Der blonde Eckbert“ der Fall ist. In Tiecks Märchen
vermengen sich die beiden Ebenen derart, dass eine Trennung nicht mehr möglich scheint. Die Grenze
zwischen Realität und Fantastischem sind aufgelöst und nicht mehr zu erkennen.
In “Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau” gibt es dagegen klar trennbare Auffassungen von Francœurs
Krankheit. Eine wunderbare, die eine teuflische Besessenheit ins Spiel bringt, und eine realistische, die von
einer Kopfverletzung ausgeht. Der Ausgang der Geschichte gibt einer materialistischen, medizinischen Deutung
recht. Zwar gibt es romantische Motive, man kann diese jedoch alle in einen realistischen Rahmen eingliedern.
Romantik
Die Frühromantik (ca. 1797–1804) ist stark philosophisch orientiert und ästhetisch radikal. Sie wird theoretisch
insbesondere von den Brüdern Friedrich und August Wilhelm Schlegel sowie von Novalis (Friedrich von Hardenberg)
vertreten und findet in Ludwig Tieck ihr literarisches Genie. Zeitlich fällt die Frühromantik also vollständig in die
Epoche der Klassik.
Die Hochromantik (ca. 1805–1820) hat die Protagonisten Clemens Brentano, Achim von Arnim und E. T.A. Hoffmann.
In diese Phase fällt auch die Sammlungstätigkeit von Volksliteratur und Sagen, für die die Romantik bekannt ist: die
Märchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm oder die Gedichtanthologie Des Knaben Wunderhorn von Brentano
und Arnim.
Die Spätromantik (ca. 1820–1850) ist katholisch geprägt. Ihre Ausläufer reichen – etwa in Person Joseph von
Eichendorffs – bis in die 1850er Jahre.