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 Kultur / Wissen 19

WOZ Nr. 45 11. November 2010

Kondolieren per E-Mail? In der Ausstellung «Home» in Lenzburg wird die Digitalisierung verschiedener Alltagsbereiche thematisiert. f oto: a n i ta a f f e n t r a n g e r

D i g ita le W e lt

«Es wird nicht besser oder 


schlechter, nur anders»
Zwei Ausstellungen in Lenzburg und Bern beschäftigen sich mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft. Die WOZ hat beide
besucht und Fragen mitgenommen. Der Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger hat sie beantwortet: eine Kritik
an der populärwissenschaftlichen Betrachtungsweise des Digitalisierungsprozesses – und ein Aufruf, nicht nur Gefahren, sondern
auch Möglichkeiten zu sehen.
Interview: Jan Jir át

WOZ: Die Ausstellung «Home» im Stapfer­ künftig so präsent sein, dass wir sie gar nicht in Berührung kamen. Ist diese Unterschei­ statt Auto auch Pkw schreiben kann, dann
haus in Lenzburg zelebriert die digitale Welt mehr als Technik identifizieren. dung sinnvoll? kommt er auf dem Netz nicht so weit wie
als Zuhause. Die BesucherInnen erhalten Kaum. Meiner Erfahrung nach spielt nicht andere. Dass jemand ein «digital native» ist,
Finkensocken für ihren Rundgang, sie sit­ Die Unterscheidung in eine digitale und eine das Alter, sondern etwa das Lebensführungs- nützt ihm nichts. Es braucht trotzdem noch
zen auf Polstergruppen, vor ihnen flackert analoge Welt macht bald keinen Sinn mehr? konzept eine weit grössere Rolle für den Um- das sprachliche Wissen von Begriffen, um
ein Kaminfeuer – digitalisiert natürlich. Ist Es gibt zunehmend Zweifel an dieser gang und die Kommunikation mit digitalen ein gutes Such­ergebnis zu erzielen. Das sind
die digitale Welt tatsächlich unser Zuhause Trennung, weil sich immer mehr die Er- Technologien. Wir konnten beispielsweise in Qualifikationen, die ausserhalb der Technik
geworden? kenntnis durchsetzt, dass das Analoge in das unseren Untersuchungen zeigen, dass Frauen liegen. Kinder brauchen keinen Laptop in der
Klaus Schönberger: Momentan erscheint Digitale hineinreicht und umgekehrt. Das im selben Alter, die aus der gleichen sozi- Schule, sie brauchen eine gute sprachliche
uns die digitale Welt noch als eigene Welt. hat Folgen. Es stellt sich die Frage, in welcher alen Schicht kommen, digitale Technologien Bildung, die sie befähigt, Sprache als Werk-
Weise wir bestimmte Medienformate nutzen völlig unterschiedlich nutzten. Aus dem ein- zeug am Computer und auf dem Netz einzu-
und wofür wir sie nicht nutzen. Ist es künftig fachen Grund, weil eine davon eine Familie setzen.
möglich, per Mail zu kondolieren? Was kann hatte und die andere nicht. Der Bildungsgrad, die Schichtzuge­hörig­
Klaus Schönberger man über E-Mail, Facebook oder Handy kom- Natürlich sind der Computer, das Inter- keit, das jeweilige Lebensführungskonzept
Der empirische Kulturwissenschaftler Klaus munizieren und was nicht? Was wird auch in net oder das Handy für die heutigen Kids und das soziale ­M ilieu, in dem man sich
Schönberger lebt und arbeitet in Wien Zukunft von Angesicht zu Angesicht bespro- etwas so Alltägliches, dass sie wissen, wel- ­bewegt, haben einen viel grösseren Einfluss
und Zürich. Er leitet an der Zürcher Hoch- chen? che Knöpfe sie drücken müssen. Aber wenn darauf, wie wir mit den digitalen Technolo-
schule der Künste (ZHdK) im Departe- Diese Fragen stellen sich im Wissen, dass gewisse sprachliche Fähigkeiten fehlen, ein gien umgehen und die­se nutzen, als das Alter.
ment Kunst und Medien die Vertiefung bei der rein schriftlichen Kommuni­kation Jugendlicher beispielsweise nicht weiss, dass
Theorie und hat die Dozentur Kultur- und – im Vergleich zur mündlichen – Emotionen man statt Bankraub auch Banküberfall oder  Fortsetzung auf Seite 20
Gesellschaftstheorie inne. Er forscht über entfallen und viele Dinge, die schriftlich
den soziokulturellen Wandel und Inter- fixiert sind, ganz anders wirken als münd-
netnutzung, den Wandel der Arbeit sowie lich. Der Ausspruch «Ach, du bist doch ein
über Formen und Inhalte des Protestes so- Spinner!» kann auch sehr liebevoll gemeint
zialer Bewegungen. sein. Deshalb schicke ich einen Smiley per lenzburg un d Bern
SMS. Schreibe ich das einfach so, hört sich der
Spruch plötzlich ganz anders an. Anderer-
seits hatten wir in einer empirischen Unter- Mit dem Handy durch die Ausstellung
suchung bei einem geschiedenen Paar sehen Die Digitalisierung unserer Gesellschaft ist reichen gestellt: Welche Wirkungen entfaltet
können, dass es digital auf einmal vernünftig in vollem Gang. Zwei aktuelle Ausstellungen sie in Bezug auf «Identität & Beziehungen»,
kommunizieren konnte, weil der ironische in Lenzburg und Bern zeigen diesen noch «Lernen & Bildung», «Arbeit & Wirtschaft»
Unterton oder die Kälte nicht mehr mit- längst nicht abgeschlossenen Prozess auf je- oder «Politik & Demokratie»? Die Fragen sind
schwang. Zusammenfassend geht es dar­u m, weils eigenwillige Weise auf. genauso wichtig wie die Antworten von Ex-
eine angemessene Kulturtechnik des Kom- Im Stapferhaus in Lenzburg ist die digi- pertInnen aus diversen Forschungsbereichen.
munizierens mit den neuen Medienformaten tale Welt als Zuhause inszeniert. Kurzfilme Im Museum für Kommunikation in Bern
zu entwickeln. über Menschen aus der Schweiz, die auf un- steht mit dem Handy eine ganz bestimmte di-
terschiedliche Weise in der digitalen Welt gitale Technologie im Zentrum. Der Clou: Das
Doch in absehbarer Zeit werden alle die­se Neben der Unterscheidung in eine digitale verankert sind, führen in die Ausstellung eigene Handy führt durch die Ausstellung.
technischen Geräte so selbstverständlich und eine analoge Welt gibt es im Zusam­ ein. Dann folgt die Aussenwahrnehmung, Über eine Gratisnummer können an etwa
sein, dass wir sie gar nicht mehr als solche menhang mit der zunehmenden Digitalisie­ wenn Verwandte und Bekannte über ihr Zu- 25 Stationen Informationen und Statements
wahrnehmen. Sie werden omnipräsent und rung unserer Gesellschaft eine zweite popu­ sammenleben mit den Porträtierten spre- abgerufen werden. Auch in Bern stehen Men-
veralltäglicht. So wie das bereits mit Geräten läre Unterscheidung: In «digital natives», chen. So entsteht ein vielschichtiges Bild von schen und ihr Umgang mit dem Handy, dem
wie dem Telefon und der Wasch- oder Spül- Personen also, die mit digitalen Technolo­ «digitalen» Biografien, ohne sie zu werten. «Alleskönner oder Nervtöter», im Mittel-
maschine geschehen ist. Insofern werden die­ gien aufgewachsen sind, und «digital immi­ In einem weiteren Ausstellungsraum wird punkt, wobei der Blick über die Schweiz hi-
se elektronischen Geräte in jedem Haushalt grants», die erst im Erwachsenenalter damit die Digitalisierung in Relation zu Lebensbe- nausgeht. J J
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WOZ Nr. 45 11. November 2010

« M u s i k au s d e m N i c h t s »

Vom alten
Theremin zum
Sampling
Der Musiker und Elektronikpionier Bruno Spoerri
dokumentiert in einem Buch die Geschichte
der elektroakustischen Musik in der Schweiz seit 1900:
eine gelungene Rettung für Informationen
aus der Zeit vor der mengenmässigen Explosion.
Von Fredi Bosshard

Die Zürcher Gruppe Elixir verwendet zur Klangerzeugung Federn, Saiten, Drähte und Stahlbleche,
versetzt sie in Schwingungen, nimmt die entstehenden Sounds auf und verstärkt sie elektronisch.
f oto: D om i n i k L a n dw e h r , 20 07, Au s d e m b e s pro c h e n e n B u c h

Am 13. Februar 1929 kündigte die «Züricher aufzeichnung bis zum digitalen Synthesizer Infrastruktur und Techniker, und auch die Ver- table Kleinstausrüstungen tun in Heimstudios
Post» unter der Überschrift «Eine Sensation werden in Einschüben erläutert oder mit den breitung der Musik geschah weitgehend über ihren Dienst.
jagt die andere» eine Veranstaltung im Kino Komponistenporträts verknüpft. die Radiostudios von Genf, Basel und Zürich. In den Anfängen der digitalen Aufzeich-
Capitol an: «Heute: Das Weltwunder ‹Musik Spoerri ist gleichzeitig Pionier und Zeit- Die Sendungen waren – schon damals – «vor nung reichte der Speicherplatz nur für einige
aus der Luft›». Zwei Künstler aus Berlin – wahr- zeuge der Entwicklung der elektroakustischen allem zu später Stunde, wo nicht allzu viele Hö- Minuten Musik. Inzwischen sind die Speicher-
scheinlich Martin Taubmann und Hans Küss- Musik, Komponist und Musiker. Seine Recher- rer dadurch gestört wurden» angesetzt. kapazitäten von Kilobytes über Mega-, Giga-
ner – traten mit einem Theremin-Instrument chen, gepaart mit eigenen Erinnerungen, ha- und Terabytes ins nahezu Unendliche gewach-
auf. ben zu einem Werk geführt, in dem die nam- sen. Gleiches gilt für die Vielfalt an Program-
Tonjäger und Landesausstellung
Der Physiker Lew Termen (1896–1993) haften ExponentInnen – es sind auch einige men, die zur Verfügung stehen. Kompositio­
hatte das Instrument, das berührungsfrei ge- wenige Frauen beteiligt – ihren Raum erhalten In den sechziger Jahren, als die Geräte mobi- nen und Experimente werden immer weniger
spielt werden kann, 1919 entwickelt und in und ausgiebig zu Wort kommen. Siebzehn wei- ler wurden, entstanden erste Tonjägervereine. durch technische Grenzen eingeschränkt – es
St. Petersburg und Moskau der Öffentlichkeit tere AutorInnen bereichern das Buch mit ihren 1962 wurde ein Wettbewerb um «Das Goldene bleiben die menschlichen.
vorgestellt. Termen siedelte Jahre später in die Beiträgen. Tonband von Zürich» ausgeschrieben. Die Auf-
USA über, nannte sich Leon Theremin und er- Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den gabe lautete: «Das Zeitzeichen des Schweizer
CD-ROM als Inhaltsverzeichnis
hielt 1929 ein Patent auf seine Erfindung, die fünfziger Jahren, arbeiteten Wissenschaftler Landessenders Beromünster von 12.30 Uhr ist
später als Theremin bekannt wurde. Am An- und Techniker mit avantgardistischen Kompo- durch Verändern der Bandgeschwindigkeit in «Das Buch ist in erster Linie ein Rettungsver-
fang der elektronischen Musik standen also nisten zusammen, um die neuen Klangerzeu- eine höchstens drei Minuten dauernde Ton- such für Informationen aus der Zeit vor der
Erfindungen, die erst zögerlich für die Musik gungsmöglichkeiten nutzbar zu machen. Die montage umzuarbeiten.» Die analogen Auf- mengenmässigen Explosion. Es muss die zu-
nutzbar gemacht und von KomponistInnen in Komponisten kamen mit den unhandlichen nahmen des Zeitzeichens wurden vorwärts künftige Arbeit sein, die heutige Szene zu über-
ihr Schaffen einbezogen wurden. elektronischen Anlagen alleine meistens nicht und rückwärts gespielt, geschnitten und in blicken und zu bewerten», schreibt Spoerri im
zurecht, deren Bedienung war zudem oft tech- stundenlanger Arbeit zu neuer Musik montiert. Vorwort. Den Grundstein dazu hat er mit «Mu-
nisch ausgebildetem Personal vorbehalten. Dabei wurden Methoden angewendet, die man sik aus dem Nichts» gelegt.
Von 1900 bis heute
Der deutsche Dirigent Hermann Scher- heute als Sampling bezeichnen würde. An die Stelle eines ausführlichen Inhalts-
Im von Bruno Spoerri herausgegebenen Buch chen (1891–1966), der 1944 die Leitung des In der Schweiz entstand eine ganze Rei- verzeichnisses ist eine CD-ROM getreten, auf
«Musik aus dem Nichts – Die Geschichte der Radioorchesters Beromünster übernahm, he von Kompositionen – als Auftragswerke für der alle Texte, die Bibliografie und Quellen-
elektroakustischen Musik in der Schweiz» wird gründete 1954 im nahe bei Lugano gelegenen die Expo 64 in Lausanne und später für den dokumente zu finden sind. Ein elektronischer
die Geschichte seit den Anfängen um 1900 bis Gravesano ein Experimentalstudio. «Man Schweizer Pavillon der Weltausstellung von Suchapparat ermöglicht es, Personen, Gruppen,
heute sorgfältig referiert. Spoerri hat den etwas kann ihm nicht nachsagen, dass er elektro- 1970 im japanischen Osaka. In den siebziger Instrumente und Bereiche einfach zu lokalisie-
unscharfen Oberbegriff «elektroakustische nische Musik besonders geliebt hätte», merkt Jahren wurde die Verwendung elektronischer ren. «Musik aus dem Nichts» ist eine umfas-
Musik» gewählt, um Werke einbeziehen zu Spoerri an. Scherchen alimentierte das Studio Mittel gebräuchlicher, auch im Film. 1975 er- sende Geschichte der elektroakustischen Musik
können, die analoge Quellen verwenden, etwa trotzdem weitgehend aus eigenen Mitteln und hielt die Musik-Akademie in Basel ein elektro- in der Schweiz. Es ist ein hervorragendes (elek-
computergesteuerte mechanische Schreibma- stellte eine Infrastruktur zur Verfügung, um so nisches Studio, das später von Thomas Kessler, tronisches) Nachschlagewerk. Was das Buch
schinen oder Sirenen. eine ideale Forschungsstätte zu schaffen. einem Pionier der Live-Elektronik, geleitet zusätzlich bereichert hätte, wäre eine Auswahl
Von Spoerri stammt auch der grössere wurde. von Musikstücken auf CD, die aus einem Bereich
Teil der Texte des Buches, das in «Geschichte: Synthesizer waren immer noch teuer stammen, der in den Sortimenten des schrump-
Vom Speziellen zum Allgemeinen
Analog», «Geschichte: Digital» und «Streif- und kamen vor allem in den Studios zum Ein- fenden Fachhandels kaum mehr gepflegt wird.
lichter: Heute» gegliedert ist. Zwischen die Die Studios waren nach dem neusten Stand der satz. Erst in den achtziger Jahren, mit dem DX-7
Chronologie der elektroakustischen Musik Technik eingerichtet. Neben mehreren Tonbän- von Yamaha, wurde digitale Klangerzeugung Bruno Spoerri (Hg.): «Musik aus dem
Nichts – Die Geschichte der
sind zwölf ausführliche Porträts von Kompo- dern, Mikrofonen und einem Zwanzigkanal- erschwinglich. Live-Elektronik war nun ver- elektroakustischen Musik in der
nisten gesetzt, darunter finden sich Namen wie mischpult enthielten sie Filter, Echomaschinen mehrt im Konzertsaal zu hören, fand in kompo- Schweiz». Chronos Verlag. Zürich
Armin Schibler, Thomas Kessler und Spoer­ri und Tongeneratoren. Als Scherchen 1966 starb, nierter und improvisierter Musik und auch bei 2010. 416 Seiten. 100 Abbildungen.
58 Franken.
selbst. Es werden aber auch Aussenseiter wie war auch das Ende des Tonstudios besiegelt. Tanz- und Theateraufführungen Verwendung.
Jim Grimm oder der Turntableartist Christian Produktionen mit elektronischer Musik Die Entwicklung schreitet seit den neunziger
Marclay dargestellt. Die wichtigsten tech- waren damals oft nur in einem institutionellen Jahren rasend schnell voran. Die aufwendig
nischen Entwicklungsschritte von der Ton- Rahmen möglich. Radiostudios verfügten über ausgestatteten Studios werden seltener, por­

Fortsetzung von Seite 19  dings auch Gegenbeispiele: Wenn man früher die sich auftun. Der Ausspruch «Es wird nicht Uns erscheint das jetzt noch ungeheuer-
eine Demonstration organisiert hatte, musste besser und nicht schlechter, sondern nur an- lich und furchtbar. Aber wenn man sich das
Das schliesst an Ihre Kritik am ebenfalls po­ man Infostände in den Fussgängerzonen auf- ders» trifft meine Grundhaltung ganz gut. historisch vor Augen führt, dann musste
pulären Begriff der «Digitalen Revolution» bauen, Plakate kleben, Flyer verteilen, und Man muss sich mit diesen Veränderungen die heute so völlig selbstverständliche Tren-
an, den Sie in Ihrem Beitrag der Publika­ um zwölf Uhr war die Lust verflogen. Man auseinandersetzen. Fragen stellen: Wie und nung in Arbeit und Freizeit – diese Form der
tion zur «Home»-Ausstellung formulieren: war weg und damit auch die Informationen. weshalb funktioniert etwas? Unter welchen Alltagsdisziplinierung, das Leben nach der
Die sozialen Strukturen und damit auch die Im Netz ist die Organisation einfacher gewor- Umständen setzt sich etwas durch oder eben Uhr   – in der Anfangszeit der Industrialisie-
Machtstrukturen und Hierarchien bleiben den, der Infostand ist viel nachhaltiger, jeder- nicht? Wer profitiert davon und wer nicht? rung erst einmal durchgesetzt werden. Inte-
trotz neuer digitaler Technologien bestehen, zeit abrufbar. Auf der Ebene der Repräsentati- Wie können wir uns organisieren? ressanterweise stammen die ersten Versuche
sie setzen sich dort fort: Aus linker Sicht ist on hat sich also schon etwas verändert. einer Verschmelzung von Arbeit und Privat-
das eine ernüchternde Einschätzung. Und es gibt auch Erfolgsgeschichten. Ein Sowohl in Lenzburg als auch in Bern, wo im leben aus dem alternativen und kooperativen
Es geht mir vor allem um eine Zurückwei- aktuelles Beispiel ist Stuttgart 21. Da konn- Museum für Kommunikation aktuell die Bereich. In den siebziger und achtziger Jahren
sung des Technikdeterminismus. Es greift ten Amateurvideos, auf die alle Zugriff hat- Ausstellung «Wo bisch?» zum Thema Handy entstanden Betriebe, wo es darum ging, die
viel zu kurz, die Technik als zentralen Faktor ten, deutlich aufzeigen, wie die Gewalt von läuft, ist deutlich geworden, dass wir in Zu­ Trennung von Arbeit und Freizeit aufzuhe-
zu beschreiben, der eine Gesellschaft ändert der Polizei ausging. In den Videos, die die Po- kunft «always on» sein werden, immer er­ ben. Heute erleben wir diese Trennung in ei-
oder gar revolutioniert. Die Technik bewegt lizei zur Verfügung stellte, sah das ganz an- reichbar. Hat Mark Zuckerberg, der Chef von ner ganz anderen und umfassenderen Form:
sich ja nicht ausserhalb von sozialen Struk- ders aus, die Bilder wurden manipuliert. So Facebook, recht, wenn er behauptet, dass das In einem neoliberalen, flexibilisierten Kapi-
turen, politischen Machtsystemen oder kul- konnten alle sehen, was tatsächlich los war. Privatleben eine überholte Konzeption ist? talismus, wo wir aber eben nicht mehr die
turellen Normen und Praktiken – das sind Die entscheidende Frage ist also, weshalb hat Vermutlich liegt er nicht falsch. Irgend- Rahmenbedingungen bestimmen können. So
komplexe Verhältnisse. Nur wenn all diese es in Stuttgart funktioniert? Welche Faktoren wann wird dieses dauernd «On»-Sein nicht ändern sich die Zeiten und Entwicklungen.
Faktoren und Aspekte berücksichtigt werden, haben dazu beigetragen? Das gilt es zu analy- mehr als Problem oder als Zwang angesehen.
«Home – Willkommen im digitalen Leben» in:
ist eine Gesellschaftsanalyse im Kontext der sieren und daraus Lehren zu ziehen. Lenzburg Stapferhaus, noch bis 27. November
Digitalisierung möglich. Zum Glück arbeite ich bei der WOZ, wo es 2011. www.home.stapferhaus.ch
Bezüglich meiner Feststellung, dass sich Noch ist nicht alles verloren? keinen Chef gibt. Sonst könnte ich schon
«Wo bisch? – Handy macht mobil» in: Bern
das Bestehende in den neuen Medienfor- Es ist wichtig, neben den Gefahren und bald von diesem nachts um zwei Uhr, wenn Museum für Kommunikation, noch bis 3. Juli
maten fortsetzt, gibt es aus linker Sicht aller- Problemen auch die Möglichkeiten zu sehen, ich im Bett liege, angerufen werden. 2011. www.mfk.ch/wobisch.html

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