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ELEMENTA
Schriften zur Philosophie und
ihrer Problemgeschichte
herausgegeben von
Rudolph Berlinger †
Wiebke Schrader †
Martina Scherbel
Band 82 - 2012
Herausgegeben von/Edited by
Babette Babich, Alfred Denker
& Holger Zaborowski
The paper on which this book is printed meets the requirements of “ISO
9706:1994, Information and documentation - Paper for documents -
Requirements for permanence”.
ISBN: 978-90-420-3600-0
E-Book ISBN: 978-94-012-0874-1
©Editions Rodopi B.V., Amsterdam - New York, NY 2012
Printed in the Netherlands
Inhaltsverzeichnis / Table of Contents
Vorwort 11
16. Das dionysische Ja-Sagen zur Welt. Die Auslegung des stim-
mungsmäßigen Charakters des Willens zur Macht und dessen
zeitlichen Sinnes
Angel Xolocotzi 315
Martin Heideggers hat sich immer wieder, vor allem aber seit den
1930er Jahren mit Nietzsches Denken auseinandergesetzt. Nietzsches
Werk war für sein Verständnis der abendländischen Philosophiege-
schichte und insbesondere der Moderne von zentraler Bedeutung. Sei-
ne Deutung der Philosophie Nietzsches ist sowohl positiv als auch
sehr kritisch rezipiert und diskutiert worden. Sie bleibt ± wie auch die
Philosophie Nietzsches ± kontrovers.
Die Beiträge dieses Bandes gehen Heideggers Auseinandersetzung
mit Nietzsche nach. Einige Beiträge sind eher philosophiege-
schichtlich orientiert, andere stellen Nietzsche und Heidegger in den
Kontext gegenwärtiger Debatten; einige versuchen, Nietzsche und
Heidegger weiterzudenken, andere formulieren offene Fragen für die
weitere Diskussion. Heidegger und Nietzsche, so zeigt sich in vielfäl-
tiger Weise, geben auch der heutigen Philosophie noch zu denken ±
und zu fragen.
'LH%HLWUlJHGHVYRUOLHJHQGHQ%DQGHVJHKHQDXIGLH7DJXQJÄ+Hi-
degger und Nietzsche´ zurück, die im Mai 2004 in Messkirch statt-
fand. Für die Veröffentlichung wurden die Beiträge überarbeitet. Ne-
ben den Autorinnen und Autoren danken wir an dieser Stelle sehr
herzlich auch der Stadt Messkirch für die Unterstützung bei der
Durchführung der Tagung, Frau Professor Wiebke Schrader und
Frau Dr. Martina Scherbel für die Aufnahme dieses Bandes in die
5HLKHÄ(OHPHQWD´ und Herrn Fred van der Zee vom Verlag Rodopi für
die gute Zusammenarbeit.
1
Sören Kierkegaard, Einübung im Christentum, Simmerath 2003, 117.
2
Kierkegaard, Einübung im Christentum, 120.
3
Kierkegaard, Einübung im Christentum, 122.
4
Siehe Ludwig Feuerbach, Grundsätze einer Philosophie der Zukunft.
Kritische Ausgabe mit einer Einleitung und Anmerkungen von G. Schmidt,
Frankfurt am Main 1967.
16 Karlheinz Ruhstorfer
5
Claus-Artur Scheier, ³Der Mensch, diese Fabrikware der Natur. Bemer-
kungen zur geschichtlichen Selbstbestimmung des Menschen´; in: Braun-
schweiger Beiträge für Theorie und Praxis 88-2 (1999), 57-60.
6
Gianni Vattimo, Glauben Philosophieren, Stuttgart 1997.
7
Zur Verwendung der drei kantischen Qualitätskategorien siehe Karlheinz
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 17
1. Karl Marx
Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die
Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die
Kritik der Religion ist im Keim die Kritik des Jammertales, dessen
Heiligenschein die Religion ist.´11
Die Religion mildert und verschleiert nur das Elend des Menschen.
Die Kritik dieses Elendes darf sich nicht in Religionskritik erschöp-
fen, sondern sie muss jene Zustände angreifen und verändern, welche
den Glauben an eine überweltliche Wirklichkeit hervorrufen. Doch
gerade durch diese Übertragung des Glücks in eine geistige Welt gerät
der Mensch in das Unwesentliche oder das Unwesen.12 Entsprechend
endet die Kritik der Religion damit, das theologische Bewusstsein in
ein anthropologisches zu überführen und dann den Menschen aus sei-
ner materiellen, d. h. wirklichen Entfremdung zu befreien. Nicht Gott
kommt das höchste Sein zu, sondern dem Menschen in seiner weltlich
gesellschaftlichen Gestalt. Der Mensch ist ³das höchste Wesen für den
Menschen´ und alle Verhältnisse sind umzuwerfen, ³in denen der
Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein ver-
ächtliches Wesen ist [...]´.13
Der Mensch, der im Elend dieser Welt zu versinken droht,14 ist der
³Arbeiter´. Der Arbeiter muss als die Marxsche Fassung des leiden-
den Gottmenschen in Knechtsgestalt verstanden werden. Sein Wesen
11
Marx, ³Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie´; in: Die Frühschriften,
206.
12
Karl Marx, ³Nationalökonomie und Philosophie´; in: Die Frühschriften,
Ä'HUAtheismus, als Leugnung dieser Unwesentlichkeit, hat keinen Sinn
mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und setzt durch diese
Negation das Dasein des Menschen; aber der Sozialismus als Sozialismus
bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr: er beginnt von dem theoretisch
und praktisch sinnlichen Bewußtsein des Menschen und der Natur als des
Wesens.´
13
Marx, ³Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung´; in: Die
Frühschriften, 216.
14
Vgl. Marx, ³Die deutsche Ideologie´; in: Die Frühschriften, 342.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 19
ist durchaus nicht die theologische Gottgleichheit, wohl aber ist er als
Mensch an die Stelle des Schöpfers getreten. Inwiefern? Marx be-
trachtet den Menschen in seiner wesentlichen Produktivität. Er anth-
ropologisiert die mit Hegel gedachte Produktivität der absoluten Idee,
die alle geistige und physische Natur aus sich selbst, aus der ihr eige-
nen Freiheit setzt. Die Idee, der absolute Begriff war die neuzeitliche
Fassung des Schöpfergottes. Doch für Marx ist die Welt des Men-
schen nicht durch den göttlichen Logos geschaffen, sondern der
Mensch bringt in seiner Wechselwirkung mit der sinnlichen Natur die
Dinge hervor, die er zu seinem Leben braucht. In der Arbeit, die zu
verstehen ist als die materielle Produktion für die materielle Bedürf-
nisse des Lebens, realisiert sich das Wesen des Menschen. Doch in der
Geschichte der Menschheit wurde der Mensch immer mehr in diesem
Wesen enteignet. ³Der Herr seiner Schöpfung´ wurde schließlich zum
³Knecht dieser Schöpfung´ (s. u.). Marx hat den Menschen aber nicht
als Individuum im Blick, sondern als gesellschaftliches Wesen. Die
Enteignung des Menschen geschieht durch die jeweiligen gesellschaft-
lichen Produktionsverhältnisse. Vor allem die bürgerliche Gesellschaft
mit der industrialisierten Produktionsweise und der kapitalistischen
Art des Wirtschaftens führt zur Verknechtung des Menschen und bil-
det mithin den Gegensatz zur postulierten neuen ³menschlichen Ge-
sellschaft´ bzw. zur ³gesellschaftlichen Menschheit´.15
Marx beschreibt die Situation des Proletariats als des gesellschaft-
lichen Gott-Menschen in Knechtsgestalt wie folgt: ³Es ist daher ein
identischer Satz, daß der Mensch sich selbst entfremdet, und daß die
Gesellschaft dieses entfremdeten Menschen die Karikatur seines wirk-
lichen Gemeinwesens, seines wahren Gattungslebens sei, daß daher
seine Tätigkeit als Qual, seine eigne Schöpfung ihm als fremde
Macht, sein Reichtum als Armut, das Wesensband, was ihn an den
15
9JO0DU[³'LHGHXWVFKH,GHRORJLH7KHVHQEHU)HXHUEDFK´7KHVH
in: Die Frühschriften, 341.
20 Karlheinz Ruhstorfer
16
.DUO0DU[³$XV]JHDXV-DPHV0LOOV%XFKµ(OpPHQWVG¶pFRQRPLe politi-
TXH¶³LQMarx-Engels-Werke (= MEW), Erg.-Bd. 1, Berlin 1973, 451.
17
Vgl. Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1; in: MEW Bd. 23, Berlin 1974, 16.
18
Marx, Das Kapital, Bd. 1; in: MEW Bd. 23, 791.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 21
19
Marx, Das Kapital, Bd. 1; in: MEW Bd. 23, Berlin 1974, 15f.
20
Marx, Das Kapital, Bd. 3; in: MEW Bd. 25, Berlin 1974, 589.
22 Karlheinz Ruhstorfer
2. Friedrich Nietzsche23
Während sich bei Marx die Negation des Christentums vor allem in
seiner Hegelschen Gestalt im Vorhof der eigentlichen Kritik findet,
rückt für Nietzsche die christliche Offenbarung selbst in das Zentrum
seines Werks. Der Gekreuzigte der paulinischen Verkündigung wird
zum Zeichen für die Enteignung im Wesen des Menschen wie für
Marx die kapitalistische Produktionsweise. Auch Nietzsche sieht sich
am Ende einer Entzugsgeschichte, nun aber nicht mehr bezogen auf
21
Marx, Das Kapital, Bd. 3; in: MEW Bd. 25, Berlin 1974, 828.
22
Marx, Das Kapital, Bd. 3; in: MEW Bd. 25, Berlin 1974, 828.
23
Zur Negation Nietzsches siehe ausführlich Ruhstorfer, Konversionen,
141-218.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 23
24
Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral; in: Kritische Studien-
ausgabe (= KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/
München 21988, Bd. 5, 39, 26f.
25
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1887/1888; in: KSA Bd. 13, 57, 26-30: ³Ich
beschreibe, was kommt, die Heraufkunft des Nihilismus. [...] die Zeichen
davon sind überall, die Augen nur für diese Zeichen fehlen noch. Ich lobe, ich
tadle hier nicht, daß er kommt: ich glaube, es giebt eine der größten Krisen,
einen Augenblick der allertiefsten Selbstbesinnung des Menschen: ob der
Mensch sich davon erholt, ob er Herr wird über diese Krise, das ist eine
Frage seiner Kraft: es ist möglich [...].´
26
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1886/1887; in: KSA Bd. 12, 190.
27
Friedrich Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 185, 12 und 42.
24 Karlheinz Ruhstorfer
28
Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse; in: KSA Bd. 5, 67, 3-10:
³Die modernen Menschen, mit ihrer Abstumpfung gegen alle christliche
Nomenklatur, fühlen das Schauerlich-Superlativische nicht mehr nach, das
für einen antiken Geschmack in der Paradoxie der Formel µ*RWWDP.UHX]H¶
lag. Es hat bisher noch niemals und nirgendwo eine gleiche Kühnheit im
Umkehren, etwas gleich Furchtbares, Fragendes und Fragwürdiges gegeben
wie diese Formel: sie verhiess eine Umwerthung aller antiken Werthe. ´
29
1LHW]VFKHV 'HILQLWLRQ YRQ 0RUDO ODXWHW ³,GLRV\QNUDVLH YRQ GpFDGHQWV
PLWGHU+LQWHUDEVLFKWVLFKDP/HEHQ]XUlFKHQ´)ULHGULFK1LHW]VFKH Ecce
homo; in: KSA Bd. 6, 373, 7ff.).
30
Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 323, 71f.
31
Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 372, 15-23.
32
Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 372, 30-32.
33
Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 373, 31f.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 25
mus überwunden hat.34 Im zweiten Kapitel wird dem Willen des Neu-
en Menschen seine Bestimmtheit gegeben: Gut ist alles, ³was das Ge-
fühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen
erhöht´. Schlecht ist alles, ³was aus der Schwäche stammt´.35 Diese
neue Wertsetzung versteht sich selbst als die Negation des christlichen
Liebesbegriffes. Vor allem wegen der Selbsterniedrigung Gottes in die
³Knechtsgestalt´36 galt die Nächstenliebe in besonderer Weise den
³geringsten meiner Brüder´.37 Nietzsche hält dagegen: ³Die Schwa-
chen und Missrathnen sollen zu Grunde gehn: erster Satz unsrer Men-
schenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen. Was ist schändli-
cher als irgend ein Laster? ± Das Mitleiden der That mit allen
Missrathnen und Schwachen ± das Christentum [...].´38 Durch diese
neue Bestimmung der Liebe als antichristliche, ³moralinfreie Tu-
gend´39 wird es möglich, einen ³höherwerthigeren, lebenswürdigeren,
zukunftsgewisseren [...] Typus´ zu ³züchten´40 ³Etwas, das im Ver-
hältnis zur Gesammt-Menschheit eine Art Übermensch ist.´41 Diesem
neuen Menschen der Zukunft gilt nun die Liebe als ³Fernsten-
Liebe´.42
Doch bleibt Nietzsches Arbeit weitgehend negativ und das ³Ge-
gen-Evangelium´ ist Zukunfts-Musik.43 Die Ankunft des neuen Men-
34
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 169, I ³)RUPHO XQVHUHV
Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, ein Ziel.´
35
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 170.
36
Phil 2,7.
37
Mt 25,40.
38
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 170.
39
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 170.
40
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 170.
41
Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 171.
42
Siehe z. B. Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4,
77, 11.
43
Nietzsche, Nachlaß 1887/1888; in: KSA Bd. 13, 190, 13-³'enn man
vergreife sich nicht über den Sinn des Titels, mit dem dies Zukunfts-Evange-
OLXP EHQDQQW VHLQ ZLOO µDer Wille zur Macht. Versuch einer Umwerthung
26 Karlheinz Ruhstorfer
DOOHU :HUWKH¶ ± mit dieser Formel ist eine Gegenbewegung zum Ausdruck
gebracht, in Absicht auf Princip und Aufgabe: eine Bewegung, welche in
irgend einer Zukunft jenen vollkommenen Nihilismus ablösen wird; welche
ihn aber voraussetzt, logisch und psychologisch, welche schlechterdings nur
auf ihn und aus ihm NRPPHQNDQQ´
44
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 18, 4f.
45
Nietzsche, Nachlaß 1887/1888; in: KSA Bd. 13, 266, 17ff.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 27
zu einem seligen Sein, im letzteren gilt das Sein als selig genug, um
ein Ungeheures von Leid noch zu rechtfertigen. Der tragische Mensch
bejaht noch das herbste Leiden: er ist stark, voll, vergöttlichend genug
dazu. Der christliche verneint noch das glücklichste Los auf Erden: er
ist schwach, arm, enterbt genug, um in jeder Form noch am Leben zu
OHLGHQ>@µDer Gott am Kreuz¶ ist ein Fluch auf Leben, ein Finger-
zeig, sich von ihm zu erlösen. Der in Stücke geschnittene Dionysos ist
eine Verheißung ins Leben: es wird ewig wieder geboren und aus der
Zerstörung heimkommen.´46 Die Verklärung der Welt, wie sie mit
dem Namen Dionysos verbunden ist, trägt auch den Namen ³Hwige
Wiederkehr des Gleichen´. Dieser Gedanke von ³größtem Schwerge-
wicht´ besagt die vollständige Bejahung und Segnung dieser Welt bis
in alle Abgründe und Banalitäten hinein.
Und wie schon Dionysos ein gedichteter Gott ist, so ist auch die
Welt der ewigen Wiederkunft eine gedichtete Welt. Nur in der diony-
sischen Dichtung kommt sie zur Gegenwart. Die neue schöpferische
Seele, die den Nihilismus überwindet, muss sich ihren Gott und ihre
Welt erst selbst schaffen. Nur in der Dichtung kann die Seele die Ent-
eignung in ihrem schöpferischen Wesen überwinden und ihrem Wil-
len neue Werte geben. Die andere Zukunft bleibt eine Frage des Wil-
lens und der Kraft der schöpferischen Seele.
3. Martin Heidegger
46
Nietzsche, Nachlaß 1887/1888; in: KSA Bd. 13, 266, 25-267, 5.
28 Karlheinz Ruhstorfer
47
Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 151979, 12.
48
Heidegger, Sein und Zeit, 12.
49
Heidegger, Sein und Zeit, 21.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 29
50
Siehe zum Verhältnis des jungen Heidegger zum Glauben seiner Herkunft
+ROJHU=DERURZVNL³µ+HUNXQIWDEHUEOHLEWVWHWV=XNXQIW¶$QPHUNXQJHQ]XU
religiösen und theologischen Dimension des Denkweges Martin Heideggers
bis 191´LQ Heidegger und die Anfänge seines Denkens. Heidegger-Jahr-
buch 1 (2004), 123- 3KLOLSSH &DSHOOH ³µ.DWKROL]LVPXV¶ µ3URWHVWDQ-
WLVPXV¶µ&KULVWHQWXP¶XQG µ5HOLJLRQ¶LP 'HQNHQ0DUWLQ +HLGHJJHUV7UDJ-
ZHLWH XQG $EJUHQ]XQJHQ´ LQ HEG -370. Capelle verkennt die Anti-
FKULVWOLFKNHLWGHU³5HOLJLRVLWlW´+HLGHJJHUVZHQQHUYRQHLQHU³QLHHQGJOWLJ
YROO]RJHQH>Q@$ENHKUYRP&KULVWHQWXP´VSULFKW
51
0DUWLQ +HLGHJJHU ³3KlQRPHQRORJLH XQG 7KHRORJLH´ LQ 0DUWLQ
Heidegger, Wegmarken, Frankfurt am Main ³1996, 45-79, 49.
52
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 52.
53
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 52.
54
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 53.
30 Karlheinz Ruhstorfer
55
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 60.
56
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 65.
57
+HLGHJJHU³3KlQRPHQRORJLHXQG7KHRORJLH´LQWegmarken, 66.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 31
58
0DUWLQ+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQ0DUWLQ+HLGHJJHU
Holzwege, GA 5, Frankfurt am Main 1977, 209-268, 244 und 255.
32 Karlheinz Ruhstorfer
metaphysische Prinzip ist der Wille zur Macht, ihn sieht Heidegger im
Jahr 1943 im aktuellen ³ Kampf um die Erdherrschaft´ am Werk.59
Für Heidegger steht nicht mehr das Christentum am Anfang und im
Zentrum des Nihilismus wie bei Nietzsche, sondern es ist selbst nur
eine Ausprägung des seinsvergessenen Denkens oder des Nihilis-
mus.60 Das Christentum als Glaube und als Theologie stellt für Hei-
degger im wesentlichen eine bereits überwundene Größe dar.61
Auch in seiner zweiten Phase unterscheidet er zwischen metaphy-
sischer Theologie und Christentum einerseits und Glaube und christli-
chem Leben andererseits.62 Die Gläubigen und ihre Theologen, die
von Gott als dem höchsten Wert sprechen, hätten den ³härtesten
Schlag gegen Gott´ ausgeführt und ihn dadurch getötet.63 Ein reiner
Glaube, der sich der Onto-theologie entschlägt, scheint auch hier Be-
stand haben zu können. Immer wieder ermahnt er die Theologie, das
Wort des Paulus ernst zu nehmen, dass für die Weisheit Gottes die
Weisheit der Welt ± und als solche will Heidegger sowohl die meta-
physische Philosophie der Geschichte als auch sein eigenes Denken
59
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 257.
60
+HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, GA 5, 221:
³'LH0HWDSK\VLNLVWGHU*HVFKLFKWVUDXPZRULQ]XP*HVFKLFNwird, dass die
übersinnliche Welt, die Ideen, Gott, das Sittengesetz, die Vernunftautorität,
der Fortschritt, das Glück der Meisten, die Kultur, die Zivilisation ihre
bauende Kraft einbüßen und nichtig werden. Wir nennen diesen Wesens-
zerfall des Übersinnlichen seine Verwesung. Der Unglaube im Sinne des
Abfalls von der christlichen Glaubenslehre ist daher niemals das Wesen und
der Grund, sondern stets nur eine Folge des Nihilismus; denn es könnte sein,
dass das Christentum selbst eine Folge und Ausformung des Nihilismus
GDUVWHOOW´
61
+HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, GA 5, 254:
³-HQH EHUVLQQOLFKH :HOW GHU =LHOH XQG 0DH HUZHFNW XQG WUlJW GDV /HEHQ
nicht mehr. Jene Welt ist selbst leblos geworden: tot. Christlicher Glaube
wird da und dort sein. Aber die in solcher Welt waltende Liebe ist nicht das
wirkend-ZLUNVDPH3ULQ]LSGHVVHQZDVMHW]WJHVFKLHKW´
62
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 220.
63
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 259.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 33
verstanden wissen ± eine Torheit sei. Die Frage aller Philosophie sei
die Frage: ³Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts?´
Derjenige, für den die ³Bibel göttliche Offenbarung und Wahrheit
ist´,64 könne dieser Frage nicht ernsthaft nachgehen, da sie für den
Gläubigen immer schon eine Antwort habe: Gott als das höchste Sei-
ende habe das außergöttliche Seiende erschaffen. Wahrhaftes Denken
sei dem Gläubigen nicht möglich, er könne ³nur so tun als ob´.65 ³(i-
QH µchristliche Philosophie¶ ist ein hölzernes Eisen und ein Mißver-
ständnis.´66 Heidegger warnt die Theologen seiner Zeit, die ³selbst
nicht mehr recht an die wahrhafte Größe der Aufgabe der Theologie
glauben´, vor einer ³vermeintlichen Auffrischung mit Hilfe der Philo-
sophie´ um ihr Anliegen dem Zeitbedürfnis schmackhafter zu ma-
chen.67
Doch ist zu betonen, dass für Heidegger auch hier die Feindschaft
zum Christentum und zum christlichen Glauben bestehen bleibt. Diese
Feindschaft kann nicht aufgehoben werden, denn ³[d]ie Seinsverlas-
senheit ist am stärksten dort, wo sie sich am entschiedensten versteckt.
Das geschieht da, wo das Seiende das Gewöhnlichste und Gewohntes-
te geworden ist und werden mußte. Das geschah zuerst im Christen-
tum und seiner Dogmatik, wonach alles Seiende in seinem Ursprung
erklärt ist als ens creatum und wo der Schöpfer das Gewisseste ist,
alles Seiende die WiUNXQJGLHVHUVHLHQGVWHQ8UVDFKH´68
Heidegger weiß darum, dass der christliche Gott niemals ohne Je-
sus Christus, nicht ohne Dreifaltigkeit, nicht ohne Schöpfung der Welt
gedacht werden kann. Damit bleibt auch der bloße Glaube an den
64
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, GA 40, hrsg. von Petra
Jaeger, Frankfurt am Main 1983, 8f.
65
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, GA 40, 9.
66
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, GA 40, 9.
67
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, GA 40, 9.
68
Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, Frankfurt am Main
1989, 110.
34 Karlheinz Ruhstorfer
69
Martin Heidegger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, Frankfurt am
Main 41971, 47.
70
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 403. Dazu Walter Strolz,
³0DUWLQ +HLGHJJHU XQG GHU FKULVWOLFKH *ODXEH´ LQ +-J. Braun (Hrsg.),
Martin Heidegger und der christliche Glaube=ULFK³+HLGHJJHU
LVW LQ VHLQHP 'HQNHQ XQWHUZHJV ]XP µJ|WWOLFKHQ *RWW¶ außerhalb der bibli-
scheQ2IIHQEDUXQJ:DVHUGHQÃ6FKULWW]XUFN]XPDQGHUHQ$QIDQJ¶QHQQW
ist seine Begegnung mit dem Griechentum, mit der Dichtung Hölderlins und,
maßgeblich von ihr inspiriert, die Auseinandersetzung mit Nietzsches tragi-
schem Versuch, an die Stelle des toten Gottes der übersinnlichen Welt die
/HKUHYRPhEHUPHQVFKHQ]XVHW]HQ´
71
0DUWLQ+HLGHJJHU³=HLWXQG6HLQ´LQ0DUWLQ+HLGHJJHU Zur Sache des
Denkens, Tübingen ³1988, 1- ³6HLQ RKQH GDV 6HLHQGH GHQNHQ KHLW
Sein ohne Rücksicht auf die Metaphysik denken. Eine solche Rücksicht
herrscht nun aber auch noch in der Absicht, die Metaphysik zu überwinden.
Darum gilt es, vom Überwinden abzulassen und die Metaphysik sich selbst
]XEHUODVVHQ´
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 35
mus und damit der Metaphysik nur die äußerste Möglichkeit der Phi-
losophie, nämlich die Umkehrung der Metaphysik.72 Es gilt vom Ge-
stus der Überwindung abzulassen und zum ³Verwinden´ überzuge-
hen, denn jedes Wollen verfällt erneut den Machenschaften des meta-
metaphysischen bzw. des technischen Denkens. Dennoch bleibt das
Grundschema seines Denkens erhalten, welches in der Gegenwart die
letzte weltgeschichtliche Krise annimmt und einen ³anderen Anfang´
erwartet, denn die ³Verwindung der Metaphysik ruft das Denken in
ein anfänglicheres Geheiß´.73 Wahrheit ist nun über die griechische
Unverborgenheit hinaus ³die Lichtung´.74 Es bleibt ³das Früheste und
Uralte: das Ereignen´.75 Heidegger erwartet in äußerster Verhaltenheit
und Gelassenheit die Ankunft des Ereignisses. Streng genommen ist
hier nicht einmal mehr die Rede vom ³Sein´ zulässig.76 Die Zusam-
mengehörenden sind nicht mehr Mensch und Sein, sondern ± als Er-
eignete ±: die Sterblichen im Geviert der Welt.77
Selbst die beiden Weltkriege und das Elend, das sie mit sich brach-
ten, sind für Heidegger nur Epiphänomene einer tiefergehenden Krise,
die von der Verwesungsgestalt der Metaphysik, nämlich von der
Technik ausgeht. Das rechnende und planende Denken drängt auf das
Beseitigen jeder materiellen und psychischen Not und entzieht damit
der Marxschen und der Nietzscheschen Enteignungserfahrung den
Boden, wird doch jeder Mangel technisch behoben, auch noch die
Verelendung des Arbeiters durch die sozialen bzw. wirtschaftlichen
Techniken und Wissenschaften sowie die Fremdbestimmung des Wil-
lens durch die psychologischen Disziplinen. Nur nebenbei sei be-
72
0DUWLQ +HLGHJJHU ³'DV (QGH GHU 3KLORVRSKLH XQG GLH $XIJDEe des
'HQNHQV´LQZur Sache des Denkens, 61-80, 63.
73
9JO0DUWLQ+HLGHJJHU³=XU6HLQVIUDJH´LQWegmarken, 365-426, 424.
74
+HLGHJJHU ³'DV (QGH GHU 3KLORVRSKLH XQG GLH $XIJDEH GHV 'HQNHQV´
in: Zur Sache des Denkens, 79.
75
Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Stuttgart 101993, 258.
76
+HLGHJJHU³=HLWXQG6HLQ´LQZur Sache des Denkens, 45.
77
+HLGHJJHU³=HLWXQG6HLQ´LQZur Sache des Denkens, 45.
36 Karlheinz Ruhstorfer
merkt, dass Heidegger selbst nicht nur Nietzsche, sondern auch Marx
weitaus mehr als Husserl oder Sartre schätzte, weil Marx und Nietz-
sche die Geschichte auf die wesentliche Entzugserfahrung hin gedacht
hätten.78 Doch alle Versuche, diesen Entzug zu überwinden, führen
geradewegs zum Unwesen der Technik und mithin zu einer neuen
Not.
Diese ist bis zur Unkenntlichkeit von allen bisherigen Nöten ge-
trennt, und sie besteht in der Not der Notlosigkeit,79 die zugleich die
Not der Heimatlosigkeit ist, da dem Menschen ein wesensgemäßes
Wohnen versagt wird.80 Er wohnt nicht mehr in der Nachbarschaft des
Seins.81 Die moderne Unbehaustheit hat ihre Ursache in der Herr-
schaft der Technik, die kein Mittel in der Hand des Menschen ist,
sondern umgekehrt: der Mensch geht der Technik zur Hand.82 Letzt-
lich ist er, wie schon der Bourgeois Marxens zu den Opfern des Kapi-
tals gehörte, selbst ein Opfer des Unwesen, denn auch der Mensch ge-
hört, ursprünglicher noch als die Natur, in den ³Bestand´: ³Die
umlaufende Rede vom Menschenmaterial, vom Krankenmaterial einer
Klinik spricht dafür.´83 Der mit Heidegger gedachte Mensch ist als
Knecht der Technik an das Gestell der Seinsverlassenheit genagelt.
Doch wie im Philipperhymnus der Gehorsam des Gottmenschen in
Knechtsgestalt schließlich zum Grund seiner Erhöhung wird, so hofft
auch Heidegger auf die ³Kehre´. Der Mensch kann zwar nicht durch
eine aktiv herbeigeführte Revolution (Marx) oder durch ein Sich-
Aufschwingen zum Willen zur Macht (Nietzsche) gerettet werden,
dennoch ist er nicht hilflos diesem Geschick ausgeliefert. Mit Hölder-
78
Martin Heidegger, Über den Humanismus, Frankfurt am Main 81981, 30.
79
Siehe dazu Heribert Boeder, Das Vernunftgefüge der Moderne, Freiburg
1988, 357.
80
Heidegger, Über den Humanismus, 32.
81
Heidegger, Über den Humanismus, 33.
82
Martin Heidegger, Die Technik und die Kehre, Pfullingen 71980, 37.
83
Heidegger, Die Technik und die Kehre, 17.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 37
lin verdeutlicht Heidegger: ³Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende
auch.´ Das Rettende ist die Einsicht, dass auch noch das Gestell als
die Heideggersche Fassung des Kreuzes ³ein Wesensgeschick des
Seins selbst ist´.84 Alles kommt darauf an, das Wesen der Technik als
³das Sein selbst zu begreifen´. Im Entzug des Seins, in der Erfahrung
des Nichts kann der Mensch das Sein selbst erfahren. In der ³Stille´
kann er dem Anspruch des Seins entsprechen und die ³Ankunft des
Seinsgeschicks´ in Gelassenheit erwarten. Der derart angesprochene
Mensch ist nicht mehr ³Knecht von Machenschaften´, sondern ³Höri-
ger seiner Herkunft´.85
Heidegger bezeichnet den neuen Menschen als ³den Sterblichen´.
Sein Tod ist nicht der natürliche, sondern ein vermochter, der in der
Lösung von allem bloß Seienden besteht. ³Der Tod ist als der Schrein
des Nichts das Gebirg des Seins.´86 Der Mensch ist nicht von jeher
Sterblicher, vielmehr muss er durch eine Unterscheidung von sich
selbst erst zum Sterblichen werden.87 Diese Selbstunterscheidung sub-
stituiert aber genau diejenige Bestimmung des Menschen, die im
Christentum in Tod und Auferstehung Christi an die Menschen
84
Heidegger, Die Technik und die Kehre, 37.
85
Martin Heidegger, Der Feldweg, Frankfurt am Main ²1956, 4.
86
0DUWLQ +HLGHJJHU ³'DV 'LQJ´ LQ 0DUWLQ +HLGHJJHU Vorträge und
Aufsätze, Stuttgart 71994, 157-³'LH6WHUEOLFKHQVLQGGLHMenschen.
Sie heißen die Sterblichen, weil sie sterben können. Sterben heißt: den Tod
als Tod vermögen. Nur der Mensch stirbt. Das Tier verendet. Es hat den Tod
als Tod weder vor sich noch hinter sich. Der Tod ist der Schrein des Nichts,
dessen nämlich, was in aller Hinsicht niemals etwas bloß Seiendes ist, was
aber gleichwohl west, sogar als das Geheimnis des Seins selbst. Der Tod
birgt als der Schrein des Nichts das Wesende des Seins in sich. Der Tod ist
als der Schrein des Nichts das Gebirg des Seins. Die Sterblichen nennen wir
jetzt die Sterblichen ± nicht, weil ihr irdisches Leben endet, sondern weil sie
den Tod als Tod vermögen. Die Sterblichen sind, die sie sind, als die
Sterblichen, wesend im Gebirg des Seins. Sie sind das wesende Verhältnis
zum Sein DOV6HLQ´
87
+HLGHJJHU ³'DV'LQJ´LQ Vorträge und Aufsätze³'LHYHUQQIWL-
gen Lebewesen müssen erst zu Sterblichen werden´
38 Karlheinz Ruhstorfer
kommt. Wie die Christen dadurch neue Menschen werden, dass sie
Christus anziehen, so werden die ³Knechte von Machenschaften´
dadurch neu, dass sie dem Anspruch des Seins gehorchen.
Wenn Heidegger davon spricht, dass uns nur ein Gott noch retten
könne, dann ist damit keinesfalls die Person Jesus Christus, nicht der
Gott und Vater Jesu Christi und nicht der Heilige Geist gemeint. Die
bloße Rede von Gott darf nicht über den Abgrund täuschen,88 der die
Heideggersche Erfahrung des Nichts vom christlichen Glauben an den
Gottmenschen Jesus Christus scheidet.89 Heideggers Gott gehört in
das ³Geviert´ aus Himmel und Erde, Göttlichen und Sterblichen. Das
Geviert ist der Wohnort der von sich unterschiedenen Menschen, ver-
gleichbar der kommunistischen Gesellschaft und der Welt der Über-
menschen. Doch wie diese bleibt jenes unanschaulich ± und mehr
noch: seine Ankunft bleibt aus.
4. Schluss
88
Heidegger, Über den Humanismus, 39ff.
89
Siehe dazu Boeder, Das Vernunftgefüge der Moderne, 329.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 39
90
Es wäre in einer eigenen Untersuchung zu zeigen, dass gerade die
Ideologien im Gefolge und im Umfeld von Marx, Nietzsche und Heidegger,
die ihre radikalsten Ausprägungen im Sowjetkommunismus und im National-
40 Karlheinz Ruhstorfer
steht: Der Messias kommt nicht an und bleibt doch endlos im Kom-
men. Die Gerechtigkeit ist unbestimmbar und gerade als solche be-
stimmend. Die Gegenwart des Reiches Gottes ist unmöglich und er-
öffnet dennoch die Zukunft von allem Möglichen.
Nach dem Tod Gottes in der Moderne stirbt in der Postmoderne
auch noch der Mensch zahllose Tode (Foucault). Was bleibt hier vom
Gott-Menschen in Knechtsgestalt? Zunächst nur die Dekonstruktion.
Doch beginnen sich heute, nachdem sich die Postmoderne erschöpft
hat, neue Unterscheidungen abzuzeichnen, die die Pauschalisierungen
der postmodernen Dekonstruktion widerlegen und mehr noch ihrer-
seits begrenzen.91 Zum einen ist das metaphysische Verhältnis der Be-
jahung der christlichen Offenbarung von der modernen Negation radi-
kal zu unterscheiden. Dieser Unterschied ist zu fassen als derjenige
zwischen theologischer Vernunft des metaphysischen Zeitalters und
anthropologischer Besinnung der Moderne. Während erstere in ihrer
mittleren Epoche und in der Neuzeit die Selbstmitteilung des christli-
chen Gottes vernimmt und bedenkt, wird sie in letzterer durch einen je
eigenen weltlichen Sinn ersetzt. Sodann ist die Offenbarung selbst als
der Grund von den drei kategorialen Verhältnissen der Position, der
Negation und der Delimitation, welche auf sie bezogen sind, zu unter-
scheiden ± in Analogie zur Heideggerschen Unterscheidung von Sein
und Seiendem. In Anlehnung an Karl Rahner kann den kategorialen
Verhältnissen durchaus eine vorgängige transzendentale Weisung
entgegengesetzt werden, welche als die Bedingung der Möglichkeit
der Metaphysik, der modernen Besinnungen und der postmodernen
sozialismus gefunden haben, für die Postmoderne den Stein des Anstoßes
darstellen und die einzig verbleibende Ethik auf den Weg bringen, nämlich
dass der Andere in seiner Andersheit zu belassen ist und auch noch das Ich
ein Anderer ist, d. h. es ist um die ihm wesentliche Identität gebracht.
91
Dazu Karlheinz Ruhstorfer, Konversionen.
³Der Gottmensch in Knechtsgestalt³ 41
92
6LHKH.DUOKHLQ]5XKVWRUIHU³=XU*HJHQZDUWGHU2IIHQEDUXQJLP$XIEDX
GHU'RJPDWLN´LQZeitschrift für Katholische Theologie 127 (2005).
93
9JO (EHUKDUG -QJHO ³&UHGHUH LQ (FFOHVLDP (LQH |NXPHQLVFKH
%HVLQQXQJ´LQ3:DOWHUX a. (Hrsg.), Kirche in ökumenischer Perspektive.
Festschrift für Walter Kasper, Freiburg 2003, 15-32, 31f.
42 Karlheinz Ruhstorfer
und Heidegger eben ein ganzheitliches Denken lernen. Ihr Denken ist
noch von der Erhabenheit des christlichen Kerngedankens durchbebt:
dass Gott Mensch geworden ist, damit sich der Mensch zu Gott erhe-
ben kann. Von Marx, Nietzsche und Heidegger lernt ein Denken, das
der Weisung entgegenhört, aber auch die Kritik der weltlichen Ver-
hältnisse, seien sie bezogen auf die Macht des arbeitenden Menschen,
auf den Willen der leiblichen Seele, auf das denkende Erfahren des
Daseins. Eingedenk der Grenzen ihres Ortes und bezogen auf den tra-
genden Grund werden die Kritiken Marxens, Nietzsches und Heideg-
gers zu einem Instrument der Versöhnung. Die Überwindung der Ent-
eignung des Menschen in wesentlichen Bereichen seines weltlichen
Seins ist ein Bestandteil der christlichen Botschaft, beginnt doch ge-
mäß der Offenbarung die Versöhnung bereits in Welt und Zeit, auch
wenn ihre Vollendung bis zur Wiederkunft des Herrn noch aussteht.
Nicht zuletzt durch Marx, Nietzsche und Heidegger wird christliches
Denken um die weltliche Dimension bereichert, ³ >«@ XQG ZLU QHh-
men alles Denken gefangen, so dass es Christus gehorcht´ (2 Kor
10,5).
2. Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung zwischen
Nietzsche und dem jungen Heidegger
1
Martin Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, Frank-
furt am Main 1995, 120.
44 Virgilio Cesarone
2
Vgl. D. Havemann, Apostel der Rache. Nietzsches Paulus-Deutung,
Berlin 2003, 105f. Andere wichtige Studien zum Thema Nietzsche-Paulus
VLQG - 6DODTXDUGD ³'LRQ\VRV JHJHQ GHQ *HNUHX]LJWHQ 1LHW]VFKHV 9HU-
VWlQGQLV GHV $SRVWHOV 3DXOXV´ LQ Zeitschrift für Religions- und Geistes-
geschichte XXVI (1974), 97- 8 .KQHZHJ ³1LHW]VFKH XQG -HVXV ±
-HVXV EHL 1LHW]VFKH´ LQ Nietzsche-Studien 15 (1986), 382-397; E. Hirsch,
³1LHW]VFKH XQG /XWKHU ± 0LW HLQHP 1DFKZRUW YRQ - 6DODTXDUGD´ LQ
Nietzsche-Studien 15 (1986), 398- ' +DYHPDQQ ³(YDQJHOLVFKH 3ROH-
miN1LHW]VFKHV3DXOXVGHXWXQJ´LQNietzsche-Studien 30 (2001), 175-186.
3
Nietzsches sehr negatives Urteil über Paulus knüpft an die ebenso ver-
ächtlichen Urteile von Renan und seines Freundes Overbeck an.
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 45
sche stützt sich also auf das Verständnis der Wahrheit, das im paulini-
schen Christentum zu einem Zeichen von Ressentiment wird, indem
es die Macht den Ohnmächtigen gibt.4 Paulus sei, so Nietzsche, der
Hauptverantwortliche für dieses Spiel mit der Wahrheit. Der Apostel
zeige nämlich ³grausame und unersättliche Eitelkeit´,5 weil er sich das
ausgedacht habe, was Calvin dann radikalisiert habe: dass nämlich die
zur Verdammung Vorherbestimmten unzählbar seien. Diesen Welt-
plan habe man Nietzsche zufolge erfunden, um die Herrlichkeit Gottes
bzw. seine Eitelkeit zu zeigen; aber dieser Weltplan sei in Wahrheit
Zeichen der Eitelkeit seiner Erfinder.
Um einen einheitlichen Rahmen zu finden, innerhalb dessen die
Deutung der paulinischen Texte angesiedelt werden kann, ist es wich-
tig, zuerst über das nachzudenken, was Nietzsche im Aphorismus 62
von Morgenröthe unter dem Titel ³Vom Ursprunge der Religionen´
schreibt.6 Denn dieser Aphorismus scheint die Gedanken vorwegzu-
nehmen, die Nietzsche im Aphorismus 68 niederschrieb. Nach Nietz-
sche kann man den Ursprung einer Religion nur aufgrund einer Re-
konstruktion jenes Vorgangs erklären, durch den eine eigene Meinung
als göttliche Offenbarung gedeutet wird. Die Voraussetzung dafür ist,
dass man schon vorher an eine mögliche göttliche Offenbarung ge-
glaubt hat. Von diesem Glauben aus bildet der Stifter einen eigenen
Gedanken; was er sich aber ausgedacht hat, wird von ihm als von Gott
stammend gedeutet. Eine solche ³umspannende Hypothese´ könne
sich nämlich in seinem Geist nicht autonom bilden, sondern nur unter
göttlichem Einfluss. Er schreibt dann Gott die Verursachung seines
Gedankens und auch die Verursachung dieser Verursachung zu. Zu
4
Vgl. Havemann, Apostel der Rache, 3.
5
Friedrich Nietzsche, Der Wanderer und sein Schatten, in: Menschliches,
Allzumenschliches II; in: Kritische Studienausgabe (= KSA), hrsg. von
Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin ²1988, Bd. 2, 591.
6
Friedrich Nietzsche, Morgenröthe. Gedanken über die moralischen
Vorurtheile; in: KSA Bd. 3, 62f.
46 Virgilio Cesarone
diesem ersten Zug kommt ein anderer hinzu: Die persönliche Mei-
nung, da sie nun als göttliche empfunden wird, verliert jeden hypothe-
tischen Charakter, insofern sie sich der Kritik und des Zweifels ent-
zieht. Wenn es einerseits eindeutig ist, dass die eigene Person ein
bloßes Werkzeug dieser Offenbarung ist, offenbart sich andererseits
der Gott nur durch das Denken dieses Werkzeuges. Daher ist Nietz-
sche davon überzeugt, dass eine Religion von einer menschlichen Stif-
tung abhänge, die dann als heilig verstanden werde. Eben diese Heili-
gung trennt endgültig den Gedanken des Religionsgründers von dem,
was dem Zweifel und der Kritik unterliegt, denn die Religion steht
jenseits jeder erkenntnistheoretischen Prüfung.7 Kurz zuvor (im Apho-
rismus 14) hatte Nietzsche die Möglichkeit, einen Weg für neue Ge-
danken zu finden, zum Wahnsinn in Verhältnis gesetzt; er hatte dabei
auf die Epilepsie verwiesen und so auch auf Paulus und auf seine Vi-
sion in Damaskus.
Im Aphorismus 68 von Morgenröthe geht Nietzsche ausdrücklich
auch auf auf Paulus ein ± unter dem Titel: ³Der erste Christ´.8 Zu-
nächst stellt Nietzsche in diesem Aphorismus ein Lektüreproblem dar.
In der Bibel suche man Trost für die eigene Bedrängnis, man suche
7
Um dies zu verstehen, scheint das strukturelle Verhältnis zwischen Wahr-
heit und religiösem Glauben entscheidend, das Nietzsche wahrscheinlich von
dem aufnimmt, was Dostojewski den Satov in einem Gespräch mit Stavrògin
in Die Dämonen VDJHQOlVVW,,7HLO,.DS³$EHUKDEHQ6LHPLUQLFKW
gesagt, dass, wenn man Ihnen mathematisch nachweisen würde, die Wahrheit
sei außer dem Christus, Sie lieber mit Christus als vielmehr mit der Wahrheit
bleiben möchten? Haben SiH GDV JHVDJW" 6LH"´ 'LHVHOEH $XVVDJH ZXUGH
von Dostojewski in einem Brief vom 20. Februar 1854 an Natalia Fonvizin
getätigt. Nietzsche ist davon überzeugt, dass die Wissenschaftswahrheit den
religiösen Glauben nicht ins Wanken bringen kann. Darüber vgl. Havemann,
Apostel der Rache, 112f.
8
Es ist wahrscheinlich, dass Nietzsche ± abgesehen von seinem Urteil über
Paulus als Stifter der Theologie, auf die sich das Christentum gründet ± sich
mit dem Titel dieses Aphorismus auf das bezieht, was in der Apostel-
geschichte überliefert wird (11,25-26). Die folgenden Zitate Nietzsches sind
immer aus Morgenröthe; in: KSA Bd. 3, 64ff.
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 47
und finde eigentlich aber sich selbst. Wenige, sehr wenige können
³die Geschichte einer der ehrgeizigsten und aufdringlichsten Seelen
und eines ebenso abergläubischen als verschlagenen Kopfes´G h. die
Geschichte des Apostels Paulus, lesen und verstehen. Dank dieser Un-
fähigkeit zur Lektüre der heiligen Schriften habe sich das Christen-
WXP ZLH HV YRQ 3DXOXV GHP ³jüdischen Pascal´9 gegründet wurde,
durchsetzen können. Nietzsche liest die paulinischen Briefe dabei als
eine Autobiographie und sucht die psycho-physiologischen Kehrseiten
des Menschen Paulus ins Licht zu rücken. Derjenige, der die Schriften
gut lesen könne, merke, dass Saul ³an einer fixen Idee litt´GHP jüdi-
schen Gesetz. Sein Problem war die Erfüllung des Gesetzes. Paulus
war in seiner Jugend ³der fanatischH9HUWKHLGLJHUXQG(KUHQZlFKWHU´
des Gottes dieses Gesetzes, so Nietzsche.10 Saul war der Verfolger,
der mit vollem Eifer die Strenge des Gesetzes gegen die Gesetzesbre-
cher schützte.11 Dann habe er gemerkt, dass er das Gesetz nicht erfül-
len könne; ihm wurde evident, dass seine Natur sogar zum Gesetz im
Widerspruch stand und dass er immer bereit war, es zu übertreten, und
zwar nicht aufgrund einer Begierde, sondern weil es, wie Paulus selbst
später entdeckte, zum Gesetz gehörte, dass es übertreten wird. Nietz-
sche behauptet, Saulus habe zuerst die Niedergeschlagenheit dessen,
der sich in der unmöglichen Aufgabe der Gesetzerfüllung befinde, er-
lebt. ³Das Gesetz war das Kreuz, an welches er sich geschlagen fühl-
9
Der Vergleich von Pascal mit Paulus stammt aus der Zeit der Morgenröte.
Nietzsche findet bei beiden (wie auch bei Luther) deutliche Zeichen der
Unehrlichkeit. Später wird Nietzsche die reine Andacht Pascals von der
unehrlichen und instrumentellen Andacht unterscheiden; im Fall von Luther
und Rousseau ist die Andacht als Frucht des Ressentiments im Gegenteil
reaktiv (vgl. Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 26 [175]
Sommer-Herbst 1884; in: Nachlaß 1882-1884; in: KSA Bd. 10 und 9 [124],
Herbst 1887; in: Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12). Vgl. hierzu auch C.
3LD]]HVL ³1LHW]VFKH OHWWRUH GL 3DVFDO´ LQ La trama del testo ± Su alcune
letture di Nietzsche, hrsg. von M. C. Fornari, Lecce 2000, 167-221.
10
Vgl. Gal 1,14; Phil 3,6; Apg 22,3.
11
Vgl. Apg 7,58; 8,3.
48 Virgilio Cesarone
12
Luther habe laut Nietzsche dieselbe Erfahrung in seinem Kloster ge-
macht. Er wollte gemäß einem priesterlichen Ideal ein perfekter Mensch wer-
den, aber aufgrund seiner Unfähigkeit fing er an, das gesamte geweihte
Leben zu hassen.
13
Vgl. Gal 3,19-29; Phil 3,8-11.
14
Vgl. Gal 2,15. In der Tat ist für Nietzsche die Erfüllung der evangelischen
Botschaft ± fern jeder möglichen Tugendhaftigkeit ± von einer wunderlichen
Wende des Sünders zur Gnade des Herrn gekennzeichnet. Hier wird freilich
noch einmal auf die paulinische Theologie angespielt (vgl. Nietzsche,
Morgenröthe; in: KSA Bd. 3, 87).
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 49
15
Friedrich Nietzsche, Der Antichrist 12; in: KSA Bd. 6, 179.
16
Nietzsche Der Antichrist 45; in: KSA Bd. 6, 221-223.
50 Virgilio Cesarone
habe: ³Blutzeichen schreiben sie auf dem Weg, den sie giengen, und
ihre Torheit lehrte, dass man mit Blut Wahrheit beweise. Aber Blut ist
der schlechteste Zeuge der Wahrheit; Blut vergiftet die reinste Lehre
noch zu Wahn und Hass der Herzen. Und wenn Einer durch¶s Feuer
gienge für seine Lehre, ± was beweist dies! Mehr ist¶s wahrlich, dass
aus eignem Brande die eigne Lehre kommt.´17
So wird das Evangelium des Nazareners, die Frohe Botschaft des-
jenigen, der ohne Willen zur Macht war (aber ist das physiologisch
möglich?), von Paulus völlig verändert, indem es unter das
Kreuzsymbol gestellt wird. Von der Kreuzigung her stammt Paulus¶
Deutung des Lebens und des Werkes Jesu, woraus er Begriffe und
Dogmen exzerpiert, so dass euangelion ein dysangelion wird, also
Paulus der Dysangelist ist.
Die paulinische Schrift, die in Nietzsches Kritik eine besondere
Rolle spielt, ist der erste Korintherbrief. Paulus setzt sich in diesem
Brief mit dem auseinander, was er selbst von der griechischen Welt
kennenlernen und erfahren konnte. Er kam in die Stadt Korinth näm-
lich nach dem Misserfolg seiner Reise nach Athen und stiftete hier ei-
ne Gemeinde. Dann stellt Korinth ± die Stadt mit zwei Häfen, also
von Handel und Geschäft, und dem Gott Asklepios geweiht ± offenbar
für Nietzsche die Konfrontation von Paulus mit der griechisch-
römischen Welt dar. Im Sprechen zu dieser Gemeinde verleiht der
Dysangelist explizit der Moral des Ressentiment Ausdruck. Die Er-
mahnung des Paulus, das laszive Leben hinter sich zu lassen, wird von
Nietzsche verlacht.18 Er betont die grundlegende décadence der Worte
des Apostels, nach denen Gott die Schwachen und den Wahn der Welt
erwählt habe.19 Diese Idee ist von Nietzsche schon in der ersten Ab-
handlung der Genealogie der Moral gedeutet worden. Dort wurde von
17
Nietzsche, Der Antichrist 53; in: KSA Bd. 6, 235.
18
Nietzsche, Morgenröthe; in: KSA Bd. 3, Aph. 56.
19
Nietzsche, Morgenröthe; in: KSA Bd. 3, Aph. 51.
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 51
ihm der Gegensatz der christlichen Moral, die aus dem Ressentiment
entstanden sei, zur Moral der Vornehmen beschrieben.
Im Antichrist deutet Nietzsche Paulus als Laienrabbiner, der das
Judentum verewigt, aber seinen Groll in Genialität verwandelt habe.
Das Genie von Paulus bestehe darin, dass er im Christentum das Mit-
tel aufgefunden habe, um alle Mysterienkulte des Orients zu überwin-
den, indem er sie dem Christentum einverleibt habe. Paulus¶ Genie
zeige sich in der Verwandlung des Glaubens des Nazareners in einen
Dogmenglauben. Der Dysangelist habe einen Dogmenglauben gestif-
tet und verstanden, dass er durch die Begriffe der Unsterblichkeit der
Seele und der Hölle der Sieger der ³Welt´ XQG YRQ 5RP ZHUGHQ
konnte. Im Apostel der Rache spiegeln sich daher sowohl der Nihilist
als auch der Christ.20 Gegen die von Paulus erzeugte Dogmatik, gegen
einen moralischen Gott zeigt sich Nietzsche in der Tat als Apostel der
Umwertung aller Werte, als Anti-Paulus, der gegen den Gekreuzigten
und für Dionysos Partei ergreift. In einem Notizblatt aus der Zeit des
Antichrist schreibt Nietzsche, dass Jesus und Dionysos sich voneinan-
der nicht wegen des Martyriums unterschieden, sondern in ihrer Hal-
tung dem Leben gegenüber. Der eine war nämlich die Negation des
Lebens; der andere die Verheißung des auferstehenden Lebens.
Die Literatur meint, wenn die Entgegenstellung zwischen Jesus
und Dionysos bestehe, sei klar, dass Nietzsche sich Paulus gegenüber-
stelle. Aber Nietzsches Stellung zu Paulus bleibt dialektisch und auch
ambivalent. Der Umwerter Nietzsche widersetzt sich dem Umwerter
Paulus. Es zeigt sich nämlich, dass Nietzsche die Gesetzeszerstörung
mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen vergleicht. So wurde der
Gedanke der ewigen Wiederkehr des Gleichen von Nietzsche im Zu-
sammenhang eines Ereignisses, das dem Damaskus-Erlebnis von Sau-
lus-Paulus ähnlich scheint, niedergeschrieben. Vor der Vision in Sils-
Maria hatte Nietzsche die Vision von Paulus mit dem gleichem Bild
20
Vgl. Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA Bd. 6, 58.
52 Virgilio Cesarone
Wenden wir uns nun Heideggers Deutung der paulinischen Briefe zu,
um seine Kritik an Nietzsches Zugang zu Paulus zu verdeutlichen. Der
Einfluss der paulinischen Anthropologie auf das Denken Heideggers
ist bereits vor der Veröffentlichung von Heideggers Freiburger Vorle-
sungen über die Einleitung in die Phänomenologie der Religion vom
Wintersemester 1920-21 betont worden.22 Aber erst diese Vorlesun-
gen zeigen das wahre Ausmaß dieses Einflusses.
Nach einer langen methodologischen Einführung geht Heidegger
in diesen Vorlesungen zur Deutung des ersten Briefes des Paulus an
die Thessaloniker über. Es geht ihm dabei um die Grundlegung der
Religionsphilosophie. Dies bedeutet nach Heidegger aber nicht, dass
er sich auf einem von der Philosophie gebotenen festen begrifflichen
21
³8QG HQGOLFK OHXFKWHWH LKP GHU UHWWHQGH *HGDQNH DXI´ 1LHW]VFKH
Morgenröte; in: KSA Bd. 3, 68; für Nietzsches Vision vgl. Nachlaß
Frühjahr-Herbst 1881, 11 [141]; in: Nachlaß 1880-1882; in: KSA Bd. 9,
494-496).
22
Vgl. Otto Pöggeler, Der Denkweg Martin Heideggers, Pfullingen 1963;
7KRPDV 6KHHKDQ ³+HLGHJJHU¶V ,QWURGXFWLRQ WR WKH 3KHQRPHQRORJ\ RI
Religion (1920-´ LQ The Personalist 60 (1979), 312-324; Bernhard
&DVSHU ³0DUWLQ +HLGHJJHU XQG GLH 7KHRORJLVFKH )DNXOWlW )UHLEXUJ 1909-
´ LQ Freiburger Diözesan Archiv 100 (1980), 534-541; Theodore
.LVLHO³+HLGHJJHU-21) on Becoming a Christian: A Conceptual Picture
6KRZ´LQReading Heidegger from the Start. Essays in his Earliest Thought,
ed. by Theodore Kisiel and John van Buren, Albany 1994, 175-194.
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 53
23
Vgl. Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 124.
24
Vgl. Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 90.
54 Virgilio Cesarone
25
Vgl. 2 Kor 12,1-10.
26
Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 124.
27
1 Thess 5,1.
28
Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 103.
29
Vgl. Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 104 und
DXFKZR+HLGHJJHUVFKUHLEW³'HP&KULVWHQGDUIHQWVFKHLGHQGQXUVHLQ
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 55
Mystiker, dem in einer ekstatischen Situation Gott und das All ge-
genwärtig werden. Im Gegensatz dazu lebt der Christ nicht als enthou-
siasmos: ³Lasst uns wach sein und nüchtern´33 Hier zeige sich die
große Schwierigkeit, ein christliches Leben zu führen.
Paulus ist der Mensch, der mit unruhigem Herzen darauf wartet,
dass die Thessaloniker das bekommen, was ihrem Glauben mangelt.34
Er hofft, dass die Thessaloniker stark in ihrem Glauben werden; er
versteht sich als derjenige, der dafür betet. Es gibt noch weitere Unter-
schiede zwischen Nietzsches und Heideggers Zugängen zu Paulus.
Anders als Nietzsche interpretiert Heidegger auch den Hinweis auf
das Gesetz aus dem Galaterbrief. Nomos ist für ihn ein komplexer Be-
griff und verweist darauf, was uns an die Welt des Jetzt bindet. Der
Christ ist im Gegensatz derjenige, der nicht aus Werken, sondern aus
Gnade in Christus den Heilsweg gefunden hat.
Allerdings hat Heidegger nur ein sekundäres Interesse an Paulus.
Denn der Philosoph möchte die Modalität aufweisen, in der der Christ
die Zeitlichkeit erlebt.35
Diese Deutung fügt sich in den Rahmen ein, den Heidegger in die-
sen Jahren entwarf, um Husserls phänomenologische Einstellung zu
radikalisieren. Von seinem Lehrer übernahm Heidegger die Einsicht
in das, was sich gibt, aber nicht theoretisch verstanden werden kann.
Die Ablehnung der Theorie in seinem Zugang zur Religion steht im
Zentrum seiner religionsphilosophischen Arbeit, in der er, Luthers
Kritik folgend, die aus dem Aristotelismus kommenden Kategorien
hermeneutisch zerstört, um die Ursprünglichkeit der christlichen Reli-
gion durch die Deutung der paulinischen Briefe zu erschließen.
Dabei scheint die Nähe von Heidegger zu Schleiermachers Religi-
onsphilosophie eindeutig. Schleiermacher verdanken wir die Unter-
33
1 Thess 5,6.
34
1 Thess 3,10.
35
Heidegger, Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, 116.
Paulus von Tarsus und die Auseinandersetzung 57
Zuerst ist es auffallend, wie die beiden Philosophen trotz ihrer unter-
schiedlichen Zwecke sich bemüht haben, ein ursprüngliches Christen-
tum zu erschließen. Nietzsche wollte das Christentum von der Persön-
lichkeit Paulus her verstehen; hingegen versucht Heidegger, das
Selbstverständnis der Gläubigen von Paulus her zu erschließen. Aber
vielleicht muss das wichtigste Element für diese beiden Interpretatio-
nen des Paulus außerhalb der Figur des Paulus gesucht werden, das
heißt in der Bedeutung, die beide dem Kreuz zuweisen. Wenn Nietz-
sche einerseits eine paulinische Staurologie schildert, die nach der
Umwandlung des Gesetzes strebt und in einem sozial-politischen
Kontext an die Stelle der Selbstbehauptung des eigenen Willens zur
Macht gesetzt wird, sieht Heidegger im Kreuzesereignis den Anlass
für die Verwandlung des Lebens unter dem Zeichen des Kreuzes.
Noch etwas anderes scheint höchst auffallend: Während Jesus für
36
Eben dieser Zugang zur Religion führte zu der Übereinstimmung zwi-
schen Heidegger und dem Theologen Bultmann, dessen Lehrer Herrmann,
der von Heidegger sehr geschätzt wurde, sich auf den Spuren der Theologie
Schleiermachers bewegte (vgl. J. Brejdak, Philosophia crucis. Heideggers
Beschäftigung mit dem Apostel Paulus, Frankfurt am Main 1996, 120). Über
GDV9HUKlOWQLVYRQ+HLGHJJHU]X6FKOHLHUPDFKHUYJO63DWULDUFD³+HLGHJ-
ger und Schleiermacher ± Die Freiburger Aufzeichnungen zur Phänomeno-
logie des religiösen Lebens (1918-´LQHeidegger Studies 18 (2002); E.
%ULWR ³+HLGHJJHU H LO SUREOHPD GHOO¶HVSHULHQ]D UHOLJLRVD LQ )ULHGULFK
6FKOHLHUPDFKHUH5XGROI2WWR´LQAnnuario filosofico 15 (1999), 421-448.
58 Virgilio Cesarone
Nietzsche HLQ ³,GLRW´ LVW, weil dem Nazarener der Wille zur Macht
fehlt, taucht die Figur von Jesus bei Heidegger nie auf.
Heidegger distanziert sich vor allem von der ethischen Deutung der
Verkündigung des Paulus. Denn die Polemik gegen eine Interpretation
des Christentum aufgrund einer moralischen Formalisierung bringt
Heidegger dazu, die ältesten christlichen Dokumente neu zu lesen, um
eine religiöse Dimension zu finden, die diesseits der Trennung zwi-
schen Religion und Ethik liegt. Das Bewusstsein von der Welt und
vom Wahn dieser Welt darf nicht Anlass für eine ethische Trennung
von der Welt sein, sondern für ein Selbstverständnis der eigenen Exis-
tenz, das von der Entscheidung für den Glauben ausgeht.37
Es ist erstaunlich, wie sich der Einfluss der paulinischen Theologie
im Denken der beiden Philosophen in entgegengesetzter Weise zeigt:
Während nämlich die Auseinandersetzung mit Paulus und die Deu-
tung seiner Briefe eine grundsätzliche Rolle spielen, um die späte
Entwicklung von Nietzsches Philosophie zu verstehen (Dionysos ge-
gen den Gekreuzigten, die ewige Wiederkehr des Gleichen), ist die
Auseinandersetzung von Heidegger mit Paulus vielleicht einer der be-
deutsamsten Einflüsse, die sich auf den jungen Denker ausgewirkt ha-
ben, wohingegen Paulus für den weiteren Denkweg Heideggers keine
nennenswerte Rolle mehr spielt.
37
1 Kor 1,20.
3. Heidegger on 1LHW]VFKH¶V :RUG DQG 2YHUFRPLQJ Onto-
theology
1
³'HU hEHUPHQVFK WULWW QLFKW XQG QLH DQ GLH 6WHOOH *RWWHV VRQGHUQ GLH
Stelle, auf die Wollen des Übermensch eingeht, ist ein anderer Bereich einer
anderen Begründung des Seienden in seinem anderem Sein. Dieses andere
Sein des Seienden ist inzwischen²und das bezeichnet den Beginn der
neuzeitlichen Metaphysik²GLH 6XEMHNWLWlW JHZRUGHQ´ 0DUWLQ +HLGHJJHU
³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQ0DUWLQ+HLGHJJHU Holzwege, Frankfurt
am Main 1980, 251. All translations unless otherwise indicated are mine.
60 Jeffery Kinlaw
2
Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen 1957, 26.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 61
within which Being itself can take humankind in its essence again into
an original relation.´3 The preparatory task Heidegger gives his cri-
tique of Nietzsche¶s word attempts to accomplish two aims: (1) ex-
plain in detail the way in which Nietzsche¶s metaphysics is the logical
conclusion of Western metaphysics, and (2) show that the metaphys-
ics of the will to power advances an illusory philosophical anthropol-
ogy that sustains the forgetfulness of Being. I argue that proper reflec-
tion on Nietzsche¶s word involves the re-cognition of the radical
givenness and groundlessness of one¶s self-conception as Da-sein²
release from metaphysics is release from das Man²and, equally im-
portant, recognition of the freedom of God. In sum, the embrace of
one¶s radical contingency and the acceptance of God¶s sheer freedom
are necessary and correlated conditions for an authentic and original
encounter with God.
My paper proceeds as follows. First, I reconstruct Heidegger¶s
analysis of the metaphysics of ³God is dead,´ indicate the intercon-
nection among Nietzsche¶s word, nihilism, and the metaphysics of the
will to power, and explain why Nietzsche¶s thought displays a deep-
seated commitment to metaphysics. Second, I point out the illusory
nature of Nietzsche¶s metaphysics of subjectivity and show how the
ostensible freedom of original Wertsetzen in the will to power is the
self-eradication of freedom²an important point since, for Heidegger,
true religious experience requires a correlation between authentic hu-
man freedom and divine freedom. Third, I outline briefly how proper
reflection on ³God is dead´ is preparatory for the experience of Being
or God. Finally, I conclude the paper with some critical observations
of Heidegger¶s theological vision and the possible tension between the
theology of faith, as developed in ³Phänomenologie und Theologie´
and the more radical theological significance of ³Nietzsches Wort.´
3
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 206.
62 Jeffery Kinlaw
1.
4
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 214.
5
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 215.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 63
6
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 227-228.
64 Jeffery Kinlaw
7
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 223.
8
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 223.
9
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³; in: Holzwege, 251.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 65
10
For a more extensive yet concise discussion, see Heidegger, Identität und
Differenz, 46-53.
11
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 227. Compare
Holzwege ³7KH HVVHQWLDO PHDQV DUH SRVLWHG E\ WKH ZLOO WR SRZHU DV
FRQGLWLRQVRILWVHOI7KHFRQGLWLRQV1LHW]VFKHFDOOVYDOXHV´
66 Jeffery Kinlaw
12
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 233.
13
For a detailed explication of metaphysics as seeking grounds, see Martin
Heidegger, Der Satz vom Grund, Pfullingen 1957.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 67
cites an aphorism from Wille zur Macht in which Nietzsche states that
the question of value is more basic than the question of certainty,
which Heidegger reads as affirming that value establishes self-
certainty.14 So Heidegger¶s contention is something like this: value
positing is self-affirming and self-sustaining which procures self-
certainty and assures one¶s persistence as self-sustaining will to pow-
er. The will to power is the ultimate metaphysical principle; it grounds
one¶s Being (and the Being of any being) in something pre-
determined and constant²namely, its own self-support and self-
justification. The supporting argument might read as follows: (1) val-
ue positing is the self-supporting act of the will to power, whose (2)
self-supporting character gives it endurance or a form of permanence,
which (3) secures self-certainty. Thus, (4) value positing is the foun-
dation for self-certainty. (5) The project of self-support and self-
certainty attempts to secure a fixed and determinate essence for the
will to power based upon the will to power¶s own self-constituting act
of naming values. (6) Accordingly, the will to power is (a) a meta-
physical principle in the tradition of the metaphysics of subjectivity²
the Being of beings grounded in the Being of the subject²and (b) the
completion of that tradition.
The second part of (6b)²will to power is the completion of the
metaphysical tradition²does not follow from the argument sketched
above. But the reasons Heidegger provides for accepting (6b) are fa-
miliar enough. When Heidegger avers that will to power is the com-
pletion of the Western metaphysical tradition, he means that the tradi-
tion has reached its ultimate expression; the intrinsic meaning and
content of the metaphysics of subjectivity has exhaustively unfolded.
Actually, Heidegger makes two related claims: first, that will to power
is the ultimate expression of the metaphysics of subjectivity; and, se-
cond, the stronger claim that Nietzsche¶s metaphysics is the ultimate
14
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 234.
68 Jeffery Kinlaw
2.
As early as Sein und Zeit, Heidegger had suggested that the metaphys-
ical foundation of Da-sein is illusory and simply another instantiation
of the bourgeois everydayness of das Man. Although Heidegger does
not develop this line of argument in ³Nietzsches Wort,´ he makes an
oblique reference to it and provides the reader with enough evidence
to fill in the details. Heidegger remarks that Nietzsche¶s Übermensch
is one whose essence is willed from the will to power, yet whose will-
ing must conform to will to power since will to power is the Being of
beings. Heidegger interprets this statement to mean that will to power
operates always already under the claim of Being. More specifically,
Heidegger emphasizes, will to power finds itself (findet sich) already
formed by the Being of beings before it begins to exercise world do-
minion (Erdherrschaft) associated with will to power.16 This is a strik-
ing claim and in my judgment utterly crucial to Heidegger¶s critique
of metaphysics. Note Heidegger¶s contention that will to power finds
itself already in conformity with the claim of Being, a conformity
which reveals an inherent necessity within the exercise of will to pow-
15
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 254.
16
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 247.
70 Jeffery Kinlaw
17
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 248.
18
Heidegger, Identität und Differenz, 23.
19
6HH *QWHU )LJDO ³)RUJHWIXOQHVV RI *RG &RQFHUQLQJ WKH &HQWHU RI
+HLGHJJHU¶V Contributions to Philosophy´ LQ &KDUOHV ( 6FRWW Susan M.
Schoenbohm, Daniela Vallega-Neu, and Alejandro Vallega (eds.), Com-
SDQLRQWR+HLGHJJHU¶V&RQWULEXWLRQVWR3KLORVRSK\, Bloomington 2001, 200-
203.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 71
sense, one might say that the Machenschaft of the Beiträge is the radi-
calization of das Man.
The derivative character of what Heidegger calls technological
thinking applies equally to will to power. Its claim to self-grounding is
illusory. Although Nietzsche professes originality, his theory of will to
power, Heidegger argues, is a metaphysical construct that fails to
transcend the idle chatter of technological culture. As such, will to
power is a false anthropology, inconsistent with the actual nature of
humankind as Da-sein. A central feature of Da-sein is its ³thereness,´
that is, its sheer rootlessness, which is the stamp of its freedom. As
Heidegger argued in Sein und Zeit, genuine freedom is one¶s release
from everydayness (from the banality of what is customary), yet re-
lease into a groundlessness which alone enables one to experience
one¶s true Being as Da-sein. For Heidegger, metaphysics is a flight
from freedom, simply because its project is to occlude one¶s ground-
lessness with self-conceptions underwritten by metaphysical con-
structs. In sum, Nietzsche¶s metaphysics displays the extremity of the
forgetfulness of Being, which is evident no more clearly than the os-
tensible self-grounding of will to power. But the recovery of one¶s
groundlessness²Da-sein¶s literally finding itself simply there and al-
lowing its being there to shape its self-conception²is a necessary
preparation for what Heidegger calls a new and original experience of
Being²and, by parallel argument, an original encounter with God.
³God is dead,´ thought properly, is a necessary condition and
preparation for an encounter with Being or God. As such, it can repre-
sent the first step²a ³step back´ as Heidegger writes in Identität und
Differenz²toward a transition out of metaphysics and into a posture
toward Being or God that meditatively listens to the disclosure of ei-
ther. Heidegger offers no explicit case in ³Nietzsches Wort´ for the
role I attribute to ³God is dead´ in his critique of Nietzsche¶s meta-
physics, though he does invite the reader to reflect not only on what
Nietzsche meant by the death of God but also on what ³God is dead´
72 Jeffery Kinlaw
20
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 246.
Heidegger on Nietzsche¶s Word 73
21
Heidegger, Identität und Differenz, 26.
74 Jeffery Kinlaw
We can extend the same line of thought to the possibility that ³God
is dead´ can be a necessary preparation for what Heidegger might call
a new and original religious experience. As Heidegger emphasizes in
³Phänomenologie und Theologie,´ God shows Godself as the one cru-
cified. But the possibility of encountering the self-showing of the Cru-
cified God requires that we wait meditatively for that self-showing
stripped of any metaphysical conception of what we are. The radical
freedom of God who may or may not show itself correlates with the
radical freedom of humankind. Put differently, just as the ³as´ of
God¶s self-showing (God shows Godself as the Crucified God) is not
decided beforehand, we do not demand that God address us ³as´ ones
whose Being is already metaphysically anchored. That is, God¶s self-
showing does not accommodate itself to a metaphysically constructed
human self-understanding. To assume the meditative posture requires
courage and resoluteness, since we must await God¶s possible self-
disclosure out of the vulnerability that we are. But in the words of
Höderlin: ³But where the danger is grows the saving power also.´
3.
22
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 206.
23
Laurence Paul Hemming, +HLGHJJHU¶V $WKHLVP 7KH 5HIXVDO RI D 7KHR-
logical Voice, Notre Dame 2002.
76 Jeffery Kinlaw
24
Martin Heidegger, ³Phänomenologie und Theologie´ LQ Wegmarken,
Frankfurt am Main 1967.
4. Kommender und letzter Gott zwischen Heidegger und
Nietzsche
Die Frage nach dem kommenden Gott ist Heideggers Denkweg tief
eingeschrieben. Sie ist allerdings zugleich eines der unerhellbarsten
Rätsel des seinsgeschichtlichen Denkens.1 In dem postum publizierten
Spiegel-Gespräch wurde Heideggers Hinweis einer breiten Öffent-
lichkeit bekannt, dass nur ein Gott aus der Verwahrlosung des Ge-
stells, dem sich vollendenden europäischen Nihilismus, retten könne.
Die Erscheinung des Gottes kann, so heißt es dort, durch Denken und
Dichten nur ³vorbereitet´ werden. Heidegger fragt allerdings des nä-
heren nach dem Erscheinen des Gottes ³im Untergang´ ± und das
heißt danach, ³dass wir nicht, grob gesagt, µverrecken¶, sondern wenn
wir untergehen, im Angesicht des abwesenden Gottes untergehen´.2
1.
1
Es geht in der vorliegenden Skizze darum, die Frage des kommenden und
letzten Gottes in ihren phänomenalen Grundstrukturen zu erhellen, nicht aber
darum, sie auf ihre Nähe zu bestimmten mythologischen Überlieferungen hin
zu befragen, was ± HWZD EH]RJHQ DXI GHQ µOHW]WHQ *RWW¶ ± auch im Sinn
germanischer Mythologie unschwer möglich wäre.
2
9JO ³6SLHJHO-*HVSUlFK PLW 0DUWLQ +HLGHJJHU´ LQ *QWKHU 1HVNH XQG
Emil Kettering (Hrsg.), Antwort. Martin Heidegger im Gespräch, Pfullingen
1988, 81ff., hier 100.
78 Harald Seubert
3
Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie. Vom Ereignis, GA 65,
Frankfurt am Main 1989, 403.
4
0DUWLQ+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQ Holzwege, GA 5,
Frankfurt am Main 1977, 262.
5
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVW WRW¶³LQHolzwege, GA 5, 262.
Kommender und letzter Gott 79
die auf der metaphysischen Wegbahn von Anfang her entzogene Er-
fahrung der Wahrheit des Seins.
Die Verankerung des Wortes vom Tode Gottes in dem Schrei des
tollen Menschen ³de profundis´6 deutet auf die auf den Wegbahnen
des Nihilismus nicht entfaltete verborgene Erfahrung der Geschicht-
lichkeit des Seins hin, was Heidegger wie in einer subtilen Annähe-
rung an Nietzsche im Sinnbild des Hörens verdeutlicht. Mit einem an-
deren Ohr bleibe in das Wort vom Tod Gottes ³hineinzuhören´, so
dass es nicht nur von der Stimme der Vielen auf dem Markt zu unter-
scheiden ist, sondern auch von der vordergründigen Diagnose eines
Verblassens der Leuchtkraft der idea.7
Weiterhin hat Heidegger in seiner Auslegung von Nietzsches Wort
³Gott ist tot´ den Charakter des Gottesmordes besonders herausgestri-
chen, jenes ³Schlags´ gegen das Göttliche, dem die ³letzten Men-
schen´, die ihn führten, nicht gewachsen seien. In der seinsgeschicht-
lichen Blickbahn erweist sich als Anfang des Gottesmordes die
Setzung von Gott als ³summum ens´, als höchster Stufe in einer gra-
duellen Folge des Seienden. Im Umkreis seiner Nietzsche-Vorlesun-
gen sah Heidegger in dem scholastischen Gottesbegriff ganz in diesem
Sinn bereits das Wertschätzen grundgelegt, das seinen letzten Schlag
in der ³Metaphysik des Willens zur Macht´ führe.8 Deshalb kann der
Satz: ³Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch le-
be!´, der am Ende des ersten Teils von Also sprach Zarathustra steht,
gerade nicht Ermächtigung eines über sich hinausführenden Men-
schentums an der Stelle Gottes sein.9 Die Stelle des Gottes muss
vielmehr unwiderruflich ³leer´ bleiben, womit erst das Sein des Sei-
enden auf einen veränderten Grund, jenen der sich selbst setzenden
6
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 267.
7
9JO +HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, GA 5,
217.
8
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 262.
9
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 255.
80 Harald Seubert
2.
2.1.
Dass die Frage nach dem ³letzten Gott´ auf der seinsgeschichtlichen
Wegbahn der Beiträge zur Philosophie auf Nietzsches Wort vom Tod
Gottes bezogen ist und es voraussetzt, zeigt sich eindrücklich in der
Betonung der Absenz des letzten Gottes.
Heidegger deutet dessen Erscheinung in einer Phänomenologie
seines Vorbeigangs. Der letzte Gott ist niemals in Präsenz oder E-
piphanie festzuhalten. Er ³zeigt´ sich nur in Modi seiner Verweige-
rung. Er winkt, gibt also Zeichen, im Anklang an den dem ³Herrn von
Delphi´ zugesprochenen Wesenszug, nicht auszusagen und nicht zu
verschweigen, sondern ³anzudeuten´
Die Frage nach dem ³letzten Gott´ könne sich rechtfertigen, so
bemerkt Heidegger, ³weil zuletzt die Entscheidung über die Götter
10
Wenn Hegel freilich mit der Kenose Gottes das Prinzip freier Subjektivi-
tät und damit der Neuzeit begründet sieht, kommt dem (spekulativen)
Karfreitag, dem Tod Gottes, bei aller unterschiedlichen, ja diametral
entgegengesetzten Beurteilung eine ähnlich zentrale Gewichtung zu.
Kommender und letzter Gott 81
unter und zwischen diese bringt´.11 In der Gestalt des letzten Gottes
steht mithin zur Entscheidung, ob der erste Anfang in einen anderen
Anfang übergeht oder ob das in der metaphysischen Überlieferung
waltende und zugleich sich versagende Seinsgeschehen sich erschöpft
hat.
Der letzte Gott tritt in die Wegbahnen des Seinsgeschehens ein. Er
³JUQGHW´ endliches Dasein in die Wahrheit des Seins und unterschei-
det sich vom christlichen Gott darin von Grund auf, dass er nicht ³(r-
O|VXQJ´, ³d. h. im Grunde Niederwerfung des Menschen´, verheißt,
sondern sie in die Seinsfuge einsetzt.12 In diesen Fügungs-Zusammen-
hang gehört die von Heidegger exponierte Denkgestalt der ³Lan-
thanonten´, der verborgenen Wenigen, die in ihrer erinnernden Rück-
kehr in den ersten Anfang den anderen Anfang anbahnen. Ohne ihren
Rückweg aus der von ihnen erfahrenen Seinsverlassenheit, in die sie
stets einbezogen bleiben,13 ohne das Opfer der Rückwegigen komme
es ³nicht einmal zu einer Dämmerung der Möglichkeit des Winkens
des letzten Gottes´ (ibid.). Mit ihnen ³geschieKW´ die Unterscheidung
beider Anfänge, die als Übergang und gleichermaßen als ³6SUXQJ´ zu
denken bleibt; weshalb sie es sind, die nach dem Gott fragen.14
Heidegger unterscheidet nun scharf zwischen Ende und Letztheit,
worin sich ein Gegenbild gegen jede zielgerichtete, heilsgeschichtli-
che Apokalypse abzeichnet. Das Ende sehe sich selbst als Vollendung
an, es könne eben deshalb das Letzte ³als das Anfänglichste von An-
fang an´ nicht sehen. Dieses Ende versteht Heidegger dabei im Sinn
seiner späteren Interpretationen von Nietzsches ³:LOOHQ ]XU 0DFKW´
als ein Losgerissensein des Seienden ³aus der Wahrheit des Seyns´
11
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 406.
12
Vgl. Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 406, 413.
13
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 411.
14
9JO GD]X YRP 9HUI ³1LHW]VFKH +HLGHJJHU XQG GDV (QGH GHU 0HWD-
SK\VLN´ LQ Heidegger und Nietzsche. Heidegger-Jahrbuch 2 (2005), 297-
321.
82 Harald Seubert
15
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 416.
16
Martin Heidegger, Bremer und Freiburger Vorträge, GA 79, Frankfurt
am Main 1995, 77.
17
Heidegger, Bremer und Freiburger Vorträge, GA 79, 77.
Kommender und letzter Gott 83
2.2.
18
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 411.
19
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 415.
20
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 412.
21
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 26 und 280.
84 Harald Seubert
22
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 510.
23
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 400.
24
6LHKH GD]X LQVEHV 'HWOHY /GHUV ³+|OGHUOLQ +HLGHJJHU XQG GDV
.QIWLJH´ LQ 3HWHU 7UDZQ\ +UVJ ³9ROO Verdienst, doch dichterisch
ZRKQHW GHU 0HQVFK DXI GLHVHU (UGH´ +HLGHJJHU XQG +|OGHUOLQ, Frankfurt
am Main 2000, 83ff. Siehe auch die anderen Beiträge des Bandes sowie H.
+EQHU³µ9RP(UHLJQLV¶XQGYRP(UHLJQLV*RWW (LQWKHRORJLVFKHU%HLWUDJ
zu Martin HeLGHJJHUV µ%HLWUlJHQ ]XU 3KLORVRSKLH¶³ LQ 3DROD-Ludovica
Coriando (Hrsg.), ³+HUNXQIW DEHU EOHLEW VWHWV =XNXQIW´ 0DUWLQ +HLGHJJHU
und die Gottesfrage, Frankfurt am Main 1998, 135ff.
25
Vgl. Paola-Ludovica Coriando, Der letzte Gott als Anfang. Zur ab-
Kommender und letzter Gott 85
3.
3.1.
Gleichen. Als der ³hässlichste Mensch´ als der Mörder Gottes entlarvt
ist, gibt Zarathustra das Motiv des Gottesmordes an, das zunächst in
der Rede des tollen Menschen auf dem Markt im Dunkeln geblieben
war und jenen ³letzten Menschen´, die das ³Ungeheuerlichste´ getan
hatten, auch unerkannt bleiben musste.
Damit verbindet sich in jenem Teil der Dichtung, den Heidegger in
seinen Auslegungen nicht näher in Betracht zog,27 die Ahnung, dass
der kommende Gott auch der wiederkehrende alte sein könnte. Denn
der Tod ist bei einem Gott immer ein ³Vorurteil´. Zarathustra hält
dem ³DOWHQ3DSVW´ entgegen: ³Es könnte wohl so abgegangen sein: so
und auch anders. Wenn Götter sterben, sterben sie immer viele Arten
des Todes.´28
Dies wird kontrapunktisch einer Redesequenz des alten Papstes
entgegengehalten, der weiß, dass er in ³Dingen Gottes´ aufgeklärter
ist als Zarathustra. Deshalb gibt er eine genealogische Erläuterung
(durchaus im Sinn des Moralgenealogen Nietzsche), die Genesis und
Vergehen Gottes gleichermaßen ins Relief treibt. ³Meine Liebe diente
ihm lange Jahre, mein Wille gieng allem seinen Willen nach. Ein gu-
ter Diener aber weiss Alles, und Mancherlei auch, was sein Herr sich
selbst verbirgt. Es war ein verborgener Gott, voller Heimlichkeit.
Wahrlich zu einem Sohne sogar kam er nicht anders als auf Schleich-
wegen. An der Thür seines Glaubens steht der Ehebruch.´29 Ein Gott
der Liebe sei er nie gewesen, da er zugleich Richter sein wollte. Die-
ser Hinweis gewinnt ambivalente Züge, da er Nietzsches Präferenz für
27
Ganz im Unterschied zu Gadamer, für den jener vierte Teil offensichtlich
ein zentrales Problem seiner Nietzsche-Auseinandersetzung bedeutete. Vgl.
dazu Hans-*HRUJ *DGDPHU ³1LHW]VFKH ± der Antipode. Das Drama Zara-
WKXVWUDV ´ LQ Gesammelte Werke, Band IV. Neuere Philosophie II,
Tübingen 1987, 448ff.
28
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: Kritische Studien-
ausgabe (= KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/
München 1980, Bd. 4, 324.
29
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 323.
Kommender und letzter Gott 87
30
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 324.
31
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 324.
32
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 324.
33
Der Gestus und Zusammenhang dieser Überlegungen macht sehr
deutlich, dass dabei nur eine mögliche Deutungserzählung neben anderen
gegeben werden soll.
88 Harald Seubert
vom Tod Gottes. Heidegger hat den von Nietzsche explizierten Ge-
genhalt von Christus und Dionysos daher zu Recht in seiner seinsge-
schichtlichen Bedeutung erkannt und gesehen, dass dieses Zuspiel
noch kaum aufgenommen worden sei. Die Deutung des Willens zur
Macht als Kraft (dynamis) der Selbstüberwindung und des Ertragens
ewiger Wiederkehr des Gleichen fokussiert sich in diesem Gottesver-
hältnis.
Das ³anti-legein´ ³Dionysos gegen den Gekreuzigten...´,34 mit dem
Ecce homo wirkungsvoll schließt, ist von Nietzsche selbst in seiner
Spätphilosophie immer wieder fragend umkreist und bezweifelt wor-
den. Zu den wesentlichsten Modifizierungen an der Geburt der Tra-
gödie gehörte es deshalb bekanntlich, dass Nietzsche in den späten
achtziger Jahren die Natur-Kunstgewalten des Dionysischen und
Apollinischen nun in die eine, zwiespältige Dionysos-Natur zusam-
menführt. Der ³Dionysos philosophos,´ von dem in den Notizen der
achtziger Jahren die Rede ist, bildet Gestalten und löst sie auf, er
bannt den Schmerz und weiß um seinen untilgbaren Grund. Zur Aus-
figurierung eines solchen ³Dionysos redivivus´ kommt es unter der
Voraussetzung, dass die doppelte Gottesgestalt für Nietzsche als
³fremde Stimme´ erscheint35 und dass ³der Name Dionysos wie ein
Fragezeichen´ einer nicht-erschöpfbaren Fülle von ³Fragen, Erfah-
rungen, Verborgenheiten´ einer mäandernden Seele ³beigeschrieben
war´36 Das Problem, wie das Verlangen nach Schönheit aus Entbeh-
rung, Melancholie und Schmerz erwachsen kann, ist, so deutet sich
an, Probierstein für jedes Verständnis der Griechen. Es führt aber auch
von früh an in das Zentrum von Nietzsches Denkweg. Die Einsicht,
dass der ³Dionysos redividuV´ ein ³SKLORVRSKLVFKHU *RWW´ sei, bricht
von Grund auf mit der überlieferten klassischen antiken Gotteslehre.
34
Friedrich Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 374.
35
Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie; in: KSA Bd. 1, 14.
36
Nietzsche, Die Geburt der Tragödie; in: KSA Bd. 1, 15.
Kommender und letzter Gott 89
Ihr zufolge philosophiert der Gott nicht, denn er lebt in der ungetrüb-
ten, immer erhellten ideativen Schau, der theoria.37 Eine philosophie-
rende Gottheit bliebe dagegen (im Sinn des Symposion) dämonisch, in
die Zwischenwelt von poros und penia, Reichtum und Mangel, ver-
wiesen und in das endliche Weltspiel verstrickt.
Das bacchantisch zerreißende, im Umkreis der Tragödienschrift
dem Dionysos zugewiesene Epitheton des Rausches findet seine Ge-
genbegriffe in Traum und verklärender Transfiguration des Leidens:
der Rausch selbst soll in seinem Mehr an Kraft diesen apollinischen
Zug in sich aufnehmen. Das ³anti-legein´LP Antichrist oder in Ecce
homo könnte den Eindruck nahe legen, dass Dionysos mit dem ³einen
Leben´, das es gibt, und dem gegenüber ³Gott´ als Gegensatz-Begriff
erfunden worden sei,38 gleichgesetzt werden könne. Damit wäre in-
dessen, in Übereinstimmung mit der Sentenz aus dem Lenzerheide-
Fragment ³Der europäische Nihilismus´ ± ³µGott¶ ist eine viel zu ext-
reme Hypothese´39 ± das Problem des Tragödien-Buches übersprun-
gen, das Nietzsche auch aus dem Abstand von fast zwei Jahrzehnten
festhielt.
Dies scheint aber nur so. Gerade das Lenzerheide-Fragment erwägt
dieses Problem weiter. Die Absage an die letzten Schluss-Ziele und
ihre Verknüpfung mit der ³extremste(n) Form des Nihilismus´ legt in
der Zeitgestalt des Gedankens ewiger Wiederkehr des Gleichen im
Grundzug die Wiederkehr Gottes nahe: ³Denken wir diesen Gedanken
in seiner furchtbarsten Form: das Dasein, so wie es ist, ohne Sinn und
Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend, ohne Finale ins Nichts: µdie
37
Exemplarisch wäre dabei auf die platonische (im Liniengleichnis vorge-
prägte) und aristotelische (in Eth Nic. VI entwickelte) Unterscheidung zwi-
schen dem dianoetischen, an die Konsekution der Zeit gebundenen Durch-
sprechen der kategorialen Erkenntnis und dem jähen Erschauen göttlicher
noesis (des neuplatonischen nous vor seinem Übergang zur Seele) zu ver-
weisen.
38
Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 272.
39
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 211ff.; 5 [71].
90 Harald Seubert
ewige Wiederkehr¶. Das ist die extremste Form des Nihilismus: das
Nichts (das µsinnlose¶) ewig!´40
Eine besonders bemerkenswerte Verflechtung in dem Dreiklang
zwischen der Erwartung des kommenden, neuen Gottes, der überlie-
ferten judäo-christlichen Gottheit und dem ältesten Alten der Dio-
nysos-Überlieferung ist Nietzsches bemerkenswerten Notizen über
Paulus¶ Dysangelion, die vollkommene Verkehrung der christlichen
Praktik, abzulesen, die er 1887/88 niederschrieb:41 Paulus gehe, so hat
Nietzsche bemerkt, von einem exoterischen Mysterien-Bedürfnis (wie
es ³der großen Menge´ gemäß ist) aus: ³Gott am Kreuze, das Blut-
trinken, die unio mystica mit dem µOpfer¶³, dies sei eine ³Phantasma-
gorie, die den Kampf aushält mit den %LOGHUQGHU*HKHLPNXOWH´. Die
Nähe zu dem Typus Dionysos, zu Mithras und Osiris gehört in den
Zusammenhang der Paulinischen ³Annullierungen des Christentums´.
Jene Kritik kann nichts daran ändern, dass umgekehrt der Ausgriff auf
die Dionysos-Maske des kommenden und letzten Gottes in die Nähe
des Paulinischen Opfer-Christentums rückt. Der nervus probandi von
Nietzsches Selbst-Unterscheidung gegenüber Paulus muss deshalb da-
rin bestehen, dass die anzeigende Rede vom kommenden Gott sich an
die wenigen und seltenen richtet, nicht auf das ³Mysterien-Bedürfnis
der großen religiös erregten Menge´42 zielt. Im Sinn einer zur gleichen
Zeit von Nietzsche im Zusammenhang seiner Nihilismus-Diagnosen
artikulierten Maxime: ³Große Dinge verlangen, daß man von ihnen
schweigt oder groß redet: groß, das heißt cynisch und mit Un-
schuld.´43 Deshalb wird in der durch Erinnerungsbezüge an den Um-
kreis des eigenen Erstlingswerks in Atem gehaltenen Denkbewegung
des Winters 1887/88 dem Christentum der Mangel an einem ³conse-
40
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 212.
41
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 109ff.; 11
[282].
42
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 109.
43
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 189; 11 [411].
Kommender und letzter Gott 91
44
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 221; 14 [9].
45
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 109; 11 [282].
46
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 154; 11 [354].
47
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 162; 11 [365].
48
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 162.
49
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 162.
50
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 154; 11 [354].
92 Harald Seubert
3.2.
51
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 241; 14 [47].
52
Nietzsche, Nachlaß 1882-1884; in: KSA Bd. 10, 105.
53
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 267; 14 [89].
Kommender und letzter Gott 93
54
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 266.
55
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 267.
56
Zu vergleichen wäre Platon, Politeia II und III, mit der Verflechtung von
theologischer, musagetischer und polisbegründender Überlegung, siehe auch
die Orientierung der Hegelschen Ästhetik auf die Darstellung des Göttlichen
(theion) in der Gemeinde.
57
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 267; 14 [91].
58
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 29-32.
59
'D]X 0DQIUHG 5LHGHO ³1LHW]VFKHV /HKUH YRQ GHQ GUHL 9HUZDQGOXQJHQ
94 Harald Seubert
diesem Punkt auf Heideggers Deutung des Nihilismus als jenes Nichts
von allem Seienden zurückverwiesen sehen, das erst in die Schwebe
des Seins bringt.
4.
64
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´,
GA 39, Frankfurt am Main 1980, 51. Dazu exemplarisch: Manfred Frank,
Der kommende Gott. Vorlesungen über die Neue Mythologie, Frankfurt am
Main 1982, insbes. 22ff.
65
Vgl. Dieter Henrich, Der Grund im Bewusstsein. Untersuchungen zu
Hölderlins Denken (1794-1795), Stuttgart 1992, 768f.
66
'D]X DXFK *QWKHU )LJDO ³3KLORVRSKLH DOV KHUPHQHXWLVFKH 7KHRORJLH
Letzte *|WWHU EHL 1LHW]VFKH XQG +HLGHJJHU´ LQ +DQV-Helmuth Gander
(Hrsg.), ³9HUZHFKVHOW PLFK YRU $OOHP QLFKW´ +HLGHJJHU XQG 1LHW]VFKH,
Frankfurt am Main 1994, 89ff.
67
Henrich, Der Grund im Bewusstsein, 769.
96 Harald Seubert
68
Vgl. zum Symptom auch: F. W. Graf, Die Wiederkehr der Götter.
Religion in der modernen Kultur, München 2004.
69
Martin Heidegger, Besinnung, GA 66, Frankfurt am Main 1997, 243.
70
Heidegger, Besinnung, GA 66, 243.
71
Martin Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, Frankfurt am Main
1998, 214.
5. Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation des Todes
Gottes
1.1. Gott und die Götter als Erzeugnisse des schaffenden Menschen
Heidegger stellt in einer Abhandlung aus dem Jahr 1943 unter dem
Titel ³1LHW]VFKHV:RUWµGott ist tot¶³ zunächst fest, dass Nietzsche die
von ihm wiederholt ausgesprochene Feststellung vom Tod Gottes
erstmals im dritten Buch der 1882 erschienenen Schrift Die fröhliche
Wissenschaft formuliert habe, dass aber ³der befremdende Gedanke an
den Tod eines Gottes und an das Sterben der Götter [...] schon dem
jungen Nietzsche vertraut´1 gewesen sei; denn in einer Aufzeichnung
1
MarWLQ+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5,
Frankfurt am Main 61980, 210.
98 Markus Enders
aus der Zeit der Ausarbeitung seiner ersten Schrift Die Geburt der
Tragödie (1870) schreibe Nietzsche: ³Ich glaube an das urgermani-
sche Wort: alle Götter müssen sterben.´2 Heidegger schreibt also
Nietzsche die Überzeugung zu, dass Gott und Götter sterben können,
ja sogar sterben müssen. Von welcher Seinsart aber müssen die Götter
sein, wenn sie vergänglich sein sollen?
Heideggers genauere Vorstellung davon, wie nach Nietzsche die
Götter in ihrem Sein beschaffen sein müssen, um vergänglich sein zu
können, lässt sich folgendem Passus entnehmen: Dort leitet Heidegger
das, was er die Grunderfahrung und Grundstimmung des Nietzschea-
nischen Denkens nennt, aus dem folgenden Ausruf Nietzsches ab:
³Zwei Jahrtausende beinahe und nicht ein einziger neuer Gott.´ Die-
ses dem ersten Buch von Nietzsches letzter größerer Schrift vor sei-
nem geistigen Zusammenbruch, der Schrift Der Antichrist (1888),
entnommene Zitat impliziert nach Heidegger nicht nur, dass Gott tot
ist, ³sondern daß Europa seit zwei Jahrtausenden außerstande gewe-
sen, einen neuen Gott zu schaffen. Denn dies ist ein wesentlicher Ge-
danke Nietzsches, dD GLH *|WWHU YRQ GHQ 0HQVFKHQ µgeschaffen¶
werden. 6LH ZHUGHQ µgeschaffen¶ JHPl GHU MHZHLOLJHQ µreligiösen
Begabung¶ der Völker´3 Zur Begründung zitiert Heidegger die die-
sem Diktum Nietzsches vorausgehenden Sätze: ³Daß die starken Ras-
sen des nördlichen Europa den christlichen Gott nicht von sich gesto-
ßen haben, macht ihrer religiösen Begabung wahrlich keine Ehre, um
nicht vom Geschmacke zu reden. Mit einer solchen krankhaften und
altersschwachen Ausgeburt der décadence [was nach Nietzsches Mei-
nung der christliche Gott ist, M. E.] hätten sie fertig werden müssen.
Aber es liegt ein Fluch dafür auf ihnen, daß sie nicht mit ihm fertig
geworden sind: sie haben die Krankheit, das Alter, den Widerspruch
2
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 210.
3
Martin Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, Frankfurt am Main
1990, 107f.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 99
4
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 108; zitiert nach Friedrich
Nietzsche, Der Antichrist, in: Friedrich Nietzsche, Kritische Studienausgabe
(= KSA), hrsg. von G. Colli und M. Montinari, Bd. 6, München 1999, 185;
fast wörtlich auch in: Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 525; dass
Nietzsche das Schaffen neuer Götter für möglich hält, geht auch aus dem
anschließenden Fragment aus demselben Jahre 1888 hervor, vgl. ebd., 525f.:
³± Und wie viele neue Götter sind noch möglich! [...] Mir selber, in dem der
religiöse ± das heißt gottbildende Instinkt mitunter wieder lebendig werden
will: wie anders, wie verschieden hat sich mir jedes Mal das Göttliche
RIIHQEDUW>@1RFKPDOVJHVDJWZLHYLHOHQHXH*|WWHUVLQGQRFKP|JOLFK´
5
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 108.
6
Vgl. Heidegger, Nietzsches Metaphysik *$ ³)U 1LHW]VFKHV
sind nicht nur der Gott und die Götter µErzeugnisse¶ des Menschen, sondern
DOOHVZDVLVW´
7
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 109f.
100 Markus Enders
Heidegger misst diesem Passus eine hohe Bedeutung bei: ³Hier ist
es klar gesagt: Der Mensch als Dichter, als Denker, als Gott, als Liebe
und zuletzt als Macht: AXVNODUHP'HQNHQLVWGLHV:RUWµMacht¶ zu-
letzt gesagW GHQQ µMacht¶ ist für Nietzsche stets Wille zur Macht.
Wille zur Macht aber ist das Dichten, das Denken, die Gottheit des
*RWWHV µWille zur Macht¶ ist für Nietzsche auch die Liebe. Der
Mensch ist dies alles, insofern er in einer ausgezeichneten Weise im
Willen zur Macht steht. Alles, was ist, ist geliehen und verliehen vom
Menschen und trägt seine Gestalten: morphe tou anthropou. Alles,
was ist, ist eine einzige Anthropomorphie. In ihr ist der Mensch µder
Schaffende¶µDas Schöpferische¶ ist das Wesen des Menschen.´8
Für unsere Frage nach Nietzsches Verständnis des Gottes, dessen
Tod der tolle Mensch proklamiert, ist an den von Heidegger zitierten
und interpretierten Nietzsche-Texten zweierlei wichtig: Erstens, dass
für Nietzsche die Götter und damit auch der Gott, ein Erzeugnis des
wesenhaft schöpferischen und schaffenden Menschen sind, das deren
Wille zur Macht entspringt, und zweitens, dass diese Götter deshalb,
weil sie ein Gemächte des Menschen sind, sterben können und tat-
sächlich sterben.
Den anthropomorphen Charakter der menschlichen Gottesvorstel-
lungen hatte bereits Feuerbachs Religionskritik eindringlich beschwo-
ren. Nietzsche will jedoch im Unterschied zu Feuerbach an menschli-
chen Gottesdichtungen festhalten, ja einen neuen, erst wahrhaft
göttlichen Gott schaffen, nämlich den antichristlichen Gegengott Dio-
nysos, den Gott des reinen, endlosen Werdens. Doch kehren wir zu-
rück zu Heideggers Deutung der Proklamation des tollen Menschen,
von der Heidegger zu Recht wiederholt behauptet, sie wolle keinen
Atheismus propagieren. Wenn aber für Nietzsche jeder Gott ein Er-
zeugnis des Menschen ist, müsste dann nicht auch derjenige Gott, des-
8
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 110.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 101
sen Tod der tolle Menschen verkündet, ein Gemächte des Menschen
sein?
Der tolle Mensch verkündet den Tod des christlichen Gottes, wie Hei-
degger unter Hinweis auf das erste Stück des 1886 von Nietzsche hin-
zugefügten fünften Buchs der Fröhlichen Wissenschaft feststellt.
Denn dieses Buch beginnt mit dem Satz: ³Das grösste neuere Ereignis
± GDVV µGott todt ist¶, dass der Glaube an den christlichen Gott un-
glaubwürdig geworden ist ± beginnt bereits seine ersten Schatten über
Europa zu werfen.´9 Heidegger fügt hinzu, dass Nietzsche die Namen
³Gott´ und ³christlicher Gott´ zugleich zur Bezeichnung der übersinn-
lichen Welt gebrauche: ³Gott ist der Name für den Bereich der Ideen
und Ideale.´10 Dieser Bereich des Übersinnlichen aber habe bei Platon
und im antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Platonismus stets
als die wahre und eigentlich wirkliche Welt, der gegenüber die sinn-
lich erfahrbare Welt nur unwirklicher Schein sei. Daher bedeute
Nietzsches Wort vom Tod Gottes soviel wie: ³Die übersinnliche Welt
ist ohne wirkende Kraft. Sie spendet kein Leben.´11 Die übersinnliche
Welt aber setzt Heidegger mit der metaphysisch verstandenen Welt
gleich. Nietzsche habe daher mit der Proklamation des Todes Gottes
sowohl das Ende des metaphysischen Platonismus verkündet als auch
zugleich den Nihilismus als dessen Folge erkannt.
9
Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft; in: KSA Bd. 3, 573
(Hervorgehoben vom Verfasser).
10
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 212.
11
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 212.
102 Markus Enders
12
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 217.
13
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 222.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 103
14
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 147f.; vgl.
hierzu Karl-Heinz Ruhstorfer, Konversionen. Eine Archäologie der Bestim-
mung des Menschen bei Foucault, Nietzsche, Augustinus und Paulus,
3DGHUERUQ³+HUU]XVHLQLVWGDV%HVWUHEHQGLHVHV:LOOHQV'LHVHQ
Willen zu wollen ist die Bestimmung des Menschen, doch handelt es sich
hier nicht mehr um den Willen des im Christentum geglaubten Herrn des
Himmels und der Erde, sondern um den Willen der µHerren der Erde¶. Ihr
Wille bestimmt bzw. soll bestimmend sein. Er kann dies sein, weil sie zuerst
unG]XOHW]WDOV+HUUEHUVLFKVHOEVWVLQG´
15
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 230.
16
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 230.
104 Markus Enders
aber wolle der Wille über sich selbst hinaus, wolle er stärker und das
heißt: mächtiger werden, mehr an Macht gewinnen: ³Denn das Wesen
der Macht beruht im Herr-sein über die je erreichte Machtstufe.´17
Macht aber ist wesenhaft auf Steigerung hin angelegt, Macht befiehlt
sich selbst das ³Mehr an Macht´. Daher sei ³der Wille zur Macht im
Sinne der Ermächtigung zur Macht´18 selbst das Wesen der Macht. So
lasse die Macht das unbedingte Wesen des Willens erkennen, ³der als
bloßer Wille sich selbst will´.19 Dabei stützt sich Heidegger zur Bestä-
tigung und Rechtfertigung seiner Deutung des Willens zur Macht auch
auf ein spätes Wort Nietzsches: ³Wollen überhaupt, ist soviel wie
Stärker-werden-wollen, Wachsen-wollen ± und dazu auch die Mittel
wollen.´20
Die Bedingungen der Machterhaltung und Machtsteigerung aber
nenne Nietzsche Werte, weil er gemäß seinem Diktum ³in allem Wil-
len ist Schätzen´ das Schätzen als wesentliche Tätigkeit des Willens
betrachte. Schätzen aber bedeutet, ³den Wert ausmachen und feststel-
len. Der Wille zur Macht schätzt, insofern er die Bedingung der Stei-
gerung aus- und die Bedingung der Erhaltung festmacht. Der Wille
zur Macht ist seinem Wesen nach der Werte-setzende Wille.´21 Da der
Wille aber über sich selbst hinaus die Übermächtigung seiner selbst
wolle, müsse er sich im Überreichen seiner selbst, seines eigenen Wil-
lens bewegen und damit immer wieder auf sich selbst als den Glei-
chen zurückkommen. Nietzsches Lehre von der Ewigen Wiederkunft
des Gleichen bestimme daher die Existenzweise des Seins des Seien-
den, wie der Wille zur Macht dessen Wesen bezeichne. Heidegger
sucht des Weiteren zu zeigen, dass die neuzeitliche Metaphysik der
Subjektivität und des Selbstbewusstseins sich in Nietzsches Lehre
17
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 230.
18
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 231.
19
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 231.
20
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 232.
21
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 233.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 105
vom Willen zur Macht vollendet, insofern die Gewissheit als die neu-
zeitliche Gestalt der Wahrheit von Nietzsche erst im Willen zur Macht
begründet werde. Denn Wahrheit werde von ihm als eine Bedingung
der Machterhaltung und daher als ein für den Willen zur Macht not-
wendiger Wert verstanden. Der Wert der Wahrheit aber sei keine hin-
reichende Bedingung für die Gewinnung neuer Macht. Diese gewähr-
leiste erst die Kunst, die neue Möglichkeiten des Willens schafft, ³aus
denen sich der Wille zur MaFKW HUVW ]X VLFK VHOEVW EHIUHLW´22 Die
Kunst sei die grundlegende und erste Bedingung dafür, dass der Wille
seine Macht steigern könne. Deshalb sei die Kunst nach Nietzsche
mehr wert als die Wahrheit und der höchste Wert überhaupt.
1.4. Der ³Werte´ setzende Wille zur Macht als das Sein des Seienden
Wenn nun, so Heidegger, der Wille zur Macht, der Werte als Bedin-
gungen seiner Machtsteigerung und -erhaltung setzt, Grundzug der
Wirklichkeit bzw. das Sein des Seienden ist, dann wird die Gerechtig-
keit zur Wahrheit des Seienden, weil der Wille zur Macht im Setzen
der Werte als der Bedingungen seines eigenen Wesensbestandes sich
selbst gerecht werde und in solchem Werden Gerechtigkeit sei. Als
die Wahrheit des Seienden sei die Gerechtigkeit ³die Metaphysik
selbst in ihrer neuzeitlichen Vollendung´.23
Der Wille zur Macht aber werde zum Ursprung und Maß einer
neuen Wertsetzung nach dem Tod Gottes, d. h. nach der Entwertung
der übersinnlichen Welt. Heidegger zitiert an dieser Stelle den Satz
aus der Rede des tollen Menschen in Nietzsches Fröhlicher Wissen-
schaft, in dem dieser die Größe der Tat der Tötung Gottes anpreist:
³Es gab nie eine grössere That, ± und wer nur immer nach uns gebo-
22
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 236.
23
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 243.
106 Markus Enders
ren wird, gehört um dieser That willen in eine höhere Geschichte, als
alle Geschichte bisher war!´24 Hierzu bemerkt Heidegger: ³0LW GHP
%HZXWVHLQGDµGott tot ist¶EHJLQQWGDV%HZXtsein von einer radi-
kalen Umwertung der bisherigen obersten Werte. Der Mensch selbst
geht nach diesem Bewußtsein in eine andere Geschichte über, die hö-
her ist, weil in ihr das Prinzip aller Wertsetzung, der Wille zur Macht,
eigens als die Wirklichkeit des Wirklichen, als das Sein alles Seienden
erfahren und übernommen wird. Das Selbstbewußtsein, worin das
neuzeitliche Menschentum sein Wesen hat, vollzieht damit den letzten
Schritt. Es will sich selbst als den Vollstrecker des unbedingten Wil-
lens zur Macht.´25 Der Nihilismus als die Entwertung der obersten
Werte sei überwunden zugunsten des über den Menschen hinausfüh-
rendeQ 0HQVFKHQ GHV hEHUPHQVFKHQ ³µDer Übermensch¶ ist der
Mensch, welcher Mensch ist aus der durch den Willen zur Macht be-
stimmten Wirklichkeit und für diese.´26 Heidegger versteht Nietzsches
Konzeption des Übermenschen als eine unmittelbare Folge des Todes
Gottes bzw. der Götter. Denn wenn die übersinnliche Welt keine
spürbare Wirkmacht mehr ausübt auf die sinnliche Welt, wenn sie
wirkungslos und unwirklich, leblos und tot geworden ist ± worin Hei-
degger den metaphysischen Sinn des metaphysisch gedachten Wortes
µGott ist tot¶ sieht ± und wenn der Wille zur Macht als das Prinzip
neuer Wertsetzung gewollt ist, dann ³geht die Herrschaft über das
Seiende als solches in der Gestalt der Herrschaft über die Erde an das
neue, durch den Willen zur Macht bestimmte Wollen des Menschen
über´.27 Diese Folgebeziehung zwischen dem Tod Gottes und dem
Wollen des Übermenschen sieht Heidegger in dem von ihm zitierten
24
Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft; in: KSA Bd. 3, 481.
25
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 246.
26
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 247.
27
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 250.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 107
1.5. Die ³Werte´ setzende Metaphysik des Willens zur Macht als
Vollendung des Nihilismus
Der vom Willen zur Macht bewegte Übermensch aber trete bei Nietz-
sche nicht einfach an die Stelle des christlichen Schöpfergottes. Seine
Systemstelle sei vielmehr die Subjektivität bzw. das Selbstbewusst-
sein, in dem die Neuzeit das Wesen des Menschen festmacht. In
Nietzsches Metaphysik der unbedingten Subjektivität des Willens zur
Macht vergegenständliche sich das vom Willen zur Macht bewegte
Subjekt alles Seienden in der Gestalt der Planung; es unterwerfe sich
die Natur als Gegenstand seines herstellenden Vorstellens, der Tech-
nik, kurz: Es verwandle alles Seiende in eine Funktion seines Willens.
Im Zeitalter der beginnenden Herrschaft des unbedingten Willens zur
Macht sei das Sein zum Wert geworden, d. h. zu einer ³vom Willen
zur Macht selbst gesetzten Bedingung der Sicherung seiner selbst´29
Diese Metaphysik des Willens zur Macht, die das Wertdenken zum
Prinzip erhebt, stelle jedoch nur vermeintlich eine Überwindung, in
Wahrheit vielmehr eine Vollendung des Nihilismus dar. Denn anstatt
das Sein selbst zu denken, gebe sich diese Metaphysik, die das Sein
als Wert schätzt, nur den falschen Anschein, es doch zu denken. Weil
Heidegger das Wertedenken kurzerhand mit Nihilismus gleichsetzt,
deutet er selbst Nietzsches Erfahrung des Nihilismus, wonach dieser
die Entwertung der obersten Werte sei, als eine nihilistische. Der här-
teste, meist sogar von gläubigen Theologen ausgeführte Vernich-
28
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 102.
29
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, GA 5, 253.
108 Markus Enders
30
9JO +HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, GA 5,
³:HQQMHGRFKGDV:HVHQGHV1LKLOLVPXVLQGHU*HVFKLFKWHEHUXKW daß
im Erscheinen des Seienden als solchen im Ganzen die Wahrheit des Seins
ausbleibt, und es demgemäß mit dem Sein selbst und seiner Wahrheit nichts
ist, dann ist die Metaphysik als die Geschichte der Wahrheit des Seienden als
solchen in ihrem Wesen NihiOLVPXV´
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 109
31
Zum Text dieser Rede vgl. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft; in:
KSA Bd. 3, 480ff.
110 Markus Enders
sagte der Andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor
uns? Ist er zu Schiff gegangen? Ausgewandert? ± so schrieen und
lachten sie durcheinander.´ Diese ungläubigen Spötter vermissen im
Unterschied zum tollen Menschen nicht nur Gott nicht mehr als ein
verlorenes Gut für sich, sondern das Bewusstsein einer unbedingten
und unübertrefflichen Bedeutsamkeit Gottes für den Menschen, die
diesen dazu veranlassen kann, Gott, schmerzlichst zu vermissen und
deshalb um jeden Preis, auch um den der gesellschaftlichen Ausgren-
zung und Stigmatisierung, zu suchen, kommt ihnen so hoffnungslos
abwegig, so ver-rückt vor, dass sie dieses Bewusstsein in seiner per-
sonifizierten Gestalt im tollen Menschen nur noch der allgemeinen
Lächerlichkeit preisgeben können. Ihre rhetorischen, jedes Gespräch
von vorneherein unmöglich machenden Fragen machen unmittelbar
eine anthropomorphe Gottesvorstellung lächerlich, die sie dem tollen
Menschen unterstellen. Denn ein Gott, der sich auf dem Marktplatz
finden ließe, könne doch kein Gott sein. Indem sie aber diese Gottes-
vorstellung dem tollen Menschen unterstellen und damit jegliche exis-
tentielle Gottsuche des Menschen ad absurdum führen, zeigen sie,
dass sie selbst nicht nur über kein besseres, sondern über gar kein ei-
genes Gottesverständnis verfügen.
Im Unterschied zu seinen Spöttern ist der tolle Mensch von der Su-
che nach Gott existentiell zutiefst erschüttert und bewegt: Deshalb ruft
oder spricht er nicht, sondern er schreit seine Gottessuche heraus im
Ton der Verzweiflung. Während das Schreien seiner Spötter der oh-
renbetäubende Lärm einer hybrid gewordenen Masse ist, ist das
Schreien des tollen Menschen aus größter seelischer, existenzbedrän-
gender Not geboren. Es ist die Not desjenigen, der mit dem christli-
chen Gott oder dem in seinem Sein vollkommenen Gott der abendlän-
dischen Metaphysikgeschichte sein Ein und Alles verloren hat, nach
welchem er nun mit allen Fasern seiner Existenz sucht; er hat den ge-
tötet, den abgeschafft, den er selbst zutiefst braucht ± deshalb lebt er
seitdem in einer ungeheuren inneren Zerrissenheit und Entzweiung,
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 111
2.2. Die ³Ermordung Gottes´ aus des Menschen eigenem Willen zur
Macht
in Also sprach Zarathustra als das Herz des Lebens und die Wurzel
seines Herzens bezeichnet;32 er ist das Konstitutivum des an sich
selbst vorvernünftigen Lebens und expliziert dessen ihm wesenhafte
Tendenz zur Selbststeigerung.33 Mit dem Willen zur Macht identifi-
ziert Nietzsche die nach ihm einzig reale Welt der Begierden und Lei-
denschaften, die Welt des anfang- und endlosen Werdens einer unge-
heuren Ballung an Kraft, die er später auch die ³dionysische´ Welt
nennt, da der Wille zur Macht der Wille des antichristlichen Gottes
Dionysos sei. Dionysos aber ist der Gott des reinen, endlosen Wer-
dens, das sich in sich selbst zur ewigen Wiederkehr des Gleichen
krümmt. Denn der endlose Übergang muss den Charakter einer Wie-
derkehr haben, um die Ewigkeit des nach dem Tode Gottes fehlenden
Seinsgrundes durch eine gleichsam zeitgebundene Ewigkeit zu erset-
zen. Der ³abgründliche´ Gedanke der ewigen Wiederkehr des Glei-
chen aber ist ein gedichteter Gedanke, eine dionysische Lüge, ge-
schaffen aus dem Willen zur Macht, zumal Nietzsche seine
dionysische Dichtung (etwa die Dionysos-Dithyramben, aber auch
den Zarathustra) als Manifestation des Willens zur Macht versteht.
Doch Dionysos ist nur ein gedichteter, ein bloß gewollter Gott, die di-
onysische Welt ist nur eine gedichtete, gewollte Welt, und die diony-
sische Dichtung ist Tragödie, die zum leidvollen Untergang des über-
menschlichen Helden, zum Scheitern des Gottes Dionysos führt
(Zarathustra geht seinem Sterben entgegen), der allerdings aus dem
Tod immer wieder ins Leben zurückkommt. Daher stilisiert sich
Nietzsche, der sich als Inkarnation des neuen Menschen versteht,
selbst zum leidenden Gottesknecht (in Ecce homo); denn alles Große
32
Vgl. Nietzsche, Also sprach ZarathustraLQ.6$%G³+|UWPLU
nun mein Wort, ihr Weisesten! Prüft es ernstlich, ob ich dem Leben selber
LQ¶V+HU]NURFKXQGELVLQGLH:XU]HOQVHLQHV+HU]HQV´
33
Vgl. Nietzsche, Also sprach ZarathustraLQ.6$%G³1XU ZR
Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern ± so lehre
LFK¶VGLFK± :LOOH]XU0DFKW´KLHU]XYJO5XKVWRUIHUKonversionen, 146.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 113
34
Vgl. Nietzsche, Also sprach Zarathustra LQ .6$ %G ³8QG
jüngst hörte ich ihn diess Wort sagen: µGott ist todt; an seinem Mitleiden mit
den Menschen ist Gott gestorben.¶³
35
Vgl. hierzu ausführlich Ruhstorfer, Konversionen, 151-162.
114 Markus Enders
bleibt. Denn ³die Grenze des Willens zur Macht ist die Grenze der
Macht des Willens´.36
Hätte Nietzsche mit seiner von Heidegger oben genannten Annah-
me Recht, dass die Götter ein Erzeugnis des Menschen wären, dann
wäre auch der christliche Gott vernichtungsfähig und eliminierbar.
Gott im christlichen Verständnis ist jedoch überhaupt nicht und daher
auch nicht von Menschen, die ihn willentlich verneinen, seinsmäßig
aufhebbar. Unter dieser Voraussetzung kann Nietzsches Rede von der
Tötung Gottes durch die Menschen nur bedeuten, dass diese den
christlichen Gott für sich selbst abgelehnt, im Willen durchgestrichen,
ihn für sich, nicht aber an sich abgeschafft haben.
36
Ruhstorfer, Konversionen, 180.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 115
Das alte, in der christlichen Tradition auf Gregor von Nazianz und
Johannes Damascenus zurückgehende und von Augustinus am Ende
von De Trinitate aufgenommene Bild vom Meer des göttlichen Seins
versinnbildlicht Gottes wesenhafte Unendlicheit, die kein Mensch zu
ermessen und zu begreifen vermag. Entsprechendes gilt für die Veran-
schaulichung Gottes mit dem ³ganzen Horizont´. Unter Horizont ver-
steht man ursprünglich die Grenzscheide, nämlich zwischen der über-
sinnlichen und der sinnlichen Welt: Denn der Horizont als die Grenze
des menschlichen Sichtfelds setzt ein Diesseits und ein Jenseits dieser
Grenze konstitutiv voraus. Beide der Tradition des christlichen Got-
tesgedankens entnommenen Bilder implizieren allerdings die Unmög-
lichkeit, einen solchen Gott, der eine unverrückbare Grenze zwischen
sich selbst als der übersinnlichen Welt und der sinnlichen Welt setzt,
töten oder einfach nur wegwischen zu können. Die rhetorischen Fra-
gen, in denen diese Gottesbilder vorkommen, unterstreichen den Ein-
druck einer Vergeblichkeit solchen Unterfangens. Ein noch häufigeres
und seit Platons Sonnengleichnis in der abendländischen Geistesge-
schichte sehr häufig verwendetes Sinnbild Gottes ist die Sonne, das
Prinzip allen Lebens auf Erden. Das Losgekettetsein der Erde von der
Sonne, mit der Nietzsche die Folge der Tötung Gottes für die Men-
schen vergleicht, ist daher ein noch sehr viel stärkeres Gleichnis.
Denn wie die Erde durch ihre Losreißung von der Sonne ihre Zentrie-
rung und damit alles Irdische seine Ordnung verliert, so ist der von
Gott verlassene, richtiger: der sich von ihm als dem Ordnungsprinzip
seines Lebens entfernte Mensch fortwährend am Stürzen, und zwar
nach allen Seiten, d. h. in allen seinen Beziehungen, einschließlich
seiner Selbstbeziehung. Denn er hat mit dem Gottesglauben seinen
Halt sowie seine Zielrichtung, sein ³Oben´ und ³Unten´, verloren.
Seine Vorwärtsbewegung hat deshalb den Charakter eines ziel- und
orientierungslosen Stürzens, eines besinnungslosen, weil fremdbe-
stimmten Fallens angenommen. Das unendliche Nichts des vollkom-
menen Nihilismus ist nach dem Tode Gottes zum licht- und wärmelo-
116 Markus Enders
37
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 404.
Heideggers Deutung von Nietzsches Proklamation 119
Ewigkeit´38 Jede Lust will also aller Dinge Ewigkeit.39 Doch warum
will die Lust aller Dinge Ewigkeit? Weil sie, so Nietzsche, sich selbst,
ihre eigene Ewigkeit will, die irdisch nur als ewige Wiederkunft des
Gleichen möglich ist: ³Lust aber will nicht Erben, nicht Kinder, ± Lust
will sich selber, will Ewigkeit, will Wiederkunft, will Alles-sich-ewig-
gleich´40 Warum aber, so kann auch hier noch gefragt werden, will
die Lust als der schöpferische und bejahende Wille seine eigene
Ewigkeit? Ist es nicht doch die wahre, zeitenthobene Ewigkeit, die Za-
rathustra letztlich dazu bewegt, die Ewigkeit seines eigenen Willens
und seiner Lust als deren zeitliches Ersatz zu wollen? Dürfte nicht da-
für der auffallende Umstand ein Hinweis sein, dass Nietzsche seinen
Zarathustra an das Ende jeder Strophe des ³Ja- und Amen-Liedes´ wie
einen Siegel ± deshalb nennt er dieses Lied zugleich auch ³die sieben
Siegel´ ± folgenden Refrain setzen lässt, dessen abschließende Quint-
essenz er stets einmal noch wiederholt: ³Nie noch fand ich das Weib,
von dem ich Kinder mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe:
denn ich liebe dich, oh Ewigkeit! Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit!´41
Zeigt nicht diese Kurzformel seiner eigenen Erlösungslehre, in der er
die Ewigkeit als solche, d. h. unspezifiziert, als den Gegenstand seiner
inbrünstigen Liebe anspricht, dass seine tiefste Lust und Leidenschaft
letztlich und ihm unbewusst doch der wahren, zeitfreien, der nicht
mehr übergänglichen Ewigkeit Gottes galt? Aber er wollte diese
Ewigkeit, die der Mensch nur empfangen, d. h. als eine ihm gegebene
und geschenkte erhalten kann, in seinem heillos verstiegenen Willen
38
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 403.
39
Nietzsche, Also sprach ZarathustraLQ.6$%G³$OOH/XVWZLOO
aller Dinge Ewigkeit, will Honig, will Hefe, will trunkene Mitternacht, will
Gräber, will Gräber-Tränen-Trost, will vergüldetes Abendroth ±´
40
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 402; vgl auch ebd.,
³was will nicht Lust! [...] sie will sich, sie beisst in sich, des Ringes
Wille ringt in ihr, ± [...] Denn alle Lust will sich selber, [...] Ihr höheren
0HQVFKHQOHUQWHVGRFK/XVWZLOO(ZLJNHLW´
41
Vgl. Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 287-291.
120 Markus Enders
zur Macht, zum Herr-Sein über alles mit eigenen Händen ergreifen,
sich ihrer aus eigenem Willen bemächtigen. Deshalb wurde ihm schon
lebensgeschichtlich seine tiefste Lust zum tragischen Verhängnis.
Dass das den Menschen restlos beseligende Glück über den Men-
schen hinaus im Übermenschlichen liegen muss, hat Nietzsche wie
kaum ein zweiter Gott-Sucher gewusst.42 Dass er aber glaubte, dieses
Übermenschliche selbst schaffen zu können, war sein großer Irrtum.
Und dass er es aus seinem unbändigen Willen zur Macht heraus selbst
werden wollte, war seine erschreckende Hybris, von der sein berühm-
tes Wort ein beredtes Zeugnis gibt, welches er Zarathustra ausdrück-
lich als die gänzliche Offenbarung seines Herzens in den Mund legt:
³wenn es Götter gäbe, wie hielte ich¶s aus, nicht Gott zu sein! Also
giebt es keine Götter.´43
42
Dass Nietzsches Begriff des ÜbHUPHQVFKHQ DOV HLQH ³6lNXODULVLHUXQJ
RGHU7UDYHVWLHUXQJ´HLQHVTheologumenons, nämlich des insbesondere in der
griechischen Patristik und im lateinischen Mittelalter geprägten christlichen
Begriffs vom Übermenschen verstanden werden muss, der seinerseits aus
dem ursprünglich griechischen, dann christlich rezipierten und transformier-
ten Konzept der deificatio einer Zielvorstellung für das menschliche Leben
hervorgegangen ist, hat Werner Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner
Metaphysik, Frankfurt am Main 21979, 385-390, mit umfangreichem Beleg-
material aufgezeigt. Im Unterschied zu Nietzsche, bei dem sich der Mensch
über seine seitherige Daseinsform aus eigener willentlicher Schaffenskraft
zum Übermenschen als einer höheren Daseinsform erheben soll, bezeichnet
nach christlichem Verständnis der Übermensch die übermenschliche, weil
gotterfüllte Existenzweise des von Gott selbst zur Teilhabe am göttlichen
Leben begnadeten Christen.
43
Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 110.
6. Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics in
Heidegger¶s Essay ³7KH:RUGRI1LHW]VFKHµGod is Dead¶³
1
Martin Heidegger, ³7KH :RUG RI 1LHW]VFKH: µGod is dead¶³ LQ The
Question Concerning Technology, trans. by William Lovitt, New York 1977,
Preface x.
2
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´WUDQVE\'DYLG).UHOO
in: Nietzsche i, New York 1979, 4; Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen,
1961, 2.
3
0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH :LOO WR 3RZHU DV .QRZOHGJH DQG DV 0HWD-
SK\VLFV´ WUDQV E\ -RKQ 6WDPEDXJK 'DYLG ) .UHOO DQG )UDQN $ &DSX]]L
in: Nietzsche iii, San Francisco 1987, 8; Nietzsche I, 480.
122 Dale Wilkerson
4
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPH´WUDQVE\'DYLG
F. Krell; in: Nietzsche ii, New York 1984, 3; Nietzsche I, 473.
5
Heidegger, Nietzsche ii, 39-47; Nietzsche I, 517-527.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 123
6
Heidegger, Nietzsche ii, 7; Nietzsche I, 478-479.
124 Dale Wilkerson
Western unfolding of Being. And, a text that prepares the way for
Heidegger¶s later critique of modernity.
I wish to pay heed particularly to those parts of Heidegger¶s analy-
sis that suggest the consummation of metaphysics in a new and deci-
sive principle, one guiding the relationship of all beings in their ³tak-
ing priority over Being.´ Through Heidegger¶s work, this principle
will emerge in Nietzsche¶s thought as the fundamental state of all that
lives²indeed, as a primary condition for living.
This principle, named both in Heidegger¶s Nietzsche lectures and
in the 1943 essay, names that power by which values are posited ac-
cording to the two-fold requirement of preservation-enhancement
(Erhaltung-Steigerung). Heidegger¶s meditation on this principle in
Nietzsche¶s thought in the mid 1930s and early 1940s will bring him
closer to unveiling modernity¶s one-dimensional disclosure of beings
as Gestell, an unveiling that will take many forms. For this reason, I
believe the following analysis is significant for situating the develop-
ment of Heidegger¶s later thought. We will discover that Nietzsche¶s
value-positing principle, indeed, constitutes a metaphysics of sorts,
one that is the essence, in Heidegger¶s view, of Nietzsche¶s doctrine
of power and one that is determinative of how and why values, includ-
ing the highest values, are ³posited´ at the consummation of meta-
physics. Unveiling such a principle will disclose also the one-
dimensional nature of the metaphysics of the age.
As I follow Heidegger through the labyrinth of Nietzsche¶s
thought-path to the will to power I will examine how, in Heidegger¶s
view, such a principle expresses on the whole the major elements of
Nietzsche¶s thought. Then, perhaps we will be in a better position to
understand how and in what way Heidegger conceives of Nietzsche as
the avatar for the consummation of metaphysics. We may then also be
in a better position to understand how Heidegger¶s critique of Nie-
tzsche speaks to the still greater project of thinking on the meaning of
Being.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 125
2. Nietzsche¶s Thought-Path
7
0DUWLQ+HLGHJJHU³(XURSHDQ1LKLOLVP´WUDQVE\)UDQN$&DSX]]LLQ
Nietzsche iv, San Francisco 1982, 3; Nietzsche II, Pfullingen 1961, 31.
8
0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH :RUG RI 1LHW]VFKH´ 0DUWLQ +HLGHJJHU
³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, Frankfurt am Main 82003,
193.
9
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 193.
10
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´-54; Holzwege, 193.
126 Dale Wilkerson
11
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 194.
12
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´-57; Holzwege, 196.
13
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 204.
14
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 193.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 127
After the essay lays out Heidegger¶s purpose for establishing Nie-
tzsche¶s place in Western metaphysics, Heidegger turns to confront
the ³major themes´ of Nietzsche¶s thought. The first of these themes
is ³nihilism,´ best expressed in Nietzsche¶s narrative of the madman
who seeks God in the marketplace of non-believers, only to discover
that ³God is dead.´15 Nietzsche¶s voicing of the modern predicament,
however, is not as easily understood as some readers might suspect.
Simply finding ³believers´ in the marketplace will not refute nihilism,
nor can this be accomplished by identifying those who suppose them-
selves free from the stain of meaninglessness. The difficulty in under-
standing Nietzsche¶s articulation of nihilism²and the even greater
difficulty of grasping how deeply rooted such an articulation reaches
into the destining of Being²give evidence both to the ³uncanniness´
of this ³guest´ and to the incapacity of the modern age to think in
terms suggesting the fullness of Being. Thus, it becomes necessary, in
Heidegger¶s view, to examine both what Nietzsche intends to say in
announcing the arrival of nihilism and what this announcement means
for the possibility of thinking. Such examinations will reveal certain
difficulties facing all who engage modernity with the conviction of
honesty. The simple act of maintaining a metaphysical posture, for
example, will fail to escape nihilism¶s intrusion. Oftentimes, those
who most consider themselves to be free of nihilism¶s sway are actu-
ally strengthening its swell. An examination of nihilism will reveal, as
15
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 196.
128 Dale Wilkerson
well, that not everyone thinking seriously about the collapse of the su-
persensory world is at the same time intending to establish ³the dicta-
torship of Nothing.´16
Given the oftentimes vague use of the term ³nihilism,´ Heidegger
proposes to examine its meaning carefully, before turning to consider
what Nietzsche says about it and whether his philosophy has merely
negative connotations. ³Nihilism,´ according to Heidegger, ³is a his-
torical movement.´17 But it is not simply one of many developments
making itself knowable in the course of an historical context. It is not
particular to those writers, nations, or epochs that have brought it into
focus, nor are such agents the originators of meaninglessness. Nihil-
ism is a historical movement in the sense that it ³moves history´ and
that ³in its essence´ it is ³the fundamental movement of the history of
the West,´ drawing its peoples towards the modern age.18 On this iter-
ation, ³nihilism´ is not synonymous with ³atheism.´ Rather, it alludes
to a more general state of ³Godlessness´ than is usually understood in
the Christian context.
Likewise, the term ³God´ in Nietzsche¶s madman aphorism and
elsewhere refers to the suprasensory world and its normative powers
in a very general way. It is possible, Heidegger reminds us, to be an
atheist in such a way as to merely replace one set of normative expla-
nations with another. But, such a parade of ideals, with each set as-
suming the throne of the preceding form and appropriating its norma-
tive powers sent down from above, merely succeeds in varying the old
theme of metaphysics as it was developed through Plato and later in
Christendom. This kind of succession falls far short of accomplishing
16
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 201.
17
+HLGHJJHU ³7KH :RUG RI 1LHW]VFKH´ Holzwege, 201. Cf. also
Heidegger, Nietzsche iv, 4; Nietzsche II, 32-33.
18
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´-63; Holzwege, 201-202.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 129
19
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 203-204.
20
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 205.
21
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 206.
130 Dale Wilkerson
22
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 208.
23
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 209.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 131
and their ruling force. But this event does not render all willing to be
in vain. The disappearance of such metaphysical aims and their nor-
mative powers means for Nietzsche that new necessities are demanded
for thinking and for willing: ³ZLWK WKLV WUDQVIRUPDWLRQ >«@ QLKLOLVP
has also perfected itself for the free and genuine task of a new valua-
tion (Wertsetzung).´24 In the ³perfected´ way that Nietzsche under-
stands it, nihilism means that the world of values will necessarily call
for constant ³revaluation.´ ³Nietzsche recognizes that despite the de-
valuing for the world of the highest values hitherto, the world itself
remains; and he recognizes that, above all, the world, become value-
less, presses inevitably on toward a new positing of values
(Wertsetzung). After the former values have become untenable, the
new positing of values changes, in respect to those former values, into
a µrevaluing of all values¶ (Umwertung aller Werte).´25
Heidegger recognizes a paradigm shift in Nietzsche¶s metaphysics.
With respect to those metaphysical aims and their normative powers
in the age before the so-called death of God, the place for depositing
such values, and the most notable characteristic of all pre-Nietzschean
metaphysics, was the world of the supersensory. In the sense that Nie-
tzsche recognizes a new necessity for positing the highest values, due
to the collapse of this supersensory world, the character of any new
valuation must also be altered. Such an alteration means that a rever-
sal of the ancient, long-standing valuation is in preparation. Briefly
stated, this old valuation is the Christian-Platonic one (which offers)
the perspective of sometKLQJ >«@ ³beyond´²in which ³true bliss´
has its home, in contradistinction to this ³vale of tears´ that is called
the ³earth´ and ³world.´26
24
Heidegger, Nietzsche iv, 5; Nietzsche II, 34.
25
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 206.
26
Heidegger, Nietzsche iii, 16-17; Nietzsche II, 489-490. &I DOVR ³7KH
:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 200.
132 Dale Wilkerson
27
Heidegger, Nietzsche iv, 6; Nietzsche II, 35.
28
Cf. ³Der Wille zur Macht als Prinzip einer neuen Wertsetzung´ LQ
Heidegger, Nietzsche ii, 15-21; Nietzsche II, 487-495.
29
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´-71; Holzwege, 209-10.
30
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 210.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 133
31
Heidegger, Nietzsche iii, 17; Nietzsche II, 490.
32
Heidegger, Nietzsche iii, 17; Nietzsche II, 490.
33
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
34
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
134 Dale Wilkerson
35
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
36
Heidegger, Nietzsche iii, 15-16; Nietzsche II, 488.
37
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
38
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 212.
39
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
40
Heraclitus, fragment 51.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 135
41
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 213.
42
Heidegger, Nietzsche iii, 15; Nietzsche II, 487.
43
Heidegger, Nietzsche iii, 18; Nietzsche II, 492.
44
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 213.
136 Dale Wilkerson
45
HeiGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 213.
46
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 213.
47
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 213.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 137
value that at the same time evidences the positing of new values as
such (from the perspective of ³life´). Although ³life´ and the ³sensory
world´ have emerged as the conditions for positing such values and
for grounding their ³normative powers,´ we are still dealing here, in
Heidegger¶s view, with a meta-physical principle: ³If the essence of
metaphysics consists in grounding the truth of being as a whole, then
the revaluation of all values, as a grounding of the principle for a new
valuation, is itself metaphysics. What Nietzsche perceives and posits
as the basic character of being as a whole is what he calls the µwill to
power¶.´48
Because nihilism in Nietzsche¶s metaphysics articulates a change
in the nature of value-positing, a new principle is required for deter-
mining the ground of all future values. Nietzsche names ³will to pow-
er´ as this new principle. Here, it appears that will to power serves as
the heretofore-unrecognized ³ontological origin´ of values at the con-
summation of Western metaphysics. It remains to be seen, however,
what Nietzsche means by this appellation.
In our examination of the two-fold conditions that ground Nie-
tzsche¶s metaphysics, we have seen, thus far, that ³nihilism´ and ³re-
valuation´ indeed constitute major developments on Nietzsche¶s
thought-path leading to the will to power. Heidegger begins his expli-
cation of this third major component of Nietzsche¶s thought in the fa-
miliar way, by deconstructing the all-too-mundane interpretation of
what the concept announces. He notes that the usual view of ³will to
power´ begins by conceiving of ³will´ and ³power´ independently.
Then, this view connects these conceptualizations to form a principle
that grounds all existence in ³the striving (will) to exercise rule and
authority (power),´ or even ³the striving to come into power.´ On this
view such striving is a consequence of a psychological condition that
48
Heidegger, Nietzsche iv, 6; Nietzsche II, 36.
138 Dale Wilkerson
49
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 215.
50
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 215-16.
51
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 216.
52
Heidegger, Nietzsche iii, 119; Nietzsche II, 611.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 139
53
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 216.
54
Heidegger, Nietzsche iv, 7; Nietzsche II, 37.
140 Dale Wilkerson
Will to power is that ground from out of which values are posited;
it ³tolerates´ no supersensory ground outside of itself; it not only ³is´
the highest value, but it also accounts for the way of the highest value
as what is. Heidegger later analyzes the apparent ³metaphysical´ dif-
ficulties involved with securing, via the will, a preserved space from
which it is possible to venture forth in willing, and he claims that the-
se difficulties make Nietzsche more properly a remnant of moderni-
ty¶s Cartesian tendencies than the true slayer of metaphysics. Yet, be-
fore this critique is delivered in full, Heidegger explicates one last
feature in Nietzsche¶s ³fully developed philosophy,´ the meaning of
³power.´
Although ³preservation and enhancement mark the fundamental
tendencies of life´ and these tendencies ³belong together,´ Erhaltung
³stands in the service of Lebenssteigerung.´55 The essence of life, in
this reading, is mastery of power¶s enhancement (Machtsteigerung),
the ³overpowering of power´ that ³belongs to and springs from power
itself.´56 Heidegger is describing here the way of power as the ventur-
ing out of that which remains the same²the empowering-
overpowering-power. In the summer semester 1939 lecture course he
identifies ³will´ and ³power´ as the same, in the ³metaphysical sense
that they cohere in the one original essence of will to power.´ Yet,
there is also distance between them, a distance that provides the ten-
sion necessary for the overcoming of self: ³Will to power means em-
powering to the excelling of itself. Such overpowering to excelling is
at the same time the fundamental act of excelling itself. For this rea-
son, Nietzsche constantly speaks of power being in itself µenhance-
ment of power¶ (Machtsteigerung): the powering of power is empow-
ering to more power.´57
55
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
56
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 217.
57
Heidegger, Nietzsche ii, 152-153; Nietzsche II, 651.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 141
58
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 217.
59
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 218.
142 Dale Wilkerson
60
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 214.
61
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 220.
62
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 221.
Preservation-Enhancement as Value-Positing Metaphysics 143
63
Heidegger, Nietzsche iv, 9; Nietzsche II, 39.
64
Heidegger, Nietzsche iii, 91; Nietzsche II, 579.
65
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´Holzwege, 211.
66
+HLGHJJHU³7KH:RUGRI1LHW]VFKH´-108; Holzwege, 242-43.
II. Jenseits von Gut und Böse? Fragen der Ethik und Moralphi-
losophie
7. Nietzsche and Heidegger on Pain
³Have you ever said Yes to a single joy? O my friends, then you said
Yes to all woe.´1 Thus spoke Zarathustra. Zarathustra challenges us to
say ³yes´ to pain. This is no loose provocation uttered in a moment of
effusiveness. Rather it is a contention that lies at the heart of Friedrich
Nietzsche¶s philosophy. Life summons pain. Indeed, Martin
Heidegger would later add: life is pain.2 Nietzsche and Heidegger
challenge us to assess positively a phenomenon that we would nor-
mally value negatively. However different their conceptions are, for
both pain is not a negative force but represents an affirmative power.
There are two reasons in particular why it is difficult to make sense
of Nietzsche¶s and Heidegger¶s notions. Firstly, today pain is regarded
as a major sickness, affliction, and atrocity. How could one call pain
³life,´ while sickness and affliction rather seem to root it out? Second-
ly, the main trend in contemporary pain research consists in the mate-
rialist attempt to explain all pain in physical terms. Strict materialists
claim that psychological pain is nothing but a myth.3 Moderate mate-
rialists too demand that pain be explained in or rephrased in physical
terms. How are Nietzsche¶s and Heidegger¶s rather aesthetically ex-
pressed views of pain as a challenge to be understood in the face of
the currently prevailing materialism?
1
Friedrich Nietzsche, Also Sprach Zarathustra ; in: Kritische Studien-
ausgabe (= KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/
München 1980, Bd. 4, 402.
2
0DUWLQ+HLGHJJHU³'LH6SUDFKHLP*HGLFKW´LQUnterwegs zur Sprache,
Stuttgart 111997, 62.
3
See Valerie G. Hardcastle, The Myth of Pain, Cambridge, Mass./London
1999.
148 Abraham Olivier
1. Nietzsche
4
See, for instance, Friedrich Nietzsche, Morgenröthe. Gedanken über die
moralischen Vorurtheile; in: KSA Bd. 3, 48; Götzen-Dämmerung; in: KSA
Bd. 6, 159 ; Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 7, 168 ; Nachlaß 1880-1882;
in: KSA Bd. 9, 309; Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 152, 335.
5
See again Nietzsche, Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 7, 168; Nachlaß
1880-1882; in: KSA Bd. 9, 309; Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 152,
335.
6
See Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliche; in: KSA Bd. 2, 72 and
Nachlaß 1875-1879; in: KSA Bd. 8, 86.
7
See Nietzsche, Morgenröthe, in: KSA Bd. 3, 48 and Zur Genealogie der
Moral; in: KSA Bd. 5, 298.
Nietzsche and Heidegger on Pain 149
8
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, Zürich 1988,
57 and 67.
9
Nietzsche, Die Geburt der Tragödie; in: KSA Bd. 1, 36, 43, 108 and 152.
10
Friedrich Nietzsche, Twilight of the Idols, trans. by Richard J. Holling-
dale, London 1990, 120.
11
Nietzsche, Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 4, 356ff.
12
Nietzsche, Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 7, 205-207.
13
Nietzsche, Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 7, 214.
150 Abraham Olivier
forces, the difference of clashing powers, from which life arises. Thus
Zarathustra says: pain burrows, pierces, breaks and tears into the
heart that longs to live.14 Like Heidegger, Nietzsche sees pain as a
rupture, which rends our life asunder, but by means of this separation
conveys what it bears on. In the separation, in the contradiction, in the
conflict of forces, in the destruction of present forms²in short: in the
rupture of pain²we pierce into that which makes us what we are.
This brings us closer to an understanding of Nietzsche¶s positive
assessment of pain. Though pain appears to be a handicap, it most es-
sentially resembles the power of life. Life is transition via decline.
Conversely, this means that all pain, the hurt of an injury, the afflic-
tion of torture, like the agony of tragedy, signifies decline that bears
on the forces of life. This also means that the rupture of pain finally
summons the very forces that help us to surmount it. In this sense Nie-
tzsche challenges us to counter the misery of pain with misery, or to
celebrate affliction just as the Greeks did. In fact Nietzsche challenges
us to live. And that means to ³will´ pain. But, before we more closely
look at this challenge, let us first explore Heidegger¶s view.
2. Heidegger
14
Nietzsche, Nachlaß 1869-1874; in: KSA Bd. 7, 314, 399, 402 and 403.
15
Martin Heidegger, Zollikoner Seminare, Frankfurt am Main 1987, 81-82.
Nietzsche and Heidegger on Pain 151
16
0DUWLQ+HLGHJJHU³=XU6HLQVIUDJH´LQ Wegmarken, Frankfurt am Main
1976, 385-427 and 404.
17
0DUWLQ+HLGHJJHU³'LH6SUDFKH´LQUnterwegs zur Sprache, 9-35.
18
6HH 0DUWLQ +HLGHJJHU ³'LH 6SUDFKH LP *HGLFKW´ LQ Unterwegs zur
Sprache, 35-83.
152 Abraham Olivier
19
Roselyne Rey, The History of Pain, Cambridge 1998, 12-13, 16.
20
Rey, The History of Pain, 12-13.
21
Rey, The History of Pain, 15.
Nietzsche and Heidegger on Pain 153
denote agony. The Greek tragedies as well as Plato and Aristotle use
these terms in apposition to algos to refer to aspects of agony such as
minor conflict or serious combat as well as anguish, trauma and grief.
Once we see algos in apposition to odune, pema, agon and lupe, it at-
tains spatial and temporal features. This is in contrast with the com-
prehensive meaning it has if it stands on its own.
What is the point of this etymology? It indicates that the contention
that pain is a rupture that concerns our whole being underrates the
spatial and temporal dimensions that belong to its etymology. The rich
etymology of the word algos suggests that not every pain needs to be
understood in terms of comprehensive suffering, as a rupture that tears
asunder my being. This is indeed what we also learn from the Latin
etymology. The Latin verb suffere (³to suffer´) pertains more to the
subject, while dolere (³to feel pain´) refers to temporal or even local-
isable hurt, affliction or agony.22 For example, we say I suffer, but my
arm pains. This means that, if my arm pains, I would not necessarily
say that I suffer. Hence it seems to me that ³rupture´ is too strong a
term to do justice to the various meanings of algos. Instead I would
suggest the term disturbance. Pain is at least a disturbance of my actu-
al condition. The pain in my arm may disturb me while writing. Yet it
must not disrupt my whole life. Nevertheless we can still also apply
disturbance to comprehensive suffering. A disturbance can be insig-
nificant as well as devastating. Of course, states other than pain can
also be disturbing. Itching, noise, a sharp light, a bad smell: all these
can be called disturbances. Not every disturbance is painful. Yet every
pain is a disturbance. Pain is a disturbance to the extent that it is a
hurt, an affliction, or agony.
Now, if I interpret algos in terms of disturbance rather than rup-
ture, I contend that I am still in agreement with Nietzsche¶s and
Heidegger¶s notions, yet in a way that perhaps better accounts for the
22
Rey, The History of Pain, 3.
154 Abraham Olivier
wide range of meanings pain originally had. But the question remains:
what exactly does pain disturb if not my whole life? Nietzsche gives
us a point of departure for answering this question by viewing pain as
a form of perception.
4. Disturbed Perception
23
*QWHU $EHO ³1LHW]VFKH FRQWUD 6HOEVWHUKDOWXQJ 6WHLJHUXQJ GHU 0DFKW
XQGHZLJH:LHGHUNHKU´LQNietzsche-Studien 10/11 (1982), 112ff.
24
Nietzsche, Nachlaß 1880-1882; in: KSA Bd. 9, 636-37. See Günter Abel,
³/RJLNXQGbVWKHWLN´LQ Nietzsche-Studien 16 (1987), 117, 124; Wolfgang
Müller-/DXWHU ³1LHW]VFKHV /HKUH YRP :LOOHQ ]XU 0DFKW´ LQ Nietzsche-
Studien 3 (1974), 38-40.
25
$EHO³/RJLNXQGbVWKHWLN´0OOHU-/DXWHU³1LHW]VFKHV/HKUHYRP
:LOOHQ]XU0DFKW´
26
6HH$EHO³/RJLNXQGbVWKHWLN´
Nietzsche and Heidegger on Pain 155
Let us start with the materialist claim: all pain can be understood in
terms of physical processes without the loss of meaning.27 Today pain
research mainly focuses on a physical understanding of pain. This en-
tails the unravelling of the neurological mechanisms of pain, for ex-
ample, the description of nerve cells that confer pain sensitivity as
well as the central nervous system pathways that transmit the infor-
mation to higher centres. According to classical neurological theory,
the processing of pain consists of: 1. a sensory part appreciating as-
cending sensory information; 2. a perceptual part, interpreting the sen-
sory information; and 3. a motoric part, responsible for an appropriate
reaction.28 The claim²which still prevails today²is that at the bot-
tom pain sensations are meaningless impulses until the brain interprets
them, which means, until they become perceptions. The materialist
claim goes further: even pain perceptions can be understood in terms
of physical processes in the higher centres of the brain.
Can we explain a pain in physical terms? Contrary to the material-
ists, I have argued that even the simplest of sensations is a form of
perception. Now, as long as we say all pain is bodily pain, we can in-
deed explain pain sensations in physical terms. And yet, we can do so
without reducing them to meaningless physiological impulses. What
happens when I get a cramp in my leg? I do not first sense the hurt
and then react emotionally and cognitively. Instead, exclaiming in
rage and searching for the place that hurts, my attention is primordial-
ly perceptive: while I ³sense´ the hurt, I already make ³sense´ of it. I
do so by exclaiming emotionally and inquiring cognitively. So I grab
my leg in a rage presupposing the ³sense´ of the ³sensation.´ Like any
27
See Paul M. Churchland, Matter and Consciousness, Cambridge 2001,
43ff. and Hardcastle, The Myth of Pain, 7.
28
See Patrick Wall, Pain, New York 2000, 58.
Nietzsche and Heidegger on Pain 157
6. The Challenge
comes from and leads to a renewal of perception. Yet the question re-
mains: how should we judge their advocacy of pain as a positive
force? To what extent is pain a perceptual dynamo?
The view that pain can be seen as a perceptual force does have
merits. Pain may revive our perceptual capacities, yet it may just as
easily disturb and even destroy these capacities. Furthermore, a per-
ception can be painful, especially in the case of a change of perspec-
tive. But that is not always the case. A change of view can arouse joy
rather than pain. Finally, perception exceeding our limits does not
need to be painful, but can be simply enjoyable. Not every ecstatic
event needs to end with a Dionysian cry of pain. Nietzsche¶s metaphor
of the tragedy of birth seems to be limited: not every perception is
born painfully, and not every pain vitalises perception. Instead birth
may simply arouse joy or it can end in tragedy. As such, pain poses no
particular challenge. We do not need pain in order to appreciate
Trakl¶s wine, and in Trakl¶s darkness we can get lost for good. Nie-
tzsche and Heidegger bring to light the poignant way humans take up
the challenge of pain, yet not every pain poses such a challenge, and
not every person is able to meet it.
8. Heidegger, Rickert, Nietzsche, and the Critique of Biologism
Why did Heidegger in the summer of 1939, when he was most intent
on distancing himself from Nietzsche, nevertheless defend him against
the charge of biologism? One must guard against giving a political an-
swer to this question, albeit it is one that Heidegger himself seems to
have favored at one time. Just before the Nuremburg trials opened in
November 1945, in a letter to the Academic Rector at Freiburg Uni-
versity, Heidegger explained that the succession of lecture courses on
Nietzsche that he began in 1936 constituted his confrontation with and
spiritual resistance to National Socialism.1 Earlier in the same letter
Heidegger had argued that he had not felt the need to engage in specif-
ic attacks on the National Socialist worldview because his own fun-
damental philosophical position on language was so clearly opposed
to ³the dogmatic hardening and primitivity of the biologism promul-
gated by Rosenberg´.2 The juxtaposition of these two claims in the
same letter suggests that, after the war was over, Heidegger wanted
people to believe that his attempt to differentiate Nietzsche from biol-
ogism by offering a metaphysical reading of him was a surreptitious
way of attacking the biologism associated with National Socialism in
general and with Alfred Rosenberg, one of the defendants at Nurem-
burg, in particular. This suggestion has been taken up in some of the
secondary literature.3 It is true that Heidegger had already at the end of
1
0DUWLQ +HLGHJJHU ³$Q GDV $NDGHPLVFKH 5HNWRUDW GHU $OEHUW-Ludwig-
8QLYHUVLWlW´ GXDl language version with translation by Jason Wirth; in:
Graduate Faculty Philosophy Journal 14.2/15.1 (1991), 540-41.
2
+HLGHJJHU³$QGDV$NDGHPLVFKH5HNWRUDW´-39.
3
For example, Rüdiger Safranski, Martin Heidegger. Between Good and
Evil, trans. by Ewald Osers, Cambridge (MA) 1998, 301-³+HLGHJJHU¶V
160 Robert Bernasconi
6
Heinrich Härtle, Nietzsche und der Nationalsozialismus, München
1937, 77.
7
Karl Jaspers, Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philoso-
phierens, Berlin 1936, 277n.; trans. by Charles F. Wallraff and Fredrick J.
Smith, Nietzsche. An Introduction to the Understanding of His Philosophical
Activity, Tucson 1965, 315n.
8
H. Stuart Hughes, Oswald Spengler. A Critical Estimate, New York 1952,
124-131. See also Arthur Zweiniger, Spengler im Dritten Reich. Eine
$QWZRUWDXI2VZDOG6SHQJOHUVµ-DKUHGHU(QWVFKHLGXQJ¶, Oldenburg 1933.
9
Max Domarius (ed.), Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945,
Part1, vol. 2, Wiesbaden 1988, 502; trans. Chris Wilcox and Mary Fran
Gilbert, Hitler. Speeches and Proclamations. 1932-1945, vol. 2, Waucanda,
Il. 1992, 663. See also John Farrenkopf, Prophet of Decline. Spengler on
World History and Politics, Baton Rouge 2001, 264.
162 Robert Bernasconi
10
Oswald Spengler, Der Staat, München 1924. Perhaps this was to take
advantage of some remarks Spengler made about the English there. See
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47,
75, quoting Spengler, Der Staat, iii.
11
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 76, quoting Spengler, Der Staat, 145.
12
2Q 6SHQJOHU¶V ELRORJLVWLF LQWHUSUHWDWLRQ RI 1LHW]VFKH VHH DOVR 0DUWLQ
Heidegger, Nietzsche Seminar 1937 und 1944, GA 87, Frankfurt am Main
2004, 283.
13
It should be mentioned that Spengler was at pains to differentiate his
reading from that of Klages (Spengler to Elisabeth Förster Nietzsche, 3
October 1927, in: Briefe 1913-1936, München 1963, 537-38; trans. Arthur
Helps, 6SHQJOHU¶V/HWWHUV-1936, London 1966, 223).
Heidegger, Rickert, Nietzsche 163
14
Martin Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30,
Frankfurt am Main 1983, 104-107; trans. by William McNeill and Nicholas
Walker, The Fundamental Concepts of Metaphysics, Bloomington 1995, 69-
71.
15
Martin Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, GA 43,
Frankfurt am Main 1985, 148; Martin Heidegger, The Will to Power as Art,
trans. by David F. Krell; in: Nietzsche i, New York 1979, 127.
16
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 76.
17
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 176; Nietzsche iii, 93.
18
0DUWLQ+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQµ+XPDQLVPXV¶³LQ Wegmarken, GA
9, Frankfurt am Main 1976, 324; trans. by William McNeill, Pathmarks,
Cambridge 1998, 247. This has implications for all attempts to assess
+HLGHJJHU¶VUHFRXUVHWRWKHODQJXDJHRIVSLULWLQWKHVLQFOXGLQJ-DFTXHV
'HUULGD¶V Of Spirit, as I explain LQ ³+HLGHJJHU¶V $OOHJHG &KDOOHQJH WR WKH
1D]L &RQFHSWV RI 5DFH´ LQ Appropriating Heidegger, eds. James E.
Faulconer and Mark A. Wrathall, Cambridge 2000, 50-67.
164 Robert Bernasconi
is that Klages, like Spengler, was by 1939 strongly under attack from
National Socialists.19
There is another figure who dominated the lecture course, The Will
to Power as Knowledge, even though Heidegger did not mention him
explicitly, introducing his name only in a reworked version of the fi-
nal lecture that was not delivered as such: that person was Alfred
Baeumler.20 Baeumler was at the forefront of the effort to associate
Nietzsche with National Socialism: for example, at the end of ³Nie-
tzsche and National Socialism´ from 1934 he proclaimed that ³if to-
day we shout µHeil Hitler¶ [...] at the same time we are also hailing
Nietzsche.´21 Like Heidegger, Baeumler had attacked Spengler, albeit
on different grounds: Baeumler¶s objection was that in Jahre der
Entscheidung Spengler had mentioned neither Hitler, nor National So-
cialism.22 However, Heidegger specifically agreed with Baeumler¶s
criticism of Klages¶s psychological-biologistic interpretation of Nie-
tzsche, although even here this remark was merely the prelude to a
complaint that Baeumler¶s Nietzsche interpretation sacrificed the idea
of eternal recurrence for political considerations.23
One possible explanation for Heidegger¶s insistence on defending
Nietzsche from the charge of biologism was to help differentiate his
reading from Baeumler¶s. Because Baeumler in his 1931 study, Nie-
tzsche, der Philosoph und Politiker, criticized Nietzsche for his biolo-
19
7RELDV 6FKQHLGHU ³,GHRORJLVFKH *UDEHQNlPSIH 'HU 3KLORVRSK /XGZLJ
Klages und der Nationalsozialismus 1933-´ LQ Vierteljahrshefte für
Zeitgeschichte 49 (2001), 275-294.
20
%DHXPOHU¶V LPSRUWDQFH IRU +HLGHJJHU¶V LQWHUSUHWDWLRQ RI 1LHW]VFKH ZDV
already noted by David Farrell Krell in his afterword to his edition of The
Will to Power as Knowledge, in: Nietzsche iii, 268-273.
21
$OIUHG %DHXPOHU ³1LHW]VFKH XQG GHU 1DWLRQDOVR]LDOLVPXV´ LQ Studien
zur deutschen Geistesgeschichte, Berlin 1937, 294.
22
Farrenkopf, Prophet of Decline, 236.
23
Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, GA 43, 26-27;
Nietzsche i, 23.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 165
24
Alfred Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, Leipzig 1931.
25
Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, 23.
26
Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, 28.
27
Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, 35.
28
Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, 35.
29
Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, 77-78. See also
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47,
297.
166 Robert Bernasconi
30
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 256; Nietzsche iii, 145.
31
Heidegger explained in a passage that was excised from the first
publication that justice is the how in which the livingness of the living holds
itself (Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47, 303).
32
There is more to this issue than I can discuss here. See further David
Farrell Krell, Daimon Life. Heidegger and Life-Philosophy, Bloomington
1992 and Cristian Ciocan, ³La vie et la corporalité dans Être et Temps de
Martin Heidegger´ in: Studia Phaenomenologica 1-2 (2001), 61-93.
33
Martin Heidegger, Nietzsche: Der europäische Nihilismus, GA 48, Frank-
furt am Main 1986, 106; Martin Heidegger, European Nihilism, trans. by
Frank A. Capuzzi; in: Nietzsche iv, San Francisco 1982, 60.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 167
34
+HLQULFK 5LFNHUW ³/HEHQVZHUWH XQG .XOWXUZHUWH´ LQ Logos II, 2
(1912), 136.
35
Heinrich Rickert, Die Philosophie des Lebens. Darstellung und Kritik der
Philosophischen Modeströmungen unserer Zeit, Tübingen 1920), 75.
36
Rickert, Die Philosophie des Lebens, 75.
37
Rickert, Die Philosophie des Lebens, 40, 108-113.
38
Rickert, Die Philosophie des Lebens, 78.
39
Rickert, Die Philosophie des Lebens, 179n.
40
Martin Heidegger, Phänomenologische Interpretationen zur Aristoteles,
GA 61, Frankfurt am Main 1985, 80; trans. Richard Rojcewicz, Phenomeno-
logical Interpretations of Aristotle, Bloomington 2001, 62. Elsewhere
+HLGHJJHU FRPSODLQHG WKDW 5LFNHUW¶V FULWLFLVP RI 'LOWKH\ ZDV WULYLDOL]LQJ
Martin Heidegger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20,
Frankfurt am Main 1979, 20; trans. Theodore Kisiel, History of the Concept
of Time %ORRPLQJWRQ 2Q +HLGHJJHU¶V UHODWLRQ WR 5LFNHUW LQ
general, although it does not address the question of biologism, see Ian Lyne,
³5LFNHUW DQG +HLGHJJHU 2Q WKH 9DOXH RI (YHU\GD\ 2EMHFWV´ LQ Kant-
Studien 91 (2000), 204-225.
41
Heidegger, Phänomenologische Interpretationen zur Aristoteles, GA 61,
82; Phenomenological Interpretations of Aristotle, 63. Cf. Heidegger,
Wegmarken, GA 9, 324; Pathmarks, 247.
168 Robert Bernasconi
complaint about the ambiguity of the term ³life,´ but he objected that
Rickert did not explain either how the concept of life was to be
formed or the basic intention of explicating concepts in general.42 And
yet Heidegger himself did not have answers to these two questions at
that time.
Heidegger did not adopt Rickert¶s critique of life philosophy in its
entirety; in particular, he thought that Rickert¶s critique of Dilthey was
trivializing.43 Nevertheless, he learned from Rickert. The impact of
Rickert¶s questioning is apparent in the early sections of Being and
Time where Heidegger announced that he intended to renounce the
term ³life.´ The context of this remark was his complaint that terms
like subject, soul, consciousness, spirit, and person are always used
without the question of the Being of the beings thus designated being
posed: ³We are not being terminologically idiosyncratic when we
avoid these terms as well as the expressions µlife¶ and µhuman being¶
in designating the beings that we are ourselves.´44 In the context of
reading Nietzsche, Heidegger would adopt Rickert¶s complaint that
through Darwin¶s influence the philosophy of history had come to rely
on biology¶s fundamental concepts, such as natural selection and the
struggle for existence, albeit, of course, Nietzsche would be exonerat-
ed.45 But in Being and Time Heidegger¶s objection was different:
Rickert¶s demand for greater clarity as to what is to be understood by
³life´ held center-stage. However, although Heidegger thereby
42
0DUWLQ+HLGHJJHU³$QPHUNXQJHQ]X.DUO-DVSHUVµ3V\FKRORJLHGHU:HOW-
DQVFKDXXQJHQ¶³ LQ Wegmarken, 13; Pathmarks, 11. See also Heidegger,
Phänomenologische Interpretationen zur Aristoteles, GA 61, 81; Pheno-
menological Interpretations of Aristotle, 62.
43
Heidegger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 20;
History of the Concept of Time, 17.
44
Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen, 1967, 46; Being and Time,
trans. by Joan Stambaugh, Albany 1996, 43.
45
Heinrich Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, Tübingen
5
1921, 119-122.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 169
46
Heidegger, Sein und Zeit, 46; Being and Time, 43-44.
47
Heidegger, Sein und Zeit, 46-47; Being and Time, 44.
48
Martin Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, Frankfurt am Main 1977, 62.
49
Heidegger, Sein und Zeit, 10; Being and Time, 8. See also Heidegger, Die
Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 282; The Fundamental Concepts
of Metaphysics, 191.
50
Heinrich Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbil-
dung, Tübingen 51929, 413-417.
170 Robert Bernasconi
51
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 380-382; The
Fundamental Concepts of Metaphysics, 261-262.
52
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 278; The
Fundamental Concepts of Metaphysics, 188-189.
53
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 65; Nietzsche iii, 45.
54
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 66; Nietzsche iii, 45.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 171
55
Heidegger, Nietzsche Seminare, GA 87, 193-194.
56
Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, GA 43, 132;
Nietzsche i, 113.
57
Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, GA 43, 133;
Nietzsche i, 114.
58
Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, GA 43, 153.
59
Martin Heidegger to Elisabeth Blochmann, 14 April 1937; in: Martin
Heidegger / Elisabeth Blochmann, Briefwechsel 1918-1969, Marbach am
Neckar 1989, 88.
172 Robert Bernasconi
60
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 60; Nietzsche iii, 41.
61
Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, Frankfurt am Main
1989, 326; trans. Parvis Emad and Kenneth Maly, Contributions to
Philosophy, Bloomington 1999, 229.
62
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 315; Contributions to
Philosophy, 221.
63
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 91.
64
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 22; Nietzsche iii, 15.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 173
65
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 74.
66
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 58; Nietzsche iii, 39.
67
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 90. Heidegger quoted Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht, ed.
Alfred Baeumler, Stuttgart 1939, sec. 684, 461; trans. by Walter Kaufmann,
The Will to Power, London 1968, 363.
68
W. H. Rolph, Biologische Probleme zugleich als Versuch zur Entwick-
lung einer rationellen Ethik, Leipzig 1884, 97. See Heidegger, Nietzsche
Seminare, GA 87, 193.
69
Heidegger, Nietzsche: Der europäische Nihilismus, GA 48, 112;
Nietzsche iv, 65.
70
Heidegger, Nietzsche II, 269; Nietzsche iii, 196. For the original version
of this text, see Martin Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, Frankfurt
am Main 1990, 18.
174 Robert Bernasconi
71
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 220; Nietzsche iii, 121.
72
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 193; Nietzsche iii, 101.
73
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 196; Nietzsche iii, 104.
74
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 201; Nietzsche iii, 108.
75
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 221; Nietzsche iii, 121-122.
76
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 222; Nietzsche iii, 122.
77
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 321.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 175
78
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 60; Nietzsche iii, 40.
79
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 5-6; Nietzsche iii, 6.
80
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 13; Nietzsche iii, 194.
81
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 277; Nietzsche iii, 157.
176 Robert Bernasconi
82
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 127; Contributions to
Philosophy, 88.
83
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 140; Nietzsche iii, 73.
84
6HHP\³+HLGHJJHUDQGWKH0HWDSK\VLFVRI5DFH´LQ Southern Journal
of Philosophy, March 2010, Volume 48, Issue 1.
85
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA
47, 115; Nietzsche iii, 60.
86
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 162; Nietzsche iii, 83.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 177
87
6LPLODUO\LQ³1LHW]VFKH¶V:RUGµ*RGLV'HDG¶´+HLGHJJHULGHQWLILHGWKH
desire to grow, increase, as part of the essence of life, and offered as his
example the goal of securing Lebensraum 0DUWLQ +HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV
:RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege, Frankfurt am Main 1950, 211; trans. by
Julian Young and Kenneth Haynes, Off the Beaten Track, Cambridge 2002,
171. This essay was not published until 1950, but it was written and delivered
as a lecture in 1943.
88
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 49-50; Contributions to
Philosophy, 35.
89
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 319; Contributions to
Philosophy, 224.
90
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 99; Contributions to
Philosophy, 68.
91
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 139; Contributions to
Philosophy, 97.
178 Robert Bernasconi
92
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, 56-57; Nietzsche iii, 231. Note
WKDW WKH IDPRXV VHQWHQFH WKDW IROORZV WKDW VWDWHV WKDW 1LHW]VFKH¶V UDFLDO
thought was metaphysical rather then biological was added later: Heidegger,
Nietzsche II, 309; Nietzsche iii, 231.
93
Martin Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, Frankfurt am Main
1998, 70-71.
Heidegger, Rickert, Nietzsche 179
biology that is genuine and restricted to its field points beyond it-
self´94 This is the equivalent in 1939 of what Heidegger had said in a
different idiom in 1927, when he maintained that in the philosophy of
life there was an implicit tendency toward understanding the being of
Dasein.95 But that is only one side of the story and the same considera-
tions that led Heidegger to withdraw this claim still held. Neither Nie-
tzsche, nor the philosophers of life of the early twentieth century,
pointed far enough ahead of them.
Heidegger had rescued Nietzsche not only from the Social Darwin-
ist reading, including the Nazi appropriation of him, but also from
Rickert¶s attack. However, in the course of doing so, he had changed
the terms of the debate: the task was no longer to provide a metaphys-
ical conception of life, but to locate Nietzsche¶s conception within the
context of the history of Western metaphysics understood in terms of
the history of Being. This becomes clear if one reads those lectures in
the context of the contemporary manuscript, Die Geschichte des
Seyns, in which he conceded that all attempts to refute biologism are
worthless.96 When the metaphysical reading of Nietzsche means not so
much a reading that attends to the process of concept formation and to
the Being of that which is addressed, as a reading that proceeds by lo-
cating Nietzsche within that destining which is the history of Western
metaphysics understood in terms of the history of Being, then biolo-
gism is no longer something that can be corrected as an error that aris-
es from a failure of thinking, and becomes instead something to be
traced back to its source in the Western metaphysical concept of life
as developed especially by Leibniz, Hegel and Nietzsche. In conse-
quence, the motivation for saving Nietzsche from the charge of biolo-
gistic thinking by characterizing his thinking as metaphysical cannot
94
Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis,
GA 47, 65; Nietzsche iii, 45.
95
Heidegger, Sein und Zeit, 46; Being and Time, 44-45.
96
Martin Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, 71.
180 Robert Bernasconi
97
Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, 70, 223.
98
Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, 223.
9. The Inhumanity of Being: Subjectivity in Nietzsche,
Heidegger, and Levinas
1. Introduction
1
0DUWLQ +HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege,
Frankfurt am Main 1950, 265.
182 Jens Zimmermann
2
0DUWLQ+HLGHJJHU³'LH=HLWGHV:HOWELOGHV´LQHolzwege, 91.
3
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 239.
4
+HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQ Holzwege, 251. Heideg-
JHU¶VWHUPSein is henceforth translated as Being.
5
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 250.
6
³'HUµhEHUPHQVFK¶LVWGHU0HQVFKZHOFKHU0HQVFKist aus der durch den
Willen zur Macht bestimmten Wirklichkeit und für diese. Der Mensch,
dessen Wesen das aus dem Willen zur Macht gewillte ist, ist der Über-
PHQVFK´+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 251).
7
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 267.
The Inhumanity of Being 183
it: ³Wenn das Sein des Seienden zum Wert gestempelt und wenn dam-
LWVHLQ:HVHQEHVLHJHOWLVWGDQQLVWLQQHUKDOEGLHVHU0HWDSK\VLN>«@
jeder Weg zur Erfahrung des Seins selbst ausgelöscht.´8 Through this
inability to define humanity in light of Being, Nietzsche remains blind
to our true human essence.
3. Heidegger¶s 3RVWPHWDSK\VLFDO³+umanism´
Heidegger interpreted his own work, beginning with Sein und Zeit, as
an attempt to complete Nietzsche¶s overcoming of nihilism.9 His anal-
ysis of human existence tries to return to the ³original´ Greek under-
standing of human being and truth beyond the ken of traditional meta-
physics and its categories of animality, reason, body, soul or spirit.10
According to Heidegger, Humanism, whose interpretation of humani-
ty amounts to little more than a moralistic-aesthetic anthropology, is
yet another example of Western philosophy¶s fall into subjectivism
caused by choosing the human subject rather than Being as the ulti-
mate reference point for understanding human existence.11
Yet it would be wrong to classify Heidegger¶s thought as anti-
humanistic. For Heidegger¶s repeated denunciations of humanism in
his Nietzsche lectures and elsewhere are in fact the announcement of a
new, postmetaphysical humanism. This humanism defines subjectivity
as transcendent freedom. For Heidegger, human existence is trans-
cendent because it stands in the ontological difference as the only be-
8
+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQHolzwege, 258.
9
Martin Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961, 172.
10
Heidegger, Nietzsche II, 173.
11
³$EHUsowenig in der großen Zeit des Griechentums dergleichen wie ein
Weltbild möglich war, sowenig konnte sich damals ein Humanismus zur Gel-
tung bringen. Der Humanismus im engeren historischen Sinn ist daher nichts
anderes als eine moralisch-ästhetische AnthroSRORJLH´ 0DUWLQ +HLGHJJHU
³'LH=HLWGHV:HOWELOGHV´LQHolzwege, 93).
184 Jens Zimmermann
ing with the ability to contemplate Being. Human existence stands out
from any other as ek-sistence. This unique form of existence is re-
flected in human language, which is not so much a means of self-
expression as it is a correspondence to the event of being, to the onto-
logical difference in which world and things show themselves.12
According to Heidegger, understanding humanity as correspond-
ence to Being also provides an adequate concept of freedom. In his
lecture course Vom Wesen der menschlichen Freiheit of summer se-
mester 1930, Heidegger insists that a proper definition of our humani-
ty depends on recognizing the question of being as the foundational
question of philosophy. This recognition reveals that freedom and
transcendence do not merely depend on but actually are our openness
to being itself.13
Sixteen years later, in his Brief über den Humanismus (1946/47),
Heidegger frames this understanding of human subjectivity and self-
understanding as transcendent freedom explicitly in terms of a human-
ism. Heidegger claims that the essence of our humanity cannot be de-
rived from self-analysis, as classical humanism was wont to do, but
from our relation to Being.14 We are most in tune with our inmost es-
sence when we are attuned to Being¶s address: ³So bleibt doch die
Humanitas das Anliegen eines solchen Denkens; denn das ist Huma-
nismus: Sinnen und Sorgen, daß der Mensch menschlich sei und nicht
un-menschlich, µinhuman¶, das heißt außerhalb seines Wesens.´15
12
³'DV+|UHQ>GHU6WHUEOLFKHQ@HQWQLPPWGHP*HKHLGHV8QWHU-Schiedes,
was es ins lautende Wort bringt. Das hörend-entnehmende Sprechen ist Ent-
VSUHFKHQ´0DUWLQ+HLGHJJHUUnterwegs zur Sprache, Pfullingen 1960, 32).
13
Martin Heidegger, Vom Wesen der menschlichen Freiheit, GA 31,
Frankfurt am Main 1982, 303.
14
+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQ Wegmarken, Frankfurt am
Main 21978, 317.
15
+HLGHJJHU ³%ULHI EHU GHQ +XPDQLVPXV´ LQ Wegmarken, 319
(emphasis mine).
The Inhumanity of Being 185
16
+HLGHJJHU ³/HWWHU 2Q +XPDQLVP´ LQ Basic Writings, San Francisco
³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, 330.
17
+HLGHJJHU ³/HWWHU2Q+XPDQLVP´ LQ Basic Writings³%ULHI
EHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, 324, 330.
18
+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, 352.
19
+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, 342.
186 Jens Zimmermann
20
Günter Figal, Martin Heidegger. Phänomenologie der Freiheit, Wein-
heim 2000, 404.
21
This is, in fact, what Derrida does. Derrida holds open the ontological
difference and refuses even to give the name of Sein to that which produces
WKLVGLIIHUHQFHDQGVSHDNVLQWRLW+HWKLQNVWKDW+HLGHJJHU¶VREVHVVLRQZLWK
Being iV OHVV UDGLFDO WKDQ 1LHW]VFKH¶V UDGLFDO TXHVWLRQLQJ RI DOO WKLQJV For
him, therefore, Heidegger is still logocentric.
22
See Emmanuel Levinas, Aussichten des Denkens, übersetzt von Michael
Jakob, München 1994, 43.
The Inhumanity of Being 187
23
Emmanuel Levinas, Totality and Infinity, trans. by Alfonso Lingis,
Pittsburgh 1969, 88.
24
Thus, for example, to define human freedom as structural openness
toward Being fails to express freedom in human categories.
25
Emmanuel Levinas, Ethics of Infinity. Conversations with Philippe Nemo,
Pittsburg 1997, 40.
188 Jens Zimmermann
26
+HLGHJJHU¶V3UHIDFHWR:LOOLDP-5LFKDUGVRQ6-Heidegger: Through
Phenomenology to Thought, New York 2002, XXIII.
The Inhumanity of Being 189
27
+DQV-RQDV ³+HLGHJJHUXQGGLH7KHRORJLH´LQ*HUKDUG1ROOHU+UVJ
Heidegger und die Theologie, München 1967, 323.
28
Martin Heidegger, Vom Wesen der Wahrheit, Frankfurt am Main 81997,
30. See also Vom Wesen des Grundes, Frankfurt am Main 8 ³'HU
hEHUVWLHJ]XU:HOWLVWGLH)UHLKHLWVHOEVW´
29
According to Samuel Moyen, Levinas made the connection between
Heideggerianism and paganism in the mid 1930s and adhered to them for the
UHVW RI KLV OLIH 6DPXHO 0R\HQ ³-XGDLVP DJDLQVW 3DJDQLVP (PPDQXHO
/HYLQDV¶V5HVSRQVHWR+HLGHJJHUDQG1D]LVPLQWKH¶V´LQHistory and
Memory 10, 1 (Spring/Summer 1998), 25-58.
30
Emmanuel Levinas, Schwierige Freiheit, Frankfurt am Main 1996, 175.
190 Jens Zimmermann
31
Emmanuel Levinas, Otherwise Than Being, trans. by Alfonso Lingis,
Pittsburg 1998, 99.
32
Emmanuel Levinas, Alterity and Transcendence, trans. by Michael B.
Smitch, New York 2001, 51.
The Inhumanity of Being 191
5. Conclusion
33
Levinas, Otherwise Than Being, 64.
192 Jens Zimmermann
34
+HLGHJJHU FRPPHQWV RQ KLV UHDGLQJ RI :HOWH¶V LQWHUSUHWDWLRQ RI KLV
SKLORVRSK\WKDWKHDSSUHFLDWHV:HOWH¶VFDUHIXOH[SRVLWLRQRIKLVWKRXJKW³6LH
folgen klar einem Zug meines Denkens in seinen sich wandelnden Stadien.
[«@ ,FK KDEH NHLQH %HGHQNHQ ]X ,KUHP 7H[W >«@´ 0DUWLQ +HLGHJJHU /
Bernhard Welte, Briefe und Begegnungen, Stuttgart 2003, 37).
35
Heidegger / Welte, Briefe und Begegnungen, 112.
The Inhumanity of Being 193
36
0DUWLQ+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, 342.
10. Measuring the Greatness of the Great Men of Grand Politics:
How Nietzsche¶s ³Dynamite´ Rendered Heidegger ³kaputt´
It was in the aftermath of the outbreak of the First World War that the
still very Catholic young Heidegger first had occasion to quote Nie-
tzsche. The occasion was a three-day meditation (Besinnung) on the
war²a Kriegstriduum²called for by the Catholic bishops of Germa-
196 Theodore Kisiel
1
Friedrich Nietzsche, Wille zur Macht, Vorrede, 2. 7KH\RXQJ+HLGHJJHU¶V
QHZVSDSHU DUWLFOH ³'DV .ULHJVWULGXXP LQ 0HNLUFK´ DSSHDUHG LQ WKH
Heuberger Volksblatt 17, January 13, 1915. I am indebted to Alfred Denker
for this reference.
2
0DUWLQ +HLGHJJHU ³'HU :LOOH ]XU 0DFKW DOV .XQVW´ LQ Nietzsche I,
3IXOOLQJHQ³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´WUDQVE\'DYLG).UHOO
in: Nietzsche i, New York 1979, 159.
Measuring the Greatness of the Great Men 197
3
Karl Jaspers, Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philoso-
phierens, Berlin 3FLWDWLRQIURPFKDSWHU³*URH3ROLWLN´English
translation by C. F. Wallraff and F. J. Schmitz, Nietzsche: An Introduction to
the Understanding of His Philosophical Activity, Tucson 1965, 252. Jaspers
sent a copy of the first edition of his book to Heidegger in early 1936.
4
Heidegger, Nietzsche I, 185; Nietzsche i, 159.
5
Heidegger, Nietzsche I, 186; Nietzsche i, 159.
198 Theodore Kisiel
which they can develop.´ But the setting of a goal at once calls for its
grounding. ³To ground the goal means to awaken and liberate those
powers that lend the newly established goal its surpassing and perva-
sive energy to inspire binding commitment. Only in that way can his-
torical Da-sein take root and flourish in the realm opened and identi-
fied by the goal.´6
Nietzsche regarded the dissolution of the old orders to be world-
wide in scope, covering the entire earth, so that the resolution of new
goals and new orders outstripped individual classes, sects, states, and
nations and had to be at least European in initial scope. But in view of
the historical realities of his time, Heidegger saw the preparation for
and creative setting of new goals coming into being ³only in the unity
of the full historical existence [Dasein] of humans in the form of indi-
vidual peoples and nations,´7 where each particular (je-weiliges) peo-
ple, e. g., the French over against the German, is called to ³neighborly
interchange´ in order to develop their own unique resolution to the
crisis of European nihilism.8 In the early thirties, Heidegger accord-
ingly concerned himself with the uniquely German possibilities that
could contribute to the overcoming of nihilism and the arrest of the
³Decline of the West,´ and defines ³three powers´ or strengths of the
German people that first emerged in their full vigor during the period
of the ³German movement´ of the European Enlightenment (1770-
6
Heidegger, Nietzsche I, 184; Nietzsche i, 157.
7
Heidegger, Nietzsche I, 185; Nietzsche i, 158.
8
³1XU GLH $XVHLQDQGHUVHW]XQJ VHW]W MHGHQ MH LQ VHLQ (LJHQVWHV ZHQQ
anders die Auseinandersetzung anhebt und bestanden wird angesichts der
drohenden Entwurzelung des Abendlandes, deren Überwindung den Einsatz
jedes schaffenskräftigen Volkes IRUGHUW´ So in DQ DUWLFOH ³:HJH ]XU $XV-
VSUDFKH´ WKDW +HLGHJJHU ZURWH LQ IRU D MRLQW )UHQFK-German
publication put out by the city of Freiburg, Alemannenland. Ein Buch von
Volkstum und Sendung, Jahrbuch der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1,
135-9. Cited according to Guido Schneeberger, Nachlese zur Heidegger.
Dokumente zu seinem Leben und Denken, Bern 1962, 262.
Measuring the Greatness of the Great Men 199
1830): German poetry, German philosophy, and ³the new German po-
litical will of the Prussian statesmen and soldiers´9 that cooperated in
the founding of the Second Reich. Heidegger seeks to inaugurate a
similar cooperation or ³conversation´ between poets, thinkers, and
statesmen in the first years of the development of the Third Reich,
which he for a time, following clues in the poetry of Hölderlin, re-
garded as Germany¶s ³world time,´ the grand historical moment for
the German people to demonstrate its presence on the world stage:
³Particularly in ages of developed history, the powers of poetizing,
thinking, and state-creating work backwards and forwards in ways
WKDWDUHZKROO\LQFDOFXODEOH>«@7KHVHWKUHHFUHDWLYHIRUFHVRIKLVWRr-
ical Dasein alone effectively bring out that element to which we can
allot [the title of] greatness.´10
What are the measures of this greatness? What sets the standards
for greatness? Answer: the grand style, which provides the standards
for grand politics. ³The greatness of an artist is not measured by the
µbeautiful feelings¶ he arouses: that is what the little ladies like to
think. Rather, it is measured by the degree to which the artist ap-
proaches the grand style, to which he is capable of the grand style.
That style has this in common with grand passion, that it disdains to
please; that it forgets about persuading; that it commands, that it
wills.²To become master of the chaos one is; to compel one¶s chaos
to become form: to become logical, simple, unequivocal, mathemat-
ics, law²that is the grand ambition here.²It repels; such men of
force are no longer loved²a desert spreads around them, a silence, a
fear as in the presence of great sacrilege.²All the arts know such as-
9
Martin Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges 1910-
1976*$)UDQNIXUWDP0DLQ&LWLQJIURP³'LH'HXWVFKH8QL-
versität (Zwei Vorträge in den Ausländerkursen der Freiburger Universität,
XQG$XJXVW´
10
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´,
GA 39, Frankfurt am Main 1980, 144; also 51.
200 Theodore Kisiel
11
Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 842.
12
Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 845.
13
Heidegger, Nietzsche I, 161; Nietzsche i, 137.
14
Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 967.
15
Heidegger, Nietzsche I, 157; Nietzsche i, 133.
Measuring the Greatness of the Great Men 201
16
Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQHQ³*HUPDQLHQ´XQG³'HU5KHLQ´, GA 39,
291-93.
17
Heidegger, Nietzsche I, 124; Nietzsche i, 104.
18
Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQHQ³*HUPDQLHQ´XQG³'HU5KHLQ´, GA 39,
294.
19
Nietzsche, Ecce Homo, n. 1.
202 Theodore Kisiel
20
$GHWDLOHGDFFRXQWRI+HLGHJJHU¶VWKUHHFRQFHSWVRIWKHSROLWLFDOFDQEH
found in TheodRUH.LVLHO³,QWKH0LGGOHRI+HLGHJJHU¶V7KUHH&RQFHSWVRI
WKH 3ROLWLFDO´ LQ )UDQFRLV 5DIIRXO DQG 'DYLG 3HWWLJUHZ HGV Heidegger
and Practical Philosophy, Albany 2002, 135-157. They may be summarized
by the following schema:
Period Basic Text Basic Concepts
Phenomenological (1923-27) Aristotle, Rhetoric pathos, logos of
doxic speech
situation, ethos
Metontological (1927-35) Plato, Politeia leader of people,
guardians of
state, 3-leveled
service
Archaic-Poietic (1935-43) Sophocles, Antigone polemos of
thinker, poet, and
statesman as
prepolitical
21
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Tübingen 1953, 43.
7KLVLVWKHILUVWHGLWLRQRI+HLGHJJHU¶VFRXUVHRIVXPPHUVHPHVWHU
Measuring the Greatness of the Great Men 203
22
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 102.
23
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 156.
204 Theodore Kisiel
whole, at the same time without statute and limit, without structure
and fittingness, because they as creators must in each of their situa-
tions first ground all this.´24
Thus, the creators of the polis are not only the politicians, but also
the apolitical ones. Poets and thinkers, statesmen and prophets are
gathered together in lonely, untimely, tragic, and contentious dialogue
at this core of history, Dasein. The very example, Heidegger¶s choice
of Hölderlin¶s translation of Sophocles¶s Antigone, itself illustrates
this peculiar interchange among the creators of the polis. To be truly
political is to be at the site of history, Dasein in its root facticity and
possibility, which in each of its epochal instantiations is ours here-
andnow. In each instantiation of Dasein, ³human being is related in an
exceptional sense to this pole [of the pole-mos of the polis], insofar as
human beings, in understanding being, stand in the middle of beings
and here necessarily have a µstatus¶ in each of their historical instanti-
ations, a stance in their states and their circumstances. Such a µstatus¶
is the µState¶.´25
Geopolitics is now to be regarded neither geographically nor meta-
physically, but in its purity as a ³site´ within the seynsgeschichtliche
politics of Dasein as it instantiates itself in the epochal history of ar-
chaic being, now on the verge of the revolution to a new and radically
different inception. This ³µpolitics¶ in the supreme and authentic
sense,´26 what Nietzsche called ³grand politics´ transcending the petty
politics of narrow nationalisms, takes place at the supreme site of rad-
ical historical transition displayed by the Greek tragedy, which glosses
the oxymoronic status of the tragic heroine as hypsipolis±apolis, at
24
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 117.
25
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, Frankfurt am
Main 1984, 100; English translation by William McNeill and Julia Davis,
+|OGHUOLQ¶V+\PQ³'HU,VWHU´, Bloomington 1996, 81.
26
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´, GA
39, 214.
Measuring the Greatness of the Great Men 205
once far beyond and without home and site, unhomely, lonesome, un-
canny, singled out for lofty greatness by creating a new home for her
people, as well as for the precipitous destruction which was also the
fate of Heidegger¶s more contemporary heroes: Hölderlin, Nietzsche,
van Gogh, and Schlageter. Throughout this ³Greek-German mission
of transmission [Sendung]´27 across the history of being by way of
Hölderlin¶s translation of Sophoclean tragedy, Heidegger repeatedly
alludes to the counteressence of the tragic hero, his hubris in arrogat-
ing power,28 but without ever truly confronting the inhuman possibili-
ties of this lonesome superiority and uncanny ³greatness´ that yields
another kind of hero, or antihero (Creon, Hitler). The Greek-German
mission focuses instead on a repetition of Hölderlin¶s transmission of
a poetic sense of the ³fatherland´ and the ³national´ and ³home´ that
Heidegger had originally hoped to find resonating in the folkish my-
thos of a uniquely German National Socialism, guiding the decisions
of its statesmen in the ³land of poets and thinkers´ Politics (or better,
statesmanship) here finds its origins in poetizing and thinking. ³It is
from these two prior activities that the Dasein of a people is made ful-
ly effective as a people through the state²politics.´29
From this archaic vantage of Dasein, Heidegger now criticizes the
Nazi claim of the totalitarian character of the political: ³These [Nazi]
enthusiasts are now suddenly discovering the µpolitical¶ everywhere.
>«@%XWWKHpolis cannot be defined µpolitically.¶ The polis, and pre-
cisely it, is therefore not a µpolitical¶ FRQFHSW>«@3HUKDSVWKHQDPH
polis is precisely the word for that realm that constantly became ques-
tionable anew, remained worthy of question, and necessitated certain
27
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´, GA
39, 151.
28
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQH ³'HU ,VWHU´, GA 53, 116; +|OGHUOLQ¶V
+\PQ³'HU,VWHU´, 93.
29
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´, GA
39, 51.
206 Theodore Kisiel
decisions whose truth on each occasion displaced the Greeks into the
groundless or the inaccessible.´30
Aristotle saw clearly that humans are political animals because
they are possessed by speech. But he did not see the full uncanniness
that membership in the polis brings, far outstripping the rhetorical as
well as the political31 of a people¶s state. Hölderlin¶s poetic words,
³Since we are a conversation and can hear from one another´ refer to
the thoughtful dialogue among solitary creators at the very abysses of
being. Language here is the original institution of being in the violent
words of poetic origin and not just a means of communication for the
sake of quick and easy agreement, rhetoric. The community of crea-
tors is a combative community of agonistic struggle over the extreme
issues of archaic being (Seyn). Hearing from one another, listening to
one another, reciprocally involves radically placing each other in
question over the radical issues at stake. Rapprochement here is con-
tention, contestation, war, a war of agonistic spirits. Coming to an un-
derstanding is combat. ³Conversation here is not communication, but
the fundamental happening of radical exposure to the thick of be-
ings.´32 It is precisely this prepolitical Geisterkrieg between great and
solitary individuals that Nietzsche called ³grand politics´ done in a
grand style, and that Heidegger now turns to in order to launch a new
beginning that would serve to arrest the ³decline of the West.´
30
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQH ³'HU ,VWHU´, GA 53, 98f.; +|OGHUOLQ¶V
+\PQ³'HU,VWHU´, 80.
31
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQH ³'HU ,VWHU´, GA 53, 102; +|OGHUOLQ¶V
+\PQ³'HU,VWHU´, 83.
32
Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´, GA
39, 73.
Measuring the Greatness of the Great Men 207
33
Martin Heidegger/Elisabeth Blochmann, Briefwechsel 1918-1969, Mar-
bach am Neckar 1989, 60. Translation by Frank W. + (GOHU ³6HOHFWHG
Letters from the Heidegger-%ORFKPDQQ &RUUHVSRQGHQFH´ LQ Graduate
Faculty Philosophy Journal 14:2-15:1 (1991), 557-77, esp. 570f.
208 Theodore Kisiel
34
Martin Heidegger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA
38, Frankfurt am Main 1998, 125-130.
Measuring the Greatness of the Great Men 209
35
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 38.
36
Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Das
Rektorat 1933/34, Frankfurt am Main 1983, 14. English translation by Lisa
Harries slightly modified; in: Martin Heidegger and National Socialism:
Questions and Answers, edited by Günther Neske and Emil Kettering, New
York 1990, 9.
210 Theodore Kisiel
37
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 38.
38
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 133, 137, 145f.
39
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 30, 146.
40
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 29.
Measuring the Greatness of the Great Men 211
41
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 8.
212 Theodore Kisiel
42
Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, GA 16, 184.
43
Martin Heidegger, Schelling: Vom Wesen der menschlichen Freiheit
(1809), GA 42, Frankfurt am Main 1988, 40f. This remark was omitted from
the first edition of the Schelling course in 1971: see Martin Heidegger,
Schellings Abhandlung über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809),
Tübingen 1971, 28. English translation by Joan Stambaugh, 6FKHOOLQJ¶V
Treatise on the Essence of Human Freedom, Athens, Oh. 1985, 23.
44
Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 182001, 385, 374.
Measuring the Greatness of the Great Men 213
never saying what the will really knows and wills.´45 This sense of
greatness is pervaded by a keen sense of the proximity of the opposing
forces of discord and self-seeking, of malice and evil in oneself as
well as in others. Inspired by Schelling¶s dialectical sentence that the
good ³is´ evil and evil ³is´ good, Heidegger speaks of the ³perverted
greatness´ of the individual pervaded by the will to dominate and the
³greed to be everything >«@ ZKLFK LQFUHDVLQJO\ GLVVROYHV DOO ERQGV
and precipitates toward nihilation. This prevalence of malice is noth-
ing negative, is not an incapacity and mere misstep. It thus not only
awakens the mood of mere displeasure and regret but also fills us with
terror by virtue of its perverted greatness.´46
Early in 1938 Heidegger is purported to have concluded that Adolf
Hitler ³sei der Räuber und Verbrecher des Jahrhunderts.´47 In a dis-
cussion of Nietzsche¶s The Will to Power at about the time of the out-
break of the Second World War, Heidegger observes that the plane-
tarischen Hauptverbrecher (chief global criminals), whose ³capacity
for brutality´ in their exercise of power is boundless, is an exclusive
group whose number ³can be counted on one hand.´48
It would take Hitler¶s announcement of the ³Four Year Plan´ in
September 1936 and the impact that this ³total mobilization´ of the
German military-industrial complex, tacitly in preparation for a total
45
Heidegger, Schelling, GA 42, 272; Schellings Abhandlung, 189; Schel-
OLQJ¶V7UHDWLVH, 157.
46
Heidegger, Schelling, GA 42, 271; Schellings Abhandlung, 189; Schel-
OLQJ¶V7UHDWLVH, 156f.
47
Silvio Vietta, Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der
Technik, Tübingen 1989, 47, cites a diary notation of the pedagogue Heribert
+HLQULFKRQD³SULYDWH´FRQYHUVDWLRQLQZKLFK+HLGHJJHUREVHUYHVWKDW³PRVW
Germans came to see Adolf Hitler as the robber and criminal of the century
RQO\ ZLWKWKHFDWDVWURSKHDW6WDOLQJUDGDQGWKHGLVDVWHURIWKHDLU ZDU´%XW
IRU +HLGHJJHU ³ ZDV D WXUQLQJ SRLQW LQ P\ OLIH 7KDW ZDV HYHQ
EHIRUH+LWOHU¶VJUHDWWULXPSKV´EHJLQQLQJZLWKWKHAnschluss of Austria.
48
Martin Heidegger, Die Geschichte des Seyns, Frankfurt am Main 1998,
78 FLWLQJIURP³'LH*HVFKLFKWHGHV6H\QV´
214 Theodore Kisiel
war in four years, would have on the universities before we find the
first true evidence of wholesale, albeit (as usual) discrete, resistance to
state policy and planning on the part of Heidegger. Consternation over
the Four Year Plan, especially among the younger faculty at Freiburg,
led to a series of working meetings among them, independent of the
party sanctioned discussions of the matter. Heidegger¶s notes for and
from these working meetings turn again and again on the political
constellations that relate science to the National Socialist ³worldview´
(and not the ³movement,´ as in 1935!). One choice example of the in-
tra-university debate: Now that the ³coarse and nonsensical and naive
outburst of a µnew folkish science¶ has totally gone awry,´ the pendu-
lum has swung the other way. In demanding undisturbed quiet for su-
pratemporal science, one finds a new common ground for compro-
mise: From the side of science, one concedes that there is no such
thing as pure theory, that there is room for a worldview. From the side
of the folkish representatives, one concedes that one must concentrate
work on the ³matters themselves,´ but also that the demand for a
worldview is indispensable. Both sides are now saying the same thing,
but the compromise thereby diffuses all the forces of questioning that
would bring us to ³the moment of true inception and a real change.´49
What to do in this stalemate? Running away solves nothing. Best to
remain and exploit the possibility of meeting like-minded individuals.
³This not to prepare the university²now hopeless²but to preserve
the tradition, to provide role-models, to inspire new demands in one
or another individual²somewhere, sometime, for someone. This is
49
0DUWLQ +HLGHJJHU ³'LH %HGURKXQJ GHU :LVVHQVFKDIW $UEHLWVNUHLV YRQ
Dozenten der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fakultät (Novem-
ber 1937) ± $XV]JH´ LQ 'LHWULFK 3DSHQIXVV DQG 2WWR 3|JJHOHU +UVJ
Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd. 1: Philosophie und Politik,
Frankfurt am Main 1991, 5-27, 24. Page references here are to a set of loose
³QRWHV RQ WKH ZRUNLQJ FLUFOH´ WKDW ZDV KHOG privatissime since the Fall of
ZKLFKWKHHGLWRU+DUWPXW7LHWMHQKDVHQWLWOHG³3KLORVRSKLH:LVVHQ-
VFKDIWXQG:HOWDQVFKDXXQJ´-27).
Measuring the Greatness of the Great Men 215
neither µescape¶ nor µresignation¶ but the necessity that comes with the
essential philosophical task of the second inception.´50 The university
is at its end and so is science, ³but this is precisely because philosophy
has its second essential inception before itself. That what we have
called science is running its course and technologizing itself, perhaps
for a whole century, proves nothing to the contrary!´51 In view of its
uselessness, philosophy¶s positions and chairs are being reduced or
cancelled. ³But with the abolition of philosophy, the Germans²and
this with the intention of fulfilling their essence as a people!²are
committing suicide in world history.´52
With this entry into the industrial arms race in preparation for total
war, National Socialism, purportedly in search of geopolitical ³living
space´ and scarce natural resources, has unequivocally placed itself on
the same plane as capitalism and communism. The ³movement´ in
search of its uniquely German roots has become, like them, a techno-
logical worldview. At this point, Heidegger abandons his fading hope
in a difference in the decisions made by narrow-minded party func-
tionaries and by Hitler himself, the statesman whose originative deeds
create a new state and a higher order. After he develops a more re-
fined sense of the essence of technology as completed metaphysics,
Heidegger will characterize Hitler as the supreme technician of a sys-
tem as much being imposed upon him as manipulated by him, by way
of a shrewd calculative thinking totally devoid of any vestige of the
meditative thinking required of the statesman.53 In his first approxima-
50
+HLGHJJHU³'LH%HGURKXQJGHU:LVVHQVFKDIW´I
51
+HLGHJJHU³'LH%HGURKXQJGHU:LVVHQVFKDIW´
52
+HLGHJJHU³'LH%HGURKXQJGHU:LVVHQVFKDIW´
53
0DUWLQ +HLGHJJHU ³hEHUZLQGXQJ GHU 0HWDSK\VLN´ LQ Vorträge und
Aufsätze, Pfullingen 1954, 71-99, esp. 94 and 96. ³2YHUFRPLQJ 0HWD-
SK\VLFV´WUDQVE\-RDQ6WDPEDXJKLQ0DUWLQ+HLGHJJHUThe End of Philo-
sophy, New York 1973, 84-110, esp. 105 and 107; reproduced in the Wolin
edition, The Heidegger Controversy ³2YHUFRPLQJ 0HWDSK\VLFV -
216 Theodore Kisiel
´-90, esp. 85 and 87; references are to no. XXVI of this collection
of notes, a note that was written no earlier than late 1942.
54
0DUWLQ+HLGHJJHU³'LH=HLWGHV:HOWELOGHV´LQHolzwege, Frankfurt am
Main 1951, 69-HVS(QJOLVKWUDQVODWLRQE\:LOOLDP/RYLWW³7KH$JH
of the WRUOG 3LFWXUH´ WUDQVODWLRQ E\ :LOOLDP /RYLWW LQ 0DUWLQ +HLGHJJHU
The Question Concerning Technology and Other Essays, San Francisco
1977, 115-154, esp. 134f. This talk, first delivered in Freiburg on June 9,
FRQVWLWXWHV+HLGHJJHU¶VSXEOLFSKLORVRShical response to the Four Year
Plan. Some have regarded it as his first unequivocal critique of National
Socialism.
55
+HLGHJJHU ³'LH =HLW GHV :HOWELOGHV´ ³7KH $JH RI WKH :RUOG
3LFWXUH´
56
+HLGHJJHU ³'LH =HLW GHV :HOWELOGHV´ I ³7KH $JH of the World
3LFWXUH´
57
+HLGHJJHU ³'LH =HLW GHV :HOWELOGHV´ ³7KH $JH RI WKH :RUOG
3LFWXUH´
58
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 28.
Measuring the Greatness of the Great Men 217
61
Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen 1954, 67; What is
Called Thinking?, trans. by Fred D. Wieck and J. Glenn Gray, New York
1968, 69. One aphorism (n. 983) in the published version of Wille zur Macht
VSHDNVRI³WKH5RPDQ&DHVDUZLWKWKHVRXORI&KULVW´
Measuring the Greatness of the Great Men 219
1
Paul de Man, Allegories of Reading. Figural Language in Rousseau,
Nietzsche, Rilke and Proust, New Haven and London 1979.
224 William D. Melaney
rer, Heidegger repeatedly emphasized the role of intuition and the im-
agination to a proper understanding of Kant¶s philosophy.2 In opposi-
tion to the established tendency to interpret Kant either in narrowly
scientific terms, or as a kind of modern Plato, Heidegger undertakes
the difficult task of reassessing the ³metaphysical´ significance of the
transcendental problematic. For Heidegger, however, metaphysics it-
self acquires an entirely new meaning through multiple interpretations
of philosophical and literary works during the period of Sein und Zeit
and extending into the years following its publication. Instead of func-
tioning in the traditional manner as a term that describes the attempt to
privilege the intelligible over the sensible world, metaphysics is rede-
fined as the properly ontological concern of Dasein.
While the issue of art does not emerge strongly in the Cassirer-
Heidegger debate, we can easily envision how the basic concerns of
aesthetic experience might have figured in a more complete version of
this encounter. In Heidegger¶s interpretation of Nietzsche, we soon
discover that the doctrine of beauty as enunciated in Kant¶s aesthetics3
is assigned a positive significance that has little to do with either its
neo-Kantian appropriation or with the metaphysical misinterpretation
that Nietzsche assigned to it. Heidegger clearly attributes Nietzsche¶s
misinterpretation of Kant to the lingering influence of Schopenhauer,
whose conception of the will no doubt stood in the way of a basically
³classical´ view of the beautiful.4 From Heidegger¶s standpoint, Nie-
tzsche misinterprets Kant¶s definition of the beautiful as ³devoid of all
interest´ in two ways: first, this phrase is taken out of context and
misunderstood as the sole criterion for judging the beautiful; second, it
2
Martin Heidegger, Kant and the Problem of Metaphysics, trans. by
Richard Taft, Bloomington 1997.
3
Immanuel Kant, Critique of Judgment, trans. by J. H. Bernard, Amherst
2000.
4
See also Maudemarie Clark, Nietzsche on Truth and Philosophy,
Cambridge and New York 1990.
Heidegger¶s Allegory of Reading 225
5
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´WUDQVEy David F. Krell;
in: Nietzsche i, New York 1979, 110.
6
Hans-Georg Gadamer, Truth and Method, trans. by Joel Weinsheimer and
Donald G. Marshall, New York 1991.
226 William D. Melaney
7
Plato, The Republic of Plato, trans. by Allan Bloom, New York 1991.
8
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 123.
Heidegger¶s Allegory of Reading 227
9
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH2ULJLQRIWKH:RUNRI$UW´LQPoetry Language
Thought, trans. by Albert Hofstadter, New York 1971, 15-87.
10
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 118.
228 William D. Melaney
titude that constitutes the model for interpreting the world in the first
place.
Moreover, Heidegger establishes the thematic of instability on a
deeper level in identifying the ³fundamental experience´ that enabled
Nietzsche to confront the problem of metaphysics in a new way. This
experience is that of nihilism, which constitutes the gravest threat to
the survival of metaphysics in its ³classical´ form. In Heidegger¶s ac-
count, this experience of nihilism is inseparable from the death of
God, just as it constitutes an event (Ereignis) of overwhelming histor-
ical importance: ³The phrase µGod is dead¶ is not an atheistic procla-
mation: it is a formula for the fundamental experience of an event in
Occidental history.´11 In genealogical terms, Nietzsche¶s pronounce-
ment implicates Christianity in the history of nihilism, which begins
as metaphysics. The connection between Christianity and Platonism
has been clearly established in numerous studies, but Nietzsche invites
us to rethink this relationship, not on the level of historical influence,
but in terms of shared patterns of denial that demonstrate mutual com-
plicity.
Nietzsche¶s interpretation of Plato becomes crucial, therefore,
within the context of historical genealogy, the new science that ulti-
mately enables him to interpret cultural phenomena in semiotic ways.
On the basis of Nietzsche¶s criticism of traditional metaphysics, we
might easily assume that he was unambiguous in his rejection of both
Plato and Platonism. It is true that Nietzsche distinguishes Plato from
Platonism largely due to issues of historical influence as opposed to
authorial meaning. From this standpoint, Heidegger is sometimes as-
sumed to have argued that Nietzsche¶s philosophy constitutes an ³in-
version of Platonism´ that simply reverses what the classical philoso-
pher asserted to be true. However, Heidegger cannot be identified
with this uncomplicated reading. If this were Heidegger¶s reading,
11
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 156.
Heidegger¶s Allegory of Reading 229
then he would not need to argue that Nietzsche conceived of the rela-
tionship between art and truth as one of discordance. And yet,
Heidegger reminds us that Nietzsche¶s challenge to traditional meta-
physics seriously destabilizes this thought: ³He speaks of the discord-
ance that arouses dread, not in the period prior to his overturning Pla-
tonism, but precisely during the period in which the inversion is
decided for him.´12
Furthermore, Heidegger discovers signs of this discordance in the
deep structure of Platonic metaphysics. In his analysis of Plato¶s Re-
public, Heidegger identifies the eidos that inspires the craftsman with
an outward appearance of the thing to be produced, rather than with an
abstract ³concept´ that allegedly underlies the phenomenon. At the
same time, the eidos in no way depends on what the craftsman makes
but is what enables him to ³frame´ his work according to what is pro-
scribed. Hence the craftsman allows things to become present as phe-
nomena, that is, as appearances that in some way correspond to ideas.
However, the nature of this correspondence remains difficult to de-
termine. Since the craftsman does not produce the eidos, he is essen-
tially estranged from the being of the thing produced. From this per-
spective, the material thing can only detract from the original radiance
of this idea. Heidegger attempts to explain why it is hard to translate
the term that aptly describes this process: ³The Greek word amydron
is difficult to translate: for one thing it means the darkening and dis-
torting of what comes to presence.´13 According to the implicit analo-
gy between art and craftsmanship, the element of ³darkening and dis-
torting´ inherent in all production establishes an irrevocable distance
between art and truth.
This does not mean, however, that Heidegger interprets Plato as
providing the model for a basic discordance that Nietzsche simply ap-
12
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 162-63.
13
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 180.
230 William D. Melaney
14
Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung; in: Kritische Studienausgabe
(= KSA), ed. by Georgio Colli and Marrino Montinari, Berlin and New York
1980, Vol. 6, 55-161.
15
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 207.
16
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 209.
17
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 215.
232 William D. Melaney
18
Eric Blondel, Nietzsche: The Body and Culture; Philosophy as a
Philological Genealogy, trans. by Seán Hand, Stanford 1991.
Heidegger¶s Allegory of Reading 233
1
Martin Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer
BetUDFKWXQJ³9RP1XW]HQXQG1DFKWHLOGHU+LVWRULHIUGDV/HEHQ´, GA 46,
Frankfurt am Main 2003.
236 Charles Bambach
2
Friedrich Nietzsche, Nietzsches Werke (Großoktavausgabe), Philologica,
Dritter Band, Unveröffentlichtes zur antiken Religion und Philosophie, GOA
XIX, Leipzig 1913.
3
Friedrich Nietzsche, Nietzsches Werke (Großoktavausgabe), Aus den
Jahren 1872/73-1875/76, GOA X, Leipzig 31922, 41; Philosophy in the
Tragic Age of the Greeks, 62.
Heraclitean Justice Between Heidegger and Nietzsche 237
man beings take some things as just [dikaia, gerecht] and others as un-
just [adika, ungerecht], but for the gods all things are beautiful, and
good, and just.´ Or, as Nietzsche will express it, ³[a]ll that exists is
just [gerecht] and unjust [ungerecht] and equally justified [berechtigt]
in both respects.´4 The fundamental problem, Heidegger claims, is one
of translation.
4
Friedrich Nietzsche, Nietzsches Werke (Grossoktavausgabe), Die Geburt
der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen, GOA I, Leipzig 1917, 72; The
Birth of Tragedy, 51.
5
Nietzsche, Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen, GOA
I, 319, 338; Untimely Meditations, 83, 94.
238 Charles Bambach
and future, Heidegger claims, betrays a predilection for the Latin un-
derstanding of truth as rectus as ³keeping straight,´ ³heading straight
along,´ and being ³cor-rect.´6 Out of this Latin cluster of terms with
close etymological roots we find rego: ³to rule´ or ³govern´ regula:
to set a ³pattern,´ ³rule,´ or ³example´; regio: ³a boundary line´ or
³region´; as well as reor: ³to reckon´ or ³think´; and ratio: ³reason.´
³The µtaking as true¶ of ratio, of reor, becomes a far-reaching and an-
ticipatory security. Ratio becomes counting, calculating [Rechnung],
calculus. Ratio is a self-adjustment to what is correct [das Sichein-
richten auf das Richtige].´7
As Heidegger will claim, Nietzschean justice expresses nothing
less than the Roman metaphysics of imperial dominion and hegemo-
ny, the metaphysics of ³self-assertion´ (das Sich-behaupten) that cul-
minates in the will to power. Because Nietzsche thinks justice on the
basis of Roman veritas, rectitudo, and justitia, and because he thinks
truth within the metaphysics of self-assertion and dominion where
³justum, as understood in Latin, is µto-be-in-the-right¶ [im Recht sein]
and µto have a right¶ [Recht-haben],´ he cannot finally experience ³the
primordial essence of truth´ expressed in Heraclitus¶ notion of dike.8
As Heidegger will continually emphasize, ³justitia has a wholly dif-
ferent ground of essence than that of dike, which essentially unfolds
[west] as aletheia.´ For this reason, Heidegger will come to see Nie-
tzsche¶s decision to translate dike as Gerechtigkeit²thought in terms
of justitia²as signifying something more than a questionable philo-
logical judgment about the appropriateness of word equivalents. It be-
comes decisive, rather, as a signature moment in the history of truth
for the West.
6
Martin Heidegger, Parmenides, GA 54, Frankfurt am Main 21992, 77;
Parmenides, trans. by André Schuwer and Richard Rojcewicz, Bloomington
1992, 52.
7
Heidegger, Parmenides, GA 54, 74, 71; Parmenides, 50, 48.
8
Heidegger, Parmenides, GA 54, 59, 79; Parmenides, 40, 54.
Heraclitean Justice Between Heidegger and Nietzsche 239
9
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 142.
10
Nietzsche, Aus den Jahren 1872/73-1875/76, GOA X, 212.
11
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 138; Nietzsche, Unveröffentlichtes zur antiken Religion und Philoso-
phie, GOA XIX, 178.
12
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 83.
240 Charles Bambach
It was Nietzsche himself who raised the issue of the ³limit´ as a philo-
sophical problem±both in Philosophy in the Tragic Age of the Greeks
with his notion of a Grenzstein or ³boundary stone´ and in the second
Untimely Meditation with his discussion of the Horizont or horizon of
life. In both these texts, Nietzsche will point to the necessity of setting
13
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 178.
14
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 218, 221.
Heraclitean Justice Between Heidegger and Nietzsche 241
limits on the boundless possibilities that confront the self. One has to
be able ³to determine the limit (die Grenze bestimmen)´ at which the
past does not overwhelm the present; for this, one needs to possess
what Nietzsche calls ³the plastic power´ of creatively embodying the
possibilities of the tradition while simultaneously knowing how to de-
limit their influence. In this delicate art of balancing what is healthful
and noxious, what is of advantage and disadvantage to life, Nietzsche
will locate the problem of justice. (Later, in Thus Spoke Zarathustra,
this art of judicious balancing will emerge in the fate of the tightrope
dancer.) Justice, in this sense, involves knowing one¶s limits and pos-
sessing the strength to understand the precarious equilibrium of exist-
ence between the cosmos and the polis, the world of being and the
world of human being. Nietzsche characterizes this equilibrium in Un-
timely Meditations as learning how ³to organize the chaos´ from out
of the endless possibilities provided by history. As his model Nie-
tzsche chose the early Greeks as those able to master themselves and
organize the chaos around them by heeding the oracular wisdom of
Delphi: ³>«@ WKH JRG RI 'HOSKL FULHV WR \RX KLV RUDFOH µKnow thy-
self.¶ It is a hard saying: for that god µneither conceals, nor reveals,
but only indicates,¶ as Heraclitus has said. What does he indicate to
you?´15
In Heraclitus¶ oracular wisdom of physis as eternal ³play in neces-
sity´ according to ³the law of becoming´ through strife, tension,
struggle, and oppositional equilibrium, Nietzsche uncovers an inter-
pretation of justice that indicates to him a ³horizon´ by which to
measure human life. As he thinks through this Nietzschean question of
limit and measure against the oracular wisdom of Heraclitus,
Heidegger will point to what he perceives as the most fundamental
problem in Nietzsche¶s reading: the problem of measure itself. As
15
Nietzsche, Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen, GOA
I, 382; Untimely Meditations, 122.
242 Charles Bambach
Heidegger puts it, for Nietzsche ³horizon´ means: ³the limitation, re-
striction, securing, and fixation of µlife.¶ Here horizon is not so much
gefügemäßig [measured by the jointure (of being)] as it is lebens-
mäßig [measured by life].´16 Nietzsche¶s notion of measuring life is in
the end, according to Heidegger, a measuring by life in its subjective
form, a measuring that misses the Heraclitean insight into the primor-
dial essence of dike. In this sense, horizon will be thought in a subjec-
tive way as ³perspective,´ as something ocular and fixed; but there is
here ³a more originary and essential configuration of human being (in
Dasein) that Nietzsche can see as little as all metaphysics before
him.´17
Heidegger would find in this Nietzschean reading of horizon a lim-
it that was wholly anthropological and determined by the metaphysics
of Cartesian self-positing²but now measured by the self as ego vivo
rather than as ego cogito. The balance or equilibrium found by Nie-
tzsche¶s artistic genius was not that of the cosmos itself but that of a
self-legislating, autonomous subject. What Nietzsche ultimately failed
to think in his notion of horizontal life-measure was its essential rela-
tion to Heraclitean dike²thought not as ³lebensmäßige Gerechtig-
keit´ (a measure of justice provided by life) but as the ³gefügemäßige´
(a measure by the jointure of being). Heraclitus¶ vision of the world as
playful jointure, of an oppositional equipoise of conjuncture and dis-
juncture unfolding in the image of the bow and the lyre (Fragment 51)
comes to expression in Heidegger as ³the foundational conjointure
[das Grundgefüge] of world and of humans.´18 Thought from within
16
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 137.
17
Martin Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen 1961, 574 ; Martin Heidegger,
Nietzsche iii, trans. by John Stambaugh, David F. Krell and Frank A.
Capuzzi, San Francisco 1987, 87.
18
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 344.
Heraclitean Justice Between Heidegger and Nietzsche 243
19
Heidegger, Nietzsche I, 576; Nietzsche iii, 88.
20
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Tübingen 1953, 123;
Introduction to Metaphysics, New Haven 2000, 171.
21
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 127; Introduction to Meta-
physics, 177.
244 Charles Bambach
ject and renders his planning and calculation to nothing. What dike
points to is a realm of balance and equipoise that happens ³beyond
good and evil,´ beyond the ³boundary stone´ of the human horizon, a
realm between being and human being that enjoins them in a way that
cannot be configured by the figurations of human will. What is fitting
is that we fit in at all. We do not make the fit; we accede to it. In one
of his Heraclitus lectures from summer semester 1944, Heidegger will
think of this fit in a different way by bringing it into relation with the
Heraclitean term ethos. Ethos, Heidegger writes, ³means dwelling,
abode. We say: the dwelling of the human being, his abiding in the
PLGVW RI EHLQJV DV D ZKROH >«@ µEthics¶ concerns the human being
not as a separate topic among other topics but it looks at the human
being with respect to the relation of beings as a whole to the human
being and of the human being to beings as a whole.´22 Two years later
in the Letter on Humanism, Heidegger would take up this topic again
and claim that ³ethos >«@QDPHVWKHRSHQUHJLRQLQZKLFKWKHKXPDQ
EHLQJGZHOOV>«@>,I@HWKLFVSonders the abode of the human being,
then that thinking which thinks the truth of being as the primordial el-
HPHQWRIWKHKXPDQEHLQJ>«@LVLQLWVHOIRULJLQDU\HWKLFV´23
What this ³originary ethics´ entails has become a matter of conten-
tion for Heidegger scholars. Any reading of what this could mean
would have to take up the question of technology and the problem of
dwelling in the abode of an ecological order out of balance with the
machinations of will to power. However, I would also argue that part
of what comes to language in the barely articulated possibility of an
originary ethics is the meaning of dike thought of as Fug, rather than
as Gerechtigkeit. For the question of ethics can only be posed in rela-
tion to the originary sway of dike as the Heraclitean jointure of what is
22
Martin Heidegger, Heraklit, GA 55, Frankfurt am Main 31994, 214.
23
Martin Heidgeger, Wegmarken, GA 9, Frankfurt am Main, 187; Path-
marks, Cambridge 1998, 271.
Heraclitean Justice Between Heidegger and Nietzsche 245
24
Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961, 240; Martin Heidegger,
Nietzsche iv, trans. by Frank A. Capuzzi, San Francisco 1982, 182.
13. Nietzsche is Said in Many Ways: Nietzsche¶s Presences in
Heidegger¶s Parmenides
1
In what follows, I shall continue to refer to the Parmenides DVD³ZRUN´
RFFDVLRQDOO\ DV D ³FRXUVH´ QRW ZLWKRXW DFNQRZOHGJLQJ +HLGHJJHU¶V ZLVK
WKDWKLVZULWLQJVEHORRNHGRQDV³ZD\VQRWZRUNV´7KHZRUG³*UHHN´ZLOO
following Heidegger, UHIHU WR ³SUH-3ODWRQLF´ *UHHN $OO UHIHUHQFHV WR
+HLGHJJHU¶V Parmenides are to Martin Heidegger, Parmenides, GA 54, ed.
by Manfred S. Frings, Frankfurt am Main 1982; Parmenides, trans. by André
Schuwer and Richard Rojcewicz, Bloomington 1992.
2
Agnes HelleU ³3DUPHQLGHV DQG WKH %DWWOH RI 6WDOLQJUDG´ LQ Graduate
Faculty Philosophy Journal 19, no. 2 (1996), and 20, no. 1 (1997), 247, lists
for the work thirty-one themes, acknowledging the list to be incomplete. One
would want to add to her list at least an additional twenty.
248 Luanne T. Frank
such it will have been engaged in conflict. Even truth thought as un-
concealedness, if merely as unconcealedness, i. e., in the absence of
its opposite, concealedness, would occupy truth¶s second level, but
without its opposite would remain potentially barren. Truth at ground
level is conflictual and fecund.
Heidegger will shortly point to the fecundity of this level by identi-
fying it with Heraclitus¶ polemos, ³father of all things,´3 and will em-
phasize it often, referring to the imperative of comprehending uncon-
cealedness always across concealedness (with which it stands in
conflict), that is, of comprehending aletheia across lethe. To empha-
size his point, he will even emphasize lethe over aletheia, thereby
showing the extent to which a phenomenon¶s opposite is also its sine
qua non. It is lethe, this ³without which´ there is no aletheia, that fi-
nally takes precedence here, since it is the aspect of truth typically
overlooked.
These beginnings arrived at, Heidegger makes them the basis of his
pursuits for the remainder of the work, especially in its long center
section (³Part One´), in which he uncovers the meanings of aletheia¶s
two chief counterwords, or opposites, pseudos and lethe, each of
which indicates forms of concealedness. He uncovers the myriad con-
ventional meanings of pseudos, aletheia¶s opposite in conventional
Greek usage of Parmenides¶ time and before, and the profound mytho-
logical meanings of lethe, the opposite aletheia carries at its core.
The aletheia theme proper, however, is but the first of three con-
trolling themes in the work. A second is a way of thinking that is
aware, and heedful, of being, a theme closely connected with the
aletheia theme, at times flowing together with it and eventually seem-
ing to have evolved out of it. Like the word aletheia, this way of
thinking stands in conflict with its own opposite, the way of thinking
that typifies the West: metaphysics. Without yet mentioning meta-
3
Heidegger, Parmenides, GA 54, 26; Parmenides, 18.
250 Luanne T. Frank
4
7KLV LV WKH WUDQVODWRU¶V XVHIXO UHQGHULQJ RI eigentlich here. It will be
helpful to note in this connection, however, that eigentlich is also renderable
DV ³SURSHU´ ³WUXH´ ³UHDO´ DQG ³HVVHQWLDO´ DOO RI ZKLFK DUH SHUWLQHQW KHUH
and show Heidegger all but explicitly saying that metaphysical thinking is
not bona fide thinking at all.
Nietzsche is Said in Many Ways 251
merous, varied, and intricately laid out byways, and their ³perspects´
and ³prospects.´ But to overlook Nietzsche is to miss Heidegger¶s
chief, and most powerful, figuration of metaphysics in the work, and,
beyond this, much of the significance of the work for Heidegger¶s
own times, most notably its political significance. For Nietzsche is the
telling link between traditional metaphysics and Heidegger¶s Germa-
ny. Not only does Nietzsche represent the entirety of the metaphysics
that precedes him, he is also the bridge to, and the implicit representa-
tion of, the National Socialism to which Heidegger sees Nietzsche¶s
thought having led but which Heidegger can only clandestinely criti-
cize.
Interpreters of the Parmenides do overlook Nietzsche, however. In
several studies of the Parmenides he in fact goes without mention.
More typically he is but cursorily noted. But for a few exceptions, he
remains more unremarked than acknowledged.5
Why? What might justify his being overlooked? A number of pos-
sibilities suggest themselves. I name but three. First: But for a single
evanescent mention, the work features Nietzsche¶s name only after a
quarter of the course has transpired, thus long after numerous key
5
7ZR H[FHSWLRQV DUH +HOOHU ³3DUPHQLGHV DQG WKH %DWWOH RI 6WDOLQJUDG´
ZKR QRWHV +HLGHJJHU¶V VSHFLDO DQLPXV WRZDUG 1LHW]VFKH DQG WKH WXUQ LQ
+HLGHJJHU¶V YLHZ RI KLP SDWHQW LQ WKH Parmenides, and Charles Bambach,
one of whose main themes in his extraordinary +HLGHJJHU¶V 5RRWV (Ithaca
2003) is Nietzsche, and who, though his range is wide, does not overlook the
Nietzsche of the Parmenides. A third exception is Gail Soffer, who also
HPSKDVL]HV 1LHW]VFKH EXW RQO\ WR REMHFW WR ZKDW VKH VHHV DV +HLGHJJHU¶V
reductionist treatment of history, especially in his supposedly straightforward
HFKRLQJRI1D]LLGHRORJXHV¶SUDLVH-laden interpretations of Nietzsche. But as
ZHVKDOOVHH+HLGHJJHU¶VDFFRXQWLVDQ\WKLQJEXWVWUDLJKWIRUZDUGKHUHLWLVD
bitterly ironic attack on Nietzsche and National Socialism (about both of
which more later). Moreover, Soffer treats only those pages of the
Parmenides deriding Rome, not commenting on their resonances throughout
the Parmenides, and leaving the myriad other appearances of Nietzsche, also
throughout, without comment (see Review of Metaphysics 49 [1996], 547-
76).
Nietzsche is Said in Many Ways 253
6
Heidegger, Parmenides, GA 54, 63; Parmenides, 43.
7
Heidegger, Parmenides, GA 54, 77-79; Parmenides, 52-53.
8
Laurence Lampert looks on even the Nietzsche of the Nietzsche volumes
DV ³VRPHWKLQJ RI D FDULFDWXUH´ LQ WKH VHQVH RI DQ ³DFFRXQW >«@ VHYHUHO\
OLPLWHGE\WKHSXUSRVHLWVHUYHV´VHH Man and World 74 [1974], 355). The
Nietzsche of the Parmenides would then be, and in the same sense, a
caricature of a caricature.
254 Luanne T. Frank
here is comparable to the one David Farrell Krell sees him occupying
in Being and Time, as possibly ³the regnant genius of that work.´9
Nietzsche is regnant here as well, but now in a reverse sense, the sense
in which Heidegger (in devoting more than three times the number of
pages to aletheia¶s opposites than to aletheia proper) sees lethe reg-
nant in relation to aletheia: Nietzsche here is Heidegger¶s opposite,
thus Heidegger¶s own ³without which nothing.´ Third: Because Nie-
tzsche is made to seem the exclusive target of the slings and arrows
that Heidegger launches at him and indeed intends for him here, but
intends not only for him. Making Nietzsche the target of his derision
enables Heidegger to ³say,´ here, what he cannot say²about contem-
porary German politics, i. e., National Socialism²without risk of ret-
ribution.
These and the earlier points made emphasizing Nietzsche¶s im-
portance here want to be demonstrated. Thus I note numerous ways
Nietzsche is said in the work and the roles it casts him in. My account
must necessarily be suggestive rather than exhaustive.
First, I divide the preponderance of Nietzsche¶s appearances into
four categories, suggesting them as conveniently apprehendable at
four ³distances,´ four levels of specificity. I view these levels as
³depths,´ as in a landscape painting, designating them as acute fore-
ground, foreground, middleground, and background, each important,
each unmistakably representing Nietzsche, though each with a differ-
ent degree of directness and exclusivity.
Acute foregroundings will be actual featurings of Nietzsche¶s name
or words that are clearly code words for him; foregroundings, those
words and phrases directly identified with him in the text; mid-
dlegroundings, those phrases or descriptions that, absent such direct
9
6HH 'DYLG ) .UHOO ³+HLGHJJHU¶V 5HDGLQJ RI 1LHW]Vche: Confrontation
DQG (QFRXQWHU´ LQ Journal of the British Society for Phenomenology 24
(1983), 247.
Nietzsche is Said in Many Ways 255
10
Heidegger, Parmenides, GA 54, 77-78; 82-83; 235; Parmenides, 52-53;
55-56; 158.
11
, DP FRQVLGHULQJ D ³VHW´ HYHQ WKRVH DSSHDUDQFHV ZKHUH KLV QDPH LWVHOf
may occur but a single time, though along with terms or phrases that, once
associated with him, call him to mind thenceforth, wherever they occur. The
³5RPH´-´PRGHUQ´VHW\HWWREHQRWHGDQGPHQWLRQLQJ1LHW]VFKHEXWRQFHLV
one such. Heidegger, Parmenides, GA 54, 77-78; Parmenides, 52-53.
12
Heidegger, Parmenides, GA 54, 111f.; Parmenides, 75-76.
13
Heidegger, Parmenides, GA 54, 63; Parmenides, 43.
256 Luanne T. Frank
14
Heidegger, Parmenides, GA 54, 235; Parmenides, 158. ³5RPDQ´ LQ
some form or combination, occurs more than one hundred times. To provide
something with which to compare this number, we could note that
1LHW]VFKH¶V QDPH RFFXUV DSSUR[LPDWHO\ ILIW\ 2QH PLJKW KHVLWDWH KHUH WR
make a point via numbers²this, iQ GHIHUHQFH WR +HLGHJJHU¶V IUHTXHQWO\-
YRLFHGREMHFWLRQVWR³FDOFXODWLRQ´LQWKLVYHU\ZRUN+HLGHJJHUParmenides,
GA 54, 74; Parmenides, 50 (and elsewhere).
15
³0RGHUQ´GRHVQRWRIFRXUVHEHORQJH[FOXVLYHO\WR1LHW]VFKHEHORQJLQJ
rather, to all metaphysicians infected by Rome. Here, however, it most often
³VD\V´1LHW]VFKH
16
Heidegger, Parmenides, GA 54, 25-86; Parmenides, 17-58.
17
A few of these, in addition to veritas, are adaequatio, certitudo, iustitia,
rectitudo, reason, correctness, and command. Heidegger, Parmenides, GA
54, 73; 77-78; Parmenides, 50; 52-53.
18
Heidegger, Parmenides, GA 54, 77-78; Parmenides, 52-53.
Nietzsche is Said in Many Ways 257
19
Heidegger, Parmenides, GA 54, 167; Parmenides, 113.
20
Heidegger, Parmenides, GA 54, 203-5; Parmenides, 137-38.
21
Heidegger, Parmenides, GA 54, 203-5; Parmenides, 137-38.
22
Heidegger, Parmenides, GA 54, 82; 168; Parmenides, 56; 113.
23
Heidegger, Parmenides, GA 54, 74; 83; Parmenides, 50; 56.
24
Heidegger, Parmenides, GA 54, 132-133; Parmenides, 89-90.
25
Heidegger, Parmenides, GA 54, 159-60; Parmenides, 107-8.
26
Heidegger, Parmenides, GA 54, 111-12; Parmenides, 75.
258 Luanne T. Frank
27
Heidegger appears to want to establish these ways of being as misguided
before revealing them as Nietzschean or linking them with other names in
Western thought. Though ancient in pedigree, they are ways of being
prevailing as Heidegger speaks.
28
Heidegger, Parmenides, GA 54, 4-5; Parmenides, 3-4.
29
Heidegger, Parmenides, GA 54, 4; Parmenides, 3.
30
Heidegger, Parmenides, GA 54, 5; Parmenides, 4.
31
Heidegger, Parmenides, GA 54, 5; Parmenides, 3.
32
Heidegger, Parmenides, GA 54, 10; Parmenides, 7
33
Heidegger, Parmenides, GA 54, 7; Parmenides, 5.
Nietzsche is Said in Many Ways 259
34
Silvio Vietta, Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der
Technik, Tübingen 1989, 47. I am indebted to Theodore Kisiel for this
reference.
260 Luanne T. Frank
35
See Heller and Bambach, footnote 5 above.
36
³+HLGHJJHU¶V OLVWHQHUV « FRXOG QRW KHOS EXW KHDU LQ DOO WKLV WKDW WKH
(QJOLVKZHUHWULFN\LPSHULDOLVWVDLPLQJWRPDNHVODYHVRIWKH*HUPDQV´6HH
Michael Zimmermann, +HLGHJJHU¶V&RQfrontation with Modernity: Techno-
logy, Politics, and Art, Bloomington 1990, 177. In a sense, the identification
of National Socialism with Rome is not surprising, given the Roman-like
spectacles staged by the Third Reich and the relation between it and Rome
DOOXGHGWRLQLWVOHDGHU¶VVSHHFKHV
Nietzsche is Said in Many Ways 261
37
Sigmund Freud, The Interpretation of Dreams, trans. and edited by James
Strachey, New York 1955, 602-3. It may be unnecessary to turn to Freud
KHUH HVSHFLDOO\ LQ YLHZ RI +HLGHJJHU¶V ZHOO-NQRZQ DYHUVLRQ WR )UHXG¶V
WKHRULHV DQ DYHUVLRQ QRW RI FRXUVH +HLGHJJHU¶V DORQH )ULHGULFK &UHZV
keeping it robust in our time), but Freud does offer useful structures for
understanding. I am assuming here in somewhat the way Heidegger appears
to have done, that consciousness is capable of engaging in dissemblings and
displacings similar to those practiced by the unconscious, of, for example,
using (supposed) unconcealments to cover concealments. This is indeed what
Heidegger himself is doing here. On Heidegger and Freud see Fred Dallmayr,
³+HLGHJJHUDQG)UHXG´LQFrom Phenomenology to Thought, Errancy, and
Desire: Essays in Honor of William J. Richardson, S. J., edited by Babette
Babich, Dordrecht 1995, 547-565.
38
7KHILUVWRIWKHVHUHDGV³«WKLVKLVWRULFDOSHRSOHLIWKHZRUGµYLFWRU\¶
is appropriate here at all, has already been victorious and is invincible,
provided it remains the people of poets and thinkers that it is in its essence,
and as long as it does not fall prey to the terrible²always menacing²
GHYLDWLRQ IURP DQG PLVWDNLQJ RI LWV HVVHQFH´ +HLGHJJHU Parmenides, GA
54, 114; Parmenides, 77). The lecture was delivered February 9, 1943,
6WDOLQJUDG KDYLQJ IDOOHQ-DQXDU\7KH VHFRQGFRPPHQWUHDGV³,QUHcent
days it was publicly announced by the ministry of propaganda in a loud voice
WKDW WKH *HUPDQV QR ORQJHU QHHG µWKLQNHUV DQG SRHWV¶ EXW µFRUQ DQG RLO¶³
262 Luanne T. Frank
1
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Tübingen 41976.
2
)ULHGULFK +|OGHUOLQ ³,Q OLHEOLFKHU %OlXH ´ LQ Sämtliche Werke und
Briefe, Bd. 1, hrsg. von Michael Knaupp, München/Wien 1992, 908-909.
7KLVSURVHSRHPEHORQJVDPRQJ+|OGHUOLQ¶VODVWZULWLQJVDQGLVWUDQVPLWWHG
RQO\ LQ :LOKHOP :DLEOLQJHU¶V QRYHO Phaeton (1823). Although Waiblinger
made use of his extensive conversations with the late Hölderlin, as well as of
WKH ODWWHU¶V ZULWLQJV LW FDQQRW EH GHWHUPLQHG WR ZKDW H[WHQW WKH WH[W LV
+|OGHUOLQ¶VRZQ
3
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 81.
264 Véronique Fóti
4
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 110.
5
Parmenides, Peri Physeos, fragment 3.
From an Agonistic of Powers to Deferred Homecoming 265
6
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 116.
266 Véronique Fóti
7
2WWR 3|JJHOHU DOVR SRLQWV WKLV RXW LQ KLV ³'LH HQJHQ 6FKUDQNHQ XQVHUHU
QRFK NLQGHUlKQOLFKHQ .XOWXU´ LQ Jenseits des Idealismus. Hölderlins letzte
Homburger Jahre (1804-1806), hrsg. von Christoph Jamme und Otto
Pöggeler, Bonn 1988, 40. This is presumably part of the violence that Hei-
degger acknowledges doing to the text. Pöggeler also notes that, for
Hölderlin, the wider context of interpretation (the idea that the great fall most
precipitously) here reflects the corruption of his textual source, which
transforms to me kalon ³ZKDW LV QRW EHDXWLIXOQREOH´ LQWR to men kalon
³WKHEHDXWLIXOQREOH´VHH+HLGHJJHUWKRXJKIDUIURPEHLQJOLPLWHGWRD
corrupt textuaOVRXUFHIROORZV+|OGHUOLQ¶VLQWHUSUHWDWLRQRQWKLVSRLQW
8
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 117. My translation of
+HLGHJJHU¶V *HUPDQ KHUH LV DOVR VRPHZKDW DUWIXO VR DV WR FRQYH\ WKH
deliberate echoing of fahren ³WUDYHOOLQJ YR\DJLQJ´ LQ Erfahrung
³H[SHULHQFH´
9
Sophocles, Antigone, v. 370.
From an Agonistic of Powers to Deferred Homecoming 267
10
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 117.
268 Véronique Fóti
which way, they find themselves debarred from an opening unto be-
ing. Moreover, and crucially, every ingenious pathway is also ob-
structed by death. Heidegger emphasizes that human beings come up
against death not just when dying lies immediately ahead, but con-
stantly, because essentially.
One must agree with Heidegger that here the Sophoclean projec-
tion of the power of mortals in relation to Being inscribes its own lim-
its; but one must also ask whether these limits are the only ones to be
marked. In the first stasimon, such is the case; but in the full sequence
of choral odes, other limits are inscribed: Eros and Aphrodite, ³never
conquered,´ in the third stasimon, the curse and ancestral sorrows of
³the house´ in the second, sheer cruel fate (rather than intelligible di-
vine justice) in the fourth, and finally Dionysian mania in the fifth and
final stasimon. Heidegger ignores this further exploration of human
disempowerment. What interests him instead is techne, insofar as it
plays into the interrelation between human power and what over-
poweringly prevails, and thus into man¶s emergence as to deinotaton.
Here he follows out three avenues of thought. The first of these con-
siders techne as ³the entire range of machinations [Machenschaft, the
Sophoclean mechanoen] consigned to [man].´ However, techne is not,
in Heidegger¶s understanding, a doing or making, but rather a know-
ing that enables one to set being into the determinacy of a work. The
form of techne that outstandingly accomplishes this is art.
In its very appearing (Erscheinen), the art work renders being,
thought as physis, or as an arising into presences, compellingly mani-
fest in its radiance (Schein). Here then the violative power exercized
by man, or techne understood as to deinon, brings to pass a disclosure
of being within beings and counteracts entanglement in semblance.
Secondly, whereas the Sophoclean chorus emphasizes the constraints
of justice, Heidegger thinks dike or justice as the alter-aspect of to de-
inon: as that which both resists and encompasses human initiative. He
calls to deinon in this sense also by the names of jointure or fitting-
From an Agonistic of Powers to Deferred Homecoming 269
together (Fug and its variants). Any merely moral or juridical under-
standing of justice, he argues, will deprive the notion of ³its funda-
mental metaphysical content.´ In Dasein¶s essential historicity, techne
and dike strive against each other.
In the third consideration, Heidegger returns to the thought of to
deinotaton as the interrelation of the two aspects of to deinon, that is,
of techne and dike. Man, possessed of the knowing that constitutes
techne, effracts the jointure and tears (reißt) being into a configuration
of beings, without thereby mastering it.11 Human being is then tossed
about, in danger and homelessness, between jointure and dis-jointure
(Un-fug).
This consideration leads on directly to the third trajectory of inter-
pretation which, Heidegger admits, is itself necessarily violative,
namely of the text, since it must show what is said without its having
actually come to language, that is, it must penetrate into the essential
unsaid. If the interrelation of human power and Being¶s over-power
opens unto the possibility of a loss of any recourse or abode, or unto
disaster, this is not, he argues, due to any mere mishap. Rather, disas-
ter or perdition (der Verderb) is integral to to deinotaton, in that a vio-
lative exercise of power against Being¶s over-power must be shattered
if Being is to prevail as physis or the arising that holds sway (das
aufgehende Walten). Human being, furthermore, must exercise viola-
tive power, courting perdition, so that Being¶s over-power can reveal
itself.
With heroic-tragic pathos, Heidegger argues that the violative crea-
tor therefore has no regard for goodness, solace, approval, or valida-
tion, since perdition is for him ³the deepest and most far-reaching yes
to what over-poweringly holds sway.´ The work itself must be shat-
11
+HLGHJJHU¶VSURPLQHQWXVHRIreißen and Riß here recalls the prominence
RI WKHVH VDPH WHUPV LQ KLV FRQWHPSRUDQHRXV HVVD\ ³'HU 8UVSUXQJ GHV
.XQVWZHUNHV´LQHolzwege, GA 5, Frankfurt am Main 1977, 1-74.
270 Véronique Fóti
12
Martin Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen 1961, 11-254.
13
Heidegger, Nietzsche I, 105.
14
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV +\PQHQ ³*HUPDQLHQ´ XQG ³'HU 5KHLQ´,
From an Agonistic of Powers to Deferred Homecoming 271
18
Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, 81.
19
Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´*$+HLGHJJHU¶VWHUPV
IRU WKH WZR VHQVHV RI ³WKH GUHDGIXO´ DUH das Furchtbare and das Ehrfucht-
gebietendeWKRVHIRU³WKHSRZHIXO´DUHdas Waltende, Überragende, and das
Gewalttätige; and stupendous universal facility is die Geschicklichkeit in
allem und jedem.
From an Agonistic of Powers to Deferred Homecoming 273
man, but rather brings home that man is, in a privileged but always
ambiguous way, drawn into, claimed by, and responsive to being. For
this reason, humans are not simply at home in their accustomed and
homelike surroundings; but rather, they seek what, in the stream-like
flow of presencing and absencing, dynamically but insubstantially
abides.
Thus human abiding with what prevails (pelein, as named by
Sophocles) is responsive to ³the hidden presencing of stillness and
quiet´ in relentless change and turbulence.20 However, since man is
essentially not at home (unheimisch), he only abides with or possesses
the homelike (das Heimische)²or is possessed by it²in the manner
of a lacking or deprivation.
The nothingness (das Nichthafte) that man encounters cannot be
thought adequately in terms of mere negation or negativity. Moreover,
Heidegger charges, metaphysical thinking cannot do justice to the
negative, even when it tries, with Hegel, Schelling, and ultimately
with Nietzsche, to overcome, redeem, or valorize it. Thus the thought-
structure of metaphysics falls short of tragic thinking²a shortfall that
Hölderlin was acutely troubled by, and that led to his deconstruction
of the speculative matrix of tragedy.
In his lecture course on ³Der Ister´ and in his subsequent lecture
course on Parmenides.21 Heidegger emphasizes that the polis must be
understood in terms of the verb peloo (or pelomai), as it figures in the
opening verse of the first stasimon of Antigone. It is to be heard as an
ancient word for being. The polis is then polos, the pole around which
all presencing turns.22 As such, the polis is the ³stead´ (Stätte) of hu-
20
Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, 87.
21
Martin Heidegger, Parmenides, GA 54, Frankfurt a. Main 1982, 130-144.
22
The Greek verb has a more dynamic sense than doeV³WREH´7KLVLVUH-
IOHFWHGLQ+HLGHJJHU¶VWUDQVODWLRQRIWKH6RSKRFOHDQYHUVHLQTXHVWLRQ&RQ-
cerning the notion of the pole or poles as a Heideggerian echo (pro-
blematized, as always) in the poetry and prose of Paul Celan, see my
274 Véronique Fóti
man historical abiding in the midst of beings as a whole, and thus the
place of unconcealment. Antigone is, for Heidegger, a human being
who takes as the initiatory and guiding principle of her action that
against which nothing can avail, because it is what destinally comes to
appearance (³das zu-geschickte Erscheinen´).23 What disempowers all
human initiative, however, is not some destiny or other, but, as the
first stasimon states, ³death alone´ (v. 361). Antigone takes upon her-
self ³to suffer this uncanniness´ (which does not translate straightfor-
wardly into a willingness to die). In doing so, Heidegger notes, she
does not hybristically tower above the polis, but rather, she leaves its
stead altogether and so becomes radically homeless. Here, however,
he poses a trenchant question: Could she not, precisely in thus becom-
ing fundamentally homeless, safeguard ³the most intimate belonging
to the homelike´"24 The home which Antigone safeguards as the
³hearth´ (hestia) of all coming-to-presence, with its illuminating and
purifying flame, is not the polis. It is, rather, the very being of beings
or, to call it by its early Greek name, physis as ³the self-arising radi-
ance that is not mediated by anything but is itself the midst.´25 Out of
her recognition of physis, Antigone refuses unconditional allegiance to
the laws that govern the polis. Her homelessness within the configura-
tions of presencing gathered around the pole of the polis then reveals
itself as a homecoming to a spaciousness beyond (yet ultimately en-
compassing) the polis which, however, cannot as yet be truly con-
summated and so is experienced as a painful refusal.
Heidegger and the Poets: Poiesis, Sophia, Techne, Atlantic Highlands 1992,
ch. 6.
23
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, 128.
24
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, 129.
25
Martin Heidegger, +|OGHUOLQV+\PQH³'HU,VWHU´, GA 53, 140.
IV. Am Ende der Moderne? Macht, Technik und die Verwin-
dung der Metaphysik
15. Heideggers Wille zur Macht. Nietzsche ± Technik ± Machen-
schaft
Nietzsche schrieb Der Wille zur Macht nicht als Buch und deshalb
auch nie als eigentliches ³:HUN´ Mit dieser Feststellung beginnt Hei-
deggers erste Nietzsche Vorlesung aus den Jahren 1936-37 ³Der Wille
zur Macht als Kunst´+HLGHJJHUVHW]WGDEHLdas Wort ³Werk´LQ$n-
führungszeichen. Zusammengestückelt aus Nietzsches nachgelassenen
Papieren, inklusive, wie Heidegger schreibt, GHQ ³Vorarbeiten´ und
nur ³VWFNZHLVH>Q@ $XVDUEHLWXQJHQ´ (und auch, wie wir inzwischen
gelernt haben, den von Nietzsche weggeworfenen Entwürfen) weist
Heidegger auf die Entstehungsgeschichte dieses berüchtigten Buches
hin, während er sich gleichzeitig anschickt, Nietzsche-Spezialisten zu
verärgern, besonders die politisch feinfühligen unter ihnen, damals
und jetzt, indem er trotz allem zu einem genauen Lesen dieses Nicht-
´Werks´ übergeht.2
1
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Tübingen 1953, 152.
2
Zu Beginn seiner Nietzsche-Vorlesungen betont Heidegger wiederholt,
dass die Konzeption von Der Wille zur Macht einem bestehenden Plan in
278 Babette Babich
7
So scheinen maschinenschriftliche Versionen der Beiträge unter
Heideggers Studenten und Anhängern ebenso bekannt und wohl verbreitet
gewesen zu sein wie die Kopien von Joan Stambaughs alternativer
Übersetzung von Sein und Zeit. So besaß (zum Beispiel) Dominique Janicaud
eine solche Kopie. Bezüglich der Wirkungsgeschichte von Heideggers den
Beiträgen ]HLWOLFKQDKHP(VVD\³'HU8UVSUXQJGHV.XQVWZHUNV´ZHQGHQZLU
uns an keinen geringeren Zeugen als Hans-Georg Gadamer selbst, der uns in
HLQHP$XIVDW]DXVGHP-DKU³'LH:DKUKHLWGHV.XQVWZHUNV´LQ+DQV-
Georg Gadamer, Gesammelte Werke 3. Neuere Philosophie 1, Tübingen
1987, 249- HUNOlUW ZHQQ DXFK +HLGHJJHUV $XIVDW] ³'HU 8UVSUXQJ GHV
.XQVWZHUNV´LQ0DUWLQ+HLGHJJHU Holzwege, Frankfurt am Main 1950, 7-
66, Nachwort 66- HUVW HUVFKLHQHQ VHL VHLQH ³:LUNXQJ GRFK VFKRQ
viel früher begonnen [habe]. Denn es war seit langem so, daß Heideggers
Vorlesungen und Vorträge überall auf ein gespanntes Interesse stießen und in
Abschriften und Berichten eine weite Verbreitung fanden, die ihn schnell in
das von ihm selbst so grimmig karikierte GeredHEUDFKWH´
8
Es ist schwer, derartige Behauptungen zu bewerten, da so ziemlich alles,
was Heidegger gesagt hat, analysiert und weitergegeben, erzählt und wieder
erzählt wurde. Wir wissen, dass Heidegger seinen eigenen Text immer
wieder durchgelesen hat, und zwar nicht nur aufgrund seiner eigenen
marginalen Bemerkungen oder einfach aufgrund allgemeiner Erfahrung (es
gibt keine Akademiker, denen diese Eigenschaft fehlt), sondern weil, wie wir
wissen, Heidegger in einem Briefwechsel mitteilte, dass er zu einem Text,
der ihm zugesandt worden war, keinen Kommentar abgeben könnte, weil er
damit beschäftigt wäre, seine eigenen Texte zu korrigieren. Diese Aussagen
hinterlassen das Bild eines Mannes, der nur seine eigenen Texte und die
Griechen gelesen hat. Vielleicht war dem auch so.
9
Otto Pöggeler schreibt den Beiträgen eine meditative Aufarbeitung der
(UHLJQLVVHGHV-DKUHV]X ³$OVHUVLFKDXIVHLQHSKLORVRSKLVFKH $UEHLW
zurückgeworfen sah, schrieb Heidegger in den Jahren 1936-1938 sein
zweites HauptweUN´ 2WWR 3|JJHOHU Neue Wege mit Heidegger, Freiburg
1992, 11). Pöggeler legt als erster den Kern der Beiträge offen (und in
diesem Zusammenhang kann gesagt werden, dass er gleichzeitig eine
Heideggers Wille zur Macht 283
ger eine Vorwarnung, die das Schicksal der Werke eines Verfassers
betraf.15 Denn wie Heidegger selbst ausführlich darlegte, war Nietz-
sches Der Wille zur Macht nicht eigentlich ein Werk, es entsprach
nicht einmal einem Forschungsweg im Heideggerschen Sinne.16 Statt-
dessen war Der Wille zur Macht im wahrsten Sinne des Wortes ein
editorisches ³Produkt´ (was uns auch die Tatsache, dass die Urheber-
rechte des Buches bei Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-
Nietzsche lagen, zeigen sollte).17
Im Geist derartiger Nachlass-Kompilationen entsprächen Heideg-
gers eigene Beiträge zur Philosophie einem absichtlichen Versuch,
eine ³Grundlage´ von ³Notizen´ für den späteren Bestand von Hei-
20
Silvio Vietta lenkt in seinem Buch Heideggers Kritik am Nationalsozia-
lismus und an der Technik (Tübingen 1989, 70ff.) unsere Aufmerksamkeit
auf dieses Detail, um sich Fragen der Datierung zuzuwenden; aber Vietta
stellt nicht die Frage, die ich hier verfolge.
21
Friedrich-:LOKHOPYRQ+HUUPDQQVFKUHLEW³,QGHU5HLKXQJGHUDFKW7HLOH
der Handschrift und dementsprechend in der Zählung der Abschnitte dieser
7HLOHPLWGHU2UGQXQJV]DKOIROJWDXIGHQµ9RUEOLFN¶µ'DV6H\Q¶´1DFKYRQ
Herrmann musste diese Anordnung geändert werden, da Heidegger auf einer
auf den 8. Mai 1939 datierten Notiz sFKUHLEW ³µ'DV 6H\Q¶ DOV $EVFKQLWW ,,
[Teil II] ist nicht richtig eingereiht; als Versuch, das Ganze noch einmal zu
IDVVHQ JHK|UW QLFKW DQ GLHVH 6WHOOH´ )ULHGULFK-Wilhelm von Herrmann,
³1DFKZRUWGHV+HUDXVJHEHUV´LQ+HLGHJJHU Beiträge zur Philosophie, GA
65, 514). Von Herrmann interpretierte dies als eine Rechtfertigung der Neu-
DQRUGQXQJGHV0DQXVNULSWVLQGHU³'DV6H\Q´DQGDV(QGHGHV0DQXVNULSWV
]X VWHKHQ NRPPW XQG EHPHUNW ³'XUFK GLH 8PVWHOOXQJ GLHVHV 0DQXVNULSW-
teils, wodurch dieser nun nicht mehr den zweiten, sondern den achten Teil
bildet, verändert sich auch die Ordnungszahl vom 50. Abschnitte an. Denn
GHUµ9RUEOLFN¶]lKOW$EVFKQLWWHPLWGHP$EVFKQLWWHEHJLQQWVRZRKOLQ
GHU+DQGVFKULIWZLHLQGHU0DVFKLQHQDEVFKULIWµ'DV6H\Q¶ZlKUHQd nunmehr
nach der vorgenommenen Umstellung mit dem 50. Abschnitt der erste Teil
GHV µ$XIULVVHV¶ GHU µ$QNODQJ¶ HLQVHW]W´ I 'HU JDQ]H 7H[W LVW PLW
DQGHUHQ :RUWHQ YRQ MHW]W DQ QHX GXUFKQXPPHULHUW ³$QNODQJ´ KlWWH
288 Babette Babich
tiz war die alleinige Rechtfertigung für die Entscheidung, den zur
Diskussion stehenden Text ganz ans Ende des Manuskriptes zu trans-
ponieren, ³wodurch´, wie der Herausgeber erklärt, ³dieser nun nicht
mehr den zweiten, sondern den achten Teil bildet´.24 Der Manuskript-
teil, der zunächst das ³Seyn´ behandelt, ist somit nicht mehr ein rück-
schauender Ausgangspunkt vor Heideggers ³Anklang´ und wird ±
Echo von Heidegger II ± im neu angeordneten Text ein Postscrip-
tum.25
Ich unterstelle natürlich von Herrmann nicht im geringsten andere
als wohlmeinende Absichten. Ich betrachte sie als unangreifbar. Wie
Silvio Vietta und auch andere Forscher, Übersetzer und Herausgeber
bin auch ich davon überzeugt, dass von Herrmanns Arrangement der
zeitlichen Folge von Heideggers Textredaktion entspricht.26 Als Her-
ausgeber ± und dies mit gutem Gewissen ± sicherte von Herrmann die
ab jetzt entscheidende Kraft seiner eigenen Interpretation von Heideg-
seiner Werke beaufsichtigte) die Notiz so stehen ließ und an dem Manuskript
keine Veränderungen vornahm. Wir wissen, dass er das Manuskript für die
Beitrage nicht einfach ignorierte. Denn Pöggeler hat uns informiert, dass
Heidegger selbst diese als ein zweites Hauptwerk verstand.
24
9RQ +HUUPDQQ ³1DFKZRUW GHV +HUDXVJHEHUV´ LQ Beiträge zur
Philosophie, GA 65, 514. Von Herrmanns Transposition veränderte also die
XUVSUQJOLFKH$QRUGQXQJGLHYRQ+HLGHJJHUVHLQOHLWHQGHUhEHUVLFKW]X³'DV
6H\Q´ GDQQ ]X ³$QNODQJ´ XQG VR ZHLWHU YHUOLHI XQG PLW HLQHP
DEVFKOLHHQGHQ .DSLWHO PLW GHP 7LWHO ³'HU OHW]WH *RWW´ HQGHWH -HW]W NDP
³'HU OHW]WH *RWW´ XQPLWWHOEDU YRU ³'DV 6H\Q´ ]X VWHKHQ GDV VHOEVW ]XP
letzten Abschnitt des Manuskripts wurde.
25
3|JJHOHU VHOEVW ]LWLHUWH GHQ HLQOHLWHQGHQ ³hEHUEOLFN´ GHU Beiträge, wo
Heidegger selbst die Anordnung des Textes bietet. So beginnt Pöggelers
Reihenfolge explizit miW³'DV6H\Q´
26
Schließlich war Heidegger zu dem Zeitpunkt mit der Arbeit an seinem
$XIVDW] ³'HU 8UVSUXQJ GHV .XQVWZHUNV´ EHVFKlIWLJW 'D YRQ +HUUPDQQ
selbst der Autor eines substanziellen Kommentars zu Heideggers Kunstwerk-
Aufsatz ist, zusätzlich zu ständigen Seminar-Veranstaltungen zum selben
Thema über viele Jahre der jüngeren Vergangenheit hinweg, muss von Herr-
mann notgedrungen die Ähnlichkeiten in Sprache und Anliegen zwischen
den beiden Manuskripten festgestellt haben.
290 Babette Babich
gers ³Absichten´ auf sehr direkte Art und Weise durch die verlegeri-
sche Patentlösung einer Neuordnung der Beiträge zur Philosophie ab.
Die Beiträge zur Philosophie bieten ein Motto: ³Hier wird das in
langer Zögerung / Verhaltene andeutend festgehalten / als Richtscheit
einer Ausgestaltung.´ Wenn Heidegger selbst zuerst eine Anordnung
gewählt hätte und wenn er dann (ungeachtet seines eigenen Kommen-
tars auf dem Inhaltsverzeichnis des Typoskripts) trotzdem die Anord-
nung seines Manuskripts (und ± wohlgemerkt ± der Typoskript-
Version desselben Textes) unverändert von 1939 (dem Datum des
Manuskript-Kommentars, auf den sich von Herrmann bezieht) bis zu
seinem Tod im Jahr 1976 beibehält und wenn Heidegger in der Zwi-
schenzeit dieses Manuskripts in acht Unterteilen und 935 Abschnitten
an Pöggeler (unter anderen) übergibt, wenn Heidegger obendrein in
den letzten Jahren seines Lebens an einer präzise autorisierten letzten
Edition seiner Werke arbeitet und wenn, wie ich behaupte, Heidegger
darauf bedacht war, dem Schicksal von Nietzsches Nachlass seitens
der Herausgeber zu entgehen, die ihren eigenen Einsichten den Vor-
zug gaben, dann wären Heideggers Absichten in den Beiträgen zur
Philosophie dem sanften Ordnungssinn von Herrmanns zum Opfer ge-
fallen.
In einer wichtigen Äußerung zur Frage der Technik und der Wissen-
schaften erklärt Heidegger Nietzsche zum letzten Philosophen des
Abendlandes, indem er gewissermaßen das Ende der Metaphysik mit
Nietzsches Philosophie des Willens zur Macht als Kunst oder techne
krönt. Obwohl die Nietzsche-Forschung üblicherweise Heideggers In-
terpretation Nietzsches als willkürlich und nicht korrekt ablehnt, be-
ziehe ich mich auf die aus derselben Zeit stammenden Vorlesungen
über Nietzsche, um meinen Beweis zu stützen, dass Heideggers Be-
Heideggers Wille zur Macht 291
27
Heutige Philosophen und Soziologen der Technologie sprechen zuneh-
mend von technischen Wissenschaften und bezeugen damit Heideggers vor-
rangiges Interesse an den spezifisch modernen Ausdrucksformen von Wis-
senschaft und Technologie.
28
Martin Heidegger, Zollikoner Seminare, Frankfurt am Main 1995, 286.
29
Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, § 2.
30
Martin Heidegger, Nietzsche 1, Pfullingen 1961, 252.
292 Babette Babich
31
Der Abschnitt, den Heidegger als das Herzstück der ganzen Vortrags-
veranstaltung bezeichnet, bietet einen Angang zum Lesen von Die Geburt
der Tragödie oder Griechenthum und Pessimismus.
32
Heidegger, Nietzsche I, 254.
33
Heidegger, Nietzsche 1, 175.
34
Heidegger, Nietzsche 1, 175.
Heideggers Wille zur Macht 293
35
Wie bereits in Fußnote 12 erwähnt. Vgl. auch Heideggers Kommentar zu
Ereignis; desgleichen, wie auch bereits erwähnt, Krells Fußnoten in
Heidegger, Nietzsche i, 156.
36
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 55, Seinsverlassenheit.
37
Heidegger, Nietzsche I, 183.
38
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 55, Seinsverlassenheit.
39
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 72, Der Nihilismus.
294 Babette Babich
40
Eine längere Diskussion dieser Thematik kann unter Hinweis auf
Heideggers Reflexionen geführt werden, die Nietzsches Werk als die
Überwindung und den Höhepunkt der Geschichte der westlichen Philosophie
betrachten, der Gesamtheit der westlichen Philosophie in §93, dann mit
spezifischem Hinweis auf den Deutschen Idealismus in §102 und §104 und
von dort im Hinblick auf den logischen Positivismus in §116.
41
Platonismus sowie Positivismus sind für Heidegger beides Formen des
kalkulativen Denkens, im einen Fall übersinnlich, im anderen empirisch
RULHQWLHUW EHLGH JHKHQ YRQ )ROJHQGHP DXV ³(UNHQQHQ LVW $QJOHLFKXQJ DQ
GDV]X(UNHQQHQGH´+HLGHJJHUNietzsche I, 178).
42
Vgl. Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 102 und § 104.
43
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 102, Das Denken: der
Leitfaden der Leitfrage der abendländischen Philosophie.
Heideggers Wille zur Macht 295
44
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 102, Das Denken: der
Leitfaden der Leitfrage der abendländischen Philosophie.
45
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 102, Das Denken: der
Leitfaden der Leitfrage der abendländischen Philosophie.
46
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 102, Das Denken: der
Leitfaden der Leitfrage der abendländischen Philosophie.
47
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 88.
48
So muss inzwischen hinreichend klar sein, dass fast keine der Bemühun-
gen von Heideggers Seite, die Bedeutsamkeit von Nietzsches Denken für sein
296 Babette Babich
Die Machenschaft, auf die Heidegger hier hindeutet (das heißt, das
organisierte Geschrei, das so provozierend, aber so ohnmächtig in ei-
nem absichtlich zurückbehaltenen Text analysiert wird), bezieht sich
auf die damaligen Parteiveranstaltungen: ³die Übertreibung und Über-
schreiung und das blinde bloße Anschreien, in diesem Schrei man sich
selbst beschreit und sich von der Aushöhlung des Seienden weg-
täuscht.´50 Entsprechend versteht Heidegger die Unmittelbarkeit von
Radioübertragungen, wie auch Rudolf Arnheim aufgrund derselben
Erfahrungen der Zwischenkriegszeit in Deutschland Radiosendungen
analysiert hat.51 Desgleichen kann man an den noch roheren ³Ventri-
loquismus´ der Lautsprecher denken, wie man ihn zur ³Belebung´ der
Parteiaufmärsche einsetzte, der aber auch auf dieselbe Weise wirkt
wie die ³strömenden Medien´ des heutigen Internets. Heideggers
50
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 66, Machenschaft und
Erlebnis. Insofern als dieser Text von Heidegger nicht veröffentlicht wurde,
]HLJW HU HLQHQ ³:LGHUVWDQG´ GHU QLFKW PHKU LVW DOV HLQH SKDQWDVLHUWH 6XE-
stitution für echten Widerstand. Bestenfalls handelt es sich hier um eine Art
³JHLVWLJHU =XUFNKDOWXQJ´ DQ GHU 6WHOOH YRQ +DQGHOQ ,Q +HLGHJJHUV
Vorlesungsveranstaltungen zu Hölderlin sowie in denen zu Nietzsche finden
wir weitere klare und sogar parallele Aussagen, die als derartige Äußerungen
von Widerstand betrachtet werden können.
51
Siehe Rudolf Arnheims phänomenologische Reflexionen zur sakralen
0DFKW GHV EHUWUDJHQHQ /DXWV ³'DV UHLQ SK\VLNDOLVFKH )DNWXP GD GLH
normale Distanz zwischen Lautquelle und Lautsprecher beträchtlich ist,
impliziert als eine Normalsituation der Feinkunst des Übertragens eine
geistliche und atmosphärische 1lKHGHV6HQGHUVXQGGHV+|UHUV´$UQKHLP
Radio, New York 1972, 77f.). Für Arnheim, der eine phänomenologische
Analyse der auditiven Wahrnehmung bietet, ist wichtig, festzustellen, dass
das Hauptmerkmal des übertragenen Tons, einer übertragenen Stimme und
EHUWUDJHQHU 0XVLN JHUDGH LQ GHU ³$EZHVHQKHLW YRQ 'LUHNWLRQDOLWlW´ OLHJH
(55±57). Später weist er darauf hin, dass es nicht im Bereich der Möglich-
NHLWHQ GHV 5XQGIXQNV OLHJH HLQH ³ULHVLJH 0DVVHQPHQJH PLW (QWKXVLDVPXV´
³DQ]XIHXHUQ´REZRKOGHU*HEUDXFKRGHUZLH$UQKHLPGLH'LQJHVLHKWGHU
Missbrauch) eines Lautsprechers dieser Aufgabe perfekt gerecht werde,
insofern als die duch das Mikrophon veranlasste Deformation sich explosiv
zu einer auf den visuellen Aspekt des Sprechers bezogenen Intimhaftigkeit
erweitere (82).
298 Babette Babich
Analyse bleibt für Medien jeder Art von Bedeutung, nicht nur für den
Journalismus, den Heidegger ± wie Nietzsche vor ihm ± wegwerfend
als Surrogat-Wissen, welches immer noch mehr Surrogat-Bedürfnisse
bediene, kritisierte. Ebenso gilt sie für die interpersonelle Kommuni-
kation jeglicher Art samt ihren jeweiligen Gerätschaften: e-mail und
Mobilfunk-Technologien. Die von Lautsprechern angetriebene orga-
nisierte Massenpolitik des Nationalsozialismus wie auch die viel sub-
tilere Allgegenwart des heutigen Mobiltelefons wissen nichts von ei-
ner inhärenten oder fundamentalen Grenze, wie ihnen selbst ja
Zurückhaltung oder ³Scheu´ abgeht. Dieses Fehlen einer Zügelung
verbindet das Ideal des ³Erlebnisses´± dessen, was wir heute als ein
teilnahmezentriertes oder performativ wirkliches (oder gar als virtuel-
les on-line stattfindendes) Leben bezeichnen. Vielleicht erklärt es so-
gar den wachsenden Zuspruch für reality-TV-Sendungen oder auch
die totale, alles gängelnde Maschinisierung.
Wie Heidegger den antizipatorischen Charakter intentionalen Vor-
stellens und Handelns deutet, geht es dabei um mehr als die Tatsache,
dass der von ihm so bezeichnete Zufall maschinaler Machenschaft und
erlebter Erfahrung einer lebendigen oder wirklichen oder wahrhafti-
gen Macht die Möglichkeit eines Ortes in der postmodernen Welt
nimmt. ³Der Entwurf des Vor-stellens im Sinne der vorgreifend-
planend-einrichtenden Erfassung von allem, bevor es schon im Be-
sonderen und Einzelnen gefaßt ist, dieses Vor-stellen findet am Gege-
benen keine Grenze und will keine Grenze finden.´52 Derart betont
Heidegger, die moderne technische Praxis sei wesenhaft und funda-
mental anders als die aristotelische techne ]XLQWHUSUHWLHUHQ³>(]s gibt
grundsätzlich nicht das µUn-mögliche¶; man µhaßt¶ dieses Wort.´53
Dieselbe Ungeduld mit dem Begrenzten erscheint als kapitalistische
Losung unseres eigenen technologischen Optimismus und unserer
52
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 70, Das Riesenhafte.
53
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 70, Das Riesenhafte.
Heideggers Wille zur Macht 299
54
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 70, Das Riesenhafte.
55
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 51, Der Anklang.
56
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 53, Die Not.
300 Babette Babich
rin gemahnt das Echo von Nietzsches Erwägungen in Jenseits von Gut
und Böse, zusammen mit der dritten Abhandlung der Genealogie der
Moral, an den von ihm so genannten sokratischen (alexandrinischen)
Optimismus in der Geburt der Tragödie und, im Namen von Platon
und Aristoteles und der ganzen philosophischen Tradition, in der Göt-
zendämmerung.57 Mehr als eine Auseinandersetzung mit Freizeit und
kultureller Bequemlichkeit und mit dem kapitalistischen Spektakel der
medialen Zerstreuung oder der allgegenwärtigen Reklame sei dies, so
Heidegger, eine Auseinandersetzung mit dem Verlust des Seins.
Dieser Verlust, der jetzt im grenzenlosen Ehrgeiz des Westens (den
wir entsprechend heute als Globalisierung bezeichnen) Ausdruck fin-
det, spiegelt sich in dem gigantischen Ideal der Totalisierung. Dieses
Ideal betont Heidegger in seinen Vorträgen über Wissenschaft und
Technik. Und was schon in diesem frühen Text in den Vordergrund
gerückt wird, dieser Verlust ist gleichzeitig dasselbe wie unsere
Selbstsicherheit. Er entspricht auch dem, was der Heidegger der Bei-
träge zur Philosophie als ³Fraglosigkeit´ in einer fraglosen Zeit be-
zeichnet. Denn damals wie jetzt orientieren wir uns fraglos an der
gängelnden Machenschaft unserer Zeit und an unserer Technologie als
Endzweck und Mittel. Dennoch hat diese Selbstsicherheit zahlreiche
Wandlungen (und ebenso zahlreiche Verwerfungen) erfahren; und ±
das ist die tiefere Bedeutung jener Fraglosigkeit ± wir sind weiterhin
überzeugt, dass wir unsere Techik so gut wie unter Kontrolle haben.
Wenn uns irgend etwas wahrhaft retten kann, dann ist die Rede nicht
von ³Gott´ (vgl. +HLGHJJHUV³Nur noch ein Gott kann uns retten´DXV
dem Spiegel-Gespräch), sondern von unserer Technologie. Und wenn
die Technologie droht, Probleme aufzuwerfen, dann kann man sich
auch dagegen absichern (wie zum Beispiel durch die Anti-Virus-
Software, die entwickelt wurde, um unsere Computer gegen die ³Wro-
janische´ oder Spitzel-Software zu schützen, die wir ungeahnt, aber
57
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 53 und § 55.
Heideggers Wille zur Macht 301
4. Heidegger, die Technik und die Verwüstung des Stils: Nach Nietz-
sche
Was ich bis hierher als Heideggers Willen zur Macht bezeichnet habe,
ist also Heideggers Aneignung nicht allein der Idee von Nietzsches
³Nachlass´ (als Ort seines eigentlichen Philosophierens). Denn neu zu
schaffen war dabei der ³Nachlass´, wie Heidegger ihn sich als sein
eigenes Vermächtnis in der genauen Sprache eines Textes letzter
Hand zurechtlegte: Aneignung auch im Sog der zur Nachfolge reizen-
den Allüre eines Denkers, der solche Leserschaft, wie sie Nietzsche zu
Gebote stand, seinerseits aufrufen und jene ³Dinge mit Wörtern tun´
konnte, die Nietzsche mittels seines Schreibstils leisten konnte.
Zumindest bis zu seinem Tod erreichte Heidegger sein erstes Ziel:
Er schützte das vollendete Werk, das sein Wille zur Macht werden
sollte, als Vermächtnis. Er würde, um mit ihm selbst zu sprechen, bei
dem Versuch, es mit Nietzsches Stil aufzunehmen, mehr noch, ihn sti-
listisch nachzuahmen und ihm bis in den aphoristischen Stil der Beti-
telung von Abschnitten hinein zu folgen ³kaputt gemacht´ werden.
58
Eine nützliche Diskussion dieses Punktes hinsichtlich des ambivalenten
,GHDOV HLQHU ³KDOWEDUHQ (QWZLFNOXQJ VDPW IDYRULVLHUHQGHU gNRORJLH´ LVW LQ
$LGDQ'DYLVRQ¶V Technology and the Contested Meanings of Sustainability,
Albany, NY 2002, zu finden.
302 Babette Babich
59
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 13, Die Verhaltenheit und
die Sorge.
60
)U HLQ GHXWVFKHV 2KU KDW ³XQG GHQQRFK´ JU|HUH 5HVRQDQ] DOV IU HLQ
französisches oder ein englisches Ohr. Diese Phrase hat eine bedeutsame
Nachgeschichte in dem, was schließlich zur Debatte zwischen Hermeneutik
und Dekonstruktion wurde. Gadamer verwendete sie schließlich sogar im
Titel seiner Reflexionen in seinem Dialog mit Derrida. Vgl. seine Antwort
DXI'HUULGDV³*XWHU:LOOH]XU0DFKW'UHL)UDJHQDQ+DQV-*HRUJ*DGDPHU´
(in: Philippe Forget, Text und Interpretationen, München 1984, 56-³8QG
GHQQRFK0DFKWGHVJXWHQ:LOOHQV´-61).
Heideggers Wille zur Macht 303
61
Diese tradierte Logik wäre nicht nur die der logischen Positivisten (also
die Logik als solche, die Rudolf Carnaps intellektuelles Kapital wurde),
sondern sie entwickelte im Laufe der Zeit eine breiter gefächerte und weniger
rigorose Anhängerschaft, und zwar in der journalistischen Selbsterhebung
und der ihr entsprechenden überzogenen Selbstsicherheit der Kritiker von
Sein und Zeit. Ich beziehe mich hier auf Heideggers Bemerkungen zum Tod
XQG DXI GDV ZDV HU DOV GLH ³MRXUQDOLVWLVFKHQ´ XQG ³SKLOLVWHUKDIWHQ´ ,QWHU-
pretationen seines Buches Sein und Zeit betrachtete, das, wenn es nicht als
eine Anthropologie dargestellt wurde (die sich in die Begriffswelt des
Existentialismus entfaltete), als eine Philosophie des Todes betrachtet wurde
(vgl. Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 162f.).
62
Heidegger, Zollikoner Seminare, 18-20. Siehe Paul Valadiers Essay zum
VHOEHQ 7KHPD ³6FLHQFH DV 1HZ 5HOLJLRQ´ LQ %DEHWWH %DELFK +UVJ
Nietzsche, Epistemology, and Philosophy of Science. Nietzsche and the
Sciences II, Dordrecht 1999, 241-252.
63
Wenn die heutige Wissenschaftsphilosophie nicht mehr von der scholasti-
schen Philosophie beherrscht wird oder wie zu Heideggers Zeiten von einem
Neukantianismus, dann ist sie aber immer noch von einer weiterhin
anhaltenden analytischen Zugangsweise zum Problem der Wissenschaften
auf der Basis eines modernen Weltbildes beherrscht (genau das meint
Heidegger, wenn HUYRQGHU³:LVVHQVFKDIWDOV:HOWELOG´VSULFKWGDVKHLt,
sie richtet sich gegen die Idee und das Ethos von Heideggers Vorstellung der
304 Babette Babich
68
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 76, Sätze über die Wissen-
schaft.
69
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 152.
306 Babette Babich
70
Aus diesem Grund urteilt Schwan, dass eine präzise Interpretation der
Beiträge (inklusive Heideggers unerbittlicher Ablehnung dessen, was er
³/LEHUDOLVPXV´RGHUDQWKURSRPRUSKHV'HQNHQRGHU+XPDQLVPXVQHQQWHLQH
hieb- uQG VWLFKIHVWH ³:LGHUOHJXQJ´ YRQ )DUtDV¶ $UJXPHQW ELHWHW LQGHP HU
zeigt, dass, was immer man vom erlösenden Wert der modernen Wissen-
schaft und der liberalen Demokratie halten mag, Heideggers Kritik der
modernen Wissenschaft und seine Skepsis gegenüber dem erlösenden Poten-
WLDO YRQ 'HPRNUDWLH HUKDOWHQ JHEOLHEHQ VHL ³'LH Beiträge bieten dement-
VSUHFKHQG HLQH HLQ]LJDUWLJH :LGHUOHJXQJ YRQ 9LNWRU )DUtDV¶ 8QWHUVWHOOXQJ
dass Heidegger in der Vergangenheit und weiterhin ± auch im ideologischen
Sinn ± HLQ EHU]HXJWHU 1DWLRQDOVR]LDOLVW ZDU´ 6FKZDQ ³+HLGHJJHU¶V
Beiträge zur Philosophie DQG3ROLWLFV´79).
71
+HUEHUW0DUFXVH³6RPH6RFLDO,PSOLFDWLRQVRI0RGHUQ7HFKQRORJ\´LQ
Technology, War and Fascism. Collected Papers of Herbert Marcuse, vol. 1,
ed. by Douglas Kellner, London 1998, 49 und passim.
Heideggers Wille zur Macht 307
72
Zusätzlich zu der enthusiastisch forschungfreundlichen Einstellung der
Wissenschaften und der Politik zur Zeit des Nationalsozialismus müssen wir
auch seine Abhängigkeit von und sein Engagement mit der Demokratie
einbeziehen (wir sollten nicht vergessen, dass der Nationalsozialismus eben
gerade eine Volks-´%HZHJXQJ´ PLW EUHLWHU SROLWLVFKHU ZLOO VDJHQ
demokratischer Unterstützung war; die Beliebtheit von Daniel Goldhagens
kontroversem Buch spricht indirekt dafür). Das ist ein Punkt, den Peter
6FKQHLGHUV (VVD\ EHU ³7KH *RRG *HUPDQV´ LQ The New York Times
Sunday Magazine vom 13. Februar 2000, in seiner Darstellung der
nichtheroischen oder eben genau alltäglichen und sehr kleinmaschigen
Großzügigkeit der etwa 100 Deutschen, die für Konrad Lattes Rettung über
die ganze Zeit des Nationalsozialismus hinweg ausschlaggebend waren,
herausgearbeitet hat. Aber wie bei allen nuancierten Interpretationen ist die
Schwierigkeit bei seinem Argument, dass es den perfekten Konturen der
politisch Korrekten und der Schwarz-weiß-Malerei von Gut und Böse
widerspricht.
73
Siehe Benjamin R. Barber, Jihad Versus Mcworld, New York 1995 und
vergleiche Thomas L. Friedmann, The Lexus and the Olive Tree.
Understanding Globalization, New York 2000.
308 Babette Babich
74
Heideggers absichtsvoll undifferenenzierten Punkt gegen die Vorstellung
YRQ GHP ³8Q-möglLFKHQ´ ZHOFKHV XQVHU HLJHQHV 5HJLPH YRQ )UHLKHLW
SULQ]LSLHOOVRVHKUZLHGDV1D]LUHJLPH³KDW´FIGLHHULQ
den Beiträgen anklagte, ist in der einen globalen Welt exemplifiziert, deren
%HZRKQHUZLUDOOH³VFKRQ´]XPLQGHVWYRP,GHDOKHr) geworden sind.
75
'DV LVW +HLGHJJHUV +DXSWSXQNW LQ ³'LH )UDJH QDFK GHU 7HFKQLN´ LQ
Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1978, 11.
Heideggers Wille zur Macht 309
76
-DFTXHV /DFDQ VFKUHLEW ³'LH *|WWHU JHK|UHQ ]XP %HUHLFK GHV 5HDOHQ´
/DFDQ³2IWKH1HWZRUNRI6LJQLILHUV´LQThe Four Fundamental Concepts
of Psychoanalysis, trans. by A. Sheridan, New York 1978, 45).
310 Babette Babich
77
Pöggeler, Der Denkweg Martin Heideggers, 144.
78
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 1, Die ³Beiträge´ fragen
in einer Bahn «
79
Vgl. Pierre Bertaux, Hölderlin und die Französische Revolution,
Frankfurt am Main 1969, für eine Behandlung der Bedeutung dieses Ereig-
nisses zum Verständnis von Hölderlins Lebensgeschichte (und insbesondere
von Hölderlins Wahnsinn). Ich behandle dieses Thema zum Teil in Babich,
³%HWZHHQ+|OGHUOLQDQG+HLGHJJHU1LHW]VFKH¶V7UDQVILJXUDWLRQRI3KLORVR-
SK\´
80
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, § 1, Die ³Beiträge´ fragen
in einer Bahn «
Heideggers Wille zur Macht 311
Die Probleme der heutigen modernen Technik sind nicht nur die
Probleme von Nationen und Diktatoren, von Politisierung und von
Krieg. Heute liegen unsere Probleme auch im Bereich der Nahrungs-
mittel, die wir zu uns nehmen, der Luft, die wir einatmen, und in na-
her Zukunft werden die Probleme das Aussehen unseres eigenen
menschlichen Fleisches annehmen: Unbedingt möchte die Technik im
neuen Jahrtausend ein menschliches Gesicht annehmen. Es ist nicht
eine freundlichere, sanftere Technik; stattdessen ist es eine Technik,
die Reis und Getreide an Bauern verkauft, damit sie Reis- und Getrei-
dearten anbauen, die besondere Eigenschaften gegen Krankheiten,
Ungeziefer und Unkräuter bieten, deren Samen aber (sehr vorteilhaft
für Monsanto) jedes Jahr neu gekauft werden müssen. Wie die Akti-
vierungsprogramme bestimmter Software sind diese neuen Samen
Einwegsamen, und wenn man als Bauer weitermachen will, so wird
man zum Hersteller dieser neuen und verbesserten Versionen zurück-
kehren müssen. Die Techniken sind recht einfach, recht ähnlich dem
Aufpfropfen, das Bauern und Gärtner schon immer praktiziert haben.
Indem die Zellmechanismen von genetisch veränderten, aber im-
mer noch natürlichen Bakterien zu Technologien umgedeutet werden
(wir sind mit all unseren genetischen Modifikationen der Lebenspro-
zesse weit davon entfernt, künstliches Leben erfunden zu haben), er-
stellen unsere Mechanismen dennoch nur Operatoren wie nucleotide
Transkriptoren und ermöglichen das Aufgreifen von modifizierten
Genen als Therapien oder als Transformationen. Bereits patentiert und
bereits im Einsatz sind einzellige Organismen, einsatzbereit für die
vorhandene Arbeit genau deshalb, weil der benötigte Mechanismus
(Infektion / Ingestion) bereits vorhanden ist, selbst wenn er entschie-
den jenseits der Grenzen dessen liegt, was unsere gegenwärtigen
Techniken herstellen können. Indem sie modifizierte Bakterien und
Viren als Vektoren verwenden, wie das heutige Forscher tun, ist das
technisierte Tier selbst neu geboren als der virale Vektor von profitab-
len Mutationen, ebenso das bakterielle Plasmid, und das Unternehmen
312 Babette Babich
Monsanto träumt bereits einem Tag entgegen, an dem es die Welt be-
herrschen kann.
Wenn Heidegger den Übergang vom humanen zum technisierten
Tier beschreibt, so artikuliert das Bild, das er verwendet, eine organi-
sche Technizität, die dem voraus ist, was zu seiner Zeit vorhanden
war. Es ist keine Darstellung von Shelleys Frankenstein, eines
Mensch, der nicht im Bilde Gottes, sondern des Menschen gemacht
ist, nicht von zusammengeschusterten Körperteilen und nicht einmal
von Robotern, die uns immer noch in Bildern illusorischer Androiden
belustigen, Illusionen, die dem ebenso imaginären Cyborg der Fanta-
sie und nicht festmachbaren Verknüpfungen zwischen dem Virtuellen
und Wirklichen den Platz geräumt haben. Dies bedeutet, dass wir
menschliche Wesen ± und nicht nur Reis, Sojabohnen und Mais ± un-
ser eigenes Selbst in unserer Essenz finden werden.81
Was im heutigen digitalisierten Ideal sich zeigt, ist nicht mehr die
vor der Zukunft warnende Drohung, dass die Menschheit selbst, nicht
nur die ³natürliche´ Welt der ³natürlichen Ressourcen´, die Gestalt
von Heideggers ³Bestand´DQQHKPHQZHrde. Die letzten fünfzig Jahre
haben diese Gefahr trivial wirklich gemacht. In der Theorie die ganze
Bevölkerung von Island. In der Praxis wollen wir nur die Fruchtbar-
keitskliniken als wahrhaftige Banken von Menschen-Wesen, potenti-
ellen und verwirklichten, erwähnen. So viele Ova, so viele Samen, so
viele Embryos, ganz abgesehen von Stammzellen und geklonten Zell-
Linien, der Basis von genetischer Forschung ± in einigen Fällen nun
bereits für mehr als fünfzig Jahre kultiviert. Alles das sind bereits
81
In den Zollikoner Seminaren hatte Heidegger mit einem gewissen
ironischen Humor gegen den reduktiven Anspruch einer kybernetischen
Definition des Menschen argumentiert, wie sie von Norbert Wiener geboten
ZRUGHQ ZDU ³9RQ GHU 0HWKRGH GHV =XJDQJHV DOV HLQHU 1DWXUZLVVHQVFKDIW
KHU EHVWLPPW VLFK ZDV GHU 0HQVFK LVW´ ; vgl. hierzu Wiener, Mensch
und Menschmachine. Kybernetik und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1964,
124).
Heideggers Wille zur Macht 313
existierende Waren auf Lager und nichts verglichen mit dem virtuel-
len Versprechen derselben Technologien. Wenn das Genomprojekt
sich als ein Fehlschuss erweist, wie es geschehen ist, so verführt uns
der genetische Code, die einfache molekulare Idee einer erfassten und
zugänglichen Essenz der Menschheit als ein Signifikans zu verstehen,
welches wir einvernehmlich an die Stelle der gelebten Komplexitäten
menschlichen Lebens zu setzen hoffen.
Ich habe zu Anfang dieser Ausführungen von Heideggers Willen
zur Macht unter der Rubrik der akademischen Eitelkeit und der
Buchmärkte gesprochen. Ich habe von realer Politik gesprochen ± im
Bereich des Welthistorischen wie des Alltäglichen. Über das Schick-
sal eines Buches hinaus, das dem editorischen Wohlwollen ausgelie-
fert ist, jenseits der Verletzlichkeit aller Intentionen des Autoren (ein
Verhängnis, das verknüpft ist mit dem öffenlichen Schicksal der Wor-
te eines Autors, mag er sie noch so sehr geschützt zu haben meinen):
am wichtigsten sind die Fragen, mit denen ich soeben geendet habe:
Dies ist die Substanz der philosophischen Reflexionen von Nietzsche
und Heidegger in Bezug auf den Willen zur Macht.
Indem Nietzsche die Allgegenwart des Willens zu Macht in der
Welt der Lebendigen und der Toten, im organischen sowie im anorga-
nischen Leben lehrt, vor allem aber als gemeinsam der Maschinisie-
rung der Mächtigen und den Kalkulationen der Unterdrückten, ver-
weist sein philosophisches Vermächtnis auf die erstaunliche Fähigkeit
aller Schwachen, auf den Erfolg einer Sklaven-Moral, in der zutref-
fenden und unheimlich kontra-intuitiven Deutung biblischer Lehren,
die uns in verschiedenen Tönen, im Alten wie im Neuen Testament,
auf das auserwählte Schicksal der Schwachen verweisen ± das sollte
hier, indem ich schließe, ganz klar sein ±: Das Schicksal des reaktiven
und sklavenhaften Willens zur Macht wird es sein, die Erde zum Erbe
zu erhalten. Und dies besteht darin, jegliches andere Lebewesen zu
enteignen, Tier und Pflanze, im Meer, in der Luft und auf dem Land,
und uns schließlich, nach getaner Arbeit, gegen uns selbst zu kehren.
314 Babette Babich
Es versteht sich, dass wir dazu auf dem besten Wege sind. Heideggers
Beiträge zur Philosophie als seinen Willen zur Macht lesen, heißt da-
mit, unerbittlich den Blick auf die Machenschaften der modernen
Technik und der modernen Wissenschaft zu richten.
Wir brauchen sowohl Nietzsche als auch Heidegger, um die Rolle
der modernen Technik innerhalb der modernen Wissenschaften zu be-
greifen, vor allem, wenn wir so etwas wie eine philosophische Kritik
zu liefern gedenken. Aber vielleicht bedürfen wir, jenseits der Seins-
frage, auch einer Kritik der Philosophie, der Kunst, wie Nietzsche es
nannte, auf dem allzu ontischen Boden des Lebens und gerade heutzu-
tage ± um des Lebens willen.
Übersetzung von Heidi Byrnes
zusammen mit Harald Seubert
und Holger Schmid
16. Das dionysische Ja-Sagen zur Welt. Die Auslegung des stim-
mungsmäßigen Charakters des Willens zur Macht und des-
sen zeitlichen Sinnes
1. Einführung
1
Martin Heidegger, Seminare: Nietzsche, GA 87, Frankfurt am Main
2004, 155.
2
Martin Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer
%HWUDFKWXQJ³9RP1XW]HQXQG1DFKWHLOGHU+LVWRULHIUGDV/HEHQ´, GA 46,
Frankfurt am Main 2003, 6.
316 Angel Xolocotzi
Finden war für Heidegger gerade die Art und Weise, wie er das
Grundprinzip der Phänomenologie bezüglich der Tradition entforma-
lisiert hat. Edmund Husserl hat in der Einleitung zum II. Band der Lo-
gischen Untersuchungen das Prinzip der Voraussetzungslosigkeit als
ein Grundprinzip der phänomenologischen Forschung eingeführt:
³Das Prinzip kann aber unseres Erachtens nicht mehr besagen wollen
als den strengen Ausschluss aller Aussagen.´3 Wenn Heidegger das
Suchen und Finden Nietzsches betont, heißt dies, dass die Philosophie
Nietzsches in keiner Weise einfach vorausgesetzt werden darf, son-
dern dass ein angemessener Zugang durch einen ³in Frage stellenden
Kampf´ zustande kommt.
Nietzsche war für Heidegger derjenige Denker, der die tiefste Be-
sinnung auf das Wesen unserer geschichtlich-weltlichen Beziehung
vollbracht hat. Dies zeigte Heidegger an fünf Grundbegriffen von
Nietzsches Philosophie: Wille zur Macht, ewige Wiederkunft des
Gleichen, Übermensch, Nihilismus, Gerechtigkeit.4 Diese Grundbe-
griffe sind jedoch nicht nur andere Termini für die tradierten Sachver-
halte, sondern sie öffnen radikal eine andere Dimension unserer welt-
lichen Beziehung. Der Zusammenhang dieser Grundbegriffe bestimm-
te nach Heidegger die Struktur der Metaphysik Nietzsches.
Mein Beitrag versucht nicht, die Zugehörigkeit Nietzsches zur Me-
taphysik zu bestreiten. Vielmehr will ich ± einige Heraushebungen
Heideggers betrachtend ± den Blick auf einen Grundcharakter des
Willens zur Macht und seines zeitlichen Sinns richten: auf den Willen
zur Macht als pathos, den Willen zur Macht in seinem pathetischen
Charakter. Ich will die Möglichkeit einer neuen Basis für eine andere
3
Edmund Husserl, Logische Untersuchungen, Husserliana Bd. XIX/1, Den
Haag, 1984, 24.
4
Vgl. die Entfaltung der fünf Grundworte Nietzsches, die Heidegger in der
Vorlesung vom WS 1941/42 Nietzsches Metaphysik durchgeführt hat; Martin
Heidegger, Nietzsches Metaphysik, GA 50, Frankfurt am Main 1990 und
Martin Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 317
Philosophie betonen, und das heißt für Nietzsche, den Willen zur
Macht als affektive Morphologie des philosophischen Begreifens zu
verstehen.
5
Martin Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen 1961, 39.
6
Heidegger, Nietzsche I, 48.
318 Angel Xolocotzi
Anlass oder Grund. Im zweiten Buch von Die Welt als Wille und Vor-
stellung schreibt er: ³In der Tat gehört Abwesenheit alles Zieles, aller
Grenzen, zum Wesen des Willens an sich, der ein endloses Streben ist
>«@ -HGHV HUUHLFKWH =LHO LVW ZLHGHU $QIDQJ HLQHU QHXHQ /DXIEDKQ
XQGVRLQV8QHQGOLFKH>«@HZLJHV:HUGHQHQdloser Fluß, gehört zur
2IIHQEDUXQJ GHV :HVHQV GHV :LOOHQV >«@ 'LHVHP DOOHQ ]XIROJH
weiß der Wille, wo ihn Erkenntnis beleuchtet, stets was er jetzt, was er
hier will; nie aber was er überhaupt will.´6
Das Wesen der Wirklichkeit ist dann für Schopenhauer gerade die-
se zwecklose Bewegung. So gedacht, erreicht sie keine Befriedigung,
und in ihrer ewigen Erstreckung mündet sie unausweichlich in ein
Misslingen, da dieser Wille ein ewiges Suchen ist: Nachdem er etwas
erreicht hat, nimmt er dieses auf und sucht etwas anderes. Nach Scho-
penhauer ist diese ewige Unerfülltheit Schmerz, und die einzige mög-
liche Rettung ist gerade die Abschaffung des Wollens selbst, da dieses
der Ursprung des Schmerzes ist. Das pessimistische Resultat ist be-
kannt: ³Wir bekennen es viel mehr frei: was nach gänzlicher Aufhe-
bung des Willens übrig bleibt, ist für alle Die, welche noch des Wil-
lens voll sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist Denen, in
welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so
sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und Milchstrassen ± Nichts.´7
Das Scheitern des Willens bei Schopenhauer zeigt gerade, dass
dies überhaupt nicht dem Wesen des Lebens entspricht. Der Kritik
Nietzsches nach bestand der Fehler Schopenhauers in der Interpretati-
on des Willens anhand des Gewollten. Wir können sagen, dass Scho-
penhauer nur eine von Außen her bestimmende Auslegung ± eine exo-
terische Interpretation ± des Willens durchgeführt hat.
6
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zürich 1988,
§ 29, 229-30.
7
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, § 71, 528.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 319
Nietzsche seinerseits geht vom Willen selbst aus. Daher setzt sich
die immanente Nietzsche-Auslegung des Willens zunächst mit der
schopenhauerischen Interpretation des Willens auseinander. Denn für
Nietzsche besteht das Wesentliche nicht im Gewollten, sondern im
Willen selbst, welcher eine dreiseitige Offenbarung zeigt: das Wollen
selbst, der Wollende und das Gewollte.8 Geht man vom Willen selbst
aus, dann muss das Über-sich-hinaus-Wollen nicht als ein Über-sich-
hinweg-Gehen, sondern, wie Heidegger mit Recht bemerkt, als ein
Sich-mit-in-das-Wollen-Hineinnehmen verstanden werden.9
Dieses immanente Sich-mit-in-das-Wollen-Hineinnehmen hat
Nietzsche im Zarathustra meines Erachtens in dem Gedanken ausge-
drückt, dass alles Lebendige ein Gehorchendes ist.10 Und wir wissen,
dass das, was Nietzsche unter µLeben¶ versteht, ³die uns bekannteste
Form des Seins´ ist.11 In diesem Sinne bedeutet gehorchen: das Ant-
worten aus sich selbst heraus auf die sich selbst gegebene Herausfor-
derung. Daher schreibt Heidegger: ³Wollen ist überhaupt nicht Wün-
schen, sondern Wollen ist: sich unter den eigenen Befehl stellen, die
Entschlossenheit des Sichbefehlens, die in sich schon Ausführung
ist.´12 Dieses ³sich unter den eigenen Befehl stellen´ deutet darauf
hin, dass das Leben selbst in seinem Ursprung eine Selbstsetzung ist,
die zugleich die Setzung dessen ist, woraus eine Herausforderung ent-
steht. Diese Herausforderung ist dann die Stellung des Maßes, wel-
ches diese sich selbst gibt, um sein Wachstum zu messen. Das Leben
in seinem Ursprung hängt von nichts Äußerem ab, sondern es ist
selbst einem eigenen Maß gehorsam. In seinem Ursprung ist das Le-
8
Heidegger, Nietzsche I, 49. Vgl. E. Carrasco Pirard, Para leer Así habló
Zaratustra de F. Nietzsche, Santiago de Chile 2002.
9
Heidegger, Nietzsche I, 49.
10
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: Kritische Studienaus-
gabe (= KSA), Berlin/München 1999, Bd. 4, 147.
11
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 262. Vgl.
Heidegger, Nietzsche I, 66.
12
Heidegger, Nietzsche I, 37.
320 Angel Xolocotzi
ben als Wille dann immanent, esoterisch.13 Wer nicht in der Lage ist,
sich selbst zu gehorchen, muss dann einem anderen gehorchen. Damit
geschieht ein exoterisches Gehorchen.
Die Tradition hat das Über-sich-hinaus-Wollen in einer exoteri-
schen Weise, d. h. von außen her, ausgelegt. Dies führte zu einer Ge-
stalt des Willens, die Nietzsche als Wille zur Wahrheit gekennzeichnet
hat. In seinem Zarathustra expliziert Nietzsche dies in folgender Art:
³Wille zur Wahrheit heißt ihr¶s, ihr Weisesten, was euch treibt und
brünstig macht? Wille zur Denkbarkeit alles Seienden: also heiße ich
euren Willen! Alles Seiende wollt ihr erst denkbar machen: denn ihr
zweifelt mit gutem Misstrauen, ob es schon denkbar ist [...] Schaffen
wollt ihr noch die Welt, vor der ihr knien könnt >«@ (XUHQ :LOOHQ
XQGHXUH:HUWHVHW]WHWLKUDXIGHQ)OXGHV:HUGHQV>«@´14
13
Vgl. Paola-Ludovika Coriando, Individuation und Einzelsein. Nietzsche ±
Leibniz ± Aristoteles, Frankfurt am Main 2003.
14
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra; in: KSA Bd. 4, 146
(Hervorhebung durch A. X.).
15
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 334.
16
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 365.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 321
zeigt sich der Wille zur Macht als eine Ohnmacht des Willens zum
Schaffen.
Eine Welt vor der man knien könnte ist notwendig, da die werden-
de Welt keinen Sinn und kein Wozu hat. Ein Hass gegen alles, was
vergeht, sich wechselt oder wandelt, hat dazu geführt, eine Welt des
dauerhaft Seienden zu denken. Strenggenommen ist aber diese meta-
physische Welt des Seienden keine schöpferische Tätigkeit des Men-
schen, sondern bloße Voraussetzung. Daher nennt Nietzsche den
Glauben an das Seiende den Glauben der Unproduktiven, da die ein-
zige Bewegung, die hier gesehen werden kann, eine Suche nach Mit-
teln und Wegen ist, aber die bleibende Welt des Seienden als Zweck
bereits vorausgesetzt ist. An einer wichtigen Stelle des Nachlasses
entfaltet Nietzsche dies: ³Der Fehler steckt darin, dass wir, statt nach
dem Zweck zu suchen, der die Notwendigkeit solcher Mittel erklärt,
von vornherein einen Zweck voraussetzen [...].´17 Die Ohnmacht des
Willens zum Schaffen resultiert daraus, dass, statt zu suchen, bloß vo-
rausgesetzt wird. Wenn dies geschieht, dann wird das Leben und seine
ureigenste Bewegung der Machtsteigerung erniedrigt, das Leben wird
zum bloßen Mittel für den zuvor vorausgesetzten Zweck, nämlich die
Aufweisung dauerhaften Seins.
Der seit Platon vollzogene Unterschied der Welten wird von Nietz-
sche in einer radikalen Weise aufgedeckt, und zwar indem er diesen
Unterschied auf Wertverhältnisse zurückführt.18 Denn das Leben als
Wille zur Macht wird aufgrund einer Wertsetzung gelebt. Der Gegen-
satz zwischen einer real seienden Welt und einer nur scheinbaren, le-
benden, werdenden Welt, der die Interpretationen der Tradition leitete,
konnte nach Nietzsche auf den Gegensatz Welt und Nichts reduziert
werden.19 Die Welt des Seienden als vorausgesetzter Zweck wurde als
17
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 534.
18
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 352.
19
Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 371.
322 Angel Xolocotzi
der höchste Wert hingestellt. Die Welt des Lebens ist einfach ein Feh-
ler: ³die Welt, wie sie sein sollte, existiert; diese Welt, in der wir le-
ben, ist ein Irrtum, ± diese unsere Welt sollte nicht existieren´20
Aber der leitende Weltunterschied der Tradition deutet zugleich
auf die Gründe dieses Wertverhältnisses in der Möglichkeit selbst des
Unterscheidens hin: ³Schon dass ein solches Unterscheiden möglich
isWGDVVPDQGLHVH:HOWIUGLHµscheinbare¶ und jene für die µwahre¶
nimmt, ist symptomatisch´21 Das heißt, das Grundproblem liegt nicht
in der Hierarchie der Werte, sondern im Geschehen des Unterschei-
dens selbst. Die Umwertung aller Werte deutet nicht nur auf eine blo-
ße Umkehrung der bisherigen Werte hin, sondern gerade auf die Tat-
sache, wie die Werte gesetzt werden; und dies schließt die
Möglichkeit des Unterschieds zwischen den Welten ein. Mit anderen
Worten: Die Nietzscheanische Umwertung aller Werte als eine radika-
le Art der Wertsetzung fängt gerade mit dem Symptom des Welt-
Unterscheidens an. Dies wurde ermöglicht, wie wir weiter unten se-
hen werden, durch eine einseitige Interpretation des zeitlichen Sinnes
des Willens zur Macht, welche zu einer metaphysischen Trennung
zwischen diesen führte.
Die Moral als Name für das Misstrauen gegen das Leben in seinem
Ursprung war nach Nietzsche ³die größte Verleumderin und Giftmi-
scherin des Lebens´22 und in diesem Sinne die Ursache des Nihilis-
mus;23 denn ein solches Misstrauen fordert eine jenseitige Welt, die
die diesseitige Welt als verminderte anerkennt. Die Erniedrigung der
Welt des Lebens durch eine Welt des Seins hat eine Herrschaft her-
20
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 365.
21
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 353.
22
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 553.
23
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 378. Nietzsche wird an
anderer Stelle schreiben, dass die Moral die Ursache des Pessimismus und
dass der Pessimismus die Vorform des Nihilismus sei (Nietzsche, Nachlaß
1885-1887; in: KSA Bd. 12, 491).
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 323
24
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 323.
25
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 326.
26
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 211.
27
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 274.
28
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 149.
324 Angel Xolocotzi
die Illusion der gebauten Welt und das Vergessen der Lebenswelt. Die
Diagnosen Nietzsches, Husserls und Heideggers bezüglich der Ge-
schichte der Philosophie kommen in diesem Punkt zusammen. Das
Vergessen der Lebenswelt hat die abendländische Philosophie ge-
prägt, als Wille zum Nichts bei Nietzsche, als Idealisierung bei
Husserl oder als Seinsvergessenheit bei Heidegger. Diesbezüglich
schreibt Nietzsche: ³Die Geschichte der Philosophie ist ein heimliches
Wüten gegen die Voraussetzung des Lebens, gegen die Wertgefühle
des Lebens, gegen das Parteinehmen zu Gunsten des Lebens.´29
Die Geschichte der Philosophie war dann die Geschichte des Nihilis-
mus als Entwicklungsgeschichte des Willens zur Wahrheit 30 oder, wie
Heidegger es auslegt, ³das verborgene Grundgesetz der abendländi-
schen Geschichte´.31 Mit Nietzsche können wir sagen, dass die Philo-
sophie ein erkenntnistheoretischer Nihilismus der Sensibilität war:
Durch Erkenntnistheorie hat sie die geforderten Gründe, Antworten
und Argumente der Moral gesetzt, trotzdem war sie nihilistisch, da ih-
re Gründe ein Schleier über den Abgrund der Lebenswelt gebaut und
in diesem Sinne eine bestimmte Interpretation der Sensibilität gegeben
haben, deren Wert nur von der vorausgesetzten Welt des Seienden
gewonnen werden konnte.
Nietzsche selbst hat gemerkt, dass er der Denker war, der ³die
Phänomene des Nihilismus am umfänglichsten durchdacht [hat]´.32
Und dies geschah nicht nur durch eine ³Betrachtsamkeit über das
29
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 318f.
30
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 339.
31
Martin Heidegger, Nietzsche II, 50.
32
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 414.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 325
33
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 59.
34
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 213.
35
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 339.
36
Friedrich Nietzsche, Ecce homo; in: KSA Bd. 6, 345.
37
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 455 (Hervorhebung
durch A. X.).
38
Heidegger, Nietzsche I, 233.
326 Angel Xolocotzi
39
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 34-35.
40
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 533-34.
41
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 319.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 327
Lebenswelt bedeutet dann für Nietzsche ³einen Krieg gegen alle Vo-
raussetzungen, auf welche hin man eine wahre Welt fingiert hat´.42
Wenn man den Ursprung dieser Voraussetzungen sieht, dann ge-
schieht langsam eine Befreiung, wie er an anderer Stelle andeutet.43
Der Krieg gegen die moralische Interpretation und ihre Befreiung,
die auf einer metaphysischen Welt gründet, zeigt dieses neue Ideal
von Philosophie und Sensibilität, das Nietzsche mit dem ³dionysi-
schen Jasagen zur Welt´ bezeichnet. Die radikale Idee der Philosophie
Nietzsches ist daher nicht mehr ein erkenntnistheoretischer Nihilismus
der Sensibilität, sondern eine Perspektivenlehre der Affekte, wie wir
im Nachlass lesen können.44 Aber wie kommt Nietzsche zu dieser ur-
sprünglichen Rolle der Affekte? In einem Nachlassfragment wird dies
als eine Folge des genannten Kampfes gesehen: ³Endlich wagt er [der
Mensch] eine Kritik der Werte überhaupt; er erkennt deren Herkunft;
er erkennt genug, um an keinen Wert mehr zu glauben; das Pathos ist
GDGHUQHXH6FKDXGHU>«@´45
Der erkenntnistheoretische Nihilismus der Sensibilität hat gerade
das Emotionale der Sensibilität vernichtet. Das Prinzip der wahren
Welt, das in der metaphysischen Tradition siegte und in der Moral zur
Geltung kam, hat die Gefühle, Leidenschaften und Affekte als eine
³innere Gefährdung des Menschen´ gesehen.46 Das Außer-sich-Sein
des Emotionalen zerbricht die angebliche Kontinuität des Über-sich-
hinaus-Wollens, da dieses nur erkenntnistheoretisch in bezug auf ei-
nen Willen zur Wahrheit betrachtet wurde. Dadurch wurde die Le-
benswelt nur anhand von Gründen und Warums entdeckt. Das Emoti-
onale bzw. Affektive in dem Außer-sich-Sein zeigt gerade den
Abgrund des Menschen. Wie wir oben angedeutet haben, hat die Tra-
42
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 281-82.
43
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 132.
44
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 342.
45
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 57.
46
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 277.
328 Angel Xolocotzi
dition diesen Abgrund nicht sehen wollen, und daher konnte die Tra-
dition überhaupt nicht verstehen, dass das ursprüngliche Kontinuum
ein Außer-sich-hinaus-Erstrecken war. Dieser Charakter zeigt mit al-
ler Deutlichkeit die Affektivität als ein Außer-sich-sein-Wollen.
Der emotionale Charakter des Willens zur Macht ist der Tradition,
so Heidegger, aufgrund der metaphysischen Trennung von Sein und
Zeit verborgen geblieben. Indem Nietzsche den Willen zur Macht auf
der Erfahrung des abgründigen Gedankens der ewigen Wiederkunft
gründet, kann er den pathetischen Charakter des Willens zur Macht
als Morphologie,47 als Gestalt, oder als die primitive Affekt-Form cha-
rakterisieren. In diesem Sinne können wir das folgende Nachlassfrag-
ment verstehen: ³der Wille zur Macht nicht ein Sein, nicht ein Wer-
den, sondern ein Pathos ist die elementarste Thatsache, aus der sich
erst ein Werden, ein Wirken ergiebt [...].´48
Die Entdeckung der Zusammengehörigkeit zwischen dem Willen
zur Macht und der ewigen Wiederkunft, zwischen Sein und Zeit, lie-
fert die Möglichkeit, eine neue Idee der Philosophie und der Sensibili-
tät zu entfalten. Und wie Heidegger deutlich gezeigt hat, haben darin
die Affekte, welche diese radikale Idee der Philosophie mitleiten, ei-
nen Aufschließungscharakter.
5. Schlussbemerkung
47
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 214.
48
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA Bd. 13, 259.
Das dionysische Ja-Sagen zur Welt 329
49
Vgl. meine Dissertation 'HU8PJDQJDOV³=XJDQJ´'HUKHUPHQHXWLVFK-
SKlQRPHQRORJLVFKH ³=XJDQJ´ ]XP IDNWLVFKHQ /HEHQ LQ GHQ IUKHQ
³)UHLEXUJHU9RUOHVXQJHQ´0DUWLQ+HLGHJJHUV, Berlin 2002.
330 Angel Xolocotzi
50
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA Bd. 12, 269.
17. Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten im Rahmen
seiner Metaphysik des Willens zur Macht und Heideggers
Kritik an seinem Wertgedanken
Nietzsche gilt als Immoralist, als Zermalmer der Moral. Seine Invek-
tiven gegen moralische Wertschätzungen und Vorstellungen häufen
sich überall in seinen Schriften und lassen keinen Zweifel darüber
aufkommen, dass die Moral selbst eine Lüge ist. Nicht nur das: Nietz-
sche geht dem Ursprung unserer moralischen Urteile und Vorstellun-
gen nach und bemüht sich um den Nachweis ihrer nicht-moralischen
Herkunft. Ist dann die Ausarbeitung der Frage nach dem Guten im
Denken Nietzsches ein hoffnungsloses Unterfangen? Arbeitet Nietz-
sche überhaupt einen neuen Begriff des Guten heraus?
In diesem Referat will ich zunächst dieses Vorurteil über Nietz-
sches Auffassung hinsichtlich des Guten anhand vor allem der Schrif-
ten Jenseits von Gut und Böse (1885) und Zur Genealogie der Moral
(1887), jedoch unter Berücksichtigung von anderen Schriften und den
nachgelassenen Fragmenten aus der Zeit von 1884 bis 1888 (im Um-
kreis von diesen Schriften und dem unvollendeten Werk Der Wille zur
Macht) entkräften und darauf aufbauend die zugrundeliegende Theo-
rie des Guten ans Licht heben. Aufgrund dieser Interpretation soll
Heideggers Kritik an Nietzsches ³wertphilosophischem Ansatz´ nur in
einigen Punkten erläutert werden.
Eine radikale, ja vehement geführte Kritik an der abendländischen
Moral durchzieht das gesamte Schrifttum Nietzsches von der Geburt
der Tragödie (1872) bis zur Götzendämmerung (1888) einschließlich
der nachgelassenen Schriften, aber es sind die zwei oben genannten
Werke, in denen eine Auseinandersetzung mit der Moral und ihren
Grundbegriffen auf einer philosophisch erarbeiteten Basis stattfindet.
332 Jorge Uscatescu Barrón
Der Hauptpunkt der Kritik an der Moral ist in erster Linie ihre Natur-
und Lebensfeindlichkeit.1 Die aus dem Sklavenaufstand erwachsene
Moral und das ihr zugrunde liegende moralische Gefühl, das Ressen-
timent, verstehen sich als eine Reaktion auf die bis dahin gültige aris-
tokratische Moral.2 Das Gefühl des Ressentiments lässt sich zwar all-
gemein als eine gefühlsmäßige Reaktion auf das moralisch Höhere
und das Vornehme bzw. Edle deuten, ist aber kein fest umrissenes Ge-
fühl, sondern eher ein Gemisch niedriger, durch eine gefühlsmäßige
Reaktivität charakterisierter Gefühle wie Hass, Neid, Missgunst,
Argwohn, Ranküne, Rache etc.3 Demnach gilt in der durch den Skla-
venaufstand herbeigeführten Moral der ³µJXWH¶ Mensch als derjenige,
der seinen Hass auf das Große, Schöne [...] auslässt. Aus dieser Hin-
VLFKWLVWGHUµJXWH0HQVFK¶ ein schwacher Mensch, der auch alle Men-
schen gleich schwach, dem Höheren abgeneigt haben will´.4
Da zunächst Nietzsche die große Entfernung GHU %HJULIIH ³JXW´
XQG ³Eöse´ von den ursprünglicheren Begriffen ³Qützlich´ und
³Vchädlich´IHVWVWHOOWGLH sich aus dem Horizont des Lebens herausge-
bildet haben und ³lebenVI|UGHUQG´XQG³OHEHQVYHUQHLQHQG´EHGHXWHQ5
ist das moralisch Gute GHQ%HJULIIHQ³lebensfeindlich´XQG³naturwid-
rig´ gleichzusetzen.
Nietzsche begnügt sich nicht damit, den Begriff des moralisch Gu-
ten zu bestimmen oder zu disqualifizieren, sondern will vielmehr der
Herkunft der Begriffe ³Jut´XQG³Eöse´ nachgehen und somit den Ur-
sprung der Moral überhaupt aufdecken. Dies war schon ein Teil des
1
Nietzsches Schriften werden zitiert nach der Kritischen Studienausgabe
(KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/München,
1980. Die erste arabische Zahl bezeichnet den Band, die zweite die Seite.
Hier: Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 274.
2
Vgl. Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral; in: KSA 5, 270-274.
3
Nietzsche, Zur Genealogie der Moral; in: KSA 5, 310. An dieser Stelle
wird vom Geist des Ressentiment gesprochen.
4
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 608.
5
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 435.
Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten 333
6
Nietzsche, Zur Genealogie der Moral; in: KSA 5, 280-281.
7
Nietzsche, Nachlaß 1882-1884; in: KSA 10, 288-289.
8
Nietzsche, Zur Genealogie der Moral LQ .6$ ³$XV diesem
Pathos der Distanz heraus haben sie sich das Recht, Werthe zu schaffen,
Namen der Werthe auszuprägen, erst genommen: was gieng sie die
334 Jorge Uscatescu Barrón
Nützlichkeit an! Der Gesichtspunkt der Nützlichkeit ist gerade in Bezug auf
ein solches heißes Herausquellen oberster rang-ordnender, rang-abhebender
:HUWKXUWKHLOHVRIUHPGXQGXQDQJHPHVVHQZLHP|JOLFK>«@'DV3DWKRVGHU
Vornehmheit und Distanz, wie gesagt, das dauernde und dominierende
Gesammt- und Grundgefühl einer höheren herrschenden Art im Verhältnis zu
einer nieGHUHQ$UW]XHLQHPµ8QWHQ¶± das ist der Ursprung des Gegensatzes
µJXW¶XQGµVFKOHFKW¶´
9
Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse; in: KSA 5, 215.
10
Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse; in: KSA 5, 211.
11
Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse; in: KSA 5, 209-210.
Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten 335
dem Mitleid als Nachfühlen des fremden Leides, also der Schwäche,
sondern der aus sich selbst hervorkommenden, überströmenden
Macht, der eigenen verschwenderischen Macht. Deshalb kann die Un-
eigennützigkeit auch nicht die Triebfeder für die gute Handlung sein,
sondern eher der Egoismus und die schenkende Kraft des Vornehmen
in seinem Gestimmtsein durch das Pathos der Distanz.
Positiv ist das Vornehme auch identisch mit dem Gesunden.12 Die-
ses Gesundsein kann nichts anderes sein als die Machtfülle im physio-
logischen Sinne. Damit wird auch deutlich, dass Nietzsches morali-
sches Ideal im Bereich des Lebens bzw. der Lebensstärke liegt. Aber
diese Machtfülle, diese überströmende Macht in mehrfachem Sinne
(physiologisch, psychologisch, ethisch) ist nicht ein isoliertes Merk-
mal im Ganzen des Seienden, als Grundbestimmung des Ethischen,
sondern ist verankert im Sein selbst des Ganzen des Seienden. In
Nietzsches Denken lässt sich eine unleugbare Kontinuität zwischen
dem Vornehmen und der Realität überhaupt feststellen. Seine ethi-
schen Überlegungen im Dienste der Genealogie der Moral und der
Umwertung aller Werte fußen letztlich auf einem vom Macht- oder
Lebensgefühl, bestimmten Seinsverständnis. Um den Begriff des Vor-
nehmen wesentlich zu umgrenzen, soll das Seinsverständnis selbst in
seinem Auslegungshorizont aufgeklärt werden.
Aus der Erfahrung des Widerstandes, auf den das wollende Subjekt
beim Herangehen an die Welt stößt und der die Vorstellung, dass es
dieses Seiendes gibt, hervorruft,13 scheint Nietzsche die Gleichsetzung
von Sein und Macht entnommen zu haben.14 In allen wirklichen Phä-
12
Nietzsche, Zur Genealogie der Moral; in: KSA 5, 371-372.
13
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887 LQ .6$ ³$OVR GLH K|FKVWHQ
Grade in der Leistung erwecken für das Objekt den Glauben an dessen
µ:DKUKHLW¶ G h. Wirklichkeit. Das Gefühl der Kraft, des Kampfes, des
Widerstand(es) überredet dazu, daß es etwas giebt, dem hier widerstanden
ZLUG´
14
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 465.
336 Jorge Uscatescu Barrón
nomenen findet sich der Wille zur Macht am Werk, der als ein Wollen
im Sinne des Mehrwollens, des Herrschen-Wollens im Sich-durch-
Setzen gegen Widerstand verstanden wird. Im Grunde ist das Sein nur
Wille zur Macht.15 Diese Macht ist nur eine solche, wenn sie sich
nicht nur erhalten, sondern auch vermehren will, denn eine nicht nach
Erweiterungen strebende Macht ist keine. Da Wille zur Macht wesent-
lich Stärker-werden-Wollen, ein ständiges Über-sich-hinaus-Gehen
ist, soll er von dem einfachen Willen oder Trieb zur Selbsterhaltung,
wie der Darwinismus das Phänomen des Lebens deutete, unterschie-
den und als ein Wille zur Herrschaft, zur Selbstbehauptung im Kampf
um das Sein aufgefasst werden. Der Selbsterhaltungstrieb nimmt sich
eher als eine Folge des Willens zur Macht aus.
Obwohl Nietzsche als Leitfaden zur Bestimmung des Willens zur
Macht das menschliche Wollen nimmt, ist der Wille zur Macht kein
isoliertes oder rein menschliches Phänomen im Ganzen des Seienden,
sondern der Grundzug des Ganzen des Seienden, der Welt.
Trotz des Universalcharakters des Willens zur Macht muss der Zu-
gang zu diesem Grundzug des Ganzen des Seienden im Menschen
selbst, insbesondere in den Perspektiven, die das Triebhafte im Men-
schen wie Bahnen im Leben eröffnet, liegen. Jedes Seiende und auch
das Ganze des Seienden ist dem Menschen immer nur in je einer per-
spektivischen Schätzung vorgegeben.16 In der Bahn einer triebhaften
Perspektive wird etwas im Horizont der Erhöhung der Macht bzw. des
Willens zur Macht geschätzt und interpretiert. Jedes begegnende Sei-
ende wird mit dem Maßstab des Machtwachstums gemessen und ge-
schätzt. Damit scheidet das Erkennen als erster Zugang zum Ganzen
des Seienden aus, und an seine Stelle tritt das triebhafte Schätzen. Die
Wertschätzungen entspringen unseren Affekten und Trieben, den
15
Nietzsche, Nachlaß 1882-1884; in: KSA 10, 459.
16
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 114.
Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten 337
wahren Urhebern,17 in denen sich der Wille zur Macht als der wahre
Interpret oder Ausleger, nicht aber als das Individuum dermaßen aus-
drückt,18 dass jedes Seiende dann auf ³seinen Wert´ bei der Seinser-
haltung oder Machterweiterung des wertenden Seienden hin unter-
sucht wird. Diese Werte aber sind nicht Qualitäten an den Dingen,
ihre Beschaffenheiten, sondern Bedingungen oder Interpretationsmus-
ter, die an die begegnenden Seienden herangetragen werden.19
Nietzsche definiert im Zusammenhang mit seinem Perspektivismus
und seiner Metaphysik des Willens zur Macht den Wert als Gesichts-
punkt, von dem her das Seiende auf das Wachstum oder den Schwund
von Macht hin interpretiert bzw. betrachtet werden kann. Der Wert
eines Seienden liegt demnach nur in seinem Quantum an Macht oder
Kraft,20 so dass ein Seiendes wertvoll ist, insofern es eine Machtzu-
nahme darstellt.21
Das führt nicht nur zu einem neuen Seinsbegriff, sondern zu einem
auch radikal neuen Begriff des Guten. Zunächst wird das Gute zu ei-
nem Wert, zu einem Gesichtspunkt, von dem her die Dinge betrachtet
werden und entweder als wertvoll (gut) oder wertlos (schlecht oder
böse) eingestuft werden. Zweitens wird das Gute so umgedeutet, dass
17
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887 LQ .6$ ³GDV PRUDOLVFKH
Werthschätzen ist eine Auslegung, eine Art zu interpretieren. Die Auslegung
selbst ist ein Symptom bestimmter physiologischer Zustände, ebenso eines
bestimmten geistigen Niveaus von herrschenden Urteilen. Wer legt aus?
8QVHUH$IIHNWH´
18
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 140 (Herbst 1885 bis Herbst
³0DQ GDUI QLFKW IUDJHQ ZHU LQWHUSUHWLHUW GHQQ" VRQGHUQ GDV
Interpretieren selbst, als eine Form des Willens zur Macht, hat Dasein (aber
QLFKWDOVHLQµ6HLQ¶VRQGHUQDOVHLQ3UR]HHLQ:HUGHQDOVHLQ$IIHNW´
19
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 352-353.
20
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 36 .
21
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889 LQ .6$ ³:RUDQ PLW VLFK
objektiv der Werth? Allein an dem Quantum gesteigerter und organisierter
Macht, nach dem, was in allem Geschehen geschieht, ein Wille zum Mehr
>«@´
338 Jorge Uscatescu Barrón
dieses nicht mehr allein das sittlich Gute oder das Angenehme oder
das Nützliche überhaupt ist, sondern ³>D@lles, was das Gefühl der
Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen stei-
gert´22 das Schlechte dagegen das, was entweder aus der Schwäche
stammt oder die Abnahme an Macht mit sich bringt. Gut ist das
Machtsteigernde, schlecht das Machtmindernde. Das, was nur die
Macht allein erhält, und das Überleben selbst im Sinne des Stoizismus
und des damals herrschenden Darwinismus sind in diesem Sinne nicht
gut, insofern sie keine Machtzunahme, sondern nur ein Machtgleich-
gewicht darstellen. Zusammenfassend ist gut nicht einfach Macht oder
Mächtiges, sondern die sich steigernde Macht.
Worin unterscheidet sich das Gute (als Machtzuwachs) vom Sein
im Sinne des Willens zur Macht (als Machtsteigerung)? Eigentlich
meinen sie dasselbe, wobei das Gute als Gefühl der Steigerung nur die
wertende Seite des Seins als Machtwachstum ist und als Maß der
Machtzunahme oder -abnahme zum Grundwert in der neuen Werttafel
emporsteigt.
Nietzsche bleibt nicht dabei, den Begriff des Vornehmen im Aus-
gang des neuen Seinsverständnisses zu bestimmen, sondern verwan-
delt im Horizont des Guten als Machtsteigerung alle agathologischen
Grundbegriffe. Gegen den ethischen Gedanken des Glücks als innerer
Zufriedenheit, einer Art Gleichgewicht, stellt Nietzsche das Ideal des
Glücks als Zuwachs an Macht hin, der nicht bei dem angelangten
Punkt zur Ruhe kommt, sondern immer wieder steigt. Deshalb ist das
vom Willen zur Macht erforderte Glück mit dem ³Krieg´ oder dem
Kampf gerade um die Machtsteigerung wesentlich verbunden. Der
Tugendbegriff erfährt hier auch eine notwendige Umwandlung und
wird zur Tüchtigkeit im Sinne der ³vertù´ der Renaissance.23 Lust und
22
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 480 (Frühjahr 1888). Vgl.
ferner Friedrich Nietzsche, Der Antichrist; in: KSA 6, 170.
23
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 481.
Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten 339
24
Nietzsche, Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 34.
25
Nietzsche, Nachlaß 1885-1887; in: KSA 12, 302. Vgl. auch Nietzsche,
Nachlaß 1887-1889; in: KSA 13, 254, 260.
26
Martin Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961, 97.
27
Heidegger, Nietzsche II, 97.
340 Jorge Uscatescu Barrón
28
Heidegger, Nietzsche II, 106f.
29
Heidegger, Nietzsche II, 108.
30
Heidegger, Nietzsche II, 109.
31
Heidegger, Nietzsche II, 272.
Nietzsches Umdeutung des Begriffs des Guten 341
32
Heidegger, Nietzsche II, 272-273.
33
0DUWLQ +HLGHJJHU ³3ODWRQV /HKUH YRQ GHU :DKUKHLW´ LQ Wegmarken,
GA 9, Frankfurt am Main 1976, 228.
34
0DUWLQ+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, GA 9,
349.
35
+HLGHJJHU³%ULHIEHUGHQ+XPDQLVPXV´LQWegmarken, GA 9, 228ff.;
II 0DUWLQ +HLGHJJHU ³1LHW]VFKHV :RUW µ*RWW LVW WRW¶³ LQ Holzwege,
Frankfurt am Main 1950, 93-94, 205ff.
36
Martin Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21,
Frankfurt am Main 1976, 2-88.
342 Jorge Uscatescu Barrón
1
Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: Kritische Studien-
ausgabe (= KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari,
Berlin/München 1980, Bd. 2, 674. This is briefly discussed in Martin
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, Frankfurt am
Main 1986, 14f.
2
For a detailed discussion, see Stuart Elden, Speaking Against Number.
Heidegger, Language and the Politics of Calculation, Edinburgh 2006.
344 Stuart Elden
3
Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie. Vom Ereignis, GA 65,
Frankfurt am Main 1989, 120-121.
4
Martin Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, GA
16, Frankfurt am Main 2000, 402.
A Thousand Year Conclusion? 345
5
See Plato, Theaetetus, in: Platonis Opera, ed. by Johannes Burnet,
Oxford 1900, Vol I, 152a.
6
See Plato, Theaetetus, trans. by Robin A. H. Waterfield, Harmondsworth
1987; Theaetetus, trans. by M. J. Levett, revised by Myles Burnyeat,
Indianapolis 1992.
7
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 175-176;
Martin Heidegger, Nietzsche iv, trans. by Frank A. Capuzzi, San Francisco
1987, 91-92.
8
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 161; Nietz-
sche iv, 86.
9
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 161-2; Nietz-
sche iv, 86-7.
10
Martin Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als
Erkenntnis, GA 47, Frankfurt am Main 1989, 0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH
:LOO WR 3RZHU DV .QRZOHGJH DQG DV 0HWDSK\VLFV´ WUDQV E\ -RKQ
Stambaugh, David F. Krell and Frank A. Capuzzi; in: Nietzsche iii, San
Francisco 1987, 176.
346 Stuart Elden
11
6HH,QJR)DULQ³+HLGHJJHU¶V&ULWLTXHRI9DOXH3KLORVRSK\´LQ: Journal
of the British Society for Phenomenology 29 (1998), 268-280.
12
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 178; Nietz-
sche iv, 94
13
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 201; Nietz-
sche iv, 113-4.
14
Martin Heidegger, Die Frage nach dem Ding. Zu Kants Lehre von den
transzendentalen Grundsätzen, GA 41, Frankfurt am Main 1984, 98.
A Thousand Year Conclusion? 347
cogitans, the human subject, the initial ³I am.´ Such a shift also forces
us to rethink the nature of truth, which is no longer understood as the
unconcealment Heidegger finds in the Greeks, but as veracity, certi-
tude, accord. The human subject takes the place of the integrated hu-
man. There is a corresponding shift in the notion of measure: ³The
certitude of the principle cogito sum (ego ens cogitans) determines the
essence of all knowledge and everything knowable; that is, of mathe-
sis KHQFH RI WKH PDWKHPDWLFDO >«@ 7KH PDWKHPDWLFDOO\ DFFHVVLEOH
what can be securely reckoned in a being that humans themselves are
not, in lifeless nature, is extension (the spatial), extensio, which in-
cludes both space and time. Descartes, however, equates extensio and
spatium. In that way, the nonhuman realm of finite beings, µnature,¶ is
conceived as res extensa. Behind this characterisation of the objectivi-
ty of the nature stands the principle expressed in the cogito sum: Be-
ing is representedness (Vorgestelltheit).´15 The fundamental determi-
nation of the world is extension, res extensa, but this is grounded on
thinking, res cogitans. A human notion becomes the measure of all
things.16
The ontological foundation of modern science, that is, this notion
of calculation, both limits the ontic phenomena it is able to experience
and to encompass, but also has profound consequences for how we are
able to utilize and develop the world. ³The step taken by Descartes is
already a first and decisive consequence (Folge), a µcompliance¶ (Fol-
geleistung) by which machination assumes power as transformed truth
(correctness), namely as certainty.´17 Conceiving of the world, of na-
ture as res extensa, requires us to conceive of beings as calculable, as
15
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 204-5;
Nietzsche iv, 116.
16
)RU D ORQJHU GLVFXVVLRQ VHH P\ ³7DNLQJ WKH 0HDVXUH RI WKH Beiträge:
+HLGHJJHU 1DWLRQDO 6RFLDOLVP DQG WKH &DOFXODWLRQ RI WKH 3ROLWLFDO´ LQ
European Journal of Political Theory 2 (2003), 35-56.
17
Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 132.
348 Stuart Elden
18
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 204-5;
Nietzsche iv, 116-7.
19
Martin Heidegger, Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte
³3UREOHPH´GHU³/RJLN´, GA 45, Frankfurt am Main 1984, 53.
A Thousand Year Conclusion? 349
20
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 204-5; Nietz-
sche iv, 116-7.
21
Heidegger, Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 287; Nietz-
sche iv, 175.
22
Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, GA 7, Frankfurt am Main
2000, 79; see 97.
23
Martin Heidegger, Nietzsche I-II, GA 6.1-6.2, Frankfurt am Main 1997,
GA 6.2, 14- +HLGHJJHU ³7KH :LOO WR 3RZHU DV .QRZOHGJH DQG DV
0HWDSK\VLFV´LQNietzsche iii, 175.
350 Stuart Elden
24
Martin Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung im abend-
ländischen Denken. Die ewige Wiederkehr des Gleichen, GA 44, Frankfurt
am Main 1986, 15; Martin Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961, 16.
25
Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen
Denken, GA 44, 16; Nietzsche II, 17.
26
Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen
Denken, GA 44, 90; Nietzsche II, 86.
A Thousand Year Conclusion? 351
27
Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung, GA 44, 90; Nietz-
sche II, 86.
28
Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen
Denken, GA 44, 117-8; Nietzsche II, 111-2.
29
Martin Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, Frankfurt am Main 1981. For
this course I have made use of the translation by Gary E. Aylesworth, Basic
Concepts, Bloomington 1993.
352 Stuart Elden
30
Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, 17.
31
Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, 17.
32
Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, 17-8.
A Thousand Year Conclusion? 353
3. Conclusion
33
Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, 18.
34
Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, 18.
354 Stuart Elden
35
Note 9 [97] from Autumn 1887; in: Friedrich Nietzsche, Nachlaß 1885-
1887; in: KSA Bd. 12, 390-1.
36
Friedrich Nietzsche, The Wanderer and his Shadow, § 218; in: Friedrich
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches; in: KSA Bd. 2, 653.
37
Martin Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 429.
A Thousand Year Conclusion? 355
38
Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 229; Nietzsche iv, 196.
19. Assessing How Heidegger Thinks Power Through the History
of Being1
For both Plato and Aristotle, rhetoric is a dynamis, i. e., a power, force
and capability, and as such a power it is also one of the technai, i. e.,
the techniques or arts. Plato and Aristotle both employ the parallel to
the art of medicine when dealing with the art of rhetoric. The essential
character of rhetoric as a power comes to expression early on in Pla-
to¶s dialogue Gorgias: ³Gorgias: I call it the ability to persuade with
words either judges in the law courts or councillors in the council-
chamber or the commons in the assembly or an audience at any other
meeting that may be held on public affairs. And by virtue of this pow-
er you will have the doctor as your slave, and the trainer as your slave;
the money-maker will show himself to be making money for another
and not for himself, but for you, who through this power are able to
speak and persuade the multitude.´2
Rhetoric is an all-purpose power that allows the one who has ac-
quired and mastered it to persuade others, to win their confidence, to
win them over to a certain view of a situation through the medium of
words, i. e., through the logos. Rhetoric is the power of talking others
around, whether it be in a law court, in council meetings, in parlia-
1
Abridged version of a paper presented to the conference Heidegger and
Nietzsche, 26-29 May 2004 in Meßkirch, Germany. The full version is
available at http://www.arte-fact.org. Cf. also my Social Ontology: Recasting
Political Philosophy Through a Phenomenology of Whoness, Frankfurt am
Main 2008.
2
Plato, Gorgias 425e.
358 Michael Eldred
3
Aristotle, Rhetoric 1355b10.
4
Aristotle, Rhetoric 1355a5.
5
Aristotle, Rhetoric 1355b20.
Assessing How Heidegger Thinks Power 359
6
Aristotle, Metaphysics 1046a11.
360 Michael Eldred
7
&IP\³+HLGHJJHU¶V5HVWULFWHG,QWHUSUHWDWLRQRIWKH*UHHN&RQFHSWLRQRI
the 3ROLWLFDO´DYDLODEOHDWKWWSZZZDUWH-fact.org.
Assessing How Heidegger Thinks Power 363
or she is aiming at, for the audience¶s mood is how, as human being, it
is momentarily cast in attunement or misattunement with the world.
Furthermore, as Aristotle points out, the rhetorical situation is de-
fined not only by the arguments presented, but first and foremost by
the standing and status of who presents them and how they are pre-
sented, i. e., in what µmelody¶ and with what verve they are played to
the audience. The speaker can indeed study how he or she presents
him- or herself, i. e., what kind of who-stance is put on display and
shown off to the audience, but the speaker¶s status is also an aspect of
reputation, and reputation always precedes the speaker and is not un-
der the speaker¶s control. Reputation is the look or µface¶ which a hu-
man being presents and shows off to others based on what has been
heard about him or her. The speaker¶s who-standing within the onto-
logical-existential dimension of whoness (Wersein) is the primary way
in which a speaker gains an audience¶s confidence; it is the primary
pistis. And the musical aspect of the speech¶s melody, its mode of de-
livery or lexis, resonates with the audience¶s mood, independently of
what is said.
The power of rhetoric is thus not a power which can reliably and
calculatingly bring to presence the final state of affairs it aims at,
namely, a changed mood and viewpoint on the part of the audience.
Putting the power of rhetoric to work in speaking may indeed be the
energeia of the dynamis called the art of rhetoric, but such energy may
well not achieve actuality in the sense of a finished perfect presence
brought forth by the power at work. Rhetoric¶s effectiveness, its
Wirksamkeit is essentially, i. e., ontologically, bounded by the free
otherness of the audience as human beings who can listen. The audi-
ence itself has the dynamis of listening, of taking in and understanding
what is said and how it is said by whom it is said.
364 Michael Eldred
One may want to confront the above ontological analysis and destruc-
tion of rhetoric as a techne with Heidegger¶s treatment of Aristotle¶s
Rhetoric in his lectures of summer semester 1924 in which Heidegger
explicitly denies that for Aristotle rhetoric could ³properly´ be called
a techne: Aristotle defines rhetoric in Book I, Chapter 2 as a dynamis.
This definition must be adhered to vis-à-vis the fact that Aristotle of-
ten calls it a techne. This latter designation is improper, whereas dy-
namis is the proper definition. ³Rhetorike is the possibility of seeing in
what is given in any situation that which speaks in favour of an issue
that is the subject of the speech, to see in each specific case what can
speak in favour of an issue.´8
Heidegger thus emphasizes the ³possibility´ in contradistinction to
the attempt ³to persuade others without fail´9 so that ³attaining the te-
los of speaking is not included.´10 This Heidegger compares with Ar-
istotle¶s comment on medicine11 which likewise ³does not as such
make the patient healthy´ but rather allows the possibilities of healing
to be seen. But is this distinction between possibility and attaining the
final aim convincing as the touchstone for distinguishing possibility
from techne? A look at the later lectures from summer semester 1931
on Book Theta of Aristotle¶s Metaphysics, as well as many other pas-
sages in Heidegger¶s texts, makes it clear it is not convincing because,
following Aristotle, Heidegger himself always underscores that the
essence of techne poietike itself is not the (actual) producing, making,
Herstellen, but rather the fore-sight that knowingly fore-sees how the
product can be brought forth into presence, i. e., precisely as techne,
8
Martin Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18,
Frankfurt am Main 2002, 144, citing Rhetoric 1355 b25.
9
Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 115.
10
Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 115.
11
Aristotle, Rhetoric 1355 b12.
Assessing How Heidegger Thinks Power 365
12
Martin Heidegger, Aristoteles. Metaphysik Theta 1-3, GA 33, Frankfurt
am Main 1981, 142.
13
Aristotle, Rhetoric 1356a23.
14
Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 120.
15
Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 120,
citing Aristotle, Rhetoric 1356a3.
16
Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 121.
366 Michael Eldred
into such a fore-sight that the speaker is able to manipulate how the
listeners feel about their momentary being-in-the-world in a particular
situation, thus persuading them to see the issue in a favourable light,
favourable, that is, to the speaker¶s aims?
As Aristotle himself points out, speaking is a communicative situa-
tion in which the speaker speaks pros hon, ³to someone,´17 the listen-
er, and that ³the telos is with the listener.´18 Nevertheless, the speak-
ing itself is in the speaker, not the listener. In the rhetorical speaker
resides the starting-point, the arche, namely, the rhetorical skill and
know-how, that is supposed to attain its end, its telos, in the listener
crucially by bringing forth a particular mooded disposition. This situa-
tion corresponds to how Aristotle otherwise treats techne as a dynamis
meta logou, and neither in summer semester 1924 nor later does
Heidegger put into question the basic metaphysical structure of dyna-
mis meta logou as applicable also to techne rhetorike.
17
Aristotle, Rhetoric 1358a38, cited at Heidegger, Grundbegriffe der
aristotelischen Philosophie, GA 18, 123.
18
Aristotle, Rhetoric 1358a38, cited at Heidegger, Grundbegriffe der aristo-
telischen Philosophie, GA 18, 123.
20. Das Schweigen der Tiere bei Nietzsche und Heidegger
1. Hinführung
Trotz des Gefühls, dass es eine unmittelbare Nähe zu den Tieren gibt,
wurde in der Tradition stets die je größere Distanz ihnen gegenüber
hervorgehoben. Jede Reflexion auf die Tiere muss sich aber von vor-
neherein darüber im Klaren sein, dass das Verhältnis des Menschen
zur Natur in der Tradition durch Herrschaft und Ausbeutung geprägt
war. Begründet wurde dieses Herrschaftsverhältnis durch die ver-
meintliche Sonderstellung des Menschen in der Welt und die damit
368 Charles Feitosa
verbundene Auffassung über die Natur als das dem Menschen gegen-
über ganz Andere.
Obwohl wir täglich Umgang mit Tieren haben und daran gewöhnt
sind, mit ihnen zusammen zu leben, ist es schwer, ihr Verhalten zu
verstehen, ohne gleichzeitig in einen Anthropomorphismus zu verfal-
len und unsere Verhaltenweisen auf sie zu projizieren. Wir interpretie-
ren die Laute der Delphine als eine Art Freudengelächter und das Pfei-
fen der Vögel als eine Art Gesang. Diese anthropomorphe Charakteri-
sierung entkräftet allerdings nicht die bereits genannte Auffassung,
dass es zwischen Menschen und Tieren eine starre und unüberschreit-
bare Grenze geben soll. Im Gegenteil, gerade diese Idee einer definiti-
ven Grenze verstärkt geradezu noch einmal die Überzeugung, dass das
Tier das ganz Andere sei, und sie dient zugleich auch als Rechferti-
gung dafür, sie zu jagen, zu domestizieren und zu konsumieren.
Seit Urzeiten wurden Tiere als bloße Mittel betrachtet, um die
menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, so etwa bezogen auf die
Nahrung, die Arbeit, die Kleidung, die Forschung und sogar die Un-
terhaltung. In der christlichen Tradition wird das Recht, über die Tiere
zu herrschen, gar durch göttliches Gesetz legitimiert: ³Furcht und
Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle
Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle
Fische des Meeres; euch sind sie übergeben. Alles Lebendige, das sich
regt, soll euch zur Nahrung dienen. Alles übergebe ich euch wie die
grünen Pflanzen.´1
Die Tierwelt wird schon in dieser frühen Zeit vornehmlich in drei
Kategorien unterteilt: Essbar und nicht-essbar; wild und zahm; nütz-
lich und nutzlos. Im Hintergrund steht dabei der Gedanke, dass Tiere
lediglich für den Menschen da sind, selbst wenn sie als treue Begleiter
oder allein aufgrund ihrer Schönheit gehalten werden.
1
Gen 9,2f.
Das Schweigen der Tiere 369
2
Gen 1,27.
3
Notiz eines englischen Arztes am Beginn des 17. Jahrhunderts, zitiert bei
Keith Thomas; in: Man and the Natural World, Oxford 1983, 53.
370 Charles Feitosa
Diese Theorie mag kurios erscheinen, aber auch noch bei Nietz-
sche findet sich der Gedanke, dass die Kultur in erster Linie mit der
Frage der Diät zusammenhängt, also mit der guten oder schlechten
Verdauung, mit dem Problem des Behaltens oder Ausscheidens der
Nahrung.4 Doch wie dem auch sei, alle diese anthropozentrischen Va-
rianten treffen sich in dem Gedanken, die eigentliche Überlegenheit
des Menschen bestehe darin, dass der Mensch das einzige vernünftige
Wesen sei, das denken und sprechen kann. Denn das Tier denkt und
spricht nicht, es schweigt.
Das Schweigen der Tiere wurde in der Geschichte der Philosophie auf
verschiedene Weise ausgelegt. Die berühmteste Passage findet sich in
Descartes¶ Discours de la Méthode (1637), wo er sagt, dass die Tiere
von Gott geschaffen sind, so wie Automaten oder Maschinen vom
Menschen geschaffen sind, d. h. die Tiere weisen ein komplexes Ver-
halten auf, aber sie können nicht denken oder sprechen: ³An dieser
Stelle besonders hatte ich eingehalten, um folgendes deutlich zu ma-
chen: Wenn es Maschinen mit den Organen und der Gestalt eines Af-
fen oder eines anderen vernunftlosen Tieres gäbe, so hätten wir gar
kein Mittel, das uns nur den geringsten Unterschied erkennen ließe
zwischen dem Mechanismus dieser Maschinen und dem Lebensprin-
zip dieser Tiere; gäbe es dagegen Maschinen, die unseren Leibern äh-
4
In der Götzen-Dämmerung (§ 47) z. %KHLWHV³(VLVWHQWVFKHLGHQGEHU
das Los von Volk und Menschheit, daß man die Kultur an der rechten Stelle
beginnt ± QLFKW DQ GHU ³6HHOH´ ZLH HV GHU YHUKlQJQLVYROOH $EHUJODXEH GHU
Priester und Halb-Priester war): die rechte Stelle ist der Leib, die Gebärde,
GLH 'LlW GLH 3K\VLRORJLH GHU 5HVW IROJW GDUDXV´ LQ )ULHGULFK 1LHW]VFKH
Götzen-Dämmerung; in: Kritische Studienausgabe [= KSA], hrsg. von
Giorgio Colli und Mazzino Montirari, Berlin/New York ²1988, Bd. 6, 149).
Das Schweigen der Tiere 371
nelten und unsere Handlungen insoweit nachahmten, wie dies für Ma-
schinen wahrscheinlich möglich ist, so hätten wir immer zwei ganz
sichere Mittel zu der Erkenntnis, daß sie deswegen keineswegs wahre
Menschen sind. Erstens könnten sie nämlich niemals Worte oder an-
dere Zeichen dadurch gebrauchen, daß sie sie zusammenstellen, wie
wir es tun, um anderen unsere Gedanken bekannt zu machen.´5
Diese Interpretation des Schweigens der Tiere als Index eines
Mangels führte teilweise zu überzogenen Auffassungen wie z. B. der-
jenigen, dass Tiere keinen Schmerz empfinden oder nicht leiden kön-
nen. So wurde etwa das Jaulen eines Hundes nicht als Hinweis auf ein
Leiden, sondern bloß als mechanischer Reflex, der ohne Beziehung zu
irgendwelchen inneren Empfindungen steht, gedeutet.
Dies war auch ein Grund dafür, dass das Schweigen der Tiere häu-
fig als Argument dafür angeführt wurde, dass sie ausgebeutet werden
können. In der westlichen Tradition wird das Schweigen überwiegend
als ein Zeichen der Passivität, der Unwissenheit und Unterwürfigkeit
interpretiert. Doch es gibt auch andere Interpretationen dieses
Schweigens. Eine alte Tradition aus Indien z. B. besagt, dass die Men-
schenaffen keine Tiere seien, sondern eine eigene Menschenrasse, die
nur beschlossen hätte, nicht mehr zu sprechen, um sich damit einer
drohenden Versklavung zu entziehen. Und die drei ³weisen Affen´
innerhalb der buddhistischen Tradition legen noch eine weitere Inter-
pretation nahe. In ihr gilt es nämlich als ein Zeichen der Weisheit, den
Mut zu haben, nicht zu sehen, nicht zu hören und nicht auszusprechen,
was böse ist.6
5
Rene Descartes, Discours de la Méthode, in: ¯XYUHVFRPSOqWHV, Tome V,
Paris 1953, 164 (dt. Discours de la Méthode ± Von der Methode des richtigen
Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung, übers. und hrsg.
von Lüder Gäbe, Hamburg 1960, 91f.).
6
Von einem soziologischen Standpunkt aus betrachtet lässt der mensch-
liche Umgang mit den Haustieren auch das traditionell westliche Bild des
Tieres fragwürdig werden. Denn Haustiere sind dadurch ausgezeichnet, dass
372 Charles Feitosa
Die Idee, dass Menschen nur etwas höher entwickelte Tiere sind,
kommt förmlich einem Affront gegen die Auffassung von der Sonder-
stellung des Menschen in der Natur gleich. In Die Entstehung der Ar-
ten (1859) stellt Darwin die These auf, dass der Mensch im Laufe der
Evolution demselben Selektionsprozess unterliegt wie das Tier. Dar-
wins Evolutionstheorie ebenso wie der Heliozentrismus des Koperni-
kus waren ein Schlag gegen die lange vorherrschende Auffassung von
der Sonderstellung des Menschen im Kosmos. Denn von den Tieren,
die wir als unsere Sklaven behandeln, hörten wir ungern, dass sie un-
sere Artverwandten sind.
Einer der aufsehenerregendsten Versuche der jüngsten Zeit, den
Begriff des Tieres anders zu denken, findet sich im Werk des australi-
schen Philosophen Peter Singer. Singer will zu einem ethischeren
Verhältnis zu den Tieren gelangen, und zwar nicht dadurch, dass er
ihnen Tierrechte zuspricht, sondern vielmehr dafür plädiert, die Men-
schenrechte auf einige höhere Tiere auszuweiten. 1994 hat er zusam-
men mit Paola Caviliere das so genannte ³Affenprojekt´ mit dem Ziel,
Schimpansen, Menschenaffen und Gorillas zu schützen, ins Leben ge-
rufen, allerdings mit dem (fragwürdigen) Argument, dass sie mit mehr
Recht zur Menschengattung gehören als etwa geistig behinderte oder
unter Demenz leidende Menschen.7
sie die Erlaubnis haben, das Haus des Menschen zu betreten, dass sie meist
auch einen individuellen Namen tragen und dass sie uns normalerweise nicht
als Nahrung dienen.
7
Die wissenschaftliche Forschung scheint mittlerweile in dieselbe Rich-
tung zu tendieren. In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 2003 kann man
nachlesen, dass Schimpanzen auch Menschen sind. So zumindest lautet dort
das Fazit von nordamerikanischen Wissenschaftlern, nachdem sie eine
Übereinstimmung von mehr als 99,4 % des genetisches Codes zwischen
Schimpansen und Menschen festgestellt haben (vgl. http://www.pnas.org/-
cgi/doi/10.1073/pnas.123217210). Dies müsste das Verbot zur Folge haben,
Schimpansen weiterhin für Versuchszwecke zu benutzen.
Das Schweigen der Tiere 373
vergesse, was ich sagen wollte ± da vergaß es aber auch schon diese
Antwort und schwieg: so daß der Mensch sich darob verwunderte.´8
Der gebrochene Blick auf die weidende Herde bringt uns dazu, al-
les in einer überraschend neuen und ungewöhnlichen Weise zu sehen.
Das Tier, das keine Vergangenheit und keine Zukunft hat, scheint in-
tensiver zu leben als der Mensch, der von der Last der Erinnerungen
und der Sorge um die Zukunft erdrückt wird. Um glücklich zu sein
und andere glücklich zu machen, müsste der Mensch also etwas von
dieser Tierweisheit zurückgewinnen. Nietzsche interpretiert das
Schweigen der Tiere also gerade in einer positiven Weise und macht
so die starre Grenze zwischen Mensch und Tier durchlässiger.
Ganz am Anfang seines Seminars zu Nietzsches II. Unzeitgemäßer
Betrachtung im Wintersemester 1939/40 bemerkt Heidegger, dass die
Frage nach der Grenzscheide zwischen Mensch und Tier eine ent-
scheidende Bedeutung für das ³Schicksal des geschichtlichen Abend-
landes, auch seiner Wissenschaften, auch seiner Weltanschauungen
und auch seines Kirchenglaubens´9 gewinnen wird. Aber im Gegen-
satz zu Nietzsche stellt Heidegger die Frage: Kann das Tier überhaupt
schweigen? Aus Sicht der Fundamentalontologie muss die Antwort
lauten: Nein. Denn Schweigen können nur Wesen, die auch die Fä-
higkeit des Sprechens besitzen. Das, was als Schweigen der Tiere be-
zeichnet wird, situiert sich nach Heidegger jenseits der Unterschei-
dung zwischen Sprechen und Schweigen und ist daher als eine
anthropomorphe Redeweise zu betrachten. Man könnte also sagen,
dass das Wesen der Tiere dem Schweigen entzogen ist. Tiere sind
nicht nur sprachlos, sie sind vor allem auch ³schweiglos´.
Heidegger sagt ferner: ³Nicht weil das Tier vergißt, sagt es nichts,
sondern weil es nichts sagen kann (Seinsbezug fehlt), muss es µver-
8
Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: KSA Bd. 1, 244.
9
Martin Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer
%HWUDFKWXQJ³9RP1XW]HQXQG1DFKWHLOGHU+LVWRULHIUGDV/HEHQ´, GA 46,
Frankfurt am Main 2003, 23.
Das Schweigen der Tiere 375
gessen¶.´10 Und das Tier kann auch nichts vergessen, weil es sich ja
auch an nichts erinnern kann. Daher ist es auch unangemessen, von
einem Vergessen bei Tieren zu reden. Tiere sind nicht nur erinne-
rungslos, sondern auch ohne Vergessen. Wenn wir Heideggers Ge-
danken weiterspinnen wollten, dann müssten wir also sagen, dass Tie-
re weder glücklich noch unglücklich sein können, weil Glück und
Unglück notwendig an die Sprachfähigkeit gebunden sind. Tiere sind
also jenseits von Glück und Unglück. Aus der Sicht der Fundamenta-
lontologie ist Nietzsches Auslegung des Schweigens der Tiere daher
falsch.
Die Auffassung, dass das Tier weder sprechen noch vergessen kann,
ist bei Heidegger streng mit dem Gedanken verbunden, dass das Tier
auch nicht sterben kann. In Sein und Zeit unterscheidet Heidegger ver-
schiedene Weisen des ³Endens´: das ³Verenden´ der Lebewesen, wel-
che den Tod nicht als Tod vermögen (Tiere, Pflanzen); das faktische
³Ableben´ der Menschen ± und darin die verschiedenen Weisen, das
Ende physiologischer Funktionen zu erleben; das ³Versterben´ der An-
deren (der Fremden, Bekannten, Angehörigen, usw.).11 Das Dasein ³ver-
endet´ nie, sagt Heidegger. ³Ver-enden´ klingt nach einer Pervertierung
des Endes, gleich als ob das Ende nicht als Ende aufgefasst werden
könnte. Das Dasein verendet nicht, weil es ein Seiendes ist, das ³den
Tod als Tod vermag´. Dieses ³Vermögen´ meint prinzipiell keinen Be-
sitz- oder Machtanspruch, sondern vielmehr ein ständiges, obwohl meist
unartikuliertes, Verhalten zum Tod. Das Tier hingegen kann nicht ster-
ben, weil es streng genommen nicht wirklich ³existiert´. Es fragt nicht,
es versteht nicht, es spricht nicht; es ³lebt´ nur, ohne um seinen Anfang
oder sein Ende zu wissen.
10
Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung,
GA 46, 247.
11
Vgl. Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 171993, § 47, 238 und §
49, 247.
376 Charles Feitosa
5. Schlussbemerkung
12
Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen 1959, 215.
13
Martin Heidegger, Hölderlins Hymnen ³Germanien´ und ³Der Rhein´,
GA 39, Frankfurt am Main 31999, 75.
Das Schweigen der Tiere 377
bracht hat. In erster Linie macht Derrida uns dabei aufmerksam, dass
imPHU GDQQ ZHQQ HLQ 3KLORVRSK ³7LHU´ VDJW HU ]XJOHLFK HLQH
³'XPPKHLW´IU]bête ± bêtise]XP$XVGUXFNEULQJW³/¶DQLPDOTXH
GRQFMHVXLV´³&KDTXHIRLVTXHµRQ¶GLWµ/¶$QLPDO¶FKDTXHIRLVTXH
OH SKLORVRSKH RX Q¶LPSRUWH TXL GLW DX VLQJXOLHU HW VDQV SOXs
µ/¶$QLPDO¶HQSUpWHQGDQWGpVLJQHUDLQVLWRXWYLYDQWTXLQHVHUDLWSDV
O¶KRPPH O¶KRPPH FRPPH µDQLPDO UDWLRQDOH¶ O¶KRPPH FRPPH DQi-
mal politique, comme animal parlant, zoon logon echonO¶KRPPHTXL
GLWµMH¶HWVHWLHQWSRXUOHVXMHWGHODSKUDVHTX¶LOSUofère alors au sujet
dudit animal, etc.) eh bien, chaque fois, le sujet de cette phrase, ce
µRQ¶FHµMH¶GLWXQHErWLVH´14
Mit Derrida könnte man also sagen, dass es zwischen dem Men-
schen und dem Tier keine einfache Grenze, sondern nur vielfältige
und heterogene Ränder gibt. Was hier auf den ersten Blick nur wie ei-
ne terminologische Spitzfindigkeit erscheint, ist aber vielmehr eine
schwierige philosophische Frage, denn sie betrifft das Problem der
universalisierenden Macht der Sprache, die über alle Singularitäten
hinwegsieht. Handelt es sich, so darf man fragen, nicht tatsächlich um
eine Arroganz des Menschen, wenn er die beeindruckende Vielfältig-
keit der lebendigen Wesen unter den vereinheitlichenden Name ³Tier´
klassifiziert ± und dabei z. B. den abgründigen Unterschied zwischen
Schimpansen und Termiten übersieht?
Derrida will keineswegs die Wesensdifferenz zwischen dem
Schweigen der Tiere und der Sprache der Menschen leugnen. Viel-
leicht ist diese Differenz ja in der Tat ebenso wichtig wie die Diffe-
renz zwischen den Lebewesen und den Dingen. Und dennoch beruht
sie für Derrida nicht auf einer starren und strengen Grenze. Denn auch
hier stellt sich wieder die Frage, ob dem Dasein als dem einzigen Sei-
enden, das den ³Tod als solchen´ erfahren kann, wirklich ein Vorrang
14
Jacques Derrida, ³L¶animal que donc je suis´; in: Cahier de l¶Herne
Jacques Derrida, Paris 2003, 282.
378 Charles Feitosa
15
Le passage des frontières ± Autour du travail de Jacques Derrida, Paris
1994, 323.
21. Traumatic Origins: History, Genealogy, and Violence in
Heidegger and Nietzsche
1. Introduction
1
Martin Heidegger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, Frankfurt am
Main 1996, 220.
2
Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Tübingen 41976; Intro-
duction to Metaphysics, trans. by Gregory Fried and Richard Polt, New
Haven 2000.
3
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 152. Compare the articles on
WKHSROLWLFDOFRQWH[WRI+HLGHJJHU¶VIntroduction to Metaphysics by Theodore
.LVLHO ³+HLGHJJHU¶V 3KLORVRSKLFDO *HRSROLWLFV LQ WKH 7KLUG 5HLFK´ )UDQN
6FKDOORZ³$WWKH&URVVURDGVRI)UHHGRP(WKLFVZLWKRXW9DOXHV´DQG+DQV
6OXJD ³µ&RQIOLFW LV WKH )DWKHU RI DOO 7KLQJV¶ +HLGHJJHU¶V 3ROHPLFDO &RQ-
FHSWLRQRI3ROLWLFV´); in: Richard Polt and Gregory Fried (eds.), +HLGHJJHU¶V
Introduction to Metaphysics, New Haven 2001.
380 Eric Sean Nelson
4
/HYLQDVFULWLFL]HG+HLGHJJHU¶VVHOI-interested heroic decisionism and his
SDVVLYH VXEPLVVLRQ WR DQ DQRQ\PRXV LQGLIIHUHQW ³%HLQJ´ WKDW UHIOHFWV D
totalitarian attitude (Tina Chanter, Time, Death, and the Feminine, Stanford
2001, 28). Habermas has proposed a developmental schema in which
Heidegger engaged in a heroic activist decisionism from Being and Time to
his National Socialist engagement and, due to the conflicts and failures that
this involved, thereafter turned to a passive resignation reflected in his
language of Gelassenheit +DEHUPDV ³+HLGHJJHU ± Werk und Weltan-
VFKDXXQJ´ LQ 9LFWRU )DULDV Heidegger und der Nationalsozialismus,
Frankfurt am Main 1989, 431- 7KLV FULWLFLVP RI +HLGHJJHU¶V ³KHURLF
YLULOLW\´ LV LURQLF JLYHQ WKDW 1DWLRQDO 6RFLDOLVW LGHRORJXHV DVVHUWHG WKDW
Heidegger fundamentally lacked it, since a philosophy concerned with angst,
care, and death could only be for the decadent and weak. Compare
+HLGHJJHU¶VUHVSRQVHWRWKLVLQ0DUWLQ+HLGHJJHU Die Metaphysik des
deutschen Idealismus. Zur erneuten Auslegung von Schelling: Philosophische
Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit
zusammenhängenden Gegenstände (1809), GA 49, Frankfurt am Main 1991,
31-33.
5
5REHUW %HUQDVFRQL ³/HYLQDV DQG WKH 6WUXJJOH IRU ([LVWHQFH´ LQ (ULF
Nelson, Kent Still and Antje Kapust (eds.), Addressing Levinas, Evanston
2005.
Traumatic Origins 381
suffering, and trauma of the other. John Caputo has also argued for the
deconstruction of the ³valorization of violence´ in Heidegger¶s Intro-
duction to Metaphysics and, elsewhere, against the moral and phe-
nomenological adequacy of Heidegger¶s understanding of pain.6
I will venture here that we need to reconsider the issue of violence
and ontology in Heidegger¶s Introduction to Metaphysics and other
works of the late 1930s, a period that marks the height of Heidegger¶s
confrontation with questions of violence. Heidegger¶s recognition of
violence in Introduction to Metaphysics calls for a more complicated
reading that clarifies his critique of violence and power in his recently
published works of the late 1930s. Rupture and trauma already occur
in the origins that Heidegger¶s approach intends to reopen. Instead of
celebrating the violence of being that Dasein encounters, Heidegger
elicits possibilities for responding to it. In the face of the overwhelm-
ing and uncanniness, Dasein is in each case forced to respond in one
way or another. This violence of being and history, or of nihilation in
general, calls forth a responsiveness to pain. It potentially brings forth
a response that would be constitutive of a different understanding of
being and the historical. For Heidegger, this different understanding
emerges from thinking ³the other beginning´ in contrast to the ³first
beginning´ that dominates Western metaphysics and history.
Heidegger¶s text would then be an attempt to recognize and respond to
violence and its trauma rather than provide an apologetic valorization
of violence that remains oblivious to its intrinsic pain.
6
-RKQ &DSXWR ³7KLQNLQJ 3RHWU\ DQG 3DLQ´ LQ: Southern Journal of
Philosophy 28 (1989), Spindel Conference Supplement, 155-181 and John
&DSXWR ³+HLGHJJHU¶V 5HYROXWLRQ $Q ,QWURGXFWLRQ WR An Introduction to
Metaphysics´ LQ -DPHV 5LVVHU HG Heidegger toward the Turn, Albany
1999.
382 Eric Sean Nelson
7
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 74.
8
6OXJD ³µ&RQIOLFW LV WKH )DWKHU RI DOO 7KLQJV¶ +HLGHJJHU¶V 3ROHPLFDO
&RQFHSWLRQRI3ROLWLFV´-16.
9
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 146.
10
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 28.
Traumatic Origins 383
11
Friedrich Nietzsche, Genealogy of Morals / Ecce Homo, trans. and edited
with commentary by Walter Kaufmann, New York 1969, I. 6.
12
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 47; Martin Heidegger, Die
Geschichte des Seyns, GA 69, Frankfurt am Main 1998, 8.
13
For example Heidegger, Die Geschichte des Seyns, GA 69, 19.
384 Eric Sean Nelson
14
Martin Heidegger, Metaphysik und Nihilismus, GA 67, Frankfurt am
Main 1999, 159.
15
Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus. Zur erneuten
Auslegung von Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen
der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände
(1809), GA 49, 122. $OVRFRPSDUH+HLGHJJHU¶VFRPPHQWVRQDVWDWHPHQWE\
Adolf Hitler in which he argued that justification is reduced to usefulness for
the collective (Martin Heidegger, Besinnung, GA 66, Frankfurt am Main
1997, 122-123).
16
Martin Heidegger, Grundbegriffe, GA 51, Frankfurt am Main 21991, 4-5;
Basic Concepts, trans. by Gary Aylesworth, Bloomington 1993, 4.
17
Heidegger, Metaphysik und Nihilismus, GA 67, 77.
Traumatic Origins 385
18
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 115.
19
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 114-16.
20
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 121f.
21
Martin Heidegger, Poetry, Language, Thought, trans. by A. Hofstadter,
New York 1971, 204.
22
Elaine Scarry, The Body in Pain, Oxford 1985.
386 Eric Sean Nelson
pen to a self that is one and the same before and after the traumatic
event, it opens up another world in which ³everything has changed.´
In this sense, Scarry¶s account of pain cannot be set in diametrical op-
position to Heidegger¶s as Caputo has suggested.23 Because origins
involve violence, they contain a trauma without recuperation. One can
only begin to see ³another beginning´ precisely by confronting the
³first beginning´ in its violence and trauma.
Nietzsche indicated in The Genealogy of Morality that the ascetic
priest and his heirs deal with violence and trauma by not responding.
The reified self does in fact begin as a response to trauma. Yet it is a
response that repeats, reinscribes, and intensifies trauma insofar as it
denies this world for an imaginary beyond devoid of conflict or one of
its modern consequences. Accordingly, the cure is worse than the dis-
ease24 and ³poisons the wound,´25 because this pain is cultivated into
revenge and resentment.26 Finally, for Nietzsche, nothing embodies
this intrigue and complicity of trauma and violence, of love and re-
venge, more than the ³gruesome paradox of a µgod on the cross,¶ that
mystery of an inconceivable, final, extreme cruelty and self-
FUXFLIL[LRQ>«@´27Cures and consolations that do not recognize trau-
ma as trauma, but justify and ³redeem´ the traumatic, such as Christi-
anity, remain intrinsically tied to the violence and trauma of their own
origins. Following Nietzsche¶s logic, the connection between the pas-
sion and anti-Semitism should not be surprising. Nietzsche¶s Geneal-
ogy of Morality can thus be read as a genealogy of traumatic origins.
It traces the transformations of trauma and pain at the heart of human
practices and institutions.
23
&DSXWR³7KLQNLQJ3RHWU\DQG3DLQ´Q
24
Nietzsche, Genealogy of Morals, I. 6.
25
Nietzsche, Genealogy of Morals, III. 15.
26
Nietzsche, Genealogy of Morals, I. 7 and III. 15.
27
Nietzsche, Genealogy of Morals, I. 8.
Traumatic Origins 387
28
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 135.
29
Claire P. Geiman provides an insightful account of the issues involved in
+HLGHJJHU¶V GLVFXVVLRQ RI 6RSKRFOHV LQ WKLV ZRUN &ODLUH 3 *HLPDQ
³+HLGHJJHU¶V$QWLJRQHV´LQ3ROWDQG)ULHGHGV+HLGHJJHU¶V,QWURGXFWLRQ
to Metaphysics 2Q +HLGHJJHU¶V UHSHDWHG HQFRXQWHUV ZLWK 6RSKRFOHV
also see Véronique Fóti, Heidegger and the Poets, Atlantic Highlands 1992.
388 Eric Sean Nelson
30
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 84.
Traumatic Origins 389
3. Conclusions
31
Compare the early use of this expression (Martin Heidegger, Phänomeno-
logische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenolo-
gische Forschung, GA 61, Frankfurt am Main 1985, 2) and the later use of it
in Wege zur Aussprache (Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens,
GA 13, Frankfurt am Main 1983, 15-21).
32
Gadamer suggested, for instance, that violence is not a consequence of
+HLGHJJHU¶V DFFRXQW RI XQGHUVWDQGLQJ EXW UDWKHU LV GXH WR +HLGHJJHU¶V
SUDFWLFH RI ³SURGXFWLYH PLVXVH´ DQG KLV ³ODFN RI KHUPHQHXWLFDO FRQ-
VFLRXVQHVV´ +DQV-Georg Gadamer, Truth and Method, New York 1989,
501).
33
)RU/HYLQDVDQLQWHUHVWLQEHLQJUHIOHFWVWKH³VXUYLYDOLQVWLQFW´DQGVHOI-
interest and being are at the root of violence (Emmanuel Levinas, Entre nous:
Thinking of the Other, trans. by M. B. Smith and B. Harshav, New York
;,,%HUQDVFRQLDUJXHVWKDW/HYLQDV¶FULWLTXHRI+HLGHJJHUUHVWVRQD
critique of the self-DVVHUWLRQ RI WKH ZLOO DQG HJR LQ WKH ³VWUXJJOH IRU
H[LVWHQFH´ Kampf ums Dasein %HUQDVFRQL ³/HYLQDV DQG WKH 6WUXJJOH IRU
([LVWHQFH´ /HYLQDV¶ FULWLFLsms presuppose an egoistic and biologistic
interpretation of Heidegger that this essay problematizes.
390 Eric Sean Nelson
34
Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, GA 13, 15-21.
35
Compare the discussion of the significance of hearing in Martin
Heidegger, Heraklit, GA 55, Frankfurt am Main 31994, 238-260.
36
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 99.
37
Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 95.
38
Compare Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 112.
V. Welt, Wahrheit, Sprache, Kunst
22. Horizontbildung und Weltbildung. Zur Mensch-Tier-
Differenz in Heideggers Grundbegriffe der Metaphysik-
Vorlesung
Ein Horizont ist zunächst die Grenze, die das Sichtfeld eines Betrach-
ters begrenzt.1 Wenn ein Horizont das Sichtfeld eines Betrachters um-
grenzt, dann verläuft er an den Rändern der Umgebung des Betrach-
ters und ist von seinem Standort abhängig.
Zum Beispiel kann eine Gebirgskette das Sichtfeld eines Betrach-
ters eingrenzen und ihm nur eine bestimmte Sichtweite erlauben. Als
eine solche optische Grenze ist der Horizont außerhalb eines Betrach-
ters angesiedelt und stellt die äußere Grenze der ihm sinnlich wahr-
nehmbaren Umgebung dar. Bereits in diesem Fall der optischen
Wahrnehmung ist die Weite des Horizontes jedoch nicht nur von der
Umgebung des Betrachters abhängig ± beispielsweise von der Land-
schaft, in der er sich befindet ±, sondern auch vom Betrachter selbst:
von seinem Standort und seinen Wahrnehmungsfähigkeiten.
Im Folgenden möchte ich zeigen, dass sich diese Beobachtung, die
man bereits an der optischen Horizontwahrnehmung machen kann, auf
die Gegebenheit eines metaphysischen Horizontes übertragen lässt.
Der Horizont, der ein Lebewesen umgibt, ist immer durch dessen Na-
tur oder, wie Martin Heidegger sagt: durch dessen ³Wesen´ bedingt.
Der Horizont des Tieres unterscheidet sich von dem des Menschen,
denn der Mensch verfügt über eine andere natürliche Ausstattung als
1
Diese Bedeutung des Begriffes ³Horizont´ ist etymologisch erklärbar.
Das deutsche Wort ³Horizont´ stammt vom griechischen Wort horizein, und
horizein heißt wörtlich: eine Grenze ziehen, umgrenzen. Vgl. Menge-
Güthling, Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch-Deutsch, Berlin
27
1991, 498.
394 Friederike Rese
das Tier. Diese andere natürliche Ausstattung ließe sich mit den Be-
griffen der µVernunft¶ und der µSprache¶ anzeigen. Aufgrund dieser
anderen natürlichen Ausstattung lebt der Mensch in einer Welt, das
Tier hingegen nur in einer Umgebung bzw. Umwelt. Martin Heideg-
ger hat diese Einsicht in seiner Vorlesung Grundbegriffe der Meta-
physik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit formuliert. Da Heideggers Aus-
führungen in der Grundbegriffe-Vorlesung seine Bemerkungen zur
Horizontbildung in seinem Nietzsche ergänzen, zu denen ihn wiede-
rum neben einer Lektüre von Nietzsches Aphorismen aus den Jahren
1884-1888 auch Nietzsches Zweite unzeitgemäße Betrachtung ange-
regt hat, werde ich zunächst einen Blick auf Nietzsches Zweite unzeit-
gemäße Betrachtung und Heideggers Nietzsche werfen, bevor ich den
zweiten Teil der Grundbegriffe-Vorlesung aufnehme, um Ähnlichkeit
und Verschiedenheit des menschlichen und des tierischen Horizontes
zu untersuchen.
1.
2
Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie; in: Kritische Studien-
ausgabe (= KSA), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/
New York 21988, Bd. 1, 51.
Horizontbildung und Weltbildung 395
sich ³GLH /LQLHQ >«@ >LKUHV@ +RUL]RQWHV LPPHU YRQ 1HXHP XQUXKLJ
verschieben´3 Anschließend verfeinert er diese Beschreibung. Je
nachdem, wie groß die ³plastische Kraft eines Menschen´4 d. h. das
Vermögen eines Menschen, ist, sich das Vergangene in der Gegenwart
schöpferisch anzueignen, kann sein historischer Horizont weiter oder
enger sein. Wenn er über eine höhere ³plastische Kraft´ verfügt, kann
er einen weiteren historischen Horizont haben, das heißt: mehr Erin-
nerung des Vergangenen zulassen; wenn er über weniger verfügt, ist
der historische Horizont notwendigerweise enger, denn ein Zuviel an
Erinnerung des Vergangenen würde die Lebendigkeit dieses Men-
schen in der Gegenwart beeinträchtigen. Die Bildung eines histori-
schen Horizontes ist also lebensnotwendig: Sie ist notwendig, um die
Lebendigkeit eines Menschen in der Gegenwart zu erhalten bzw. zu
steigern.
Diese Bedeutung, die die Bildung eines Horizontes für das
menschliche Leben hat, formuliert Nietzsche in der Zweiten unzeitge-
mäßen Betrachtung in einer Art von ³allgemeinem Gesetz´5 Es lautet:
³>«@ MHGHV /HEHQGLJH NDQQ QXU LQQHUKDOE HLQHV +RUL]RQWHV JHVXQG
stark und fruchtbar werden; ist es unvermögend einen Horizont um
sich zu ziehen und zu selbstisch wiederum, innerhalb eines fremden
den eigenen Blick einzuschliessen, so siecht es matt oder überhastig
zu zeitigem Untergange dahin.´6
Auch wenn diese Beobachtung von Nietzsche in der Zweiten un-
zeitgemäßen Betrachtung hauptsächlich auf das Verhältnis eines Men-
schen zur Geschichte bezogen wird, lässt sich ihr allgemeiner Sinn
doch folgendermaßen wiedergeben: Ohne einen Horizont, eine Um-
grenzung, würde sich ein Lebendiges in dem es Umgebenden verlie-
ren und könnte es nichts anstreben, was der eigenen Lebendigkeit zu-
3
Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: KSA Bd. 1, 252.
4
Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: KSA Bd. 1, 251.
5
Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: KSA Bd. 1, 251.
6
Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen; in: KSA Bd. 1, 251.
396 Friederike Rese
träglich wäre bzw. vermeiden, was ihr abträglich wäre. Die Bildung
eines Horizontes erlaubt es einem Lebewesen also, sich zu dem es
Umgebenden so zu verhalten, dass dieses seiner eigenen Lebendigkeit
zuträglich ist.
Martin Heidegger nimmt diesen Gedanken im erkenntnistheoreti-
schen Teil seines Nietzsche auf, gibt ihm jedoch eine solche Wen-
dung, dass die Verschiedenheit der Horizontbildung bei Mensch und
Tier untersucht werden kann. An der folgenden Textstelle aus Hei-
deggers Nietzsche zeichnet sich seine Umdeutung von Nietzsches
³allgemeinem Gesetz´ zur Horizontbildung am deutlichsten ab: ³Das
Eingrenzende heißt griechisch to horizon. Zum Wesen des Lebendi-
gen in seiner Lebendigkeit, zur Bestandsicherung [...] gehört ein Hori-
zont. Dieser ist demnach keine dem Lebendigen von außen her zufal-
lende Grenze, an der die Lebensbetätigung sich stößt und verkümmert.
Horizontbildung gehört zum inneren Wesen des Lebendigen selbst.´7
Heidegger erläutert die Bedeutung der Horizontbildung für das Le-
bendige ähnlich wie Nietzsche in der Zweiten unzeitgemäßen Betrach-
tung: Die Bildung eines Horizontes ist für alles Lebendige lebensnot-
wendig. Allerdings steht diese Aussage in Heideggers Nietzsche in
einem anderen, metaphysisch und ontologisch grundsätzlicheren Kon-
text als in Nietzsches Zweiter unzeitgemäßer Betrachtung. Den Rah-
men für diese Aussage bilden in Heideggers Nietzsche nämlich die
beiden Grundbegriffe der platonischen Ontologie: der des Seins und
der des Werdens. Im Rahmen dieser Begrifflichkeit interpretiert Hei-
degger den Horizont als ein Seiendes und Beständiges, das einem Le-
bewesen dabei hilft, seinen eigenen Bestand im ständigen Fluss des
Werdens zu sichern. Auch wenn die Bildung eines solchen seienden
und beständigen Horizontes der Veränderlichkeit und dem Wechsel
des Lebensflusses widerspricht, ist sie für die Erhaltung alles Leben-
7
Martin Heidegger, Nietzsche I, Stuttgart 61998, 516.
Horizontbildung und Weltbildung 397
8
Vgl. Heidegger, Nietzsche I, 514.
9
Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwerthung
aller Werthe, aus dem Nachlaß 1884-188; in: Nietzsches Werke, hrsg. von
Elisabeth Förster-Nietzsche, Bd. 9, Leipzig 1922.
10
Dieser Zusammenhang zwischen der ontologischen Beschaffenheit des
Erkenntnisgegenstandes und seiner begrifflichen Erfassung in der philosophi-
schen Untersuchung tritt am deutlichsten in Platons Darstellung seiner
Dialektik im Philebos hervor (vgl. 16c5-17a5).
398 Friederike Rese
Verfassung eines Gegenstandes fest und macht ihn auf diese Weise zu
etwas bestimmtem Seienden, das dann in der philosophischen Unter-
suchung erkannt und artikuliert werden kann. Bei Platon verläuft die
Grenze somit quer durch das Seiende selbst und bestimmt es in sei-
nem Sein. In der von Nietzsche und Heidegger untersuchten Hori-
zontbildung scheint die Grenze hingegen außerhalb eines Seienden zu
verlaufen: Als Horizont umgrenzt sie die Umgebung, die ein Seiendes
bzw. ein Lebewesen umgibt.
Heideggers Anliegen ist es nun zu zeigen, dass die Grenze, die ein
Lebewesen umgibt und seinen Horizont bildet, nur scheinbar außer-
halb dieses Lebewesens verläuft. Der Horizont ist keine ³dem Leben-
digen von außen her zufallende Grenze´11 sondern: ³Horizontbildung
gehört zum inneren Wesen des Lebendigen selbst.´12 Der Horizont
wird also von einem Lebewesen selbst gebildet, und zwar: seinem ei-
genen Wesen entsprechend, gebildet. Auf diese Weise liegt der Hori-
zont, der ein Lebewesen umgibt, in der Natur des Lebewesens selbst
begründet. Deshalb muss man sich mit der Natur der verschiedenen
Lebewesen auseinandersetzen, um zu verstehen, welche Art von Hori-
zont sie umgibt. Eben dies hat Heidegger in seiner Vorlesung Die
Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit vom
Wintersemester 1929/30 unternommen ± und eben deshalb kann diese
Vorlesung die Textgrundlage bilden, um das Verhältnis zwischen der
Natur eines Lebewesens und dem es umgebenden Horizont zu klären.
Vor allem der zweite Teil der Grundbegriffe-Vorlesung ist als Be-
zugstext geeignet. Denn dieser Teil der Grundbegriffe-Vorlesung ist
dem Begriff der Welt gewidmet und in ihm zeigt Heidegger, dass man
nur hinsichtlich des belebten Teils der Natur überhaupt von Welt
sprechen kann; der unbelebte Teil der Natur ist ³weltlos´. Seine drei
bekannten Thesen, die zugleich die Ausführungen des zweiten Teils
11
Heidegger, Nietzsche I, 516.
12
Heidegger, Nietzsche I, 516.
Horizontbildung und Weltbildung 399
2.
13
Martin Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-
Einsamkeit, GA 29/30, Frankfurt am Main 21992, 261.
14
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 369.
15
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 363.
16
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 371.
400 Friederike Rese
17
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 369-374.
18
=X+HLGHJJHUV'HILQLWLRQYRQ³%HQHKPHQ´XQG³9HUKDOWHQ´YJO+HLGHJ-
ger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 346.
19
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 370.
20
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 370.
Horizontbildung und Weltbildung 401
21
'LH%HJULIIHGHU³,QQHQZHOW´XQGGHU³8PZHOW´VWDPPHQYRQ-DNREYRQ
Uexküll, dessen Abhandlung Umwelt und Innenwelt der Tiere Heidegger
selbst zitiert, vgl. Jakob von Uexküll, Umwelt und Innenwelt der Tiere, 2.
vermehrte und verbesserte Auflage, Berlin 1921, und dazu Heidegger, Die
Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 365, 382-385. Der
(QWKHPPXQJVULQJ ZLUG YRQ +HLGHJJHU PLW GHU ³,QQHQZHOW´ VRZLH GHU
³8PZHOW´ HLQHV 7LHUHV LQ =XVDPPHQKDQJ JHEUDFKW YJO +HLGHJJHU Die
Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 383. Vergleicht man die anderen
Textstellen, an denen Heidegger den Begriff des Umrings bzw. des Enthem-
mungsrings verwendet, ist tatsächlich unklar, ob er diesen auf die innere
Ausstattung des Tieres bezieht (vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der
Metaphysik, GA 29/30, 371) oder ihn als eine Art Struktur begreift, die der
äußeren Umgebung des Tieres zugrundeliegt (vgl. Heidegger, Die
Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 401).
22
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 364.
23
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 363.
24
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 363.
402 Friederike Rese
25
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 401.
26
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 367-368.
27
Da der Stein überhaupt keinen Bezug zu dem ihn Umgebenden hat, kann
Heidegger vom Stein sagen, er sei weltlos, vom Tier hingegen, es sei weltarm
(vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 290-293).
28
Zum Unterschied zwischen Offenheit und Offenbarkeit vgl. Heidegger,
Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 389-392.
Horizontbildung und Weltbildung 403
29
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 391f.
30
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 412.
31
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 289-293,
389-392.
404 Friederike Rese
keit ist also die dem Menschen eigentümliche Weise des Zugangs zu
dem ihn Umgebenden beschrieben.
Wenn dem Menschen ein Seiendes in seinem Sein offenbar ist, so
ist die dem Menschen eigentümliche Zugangsweise zu seiner Umge-
bung aber durch die µetwas-als-etwas-Struktur¶ geprägt: Dem Men-
schen ist ein Seiendes als ein Seiendes offenbar; er kann etwas als et-
was begreifen. In der Grundbegriffe-Vorlesung versucht Heidegger
nun zu zeigen, dass das Begreifen von etwas als etwas zwar ein cha-
rakteristisches Merkmal des Aussagesatzes ist, es dem Aussagesatz
aber zugleich vorgängig ist. Dass ein Sprecher in einer Aussage etwas
als etwas aufzeigen kann, liege vielmehr darin begründet, dass dem
Sprecher etwas bereits vorsprachlich als etwas offenbar ist, er es be-
reits vorsprachlich als etwas vernommen hat. Für die vorsprachliche
Auffassungsgabe des Menschen verwendet Heidegger den Begriff des
Vernehmens. Heideggers These ist, dass man zur Einsicht in die vor-
sprachlichen Grundlagen des Aussagens nur auf dem Wege einer Ana-
lyse der Aussage vordringen kann. Deshalb setzt Heidegger sich in
seiner Grundbegriffe-Vorlesung mit Aristoteles¶ Analyse des Aussa-
gesatzes (logos apophantikos) in De interpretatione auseinander.32
Seine Intention bei der Aufnahme dieser Analyse besteht aber darin,
sie zu überwinden und auf ihre ursprünglichen Fundamente in der
vorsprachlichen Offenbarkeit des Seienden im Vernehmen zurückzu-
führen.
Um Heideggers Auseinandersetzung mit Aristoteles nachvollzie-
hen zu können, ist es notwendig, kurz auf den begriffsgeschichtlichen
Hintergrund des Begriffes der Offenbarkeit bei Aristoteles einzuge-
hen. Der Begriff der Offenbarkeit lässt sich nämlich auf den griechi-
schen Begriff des deloun zurückführen, welcher bedeutet: etwas als
32
Zur Erläuterung der etwas-als-etwas-Struktur im Rückgang auf Aristote-
OHV¶ $XVVDJHVDW] YJO )ULHGHULNH 5HVH Praxis und Logos bei Aristoteles.
+DQGOXQJ 9HUQXQIW XQG 5HGH LQ ³1LNRPDFKLVFKHU (WKLN´ ³5KHWRULN´ XQG
³3ROLWLN´, Tübingen 2003, 290-294.
Horizontbildung und Weltbildung 405
33
Menge-Güthling, Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch-Deutsch,
164.
34
Vgl. Aristoteles, De interpretatione 5, 17a15-16; Politika I 2, 1253a14f.
35
Vgl. Aristoteles, De interpretatione 4, 16b26-30 und 5, 17a17-19;
Politika I 2, 1253a10-15.
36
Zu einer Analyse dieses Unterschieds vgl. Rese, Praxis und Logos bei
Aristoteles, 267-279.
406 Friederike Rese
37
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 452.
38
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 456.
Horizontbildung und Weltbildung 407
zuordnen. Denn nur wenn es ein Vermögen gibt, dem das Seiende
vorsprachlich zugänglich ist, können Aussagen, logoi, als wahre oder
falsche bewertet werden. Um einschätzen zu können, ob eine Aussage
ein Seiendes in der ihm eigentümlichen Beschaffenheit aufzeigt und
damit wahr ist oder ob sie dieses nicht tut, ist ein vorsprachlicher Zu-
gang zur Beschaffenheit des Seienden als solchem erforderlich. Denn
ohne diesen vorsprachlichen Zugang zur Beschaffenheit des Seienden
als solchem ließe sich schwer verständlich machen, wie über die
Wahrheit oder die Falschheit einer Aussage entschieden werden kann.
± Platons Siebter Brief ist in der Einschätzung des Verhältnisses von
nous und logos etwas vorsichtiger. Jedoch auch hier wird deutlich,
dass die dem nous mögliche Einsicht etwas ist, was zwar in der Unter-
redung mit anderen, im dialegesthai, entspringen kann, die auf diese
Weise zustandegekommende Einsicht jedoch die Unterredung und
damit die Sphäre des logos transzendiert.39
Für die Vorrangigkeit des nous vor dem logos, des Vernehmens
vor der Artikulation des Vernommenen in der Aussage, sprechen also
gute Gründe. Heidegger hat seine Ansicht hinsichtlich der Bedeutung
des logos für die Offenbarkeit des Seienden als solchen dennoch
schon 1931, also zwei Jahre nach der Grundbegriffe-Vorlesung, ge-
ändert. So lesen wir in Heideggers Vorlesung zu Aristoteles, Metaphy-
sik Ȁ 1-3, Von Wesen und Wirklichkeit der Kraft aus dem Sommer-
semester 1931: ³Der Mensch ist zoon logon echon, das Lebende, das
so lebt, daß sein Leben als Weise zu sein ursprünglich bestimmt ist
durch das Verfügen über die Sprache. [...] Sprache dabei freilich nicht
lediglich als Mittel des Aussagens und Mitteilens [verstanden], was
sie zwar auch ist, sondern Sprache als dasjenige, worin die Offenbar-
keit und Kundschaft der Welt überhaupt aufbricht und ist.´40
39
Vgl. Platon, Siebenter Brief 341c4-d2; 342e1-343a4.
40
Martin Heidegger, Aristoteles. Metaphysik 4 1-3. Von Wesen und Wirk-
lichkeit der Kraft, GA 33, Frankfurt am Main 21990, 128. Dass Heidegger
408 Friederike Rese
3.
Anstatt die Frage nach dem Vorrang des nous oder des logos hinsicht-
lich der Erschlossenheit von Welt hier entscheiden zu wollen, möchte
ich in diesem Schlussabschnitt vielmehr auf eine grundsätzliche Be-
obachtung Heideggers zu sprechen kommen. Sie betrifft das Verhält-
nis des menschlichen bzw. des tierischen Wesens zu dem es umge-
benden Horizont. So weist Heidegger in seinem Nietzsche-Buch
darauf hin, leben sei ³leiben´,42 das heißt: einen Leib haben und ver-
mittels dieses Leibes in eine Ganzheit eingelassen sein, die die Gren-
zen des Körpers noch übergreift und wesentlich zu einem Lebewesen
dazugehört. In den Seminarberichten zu Heideggers Seminar zur
Zweiten unzeitgemäßen Betrachtung ist dieses Verhältnis eines Lebe-
wesens zu dem es Umgebenden noch einmal deutlicher formuliert:
³Wir müssen also, um das Verhältnis des Tieres zum Raum anzuge-
ben, eine doppelte Grenze ziehen: Die erste ist durch den Umriß des
Leibkörpers gegeben, die zweite Grenze ist der Bereich des Umfelds,
auf das sich der Leib durch den Umriß hindurch bezieht.´43
Auch wenn Heidegger hier nur vom Verhältnis des Tieres zu dem
es Umgebenden spricht, ist die hier gegebene Beschreibung doch von
grundsätzlicherer Bedeutung. Denn aus ihr geht hervor, dass das ³Um-
feld´, das ein Lebewesen umgibt, durch den Leib dieses Lebewesens
bedingt ist und notwendig zu seinem Leib dazugehört. Der Leib ist
keine µVerkapselung¶ des Lebewesens in einen Körper, sondern der
Leib ist ³Durchlaß und Durchgang zugleich´44 Der Leib des Lebewe-
sens ist offen für das ihn Umgebende. Er ist das Medium, durch das
hindurch ein Lebewesen in eine den Leib übergreifende Ganzheit ein-
42
Vgl. Heidegger, Nietzsche I, 509.
43
Seminarbericht vom 28. und 29. November 1938 von Wolf Lohrer,
abgedruckt in: Martin Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeit-
gemäßer Betrachtung, GA 47, Frankfurt am Main 1989, 271.
44
Heidegger, Nietzsche I, 509.
410 Friederike Rese
gebunden ist, eine Ganzheit, die jeweils typisch für eine bestimmte
Art von Lebewesen ist.
Eben dieser Gedanke lässt Heidegger in seiner Grundbegriffe-
Vorlesung nach einer radikaleren Interpretation des Organismus-
Begriffes fordern. Die Ganzheit des Organismus ist demnach nicht
³durch die Leibesganzheit des Tieres erschöpft´, sondern ³die Leibes-
ganzheit [wird] erst selbst auf dem Grunde der ursprünglichen Ganz-
heit verstanden [...], deren Grenze das ist, was wir den Enthemmungs-
ring nannten´45 Der Leib ist also nicht mit dem Körper eines
Lebewesens identisch, sondern er schließt die Fähigkeiten und Be-
dürfnisse eines Lebewesens ein, die das Lebewesen jeweils auf eine
für es spezifische Umgebung hin öffnen. Aufgrund von seiner natürli-
chen Ausstattung mit bestimmten Fähigkeiten und Bedürfnissen lebt
das Tier in einer Umgebung, die ihm aber nicht als solche zugänglich
ist. Deshalb ist es ³weltarm´. Aufgrund von einer anderen natürlichen
Ausstattung mit bestimmten Fähigkeiten und Bedürfnissen ist dem
Menschen seine Umgebung hingegen als eine solche zugänglich; sie
ist ihm offenbar. Deshalb lebt der Mensch in einer Welt.
Diese Beschreibung des Verhältnisses von Leib und Umgebendem
bzw. Leib und Welt erinnert jedoch an neuere Beschreibungen ihres
Verhältnisses, wie sie in der französischen Phänomenologie zum Bei-
spiel in Maurice Merleau-Pontys Phänomenologie der Wahrnehmung
und Das Sichtbare und das Unsichtbare gegeben werden. Der Leib
wird hier zum Gesichtspunkt der Welt: Er ist das, was das Lebewesen
auf eine je spezifische Weise auf das es Umgebende hin öffnet. Je-
doch stellt sich angesichts dieser Beschreibung die Frage, ob das Um-
gegebene damit seinerseits zum Leib des Lebewesen gehört, oder an-
ders gesagt: ob damit eine Kontinuität zwischen dem Leib eines
Lebewesens und seiner Umgebung angenommen wird. Maurice Mer-
leau-Ponty hat sich für eine solche Kontinuität zwischen dem Leib
45
Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 383.
Horizontbildung und Weltbildung 411
und dem ihn Umgebenden ausgesprochen und dafür den Begriff des
³Fleisches´ geprägt.46 Dieser Begriff meint bei Merleau-Ponty nicht
nur den Leib, sondern zugleich das, was den Leib umgibt und von ihm
wahrgenommen werden kann.
Um das Verhältnis zwischen Leib und Umgebendem bei Merleau-
Ponty zu verstehen, muss man sich seine chiastische Deutung des Lei-
bes vergegenwärtigen: Im Leib überkreuzen sich für Merleau-Ponty
Berühren und Berührtwerden.47 Der Leib kann die Dinge immer so-
wohl berühren als auch von ihnen berührt werden. Diese im Leib vor-
findliche Überkreuzung nennt Merleau-Ponty einen Chiasmus.48 Auf-
grund dieses Chiasmus ist das den Leib Umgebende immer zugleich
ein dem Leib Fremdes ± ihn Berührendes ± als auch ein zum Leib Ge-
höriges ± von ihm Berührtes. Die Welt wird zwar im und durch den
Leib erschlossen und ist als Berührte immer auf den Leib bezogen. Sie
geht aber nicht im Leib auf, sondern behält als Berührende immer ihre
eigene, vom Leib getrennte Existenz. Auf diese Weise ist die Verfas-
sung der Welt zugleich durch den Leib bedingt und von ihm unabhän-
gig.
Um nun aber die Kontinuität der Wirklichkeit zu bezeichnen, die
sowohl eine leiblich erfahrbare ist, wie auch immer eine jenseits des
Leibs bleibt, prägt Merleau-Ponty den Begriff des Fleisches: ³Es [das
Fleisch] ist das Einrollen des Sichtbaren in den sehenden Leib, des
Berührbaren in den berührenden Leib, das sich vor allem dann be-
zeugt, wenn der Leib sich selbst sieht und sich berührt, während er ge-
rade dabei ist, die Dinge zu sehen und zu berühren, so dass er gleich-
zeitig als berührbarer zu ihnen hinabsteigt und sie als berührender alle
beherrscht und diesen Bezug wie auch jenen Doppelbezug durch Auf-
46
Vgl. Maurice Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, hrsg.
von Claude Lefort, übers. von Bernhard Waldenfels und Regula Giuliani,
München 1986, 172-203, bes. 183-185, 191-195.
47
Vgl. Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, 175-177.
48
Vgl. Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, 172.
412 Friederike Rese
klaffen und Spaltung seiner eigenen Masse aus sich selbst hervor-
holt.´49 Das Verhältnis von Leib und Welt wird von Merleau-Ponty
also als eine wechselseitige Verflechtung gedeutet.
Heidegger betrachtet den Leib hingegen eher als eine Vorausset-
zung für ein bestimmtes Weltverhältnis denn als etwas, das sich in ei-
ner wechselseitigen Verflochtenheit mit der Welt befindet. Denn für
Heidegger ist mit dem Leib der innere ³Umriß´50 gemeint, der ein Le-
bewesen dazu befähigt, in ein bestimmtes Verhältnis zu dem es Um-
gebenden zu treten. Diesen ³Umriß´erläutert Heidegger als eine Art
innerer Grenze, von der es abhängt, welche äußere Grenze, welcher
Horizont ein Lebewesen umgibt, das heißt: in welcher Art von Umge-
bung es lebt.51 Diese innere Grenze ist durch die Fähigkeiten und Be-
dürfnisse eines Lebewesens bezeichnet. Die für ein Lebewesen typi-
schen Fähigkeiten und Bedürfnisse machen für Heidegger aber
zugleich das Wesen eines Lebewesens aus. Der Begriff des Leibes
nimmt bei Heidegger also die Stelle ein, die zuvor der Begriff des
Wesens innegehabt hatte. Wenn Heidegger den Begriff des Wesens
durch den Begriff des Leibes ersetzt, meint er damit jedoch weiterhin
die natürliche Ausstattung eines Lebewesens mit bestimmten Fähig-
keiten und Bedürfnissen, die diesem Lebewesen ein bestimmte Weise
des Zugangs zu dem es Umgebenden erlaubt. Der Zugang eines Le-
bewesens zu dem es Umgebenden ist bei Heidegger also immer durch
den Leib bzw. das Wesen eines Lebewesens bedingt.
Im Unterschied zu Merleau-Ponty hebt Heidegger hervor, dass sich
die µWelten¶, in denen der Mensch und das Tier leben, aufgrund der
Verschiedenheit des Wesens von Mensch und Tier grundsätzlich von-
einander unterscheiden. Um die Verschiedenheit dieser µWelten¶ und
damit der Horizonte, die das Umfeld des Tieres und des Menschen
49
Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, 191.
50
Vgl. Anm. 43.
51
Vgl. Anm. 43 sowie das oben angegebene Zitat.
Horizontbildung und Weltbildung 413
dete Welt nicht unveränderlich ist: ³Der Horizont, der Umkreis des
Beständigen, das den Menschen umsteht, ist keine Wand, die den
Menschen abriegelt, sondern der Horizont ist durchscheinend, er weist
als solcher hinaus auf das Nicht-Festgemachte, Werdende und Wer-
denkönnende, auf das Mögliche.´52
Die Welt des Menschen ist also vom Möglichsein geprägt. Sie
kann immer auch anders sein. Dass sie dies kann, meint Heidegger in
seiner Grundbegriffe-Vorlesung auf eine ursprüngliche Freiheit des
Menschen zurückführen zu können, die vorsprachlich gegeben sein
soll.53 In seiner Vorlesung zu Aristoteles. Metaphysik Ȁ 1-3. Von We-
sen und Wirklichkeit der Kraft schreibt er den Möglichkeitscharakter
der Welt hingegen der Tatsache zu, dass der Mensch Sprache hat und
dass ihm als einem Wesen, das den logos hat, eine besondere Art von
Möglichkeit zueigen ist, die weder das Tier noch das Unbelebte ken-
nen: Die Sprache befähigt ihn dazu, das ihm Begegnende zu unter-
gliedern und sowohl etwas wie auch das diesem Entgegengesetzte an-
streben zu können. Deshalb hat der Mensch die Freiheit, wählen zu
können, und die Welt, in der er lebt, in seinem Verstehen immer neu
entwerfen zu können.54 Auch wenn es sich hier nicht entscheiden lässt,
ob die Freiheit des Menschen auf einem ursprünglichen Vernehmen
des Umgebenden durch die Vernunft oder auf der Sprache beruht, hat
sich doch gezeigt: Der Mensch lebt in einer von ihm gebildeten und
stets veränderlichen Welt, da er ein Lebewesen ist, das Vernunft und
Sprache hat. Als ein Lebewesen, das über eine andere natürliche Aus-
stattung verfügt, lebt das Tier in einer anderen Art von µWelt¶. Die
52
Heidegger, Nietzsche I, 517.
53
Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 492.
54
Diesen Gedanken hat Martin Heidegger bereits in Sein und Zeit geäußert,
obwohl die Bedeutung der Sprache dort anders eingeschätzt wird, vgl. Martin
Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 171993, § 31 und § 34, 142-148, 160-166.
Zur Entwicklung eines Begriffs der Freiheit im Anschluss an Sein und Zeit
vgl. Günter Figal, Martin Heidegger. Phänomenologie der Freiheit, Wein-
heim 32000.
Horizontbildung und Weltbildung 415
Verschiedenheit der beiden Horizonte, die die Welt des Menschen und
die µWelt¶ des Tieres begrenzen, liegt auf diese Weise im Wesen des
Menschen und im Wesen des Tieres begründet.
23. Heidegger and Nietzsche on the End of Art
1
0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH 2ULJLQ RI WKH :RUN RI $UW´ LQ Off the Beaten
Track, trans. by Julian Young and Kenneth Haynes, Cambridge 2002, 50-52.
2
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Aesthetics. Lectures on Fine Art, Vol. I,
trans. by T. M. Knox, Oxford 1975, 103.
418 Robert Sinnerbrink
sections of the Der Wille zur Macht als Kunst lectures, entitled ³Die
fünf Sätze über die Kunst´ and ³Sechs Grundtatsachen aus der Ge-
schichte der Ästhetik´ respectively.3 Here I wish to highlight
Heidegger¶s emphasis on the Nietzschean thesis on art as a counter-
movement to nihilism, and his simultaneous endorsement of the Hege-
lian thesis concerning the end of art in modernity.
The section ³Die fünf Sätze über die Kunst´ attempts to present
Nietzsche¶s ³total conception of the essence of art.´4 It is clear that
Heidegger is concerned with the metaphysical character of Nie-
tzsche¶s thinking on art as an expression of will to power, which is far
removed from a traditional or Kantian approach to aesthetics. As
Heidegger observes, Nietzsche¶s ³active´ aesthetics begins with the
phenomenon of the artist, the one who brings forth beings through ar-
tistic creation, for the artist¶s bringing-forth belongs to a mode of life
[Leben] that is itself a manifestation of Being [Sein], understood as
Wille zur Macht.5 Contra Kantian aesthetics, Nietzsche creates an ex-
panded conception of the artwork, encompassing cultural production,
the creation of moralities, as well as social and political institutions.
As Nietzsche remarks in a famous note: ³Das Kunstwerk, wo es ohne
Künstler erscheint, z. B. als Leib, als Organisation (preußisches Offi-
zierkorps, Jesuitenorden). Inwiefern der Künstler nur eine Vorstufe
ist. Die Welt als ein sich selbst gebärendes Kunstwerk.´6
For Heidegger, this expanded Nietzschean concept of the artist
makes art ³das Grundgeschehen alles Seienden,´ where ³Seiende´ are
understood as self-creating, or created, ³ein Sichschaffendes, Geschaf-
fenes.´7 Art is grasped by Nietzsche as the creative [das Schaffende] in
the broadest sense, going beyond the ³fine arts´ to include political
3
Martin Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen 1961, 56-74 and 74-91.
4
Heidegger, Nietzsche I, 66.
5
Heidegger, Nietzsche I, 66.
6
Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 796.
7
Heidegger, Nietzsche I, 69.
Heidegger and Nietzsche on the End of Art 419
bodies, religious orders, and so on. Art thus becomes the principle of a
new mode of valuation [Wertsetzung] of das Seiende, one that sup-
plants previous forms of valuation such as religion, morality, and phi-
losophy.
Heidegger draws attention here to the metaphysical background
and significance of Nietzsche¶s account of art, all with the aim of pre-
senting the Nietzschean conception of art as will to power as a final
stage in the modern metaphysics of the subject. According to
Heidegger, the system of Christian morality and Platonic metaphysics,
which served as the previous principle of valuation, rested on a fun-
damental interpretation of the meaninglessness of the sensuous world.
According to this ³two-world´PHWDSK\VLFDOVFKHPDKHVWDWHV³Diese
Welt taugt nichts, es muß eine µbessere¶ Welt sein als diese in die
Sinnlichkeit verstrickte, es muß eine µZahre Welt¶ darüber geben, das
Übersinnliche. Die Sinnenwelt ist nur eine scheinbare Welt.´8
The metaphysical schema of sensuous and supersensuous world
devalues our human world of sensuous experience in the name of a
transcendent source of value and truth (God). Nietzsche, however,
famously reverses the Platonic schema, denouncing the Platonic su-
persensuous world, the source of true morality, as a lie, an error, and
elevating the sensuous world²for Plato the world of semblance and
error²to the status of the true world. In this way, Nietzsche decisive-
ly reverses the Platonic devaluation of art and sensuous experience,
transforming art, which finds its element in the sensuous, into a new
principle of the revaluation of life. Hence we arrive at the fourth
statement on Nietzsche¶s philosophy of art.
8
Heidegger, Nietzsche I, 70.
420 Robert Sinnerbrink
9
Heidegger, Nietzsche I, 71.
10
Heidegger, Nietzsche I, 71.
11
Heidegger, Nietzsche I, 73.
12
Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 822.
Heidegger and Nietzsche on the End of Art 421
13
Nietzsche, Der Wille zur Macht, n. 808.
14
Heidegger, Nietzsche I, 75.
422 Robert Sinnerbrink
15
Heidegger, Nietzsche I, 78.
Heidegger and Nietzsche on the End of Art 423
16
Heidegger, Nietzsche I, 81.
17
Heidegger, Nietzsche I, 82.
18
Heidegger, Nietzsche I, 83.
424 Robert Sinnerbrink
Vollendung der Ästhetik hat darin ihre Größe, daß sie dieses Ende der
großen Kunst als solches erkennt und ausspricht.´19
Heidegger cites various statements of Hegel concerning the end of
art, including the famous remark: ³In allen diesen Beziehungen ist und
bleibt die Kunst nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein
Vergangenes.´20 What is striking is that Heidegger seemingly endors-
es Hegel¶s thesis on the end of art. The fact that art has continued
since Hegel¶s day, having become the elite province of an expert au-
dience, is no refutation of the end of art thesis. On the contrary, this
provides proof of Hegel¶s claim ³daß die Kunst die Macht zum Abso-
luten, ihre absolute Macht verloren hat.´21 The confirmation of He-
gel¶s thesis, which Heidegger underwrites, ushers in the fifth
Grundtatsache in Heidegger¶s narrative of the fate of art in modernity.
This event is the artistic reaction to the Hegelian diagnosis of the
end of art that becomes manifest in the Wagnerian Gesamtkunstwerk.
Indeed, romantic decadence is another symptom confirming Hegel¶s
thesis on the end of great art. The romantic celebration of pure feeling,
exemplifed in Wagner¶s music, results in art¶s utter subjectivisation:
³das selige Grauen des Hinschmelzens im Genuß, das Aufgehen im
µbodenlosen Meer der Harmonien¶, das Untertauchen im Rausch, die
Auflösung im reinen Gefühl als Erlösung.´22 This rhapsodic critique
can be summed up in a word: art becomes Erlebnis. Wagner¶s ex-
treme subjectivisation of the artwork, coupled with a romanticist
privileging of music, results in a ³barbarous´ conception of the art-
work as Erlebniserreger.23
This aestheticisation and subjectivisation of the artwork are a reac-
tion to the withering of knowledge and tradition in the nihilism of
19
Heidegger, Nietzsche I, 83.
20
Heidegger, Nietzsche I, 83.
21
Heidegger, Nietzsche I, 83.
22
Heidegger, Nietzsche I, 85.
23
Heidegger, Nietzsche I, 85.
Heidegger and Nietzsche on the End of Art 425
24
Heidegger, Nietzsche I, 87.
25
Heidegger, Nietzsche I, 90.
26
Heidegger, Nietzsche I, 90.
426 Robert Sinnerbrink
27
Heidegger, Nietzsche I, 91.
28
-DFTXHV7DPLQLDX[³2Q+HLGHJJHU¶V,QWHUSUHWDWLRQRIWKH:LOOWR3RZHU
DV$UW´LQNew Nietzsche Studies 3:1/2 (1999), 13.
29
6HH %DEHWWH ( %DELFK ³+HLGHJJHU¶V 5HODWLRQ WR 1LHW]VFKH¶V 7KLQNLQJ
2Q &RQQLYDQFH 1LKLOLVP DQG 9DOXH´ LQ New Nietzsche Studies, 3:1/2
(1999), 23-52.
30
7DPLQLDX[ ³2Q +HLGHJJHU¶V ,QWHUSUHWDWLRQ RI WKH :LOO WR 3RZHU DV
$UW´ 15.
31
6HH%DELFK³+HLGHJJHU¶V5HODWLRQWR1LHW]VFKH¶V7KLQNLQJ´
32
7DPLQLDX[ ³2Q +HLGHJJHU¶V ,QWHUSUHWDWLRQ RI WKH :LOO WR 3RZHU DV
$UW´ 14.
Heidegger and Nietzsche on the End of Art 427
33
Heidegger, Nietzsche I, 91.
34
6HH IRU H[DPSOH +HLGHJJHU¶V UHPDUN WKDW PRGHUQ DUW ZRUNV DUH ³WKH
428 Robert Sinnerbrink
1
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQ Nietzsche i, trans. by
David F. Krell, New York 1979,74.
2
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH2ULJLQRIWKH:RNRI$UW´LQPoetry, Language,
Thought, trans. by Albert Hofstadter, New York 1971, 17-87, 45.
430 Robert Switzer
3
+HLGHJJHU ³7KH 2ULJLQ RI WKH :RUN RI $UW´ LQ Poetry, Language,
Thought, 48.
4
+HLGHJJHU ³7KH 2ULJLQ RI WKH :RUN RI $UW´ LQ Poetry, Language,
Thought, 72.
5
+HLGHJJHU ³7KH 2ULJLQ RI WKH :RUN RI $UW´ LQ Poetry, Language,
Thought, 75.
³Raging Discordance´ 431
6
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 93.
7
0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH :LOO WR 3RZHU DV .QRZOHGJH DQG DV 0HWD-
SK\VLFV´ WUDQV E\ -RKQ 6WDPEDXJK 'DYLG ) .UHOO DQG )UDQN $ &DSX]]L
in: Nietzsche iii, San Francisco 1987, 149.
8
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV.QRZOHGJH´LQNietzsche iii, 176.
9
0DUWLQ+HLGHJJHU³(XURSHDQ1LKLOLVP´WUDQVE\)UDQN$&DSX]]L in:
Nietzsche iv, San Francisco 1982, 107.
10
+HLGHJJHU³(XURSHDQ1LKLOLVP´LQNietzsche iv, 100.
11
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 214.
432 Robert Switzer
12
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 215.
13
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 217.
14
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPHDQGWKH:LOOWR
3RZHU´LQNietzsche iii, 179.
15
Friedrich Nietzsche, Beyond Good and Evil; in: The Basic Writings of
Nietzsche, ed. and trans. by Walter Kaufmann, New York 1968, 181-435, §
55.
³Raging Discordance´ 433
³ZKDWHYHULVFRPIRUWLQJ>«@DOOKRSHDOOIDLWKLQKLGGHQKDUPRQ\LQ
future blisses and justices.´ Indeed, here one must sacrifice even ³God
himself.´16 That is, the very idea of an ultimate goal or telos, of home-
coming and final concord, must be abandoned²as Nietzsche also as-
serts in a series of notes, focusing on the Eternal Return, written in
1887 under the heading ³European Nihilism,´ and included in The
Will to Power: ³We deny end goals: if existence had one, it would
KDYHWRKDYHEHHQUHDFKHG>«@'RHVPRUDOLW\PDNHLPSRVVLEOHWKLV
pantheistic affirmation of all things? At bottom, it is only the moral
God that has been overcome. Does it make sense to conceive a God
³beyond good and evil´? ³Would a pantheism in this sense be possi-
ble? Can we remove the idea of a goal from the process and then af-
firm the process in spite of this?²This would be the case if something
were attained at every moment within this process²and always the
same. Spinoza reached such an affirmative position in so far as every
moment has a logical necessity, and with his basic instinct, which was
logical, he felt a sense of triumph that the world should be constituted
that way.´17
This passage is striking not only for its adumbration of a Nie-
tzschean pantheism, but for the suggestion that it is ³only a moral
God´ who has died. In his early lectures on Nietzsche, Heidegger sees
the latter explicitly: ³The God who is viewed in terms of morality, this
God alone is meant when Nietzsche says µGod is dead¶.´ Nietzsche,
Heidegger continues, is thus not one of those ³supercilious atheists
who deny God when they fail to find him in their reagent glass´18²or,
we might add, by the light of their ³lanterns.´ Heidegger also address-
es Nietzsche¶s pantheism; citing the passage that asks, ³Are world and
16
Nietzsche, Beyond Good and Evil, § 56.
17
Friedrich Nietzsche, The Will to Power, trans. by Walter Kaufmann and
R. J. Hollingdale, New York 1967, § 55.
18
0DUWLQ+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPH´WUDQVE\'DYLG
F. Krell; in: Nietzsche ii, New York 1988, 66.
434 Robert Switzer
19
Nietzsche, Beyond Good and Evil, § 150.
20
+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPH´LQNietzsche ii, 68.
21
+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPH´LQNietzsche ii, 95.
22
0DUWLQ +HLGHJJHU ³7KH :RUG RI 1LHW]VFKH µGod is Dead¶³; in: The
Question Concerning Technology and Other Essays, trans. by William
Lovitt, New York 1977, 53-112, 107.
23
Friedrich Nietzsche, The Gay Science, trans. by W. Kaufmann, New York
1974, § 125.
24
Nietzsche, The Will to Power, § 577.
³Raging Discordance´ 435
25
+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPH´LQNietzsche ii, 59.
26
Benedict Spinoza, $6SLQR]D5HDGHU7KH³(WKLFV´DQG2WKHU:RUNV, ed.
and trans. by Edwin Curley, Princeton 1994, 113f.
436 Robert Switzer
27
Nietzsche, Beyond Good and Evil, § 5.
28
Nietzsche, The Gay Science, § 372.
29
Nietzsche, The Gay Science, § 60; cf. Jacques Derrida, 6SXUV1LHW]VFKH¶V
Styles, trans. by Barbara Harlow, Chicago 1978.
30
Friedrich Nietzsche, Daybreak: Thoughts on the Prejudices of Morality,
trans. by R. J. Hollingdale, introduction by Michael Tanner, Cambridge
1982, 170.
31
Heraclitus, fragment 45. Cf. Plato, Symposion 187a.
438 Robert Switzer
32
Nietzsche, The Gay Science, § 107.
³Raging Discordance´ 439
33
Friedrich Nietzsche, Twilight of the Idols; in: The Portable Nietzsche, ed.
and trans. by W. Kaufmann, New York 1954, 463-563, 3, § 6.
34
Nietzsche, The Gay Science, § 290.
35
Friedrich Nietzsche, Ecce Homo; in: The Basic Writings of Nietzsche, ed.
and trans. by W. Kaufmann, New York 1968, 657-800, 3, § 3.
36
+HLGHJJHU³7KH:LOOWR3RZHUDV$UW´LQNietzsche i, 218.
37
Nietzsche, Beyond Good and Evil, § 225.
440 Robert Switzer
38
+HLGHJJHU ³7KH 2ULJLQ RI WKH :RUN RI $UW´ LQ Poetry, Language,
Thought, 204.
39
+HLGHJJHU³7KH(WHUQDO5HFXUUHQFHRIWKH6DPHDQGWKH:LOOWR3RZHU´
in: Nietzsche ii, 183.
25. On Truth as Justice
1.
1
Martin +HLGHJJHU³'HU:LOOH]XU0DFKWDOV(UNHQQWQLV´LQNietzsche I,
Stuttgart 61998; Nietzsche I, GA 6.1, Frankfurt am Main 1996, 570-³7KH
:LOOWR3RZHUDV.QRZOHGJH´WUDQVE\-RKQ6WDPEDXJK'DYLG).UHOODQG
Frank A. Capuzzi; in: Nietzsche iii, San Francisco 1987, 137-138; cf.
Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47, Frankfurt am
Main 1989, §21, 246.
442 Nancy A. Weston
2.
2
See Heidegger, Nietzsche I, GA 6.1, 576; Nietzsche iii, 142; cf. Nietzsches
Lehre vom Wille zur Macht als Erkenntnis, GA 47, 253. Heidegger here
quotes and eludicates a note by Nietzsche, Fragment W I 1 [484], Großoktav-
ausgabe XIII, no. 98, 41f., that appears in Friedrich Nietzsche, Kritische
Gesamtausgabe (Berlin: Walter de Gruyter, 1967ff.), Nachlaß 1884-1885,
Bd. 11, 140-4 ³Gerechtigkeit als bauende, ausscheidende, vernichtende
444 Nancy A. Weston
3.
4.
4
See footnote 2, supra.
5
0DUWLQ +HLGHJJHU ³'HU HXURSlLVFKH 1LKLOLVPXV´ LQ Nietzsche II, GA
³(XURSHDQ 1LKLOLVP´ WUDQV E\ )UDQN $ &DSX]]L LQ Nietzsche iv,
446 Nancy A. Weston
San Francisco 1982, 14; cf. Nietzsche. Der europäische Nihilismus, GA 48,
Frankfurt am Main 1986, 23-27, 38-39. Heidegger here quotes and eludicates
a note by Nietzsche, W II 1 [35], that appears, in part, as section 2 of Der
Wille zur Macht³:DVEHGHXWHW1LKLOLVPXV"± Daß die obersten Werte sich
entwerten. Es fehlt das ZieOHVIHKOWGLH$QWZRUWDXIGDVµ:DUXP"¶³
6
Heidegger, Nietzsche I, GA 6.1, 485; Nietzsche iii, 57; cf. Nietzsches
Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47, §9, 112.
7
Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 251; Nietzsche iii, 206; cf. Nietzsches
Metaphysik, GA 50, 27.
8
Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 70; Nietzsche iv, 44; cf. Nietzsche. Der
europäische Nihilismus, GA 48, 87.
9
Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 83-84; Nietzsche iv, 58-59; cf. Nietz-
sche. Der europäische Nihilismus, GA 48, 104-5.
On Truth as Justice 447
10
0DUWLQ+HLGHJJHU³1LHW]VFKHV:RUWµ*RWWLVWWRW¶³LQ Holzwege, GA 5,
)UDQNIXUW DP 0DLQ DSSHDULQJ LQ (QJOLVK DV ³7KH :RUG RI
1LHW]VFKH µ*RG ,V 'HDG¶³ LQ The Question Concerning Technology and
Other Essays, trans. by William Lovitt, New York 1977, 102.
448 Nancy A. Weston
other than that of valuation, or indeed might call for anything, such
³calling for´ being inconsistent with will to power¶s dispositive do-
minion.
How is this possibility eliminated? That is to say, how can the pri-
ority of valuation be secured? How is its installation as governing
principle possible? There can be no truth or right to such an installa-
tion of the right to determine truth and right; there is only the asser-
tion of right to such installation, its erection by will to power as right,
its position as right somehow the product and achievement of the erec-
tion itself, that is, of the sheer claim of will to be so: It is willed to be
right solely because willed²and thus despite it. Will to power thereby
surpasses itself and its own, and only, limitation, in this way becom-
ing, for the first time, fully itself.
5.
6.
11
&I 0DUWLQ +HLGHJJHU ³%ULHI EHU GHQ +XPDQLVPXV´ LQ Wegmarken,
*$)UDQNIXUWDP0DLQ³$OOHV:HUWHQLVWDXFKZRHVSRVLWLY
wertet, eine Subjektivierung. Es läßt das Seinde nicht: sein, sondern das
Werten läßt das Seinde lediglich als das Objekt seines Tuns ± JHOWHQ´
DSSHDULQJ LQ (QJOLVK DV ³/HWWHU RQ +XPDQLVP´ WUDQV E\ )UHG $ &DSX]]L
and John Glenn Gray; in: Basic Writings, ed. by David F. Krell, New York:
Harper 1993, 251.
452 Nancy A. Weston
erates the truth of beings, and truth itself, in favor of their value. Val-
ues, accordingly, are all that remain, the spoils and triumph of will to
power in its insurrection against truth.12
But this dénouement is only the replication²the same, seen from
the side of beings²of the original insurrection against law. For law is
the law of beings in their Being; more, it is beings in their being: ³in
their being´²that is to say, how they are given to be, what governs
them: their law. Heidegger shows that the history of metaphysics is a
history in which truth in its givenness is increasingly overlooked and
covered over, cast aside in favor of ever-more-thorough determination
by man in his positing of demands for determinability and certitude;
finally, in the consummation of that history, meaninglessness reigns,
for truth is now valuation, that is, sheer positing itself, the essence of
will to power. We may now see that this insurrection, throughout its
history, is against the given as such; that is, against its being-given,
against the ³it gives´ that being ³is,´ ´the simple nearness of an unob-
trusive governance.´13 Metaphysics begins this insurrection, but it is
brought to completeness and consummation only in will to power, in
its fulfilled opposition to law and limit as such, culminating in modern
justice and its subjection of law to itself.
7.
12
See Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 13-16; Nietzsche iii, 174-177; cf.
Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, GA 47, §26, 287-
288.
13
+HLGHJJHU ³%ULHI EHU GHQ +XPDQLVPXV´ *$ ³GLH VFKOLFKWH
1lKH HLQHV XQDXIGULQJOLFKHQ :DOWHQV´ ³/HWWHU RQ +XPDQLVP´ 36,
238.
454 Nancy A. Weston
to be the self-posited ground and measure for all certitude and truth´
as the history of metaphysics comes to fulfillment in ´Nietzsche¶s
doctrine of man as lawgiver of the world.´14
As positive law, will to power declares itself to overthrow law, to
overpower and surpass it, and thus²within the understanding of law
that is possible within the metaphysics of will to power²to be the law
for law. In so subjecting law to itself, will to power achieves the over-
throw of truth and of right, to the end of dispositive dominion over be-
ings; proceeding in and as justice, it holds this dominion to be justi-
fied, for it has, in this positing, already equated right with conformity
to will to power.15
Justice is the name we give to this usurpation, to this ambition to
be the law for law. The claim of will to power to be the ground and
truth of beings is the claim to rule law that constitutes the essence of
justice, which, as such, is the essence of the truth of beings as will to
power.
8.
14
Heidegger, Nietzsche II, GA ³'HU0HQVFKZLUG]XGHPYRQLKP
selbst gesetzten Grund und Maß für alle Gewißheit und Wahrheit. [...]
1LHW]VFKHV /HKUH YRP 0HQVFKHQ DOV GHP *HVHW]JHEHU GHU :HOW >@´
Nietzsche iv, 90.
15
See Heidegger, Nietzsche II, GA 6.2, 109; Nietzsche iv, 82; cf. Nietzsche.
Der europäische Nihilismus, GA 48, 131f. Heidegger here quotes a portion
of a note by Nietzsche that appears in section 552 of Der Wille zur Macht:
³$OOHV*HVFKHKHQDOOH%HZHJXQJDOOHV:HUGHQ als ein Feststellen von Grad-
und Kraftverhältnissen, als ein Kampf «´ +HLGHJJHU FRQWLQXHV ³:DV LQ
diesem Kampf unterliegt, ist, weil es unterliegt, im Unrecht und unwahr. Was
LQGLHVHP.DPSIREHQEOHLEWLVWZHLOHVVLHJWLP5HFKWXQGZDKU´
On Truth as Justice 455
that is, it posits (and trumpets) its own success, seeking thereby to se-
cure it. But does it accomplish this subjection? Can it?
This question, for which the foregoing prepares the way, calls for
us to think anew on the essence of law²as only now, in its seeming
oblivion, we are granted a hint of its enduring sway. Taking up this
shimmering possibility, the meditation continues.