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Vertiefung Astrophysik

Leibniz Kolleg Universität Tübingen

PD Dr. Thorsten Nagel


Inhaltsverzeichnis

1 Stellare Spektralanalyse 3
1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Einschub: Strahlungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3 Prinzipielles Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.4 Berechnung synthetischer Sternspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.4.1 Das Strahlungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.4.2 Strahlungstransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.4.3 Absorptions- und Emissionskoeffizienten κν und ην . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4.4 Statistische Gleichungen (Ratenmatrix) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4.5 Energiegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.4.6 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.4.7 Ladungs- und Teilchenzahlerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.4.8 Lösungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2 Die Keplergesetze 25
2.1 Aussagen der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.2 Herleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.3 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.4 Anwendungsbeispiele: Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3 Interplanetare Raumfahrt 37
3.1 Kosmische Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.2 Raketengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.3 Hohman-Bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

1
3.4 Raketentriebwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
3.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
3.4.2 Chemische Antriebssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.4.3 Ionentriebwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.4.4 Nukleare Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4 Der Aufbau der Sterne 52


4.1 Sternaufbaugleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2 Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

5 Schwarze Löcher 66
5.1 Stellare Schwarze Löcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
5.2 Supermassive Schwarze Löcher (SMBH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5.3 Mittelschwere Schwarze Löcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.4 Primordiale Schwarze Löcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.5 Eigenschaften der Schwarzen Löcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
5.6 Zeitliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.7 Gravitationswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

2
Kapitel 1

Stellare Spektralanalyse

1.1 Motivation

• Sterne sind extrem weit entfernt.


• Keine experimentellen Untersuchungen oder Sondenmissionen sind möglich (Ausnahme Sonne).
• (Nahezu) Einzige Informationsquelle ist das von den Sternen ausgesendete Licht.
• Möglichkeiten, das Sternlicht zu beobachten:
– Gesamthelligkeit über einen großen Wellenlängenbereich, um z.B. Helligkeitsvariationen zu
bestimmen:
⇒ Photometrie
– Zerlegung des Lichts in sein Spektrum, z.B. mit Hilfe eines Prismas:
⇒ Spektroskopie

3
• Das beobachtete Spektrum eines Sterns hängt unter anderem ab von:
– Temperatur (Effektivtemperatur, Temperaturstruktur)
– Dichte
– Oberflächenschwerebeschleunigung
– Chemische Zusammensetzung
– Rotation
– Radialgeschwindigkeit
– Interstellares Medium

Analyse des Sternspektrums liefert also detaillierte Erkenntnisse über die Photosphäre des
Sterns und erlaubt Rückschlüsse auf die Sternentwicklung.

4
1.2 Einschub: Strahlungsgesetze

• Verlauf der Intensität B des Kontinuums eines schwarzen Körpers der Temperatur T (Abb. 1.1)
wird durch das Planck’sche Strahlungsgesetz beschrieben (hierbei sind h das Planck’sche Wir-
kungsquantum, ν die Frequenz, c die Lichtgeschwindigkeit und k die Boltzmann-Konstante):
2hν 3 1
B = 2 · hν/kT
c e −1
• für den Zusammenhang zwischen Temperatur T und Fluss F gilt das Stefan-Boltzmann-Gesetz
(σ ist hierbei die Stefan-Boltzmann-Konstante):
F = σ · T4

• für den Zusammenhang zwischen Temperatur T und Wellenlänge λmax des Flussmaximums gilt
das Wien’sche Verschiebungsgesetz:
λmax · T = const

• für die Energie eines Photons der Frequenz ν wobei c = λ ν gilt:


E = hν

5
Abbildung 1.1: Kontinuumsspektren für verschiedene Temperaturen.

6
1.3 Prinzipielles Vorgehen

Wie geht die Analyse eines Sternspektrums vor sich ?


• Sternspektrum muss mit für die zu erreichenden Ziele geeignetem Instrumentarium aufgenom-
men werden (Auflösung, Signal/Rausch Verhältnis).
• Aufbereitung des aufgenommenen Spektrums: Dunkelstrom, Flatfield, Wellenlängenkalibration.
• Berechnung eines Modellspektrums unter möglichst detaillierter Berücksichtigung der in einer
Sternatmosphäre ablaufenden physikalischen Prozesse (soweit sinnvoll).
• Vergleich von Beobachtung und Modell erlaubt die Bestimmung von Parametern wie Tempera-
tur, Druck oder chemische Zusammensetzung.

Was ist zur Berechnung eines Sternspektrums nötig ?


• Kenntnis der Physik einer Sternatmosphäre.
• Atomphysikalische Daten der chemischen Elemente.
• Rechenpower.

7
1.4 Berechnung synthetischer Sternspektren

Struktur einer Sternatmosphäre ist bestimmt durch


• Strahlungstransport
• Energiegleichgewicht
• Hydrostatisches Gleichgewicht
• Besetzungszahlen der atomaren Niveaus
• Ladungs- und Teilchenzahlerhaltung

Annahmen bzgl. einer Sternatmosphäre, die für die allermeisten Sterne akzeptabel sind:
• planparallele Schichten
⇒ keine Roten Riesen
• zeitunabhängig
⇒ keine Pulsationen oder Schocks
• hydrostatisch
⇒ keine magnetischen Kräfte, kein Sternwind
• radiatives Gleichgewicht
⇒ keine Konvektion

8
1.4.1 Das Strahlungsfeld

• Strahlungsfeld wird beschrieben durch die spezifische Intensität Iν

δE
Iν (~n,ν,~x,t) =
dA dν dω dt


Oberfläche

θ mit µ = cos θ

z

Mittelebene
dA

9
• Integration von Iν über die Raumrichtung liefert das nullte, erste und zweite Moment des
Strahlungsfeldes:
Z1
1
mittlere Intensität Jν (z) = Iν (µ,ν,z) dµ
2
−1
Z1
1
Eddington- bzw. Strahlungsfluss Hν (z) = Iν (µ,ν,z)µ dµ
2
−1
Z1
1
Kν (z) = Iν (µ,ν,z)µ2 dµ
2
−1

• Eddingtonfluss Hν (z), Strahlungsfluss Fν und astrophysikalischer Fluss Fν sind verbunden


durch
Fν = πFν = 4πHν

• Die Leuchtkraft L ist der von der gesamten Oberfläche eines Sterns mit Radius r abgestrahlte
über alle Wellenlängen integrierte Fluss F
L = 4 π r2 F = 4 π r2 σ Teff
4

mit der Stefan-Boltzmann-Konstanten σ und der Effektivtemperatur Teff

10
1.4.2 Strahlungstransport

• Berechnung des Strahlungsfelds, das die atomaren Besetzungszahlen mitbestimmt, erfordert die
Lösung der Strahlungstransportgleichung.
• Sie beschreibt die Änderung der spezifischen Intensität Iν eines Strahls durch Absorption und
Emission entlang seines Weges s durch das Plasma:

z µ = cos θ
dz

ds
dz = µ ds .
θ

11
Absorption entlang des Weges ds: dI = − κ I ds
mit dem Absorptionskoeffizienten (Opazität) κ.

Emission entlang des Weges ds: dI = η ds


mit dem Emissionskoeffizienten η.

dI
Für den Strahlungstransport ergibt sich also ds = η − κI

Meist wird eine andere Tiefenskala benutzt:


geometrische Tiefe dz = −µ ds
optische Tiefe dτ = κ dz wobei τ (ν,z)

Es ergibt sich also

∂ Iν (ν,µ,z)
µ = −κν (ν,z) Iν (ν,µ,z) + ην (ν,z)
∂z

12
1.4.3 Absorptions- und Emissionskoeffizienten κν und ην

• Maß für die Schwächung und Verstärkung der Strahlung durch Absorptions- und Emissions-
vorgänge im Plasma
• setzen sich zusammen aus Beiträgen folgender atomarer Übergänge:
– gebunden-gebunden: Anregung und Abregung
– gebunden-frei: Ionisation und Rekombination
– frei-frei: Bremsstrahlung (freies Elektron im Feld eines Ions)
– Streuung eines Photons an freien Elektronen

13
Absorptionskoeffizient χν :

XX gli −h(ν−νij )/kT


κν = σli→lj (ν)(nli − nlj e )
i=1 j>i
glj

XX
+ σli→l+1,k (ν)(nli − n∗lie−hν/kT )
i=1 j>i

!
X X
−hν/kT
k
+ neσkk (l,ν)(1 −e ) nl+1,i + n∗l+1,i
i=1 i=1

+ neσe

Hierbei bezeichnen σ Wirkungsquerschnitte, g statistische Gewichte, k die Boltzmannkonstante, ne


die Elektronendichte, nij die Besetzungszahlen, n∗ij die Besetzungszahlen im lokalen thermodyna-
mischen Gleichgewicht LTE, T die Temperatur, ν die Frequenz, c die Lichtgeschwindigkeit und h
das Plancksche Wirkungsquantum.

14
Emissionskoeffizient ην :

2hν 3 X X gli
ην / 2 = nlj σli→lj (ν)e−h(ν−νij )/kT
c i=1 j>i
glj

XX
+ n∗liσli→l+1,k (ν)e−hν/kT
i=1 j>i

!
X X
+ neσkk (l,ν)e−hν/kT nl+1,i + n∗l+1,i
i=1 i=1

+ neσeJν

Hierbei bezeichnen σ Wirkungsquerschnitte, g statistische Gewichte, k die Boltzmannkonstante, ne


die Elektronendichte, nij die Besetzungszahlen, n∗ij die Besetzungszahlen im lokalen thermodyna-
mischen Gleichgewicht LTE, T die Temperatur, ν die Frequenz, c die Lichtgeschwindigkeit und h
das Plancksche Wirkungsquantum.

15
1.4.4 Statistische Gleichungen (Ratenmatrix)

• Bestimmung der Besetzungszahlen ni der atomaren Niveaus.


• Vereinfachende Annahme, die gut erfüllt ist in tiefen Tiefen bzw. solange Stoßraten deutlich
dominieren gegenüber Strahlungsraten: lokales thermodynamisches Gleichgewicht LTE
⇒ Bestimmung der Besetzungszahlen möglich mittels Saha- und Boltzmanngleichungen
Boltzmann-Gleichung bestimmt Besetzung zweier gebundener Zustände i, j innerhalb einer
Ionisationsstufe
ni gi −(Ei−Ej )/kT
= e (1.1)
nj gj

mit den Anregungsenergien Ei.


Saha-Gleichung bestimmt Besetzung verschiedener Ionisationsstufen
  32
nup 2 2 π me k T gup −(Eup−Elow)/kT
= e (1.2)
nlow ne h2 glow

mit der Energie des Ausgangszustands Elow und der Ionisierungsenergie Eup.

16
• Im realistischen Fall (non-LTE): Berücksichtigung sämtlicher Prozesse, die zur Be- und Entvölke-
rung eines atomaren Niveaus beitragen: durch Strahlung und Stöße verursachte An- und Abre-
gungen sowie Ionisation und Rekombination.
• Für jedes Niveau jedes Ions eine Ratengleichung, die die zeitliche Änderung der Besetzungsdichte
ni des Niveaus i als Summe aller Be- und Entvölkerungsprozesse beschreibt:
∂ni X X
= − ni Pij + nj Pji
∂t
i6=j j6=i

• Im stationären und insbesondere im statischen Fall gilt dann


 
X X nj ∗
 
− ni  (Rij + Cij ) + (Rij + Cji)
j>i j<i
ni
X  ni ∗ X
+ nj (Rji + Cij ) + nj (Rji + Cji) = 0
j>i
nj j<i

Rij : Strahlungsraten
Cij : Stoßraten
ni: Besetzungszahlen

17
• Strahlungsrate aufwärts Z
σij (ν)
Rij = 4 π Jν dν

• Stoßraten aufwärts
Z∞
ni Cij = ni ne σij (v) f (v) v dv
v0
Es existieren zahlreiche Formeln zur Berechnung der Stoßraten, oft konkret angepasst an be-
stimmte Ionen und Übergänge. Ein Beispiel ist die von Regenmorter-Formel (1962) als Faust-
formel für erlaubte Dipolübergänge:
 2
√ EH
Cij = C0 ne T 14,5 fij u0 e−u0 Γ(u0)
E0

E0
E0 = hνij u0 =
kT

Γ(u0) = max[ḡ; 0,276eu0 E1(u0)]

fij ...Oszillatorenstärken

EH...Ionisationsenergie von Wasserstoff

18
1.4.5 Energiegleichgewicht

• Keine Energieerzeugung in Sternatmosphären, lediglich Transport der Energie aus dem Stern-
inneren nach außen.
• Energietransport entweder über Strahlung (heiße Sterne) oder Konvektion (kalte Sterne, hier
ignoriert).
• Das radiative Gleichgewicht bestimmt die Temperaturschichtung der Sternatmosphäre.
• Strahlungsgleichgewicht bedeutet absorbierte Strahlung = emittierte Strahlung

Z Z∞
Absorption pro cm2 und Sekunde dω κ(ν) Iν dν
4π 0

Z Z∞
Emission pro cm2 und Sekunde dω ην dν
4π 0

19
• κ und η seien isotrop, Integration über dω und Gleichsetzen liefert
Z∞ Z∞
κ(ν) Jν dν = ην dν
0 0

bzw. mit der Quellfunktion S = η/κ folgt


Z∞
κ(ν) (Jν − Sν ) dν = 0
0

• alternativ: Flusskonstanz für jede Tiefe


dHν
= 0
dz

20
1.4.6 Hydrostatisches Gleichgewicht

• Beschreibt Gleichgewicht zwischen Gasdruck, Strahlungsdruck und Schwerkraft:

Z∞
dPgas G M∗ 4π
= ρ(t) − κ(ν) Hν (t) dν
dt R∗2 c
0

• Überwiegt der Strahlungsdruck die Schwerkraft, expandiert die Atmosphäre (Stabilitätsgrenze:


Eddingtonlimit).
• Hydrostatische Gleichung liefert Pgas und über Pgas = N k T auch Gesamtteilchendichte N .
• Berechnung der Besetzungszahlen erfordert die Elektronendichte ne.
• Sternatmosphären sind elektrisch neutral, also:
jk
K X
X
ne = jNjk
k=1 j=0

jk ist die Zahl der Ionisationstufen des Elements k, Njk ist die Dichte der j-ten Ionisationsstufe
des Elements k.

21
1.4.7 Ladungs- und Teilchenzahlerhaltung

Für die Teilchenzahlerhaltung gilt:

Element Ion NLTE LTE


!
X X X X
N = nxil + n∗xil + ne
x=1 i=1 l=1 l=1

Für die Ladungserhaltung gilt:

Element Ion NLTE LTE


!
X X X X
ne = q(i) nxil + n∗xil
x=1 i=1 l=1 l=1

22
1.4.8 Lösungsverfahren

Man erhält ein System gekoppelter Integro- Differentialgleichungen für

• radiatives Gleichgewicht
• hydrostatisches Gleichgewicht
• Ratenmatrix
• Ladungs- und Teilchenzahlerhaltung
• Strahlungstransportgleichung

das auf Grund der starken Kopplung über das Strahlungsfeld nur in einem iterativen Schema gelöst
werden kann.

Ansatz:
• iteratives Lösungsverfahren und Linearisierung des Gleichungssystems
• formale Lösung des Strahlungstransports Jνi = Λ Sνi = Λ∗Sνi + (Λ − Λ∗)Sνi−1
1
R∞
mit Λ[f (t)] = 2 f (t) E1(|t − τ |) dt
0
R∞ e−zt
und den Integralexponentialfunktionen En(z) = tn dt
1

23
formale Lösung des
Strahlungstransports

Λ*

Energiegleichgewicht ∆T
statistische Gleichungen ∆ ni
hydrostatisches Gleichgewicht ∆ N ∆ ne

Konvergenz
nein
erreicht ?
ja

Ende

24
Kapitel 2

Die Keplergesetze

Bewegen sich zwei Körper in ihrem gemeinsamen Schwerefeld, so kreisen sie um ihren gemeinsamen
Schwerpunkt. Im Spezialfall, dass fast die gesamte Masse in einem Körper vorliegt und der zweite
kaum zur Gesamtmasse beiträgt, fällt der Schwerpunkt des Systems fast mit dem des massereiche-
ren Körpers zusammen. Es scheint, als kreise der leichtere um den schweren. Dieser Fall liegt in
unserem Sonnensystem vor, in dem fast die gesamte Masse in der Sonne ruht. Johannes Kepler1
hat aus Beobachtungsdaten von Tycho Brahe2, insbesondere der Marsbewegung am Himmel, seine
berühmten drei Gesetze der Planetenbewegung gefunden, publiziert als Astronomia Nova, Neue

Astronomie“ (1609) bzw. Harmonice mundi, Weltharmonik“ (1619).

1
1571 – 1630, deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe
2
1546 – 1601, dänischer Adliger und einer der bedeutendsten Astronomen

25
2.1 Aussagen der Gesetze

Erstes Keplergesetz

Die Bahnen der Planeten sind Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. Dieses Gesetz
ist auch auf Kometen und Monde etc. anwendbar.

Zweites Keplergesetz

Der Radiusvektor (Verbindungslinie Sonne – Planet) überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen
(Flächensatz ). Dies bedeutet, dass sich ein Planet (oder Komet) während seines elliptischen Umlaufs
um die Sonne in Sonnenferne (Aphel) langsamer um die Sonne bewegt als in Sonnennähe (Perihel).

Drittes Keplergesetz

Die Quadrate der Umlaufzeiten U der Planeten verhalten sich wie die Kuben ihrer mittleren Ent-
fernungen (=große Halbachsen a der Ellipsenbahn) von der Sonne:
U12 : U22 = a31 : a32
Diese Beziehung gilt generell für eine Zentralbewegung, also z. B. auch für Mond mM um Planet
mP. Bei bekanntem Abstand der beiden Partner und dem Massenverhältnis mM  mP kann man
die Masse des Planeten bestimmen.
U2 4π 2 1
= ·
a3 G mP + mM

26
2.2 Herleitungen

Erstes Keplergesetz

• allgemeine Bahnkurve in Polarkoordinaten r = r(φ)


• radiale und tangentiale Geschwindigkeit des Planeten ~v = (vr , vφ) = (ṙ, rφ̇)
• Drehimpulsbetrag L = m r vφ = m r2 φ̇ = const
 
• kinetische Energie Ekin = 2 m ṙ + r φ̇
1 2 2 2

• Eliminieren der zeitlichen Ableitungen mit φ̇ = L/(mr2) und ṙ = r0 φ̇ wobei 0 die Ableitung
nach φ bedeutet
• damit folgt für die kinetische Energie

L2 r0 2
 
1
Ekin = + (2.1)
2m r4 r2

• für die Gesamtenergie folgt mit der potentiellen Energie U

L2 r0 2
 
1
E = + +U (2.2)
2m r4 r2

27
• Idee: welche potentielle Energie U (r) steckt hinter welcher Bahnkurve r(φ)
• Annahme: Kegelschnittgleichung (z.B. Ellipsenbahn, Definitionen siehe Abb. 2.1)

p
r = (2.3)
1 −  cos φ
• für die Ableitung folgt

0 p sin φ r2
r = − = −  sin φ (2.4)
(1 −  cos φ)2 p

• damit ergibt sich


r0 2 2 2 2 2

= sin φ = 1 − cos φ (2.5)
r4 p2 p2

• Eliminieren von φ mit cos φ = (1 − p/r)/

r0 2 2 − 1 2 1
= + − (2.6)
r4 p2 pr r2

28
• Einsetzen von Glg. (2.6) in Glg. (2.2)

L2 2 − 1
 
2
E = + +U (2.7)
2m p2 pr

• Gesamtenergie kann nur konstant sein (Energieerhaltung), wenn U ∼ − 1r , also

L2
U = − (2.8)
mpr

⇒ Kegelschnittbahn entsteht, wenn das Potential eines Kraftfeldes proportional r−1 ist, die
Kraft selbst ist dabei proportional r−2

• im Fall der Planetenbahn handelt es sich um das Gravitationspotential:

GM m L2 p
U = − = − ⇒ L = m GM p (2.9)
r mpr

29
• Für die Gesamtenergie des Planeten ergibt sich also

L 2 2 − 1 2 − 1
E = = GM m (2.10)
2m p2 2p

 < 1: E ist negativ, gebundener Zustand, Ellipsenbahn


 = 1: E ist 0, Parabelbahn
 > 1: E ist positiv, Hyperbelbahn

Für Kegelschnittgeometrien gelten die Beziehungen p = b2/a, 1 − 2 = (a2 − e2)/a2 = b2/a2,


siehe hierzu Abb. 2.1, damit folgt
GM m
E = − (2.11)
2a

⇒ Gesamtenergie einer Kegelschnittbahn hängt nur von der großen Halbachse a ab, sie ist halb
so groß wie die potentielle Energie im Abstand a.

30
Abbildung 2.1: Definitionen von Ellipsengrößen

31
Zweites Keplergesetz

• zwischen Planet m und Sonne M wirkt eine Zentralkraft (Zentripetalkraft)


⇒ Drehimpuls L ~ in Betrag und Richtung konstant, da kein Drehmoment wirkt
~
dL
und somit dt =0
• es gilt: L
~ = ~r × p~ = ~r × m~v mit dem Abstandsvektor ~r, dem Impuls p~
und der Bahngeschwindigkeit des Planeten ~v
⇒ Drehimpuls steht senkrecht auf der Bahnebene, die Bahnebene ändert sich nicht
• in infinitesimal kleinen Zeiten dt überstreicht der Fahrstrahl die Fläche dA
~ mit

dA~ = 1 ~r × d~r
2
• für die zeitliche Veränderung der Fläche ergibt sich

dA 1 d~r
d~r
= × d~r + ~r ×
dt 2 dt dt

1 d~r 1 1 1 ~
= ~v × d~r + ~r × = |~
r × ~
v | = |~
r × p
~| = |L|
2 dt 2 2m 2m

dA
⇒ = const
dt

32
Drittes Keplergesetz

• Annahme: Planet bewegt sich auf Kreisbahn. Verallgemeinerung auf Ellipsen kein Problem,
Rechnung wird lediglich aufwändiger
• zwei Massen m1 und m2 bewegen sich um ihren gemeinsamen Schwerpunkt S, mit den jeweiligen
Abständen vom Schwerpunkt a1 und a2 und ihrem gegenseitigen Abstand a = a1 + a2
• entsprechend der Definition des Schwerpunktes gilt m1 a1 = m2 a2
damit folgt m1 a1 = m2 (a − a1) = m2 a − m2 a1

(m1 + m2)a1 = m2 a
m2
a1 = a
m1 + m2
m1 m2
m1 a1 = a = µa (2.12)
m1 + m2

• für beide Massen gilt: Anziehungskraft (gegenseitiger Abstand) und Zentrifugalkraft (Abstand
zum Schwerpunkt) sind im Gleichgewicht
m1 m2 m1 v12 m2 v22
G = = (2.13)
a2 a1 a2

33
• mit der Umlaufdauer P folgt
2 π a1 2 π a2
v1 = bzw. v2 = (2.14)
P P
• Glg. (2.14) eingesetzt in Glg. (2.13)
2
4 π2

m1 m2 2π
G = m1 a1 = m1 a1 (2.15)
a2 P P2

m1 m2 4 π 2 m1 m2
mit Glg. (2.12) G = a (2.16)
a2 P 2 m1 + m2

a3 m1 + m2
umsortieren = G (2.17)
P2 4 π2

• bei der Bewegung eines Planeten um die Sonne gilt


m1 + m2 = M + MPl ≈ M
Dadurch ist aus der Bewegung eines leichten Körpers um einen sehr schweren die Masse des
sehr schweren bestimmbar (Stern – Planet, Planet – Mond).

34
2.3 Anwendungsbeispiele

Aufgabe 1

Der Asteroid (243) Ida besitzt seinen eigenen Mond, Dactyl. Seine große Halbachse beträgt 108 km,
seine Masse etwa 4 · 1012 kg, Ida selbst bringt etwa 4,12 ·1016 kg auf die Waage. Bestimme die
Umlaufdauer des Asteroidenmondes um (243) Ida unter der Annahme, es gäbe keine weiteren Körper
im Sonnensystem.

Aufgabe 2

Der Mars besitzt zwei Monde, Phobos und Deimos, mit folgenden Eigenschaften:

Mond Umlaufdauer große Halbachse


Phobos 0,3189 Tage 9376 km
Deimos 1,262 Tage 23 459 km

Berechne für beide Monde getrennt die Masse des Mars.

Aufgabe 3

In welcher Höhe hSat über der Erde (M♁ = 5,97 · 1024 kg) muss sich ein geostationärer Satellit
befinden?

35
2.4 Anwendungsbeispiele: Lösungen

Aufgabe 1

Annahme: Keplerbewegung von Dactyl um Ida als Zentralmasse


2 4π 2
P = a3
G (M1 + M2)
Angegebene Massen in Kilogramm und Halbachse in Meter eingesetzt, liefert Umlaufperiode von
1,345·105 s.

Aufgabe 2

Annahme: Keplerbewegung der beiden Monde um Mars als Zentralmasse


2 4π 2
P = a3
G Mmars
4π 2 a3
M =
G P2
Angegebene Orbits in Sekunden und Halbachsen in Meter eingesetzt liefert
• Phobos: Mmars=6,4·1023 kg
• Deimos: Mmars=6,4·1023 kg

Aufgabe 3

asat = 42,6 · 103 km, mit Radius Erde ergibt sich Flughöhe 36,2 · 103 km
36
Kapitel 3

Interplanetare Raumfahrt

In den letzten Jahrzehnten ist es gelungen, alle Planeten und Pluto mit mindestens einer Raum-
sonde zu besuchen, einige Sonden befinden sich seit Jahren im Orbit um Planeten und messen und
kartografieren. Auf Mars wurden Rover ausgesetzt, die zum Teil nach wie vor aktiv sind. Auch
Asteroiden und Kometen wurden von Raumsonden besucht und untersucht, Material aufgesammelt
und zurück zur Erde gebracht. Die beiden Voyager-Sonden sind dabei, in den interstellaren Raum
vorzudringen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die stetige Weiterentwicklung der Raketentechnologie
(Abb. 3.1), die es ermöglicht immer schwerere Nutzlasten ins All zu transportieren, und dass sich die
Ingenieure und Wissenschaftler auch von Fehlschlägen, so tragisch sie sein mögen, nicht entmutigen
lassen.

37
3.1 Kosmische Geschwindigkeiten

Erste Kosmische Geschwindigkeit: Erdorbit

Körper bewegt sich auf Kreisbahn mit Radius r mit Geschwindigkeit v um Planet der Masse M ,
Zentripetalbeschleunigung entspricht Gravitationsbeschleunigung:

v2 GM
= 2
r r
r
GM
v =
r

Im Falle der Erde (R = 6371 km) ergibt sich in 180 km Höhe: v = 7,8 km/s
Beachte:
Die Erdrotation selbst trägt bei einem Raketenstart dazu bei, am Äquator Richtung Osten z. B.
0,46 km/s.

38
Zweite Kosmische Geschwindigkeit: Entweichgeschwindigkeit

Um von der Erde zu anderen Planeten zu gelangen, muss man zuerst die Anziehungskraft der Erde
überwinden. Man erreicht die sogenannte Entweichgeschwindigkeit ve wenn die Bewegungsenergie
der Rakete mit Masse m gleich bzw. größer der gravitativen Bindungsenergie durch die Erde M ist:

1 GM m
m v2 =
2 r
r
2GM
ve =
r

ve = 11,2 km/s = 40 320 km/h

Je kompakter und massereicher ein Objekt ist, desto höher ist die Entweichgeschwindigkeit. Wenn
man beim Raketenstart noch die Rotation der Erde ausnutzt (deshalb startet die ESA ihre Ra-
keten im nahe am Äquator liegenden franz. Guyana) verringert sich der Wert etwas. Für exakte
Satellitenbahnen müssen sehr viele Faktoren berücksichtigt werden, u.a. Störung durch andere Him-
melskörper, Erdatmosphäre, Sonnenwind.

Um unsere Milchstraße zu verlassen, ist eine Fluchtgeschwindigkeit von etwa 533 km/s notwendig.

39
Abbildung 3.1: Eine Rakete vom Typ Ariane V der europäischen Raumfahrtagentur ESA mit dem James Webb Teleskop als Nutzlast
(Quelle: ESA)

40
3.2 Raketengleichung

• beschreibt die Gesetzmäßigkeit des Raketenantriebs durch kontinuierlichen Ausstoß von Masse
(i. A. Gasteilchen)
• 1903 von Konstantin Ziolkowski gefunden, später unabhängig auch von Hermann Oberth und
Robert Goddard
• Annahmen: einstufige Rakete mit Masse mr und Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0, Ausstoß der
Stützmasse in infinitesimal kleinen Mengen mit konstanter Geschwindigkeit vg, Vernachlässi-
gung von Gravitation und Reibung
• für die Geschwindigkeit der Rakete abhängig von der verbleibenden Masse m gilt dann

mr
v(m) = vg · ln (3.1)
m

Die erreichbare Endgeschwindigkeit hängt also nur von der Ausströmgeschwindigkeit des Treib-
stoffgases sowie insbesondere dem Verhältnis von Anfangs- zu Endmasse ab. Hohe Endgeschwin-
digkeiten zum Verlassen des Erdorbits sind deshalb nur mit mehrstufigen Raketen erzielbar.

41
Herleitung der Raketengleichung

• Geschwindigkeit und Gesamtmase der Rakete ändern sich mit der Zeit.
Bewegungsgleichung folglich:

d~p d(m~v ) d~v dm


F~ = = = m + ~v (3.2)
dt dt dt dt

• Masse der Rakete beim Start mr setzt sich zusammen aus Restmasse (leere Rakete, Satellit)
ms und Treibstoffmenge beim Start m0
Änderung der Treibstoffmenge in der Flugzeit t mit der ausströmenden Masse pro Zeit µ: -µt
Masse der Rakete zu beliebigem Zeitpunkt t:

m(t) = mr − µt = ms + m0 − µt (3.3)

• Geschwindigkeit der Rakete sei ~v , konstante Relativgeschwindigkeit des Treibstoffs bezogen auf
die Rakete sei ~u, für die Absolutgeschwindigkeit des ausströmenden Treibstoffes gilt dann in
Beträgen v 0 = v − u
• Impuls der Rakete zum Zeitpunkt t: p(t) = m(t) · ~v
• im Zeitabschnitt dt strömt die Treibstoffmasse µ dt = −dm aus

42
• Änderung des Gesamtimpulses ergibt sich aus Änderung des Raketenimpulses und Impuls der
ausgestoßenen Masse
d~p = d(m~v ) − dm ~v 0

= m d~v + dm ~v − dm ~v 0

= m d~v + dm ~v − dm ~v + dm ~u

d~p = m d~v + dm ~u

d~p d~v dm
F~ = = m + ~u
dt dt dt

d~v dm
m = F~ − ~u
dt dt

Schwierig zu integrieren wegen F~ .

43
• Annahme: keine äußeren Kräfte (F~ = 0), z. B. geschlossene Bahn um die Erde, senkrechter
Start nach oben (Übergang zu Beträgen):

d~v dm
m = − ~u
dt dt

dm 1
dv = −u = −u dm
m m

Integration auf beiden Seiten liefert dann die Raketengrundgleichung

m(t)
Z
1 mr
v(t) = −u dm = −u (ln m(t) − ln mr) = u ln
m m(t)
mr

44
• Betrachtung der Rakete nach Ablauf der Brennzeit (µ t = m0), wenn sie Endgeschwindigkeit
ve erreicht hat

ve ms + m0
= ln (3.4)
u ms
⇒ Verhältnis von Endgeschwindigkeit und Ausströmgeschwindigkeit hängt nur vom Massen-
verhältnis Rakete zu Treibstoff ab.

Beispiel: Endgeschwindigkeit vier mal so groß wie Ausströmgeschwindigkeit erfordert das über
50-fache des Leergewichts der Rakete als Treibstoff!

Konzept der mehrstufigen Raketen, bei denen nach dem Ausbrennen die jeweilige Stufe ab-
geworfen wird, verringert den Treibstoffbedarf enorm.

• senkrechter Raketenstart mit Schwerkraft F = −m g bei nicht zu großen Steighöhen (g sei


konstant)

mr
v(t) = u ln −gt (3.5)
m(t)

45
Anwendungsbeispiel: zweistufige Rakete vs. einstufige Rakete

• einstufige Rakete: 1200 t, Treibstoffanteil 90 %, Nutzlast 5 t


zweistufige Rakete: Stufe 1 mit 1000 t, Stufe 2 mit 200 t, Treibstoffanteil je 90 %, Nutzlast 5 t
• Endgeschwindigkeit ve,1 der einstufigen Rakete:

ve,1 mr 1200 t + 5 t
= ln = ln = 2,27
u mend 120 t + 5 t

• Endgeschwindigkeit ve,2 der zweistufigen Rakete:


ve,2 mr,Start mr,Beginn BP2
= ln + ln
u mend, Brennphase 1 mend, Brennphase 2

1000 t + 200 t + 5 t 200 t + 5 t


= ln + ln
100 t + 200 t + 5 t 20 t + 5 t

= 3,48

⇒Bereits eine zweistufige Rakete erreicht eine deutlich höhere Endgeschwindigkeit als eine
gleich schwere einstufige Rakete.

46
3.3 Hohman-Bahnen

Ein Hauptproblem der Raumfahrt ist, ein möglichst geringes Startgewicht zu haben. Deshalb ist es
wünschenswert möglichst wenig Treibstoff für Flugbahnmanöver mitführen zu müssen. Man nutzt
z. B. Swing-By Manöver, holt sich Schwung durch nahen Vorbeiflug an einem Planeten, um Fahrt
aufzunehmen und zum nächsten, weiter entfernten zu gelangen.
Eine Alternative sind Hohman-Bahnen (Abb. 3.2), benannt nach Hohman, der sie 1925 gefunden
hat. Allerdings wurden sie auch schon 1911 vom Raumfahrtpionier Ziolkowski beschrieben. Eine
Sonde im Erdorbit bekommt einen kleinen Schub um sie auf eine elliptische Bahn zu bringen, deren
entferntester Punkt auf der Bahn des Zielplaneten liegt. Dort angekommen bekommt die Sonde
einen weiteren kleinen Schub um die elliptische Bahn, die sie ja zurück zur Erde führen würde,
verlassen und auf der Umlaufbahn des Planeten verweilen zu können.

47
Abbildung 3.2: Skizze einer Hohmanbahn, um eine Raumsonde von einem Erdorbit (grüne Bahn) energieeffizient zu einem anderen
Planeten zu bringen. (Quelle: wiki commons)

48
3.4 Raketentriebwerke

3.4.1 Allgemeines

• Schub:
∆m
F = · vs
∆t
wobei ∆m den Massenverlust, ∆t die Brenndauer und vs die Ausströmgeschwindigkeit bezeich-
nen. Ariane 5G: F = 14 · 106 N
• (Massen-)spezifischer Impuls:
F̄ · tb
psp =
m
wobei F̄ den gemittelten Schub, tb die Brenndauer und m die Treibstoffmasse bezeichnen.
• (Gewichts-)spezifischer Impuls:
F̄ · tb
psp =
m·g

wobei F̄ den gemittelten Schub, tb die Brenndauer, g die Erdbeschleunigung und m die Treib-
stoffmasse bezeichnen.
• chem. Treibstoffe erreichen spez. Impulse bis z.Z. max 470 s, Ionentriebwerke bis zu 4000 s,
neueste Prototypen sogar bis zu 15 000 s (DS4G, ESA).

49
3.4.2 Chemische Antriebssysteme

• Feststoffrakete
– ursprünglicher Raketentyp, noch immer im Einsatz, preisgünstig
– Treibstoff (Brennstoff und Oxidator, z.Ḃ. Ammoniumperchlorat NH4ClO4, es entsteht Salzsäure)
in fester Form und Rakete sind eine Einheit
– gut transportierbar und lagerbar
– Abbrennen: von unten nach oben oder besser von innen nach außen, nur einmal zündbar
– hoher Maximalschub, Beispiel: Space Shuttle Booster, Ariane 5 Booster
• Flüssigkeitsraketenantrieb
– Treibstoff (Brennstoff und Oxidator) wird erst kurz vor Start getrennt in Rakete gefüllt,
aufwändig, evtl. Kühlung nötig
– befüllte Rakete nicht lange lagerbar
– Treibstoffe (diergol) werden eingespritzt, Selbstzündung oder elektr. Funken, mehrfach zünd-
bar
– Durchsatz: bis zu mehreren 100 l pro Sekunde
– typisch: LOX/LH2 (verbrennt zu Wasser), LOX/RP-1 (Kerosin), Hydrazin/Stickstofftetraoxid
(verbrennt zu Stickoxiden und Wasser, Hydrazin N2H4 ist giftig)
– Beispiel: Ariane 5 Haupttriebwerk LOX/LH2

50
3.4.3 Ionentriebwerk

• Treibstoff wird ionisiert und mittels elektr. und magnet. Feld sehr stark beschleunigt und mit
extrem hoher Ausströmgeschwindigkeit ausgestoßen. Der erzeugte Schub ist sehr gering, eignet
sich vor allem zur Lageregelung oder für Langzeitmissionen.
• Notwendige Energie gewinnt man z. B. durch Solarpanele oder Radionuklidbatterien.
• 2 Varianten:
Plasmatriebwerk (meist mit Wasserstoff)
echtes Ionentriebwerk (Cäsium, Xenon, hohes Molekulargewicht), z. B. SMART-1

3.4.4 Nukleare Antriebe

• Ein kleiner Nuklearreaktor erzeugt Wärme, die Wasserstoff auf ca. 3000 K erhitzt und klassisch
aus einer Düse drückt. Testtriebwerke wurden erbaut, z. B. NERVA, aber nie wirklich eingesetzt.

51
Kapitel 4

Der Aufbau der Sterne

4.1 Sternaufbaugleichungen

Ziel: Zusammenhang zwischen Masse M , Radius R und Leuchtkraft L sowie zwischen Temperatur
T , Dichte ρ und Druck P finden.

Generelle Annahme: keine Rotation, kein Magnetfeld, kein enger Begleiter


⇒ Kugelsymmetrie des Sterns, nur radial wirkende Gravitations- und Druckkräfte

• Massenerhaltung • Energietransport
• Impulserhaltung • chemische Zusammensetzung
• Energieerhaltung • Zustandsgleichung

52
Massenerhaltung

Wie ändert sich die Masse Mr innerhalb einer konzentrischen Kugel mit Radius r:
• Kugelschale mit infinitesimaler Dicke dr und Dichte ρ
• Volumen der Kugelschale: 4 π r2 · dr
• Massenzuwachs durch die Kugelschale: dMr = 4 π r2 dr · ρ

dMr
= 4 π r2ρ wobei ρ = ρ(r)
dr

Aber: Radius ist stark zeitabhängig (Hauptreihe, Roter Riese, Weißer Zwerg) deshalb umschreiben
auf Massenskala als Tiefenskala:
Erste Differentialgleichung:
∂r 1
= (4.1)
∂m 4 π r2ρ

53
Impulserhaltung

Stern sei im hydrostatischen Gleichgewicht, Druck enthält Gas- und Strahlungsdruck:

∂P G Mr
= −g · ρ mit g =
∂r r2

∂P ∂P ∂r Gm
= = −
∂m ∂r ∂m 4πr4

Mit Beschleunigung der Massenschale falls FG + FP 6= 0 und mit allg. F = m · a folgt für eine
Nettokraft pro Einheitsfläche

dm ∂ 2r ∂P Gm
= F P + F G = − dm − dm
4πr2 ∂t2 ∂m 4πr4

Daraus folgt die zweite Differentialgleichung:

∂P Gm 1 ∂ 2r
= − − (4.2)
∂m 4πr4 4πr2 ∂t2

54
Energieerhaltung

• Nahezu konstante Energieabstrahlung über mehrere Milliarden Jahre (Bsp. Sonne) nur durch
nukleare Energieerzeugung möglich.
• Sei  die an jeder Stelle durch Kernreaktion pro Masseneinheit und pro Zeiteinheit freigesetzte
Energieerzeugungsrate.
• Energiebilanz im stationären Fall, lokale Abstrahlung entspricht lokaler, nuklearer Energieer-
zeugung:
Zr ZMr
Lr =  · 4 π r2ρ dr =  dMr
0 0

• zeitabhängiger Fall: Massenschale ändert innere Energie, tauscht mechanische Arbeit P dV mit
Nachbarschalen aus durch Kontraktion und Expansion: g
• Neutrinos, die bei Kernfusion entstehen, entweichen nahezu alle und führen so zu einem Ener-
gieverlust, bei der Sonne einige Prozent: ν

Berücksichtigung aller Effekte liefert die dritte Differentialgleichung:

∂l
= nuk − ν + g (4.3)
∂m

55
Energietransport

• Hauptsächlich durch Strahlung und Konvektion


• Wärmeleitung (Energietransport durch Teilchenstöße) spielt nur in den Zentralbereichen weit
entwickelter Sterne eine Rolle, weil normalerweise gilt: lcd  lph und v  c
• Energietransport durch Strahlung:
– jedes Volumenelement strahlt Energie radial nach innen und außen
– weiter außen liegende Schichten sind etwas kühler, emittieren weniger Strahlung nach innen,
Nettofluss nach außen entsteht
– Beschreibung als Diffusion von Strahlung, da lph = (κ ρ)−1 ≈ cm-Skala oder kleiner, wobei
κ das Rosseland-Mittel der frequenzabhängigen Opazität ist:
R∞ 1 ∂Bν
κν ∂T dν
1
= 0 R∞
κ ∂Bν
∂T dν
0

– Diffusionsfluss j für Partikel mit freier Weglänge l und mittlerer Geschwindigkeit v, deren
Konzentration n von r abhängt:
1 ∂n
j = − vl
3 ∂r

56
– Übertragung der Diffusionsgleichung auf Strahlung, ersetze

n durch Strahlungsdichte u = 4σT 4/c


v durch Lichtgeschwindigkeit c
l durch lph
Lr
j durch Strahlungsfluss 4πr 2

– Auflösen nach dem Temperaturgradienten

∂T 3 κ ρ Lr
= −
∂r 64π σ r2 T 3

∂ ∂ 4σ
mit ∂r = 4 π r2 ρ ∂m und der Strahlungsdichtekonstante a = c

folgt die vierte Differentialgleichung des Sternaufbaus

∂T 3 κl
= − (4.4)
∂m 64π 2 a c r4 T 3

57
• Energietransport mit Konvektion:
– Materieaustausch zwischen heißen und kühlen Schichten: heißere, leichtere Materieballen
steigen auf, kühlere, schwerere sinken ab
– dadurch Wärmeabgabe an höhere Schichten, Wärmeverlust in tieferen Schichten
– im Detail immer noch ein nicht vollständig gelöstes hydrodynamisches Problem
– Stabilität gegenüber Konvektion (Schwarzschild-Kriterium)
∇rad < ∇ad

in Worten: Strahlungstemperaturgradient kleiner als adiabatischer Temperaturgradient

adiabatische Zustandsänderung:
Zustandsänderung ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung

58
Chemische Zusammensetzung

• sei Xi(m,t) der Massenbruchteil des Elements bzw. Isotops i, es gilt


P
Xi = 1
i

• Zusammenhang mit Teilchenzahldichte ni:


mi n i
Xi =
ρ
wobei mi die Masse des Atomkerns und ρ die Dichte bezeichnen.
• radiatives Gebiet: für Isotop i sind sowohl erzeugende Reaktionen rji als auch zerstörende Re-
aktionen rij möglich:

 
∂Xi mi  X X
= rji − rik  (4.5)
∂t ρ j k

Dies ist die fünfte Grundgleichung des Sternaufbaus.


• konvektives Gebiet: chemisch homogen ∂ Xi
∂m = 0, mittlere Häufigkeit X̄i
• Chemische Zusammensetzung einer konvektiven Zone kann sich auch ohne Kernreaktionen
ändern, weil Grenzen der Zone sich in Gebiete mit anderer chemischen Zusammensetzung ver-
schieben.

59
4.2 Zustandsgleichung

Sie beschreibt den Zusammenhang zwischen Gasdruck Pg, Dichte ρ und Temperatur T .

Ideales Gas
kB
Pg = · ρ · T = n kB T
µ mu

wobei kB die Boltzmannkonstante, mu die Atommasseneinheit, µ das mittlere Molekulargewicht


und n die Teilchenzahl bezeichnen.

Entartetes Gas

Wird bei konstanter Temperatur die Dichte extrem erhöht oder bei konstanter Dichte die Tempera-
tur extrem gesenkt, entartet das Gas auf Grund des Pauli-Verbots. Zuerst entartet das Elektronen-
gas, erst lange danach das Ionengas.

nicht-relativistische Entartung: P ∼ ρ5/3

relativistische Entartung (ve → c): P ∼ ρ4/3

⇒ keine Temperaturabhängigkeit mehr

60
Abbildung 4.1: Temperatur-Dichte-Diagramm mit verschiedenen Bereichen der Zustandsgleichung und der Position der Sonne.

61
Fermi-Dirac-Entartung und Pauli-Verbot

• 6-dimensionaler Phasenraum ∆Ω bestehend aus


Ortsraum ∆x ∆y ∆z und Impulsraum ∆px ∆py ∆pz
• Pauli-Prinzip: Quantenzelle ∆Ω = h3 kann höchstens von 2 Elektronen (Spin up und down)
besetzt werden.
• Beispiel Weißer Zwerg: im Inneren extrem hoher Druck (≈ 1021 Pa) bei vergleichsweise niedriger
Temperatur (≈ 107 K), Materie stark zusammengedrückt, alle Phasenraumzellen sind bis zu
einer Grenzenergie E0 (Fermi-Energie) bzw. Grenzimpuls p0 (Fermi-Impuls) vollständig besetzt.
• Elektronen erreichen extrem hohe Geschwindigkeiten bis nahezu Lichtgeschwindigkeit, dies er-
zeugt den sog. Entartungsdruck und stabilisiert den Weißen Zwerg.

62
Anwendungsbeispiel

Aufgabe

Ein Stern soll vollständig aus ionisiertem Wasserstoff bestehen. Löse die Sternaufbaugleichung P (r)
für die Randbedingung P (R) = 0

1. für eine konstante, mittlere Dichte ρ̄.


2. für den Dichteverlauf ρ(r) = ρ0(1 − r/R).

Wie groß ist die Zentraldichte ρ0?

63
Lösung

Für das hydrostatische Gleichgewicht bei konstanter Dichte ρ̄ gilt

dP G M (r)
= − ρ̄.
dr r2

Die Lösung der Massengleichung (dMr /dr = 4πr2ρ(r)) ist in diesem Fall trivial: M (r) = 4/3 π r3ρ̄.

Mit der Randbedingung P (R) = 0 und M (r) = 4/3 π r3ρ̄ folgt

ZR ZR 3 ZR
GMr G4/3πr ρ̄ 4
P (r) = − ρ̄ dr = − ρ̄ dr = − Gπrρ̄2 dr
r2 r2 3
r r r

und damit

2
G π ρ̄2 R2 − r2

P (r) =
3

64
Im Falle eines Dichteverlaufs ρ(r) = ρ0 (1 − r/R) ergibt sich aus der Integrierung der zwei Glei-
chungen

4 3 r4
M (r) = π ρ0 r − π ρ0
3 R

7 r3 3 r4
 
4 5 2 1 2
P (r) = G π ρ20 R − r + −
3 48 2 12 R 16 R2

Die Zentraldichte findet man aus der ersten der zwei oberen Formeln, wenn M (R) = M :

3 M (R)
ρ0 = .
π R3

65
Kapitel 5

Schwarze Löcher

5.1 Stellare Schwarze Löcher

• Endstadium der Entwicklung sehr massereicher Sterne (M∗ > 50 M ):


– Fusion endet mit Bildung einer Eisenkugel (Bindungsenergie pro Nukleon maximal) im
Zentrum des Sterns
– Kollaps kann nur bis zu einer Masse der Eisenkugel von etwa 3 M durch Bildung eines
Neutronensterns gestoppt werden (Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenzmasse)
– bei größerer Masse Kollaps bis zu Singularität bzw. Schwarzen Loch (Kernkollaps-Supernova)
• Nachweis z. B. als kompakte Komponente in Röntgendoppelsternen (Beispiel Cyg X-1), als
Mikro-Gravitationslinsen oder durch Gravitationswellen, die beim Verschmelzen zweier Schwar-
zer Löcher abgestrahlt werden

66
Künstlerische Darstellung von Cygnus X-1:
Blauer Überriese, Materiestrom, Akkretionsscheibe um Schwarzes Loch, Jet (M. Weiss/NASA)

67
5.2 Supermassive Schwarze Löcher (SMBH)

• im Zentrum vieler (aller?) elliptischen und Spiralgalaxien befindet sich ein gigantisches Schwar-
zes Loch mit Massen zwischen 105 − 1010 M
• unsere Milchstraße: 4,3·106 M ; Galaxie NGC 4889: 2,1·1010 M
• Nachweis als AGN (aktiver Galaxienkern, Quasar) bzw. im Falle unserer Milchstraße durch
Bewegung der Sterne in direkter Umgebung des SMBH

(NASA)

• Entstehung ist unklar, bei Galaxienkollision können SMBHs verschmelzen und damit wachsen
68
5.3 Mittelschwere Schwarze Löcher

• bisher rein spekulativ


• Massenbereich 102 − 104 M
• Entstehung evtl. durch Sternverschmelzungen oder Schwarzlochverschmelzungen
• favorisierter Entstehungsort: Zentren von Kugelsternhaufen

5.4 Primordiale Schwarze Löcher

• bisher rein spekulativ, Idee geht zurück auf Stephen Hawking


• bildeten sich beim Urknall
• sehr leicht: ≈ 1012 kg (M ≈ 1030 kg)
• vermutete Lebensdauer entspricht etwa dem Alter des Universums
• stammen kurze Gammastrahlenausbrüche (GRB) von diesen zerstrahlenden Mini-Schwarzen
Löchern?
– kurze GRB (30%, Millisekunden bis Sekunden): Verschmelzung von NS+NS oder NS+BH
– lange GRB (70%, Sekunden bis Stunden): Supernova bzw. Hypernova

69
5.5 Eigenschaften der Schwarzen Löcher

• allg. lassen sich einem Schwarzen Loch drei physikalische Größen zuordnen:
Masse M , Drehimpuls L, elektr. Ladung Q
– L = 0 und Q = 0: Schwarzschild-Metrik
– L 6= 0 und Q = 0: Kerr-Metrik
– L = 0 und Q 6= 0: Reissner-Nordström-Metrik
– L 6= 0 und Q 6= 0: Kerr-Newman-Metrik
• Sterne sind elektrisch neutral, es ist anzunehmen, dass beim Kollaps die Neutralität erhalten
bleibt (Q = 0)
• Sterne rotieren, beim Kollaps sollte der Drehimpuls nahezu erhalten bleiben, auf jedenfall aber
L 6= 0

70
• nicht-rotierendes Schwarzes Loch
– Ereignishorizont (Schwarzschildradius RS) definiert die Grenzfläche eines Schwarzes Loches
der Masse M , ab der nichts mehr entweichen kann weil Fluchtgeschwindigkeit größer c

2GM
RS = d.h. bei 1 M ist RS = 2,95 km.
c2
Außerdem gilt für den innersten, stabilen, kreisförmigen Orbit Risco = 3 RS.

Unter Annahme von sphärischer Geometrie ergibt sich eine kritische Dichte ρc von

3 c6
ρc = .
32 π G3 M 2

– starke Gravitationskräfte in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs führen zu Verzerrung


der Raumzeit und damit auch zu Zeitdilatation und Gravitations-Rotverschiebung: Für
einen entfernten Beobachter erreicht ein in Richtung Ereignishorizont fallendes Teilchen
diesen niemals und wird unendlich dunkel“, für das fallende Teilchen jedoch ist alles normal,

es bemerkt das Überschreiten des Ereignishorizontes nicht.
– Gezeitenkräfte zerreissen alles: spaghettification“

71
• rotierendes Schwarzes Loch
– Ereignishorizont hat die Form eines Rotationsellipsoides
s 2  2
GM GM L
rH = + −
c2 c2 Mc
– Singularität ist ringförmig und reisst bei ihrer Drehung die Raumzeit mit sich
– innerhalb eines bestimmten Bereiches (Ergosphäre) müssten Teilchen Geschwindigkeiten
größer c haben um die Rotation auszugleichen, das geht nicht: Frame-Dragging bzw. Lense-
Thirring-Effekt (es bildet sich sozusagen ein Strudel der Raumzeit, der alles mitreißt).

72
5.6 Zeitliche Entwicklung

• alles, was in das Schwarze Loche fällt, führt zu einem Anwachsen der Masse des SL: Akkretion
aus dem ISM, Akkretion im Doppelsternsystem, Akkretion von durch Gezeitenkräften zerrisse-
nen Sternen
• Hawking-Strahlung: Stephen Hawking und andere haben gezeigt, dass Schwarze Löcher kleine
Mengen thermischer Strahlung abgeben. Dadurch können sie im Laufe der Zeit verdampfen.
Man kann ihnen somit eine Temperatur zuordnen, die für nicht-rotierende Schwarze Löcher
umgekehrt proportional zur Masse ist.
– Bei MBH = 1 M ⇒ TBH = 100 nK und damit viel kleiner als der Mikrowellenhinter-
grund (CMB) von 2,7 K. Stellare und schwerere Schwarze Löcher gewinnen durch Absorption
aus dem CMB mehr Masse als sie durch Hawking-Strahlung abgeben, sie wachsen immer.
– Um wärmer zu sein als der CMB muss die Masse kleiner sein als eine Mondmasse, das
Schwarze Loch wäre dann nur 100 µm groß.
– Ein Schwarzes Loch mit MBH ≈ 1 t verdampft innerhalb etwa einer Nanosekunde bei einer
Helligkeit von 200 L .
– wie es im Detail zur Hawkingstrahlung kommt ist unklar, oft wird das Bild von Teilchen-
Antiteilchenpaarerzeugung nahe am Ereignishorizont verwendet, bei dem ein Partner ins
Schwarze Loch gerät und der andere dann abgestrahlt“ wirkt für einen entfernten Beob-

achter.

73
5.7 Gravitationswellen

• von Albert Einstein beruhend auf seiner allgemeinen Relativitätstheorie 1916 vorhergesagt
• beschleunigte Masse, z. B. Orbit im Doppelsternsystem, verursacht Wellen in der Raumzeit, die
sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten

Quelle: weltderphysik.de

• der Raum an sich wird quer zur Ausbreitungsrichtung (Transversalwelle) gedehnt und gestreckt,
Gravitationswellen haben eine Frequenz zwischen 10−18 Hz und 104 Hz

74
• indirekter Nachweis durch Messung der Abnahme der Orbitalperiode des Doppelpulsars PSR1913+16
durch Hulse und Tayler: Energieverlust durch Abstrahlung von Gravitationswellen passt exakt
zur Periodenänderung (Nobelpreis 1993)
• in weiteren Binärsystemen WZ-WZ, NS-NS, BH-BH gelang dieser Nachweis inzwischen
• Suche mittels Interferometerprojekten wie GEO600, LIGO, VIRGO und TAMA300

LIGO in Livingston, USA (Quelle: caltech)

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Schematischer Aufbau eines LIGO Detektors (Quelle: Sky & Telescope)

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• In unzähligen Simulationen wurde berechnet, wie die Signalform für verschiedene Quellen aus-
sieht (Wavelets). Diese Muster werden dann in den beobachteten Daten gesucht.
• Nachweis gelang das erste Mal am 14. Sept. 2015 (LIGO): Zwei Schwarze Löcher mit 29 und
36 M verschmolzen zu einem neuen Schwarzen Loch mit 62 M , 3 M werden als Gravitations-
wellen abgestrahlt. Die Länge der LIGO Arme variierte durch die Gravitationswelle um etwa
1/1000 Protondurchmesser.

Erstes Signal, das mit beiden LIGO Detektoren aufgenommen wurde (Quelle: LIGO)

• Zweites Ereignis am 26. Dez. 2015 (LIGO): Zwei Schwarze Löcher mit 8 und 14 M verschmolzen
zu einem neuen Schwarzen Loch mit 21 M .
• Drittes Ereignis am 4. Jan. 2017 (LIGO): Zwei Schwarze Löcher mit 19 und 31 M verschmolzen
zu einem neuen Schwarzen Loch mit 49 M . Rotation der BHs nicht gleichsinnig!

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Originalsignal, das LIGO am 4. Januar 2017 ge-
messen hat (LIGO/Caltech).

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Quelle: B.P. Abbott et al., Physical Review Letters, 2016

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Gravitationswellendetektoren und ihre Messbereiche (Quelle: C.J. Moore et al., arXiv.org, 2014)

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