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RolfGundlach

Manfred Kropp
Annalis Leibundgut
(Hrsg.)

Der Sudan
in Vergangenheit
und Gegenwart
(Sudan Past and Present)

Sonderdruck
1996

PETER LANG
Europäischer Verlag der Wissenschaften
Manfred KROPP

Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt.


„Someone had blundered"; ein Beitrag zur Typologie der Kriegsgeschichte

Die Beziehungen zwischen dem Sudan und Äthiopien waren nicht nur kriege-
risch. Wahrscheinlich liegt es an der selektiven Eigenart historischer Tradition,
daß wir über die im Vergleich zur Gesamtzeit eher kurzen Perioden militärischer
Auseinandersetzungen mehr wissen als über Jahrhunderte friedlicher Handelsbe-
ziehungen, Pilgerfahrten und anderen friedlichen Austauschs. Auf jeden Fall aber
führte für Äthiopien seit dem Altertum eine der wichtigsten Verbindungslinien zur
Mittelmeerwelt durch den Sudan - für Pilger und Händler, aber auch Heere. So
bereitete ein äthiopisches Expeditionskorps - einer der Feldzüge des Königs
Ezana von Aksum - aus dieser Richtung dem Reich von Meroe ein Ende. '
Bezogen auf sudanesische2 Unternehmungen mit Zielrichtung auf das äthiopi-
sche Hochland ist eine Typologie der Kriege und ihrer Funktion fur den jeweils
sie tragenden Staat oder Gesellschaft eher schwierig zu beschreiben, denn nur die
jüngere Vergangenheit bietet im Lichte der historischen Überlieferung stehende
Beispiele für eine Invasion in dieser Richtung, Dies sind die Kriege der sudanesi-
schen Mahdisten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. bis nach Gondar - da-
mals schon nicht mehr Hauptstadt des äthiopischen Reiches - kamen, es erober-

1 Vgl. z.B. St. M. BURSTEIN: „Axum and the Fall of Meroe". In: Journal of the American
Research center in Egypt 18 (1981), S.47-50.
Der Feldzug Ezanas, von Aksum ausgehend, hatte wohl auch auf heutigem sudanesischen
Boden ein ganz anderen Verlauf; s. u. zur strategischen Bewertung der Einfallstraße des At-
bara, und nicht des Nil für allfällige Eroberer von Süden her.
2 Der Begriff sudanesisch ist zweifellos fur viele historische Zeiten anachronistisch; ge-
meint ist damit lediglich die geographische Region des heutigen Sudan; sudanesische Unter-
nehmungen sind somit alle von diesem Territorium ausgehende, gleich welcher Trägerschaft,
112 Manfred KROPF

ten und brandschatzten.3 In der ersten Zeit der islamischen Expansion (7./8. Jhdt.
n.Chr.) widerstand das christliche Nubien erfolgreich und diente Äthiopien als
Puffer zur islamischen Welt.4 Nach seiner späten Islamisierung im 15. Jhdt. ziel-
ten etwaige Expansionsinteressen von Staaten auf sudanesischem Boden eher in
westliche Richtung.
Gegenüber jahrhundertealten strategischen Bewegungen und Stoßrichtungen,
die natürlich zugleich auch die Hauptachsen friedlicher Kontakte waren - etwa
zum Jemen, zum Raum des Roten Meeres und des Arabo-Persischen Golfes all-
gemein, zu Indien - bleibt auch für die äthiopische Gegenseite - mit der oben
erwähnten Ausnahme - das sudanesisch-äthiopische Grenzgebiet eher im Wind-
schatten der Ereignisse. Auch in unserer Zeit war es ja eher die Region des Hin
und Her von Flüchtlingsströmen, denn das einer militärischen Auseinanderset-
zung. Und was die Ausbreitung des Islams in Äthiopien betrifft, so erfolgt sie
auch in der fraglichen Zeit und später kräftig, aber auf friedlichem Wege; z.B.
durch den Gewinn fast aller Tigre-Stämme in Eriträa für den Islam, gegen die
Aktivitäten europäischer Missionen, die eher ihren orthodoxen Glaubensbrüdern
schaden, denn dem Islam zum Konkurrenten werden können. Somit zielte die
herrschende Bewegungsrichtung des christlichen Reiches, im Grunde seit dem
Erlöschen des Reiches von Aksum und mit dem Erstehen des Zagwe-Reiches in
Lasta (um 1000 n.Chr.?), nach Südosten. Verstärkt wurde sie in den ersten Jahr-

3 Außer Betracht bleiben können hier die Unternehmungen ägyptischer Expeditionskorps -


oft unter der Führung europäischer Abenteurer, wie etwa des Schweizers Werner MUNZINGER
- die versuchten, im Wettlauf mit den anderen Kolonialmächten der Zeit dem Ägypten des
Khediven seinen Platz an der Sonne zu sichern, und die auf Harar und Eriträa zielten. An bei-
den Punkten nur ephemere Erfolge: Eriträa wurde endlich zur italienischen Kolonie; Harar
durch die erfolgreiche „irredanta"- und Expansionspolitik Meneliks II. wieder für Äthiopien
gewonnen.
Der sudanesische Mahdi-Staat fand ein rasches Ende durch die englische Eroberung und das
nachfolgende ägyptisch-englische „condominium".
4 Vielleicht, freilich in der Vorstellung mancher religiöser Schwärmer und Eiferer, als der
nachgeholte „fath" islamische Eroberung des Reiches des Nagäsf gedacht, die in der klassi-
schen Zeit islamischer Expansion aus Gründen, über die viel spekuliert und gerätselt wurde,
nicht erfolgt ist, ja kaum der Ansatz dazu verwirklicht wurde. Der berühmte Ausspruch (hadft-)
des Propheten utrukü 1-Habasa mä tarakü-kum „Laßt die Äthiopier in Frieden, solange sie euch
in Frieden lassen", wenn nicht wahr, so gut erfunden, kennzeichnet die Haltung der Muslime in
der klassischen Zeit zu diesem Land und Volk.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 113

hunderten der salomonischen Dynastie (ab 1270 n.Chr.) in heidnisches und isla-
misches Gebiet. Eher zögernd richtete sie sich dami wieder nach Norden, gegen
Massawa, zur Rückgewinnung verlorenen Territoriums von den Osmanen, dies
aber erst in der Mitte des 16. Jhdts. Erst mit der Gründung der festen Hauptstadt
Gondar unter Kaiser Fasilädäs (1632-1648 n.Chr.) rückten nahe Grenzgegenden
nach Westen, zum Sudan hin, in den Blickpunkt des äthiopischen Hofes. Zwar
waren es dann periodische Unternehmungen der Monarchen und des Hofes, aber
eher verlängerte Jagdausflüge, auch zur Jagd auf Menschen. Auf diese Menschen-
jagd, um präzise zu sein, zogen in der fraglichen Zeit Jahr für Jahr die Gondar-
könige aus, um ihre Sklavenscharen und Garden aufzufüllen aus Sanqslla -
Shilluk-Völker des äthiopisch-sudanesischen Grenztieflandes-, deren Nach-
kommen in Gondar eine eigene Kaste bildeten. Die absteigenden Generationen
wurden mit eigenen Namen belegt und waren als Palastwachen geschätzt und ge-
fürchtet.5 Zugleich sind diese Unternehmungen des öfteren Teil eines Töterrituals
und unentbehrlicher Bestandteil des Ansehens in der herrschenden Adelsgesell-
schaft.6 Der Status des Töters, sei es des Löwen, doch diesen nur zum Ersatz:
besser eines Menschen-(feindes), war eine Tat, zu deren Beweis und öffentlicher
Würdigung gewisse Teile dieses männlichen Feindes7 vor dem Souverän nieder-
zulegen sind. Diesem Prestigegesetz war auch der König unterworfen. So war es
nur zu verständlich, daß über die Feldherrnambitionen hinaus Kaiser lyasu IL, um

5 Die wullag; als Name schon im 15. Jhdt. bezeugt; vgl. GV col. 559. Interessant ist die
streng formalisierte Art, mit der die schließliche Integration solcher fremder Sklavennach-
kommen in die äthiopische Gesellschaft, letztlich ins äthiopische Volk, stattfindet.
6 Vgl. ein anschauliches Beispiel aus der Vita eines hohen Adligen im 18. Jhdt. in KrHay
S.48 (mit weiteren Angaben), wo der durch die Tötung von Großwild erfolgreiche Jagdausflug
der Abschluß der Jugend und die Aufnahme in die Welt der Erwachsenen darstellt. Ähnlich die
rituelle Jagd des Königs nach dem Herrschaftsantritt; dies war in der anzusprechenden Zeit
eine wirkliche Jagd. In früheren, und „zivilisierteren", städtischeren Jahrhunderten wurde dies
zum Teil des Rituals der Thronbesteigung und Salbung stilisiert und formalisiert. Inwieweit
hier die Folgen des Galla-Einfalls und die damit verbundene „Akkulturation" (ohne Wertung!)
zu sehen ist, muß noch untersucht werden; Ansätze dazu in P. MARRASSINI: „A note on Zâgwë
Kingship", in: Paideuma 36 (1990), S. 186-188.
7 Das membrum virile, äth. c3lgät, das spätestens seit dem engeren Kontakt mit den Galla-
Völkern im 16. Jhdt. auch für die christlichen Äthiopier als Trophäe gilt; ähnliche Bräuche sind
fur die Nomaden der Dankali-Senke schon im 13. Jhdt. belegt.
114 Manfred KROPP

den es bei den angesprochenen Ereignissen geht, seine Bestätigung als Mann der
Gesellschaft suchte.
Trotz dieser einleitenden Relativierung sei es im Rahmen des Eröffnungspro-
gramms einer auf längere Zeit und weitere Perspektiven angelegten Forschungs-
arbeit8 erlaubt - in der Hoffnung auf Kontinuität -, zunächst nicht die wichtigsten
und herausragenden Ereignisse in der Beziehung zwischen diesen beiden Teil-
räumen Nordostafrikas, des Sudan und Äthiopiens, zu behandeln, sondern eine
Reihe von im Sinne der histoire événementielle eher kleineren Ereignissen her-
auszugreifen,9 die zwar beide Regionen betrafen, aber Unternehmungen darstel-
len, die in einer eher distanzierten, man möchte sagen - von vornherein ganz
narzistisch auf das eigene Land, den eigenen Staat konzipiert waren. Darin hatte
der Andere, der militärische Gegner eher eine Statistenrolle, notwendig und un-
vermeidbar, eben die des Gegners zu spielen. Dieser aber interessiert sonst in
keiner Weise, wird kaum wahrgenommen. Also kein, wenn auch gewaltsames
Begegnen, Sich-Auseinandersetzen, im Gegenteil, ein Drauflosschlagen, Vernich-
tenwollen, Schädigen des Anderen, lediglich mit Blick auf die erwünschten
Auswirkungen solch erfolgreichen Tuns im eigenen Lager. Daher auch nicht der
Wunsch dauernder territorialer Eroberung, Unterwerfung - nein: rasche Beute ist
das Ziel. Manchmal vielleicht nicht einmal das; der Ruhm und das Ansehen des
Feindestöters steht als alleiniges Motiv. So mögen uns, gewohnt an „große, hi-
storische" und Vernichtungskriege, besonders in unserem Jahrhundert, diese Er-
eignisse eher belang- und folgenlos erscheinen. In ihrer sorgfältigen Betrachtung
jedoch liegt der Schlüssel der Erkenntnis wichtiger Faktoren der longue durée in
der sudanesischen und äthiopischen Geschichte.

Es gibt ein weiteres methodisches Interesse. Die Ereignisse im 17. Jhdt. haben
für den Historiker den Reiz, daß sie aus den verschiedenen und unabhängigen
Quellen zu rekonstruieren sind. Zum einen die Berichte der beiden Kriegsgegner,

8 Gemeint ist der interdisziplinäre Arbeitskreis für Nordostafrika an der Johannes Guten-
berg-Universität Mainz.
9 Die zu behandelnden Ereignisse sind gerade in den Geschichten Äthiopiens einen knap-
pen Satz wert (vgl. z.B. CHA 4, S.567). In der nationalen Geschichtsschreibung werden sie
ganz verschwiegen (etwa TSM; aber auch bei BMÄth); in biographischen Artikeln über
lyasu II. werden sie nur knapp erwähnt (vgl. RUBJY).
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 115

also arabisch-islamische Berichte aus dem Königreich der Fung, von Sinnär.
Diese weisen die besondere Note auf, daß die Chronisten gerade ihrem eigenen
Helden Antagonisten der Ereignisse, dem Sultan Bâdî IV. Abu Sulüh Ibn Nül, aus
religiösen Motiven heraus nicht sehr gewogen sind.10 Sie machen von ihrer all-
gemeinen Haltung für die berichteten Ereignisse eher widerstrebend eine Aus-
nahme, halten sich daher, zur Vermeidung übergroßen Lobs, umso mehr an die
Tatsachen, da sie nicht den geringsten Grund haben, Panegyriker des Hofes zu
werden. Gerade solche Quellen aus der Nähe des Hofes von Sinnär fehlen.
Umgekehrt ist der Chronist - besser: die Chronisten - der äthiopischen Ge-
genseite natürlich zunächst einmal Hofberichterstatter mit einer besonderen Auf-
gabe. Wir werden bei manchen Stellen seines Berichts darauf zurückkommen.
Aber gerade diese Zeit des Umbruchs in Äthiopien, des sinkenden Sterns der
Monarchie von Gondar und des Aufkommens partikularer und regionaler Gewal-
ten, hat für den Historiker den Vorteil, daß die monolithische Einheit der Königs-
geschichtsschreibung zerbricht, auch Fürsten einzelner Länder sich ihre Chroni-
kenschreiber engagieren, die durchaus konkurrierend, den König abträglich aber
schmeichelhaft für ihre Auftraggeber berichten. Die Zusammenschau derart ver-
schiedener Produkte zu den gleichen Ereignissen sind ein reizvolles und fruchtba-
res Feld fur die Quellenkritik.

Schließlich hat, in unserem Falle, der Historiker das Glück, den sonst nicht
niedergeschriebenen Klatsch und die Gerüchte der und über die „royals" während
der Ereignisse in Äthiopien, am Hofe von Gondar, und zwar von der Sicht des
Hofes, der Dynastie und eines konkurrierenden Fürsten, zugleich serviert zu be-
kommen, sozusagen aus erster Hand. Es handelt sich um den Bericht des engli-
schen Arztes, Naturforschers und Reisenden - a pre-Victorian gentleman - James
BRUCE, der knappe 25 Jahre nach den Ereignissen am äthiopischen Hofe weilte,
die Rebellion des Provinzfursten Mika°el Sahul und den faktischen Sturz der
Monarchie miterlebte - Vorgänge, in denen der wenig ruhmreiche Feldzug lya-
sus II. nach Sinnär durchaus noch eine Rolle spielen sollte und eifrig kommentiert
wurde. Hier werden also die innenpolitischen Folgen des militärischen Abenteu-

10 Der spätere Chronist - ex eventu - natürlich auch nicht, weil er das Ende des Helden
kennt; s. u.
116 Manfred K R O P P

ers aufgezeigt, wie wir noch hören werden. BRUCE ist darüberhinaus der Bericht-
erstatter, der beide Seiten hört und kennt; denn auf seiner Reise nach Äthiopien
kommt er zweimal durch das Fung-Königreich, verweilt dort einige Zeit, hat Er-
folg als Arzt und gewinnt Freunde, die ihn über manches unterrichten." Freilich
leidet seine Darstellung unter seinen mangelhaften Sprachkenntnissen, sei es in
Arabisch oder in (Alt-)Äthiopisch. Weiterhin trägt sein Werk, im Positiven wie
im Negativen, die Züge seiner Entstehung: Direktes Diktat aus der Erinnerung
und ungeordneten Aufzeichnungen in die Feder eines ghost-writers.12
Doch versuchen wir im Vorfeld der eigentlichen Ereignisse die Vorgeschichte
des äthiopischen Antagonisten nachzuzeichnen: lyasu II. war als Kind von sieben
Jahren 1730 n.Chr. auf den Thron gekommen. Schon wenige Monate danach
drohte eine Fürstenrebellion mit einem Gegenkönig das junge Kind vom Thron zu
fegen. Nur der Einsatz des Klans seiner energischen Mutter, der eigentlichen Re-
gentin, rettete ihn. Montawwab, eine der schönsten Frauen ihrer Zeit, Nachkom-
min von im 16. Jhdt. ins Land gekommenen Portugiesen und amharischer und
Galla-Adelsfamilien. Sie sollte ihren Sohn überleben, den Enkel auf dem Thron
setzen und erst nach vierzig Jahren vom Herrn der Zeit, dem Fürsten Mika°el
Sahul aus Tsgre 1769 in ein Kloster geschickt werden.

Doch damit haben wir den Ereignissen vorgegriffen. Die ersten weiteren Jahre
der Herrschaft Iyasus II. ziehen sich eher ohne Höhepunkte dahin; seine Chronik
liest sich wie ein Reichsgesetzblatt mit Ernennungen und Absetzungen, Beförde-
rungen der Würdenträger, verbunden mit dem ärztlichen Bulletin über den Ge-
sundheitszustand der königlichen Familie. Von herausragenden Kriegstaten fehlt
freilich jede Spur.
Dem schleichenden Unzufriedensein mußte durch eine energische, initiierende
Tat Abhilfe geschaffen werden. Feldzüge nach Norden oder Osten, wo wirklich
selbstherrliche und übermütige Fürsten in die Schranken zu weisen gewesen wä-

11 Vgl. C R A W F O R D , S.240; 247-254. Zu B R U C E allgemein vgl. E. ULLENDORFF (1953); M.


P E R R E T (1984).
12 Vgl. C R A W F O R D , S.315-317.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 117

ren, boten, nach erfolglosen Vorversuchen, wenig Aussicht auf raschen Ruhm.13
Der Südosten war fest in der Hand von Galla-Völkern; in Schoa organisierte sich
langsam die Dynastie, die der Erbe des Gondar-Reichs im 19. Jhdt. werden
sollte.14 Blieb die Perspektive, die traditionellen Jagdausflüge nach Westen, in die
Nil-Tiefländer etwas auszudehnen, zum Beute- und Tributsammeln zu verwen-
den, sich dabei weniger risikoreich Feldherrn- und Feindesruhm zu erwerben.
Hier folgte man dem Beispiel ruhmreicher Vorgänger, ganz besonders aber dem
angesehenen Kaiser Susnsyos, der etwas über 100 Jahre zuvor eine Königin des
Sudan zu schmählichem und einträglichem Tribut gezwungen hatte.IS
Zwei vorbereitende und gut verlaufene Probejagdausflüge in den Jahren 1741
und 1743 lassen glauben, daß dies der richtige Weg sei.16
So zieht denn der Jüngling17 auf seinen ersten Feldzug,18 mit 30.00019 bzw.
100.00 Mann - j e nach den Quellen. Freilich darf man den jungen Spunt nicht

13 Sie wurden später versucht und waren dann der Anfang vom Ende der königlichen
Macht in Gondar, zugleich der Grund für den endgültigen Aufstieg des mächtigen Provinz-
fürsten in Tagre, Mika'el Snhul
14 D.h. die Dynastie Manilnks II., der nach der turbulenten Zeit „der Richter", der Anarchie
endloser Auseinandersetzungen der Provinzfürsten, der Herrschaft Tewodros II. und
Yohannas IV., Äthiopien in eine neue Zeit fuhren sollte.
15 Vgl. PerS (vol. 2.Übers) S.124-125; 154-156; CRAWFORD, S.180-187. Freilich leidet die
gesamte Darstellung der sudanesisch-äthiopischen Beziehungen unter einem akuten
Quellenmangel für diese Zeit. Gerade die Unternehmungen des Susnayos sind eher eine
Ausnahme unter den bezeugten Unternehmungen.
16 Freilich können sie den Kriegsruhm Iyasus II. nicht ganz befestigen. So ist im folgenden
Jahre eine satirische Schrift „die Feldzüge Iyasus II." im Umlauf, die hart mit der Untätigkeit
des Monarchen ins Gericht geht; zumindest, wenn man den Angaben von BRUCE (BrVoy 2,
S.690 f) glauben darf.
17 Er war damals etwa 21 Jahre alt, und damit, das wollen wir nicht verschweigen, für äthio-
pische Auffassung ein reifer Mann. In seinem Alter begannen andere äthiopische Monarchen
ihre großen Unternehmungen. Der eher der europäischen Auffassung entsprechende Ausdruck
sei im Hinblick auf die tatsächliche Rolle des .jungen" Mannes erlaubt.
18 D.h. im Nachhinein ist es als solcher zu bezeichnen; gedacht ursprünglich wohl nur als
der übliche Beutezug. Dagegen spricht auch nicht die eigens erwähnte Mitführung der Reichs-
insignien. Diese wurden allerdings des öfteren mitgefühlt, z.T. aus dem festen Glauben an die
direkte Wirkung dieser „ehrfurchtgebietenden und schreckenerregenden" Demonstration kö-
niglicher Macht, z.T. als Manifestierung eines andauernden Hoheitsanspruchs auf das betref-
fende Gebiet. Bei den auf diesen mißglückten Feldzug folgenden zwei weiteren Expeditionen
ins sudanesische Grenzgebiet werden, ohne damit den Unternehmungen eine besondere Note
zu verleihen, die betreffenden Reichsinsignien ebenfalls mitgeführt.
118 Manfred KROPP

ganz ohne Aufsicht auf die Jagd nach Ruhm gehen lassen. Der Bruder der Köni-
ginmutter, Walda Lacul, Bruder der Mantawwab, eigentliche Herrscherin in Äthio-
pien, wird vorsorglich als Oberkommandierender mitgeschickt. Ein Duo, das sich
in gegenseitiger Behinderung und mangelnder Abstimmung durchaus als richtige
Wahl erweist.
Der Feldzug beginnt in traditioneller Manier mit feierlicher Verabschiedung
durch den Hofstaat - die Königin und andere Prinzessinnen ziehen sich vorsorg-
lich zu Fasten und Bußübungen bis zur siegreichen Rückkehr zurück - am
Dienstag, den 3. Mäggabit 7236 äth. Stils, entspricht 10. März 1744 n.Chr., und
die erste Etappe führt über die schon in den zwei Ausflügen zuvor erprobten Sta-
tionen nach Galabbat, an den Atbara usw. Damit endet freilich der übereinstim-
mende Bericht der beiden Quellen (BRUCE; Chronik des lyasu).20

Trotz dreier unabhängiger Quellen ist die entscheidende Phase des Feldzugs
unklar. Ab der Überquerung des Flusses Dindir durch das äthiopische Expediti-
onskorps nach Westen und dem Auftauchen der Hauptstadt Sinnär als eigentli-
ches Kriegsziel,21 läßt sich außer dem Datum der Hauptschlacht nur wenig Über-
einstimmendes rekonstruieren. Daher sei es angebracht, zumal auch noch nicht ins
Deutsche übersetzt, die drei Hauptberichte zunächst z.T. in wenig gekürzter und
zusammenfassender Übersetzung zu geben. Danach soll der Versuch einer quel-
lenkritischen Rekonstruktion der Ereignisse folgen, falls es eine solche historische
Wirklichkeit überhaupt geben kann.

19 Die später zitierte arabische Quelle spricht, nicht ganz glaubwürdig, auch von 100.000
Mann.
20 Vgl. Giyasu, S. 113/129; BrVoy 2, S.691 ff.
21 Wie oft in der Geschichte, scheint das Ziel der Aktion erst durch den tatsächlichen Ver-
lauf der Ereignisse klar geworden zu sein; d.h. hier aus einer etwas größer angelegten Beute-
razzia wird durch ihren Erfolg in der Tendenz ein Eroberungsfeldzug, zu dem dann notwendi-
gerweise der militärische Plan fehlt. Die logificatio ex post - im Sinne von Theodor LESSlNos
Theorie der Geschichte und Geschichtsschreibung, scheint ja überhaupt der beherrschende Me-
chanismus historischer Reflexion zu sein, ganz evident der individuellen, aber auch, subtiler
und komplizierter, der kollektiven.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 119

Die drei Schilderungen der Handlungsabläufe nach den einzelnen Quellen:


A. Der Bericht des späteren sudanesischen Chronisten, der freilich über archivali-
sche Aufzeichnungen verfügte; zugleich eine durchaus festgefaßte, feindliche
Meinung gegenüber dem „Retter des Vaterlandes, König Badi, hat:22
(Zur Zeit des Sayhs Harriis Walda Gangal)...kamen die Äthiopier unter ihrem
König lyasu ohne seine weitentfernten Fürsten. Er kam mit etwa 30.000 Mann;
doch habe ich in einem abgeschnittenen Papierfetzen auch gelesen, daß er Sinnär
mit 100.000 Mann angriff. (Es folgt das Vaticinium eines äthiopischen islami-
schen Gelehrten über die kommende Niederlage der Äthiopier, das sich in seinen
Einzelheiten bewahrheitet. Doch leimt lyasu es ab, sich zurückzuziehen). Auf die
Nachricht seines Kommens läßt Badi überall Bittgebete veranstalten. Die Mus-
lime waren in tiefer Besorgnis und wandten sich an Gott, sich im Staube wälzend.
Da erhörte der sie, der den Bedrängten erhört, wenn er sich an ihn wendet. Und
er befähigte zu diesem Siege den König Badi. Er rüstete sein Heer aus und setzte
den Amin23 als Befehlshaber ein, mit ihm die Führer der Truppen und der be-
rühmten Ritter. Sie setzten über den Fluß (Nil) Richtung Osten zu dem Sultan
Harnfs, dem Sultan von Für. Sie vereinigten sich mit ihm, setzten ihren Marsch
fort und trafen schließlich mit lyasu zusammen in der Nähe von Yainün und
c
Agîb am (Flusse) Dindir. Manche sagen auch, es sei an einem Ort namens az-
Zakiyyät gewesen.24 Sie lieferten einem Teil des Heeres von lyasu ein Gefecht; er
aber saß währenddessen in seinem Zelt mit seinem Fürsten und Onkel mütterli-
cherseits Wald Locul - faul ausgestreckt und auf seinem Bett ausruhend.25 So
schlug Gott das Heer des lyasu in die Flucht, während es gemütlich auf dem
Marsch war, ohne daß er es zur Eile antrieb!26 So ist es Gottes Art, das war seine

22 Kätib as-5ûna, S.21-22.


23 Dies ist der eigentliche Lenker des Staates (Sekretär); z dieser Zt. von Badi IV. war dies
Biär Walad Yünus; vgl. O'FAHEY/SPAULDINü 91 und note 53 S.200.
24 Alle diese Orte sind, außer (Hillat) cAgib am Dindir, nicht weiters zu identifizieren; vgl.
Tabaqät, S.322; 323.
25 Vgl. zu dieser Schilderung unten die äthiopische Tradition der Osterfestfeier auch auf
dem Feldzug; es ist möglich, daß hier zeitlich verschobene Elemente zur besseren Charakteri-
sierung des elenden Feindes zusammengelegt wurden.
26 Hier mag ein mental und kulturell bedingtes Mißverständnis vorliegen. In der äthiopi-
schen Chronik wird gesagt, das äthiopische Heer habe in feierlicher Ordnung die Schlacht an-
120 Manfred KROPP

Hilfe und Unterstützung für den Islam, seine Güte gegen die Muslime, Lob sei
Gott, dem Herrscher der Welten.
Der König Badi und das Volk von Sinnär waren in großer Freude. Sie erfüllten
ihre Gelübde und hielten die Feste. Sie schlachteten für die Festmähler und ent-
hüllten Seidenbanner und schmückten die Moschee und die Märkte für sieben
Tage.
Der Sultan der Romäer (Türken) hörte davon und freute sich über den Sieg des
Islams und der wahren Religion. Diese Schlacht fand statt im Monat §afar des
Jahres 1157 der Higra (= 16.3.-13.4.1744 n.Chr.).
Der König Bäcfi aber kehrte bald darauf wieder zu seinem Lotterleben zurück!"
B. Der Chronist von Gondar war sicherlich kein Augenzeuge, wie viele vage An-
gaben und Unsicherheiten seines Berichtes zeigen. Darüber hinaus ist er an die
Vorgaben eines Hofchronisten gebunden. Sicherlich wurde der Text erst später,
nach der Rückkehr des Heeres, aufgrund von Aussagen Dritter erstellt.27 Die fol-
gende Übersetzung der Quelle (Glyasu, T 86; S.109; 113ff; V 92; S.l 18; 122 ff)
ist etwas gekürzt:
Im 9. Jahr des lyasu II. = 7230 äth. Stils = 1737 n.Chr. der übliche Jagdaus-
flug/ Beuterazzia in die Grenzgegenden zum Sudan (Bäläw28-Land).

geboten (s.u.). Der Zug der Infanterie mit allen Reichsinsignien (Reliquien etc.), mit großen
Zeremonialschirmen, die auch über dem König standen, mag für die heranstürmende berühmte
„schwarze Kavallerie" von Sinnär durchaus den Eindruck eines behäbigen Marsches gegeben
haben. Die Kavallerie war während des ganzen Feldzugs die entscheidende Waffengattung, wie
auch später BRUCES Bericht mit dem königlichen Versuch der Umsetzung seiner Kräfte am Nil
unter den Augen des Feindes zum Angriff auf Sinnär zeigt.
27 Auf die besondere Textur der überlieferten Form der Chronik Iyasus II. braucht hier
nicht eingegangen zu werden. Die spätere Kompilation mit der Geschichte des Ras Mika'el hat
interessanterweise den Hauptbericht nicht „zensiert", verändert, sondern der Überarbeiter hat
sich damit begnügt, konkurrierende Darstellungen einfach danach zu setzen; vgl. dazu allge-
mein KrThéol; zu einem in den Handschriften nachweisbaren Fall politischer Zensur (2 Fassun-
gen der Chronik des Särsä-Dangal) vgl. KrCens (im Druck).
28 Der äthiopische Name für die (teil-)arabisierten Stämme am Atbara usw. Er geht u.U. auf
den Namen eines arabischen Einwanderungsstammes im frühen Mittelalter zurück; vgl. CRAW-
FORD, S.l 09ff.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 121

Im 11. Jahr des lyasu II. = 7232 äth. Stils = 1739 n.Chr. eine weitere Expedi-
tion gegen die Bäläw.

14. Jahr = 7236 äth. Stils = 1744 n.Chr. die große Expedition; Abmarsch wie
schon oben erwähnt am Dienstag, den 3. Mäggabit 7236 äth. Stils, entspricht 10.
März 1744 n.Chr.29

Am 29. Mäggabit = 6. April wird Ostem, nach einer Woche von Siegen =
Plünderungen im Bäläw-Land gefeiert.30

Am Ostermontag (7.4.1774) bricht der König am frühen Morgen mit einem


Kavalleriekorps zu Erkundung (der schon geschlagenen Bäläw) auf, und findet
sie - gegen alle Erwartung - zur Schlacht bereit. Er eilt zum Hauptheer zurück,
läßt die Schlachtordnung mit allen Feldzeichen aufstellen und liefert den Fung die
Schlacht. Obwohl viele Muslime fallen, fällt ihnen doch der Sieg zu. lyasu wird
von seiner entourage praktisch gezwungen, zu Pferd zu fliehen. Alle Begleitper-
sonen der Feldzeichen fallen. Nach fünf Tagen Flucht Wiederveinigung mit
Walda Lacul, der sich auf anderem Wege mit wenigen Offizieren gerettet hat.

Die Lage der Dinge wird in Gondar durch eine Vorauskommando gemeldet.

29 Wichtig ist hier schon festzuhalten, daß kein Wort über Sinnär oder die Fung - von den
Bäläw klar unterschieden! - als Kriegsziel fällt. Dieser Unterschied in der äthiopischen Termi-
nologie wurde bei fast allen Behandlungen der Ereignisse nicht beachtet. Im weiteren Verlauf
des Berichts ist bei der Erwähnung von Harriis, daggazmac' = Feldmarschall des Königs von
Sinnär - sogar Erstaunen über dessen Anwesenheit und Eingreifen zu merken.
30 Hier ist zur Chronologie der Ereignisse, wie auch zum Feldzugsverlauf ein wichtiger
Punkt zu beachten. Es war Tradition im königlichen Feldlager, nach Palmsonntag nur den
Montag noch zu marschieren; dann wurde das Lager für die Karwoche und Ostern bezogen,
um alle Festvorbereitungen treffen zu können und dieses hohe Fest würdig zu feiern. Diese
Tradition wurde auch auf Kriegszügen beachtet. Aus Gründen der jahreszeitlichen Wetterbe-
dingungen fielen Feldzüge notwendigerweise oft in die Osterzeit; vgl. dazu Kr AS Ueb. XVIII;
17 n. 103 mit weiteren Angaben. Der Chronist gibt an, ein Teil der Siege sei in die Karwoche
gefallen; dies kann sich dann nur auf den Anfang der Woche beziehen.
Zugleich aber mag diese Tradition auch dem Feind in Sinnär bekannt gewesen sein, d.h. er
baute auf diese Zeit feindlicher Inaktivität. In der Tat gelingt es in diesen Tagen, unbehelligt ein
Verstärkungskorps aus Sinnär über den Nil zu setzen und, praktisch unter der Augen des Fein-
des, mit dem Heer von Hamls, das schon in AngrifFsposition zwischen den Flüssen Nil und
Dindir stand, zu vereinigen, womit die kriegsentscheidende Konstellation zustande kam.
Es sei abschließend festgestellt, daß für die Festdaten der äthiopischen Kirche der julianische
Kalender gilt; nicht ganz überflüssig, wie der entsprechende Irrtum (holy week = 18.-24.
März) in CRAWFORD, S.240 zeigt.
122 Manfred KROPP

Es folgt eine Liste der hohen Würdenträger, die mit lyasu fliehen konnten,
zugleich - als bekannter Topos der Chroniken - eine lange Liste von Niederlagen
früherer Herrscher; im Krieg wechselt eben das Glück.
Am 13. Miyazya = 19.4.1744 n.Chr., zwei knappe Wochen nach seiner Nie-
derlage, zieht lyasu mit der Restbeute in Gondar ein.
Im folgenden - äthiopischen - Jahre bringt ein äthiopischer Offizier einen Teil
der Reichsinsignien, die Kreuzespartikel und das Christusbild K^r'atä-Ra'asu, 31
aus dem Bäläw-Land zurück,32 die am 12.T>qamt 7237 äth. Stils = 20.10.1744
n.Chr. feierlich an ihren Platz in Gondar gebracht werden.
Im Jahre 7238 äth. Stils = 1745/46 n.Chr. kommen Abgesandte der Bäläw
(von Fung oder Sinnär ist nicht die Rede!) und bringen äthiopische Gefangene
und Teile der Heeresausrüstung, mit einem Brief der Unterwerfung ihres Fürsten,
die gnädig gewahrt wird.33
Die Geschichte der Rückkehr der letzten Insignie, eines Lui (Perle) genannten
großen Edelsteins der Krone in den Chroniken ist Teil der späteren ideologischen
Auseinandersetzung des mächtigen Ras von Togre Mika°el und dem König von
seinen Gnaden, Iyo'as, Sohn und Nachfolger von lyasu II.34

31 D.h. „O Haupt voll Blut und Wunden". Es handelt sich um eine „Ecce-homo"-Darstel-
lung im flämischen Stil des 16. Jhdts., die, ähnlich dem Mandilion der Byzantiner, als Reichsin-
signie mitgefühlt wurde. Ihre kunsthistorisch interessante Ursprungsgeschichte und ihre wech-
selvolle Geschichte in Äthiopien, auch nach der Zeit Iyasus II. wird nachgezeichnet bei S.
COJNACKI: The Kwer'ata Re'esu: Its iconography and significance. Napoli, 1985. (Supplemen-
to n. 42 agli AION. 45); R. PANKHURST: „The Kwer'ata Re'esu: The history of an Ethiopian
icon", in: ABBA SALAMA 10 (1979), S. 169-197.
Uns ist der naiv-unbefangene Umgang mit religiösen Symbolen zu militärischen Zwecken
etwas vergangen, was allerdings leider nicht heißt, daß wir überhaupt zu kriegerischem Tun ein
etwas prüderes Verhältnis gewonnen hätten - die Gegenwart beweist eher das Gegenteil.
32 Über den bei BRUCE genannten Auslösepreis ist nichts gesagt.
33 Nach der vorausgegangenen Niederlage Iyasus ist dies nur so zu verstehen, daß die mus-
limischen Kollaborateure, nach ausgiebiger Ausnutzung der Niederlage ihres Souveräns, nun
mit dem doppelten Gewinn durch das Lösegeld für ihre - aus äthiopischer Sicht auf verräteri-
sche Weise gewonnene - Beute auch noch die Herstellung des status quo und guter Beziehun-
gen wünschen.
34 Der Lui wird vom Ras zur causa imperii hochstilisiert, d.h. ohne ihn (vgl. den „Waisen"
in der deutschen Kaiserkrone) kann kein König gültig gekrönt werden. Dienstbeflissene Kleri-
ker und Chronisten bauen darauf eine ganze Reichstheologie auf; dabei sind weder der Lui
noch die Krönung in der äthiopischen Tradition herrschaftbegründende Bestandteile. Ras
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 123

C. Der langatmige und im Verhältnis zu den anderen Quellen mit allen Motiven
und Absichten der Handlungsträger geschmückte Bericht des James BRUCE folgt
jetzt in abgekürzter Form (BrVoy 2,691 ff):35
Die Unternehmung ist von Anfang an als Feldzug gegen Sinnär geplant. Walda
c
L3 ul führt das Hauptkorps, Kasmati (= Däggazmac (Feldmarschall)) Waragna
(Wäräflfia) die Vorhut, der König das für besondere Aufgaben reservierte Elite-
korps der Reserve.
Vom Atbara bis zum Dindir verbreitet sich Angst und Schrecken in der Bevöl-
kerung; allerdings wagen sich die äthiopischen Truppen in ein unbekanntes, un-
wegbares Waldgebiet zu beiden Seiten des Dindir vor. Muslimische (arabische)
Kollaborateure, wie Nayl Wed Ageeb (richtig?: Muhammad Wad Ideghim).36 Der
Dindir wird - schon mit reicher Beute beladen - gemeinsam mit dem gesamten
äthiopischen Korps überquert. Vom Lager im Gebiet zwischen Dindir und Nil
wird eine Erkundungs- und Vorausabteilung unter Wäräfina abgeschickt. Die er-
sten Informationen besagen, daß Bädi ein Heer gesammelt hat, um den Äthiopiern

Mika9el gelingt es durch einen glücklichen Zufall, die nach dem unglücklichen Feldzug noch
verlorene Insignie zurückzugewinnen. Er nutzt diesen Zufall in der genannten Weise aus, um
mit dem Lui in seinem Besitz zum legitimen Königsmacher zu werden; vgl. KrHay (Mik)
S.51/66;S.267n.4;KrThéol.
35 Voraus geht die Schilderung der Rebellion im ersten Jahre Iyasus IL, die ihn fast vom
Thron gestoßen hätte, sodann der erste Jagdausflug - gegen den Rat der Mutter und des On-
kels - in das Gebiet des späteren Feldzugs. Schon hier wird erwähnt, daß er sich die Unterneh-
mungen seines Ahnherrn, Susnayos zum Vorbild genommen habe (BrVoy 2, S.683-684).
In der nachfolgenden Periode entfaltet der junge König eine rege Bautätigkeit und betätigt
sich als Mäzen der schönen Künste. In dem daraus resultierenden Bankrott der Staatskasse und
der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem König sieht BRUCE ein Motiv für den unvermittelten
Feldzug gegen Sinnär.
36 Hier ist einer der typischen Fehler und Verwechslungen von BRUCE. Der genannte Name
ist der des entsprechenden Kollaborateurs zur Zeit des Susnayos; vgl. PeS chap. 46; 58 mit den
Namensformen Nayl walda Agub/Ageb. Die Wad Agib sind ein einflußreicher arabischer
Stamm im Dindir-Atbara-Gebiet, so daß die entsprechende Namensform eher häufig ist.
BRUCE trifft ca. 30 Jahre später den muslimischen Kollaborateur und Spion Iyasus II. als Gou-
verneur in Gallabat (Ras al-FIl) auf der Rückreise von Äthiopien, von dem er viele Einzelheiten
erfährt; allerdings nennt er ihn Mohamed wed Ideghim; trotz der bisher nicht möglichen Identi-
fikation sicherlich der richtige Name.
Hier liegt wohl ein typisches Versehen, geboren aus übereilter Diktion aus ungeordneten
Notizen vor. Ein ähnlicher Verwechslungsfehler unterläuft A. E. ROBINSON (1929, S.240), der
die Personen und Feldzüge von Susnayos und lyasu II. zusammenmischt.
124 Manfred KROPP

entgegenzutreten. Er entschließt sich allerdings dann zum Rückzug nördlich des


Atbara. Doch da erfährt Hamis, der Fürst von Dar Für, der mit seinem Truppen
schon im Gebiet steht, daß lyasu sich vom Hauptheer getrennt habe.37 Er will den
Feind verlocken, den Nil zu überschreiten und gegen das anscheinend wehrlose
Sinnär vorzugehen. Gleichzeitig will er selbst mit 4.000 Mann Kavallerie den Nil
weiter nördlich überschreiten und Walda Lacul und den Rest des äthiopischen
Korps angreifen.38 Ziel ist es, den dann auf die andere Nilseite übergesetzten
äthiopischen König im verlassenen Sinnär, ohne Möglichkeit des Rückzugs, zu
vernichten.

In der Tat rückt lyasu bis Basboch,39 auf der gegenüberliegenden Seite des
Nils, vor, muß sich allerdings überzeugen, daß mit seiner Infanterie der Übergang
nicht möglich ist. Er schickt sein Korps zurück, um es gegen Kavallerie aus dem
Korps des Walda Lacul auszutauschen.40 Die ganze, deutlich überhastete Aktion,
wird dadurch ausgelöst, daß man Sinnär, auf der anderen Nilseite, offenkundig
schutzlos zu sehen glaubt.41 Ein Spion des Nayl wed Ageeb (in Wirklichkeit wohl
Mohammed wed Ideghim) meldet jedoch das Übersetzmanöver des Hamis.42 Es
sei nicht mehr möglich, Walda Lacul zu erreichen, oder gar sich zur Hilfe mit ihm
zu vereinigen. Nur die rasche Flucht mit der Kavallerie östlich des Nils könne den
König retten. Der König flieht von Basboch, ohne Kontakt mit seinem Hauptheer
aufgenommen, es benachrichtigt zu haben.43 Der Überraschungsangriff auf Walda

37 Eine Nachricht, die nach der Kenntnis der Osterfeiertradition gerade nicht glaubhaft ist.
38 Aus den anderen Quellen geht hervor, dass Hamis schon auf der anderen Nilseite stand,
und daß eine Verstärkung aus Sinnär unter dem Kommando des Amin übersetzte.
39 lyasu folgt der üblichen Karawanenroute Sinnär - Basboch - Bacras (am Dindir) -
Überquerung bei Dodar; vgl. CRAWFORD Fig. 25, der jeweils drei Tage für diese Etappen an-
gibt.
40 Hier liegt entweder ein kapitaler Fehler des Königs vor, der für eine Voraus- und Aufklä-
rungsabteilung in der Darstellung von BRUCE, zwar sein Elitekorps, aber Infanterie gewählt
haben soll. Wahrscheinlicher ist aber die Schilderung des äthiopischen Chronisten, der von ei-
ner Kavallerieunternehmung des Königs spricht.
41 Hier wäre zu fragen, ob es nicht möglich war, den Abzug des umfangreichen Heeres
(Kavallleriekorps) aus Sinnär und dessen Übersetzen auf die andere Nilseite zu beobachten.
42 In Wirklichkeit des Amin von Sinnär zur Verstärkung des Hamis, der schon auf der an-
deren Nilseite stand.
43 Auch mit der unterlassenen Alarmierung seines Hauptheeres, die ihm nach Lage der
Dinge möglich gewesen sein mußte, teilt BRUCE, in Anhörung seiner Gondariner Gewährsmän-
ner - und -frauen - einen besonders hämischen Hieb gegen den König aus.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 125

Lscul gelingt; nur er selbst mit wenigen Offizieren kann fliehen und vereinigt sich
nach zwei Tagen mit dem König. Doch 18.000 Mann sind gefallen oder gefangen,
die Reichsinsignien verloren. Auf dem Rückmarsch nimmt lyasu Rache an den
verräterischen Muslimen der Region bis zum Täkkaze. Die daraus resultierende
Beute erlaubt die Rückkehr als Sieger nach Gondar.44
Im Jahr darauf kommt ein Teil der Reichsinsignien, gegen das Lösegeld von
8.000 Unzen Gold nach Gondar zurück. Dies bedingt - zum ersten Mal - Steuern
fur die Kirche, usw."

Bewertung
Nach dieser Übersicht über die verschiedenen Quellen der Ereignisse bleibt
die Bewertung. Sicherlich wird als Hauptergebnis festzustellen sein, daß der Zug
keine militärische Konzeption hatte, nicht über die üblichen Beutezüge hinaus-
wies. Somit bleibt es ein Hauptfehler der bisherigen Bearbeitungen, unbedingt ein
solches Konzept entdecken und herausarbeiten zu wollen. Wie CRAWFORD richtig
feststellt, führt der Weg zur Eroberung dieser Region über den Atbara nach Nor-
den bis Meroe; nicht umsonst verdankt Sinnär gerade seiner relativen Abgelegen-
heit seine Sicherheit und Bedeutung für einige Zeit.4S
Die entscheidende Phase des Feldzugs beginnt mit der Überschreitung des
Dindir, von der ab sich das Expeditionskorps der Äthiopier in einem unbekann-
ten, unwegsamen Gelände in einem Dreieck zwischen zwei Flüssen befindet.46
Das einzige weitere Kriegsziel - die Hauptstadt des Feindes Sinnär - liegt jen-
seits, westlich des Nils. Das Übersetzen ist an dem Punkt Basboch nur mit Kaval-
lerie möglich, was eine definitive Teilung des Korps, über die Späh- und Erkun-
dungsvorausabteilungen erforderte. Auf der anderen Seite beflügelt diese äußerste
Möglichkeit den Feind zu einer effektiven Kriegsplanung, die in einer Massierung

44 In der Darstellung von BRUCE - hier ist er das Echo der königsfeindlichen Kreise in
Gondar - spottet lyasu noch über das Unglück seines Heeres und Volkes.
45 Vgl. CRAWFORD, S.24lf; dies ist gerade die Route Ezanas, die ihn runde 1000 Jahre
früher zu seinem Erfolg führt; s. Anm. 1.
46 Alle anderen Angaben über eine Teilung des Korps zu einem Zangenangriff auf Sinnär,
die etwa bei O'FAHEY/SPAULDING oder CRAWFORD (bei diesem „a blunder that cost them the
campaign") angeführt werden, sind Fehlinterpretationen der Quellen.
126 Manfred KROPP

der eigenen Kräfte im Flußdreieck und einem frontalen Vernichtungsangriff be-


steht, falls die angebotene Falle der Eroberung der wehrlosen Hauptstadt mit dem
Preis der Teilung der äthiopischen Kräfte nicht angenommen werden sollte. Die
einzig richtige Antwort darauf war - eine entsprechende Aufklärung vorausge-
setzt 47 - genau dieses Vereinigungsmanöver in seiner kritischen Phase - d e r
Flußüberquerung - zu verhindern, oder aber schon früher das Teilkorps anzugrei-
fen und somit die Chance zu wahren, die gegnerischen Teilkräfte nacheinander
aufzureiben. Hier hätte man die durchaus vorhandene, und der berühmten „schwar-
zen Kavallerie" von Sinnär gleichwertige eigene Truppe, etwa die Korps der
Wafa oder die Reiterei von Tagre,48 einsetzen können. Beides unterblieb, wie wir
annehmen können, mit Respekt auf das zu feiernde Osterfest. In dem Moment, in
dem man durch das Überschreiten des Dindir dem Unternehmen ein ganz neue Di-
mension gegeben und sich v.a. geographisch in eine neue Lage begeben hat, feiert
man, nach erfreulich erfolgreichen kleineren Beutezügen, gemächlich Ostern, an-
statt Aufklärung zu betreiben, die Aktionen des nun in existenzieller Angst agie-
renden Feindes zu beobachten oder gar zu stören, kurz eine Strategie des Feld-
zugs zu entwickeln.49 Und letztlich wurde die Schlacht anscheinend mit der trä-
gen Schwere des Infanteriehauptkorps angeboten, wo nur ein geschickter Flan-
ken- oder Umfassungsangriff der eigenen Kavallerie hätte Erfolg haben können.50

Bleibt als Kernfrage, ob der König feige „Fahnenflucht"51 begangen hat, wie
es uns die Darstellung von BRUCE glauben machen will; oder aber ob er faul aus-
gestreckt auf seinem Lager vom Gegner überrascht wurde, wie es uns die islami-

47 Die aber nach allem,was über arabische Spioneund Kollaborateure berichtet wird, anzu-
nehmen ist.
48 Vgl. z.B. Giyasu, S. 114/123.
49 Ich bin mir bewußt, daß auch ich hier fremde Bewertungselemente mit einbringe, hoffe
aber, daß sie in etwa sachgerecht sind. Zu überzogener Betrachtungsweise dieser Art vgl. mei-
nen Aufsatz „Des Kaisers Gälawdewos (Claudius) 'kurze, energische Kampagne'. Eine Be-
trachtung über die Unbrauchbarkeit preussisch-militärischer Denkweise in der Quellenkritik".
Vortrag gehalten im Rahmen des „Colloquium Africanum" am Frobenius-Institut, Frankfurt
(Main) am 4.12.1987 (überarb. Form im Druck).
50 Freilich bleiben diese letzten Ausfuhrungen Vermutungen, bis eine genaue Identifikation
des Schlachtortes, ein evtl. möglicher „sopralluogo" - im Sinne von D. MORRAYs Victorian
sites, s. hier unten, S. 163 - durchgeführt worden sind.
51 Auch hier bin ich mir der Unangemessenheit, anachronistischen Form des Begriffes be-
wußt; gemeint ist die vorzeitige Flucht und Rettung des Königs vor der Niederlage im Felde.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 127

sehen Quellen vorstellen, oder aber ob er, nach schon verlorener Schlacht, von
seinem Gefolge gezwungen wurde, im Interesse des Reichs die Flucht zu ergrei-
fen, um das Reich zu retten?

Für die Angaben von BRUCE bleibt die notorische Feindseligkeit und Böswil-
ligkeit seiner Informanten gegenüber lyasu als Hauptargument; auch die Schilde-
rung des Hofchronisten über die Rettung des Königs ist ja nicht gerade schmei-
chelhaft, gerade dafür umso glaubwürdiger. Das muslimische Zeugnis gilt für die
Anwesenheit des Königs in der Hauptschlacht, wobei das „faule im Bettliegen"
ein - schon in einer Anmerkung erwähntes - kulturell bedingtes Mißverständnis
des feindlichen Zeremoniells sein kann.

Es bleibt als Ergebnis, daß kein Kriegsplan existierte.52 Der geplante Zan-
genangriff auf Sinnär, den CRAWFORD, O ' F A H E Y und SPAULDING sehen wollten,
beruht auf falschen Vorstellungen der Heeresbewegungen (z.T. westlich des Nils
gedacht); auch der „blunder" der Teilung des Expeditionskorps, den CRAWFORD
sehen will, beruht auf einem zu leichtgläubigen Vertrauen auf BRUCES Angaben.
Auch getrennt marschieren, vereint schlagen, mag weniger in den Köpfen der
Feldherm lyasu und Walda Lacul gewesen sein, bei vereinzelten Einzelaktionen,
als der Gedanke an mehreren Stellen zugleich Beute machen zu können. In die-
sem Sinne ist freilich der Hauptfehler so elementar, daß er kaum gesehen, ge-
glaubt werden kann: keinen Plan im militärischen Sinne gehabt zu haben. Der
Verlauf des Feldzuges fällt wohl eher unter die Kategorie, unter der sich die
Kriegsgeschichte mehrheitlich subsumieren läßt, in der - als vielleicht einziges
tröstliches Element - weniger Können und kalte Professionalität als Schlamperei
und - wenn auch begeisterter - Dilettantismus zu finden sind, gemäß dem Titel
des Buches eines englischen Historikers „Someone had blundered: the history of
military incompetence" 53 - in Anspielung auf Lord TENNYSONS berühmtes Ge-
dicht The Charge of the Light Brigade. Oder aber in der Ausdrucksweise meines
Taktiklehrers, dessen altpreußisches Schnarren ich leider nur unvollkommen nach-

52 Hier weiß ich mich im profundem Dissens auch mit der Auffassung und Interpretation
der gleichen Ereignisse durch Merid Wolde ARAGAY und SERGEW HABLE SELASSIE: „Sudanes-
Ethiopian Relations befor the Nineteenth Century", in: Sudan in Africa, S.62-72.
53 Von Geoffrey REGAN. London, 1987.
128 Manfred KROPP

ahmen kann, möchte man auch diesen Feldzug unter das Motto „kapitaler Bock-
mist" stellen. So kann nach Ausweis der Kriegsgeschichte zuweilen durch den
ihren Akteuren, mehr als anderen Berufsgruppen, anhängenden geradezu quasi-
professionellen Dilettantismus das Schrecklichste und Allerschlimmste - beson-
ders für die gar nicht betroffene Zivilbevölkerung - ab und zu verhindert werden,
zu Deutsch: der absolut effektive und vernichtende Einsatz in Vernichtungs-
schlachten etc.54

Nachbemerkungen
Der Retter des Vaterlandes, König Bädf IV. nimmt, wie so oft in der Ge-
schichte, ein ganz unerwartetes Ende. Durch eine Palastrevolution 1761 n.Chr.
gestürzt, sucht er Zuflucht beim vormaligen äthiopischen Feind, hier Ras Walda
Locul in Gondar, der ihm den Gouverneursposten von Ras al-Ffl (Gallabat) anbie-
tet, mit der Aussicht einer Rückeroberung des Thrones. Diese Absicht, wohl nie
ernst gemeint, macht die Ermordung Bädfs durch Emissäre Sinnärs, nachdem er
sein sicheres Exil verlassen hatte, zwei Jahre später hinfällig.55
Doch um auf den Feldzug zurückzukommen: Während seines - nennen wir es
einmal in Anlehnung an politische Euphemismen der Gegenwart - zielstrebigen
und konsequenten Defensiwormarsches56 vergißt der König freilich nicht auf-
munternde Briefe an die nun offensiv ihre Niederlage erlebende Gegenseite zu
schicken, doch mit den Reichsinsignien herauszurücken.57 Diese werden umso
selbstsicherer und dreister, je mehr man sich der sicheren eigenen Residenz Gon-
dar nähert; freilich muß man dort natürlich auch die besten Siegesmeldungen ver-
breiten. Die verschiedenen sudanesischen Partner, die sich auf der Straße des

54 Dieser, vor zwei Jahren konzipierte Satz, will mir, unter dem Eindruck der aktuellen Er-
eignisse auf dem Balkan, nicht mehr aus der Feder. Daß er, wie vor zwei Jahren, hier stehen
bleibt, ist der klägliche Rest meiner Hoffnung in der menschlichen Geschichte.
55 CRAWFORD, S.245; Glyasu, S.202/212; BrVoy 2, S.726 ff.
56 Zur Brandschatzung friedlicher Völkerschaften am Wege, die die vorzeigbare Kriegs-
beute an Vieh und Sklaven etwas aufbessert, bleibt jedenfalls noch Zeit.
57 Da die Kriegsbeute verschiedenen Parteien in die Hände fiel, werden solche Nachrichten
nicht nur nach Sinnär, sondern auch an andere Gruppen gerichtet worden sein. Somit ist wohl
auch die Hoffnung, daß eines Tages einige solcher Briefe in den Archiven der Fung, sonst gut
erforscht durch eine vorzügliche Schule sudanesischer Historiker unter der Führung und
Muhammad Ibrahim Abü-Salfm, auftauchen.
Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 129

Ruhmes für den äthiopischen König als wenig hilfreiche, eher sperrige Statisten
erwiesen hatten, sind zumindest willige, wenn auch teuere Geschäftspartner und
erlauben lyasu II. aus seiner Niederlage in der Heimat noch das Beste zu machen.
Ein großer Teil der Reichsinsignien kehrt nach Zahlung einer Abstandssumme im
Triumph nach Gondar zurück. Vielleicht war es auch besser so, als ein Sieg im
fernen Sinnär, den man so geschickt nicht hätte in der Heimat feiern können.
Freilich, ein Rest bleibt: der Lui. Dieser wird sich erst in der Rebellion des
Ras Mika°el Sahul erledigt werden. Dann freilich gleich im Ausbau mit einer
neuen Staatsideologie, die es ermöglichen soll, daß der Provinzfurst über dem
König steht. Der Weg dieses Kleinods aus der sudanesischen Kriegsbeute zurück
nach Äthiopien und den Hof ist verschlungen und nicht ganz aufgeklärt.58
Eine weitere Kriegsbeute der Sudanesen waren altmodische Eisenkanonen
(Vorderlader. u.U. Schiffskanonen) der Äthiopier, die später von den Ägyptern
bei der Eroberung des Sudans noch einmal erbeutet werden.59

Verzeichnis der benutzten Abkürzungen und Literatur

Abu Salim, Muhammad Ibrahim: Al-Füngwa-l-ard, Al-Harçûm, 1967.


BMÄth: BARTNICKI, A. und J. MANTEL-NIECKO: Geschichte Äthiopiens. Bd. 1.2. Berlin 1978.
BrVoy: James BRUCE of Kinnaird: Voyage en Nubie et en Abyssinie entrepris pour découvrir
les sources du Nil. Trad, de l'anglais par J.H. CASTERA. Vol. 1-5. Paris 1790-
1792.
CHA: The Cambridge History of Africa. Vol.4, from c.1600 to c.1790. Ed. by R. GRAY
Cambridge 1975. (S.567).
CRAWFORD, O. G S.: The Fung Kingdom of Seimar. Gloucester 1951.
Glyasu I, II: Annales regum lyâsu et lyo'as. (Hrsg.): Ignazio GUIDI. Paris 1910-1912.
(CSCO. script, aeth. ser. 2. tom.6.) = Nachdr. 1960-1961. (CSCO. 61. 66. =
script, aeth. 28.29.)
GV: Ignazio GUIDI: Vocabolario amarico italiano. Roma 1901. Nachdr. 1953.

58 Vgl. Anm. 34.


59 Vgl. MACMICHAEL, 241, n. 15. nach dem Bericht des amerikanischen Artilleristen Eng-
lish der ägyptischen Expedition. Andere, wie CAILLIAUD, halten sie für mamlukische Kanonen.
130 Manfred KROPP

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in:SNR.6(1923),S.191-230.
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Kätib aS-Süna, Ahmad Ibn (al-Häeg) Abü-CA1I: Mahlüta Kätib aS-Sünafltä'rfh as-saltana as-
Sinnäriyya wa-l-idärat al-Misrtyya. (Hrsg.:) As-Säjir Busayü cAbd-al-öaIII. Al-
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übers, von Manfred KROPP. Louvain 1994. (Corpus Scriptorum Christianorum
Orientalium 539, 540. = Scriptores Aethiopici 99, 100.)
KrCens: Manfred KROPP: „Un cas de censure politique en Ethiopie au XVIIe siècle: chapitre 8
et 9 de la chronique de Särsä-Dangal", in: Abbay 1994 (im Druck).
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Äthiopisch-sudanesische Kriege im 18. Jhdt. 131

TSM: TÄKLÄ-SAD Q MAK- RYA: Yä-Ityogya tarik ka-ase Labnä-Dangd oskä ase Tewo-
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Yüsuf Fadl HASAN: Muqaddima fî tä'rih al-mamälik al-islämiyya fi s-Südän as-larqf, 1450-
1821. Al-Harjüm 1989.
Manfred KlMM'l1 - Älhiopiscb-sudanesische Kriege im 18. Jhdt 257

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Rouft of Poncet & Brevedent
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ÌÌAirAA (Halbyò)
• Atro» IBlmlun)
^.COriMH flîurlinj)
\'.o*mN(K»mIln)

Aus: O.G.S. CRAWFORD: The Fung Kingdom of Sennar. Gloucester 1951, S.290.
258 Annalis LlìlBt INDO UT

Abb.I: Christusbüste im Gemmenkreuz Faras, Kathedrale, Nordvorhalle, Westwand.


Nationalmuseum Warschau, Inv.Nr. 234018.

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