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TUNING

Zusatzband für besondere


Leistungssteigerungen und
für Motoren ab 125 ccm

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Sollte es Euch gefallen, unterstützt Autor und Verlag und kauft es Euch.

Ernst Ansorg
Christian Rieck Verlag
Tuning-Zusatzband
für besondere Leistungssteigerungen
und für Motoren ab 125 ccm

Hinweise: Durch Veränderungen an Kraftfahrzeugen, die für


den Straßenverkehr bestimmt sind, erlischt die Allgemeine
Betriebserlaubnis. Eine Verwendung im Straßenverkehr ist
danach verboten und strafbar. - Alle Angaben wurden
sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie
nicht übernommen werden. Eventuell entstehende - mittelbare
oder unmittelbare, verschuldete oder unverschuldete - Schäden
oder andersartige Nachteile, die aufgrund von Äußerungen aus
diesem Buch entstanden sind, berechtigen nicht zu irgendwel-
chen Ansprüchen gegen den Verlag, seine Verfügungsbe-
rechtigten oder den Autor, insbesondere nicht zu Schadens-
ersatzansprüchen, auch nicht seitens Dritter.

Dieser Text ist ein Auszug aus der in der Fachzeitschrift


Motorrundschau erschienenen Aufsatzreihe von Ernst Ansorg
mit dem Originaltitel Leistungssteigerung bei Zweitaktmotoren.
5. Auflage 1996
Alle Rechte dieser Auflage bei:
Christian Rieck Verlag,
Postfach 3109, D-65746 Eschborn

ISBN 3-924043-12-4
5

Einleitung

Dieser "Tuning-Spezialband" ist eine Ergänzung zu


dem bekannten Handbuch Zweitakt-Motoren-Tuning; es
soll hier noch das eine ganz wichtige Thema behan-
delt werden, das in dem Grundlagen-Band weggelassen
worden war: Das ist die Kanalführung im allgemeinen
und speziell die Ausführung der Überströmkanäle. In
Zweitakt-Tuning wurde dieses Thema weggelassen, weil
es eigentlich nur dann von erheblicher Bedeutung
ist, wenn man sich auf die Suche nach absoluten
Spitzenleistungen begibt oder wenn die Motoren so
groß werden, daß die Kanalführungen stark ins
Gewicht fallen. Patentrezepte werden hier schwierig
- eigene Versuche unumgänglich.

Es soll darauf hingewiesen werden, daß es sich hier-


bei tatsächlich im einen Spezial-Band handelt, der
bereits das Wissen des Grundlagen-Buches voraus-
setzt, der aber auf Wunsch vieler Leser entstanden
ist, die an größeren Motoren arbeiten oder auf
extreme Leistungssteigerungen aus sind - für beide
Gruppen ist dieses Spezialwissen sicherlich
unumgänglich.

Der Autor, Ernst Ansorg, ist einer der "alten Hasen"


auf dem Gebiet der Zweitakt-Technik und hat im
Ingenieurbüro H.-W. Bönsch zahlreiche grundlegende
und allgemein anerkannte Untersuchungen auf diesem
Gebiet durchgeführt, aber dennoch nicht seine
Bastler-Natur verloren. Es ist deshalb äußerst
interessant und lehrreich, die Beschreibung seiner
Experimente zu lesen, die man als Hobby-Tuner nicht
ohne weiteres selbst durchführen kann. Man sollte
sich dabei unbedingt zu eigen machen, auf Kleinig-
keiten zu achten und Möglichkeiten zur Improvisation
zu lernen; als Beispiel soll hier die später - nur
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im Nebenbei - beschriebene Methode angeführt werden, Mißglückte Spülung


wie man aus den Verbrennungsrückständen auf die
Symmetrie der Über Strömkanäle schließen kann. Das Ganze ist kein Märchen. Es ist eine häßliche,
wahre Geschichte. Wahre Gechichten sind ja oft häß-
Natürlich sind gute Werkzeuge für die praktische lich.
Umsetzung der Tuning-Maßnahmen wichtig. Vieles läßt
sich zwar auch mit Hausmitteln durchführen. Eine Es war einmal ein Zweitaktmotor. Mit dem hatten sich
Leistungsbremse kann in gewissem Rahmen durch eine seine Väter wirklich die größte Mühe gegeben. Sie
gut ausgewählte und standardisierte Prüfstrecke für hatten die "Schwingungen auf der Ansaugseite von
Testfahrten ersetzt werden. Will man aber zum Zweitaktmotoren mit Kurbelkastenpumpe" von Dr.-Ing.
Beispiel einen anderen Zylinder aufsetzen, dessen U. Schmidt gelesen, in sich aufgesogen und auch
Kanäle bessere Ausgangsvoraussetzungen bieten, dann alles andere, was danach über dieses Gebiet geschrie-
wird man an einer Koordinatenfräse nicht vorbei- ben worden war, gar wohl berücksichtigt. Die Ansaug-
können. Notfalls muß man sich also mit anderen seite war bestens.
Bastlern oder einer Werkstatt zusammentun.
Sie hatten der Auspuffseite eine für die damalige
Zeit sehr reputier1iche Schlitzöffnungszeit von
154° KW verpaßt. Der Auspuffkanal war wohlgeformt,
und die Schalldämpfer stammten von einer seriösen
Firma. Sie hatten sich schon an anderen Motoren
bewährt. Der Motor war mit 50 x 62 mm Hub-
Bohrungs-Verhältnis ziemlich langhubig. Dieses Hub-
Bohrungsverhältnis war mit Rücksicht auf eine
günstige spezifische Schlitzfläche und auf eine
spätere Vergrößerung des 125er-Zylinders auf 175 ccm
gewählt worden.

Sie hatten auch etwas von Herrn Schnürle gehört und


die Zeichnungen der Umkehrspülung in den Prospekten
der Auto Union gesehen. Das war nicht gut und
brachte viel Ärger ein. Denn sie gaben sich nun die
größte Mühe, die Uberströmseite für ein gutes
Umkehren im Zylinder möglichst günstig zu gestalten.

Der Kolbenboden war 9 mm hoch und eben. Von der


Steuerkante verlief ein unter 45° kegeliger Teil
bis zum Kolbenboden. Die Überströmkanäle mündeten im
vorderen Teil unter 40° und im hinteren Teil unter
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30° zur Waagerechten geneigt in den Zylinder. Von


oben gesehen verliefen die Überströmkanäle unter Auf einem Schiff mitten im Atlantik, dessen Kapelle
50° zur Symmetrielinie des Zylinders. Beide anläßlich eines großen Loches unterhalb der Wasser-
Überströmkanäle waren also gut auf die hintere linie das schöne Lied "Näher mein Gott zu Dir"
Zylinderwand und steil nach oben gerichtet. Für spielt, konnte keine bessere Stimmung sein. Die
geringste Wandreibung waren die Überstömkanäle mit Trauergäste gingen ohne Gruß, mit säuerlichen
Kreisquerschnitt ausgeführt, und erst der Mienen. Der Konstrukteur hielt in aufrechter Haltung
Mündungsteil hatte Rechteckquerschnitt. Für bestes durch, bis der Motor auseinandergenommen war und er
Umkehren war auch der Zylinderkopf gestaltet. Der die Innereien besichtigen konnte. Die sah er sich
Brennraum war eine Halbkugel, die so weit aus der lange an. Denn so ein Kolbenboden mit seinen ent-
Mitte versetzt war, daß sie mit der hinteren sprechend der Spül Störung abgelagerten Verbrennungs-
Zylinderwand abschloß. Die unter 45° kegelige, rückständen und ebenso die Wände des Brennraums
konzentrisch zur Zylinderachse verlaufende Brennraum- können viel über die Spülung erzählen. Und bei
wand ergab einen guten Übergang seitlich und vorn diesen Erzählungen wurde dem Konstrukteur etliches
zur Zylinderwand. Also alles bestens für bestes klar. Er trank noch mehrere Schnäpse, damit er
Umkehren. Es mußte die Umkehrspülung des einschlafen konnte, und träumte heftig von vielen
Jahrhunderts werden. Sie war es auch wirklich. Und kleinen Zweitaktmotörchen, die furchtbar Benzin
das war nicht gut. Den Motor hatte man einlaufen soffen, eine fantastische Umkehrspülung exerzierten,
lassen. Seine Väter waren unvorsichtig gewesen und das teure Benzin wieder unverdaut ausspuckten und
hatten auch die Leute eingeladen, die ihn verkaufen keine Leistung hatten.
wollten. Es wurde eine große Pleite.
An nächsten Tag spielte der Konstrukteur mit seinem
Die Rechenschieber waren gezückt. Man erwartete die uralten Gartenschlauch. Da war so ein Ding dran, so
vielen Pferde, die an der Bremse erscheinen würden. eine schwenkbare Blechklappe. Ohne Einschwenken der
Es kamen nur acht magere Pferde. In dürren Zahlen: Blechklappe blieb der Wasserstrahl geschlossen und
7,8 PS bei etwa .5400 l/min und einem spezifischen hatte eine große Reichweite. Schwenkte er die
Verbrauch von 650 bis 700 g/PSh. Und das bei einem Blechklappe auch nur leicht geneigt in den Strahl,
Zwei Zylinder-Motor von 250 ccm (Bild 1). dann schlug der sich zu einem dünnen Film breit und
sprühte weit auseinander (Bilder 2+3). Die Reich-
Um zu sehen, ob es dem Motor vielleicht zu eng um weite war zum Teufel. Und genau das hatte er
die Brust sei, wurde der schalldämpfende Teil der gemacht! Er hatte die Spülstrahle auf die 45°
Auspuffanlage entfernt. Nun wurde es geradezu steile Kolbenkrone treffen lassen. Wenn auch nur
fürchterlich. Der Motor holte jetzt wirklich tief unter einem kleinen Winkel. Die Spülstrahle wurden
Atem. Das war am Brennstoffdurchlauf bei bester breitgeschlagen. Vorher waren sie schon durch die
Vergasereinstellung zu erkennen. Er soff. Die verschiedenen Neigungswinkel der Vorder- und Rück-
Leistung hatte sich um kärgliche 0,3 PS auf 8,1 PS seite der Überströmkanäle etwas zur Zylindermitte
erhöht. Aber der spezifische Brennstoffverbrauch lag hin abgelenkt worden. Durch das Breitschlagen auf
dabei über 800 g/PSh. der Kolbenkrone floß ein Teil des Strahles nach
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vorn. So wie auch in Bild 2 ein Teil entgegen der gasstrahle, die nach der Zylindermitte abgelenkt
Strömungsrichtung weggedrückt wird. Der größte Teil worden waren, bohrten ihn an und mischten sich mit
floß natürlich seitlich nach hinten. Aber für den ihm. Aber zum größten Teil blieb er unbehelligt. Und
vorderen Teil gab es nun kein Halten mehr. Denn gerade dieser Altgaskern hätte zum Auspuff hinausge-
gleich daneben begann der Auspuffschlitz, und der drängt werden sollen. Möglichst ohne große Ver-
Konus der Auspuffanlage zuzzelte diese Frischgase mischung mit den Frischgasen. Der große Altgasanteil
heftig in sich hinein. im Zylinder ergab die niedrige Leistung und das
durch den Auspuff verschwundene Frischgas den hohen
They never come back! Auf der Kolbenkrone konnte man spezifischen Brennstoffverbrauch. Denn auch die
ihren Weg ins Verderben deutlich verfolgen. beste Auspuffanlage kann das auf so traurige Weise
verlorengegangene Frischgas nicht wieder ganz in den
Der größte Teil des Frischgasstrahles strömte nach Zylinder zurückstoßen. Nur einen Teil schiebt die
hinten. Aber auch von ihm landete ein großer Teil im zurücklaufende Druckwelle durch den Auspuffschlitz
Auspuff. Nur etwas umständlicher. Das wurde dem hinein.
Konstrukteur jetzt klar. Die Frischgase strömten
also nach hinten zur Zylinderwand und prallten auf Und jetzt wußte er, der Konstrukteur, wie es gemacht
diese. Von jeder Seite ein Strahl. Über die Mitte werden mußte, damit kein Frischgas verlorengeht.
der hinteren Zylinderwand hinaus konnten sie nicht
ausweichen, denn da stützten sich die beiden Strahle Der Frischgasstrahl muß einen möglichst großen Quer-
gegenseitig ab. Es war nur Platz nach den Seiten der schnitt haben. Nur so kann er das Altgas vor sich
Zylinderwand und nach oben. Nach oben waren die herschieben, ohne sich mit ihm zu vermischen. Der
Strahle von den Uberströmkanälen her gerichtet. Also große Querschnitt muß aber kompakt sein. Ein dünner
strömten die Frischgase nach oben. Aber nicht in Film kann auch großen Querschnitt haben. Er ver-
einem kompakten Strahl, sondern als breiter, ziem- drängt jedoch das Altgas nicht, sondern schiebt sich
lich dünner auf der Zylinderwand aufliegender Film. seitlich daran vorbei. Der Frischgasstrahl darf
Oben kam der Frischgasfilm an den Zylinderkopf mit deshalb auf kein Hindernis treffen, welches ihn
seinem halbkugelförmigen Brennraum. Es war eine bremst oder ablenkt. Sonst ist der kompakte Strahl
Lust, diese Kurve! Die Frischgase legten eine Umkehr zum Teufel. Im Überstömkanal wird der Frischgas-
hin, wie sie in den Büchern und in den Prospekten der strahl zwar auch abgelenkt bzw. umgelenkt. Er ist
Auto Union zu sehen war. Hinter der herausragenden dabei aber überall von Wänden eingeschlossen, die
Zündkerzenelektrode war der durch Verbrennungsrück- ein Auseinanderfließen zu einem Film verhindern. Im
stände gut gekennzeichnete Windschatten sichtbar. Zylinder sind solche Wände nicht vorhanden. Die
Genau mittig verlaufend, denn die beiden Überström- einzige Wand, die Zylinderwand, läßt den Frischgas-
kanäle waren präzis gearbeitet. strahl beim Auftreffen nach allen Seiten auseinander-
fließen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, den
Und nun ging es abwärts mit den Frischgasen, bis sie Strahl ohne Breitschlagen umzulenken: den zweiten
der Auspuff hatte. In der Mitte des Zylinders blieb Frischgasstrahl. Die beiden Frischgasstrahle richten
ein dicker Altgaskern stehen. Die Anteile der Frisch- sich aneinander auf oder lenken sich gegenseitig um.
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Diese gequälten Überstömkanäle werden oft aus Platz-
gründen bei Parallel-Zweizylindern angewandt, bei
Und die letzte Steigerung ist der dritte Frischgas- denen auch die Symmetrielinien der beiden Zylinder
strahl aus dem dritten Überstömkanal gegenüber dem parallel stehen.
Auspuffschlitz zwischen beiden Hauptüberstömkanälen.

"Schußrichtung" der Frischgase


Um den einzelnen Frischgasstrahl mit kompaktem Quer-
schnitt in den Zylinder zu bekommen, muß die Diese Richtung soll möglichst schon ein Stück vor
Umlenkung vor dem Überströmschlitz sorgfältig ausge- dem Überströmschlitz festliegen, damit die Umlenkung
führt werden. Der wichtigste Teil ist die umlenkende beendet ist. Denn eine noch nicht beendete Umlenkung
Wand, die Außenwand. Die umgelenkte Strahlrichtung gibt dem Strahl eine andere Richtung, als die des
soll möglichst senkrecht auf ihr stehen. Und bis zum Überstömkanals im Überströmschlitz. Stark nach
Eintritt in den Zylinder soll noch eine kleine hinten gerichtete Überstömkanäle (hierbei ist immer
Führungslänge vorhanden sein, sonst tritt an der das letzte Stück des Kanals im Überströmschlitz
oberen Kante des Überströmschlitzes ein leichtes gemeint), die zum Beispiel miteinander einen Winkel
Breitschlagen ein. Die beiden Seitenwände sind nur von 90° einschließen, also unter 45° zur
da, um ein Auseinanderfließen des Strahles beim Symmetrielinie stehen, dürfen nicht steil nach oben
Umlenken zu verhindern. Die umlenkende Außenwand ist gerichtet sein. Stark nach hinten und gleichzeitig
an und für sich ja auch ein Hindernis, das steil nach oben gerichtete Kanäle (45° oder weniger
Breitschlagen erzeugt (Bild 4 ) . Steht die gewünschte nach hinten und 30° oder mehr nach oben z. B.)
Strahlrichtung nicht senkrecht zur Außenwand schlagen sich auf der hinteren Zylinderwand nach
(Bild 5 ) , dann muß die eine Seitenwand noch mit oben und nach den Seiten breit. Der dabei
umlenken. Die Außenwand würde den Strahl in der entstehende dünne Frischgasfilm schiebt sich an der
gestrichelten Richtung umlenken. Ein Breitschlagen Zylinderwand nach oben und läßt das Altgas stehen.
läßt die hintere Seitenwand nach der hinteren Die Kanäle müssen in einem solchen Fall möglichst
Zylinderwand hin zu. Die vordere Seitenwand muß waagerecht in den Zylinder eintreten. Dann stauchen
dagegen das Breitschlagen und Abfließen zum sich die beiden Frischgasstrahle zu einem dicken
Auspuffschlitz hin verhindern und den Strahl noch Klumpen zusammen, der zum größten Teil nach oben
zusätzlich nach hinten in die gewünschte Richtung wegquillt. Das Altgas wird ohne große Vermischung
abdrängen. Die geringe Führungslänge kann ein weggedrängt (Bild 6 ) . Aus dem Frischgasklumpen kann
gewisses Breitschlagen nicht verhindern, so daß der nichts zum Auspuffschlitz wegquellen, denn aus der
Strahl in den Zylinder hinein breiter wird. Ein Richtung kommen die Frischgase ja her. Ein Beispiel
Frischgasstrahl staucht sich beim Eindringen in das einer solchen Ausführung sind die Dreizylinder-
Altgas und wird vorn breiter. Das zusätzliche Breit- Motoren der Auto Union (Bild 7 ) . Die Kanäle stehen
schlagen bringt dann schon Strahlteile in gefähr- unter 90° zueinander und münden waagerecht in den
liche Nähe des Auspuffschlitzes. Der Strömungswider- Zylinder. Strömungsgünstig sind sie allerdings
stand einer solchen gequälten Umlenkung ist auch nicht.
größer als der einer vorschriftsmäßigen Umlenkung.
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ist. Entweder muß nun der Auspuff so hingetrimmt


Umgekehrt müssen Kanäle, die unter 140° oder werden, daß der Kraftstoff besser ausgenutzt wird,
weniger zueinander stehen, steil nach oben gerichtet oder die Spülung benötigt eine Korrektur. An
sein. Münden sie waagerecht, dann stauchen sich die spezifischen Kraftstoffdurchlauf und am Drehmoment
beiden Frischgasströme gegenseitig. Das Frischgas läßt sich die Wirkung einer jeden Änderung sehr gut
möchte nach hinten, nach oben und nach vorn weg- erkennen. Diese schöne Methode funktioniert aber nur
quellen. Hinten ist die Zylinderwand. Nach oben ist bei Vergasermotoren. Der Vergaser hat nämlich soviel
das Wegquellen sehr erwünscht. Aber das nach vorn Verstand, daß er sich mit seiner Kraftstofflieferung
wegquellende Frischgas strömt schnurstracks in den ziemlich genau der durch den Motor fließenden Luft-
Auspuffschlitz (Bild 8 ) . Sehr peinlich! menge anpaßt. Der spezifische Kraftstoffdurchlauf
kann also mit hinreichender Genauigkeit als verhält-
Als internationales Normalmaß hat sich eingebürgert: nismäßige Luftmenge betrachtet werden. Eine Ein-
Die Kanäle stehen unter 55-60° zur Symmetrielinie, spritzpumpe dagegen ist dumm. Ihr muß erst von
schließen also einen Winkel von 110-120° ein und komplizierten Regelmechanismen gesagt werden, wie-
sind etwa 15° nach oben gerichtet. Damit läuft der viel sie einspritzen muß. Bei ihr kann man nicht vom
Motor von der Überströmseite her unter allen Kraftstoffdurchlauf auf die Luftmenge schließen.
Umständen vernünftig. Die letzten Feinheiten der
Führung der Frischgasströme erfordern allerdings
immer noch eingehende Versuche. Dabei wird die "Die Spülung benötigt eine Korrektur"
Auswirkung einer Änderung auf der Leistungsbremse
gemessen, wobei auch der Kraftstoffdurchlauf Das ist schnell dahergeredet. Aber die Ausführung?
beachtet werden muß. Gerade an ihm erkennt man, ob Ein mit der gewünschten Änderung gegossener Zylinder
durch die Änderung der mehr durchgesetzte Kraftstoff erfordert schon in einer Fabrik viel Geld und noch
auch vorteilhaft in Drehmoment umgewandelt wurde, mehr Zeit. Für einen privaten Friseur ist das indis-
oder ob er zu einem mehr oder weniger großen Teil kutabel! Er braucht einen Versuchszylinder, bei dem
ungenutzt durch den Auspuff gewandert ist. Hierfür Form und Richtung der Überströmkanäle durch Ein-
wurde vom damaligen Ingenieurbüro H. W. Bönsch eine sätze, die in entsprechenden Kästen am Zylinder
sehr einfache, und trotzdem genaue Beurteilungs- befestigt werden, geändert werden können. Im Bild 9
methode ausgearbeitet. Außer dem Drehmoment und der ist die Ausführung eines solchen luftgekühlten Ver-
Leistung wurde aus dem gemessenen Kraftstoff- suchszylinders mit veränderlichen Überströmkanälen
durchlauf der spezifische Kraftstoffdurchlauf in gezeigt. Am schnellsten, einfachsten und am billig-
Milligramm pro Umdrehung und pro Liter Hubraum sten läßt sich ein Versuchszylinder in wasseergekühl-
errechnet. Aus seinem Verlauf über der Drehzahl und ter Ausführung herstellen. (Bilder 10, 11 und 12).
aus dem Verlauf des Drehmoments läßt sich ersehen, Die Wasserkühlung hat gegenüber der Luftkühlung
ob ein Mehr an durchgelaufenem Kraftstoff auch ein wesentliche Vorteile. Die Temperaturen bleiben immer
Mehr an Drehmoment gebracht hat. Wenn nicht, dann sehr niedrig und ziemlich gleich, bzw. lassen sie
folgt daraus die traurige Tatsache, daß dieses Mehr sich durch die Wasserzufuhr gut regeln. Sämtliche
an Kraftstoff nutzlos durch den Auspuff entwetzt Kanäle werden angeschraubt und dann mit Weichlot
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abgedichtet. Vorher werden die Dichtflächen von geschmiedet.


Zylinder und Kanal bzw. Kanalkasten verzinnt. Die
Weichlötung hält auch hohe Leistungen aus. Soll der Im Schnitt C-D (Bild 12) sind zwei verschiedene Über-
Winkel der Überströmkanäle zueinander geändert strörrkanäle gezeichnet, die durch entsprechende
werden, wo wird der alte Kasten abgeschraubt und Einsätze in die Überströmkästen erhalten wurden. Der
abgelötet. Der neue Kasten wird auf die gleiche große Überströmkanal hat eine Überströmzeit von
Weise angeschraubt und dicht gelötet. Bei dem in 139° KW und der Frischgasstrahl ist von 15° bis
Bild 9 gezeigten luftgekühlten Zylinder ist das 30° nach oben gerichtet. Die Querschnitte sind
Manöver wesentlich schwieriger. Hier muß gefräst und gewaltig. Die Form ergibt geringsten Durchfluß-
gebohrt werden. Schweißen und Hartlöten ist erforder- widerstand. Diese Form bzw. Größe des Überström-
lich, weil die Temperaturen im Betrieb sonst Dich- kanals ist nicht erprobt. Wahrscheinlich liegt sie
tungsschwierigkeiten ergeben. Und noch einen schwingungsmäßig bei einer zu hohen Drehzahl. Sie
weiteren Vorteil hat der wassergekühlte Zylinder. wurde nur eingezeichnet, im zu zeigen, was man
Der Durchbruch des Überströmschlitzes wird so hoch versuchsmäßig überhaupt unterbringen kann.
gemacht, daß auch die längste Überströmzeit unterge-
bracht werden kann. Den Einsatz, der eine kürzere Der kleinere Überströmkanal links hat sozusagen
Überströmzeit ergibt, braucht man nicht präzise auf Normalgröße. Der Radius der Innenwand ist gleich dem
die Zylinderlaufbahn gleichzuarbeiten. Man läßt die des großen Überströmkanals. Die Kanalquerschnitte
Oberkante dieses Überströmschlitzes ein paar Zehntel sind kleiner, deshalb sind auch die beiden Radien
Millimeter zurückstehen. Sie ist vorher verzinnt und der Außenwand kleiner. Trotzdem ist der kleinste
wird nach der Montage des Einsatzes mit Lötzinn Kanalquerschnitt mit 1,lcm x 2 , 5 c m = 2,75 cm 2
aufgefüllt. Dann wird das Lötzinn mit einem Schaber immer noch wesentlich größer als der der 250er Adler
abgearbeitet, daß es nur noch ein paar Zehntel in mit 2,28 cm 2 . Die MZ ES 125 liegt bei rund
die Laufbahn vorsteht. Ein Kolben mit einem Kolben- 2,4 cm 2 . Durch Einsätze seitlich kann die Kanal-
ring wird hindurchprobiert. Sanft natürlich. Der breite unseres Versuchszylinders auf 15mm
Kolbenring sorgt für genauesten Zylinderdurchmesser verkleinert werden. Das ist dann ein Kanalquer -
im Bereich der Oberkante Überströmschlitz. Einen schnitt von nur 1,65 cm 2 . In den Über strömkästen
genaueren Schaber gibt es gar nicht. Und einen zu mit Einsätzen ist also alles drin. Es lassen sich
kleinen Vorauspuff, der heißes Altgas in die Über- alle Möglichkeiten messen. Auch verschiedene
strörrkanäle eindringen läßt, zeigt diese zinnplat- Überströmzeiten, die allerdings auch verschieden
tierte Oberkante untrüglich an. Die heißen Altgase große Vorauspuffzeiten ergeben.
schmelzen die scharfe Zinnkante rund. Ganz zart. Das
ist doch wirklich eine rührende Unterstützung Aus dem Schnittbild C-D (Bild 12) sieht man aber
unserer Bemühungen. Der Versuchszylinder ist für ein auch noch, daß bei über die ganze Schlitzbreite
Kurbelgehäuse mit Kurbeltrieb und Kolben der Adler gleicher Schlitzhöhe der Neigungswinkel der führen-
M 125 gezeichnet. Dieses Kurbelgehäuse behindert den Außenwand beim Eintritt in den Zylinder hinten
einen durch keinerlei Getriebsgehäusewände. Der kleiner ist als vorn. Macht man den Neigungswinkel
Kolben ist von der Adler MB 250 S (Fabrikat Mahle) hinten und vorn gleich, dann ist der Überström-
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schlitz hinten höher als vorn. Viele denken, daß der gleichem Austrittsquerschnitt. In Bild 15 sind oben
Überströmschlitz auch hinten zuerst zu spülen vier Krümmer mit gleichem Ein- und Austrittsquer-
beginnt. Das ist aber nur der Fall, wenn der Voraus- schnitt, aber verschieden großen Innen- und Außen-
puff genügend groß ist. Bei zu wenig Vorauspuff geht radien dargestellt. Man sieht, daß bei einem Innen-
es gerade umgekehrt. Zuerst fährt heißes Altgas in radius gleich der doppelten Höhe ba des Austritts-
den hinten zuerst öffnenden Überströmschlitz, und querschnitts der Durchflußwiderstand rund 11% des
dieser fängt vorn in seinem niedrigsten Teil zu Staudrucks im Austrittsquerschnitt beträgt. Eine
spülen an und dann erst hinten. Auf dem Kolbenboden weiter Vergrößerung der Radien nützt nicht viel. Der
ist dieser Zustand daran erkenntlich, daß er vorn Durchflußwiderstand sinkt praktisch nicht unter 10%.
beim Auspuff vom Frischgas blank gespült ist und Das geht aus dem Bild 16 hervor, das den Durchfluß-
daneben scharf abgegrenzt Ölkohle ansetzt, während widerstand bei verschiedenen Innen- und Außenradien
er hinten, wo die heißen Altgase eingedrungen sind, zeigt. Der Staudruck q ist die Geschwindigkeitsener-
nicht blank gespült wird. gie des Gases im Austrittsquerschnitt und ist für
Luft von atmosphärischem Druck:
Ein Überströmschlitz, der bei vorn und hinten
gleichen Neigungswinkeln des Kanals über seine ganze q = 0,00623 v2 (mbar).
Breite gleich hoch ist, läßt sich nur sehr schwierig
bauen. In zwei Windungen müßte er erst nach vorn Die Luftgeschwindigkeit v wird in m/sek eingesetzt.
oben laufen, dann unter dem Winkel des Überström- Bei 100 m/sek Luftgeschwindigkeit ist q = 62,3 mbar,
kanals zur Zylinderquerachse nach oben hinten in die der Durchflußwiderstand von 10,8% beträgt also rund
Umlenkung zum Überströmschlitz. Das ergibt einen 6,7 mbar. Bei 200 m/sek sind es 26,9 mbar.
sehr langen Überströmkanal, der durch seine Länge
nicht für hohe Drehzahlen geeignet ist und durch die Ein Krümmer, dessen Eintrittsquerschnitt doppelt so
mehrfachen Umlenkungen auch einen höheren Durchfluß- groß wie der Austrittsquerschnitt ist, hat einen
widerstand hat. Bis heute werden weiterhin Überström- geringeren Durchflußwiderstand. Das Bild 15 zeigt
kanäle gebaut, die einen Kompromiß der verschiedenen unten fünf solche Krümmer. Die ersten drei Krümmer
Neigungswinkel mit einem möglichst kurzen und dabei haben oben und unten jeweils den gleichen Innen-
möglichst strömungsgünstigen Kanal darstellen. radius, und der Außenradius ist nach dem geringsten
Durchflußwiderstand ausgesucht (Bild 16 und 17). Und
Nun zum Strömungswiderstand. Der Überströmkanal da ergibt sich für den unteren Krümmer mit einem
setzt sich entweder aus zwei Krümmern, bzw. Um- Innenradius von 20 mm ein Durchflußwiderstand von
lenkungen zusammen (Bild 13), oder die beiden Um- 7,3%, das sind bei 100 m/sek 4,6 bar und bei
lenkungen gehen bei kurzen Kanälen mit großen Quer- 200 m/sek 17,9 mbar. Diese Widerstandsverminderung
schnitten in eine einzige Umlenkung über (Bild 14). gegenüber dem Krümmer mit gleichen Ein- und Austritt-
Bei einem Krümmer mit rechtwinkeliger Umlenkung werten, darf man aber nicht überbewerten, denn er
hängt der Durchflußwiderstand von der Größe der ist nur ein Gewinn von 8,9 mbar . Der Ausströmwider-
Radien in der Umlenkung ab. Je größer der Umlenkungs- stand ist viel größer. Um aus einem Rohr von 28 mm
radius, desto kleiner der Durchflußwiderstand bei lichter Weite die Luft mit 170 m/sek auszustoßen,
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benötigt man einen Druck von 98,1 mbar. Das ist das Die Grenzen sind für die Höhe die Steuerzeit, die
Fünffache des Durchflußwiderstandes! von dem nötigen Vorauspuff bestimmt wird und für die
Breite die Nähe des Auspuffschlitzes, bzw. was man
Für die Gestaltung der Überströmkanäle ergibt sich sich an Frischgasverlusten leisten will. Bei Renn-
also Folgendes: motoren ist man da nicht so pingelig.
Man führt sie, um sein Gewissen zu beruhigen, so Zu beachten ist auch die Höhe des unteren Eintitts
strömungsgünstig wie möglich aus. Kleine Fehler in den Überstömkanal. Das Kolbenhemd muß ja schließ-
zählen hier als häßliche Sünden. In welch engem lich den Auspuffschlitz noch abdecken. Und wenn ein
Rahmen man sich nur bewegen kann, zeigt wieder der Ansaugschlitz da ist, den auch. Bei einem seitlichen
Schnitt C-D des Versuchszylinders (Bild 12). Der Scheibendrehschieber läßt sich noch etwas holen.
Innenradius der oder des Krümmers ist mit 20 mm Doch der Drehschieber will auch untergebracht sein.
festgelegt. Das ist die Hälfte des Abstandes von der "Hart im Räume stoßen sich die Sachen!"
Kolbensteuerkante bis zur Unterkante Kolbenbolzen-
auge. Ein größerer Innenradius würde nicht viel Und jetzt kommt der Punkt, über den noch keine
bringen und nur den Eintrittsquerschnitt des richtige Klarheit herrscht: Wie werden die Überström-
Überströmkanals verkleinern, der von unten her durch kanäle abgestimmt? Auch in den wenigen Veröffent-
den Durchmesser der Kurbelscheibe begrenzt ist. Im lichungen kommt das nicht ganz klar heraus. Eines
Hinblick auf einen geringen Durchflußwiderstand steht jedoch fest. Die Übeströmkanäle lassen sich
sollte man den oberen Krimner mit sich verringerndem abstimmen. Und sie sind bei allen unseren serien-
Querschnitt, also Eintrittsquerschnitt gleich mäßigen Zweitaktmotoren zu kurz. Der Grund dafür ist
doppeltem Austrittsquerschnitt (Überströmschlitz mal der zur Verfügung stehende Raum und das Volumen des
cos des Eintrittswinkels) und den unteren Krümmer Kurbelgehäuses im uT.
mit Eintrittsquerschnitt gleich Austrittsquerschnitt
ausführen. Ob dieser schöne Überströmkanal auch Unter welchen Annahmen kann man sich nun in die
schwingungsmäßig paßt, ist fraglich. Eventuell kommt Gegend der richtigen Abstimmung hinpeilen?
man besser zurecht, wenn der obere Krümmer mit
gleichem Ein- und Austrittsquerschnitt und der untere Der Überströmschwingungsvorgang wird oft als
mit doppeltem Eintrittsquerschnitt ausgeführt wird. Kopplung zweier Schwingungen, nämlich des Zylinders
Für den Außenradius gibt es einen Rezeptwert. Nach mit der Auspuffanlage und des Kurbelgehäuses mit den
Bild 14, 15 und 16 macht man ihn gleich 80% der Überströmkanälen und dem Zylinder betrachtet. Hier-
Summe von Innenradius und Höhe des Eintrittsquer- für gibt es Berechnungsverfahren. Diese sind sehr
schnittes. Das gibt den kleinsten Durchflußwider- zeitraubend und die Formeln zur Berechnung der
stand. Auch der große Überströmkanal des Schnittes gekoppelten Schwingung, die zwei Eigenschwingungs-
C-D (Bild 12) ist so ausgeführt (genau sind es hier zahlen hat, ausgesprochen grauslich. Sie können hier
77,75%). aus Gründen der Menschlichkeit für die Normal-
frisierer nicht gebracht werden.
Der Überströmschlitz wird möglichst groß gemacht.
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Es geht aber auch einfacher. Wenn die Auspuffanlage bei den Überströmkanälen - ausnahmsweise - das Glück
richtig ausgebildet ist, dann herrscht fast während nicht in der Schwingungsabstimmung: Die Schwingung
der gesamten Öffnungszeit der Überströmkanäle Atmos- des Auspuff-Systems ist nämlich aufgrund der dort
phärendruck, ia sogar teilweise Unterdruck im wesentlich höheren Drücke dominant. Erheblich
Zylinder. Den Überströmkanälen wird hierdurch ein wichtiger ist bei den Überströmern die Strahlführung
Ausströmen ins Freie, in die Atmosphäre simuliert. für die Spülung. Darauf muß das Augenmerk gerichtet
Hierbei ist das Kurbelgehäuse mit den zwei Über- werden.
strömkanälen ein Helholtzscher Resonator, der sich
mit den uns bekannten Formeln berechnen läßt. Das Die Formel zeigt aber Zweierlei:
Kurbelgehäuse mit seinem Volumen wirkt als Feder und
die Luftsäule in den Überströmkanälen als Masse. Eine Veränderung der (mittleren) Querschnittsfläche
hat nur eine zu vernachlässigende Wirkung auf die
Aufgrund dieser Überlegungen gelangen wir zu einer Resonanzschwingung, da Fm nur in der ersten Potenz
Formel, die sehr ähnlich ist, wie die uns von der eingeht. Es kann also nicht passieren, daß durch
Einlaßschwingung bereits bekannte. Es gilt: eine Kanalerweiterung ungewollte Resonanz-Nachteile
entstehen.

Werden in die Formel konkrete Werte eingesetzt, dann


sieht man, daß die Resonanzdrehzahl auch bei
biederen Serienmotoren recht hoch liegt und sich -
V k = Kurbelgehäusevolumen im uT ohne die diese Tatsache ist bereits von der Einlaßschwingung
Überströmkanäle (ccm) her bekannt - deshalb über ein recht breites Dreh-
l = mittlere Länge eines Uberströmkanals (cm) zahlband erstreckt. Beides kommt uns auf der Suche
Fm = mittlere Querschnittsfläche eines Überström- nach Spitzenleistungen sehr entgegen. Deshalb werden
kanals (cm2) übrigens auch viele gedrosselte Motoren plötzlich
phi= Steuerwinkel (°KW) (abzüglich eines sehr schnell, wenn sie - z. B. durch eine Gefäll-
Winkels von ca. 30-60° für die Zeit, in strecke - ersteinmal eine Geschwindigkeits-Hemm-
der die Gassäule einschwingt) schwelle überwunden haben.
n = Drehzahl (l/min)
pi = Kreiszahl (= 3,142) Für das Tuning von größeren Zweitaktern ist die hoch-
c = Schallgeschwindigkei t im Überström- liegende Resonanz-Drehzahl allerdings nachteilig,
kanal (cm/sek) (etwa = 38.000 cm/sek) denn diese erreichen derart hohe Drehzahlen (ab ca.
10000 l/min) häufig gar nicht. Es gibt hier nur zwei
Es ist ja bereits bekannt, daß derartige Formeln nur Möglichkeiten: Entweder einen anderen Zylinder mit
Richtwerte liefern, schon deshalb, weil zahlreiche besser geeigneten, also längeren Kanälen einbauen
Schätzwerte eingehen, zum Beispiel die Gastemperatur (was natürlich Unfug ist); oder auf Drehschieber
und -Zusammensetzung für die Schallgeschwindigkeit oder Schlitz-Steuerung auf der Einlaßseite
oder die Einschwingzeit der Gassäule. Außerdem liegt vertrauen. Denn bei größeren Motoren sind derartige
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Steuerungen Voraussetzung für hohe Drehzahlen - auch
die Membransteuerung übrigens, die ja in der Beur-
teilung für kleinere Motoren ziemlich schlecht
abgeschnitten hat. Wichtig für diese Drehzahlen ist
natürlich auch eine gute Kurbelwellen-Auswuchtung,
besonders bei großen Motoren, wegen der dort
ebenfalls großen Kolben-Massen.

Zum Abschluß noch eine Bemerkung zum Werkzeug: Wenn


die Überströmkanäle an gut zugänglichen Stellen be-
arbeitet werden sollen, also an der Unterseite, oder B I L D T E I L
größere Umbauten vorgenommen werden (z. B. Einbau
von Membranen), dann ist ein hervorragendes Werkzeug
ein zweckentfremdeter (Bosch-) Schleifer. Wird statt
der Schleifscheibe ein Fräser aufgesetzt, kann man
damit Metall abschleifen wie Butter. Und das große
Gewicht des Schleifers verhindert ein plötzliches
Abrutschen. Auch in Verbindung mit einer Biegewelle
ist der Schleifer ein idealer Antrieb zum Polieren
oder Fräsen. Eine Bohrmaschine läuft entweder zu
langsam oder, wenn man sie übersetzt, hat sie keine
Kraft und richtet nur Unheil an.
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Bild 2: Ein Flüssigkeits- oder Gasstrahl trifft


schräg auf eine ebenen Platte, schlägt sich breit
und bildet einen dünnen Film auf der Platte. Der
größte Teil des Strahles behält die Strahlrichtung
bei. Entgegen der Strahlrichtung, von vorn nach
hinten kleiner werdende Mengen werden seitlich und
ein geringer Teil sogar entgegen der Strahlrichtung
nach hinten weggedrückt.

Bild 1: Das ist der versoffene Unglückszylinder mit


der "Umkehrspülung". Hoher Verbrauch durch Frisch-
gasverluste in den Auspuff und niedrige Leistung
durch den großen, stehen gebliebenen Altgaskern.
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Bild 5 (rechts): Der Gasstrahl tritt senkrecht zur
Achse der Umlenkung ein. Und diese möchte ihn auch
senkrecht zur Außenwand in Richtung Auspuff
weiterlaufen lassen - er würde dann auch nach der
Umlenkung wieder senkrecht auf der Umlenkungsachse
stehen. Die schrägstehenden Seitenwände wollen ihn
aber nicht in dieser Richtung laufen lassen. Die
hintere Seitenwand erlaubt ein seitliches
Breitschlagen nach hinten. Die vordere Seitenwand
muß die Strahlteile in die gewünschte Richtung nach
hinten drängen, was durch die sehr kurze
Führungslänge nach der Umlenkung nur teilweise
geschieht. Der kompakte Strahlteil ist mehr nach der
Zylindermitte bzw. dem Auspuff zu gerichtet, was
Frischgasverluste bedeutet.

Bild 3: Ein Flüssigkeits- oder Gasstrahl - Gas wird


ja in der Physik häufig als eine Flüssigkeit
betrachtet - trifft genau senkrecht auf eine ebene
Platte. Er schlägt sich breit, fließt gleichmäßig
nach allen Seiten und bildet dabei einen immer
dünner werdenden Film auf der Platte. Die sich aus
der Filmdicke und dem Kreisumfang im Abstand von der
Strahlmitte ergebende Fläche ist immer gleich der
Querschnittsfläche des Strahles. Das Bild entspricht
also der Wirklichkeit.

Bild 4 (nächste Seite links): Auch in der Umlenkung


eines Überströmkanals wird der Gasstrahl breitge-
schlagen, weil nach dem Austritt aus dem Über ström-
schlitz keine führenden seitlichen Wände mehr da
sind. Der Strahl verläßt die Umlenkung nur dann
senkrecht zur Außenwand, wenn er auch senkrecht zur
Achse der Umlenkung in diese eintritt.
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Bild 7: Überströmkanäle, die zueinander einen


kleinen Winkel , hier 90°, haben, erfordern einen
waagerechten Eintritt der Frischgasstrahle.

Bild 6: Eine vorzügliche Führung der Überströmkanäle


mit sanfter Umlenkung durch große Radien von Innen-
und Außenwand (Zündapp 200 S und 250 SK Große
Radien bedeuten große Führungslänge. Die Zündapp
200 S erreichte mit diesen Über Strömkanälen ein
höchstes Drehmoment mit dem damals (1955) sagen-
haften Wert von 98 Nm/Liter. Und das mit einer
Verdichtung von nur 6,4! Ein Schönheitsfehler: An
Eintritt der Überströmkanäle entstehen Wirbel.
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Bild 9: Luftgekühlter Versuchszylinder mit ver-


änderlichen Formen und Querschnitten der Überström-
kanäle. Die hohe Betriebstemperatur des luftgekühl-
ten Zylinders erfordert ein Anschweißen bzw.
Hartlöten der Kästen auf die Überströmkanäle am
Zylinder. Eine Änderung des Winkels der Kanäle
zueinander (von oben gesehen) erfordert einen neuen
Zylinder. (IVK der TH Dresden.)

Bild 8: Eine Überströmseite mit Frischgasverlusten.


Die Überströmkanäle schließen einen großen Winkel
von 150°ein und die Frischgasstrahle münden waage-
recht in den Zylinder. Ein Teil des Frischgases
quillt nach vorn in den Auspuff. Da nützt auch die
gute, strömungsgünstige Form der Überstömkanäle
nichts. Hier müssen die Frischgasstrahle mindestens
15°, wenn nicht bis 30° nach oben gerichtet in den
Zylinder eintreten.
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Bild 11: Schnitt durch den wassergekühlten


Versuchszylinder von oben gesehen. Die Befestigung
der Über Strömkanäle ist zu sehen, ebenso die des
inneren Füllstückes.

Bild 10: Schnitt durch einen wassergekühlten


Versuchszylinder mit veränderlichen Kanälen. Die
Kanäle sind am Zylinder festgeschraubt und mit
Weichlot dicht gelötet. An Auspuffkanal ist außen
ein Kragen angedreht, um die höhere Wandtemperatur
nicht zur Lötstelle weiterzuleiten. Die Lötstelle
wird vom Wasser genügend gekühlt. Der obere Deckel
mit dem Wasseraustritt wird mit den abgeschrägten
Flächen der Schelle auf den Dichtring gepreßt. Der
Wassermantel aus Blech ist überall weich verlötet.
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Bild 12: Querschnitt durch den wassergekühlten
Versuchsmotor. Die Überströmkanäle sind um je 30°
nach hinten geklappt. Die Befestigung verschiedener
Einsatzstücke ist schnell durchzuführen. Im Betrieb
sind die beiden Überströmkanäle selbstverständlich
gleich - es soll hier nur gezeigt werden, welch
verschiedene Kanal formen möglich sind. Der
Kurbeltrieb ist von der Adler 125. Kolben Adler
NB 250 S (Mahle).

Bild 13 (links): Überströmkanal von Bild 12 links.


Die Querschnitte und die inneren und äußeren Radien
entsprechen etwa serienmäßig ausgeführten Kanälen.
Die mittlere Länge des Kanals ist länger als serien-
mäßig üblich. Eine "Peilung" durch Rechnung deutet
jedoch darauf hin, daß sie auch für eine Drehzahl
von n = 10000 l/min noch länger sein sollte.

Bild 14 (rechts): Überströmkanal von Bild 12 rechts.


Die Querschnitte sind extrem groß. Die
rechnungsmäßige Drehzahl für bestes Überströmen
liegt für einen 125-ccm-Motor mit etwa 17000 l/min
zu hoch.
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Bild 16 (links): Druckverlust in 90°-Krümmern mit


gleichem Eintritts- und Austrittsquerschnitt in
Abhängigkeit von Innen- und Außenradius. Die Kurve
ri/be = 2,0 kommt für Überströmkanäle in Frage.

Bild 17 (rechts): Druckverlust in 90°-Krünrmern mit


einem Eintrittsquerschnitt der doppelt so groß wie
der Austrittsquerschnitt ist.

Bild 15: Durchflußwiderstand (in % des Staudruckes


im Austrittsquerschnitt) verschiedener 90°-Krümmer.
Die vier Krümmer oben links haben gleichen Ein- und
Austrittsquerschnitt, bei allen ander ist der
Eintrittsquerschnitt doppelt so groß wie der
Austrittsquerschnitt. Die Abmessungen passen etwa
für einen 125-ccm-Zylinder (10 mm Schlitzhöhe und
etwas mehr). Jedoch sind bei einem 125-ccm-Zylinder
Innenradien von 25 mm platzmäßig nicht mehr
unterzubringen, so daß die Krümmer rechts oben und
unten (je zwei) ausscheiden.

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