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Ich moechte sie alle zuerste begruessen und den Organisatoren zu bedanken fuer
die Einladung und die Gelegenheit ueber das Thema “Die Role der
Zivilgeselschaft in Demokratisierungsprozessen in Bosnien – Herzegowina” zu
spraechen. Ich muss schon am Anfang sagen, dasss im diesen Bereich man
kaum wissenschaftlische Beitraege finden kann, besonderes im Bosnien. Seit
sieben Jahren beschaeftige ich meine kleinichkeit mit diesem Thema und heute
wird, natuerlich, nicht moeglich alle Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zu
praesentieren. Ich versuche in der naechsten 20 Minuten paar Informationen
geben, die, hofe mich, als Grund fuer die weitere Disskussion dienen koennen.
Nach Angaben der „Agentur der lokalen Demokratie Tuzla“ registrierte man ab
1992 bis 2001 in Bosnien-Herzegowina 8.000 NRO, wie auch ca. 30.000
Projekten und Initiativen in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen –
Demokratisierung, Menschenrechte, Frauenrechte, Jugendproblematik,
interkulturelle Kommunikation, politische Ausbildung, Ökologie). Heute ist die
Zahl geschaetzt auf 10 000 Organisationen. Obwohl die
Nichtregierungsorganisationen in den entwickelten Demokratien erst eine der
funktionalen Komponenten der Zivilgesellschaft neben Bürgerinitiativen,
unabhängigen Medien und kritischer Öffentlichkeit darstellen, in Bosnien-
Herzegowina sind sie ihre ausgeprägteste Komponente. Deshalb, die folgende
analyse ist ueberwiegend orientiert auf das Phenomen des
Nichtregierungssektors in BiH.
Im Hinblick auf die Bedeutung, die man dem Aufbau der Nichtregierungsektors
innerhalb der Transformationsprozessen zumisst, drängen sich die folgenden
Fragen in den Vordergrund:
Welche Funktionen hat der Nichtregierungsektor in dem aktuelen
Gesellschaftskontext?
Welche Probleme sind bei der Entwicklung von Akteuren in dem
Nichtregierungsektor vorhanden?
Welche strategischen Korrekturen sind in einem breiteren
Entwicklungskonzept für den Nichtregierungssektor notwendig, um eine
weitere Entwicklungsperspektive für die Zivilgesellschaft in BiH zu
eröffnen?
Mit Blick auf BiH muss es also darum gehen, die spezifischen Funktionen und
Probleme einer Zivilgesellschaft/ zu identifizieren, um die Frage zu
beantworten, welche Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Etablierung und
Konsolidierung der Demokratie zukommt.
Diese Funktion bezieht sich vor allem auf die Kontrolle der staatlichen und
anderer Institutionen. Besonders in den letzten vier Jahren wächst die Zahl der
NRO, die sich ausschließlich mit der Arbeit von Behörden beschäftigen. Einige
Theoretiker haben sie als „politische NRO“ bezeichnet. Ihr Ziel ist natürlich
nicht die Eroberung der Macht, sondern vor allem die Kontrolle von Behörden.
Die bekanntesten sind die Bürgerforen, die meistens auf dem lokalen Ebene
aktiv sind. So ein Forum wurde in Tuzla schon im Jahre 1993 gegründet. Die
Bürgerforen sind heute in ueber 50 Gemeinden aktiv, aber nur teilweise
vernetzt. Sie beobachten die Arbeit von Behörden in der Gemeinde und
versuchen dann durch die Organisation von Öffentlichkeit, durch
Medienmitteilungen, Posterkampagnen und Ähnliches, die Bürger „für“ oder
„gegen“ bestimmte Entscheidungen der Behörden zu animieren, manchmal wird
auch um Korrekturvorschläge gebeten. Es handelt sich meistens um die
Behandlung von alltäglichen Bürgerproblemen.
Par Beispiele: Das „Zentrum für Zivilinitiativen“ (CCI), eine NRO mit
Zweigstellen in zehn Gemeinden, führte im Juni 2003 das „Projekt zur
Beobachtung und Kritik der Arbeit der Kantonalparlamenten in 8 von 10
Kantonen in der FBiH.“ durch. In der Zwischenzeit schlossen sich diesem
Projekt 286 NRO im BiH. In 7 Kantonalparlamenten wurde die „Kommission
für Zusammenarbeit mit dem Zivilsektor“ gegründet. Dies ist ein Novum im
ganzen Land.
Die wichtigste Kontrollfunktion ist die Kontrolle der Wahlen. Mit dieser Praxis
fing man bei den allgemeinen Wahlen 1998 an. Auf Initiative vom CCI gründete
man das spezialisierte Netz „Oko“ („Auge“) mit 310 Mitgliedern im ganzen
Land. Im Oktober 2002 wurden in 2.600 Wahlbüros 9.000 vorher ausgebildete,
freiwillige Beobachter eingesetzt. Die späteren Analysen des Wahlvorgangs,
gemacht auf Grund ihrer Beobachtungen, dienten als Basismaterial für die
Initiative zur Veränderung des Wahlgesetzes.Seit 1989. gegen 10 000 Buerger in
BiH waren als Wahleneobachter angagiert.
In BiH konnte man zuerst von der Partizipation der NRO-Vertreter sprechen. In
diesem Sinne stellt die gesetzliche Wiedereinführung von Referenden und
Bürgerinitiativen einen wichtigen Fortschritt in dem Demokratisierungsprozess
dar. Diese Instrumente sollten eine breitere Teilnahme von Bürgern an
zivilgesellschaftlichen Prozessen ermöglichen. Partnerschaften zwischen dem
Zivilsektor und dem Staat entwickeln sich zumeist in zwei Formen, entweder
suchen die Regierungsbehörden nach Sponsoren, Mitsponsoren oder
Mitimplementatoren für bestimmte Projekte im Zivilsektor oder die
Organisationen des Zivilsektors bieten den Behörden die Zusammenarbeit an.
Gajo Sekulic von der Universität Sarajevo ist der Meinung, dass eine
Zusammenarbeit oder Partnerschaft der nationalistischen Eliten und des
Zivilsektors unmöglich ist was eine logische Folge der Nichtkomplementarität
des ethnopolitischen und des bürgerlichen Konzepts der Gesellschaft darstellt.
Die Initiative der Zivilgesellschaft zu überlassen würde für die
etnonationalistische Elite mindestens “gefaehrlich”, das bedroecht ihre
politiscge Positionen grundsetzlich. Einen Handlungsraum den bürgerlichen
Initiativen zu geben, bedeutet die Moeglichkeit der oeffentlichen Kontrolle der
Ökonomie und Politik zu eroeffnen.Die Etnonationalisten versuchen, so meint
Sekulic, das liberal-demokratische Konzept zu redefinieren, indem die ethnische
Kolektivitaeten egsietieren und handeln dort, wo normalerweise das Individuum
existiert und handelt.
Die Erfahrungen der Aktivisten der NRO bestätigen teilweisediese These. Die
Bürger zeigen das große Anfangsmisstrauen bei Begegnungen mit Programmen
des Zivilsektors. Das Problem manifestiert sich aber in den Städten und in der
Peripherie auf unterschiedliche Weise. Fuer die größeren urbanen Zentren, wo
die ethnische Mischung der Bevölkerung größer ist, ist zugleich characteristisch
größer Mobilität der Buerger. Paar Forschungen bestaetigen deutlich, dass von
den urbanen Zentren zur Peripherie der Einfluss des Zivilsektors abnimmt.
Das alles verursacht weitere Problemen. Das ist das problem der
Dieser Teil von Organisationen stellen nur das Surrogat der Zivilgesellschaft
dar, ... und es ist nicht nur das Problem, dass ihre Projekte keine Legitimität
haben, die aus der Basis kommen sollte. Es ist das Problem, dass ein getrenntes,
geschlossenes Segment des Zivilsektors entstanden ist, das die Entwicklung der
authentischen Zivilität in BiH bedrohen kann.
Das Phänomen der Projektomanie hat sicherlich seine Ursache in der Tatsache,
dass die Arbeitsplätze in den NRO, besonders in den ausländischen, für
bosnisch-herzegowinische Verhältnisse sehr gut bezahlt sind. Dies gilt auch für
einige lokale Tochterorganisationen aber vor allem für fremde Arbeitskräfte,
Expertenteams usw. Leider war es nicht möglich genaue Zahlenangaben darüber
zu bekommen, die das in einem breiteren Kontext bestätigen könnten.
Die Kritik dieses Phänomens kulminiert bei einigen Autoren in der Feststellung,
dass ein Teil des Zivilsektors in BiH seitens international Agierender
„kolonisiert“ ist. Es ist interessant, dass davon auch ausländische Autoren
sprechen. Paul Stubss definiert diese „Kolonisierung“ als „Asymmetrie,
gegründet auf der ungleichen Verteilung von symbolischer und finanzieller
Macht zwischen zwei Kategorien von Akteuren innerhalb des Zivilsektors in
BiH“. Diese Asymmetrie, behauptet Stubss führe zur Stärkung „ ... der
Domination von internationalen Teilnehmern, ihrer Systeme, Voraussetzungen,
Bedeutungen und Handlungen ... was mindestens ungeeignet für den
spezifischen sozio-politischen und sozio-kulturellen Kontext von bestimmten
Gesellschaften sein kann und direkt oder indirekt erniedrigend oder sogar
beleidigend für lokale Teilnehmer sein könnte“.Im Zivilsektor in BiH wird
dieses Problem als „Zivilkolonisierung“ bezeichnet.
Das politische System von BiH ist auf ethnischen Prinzipien aufgebaut. Ohne
die korrigierende Bevollmächtigung, die die internationale Gemeinschaft dem
Hohen Vertreter nach dem Dayton-Abkommen eingeräumt hat, könnten die
Regierungs- und Behördeninstitutionen in BiH nicht die gesetzgebende
Grundlage des Staates sichern. Die multiethnischen politischen Parteien
schafften es in der Nachkriegszeit nur kurzfristig die Initiative in den staatlichen
Institutionen übernehmen, d.h. in der Zeit von 2000 bis 2002. Mit anderen
Worten, die einzigen organisierten Gesellschaftskräfte, die die Entitätsgrenzen,
die ethnischen Grenzen überwinden wollen, indem sie Programme für den
ganzen Staat entwickeln, sind die Zivilgesellschaftlische Strukturen und
Akteueren. Neben all den genannten Problemen ist die Existenz ihrer
Aktivitäten, basierend auf multiethnischen Prinzipien im ganzen Staat, ein
Faktum und ein Beweis dafür, dass so etwas in diesem Land möglich ist und
dass diese Art des bürgerlichen Organisierens ihre Perspektive hat.
Der Zivilsektor ist der gesellschaftliche Kern, der versucht in der Praxis
bestimmte, allgemein demokratische Werte, Erfahrungen und Prinzipien
durchzusetzen: Multiethnizität und interethnische Toleranz, mehrheitliche
Entscheidungsfällung gegenüber dem nationalen Konsens, das Kriterium der
Qualifikation bei dem ethnischen Kriterium zur Auswahl von Machtträgern usw.
Die Förderung dieser Werte und Prinzipien entwickelt sich durch
Schulungsmaßnahmen im Bereich des Zivilsektors, wie auch durch mediale
Versuche eine breitere Öffentlichkeit damit bekannt zu machen.
Die aktive Zivilöffentlichkeit, wie schon dargelegt wurde, ist fast ausschließlich
mit dem Zivilsektor zu verbunden. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass
diese Öffentlichkeit keine Bedeutung in der Domäne Demokratie hat. Aber die
angeführten Erfolge des Zivilsektors sprechen dafür, dass auch diese relativ
kleine „kritische Masse“ fähig ist, Veränderungen zu bewirken. Übrigens, eine
massenhafte Teilnahme von Bürger an den Aktivitäten ist oft nicht die
Voraussetzung für den Erfolg. Die Zivilgesellschaft umfasst das ganze Spektrum
von Akteuren, von Organisationen und massiven Gesellschaftsbewegungen bis
hin zu am Rande stehenden Gesellschaftsgruppen und Einzelnen.