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SADHANA
1
INHALTSVERZEICHNIS
Sangye Menla-Puja 6
2
LINIENGEBET DER KARMA KAGYÜ - LINIE
3
die Fesseln an dieses Leben zerschneidet, den Segen,
4
KHOR DÄ JER ME TOG PAR DSCHIN GJI LOB/
Deinen Segen, dass er Samsara und Nirvana als untrennbar erkennt.
5
Sangye Menla-Puja
HUNG ORGJÄN JÜLGJI NUB DSCHANG TSAM/PEMA GE SAR
DONG PO LA/JA TSÄN TSCHOG GI NGÖ DRUB NJE/PEMA
DSCHUNG NÄ SHE SU DRAG/KOR DU KAN DRO MANG PÖ
KOR/KJE KJI DSCHE SU DAG DRUB KJI/DSCHIN GJI LOB
TSCHIR SHEG SU SÖL/NÄ TSCHOG DI RU DSCHIN PO LA/DRUB
TSCHOG DAG LA WANG SHI KUR/GE DANG LOG DREN BAR
TSCHÄ SOL/TSCHOG DANG THÜN MONG NGÖ DRUB TSÖL/
Hung an der nordwestlichen Grenze des Landes Orgjän aus dem Stamm einer
Lotusblume geboren, hast du die höchsten und wundervollsten Siddhis erlangt.
Berühmt als der Lotus-Geborene bist Du von einem Kreis zahlreicher Dakinis
umgeben. Damit ich nach Deinem Vorbild Vollkommenheit erlange, bitte komm
herbei und segne mich. Sende Deinen Segen zu diesem erhabenen Ort und
gewähre mir die höchsten Fähigkeiten und die vier Initiationen. Beseitige die
schädlichen Kräfte, Verwirrung, Hindernisse und Zwischenfälle und gewähre mir
die gewöhnlichen und die höchsten Siddhis.
6
Du bist begleitet, Guru, von vielen Dakinis. Segne Körper, Rede und Geist Deiner
hingebungsvollen Söhne durch deinen Segen von Körper, Rede und Geist.
Gewähre Deinen Segen durch die vier Initiationen und reinige durch Deinen
Segen die vier Lebensströme. Gib Deinen Segen, dass wir die vier Wege üben und
die vier Körper erlangen.
Ich verbeuge mich vor dem Medizinbuddha. Du besitzt den Schatz eines Ozeans
von Qualitäten und Verdiensten und durch den Segen Deines unvorstellbaren
Mitgefühls befriedest du die Lebewesen in ihren qualvollen Leiden. An den
Buddha des Lapislazuli-Lichtes (Mängyi La Bedurya) richte ich meine Bitte.
Wenn die Lebewesen, die durch die Fessel großen Geizes in der Welt der
Hungrigen Geister geboren, Deinen Namen hören, werden sie als Menschen
geboren und Freude an der Großzügigkeit entwickeln; an den siegreichen
Medizinbuddha richte ich meine Bitte. Wenn die Lebewesen, durch Mangel an
Disziplin und durch ihr Bemühen, anderen zu schaden im Zustand der Hölle
geboren, Deinen Namen hören, werden sie in den höheren Welten wiedergeboren;
an den König der Medizin richte ich meine Bitte. Völlige Entzweiung durch
verschiedene Arten von Intrigen und Zwietracht vermag nicht unserer
Lebensenergie zu schaden, wenn wir Deinen Namen hören: an den König der
Medizin (Bhaisajyaguru) richte ich meine Bitte. An Tsänleg Yongdragpal,
Serzang Drimed Rinchen Nangba, Nyangenmed Mechogpal , Tchödrag Gyamtso
Yang, an den siegreichen Ngönkyen Gyalpo und den siegreichen Drayang Gyalpo,
an den Erhabenen des Shakya-Volkes (Shakyamuni Buddha); an all diese richte
ich meine Bitte (die sieben Brüder). An das völlig vollendete Mandala; Dschampäl
(Manjushri), Kjabdröl (Chenrezig), Djanadordje, Brahma, Indra, den vier großen
Königen der vier Himmelsrichtungen, den zwölf großen Führern der Nödschin
richte ich meine Bitte. An die Sutra des Wunschgebetes der sieben Tathagatas,
an die Medizinbuddha-Sutras, an die Texte des großen Gelehrten Shantirakshita
usw. und an die Sammlung der Texte des heiligen Dharma richte ich meine Bitte.
An den Dharma-König, an seine Minister und an die Bodhisattvas, an alle heiligen
Lamas der Übertragungslinie, an die Mächtigen des Dharmas richte ich meine
Bitte. Mögen so durch den Segen dieses Gebetes die zeitweiligen Krankheiten
und vielfältigen Ängste befriedet werden. Gewähre Deinen Segen, dass wir,
nachdem alle Ängste vor niederer Wiedergeburt zur Zeit des Todes besiegt
sind, im reinen Land Dewachen wiedergeboren werden.
8
NAMO KÖN TSCHOG SUM DANG TSA WA SUM/ KJAB NÄ NAM
LA KJAB SU TSCHI/DRO KÜN SANG GJÄ LA GÖ TSCHIR/
DSCHANG TSCHUB TSCHOG TU SEM KJE DO/ (3x)
Ich verbeuge mich, zu den drei Juwelen und den drei Wurzeln. Zu diesen nehme
ich meine Zuflucht. Um allen Wesen zur Buddhaschaft zu verhelfen, richte ich
meinen Geist auf die höchste Erleuchtung aus.
Alles wird zu Leerheit. Aus der Leerheit entstehen eine Milliarde Welten, die
zum Palast Danadug (schön zu sehen - in Sanskrit Sudarsana) werden. In diesem
Palast, auf einem Löwenthron mit Lotus und Mondscheibe darüber, befindet sich
die blaue Keimsilbe HUNG. Aus dem blauen HUNG entsteht Buddha Menla
(Sanskrit: Bhaisajyaguru) mit einem lapislazuliblauen Körper, von dem Licht in
der selben Farbe ausstrahlt. Er trägt die drei Dharmaroben. Mit der rechten
Hand hält er die Arurapflanze in der Mudra des vollendeten Gebens. Mit der
linken Hand hält er die Bettelschale in der Mudra des meditativen
Gleichgewichts. Er besitzt die 32 Merkmale und 80 Zeichen der Buddhaschaft
und sitzt mit gekreuzten Beinen in der Vajrahaltung. Auf den Lotusblättern des
Hauptaspektes vor mir sitzen sieben Buddhas und die Dharmaschriften. Um ihn
herum sind die 16 Boddhisatvas und weiter dahinter die zehn weltlichen
Beschützer und ihre zwölf Minister * mit entsprechendem Anhang. In den vier
Toren des Mandalas befinden sich die vier großen Könige.
In den drei Zentren (aller Buddhas) befinden sich die drei Keimsilben (OM-AH-
HUNG) und von dem HUNG im Herzen strömt Licht aus. Aus der östlichen
Himmelsrichtung und den entsprechenden reinen Buddhafeldern werden zahllose
Weisheitsgottheiten (Yeshepas) herbeigerufen und verschmelzen mit mir und
den Buddhas vor mir.
An die Versammlung der acht Medizinbuddhas richte ich ohne Ausnahme die
Bitte: Ihr, die ihr an diesen Platz eingeladen seid, lasst Euren großen Segen auf
10
uns herabströmen. Gewährt den Wesen mit gutem Karma, den Hingebungsvollen
und mir die höchste Einweihung.
Die Opferungen
ARGAM-PÄDA-PUPE-DUPHE-ALOKE-GÄNDE-NEWIDE-
SHAPDA-RUPA-SHAPTA-GÄNDE-RA SA-SAPARSHE
TRA TI TSA HUNG
11
HUNG TRA SHI TSO WO DZÄ GJÄ DE/TSO TSCHOG GJÄL PO
BUM PA SOG/DAG GI LHA LA TSCHÖ PA BÜL
SEM TSCHÄN TSOG NJI DZOG PAR SHOG//
Ich bringe den Gottheiten als Opferung dar: die acht wichtigsten
glücksverheißenden Objekte, wie den hervorragenden weißen Senfsamen von
erhabener Erlesenheit. Mögen wir die zwei Ansammlungen vollständig vollenden.
HUNG KÜN GJI TSO WO RI RAB LING/RIB RAB LING SHI LING
TRÄN TSCHÄ/DAG GI LHA LA TSCHÖ PA BÜL
TSOG NJI JONG SU DZOG PAR SHOG//
Ich bringe den Gottheiten als Opferung dar: den mächtigsten aller Berge
(Meru), die vier Kontinente
umgeben von ihren entsprechenden Subkontinenten. Mögen die zwei
Ansammlungen vollständig vollendet werden.
12
HUNG DAG GI DRI DÄN DRI TSCHAB KJI/DE SHEG KU LA KU
TRÜL SOL/LHA LA DRI MA MI NGA JANG
DIG DRIB DAG PÄ TEN DREL GJI//
Obwohl keine Unreinheit die Gottheit befleckt, wasche ich den Körper des
Tathagata mit duftendem wohlriechenden Wasser und stelle damit die günstige
Verbindung her zur Reinigung von schlechten Handlungen und Verdunklungen des
Geistes.
13
OM BENDZA WÄTRA A HUNG
Dein Körper ist von der Farbe eines Lapislazuli-Berges. Bitte, befreie alle
Lebewesen von den Leiden der Krankheit. Du sitzt umgeben von einem Gefolge
von 10 Beschützern. Ich verbeuge mich vor Dir, Gottheit, dem Halter kostbarer
Medizin und preise Dich. Ich verbeuge mich vor Tsänleg, Rinda, Serzang,
Njangenmed, Tchödrag Gyamtso, Tschölo, Shakya Thubpa, vor dem heiligen
Dharma, den 16 Boddhisattvas, den drei seltenen und erhabenen Juwelen und
preise Euch. Ihr seid umgeben von Brahma, Indra, den Beschützern der zehn
Richtungen, den zwölf Führern der Nödschin (Yaksha) und von den Weisen, die
das Wissen der Medizin von Göttern und Menschen besitzen.
DAG DÜN THUG KAR HUNG LA NGAG TRENG GI KOR WAR GJUR/
In meinem Herzen und dem des Hauptaspektes vor mir, befindet sich die Silbe
HUNG umgeben von einer Girlande des Mantras.
14
OM NAMO BAGAWATE BEKADZAYE GURU BE DRURYA TRA
BARA DZAYA TATHAGATA ARHATE SAMYAKSAM BUDAYA/
TAYATA OM BEKADZE BEKADZE MAHA BEKADZE RADZA
SAMUD GATE SOHA.
TSCHOM DEN DE MENGYI LA BE DURYA ÖKYI GYALPO LA
TSCHAG TSALO
Ich verehre den Herrn, den Medizinbuddha, den König des blauen Lichtes, dessen Glanz dem
Lapislazuli gleicht.
15
Kurze Sangye Menla Puja
Widmungsgebete
16
GEK RIK TONG TRA JE CHU SHI WA DANG/MI TUN NÖ PAY
CHEN DANG DRAL WA DANG/TUN PA DRUP CHING PUN SUM
TSOK JYUR PAY/SHI DE CHANG DENG DIR DE LE SHO//
Mögen alle 80.000 Arten von Behinderungen befriedet werden. Möge Freiheit
entstehen selbst unter widrigen Umständen.
Verfasst von S.E., dem XII. Goshir Gyaltsab Rinpoche, Dragpa Mingyur Gocha.
17
Shenpen Ösel
Durch das Kultivieren der Stufen der Praxis des Medizinbuddha – die
Aufbauphase und die Vollendungsphase – erlangen wir nicht nur Nutzen für uns
selber, sondern wir kultivieren eigentlich das Potential, um anderen zu nutzen.
Und durch das Ausführen dieser Praxis segnen wir wirklich die Umgebung und
alle in ihr enthaltenen Wesen.
18
INHALT
Diese Ausgabe des Shenpen Ösel ist einer Serie von Belehrungen zur
Bedizinbuddha-Sadhana gewidmet, die der sehr Ehrwürdige Khenchen Thrangu
Rinpoche im Juni 1999 in den Cascade Mountains im Staat Washington gegeben
hat.
Auf den transkribierten und übersetzen Teil der Belehrungen folgt jener [Puja]
Text, zu den Rinpoche den Kommentar gegeben hat.
Einführung 3
Die Medizinbuddha-Sadhana 8
Eine Praxis, die äußerst wirksam im Beseitigen von Krankheit ist 8
Der bedeutende König der Medizin wirkt, um das Leiden der
Wesen zu befrieden 18
Die Visualisation deckt die innewohnende Reinheit der
Phänomene auf 33
Aufgrund seiner unermesslichen Weite bringt das Opfern
des gesamten Universums großen Verdienst hervor 47
Opferungen 48
Lobpreisungen 57
Über den Ursprung des Glücks durch die Substanzen und Symbole 61
Visualisation, die die Rezitation des Mantras begleitet 68
Medizinbuddha-Sadhana in Deutsch 77
Kurze Menla-Praxis 91
Kürzere Menla-Praxis 92
Anhang 94
19
EINFÜHRUNG
Alle Belehrungen Buddhas könnten unter den zwei Kategorien von Shamatha
und Vipashyana – ruhiges Verweilen und klare Einsicht – zusammengefasst
werden. In der Hinayana-Tradition des Buddhismus ist es die Absicht der
Vipashyana-Belehrungen, das Fehlen einer wahren Existenz des Individuums –
was manchmal einfache Ich-Losigkeit, das Fehlen eines Selbst des Individuums,
die Identitätslosigkeit des Individuums genannt wird – und das Fehlen einer
wahren Existenz der groben Phänomene oder Dinge zu begründen.
20
Die essentielle Natur aller Gottheiten kann besser verstanden werden durch das
Verständnis der essentiellen Natur ihres Körpers, ihrer Rede und ihres Geistes.
Der Körper der Gottheit ist die Einheit von Erscheinung und Leerheit, und tritt
in der Erfahrung des Praktizierenden auf, wenn die Erfahrung von Wahrnehmer
und Wahrgenommenem gereinigt ist. Wovon ist es gereinigt? Von Greifen und
Anhaftung. Dem Greifen nach, oder Klammern an ein Selbst, oder der Anhaftung
an etwas anderes. Mit den Worten Guru Rinpoches ausgedrückt: „Wenn
Wahrnehmer und Wahrgenommenes gereinigt sind, sind sie der Körper der
Gottheit, klare Leerheit.“
Die Sprache der Gottheit ist die Einheit von Klang und Leerheit. Wir wissen alle,
dass Klang nicht greifbar ist, aber Klänge ohne der Erfahrung von ihrer Leerheit
haben eine gewaltige Kraft uns zu verletzen, zu beleidigen, zu erhöhen, zu
erfreuen etc. Aber wenn Klänge und verbale Kommunikation bloß als Klänge
erfahren werden, als die Einheit von Klang und Leerheit, löst sich ihre Macht
über uns auf, und wir erfahren vollkommenen Gleichmut.
Der Geist der Gottheit ist die Einheit von Bewusstsein und Leerheit. Die
Erfahrung der fünf Sinnesbewusstseine und des mentalen Bewusstseins
ermöglichen das Entstehen eines konstant sich ändernden Kaleidoskops von
Gedanken, mentalen Leiden und subtilen dualistischen Sichtweisen, welche in
Abwesenheit des auf Erfahrung beruhenden Verständnisses ihrer Leerheit die
Kraft haben, uns in die abscheulichsten, seltsamsten, wenn auch manchmal
äußerst subtilen, Melodramen des Geistes zu verwickeln. Aber wenn deren
essentielle Leerheit verstanden wird, und man aufhört sie willkommen zu heißen
oder abzuweisen, lösen sie sich auf, oder befreien sich selbst in ihren eigenen
Ort, den Raum des leeren Bewusstseins.
Alle Gottheiten teilen diese drei Aspekte der essentiellen Natur – welche wir
auch Mahamudra oder Dzogchen nennen -, und alle Praktizierenden, die
Gottheitenmeditation mit genügend Sorgfalt und Ausdauer üben, werden diese
selbe Natur – des Körpers, der Rede und des Geistes der Gottheit – in ihnen
selbst erkennen, wenn sie zur Gottheit werden. Gleichzeitig hat jede Gottheit
ihren eigenen besonderen, relativen Segen. Wenn man auf Chenrezig meditiert
wird man letztendlich Mahamudra oder Dzogchen realisieren, und Buddhaschaft
erlangen. Auf kurze Sicht wird man eine Stärkung von liebevoller Güte und
Mitgefühl erfahren. Wenn man auf die grüne Tara meditiert, wird man
schlussendlich Erleuchtung erlangen, aber kurzfristig wird man eine Freiheit von
Angst und mentaler Lähmung, die zunehmende Fähigkeit eigene Ziele zu
erreichen, und eine Zunahme an aktivem Mitgefühl, erfahren. Wenn man auf
Manjushri meditiert, wird man am Ende Erleuchtung erlangen, aber in der
21
Zwischenzeit wird man eine Zunahme von Intelligenz, Einsicht und Weisheit
erfahren. Wenn man auf den Medizinbuddha meditiert, wird man letzen Endes
Erleuchtung erlangen, aber in der Zeit bis dahin wird man eine Steigerung der
Kräfte zum Heilen, sowohl für einen selbst wie auch für andere, erfahren, und
eine Abnahme an physischen und geistigen Krankheiten und Leid. Ob wir einen
starken Beweggrund haben Buddhaschaft zu erlangen oder nicht, wir alle
wünschen diese Art von relativen Zielen, daher stellt die Gottheitenmeditation
einen gewaltigen Anreiz für die Praxis des Dharma dar.
Und doch ist die Gottheitenmeditation nur eine andere Version von Shamatha
und Vipashyana.
Wenn man auf die Form, die Kleidung und andere Attribute, das Gefolge und die
Umgebung, und das innere Mandala einer Gottheit meditiert, und wenn man das
Mantra der Gottheit rezitiert, praktiziert man Shamatha; und wenn man
realisiert, dass all das, worauf man meditiert, bloß leere Erscheinung ist,
praktiziert man Vipashyana. Aber weil die Meditation auf die Gottheit und die
Einheit der Gottheit mit dem eigenen Wurzellama einen sofort mit der klaren,
leeren, lichten Natur verbindet – welche die Essenz der Gottheit, des Guru, und
der Linie, wie auch der eigenen essentiellen Natur ist -, ist die Kraft dieser Form
von Shamatha, die den Geist des Praktizierenden von geistigen Verdunkelungen,
welche ihr oder sein Verständnis blockieren, reinigt, unermesslich größer als
jene von der gewöhnlichen Ruhe-Meditation auf weltliche Objekte, wie den Atem
oder eine Blume oder eine Kerzenflamme. Und weil die Formen, auf welche man
meditiert bloß geistige Fabrikationen sind, ist deren Leerheit viel schneller
offensichtlich als, sozusagen, die Leerheit von etwas wie dem Jefferson
Denkmal oder dem Washingtoner Monument.
Dies ist alles aufgrund der speziellen Qualitäten des Vajrayana möglich, welches
Erleuchtung als Weg nimmt, und nicht bloß als Ziel. Durch die drei Prozesse des
Abisheka, welches das geistige Kontinuum reifen lässt; mündliche Überlieferung,
welche die eigene Praxis unterstützt; und Belehrungen, die befreien, ist man
direkt mit dem erleuchteten Zustand verbunden, der durch den Guru und die
Linie übertragen wird. Wenn man danach praktiziert oder sich auch bloß diese
Belehrungen wieder in den Geist ruft, ist man wieder unmittelbar mit diesem
mitfühlenden, ursprünglichen Bewusstsein verbunden, und dieses konstante
Sicht-Wieder-Verbinden wird dann zum (eigenen) Pfad, was wiederum nach sich
zieht, dass mentale Verunreinigungen rasch gereinigt, und Verdienst und
Weisheit rasch angesammelt werden. Das Erkennen dieses Verbindens ist das
Entblößen der eigenen Weisheit. Bleibt sie unerkannt, existiert sie dennoch im
geistigen Kontinuum des Praktizierenden als ein Same, der, entsprechend den
Bedingungen, schrittweise heranreifen wird.
22
Die Belehrungen zum Medizinbuddha in dieser Ausgabe des Shenpen Ösel legen
die Stufen der Praxis der Medizinbuddha-Sadhana dar.
Der Ehrwürdige Khenchen Thrangu Rinpoche erläutert darin nicht nur die Details
dieser speziellen Praxis, sondern auch viele der Basisprinzipien der tantrischen
Theorie und Praxis allgemein: die Idee von Gottheiten- und Buddha-Bereichen,
die Prinzipien von Samayasattva und Jnanasattva, die Grundzüge von
Ausstrahlung und Ansammlung, und die Verwendung von Opfergaben, um
Qualitäten zu kultivieren - um nur ein paar zu nennen. Für jeden, der sich mit
irgendeiner Vajrayana-Praxis beschäftigt, ist diese Belehrung sehr nützlich für
das Verständnis der Grundlagen der tantrischen Praxis, und ein Garten der
Freuden.
* * *
Der Leser wird bemerken, dass die meisten Gottheiten dieses besonderen
Mandalas männlich sind. Man sollte davon aber nicht ableiten, dass dies typisch
für tantrische Mandalas ist. Es gibt einige Mandalas – wie z.B. von Arya Tara,
Vajrayogini oder Chöd – in denen die Gottheiten praktisch alle weiblich sind;
andere sind ausgeglichen, und andere variieren leicht in die eine oder andere
Richtung.
- Lama Tashi Namgyal (Hg. der englischen Version des Shenpen Ösel)
* * *
23
Zur Deutschen Übersetzung
Liebe Leserinnen und Leser. Ich habe versucht, mich so gut es ging an den Stil
der direkten Belehrung zu halten, und so Rinpoches Kommentar möglichst
lebendig ins Deutsche hinüberzuretten.
Unter [Anm. d. Hg.:] finden sich die Anmerkungen des Herausgebers, die ich gleich
an jenen Stellen im Text eingefügt habe, an denen er zusätzliche Erklärungen zu
Rinpoches Aussagen geben wollte.
Mit [Anm. d. ü.:] –Anmerkung der Übersetzerin - habe ich mir erlaubt,
Zusatzinformationen einzufügen, um so das Verständnis zu erleichtern, und
manchmal, um eine einfache Lesbarkeit des Textes zu gewährleisten.
Weiters möchte ich klarstellen, dass ich für die [Anm. d. Ü.:] verantwortlich
zeichne, aber in den Abschnitten, in denen Rinpoche Fragen beantwortet, ist mit
Übersetzer der bei Rinpoches Belehrungen bei jenem Retreat anwesende
Übersetzer gemeint.
Ich hoffe, dass mir trotz eventuell noch vorhandener Missverständnisse eine gut
lesbare und verständliche Übersetzung der wertvollen Belehrung von Khenchen
Thrangu Rinpoche zur Medizinbuddha-Sadhana gelungen ist.
Möge dies den LeserInnen und allen Wesen von Nutzen sein.
Julia Martin
Wien, November 2002
24
Die Medizinbuddha-Sadhana
Rinpoche beginnt damit, alle zu begrüßen und sich bei allen für ihr Kommen zu
bedanken. Er ist erfreut darüber, die Gelegenheit zu haben sie alle zu treffen,
gemeinsam mit ihnen die Praxis des Medizinbuddha zu studieren, und mit ihnen
über den Dharma zu sprechen.
Wie gewöhnlich beginnen wir mit der Rezitation des Liniengebets. Während wir
dies tun, erzeugen wir bitte eine starke Hingabe an den Wurzellama und andere
Gurus der Linie, wie z.B. an Vajradhara, Tilopa, Naropa u.s.w.
[Rezitation des Liniengebets]
Zuerst, um den Belehrungen richtig zuhören zu können, erzeugen wir bitte die
Haltung von Bodhicitta, welches für die Praxis des Dharma allgemein notwendig
ist, und speziell für die Praxis wie jemanden wie den Medizinbuddha. Während
Sie den Belehrungen folgen, denken Sie bitte daran, dass Sie sie hören, und
diese praktizieren werden um den größtmöglichen Nutzen für alle Wesen zu
erzielen. Wir mögen denken, dass es so etwas wie einen Widerspruch geben möge
zwischen der Motivation, mit der wir Medizinbuddha praktizieren, und dem
Beweggrund für Bodhicitta.
Wir mögen denken, dass wir im wesentlichen Medizinbuddha praktizieren um
unseren eigenen Körpern zu nützen, während die Motivation des Bodhicitta den
Wunsch beinhaltet, allen Wesen zu nützen. Aber in Wahrheit gibt es da keinen
Widerspruch, weil, um effektiv anderen Wesen zu nützen, müssen wir einen
exzellenten Samadhi oder meditative Versenkung erreicht haben; und um dies zu
erreichen, zusammen mit der Einsicht und Realisation, die daraus folgen, müssen
wir eine stabile Praxis haben. Um eine gefestigte und tiefgehende Praxis zu
haben, sollten wir körperlich und geistig gesund sein oder uns wohl fühlen, weil
wir, wenn wir uns in unserem Körper und unserem Geist wohl fühlen, frei von
Hindernissen sein werden, die unseren Praxis-Eifer, wie auch das Kultivieren von
meditativer Versenkung, beeinträchtigen könnten. Daher praktizieren wir also
auf den Medizinbuddha, um gewisse Zustände geistiger und physischer
25
Gesundheit oder Ausgeglichenheit zu erlangen, nicht nur zu unserem eigenen
Vorteil, sondern auch um anderen nützen zu können. Es gibt daher keinen
Widerspruch zwischen der Motivation, die man für das Praktizieren von
Medizinbuddha haben mag, und der Motivation für Dharmapraxis allgemein. Wir
praktizieren den Dharma um Buddhaschaft zu erlangen, und wir praktizieren
Medizinbuddha, um das selbe Ziel zu erreichen. Wir mögen sie speziell deswegen
ausüben, um einen Zustand geistiger und körperlicher Gesundheit in diesem
Leben zu erlangen, aber wenn wir in dieser Weise Medizinbuddha praktizieren,
limitieren wir unsere Motivation mentale und physische Gesundheit zu erlangen
nicht, weil wir durch die Mittel dieser Praxis großen Nutzen für uns selbst und
für andere vervollkommnen können; und wir können unsere Dharmapraxis im
Hinblick auf das Erlangen von Buddhaschaft erfolgreich ausführen.
Weiters erlangen wir durch das Praktizieren auf den Medizinbuddha nicht nur
für dieses Leben Gesundheit, sondern wir sorgen dadurch auch dafür, dass wir
selbst über alle kommenden Leben hinaus durch den Medizinbuddha gesegnet
werden. Und durch das Kultivieren der Stufen der Praxis des Medizinbuddha –
die Aufbau- und Vollendungsstufe – erzielen wir nicht nur Nutzen für uns selbst,
sondern wir kultivieren im Grunde das Potential, um anderen zu nutzen. Und
durch das Ausüben der Praxis segnen wir auch die Umgebung und alle Wesen in
dieser Umgebung.
Die Praxis des Medizinbuddha ist im wesentlichen eine geistige Praxis, eine
Meditationspraxis. Jetzt werdet ihr euch vielleicht darüber wundern, wie etwas,
das ihr in erster Linie mit eurem Geist durchführt, euren Körper beeinflussen
kann. Wie könnte das Praktizieren des Medizinbuddha eure körperliche
Gesundheit bewahren, oder körperliche Krankheit lindern? Ihr mögt denken,
dass Geist und Körper im Grunde ohne Bezug zu einander stehen, und dass daher
eine Meditationspraxis eure Körper nicht beeinflussen kann. Tatsächlich aber
stehen eure Körper und Geiste extrem eng in gegenseitiger Beziehung. Der
Körper unterstützt den Geist, oder ist das Gefäß für euren Geist, aber der
Körper basiert auch auf dem Geist, oder wird vom Geist unterstützt. Daher
beeinflusst die Meditationspraxis euren Körper und euren körperlichen Zustand.
Speziell in der Meditationspraxis des Medizinbuddha, zusätzlich zur
Visualisation des Medizinbuddha im Raum vor euch, stellt ihr euch ja auch euren
eigenen Körper in Form des Körpers des Medizinbuddha vor. Diese und andere
Visualisationen und das Rezitieren des Mantras u.s.w., was zunächst oder
hauptsächlich so aussieht, als ob es nur den Geist beeinflussen würde, wirkt sich
letzten Endes auf den Körper aus.
Wir praktizieren im wesentlichen mit unserem Geist, aber diese Praxis
beeinflusst und nützt sowohl dem Geist wie auch dem Körper. Wie allgemein
26
gelehrt wird, ist das, was wir als unseren Geist ansehen etwas, das aus acht
verschiedenen Bewusstseinsarten, oder Funktionen des Bewusstseins,
besteht.
Diese ergeben sich aufgrund des Zusammenspiels von Körper und Geist. Z.B. ist
eines der acht Bewusstseine das Augen-Bewusstsein, das visuelle Bewusstsein.
Dieses Bewusstsein ist eine Funktion von dreierlei Dingen: dem Objekt, also
sichtbare Formen; der organischen Unterstützung, also dem Auge als Organ zum
Sehen; und dem Bewußtsein, also der geistigen Funktion als Verbindung zwischen
den beiden. Der Punkt hier ist der, dass das visuelle Bewusstsein niemals
getrennt von Objekt und der organischen Unterstützung entstehen kann. Es
entsteht, weil das Organ im Stande ist, ein entsprechendes Objekt zu entdecken
– in diesem Fall eine sichtbare Form. Deshalb, weil das Objekt, das Organ und
das Bewußtsein so eng in Beziehung stehen, oder verbunden sind, wird eine
Transformation von einem von diesen notwendigerweise den Aspekt oder die Art
und Weise der anderen beiden mitbeeinflussen. Daher wird, wenn das Objekt
verändert wird, dies eine Auswirkung auf das visuelle Bewusstsein bezüglich
dieses Objekts, in Abhängigkeit auf das Organ, haben; und wenn sich das Organ
verändert, beeinflusst dies das visuelle Bewusstsein und deshalb das
wahrgenommene Ziel; in der selben Weise wird, wenn das Bewusstsein
transformiert wird, wie dies durch die Praxis der Meditation der Fall ist, die
Wahrnehmung von Objekten sowie der organischen Unterstützung selbst,
beeinflusst.
In gleicher Art und Weise entstehen unsere anderen Sinne als
Bewusstseinsarten in Verbindung mit deren Objekten und ihren organischen
Grundlagen. Basierend auf dem Organ des Ohres entsteht, was Ohr-Bewusstsein
oder Hören bezeichnet wird, das sein Objekt – akustische Klänge – erfährt.
In Abhängigkeit der organischen Unterstützung der Nase entsteht das Nasen-
Bewusstsein, welches Düfte erkennt. Durch das Organ der Zunge entsteht das
Zungen-Bewusstsein, welches Geschmäcker wahrnimmt.
Und durch die organische Unterstützung des Körpers und des Nervensystems
des Körpers entsteht das Körper-Bewusstsein, welches für den Tastsinn
zuständig ist.
All diese Bewusstseine entstehen oder werden erzeugt, durch das Vorhandensein
eines Objekts, dem man mit Hilfe des entsprechenden Organs begegnet.
Manchmal entstehen sie basierend auf einer Empfindung des Organs selbst, aber
wie auch immer, die Empfindungen der fünf Sinne, die wir erfahren, sind
Funktionen der Organe und der durch diese Organe erfahrenen Objekte, welche
das entsprechende Bewusstsein erzeugen.
Weil das Bewusstsein die Erfahrung seines Objekts und die Erfahrung des
Organs selbst durchdringt, werden, wenn das Bewusstsein transformiert wird,
oder die Art und Weise der Erfahrung des Bewusstseins transformiert wird – in
27
reine Erscheinung-, die Erscheinungen der Objekte und auch der Organe selbst,
rein und heilig werden.
Daher kann die Praxis dieser Form der Meditation nicht nur eurem Geist,
sondern auch eurem Körper nutzen.
All diese verschiedenen emotionalen Zustände und all die Gedanken, die mit ihnen
verbunden sind, sind Spielarten der Erfahrungen des sechsten oder Geist-
Bewusstseins. Diese verschiedensten Gedanken und Gefühle durchziehen unseren
Geist, sie transformieren und beeinflussen das Bewusstsein selbst. Aber nicht
nur das – sie beeinflussen auch die fünf Sinnesbewusstseine. Z.B. wenn ihr
traurig seid und etwas betrachtet, werdet ihr es als etwas Trauriges oder
Unerfreuliches wahrnehmen. Wenn ihr das selbe Objekt anschaut, wenn ihr
fröhlich seid, werdet ihr das gleiche Ding als etwas Angenehmes empfinden.
Wenn ihr es betrachtet, wenn ihr verärgert seid, werdet ihr das selbe Objekt
wieder völlig anders sehen. Dies ist ein sehr einfaches Beispiel dafür, wie das
Geist-Bewusstsein im speziellen, und unser Geist im allgemeinen unsere
Erfahrung von Sinnesobjekten beeinflusst, wie auch die Sinnesbewusstseine und
selbst die Sinnesorgane. Von den acht Bewusstseinen sind diese sechs
Bewusstseinsarten, oder sechs Funktionen, die am verständlichsten: die fünf
Sinnesbewusstseine und das Geist-Bewusstsein.
Aber es gibt zusätzlich zu diesen noch zwei weitere Funktionen des Geistes,
welche stabile oder zu Grunde liegende Bewusstseinsarten oder Funktionen,
genannt werden.
Es sind dies das siebente Bewusstsein, das subtile geistige Leiden (Klesha-Geist),
und das achte Bewusstsein, welches Allbasisbewusstsein genannt wird.
28
Das siebente Bewusstsein, das Bewusstsein, welches die Wurzel geistigen
Leidens ist, bezieht sich auf das subtile fundamentale Missverständnis einer
Existenz eines Selbst, die Anhaftung an ein Selbst. Diese Anhaftung selbst ist
die Wurzel von Samsara. Es wird jedoch weder als untugendhaftes oder
negatives Ding für sich selbst gehalten: Aber weil es Unwissenheit, und somit die
Basis für weitere Unwissenheit, ist, wird es als grundlegendste und wichtigste
Sache angesehen, die es fallen zu lassen oder aufzugeben gilt. Tatsächlich
könnten wir sagen, dass es in den Lehren des Buddhadharma hauptsächlich darum
geht, wie diese Anhaftung an ein Selbst fallengelassen werden kann. Dies ist der
Grund, weshalb im Buddhadharma die Meditationen auf Selbst-Losigkeit,
Leerheit u.s.w. so stark betont werden. Durch diese Meditationen kann man
Selbst-Losigkeit erkennen, wodurch man die Kleshas aufgeben kann, wodurch
man wiederum Befreiung erlangt. Die Meditation über Selbst-Losigkeit jedoch,
und speziell die Meditation über das Fehlen einer wahren Existenz eines
persönlichen Selbst [Anm. d. Hg.: Die Meditation auf die Selbst-Losigkeit wird traditionell unterteilt
in das Erkennen des Fehlens einer wahren Existenz eines persönlichen Selbsts, dessen, was wir für
gewöhnlich für ein Selbst halten; und in das Erkennen eines Fehlens einer wahren Existenz der Phänomene.],
besteht nicht daraus, zu versuchen, sich selbst vorzustellen, oder andere davon
zu überreden, dass man überhaupt nichts ist. Speziell während der
Visualisationsübung der Aufbauphase des Tantra wird dies getan, indem man die
reellen Sinne der eigenen Existenz durch etwas anderes ersetzt. Im Falle der
Medizinbuddha-Praxis gebt ihr den Gedanken „Ich bin ich; Ich bin die Person,
die ich glaube zu sein.“ auf, und ersetzt ihn durch den Gedanken „Ich bin der
Medizinbuddha.“
Die Haupttechnik in der Meditation besteht darin, dass ihr euch selbst als den
Medizinbuddha vorstellt, euch denkt, dass ihr der Medizinbuddha seid. Durch
das Ersetzen des Gedankens von euch selbst durch den Gedanken von euch
selbst als Medizinbuddha, wirkt ihr allmählich der Anhaftung an ein persönliches
Selbst entgegen und beseitigt es. Und sobald diese Anhaftung entfernt ist, ist
die Kraft des siebenten Bewusstseins verringert. Und sobald es reduziert ist,
sind die Kleshas oder geistigen Leiden geschwächt, was zur Folge hat, dass ihr
größeres und größeres Wohlbefinden in Körper und Geist erfahrt.
Das achte Bewusstsein ist das Allbasisbewusstsein, welches so genannt wird, weil
es der Boden ist, auf dem Gewohnheiten – gute wie schlechte – anfallen. Wir
erfahren die Dinge die wir erfahren aufgrund der Gewohnheiten, die wir
angesammelt haben. Wenn wir gute Gewohnheiten ansammeln, erleben wir
positive Erfahrungen, und wenn wir schlechte Gewohnheiten ansammeln, erleben
wir negative Erfahrungen. Der eigentliche Grund für unser Eintauchen in
Samsara ist die Ansammlung schlechter Gewohnheiten, manche bösartiger als
andere. Der Prozess, durch den wir uns selbst aus Samsara herausholen können,
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besteht aus dem allmählichen Schwächen der schlechten Gewohnheiten, und dem
Stärken der guten Angewohnheiten. Z.B. haben wir, wenn wir mit der Praxis
beginnen, kein besonderes Vertrauen, dass wir tatsächlich der Medizinbuddha
sind. Wir haben eine stark negative Gewohnheit, uns selbst, als wen auch immer
wir uns betrachten sollen, anzusehen. Aber durch das Kultivieren der Technik,
und der inneren Einstellung, dass wir selbst Körper, Rede, Geist, die Qualitäten
und den Segen des Medizinbuddha besitzen, werden diese natürlichen Qualitäten
in uns zunehmen.
In den meisten religiösen Traditionen stellt man sich die Gottheiten der
jeweiligen Tradition, wenn man mit ihnen in Verbindung tritt oder an sie denkt,
als im Raum vor einem vor. Dann, nachdem man die Gottheit oder Gottheiten als
gegenwärtig vor einem visualisiert hat, betet man zu ihnen, und hofft dabei ihren
Segen zu erhalten, der einem in irgendeiner Art helfen soll. In der Vajrayana-
Tradition jedoch betrachten wir den Segen und die Kraft und Qualitäten der
Gottheiten als etwas uns Angeborenes, als etwas, das im eigenen Geist
vorhanden ist. Diese angeborene Gegenwart von Weisheit und Segen der
Gottheit in unserem eigenen Geist wird die Einheit von Weite und Weisheit, oder
Einheit von Raum und Weisheit genannt.
Natürlich stimmt es, dass, wenn wir unseren Geist betrachten, wir dort geistiges
Leid, Gedanken und alle möglichen Arten von Kummer und Problemen vorfinden.
Aber gleichzeitig haben wir das uns angeborene Potential, um all dies zu
transzendieren. Und der Grund, weshalb wir dieses angeborene Potential haben,
ist der, dass die Natur des Geistes und die Natur von allem, was im Geist
entsteht, Leerheit ist. Ungeachtet dessen, was euren Geist durchzieht: euer
Geist ist immer ein grenzenloser Raum von Leerheit. Das angeborene Potential
unseres Geistes ist in der Tatsache begründet, dass der Geist leer ist. Weil euer
Geist leer ist, können alle Probleme und Leiden und Mängel, die im Geist
entstehen, beseitigt oder gereinigt werden, weil auch sie leer sind.
30
Diese Leerheit des Geistes ist nicht absolute Nichtheit; sie ist keine statische
oder tote oder neutrale Leerheit; denn da Leerheit tatsächlich die Natur des
Geistes ist, ist die Natur von dieser Leerheit Weisheit – sie ist das angeborene
Potential für das Entstehen aller Qualitäten. In buddhistischen Schriften wird
dieses angeborene Potential Buddhanatur genannt.
Also, der Prozess des Arbeitens mit unserer Lebenssituation mit Hilfe einer
Praxis des tantrischen Buddhismus besteht zuerst daraus, zu erkennen, dass die
eigene zugrundeliegende Natur dieses Potential ist, diese Buddhanatur, und
danach aus dem Meditieren auf deren Gegenwart in einem – durch das
Betrachten von einem selbst als die Gottheit. Die Gestalt der Gottheit ist die
Verkörperung, oder der Ausdruck, dieses Potentials, dieser Einheit von Leerheit
und Weisheit in einem selbst.
Dadurch, dass wir uns selbst als die Gottheit betrachten, werden Mängel nach
und nach ausgerottet, und die Qualitäten allmählich offenbart. Die Haupttechnik
der Visualisation ist das Visualisieren von einem selbst als die Gottheit, weil das
Potential, um unsere Probleme zu transzendieren, vielmehr angeboren ist, als
etwas, das von außen kommt.
So wird in den Sutren des kleinen Fahrzeugs der Zustand der Befreiung
dargestellt als Freiheit von allen Kleshas, Begrenzungen und Anhaftung, aber
nicht speziell als eine bleibende Weisheit.
In den Sutren des Mahayana, und speziell des Vajrayana, wird jedoch ganz
deutlich gelehrt, dass, wenn jemand völlige Befreiung, oder Buddhaschaft,
erlangt, man nicht zu „Nichts“ wird. Der Prozess der Reinigung offenbart
schlussendlich, und hinterlässt daher, eine dauerhafte Weisheit, welche von der
Natur des konzeptlosen Mitgefühls ist. Das Erlangen von Buddhaschaft, der Weg
durch den sie erlangt wurde, beginnt tatsächlich mit dem Erzeugen von
31
Bodhicitta, welches die Absicht verfolgt, Befreiung zu erlangen, damit man allen
Wesen in den gleichen Zustand geleiten kann. Weil das die Motivation war, mit
der der Weg geschritten wurde, ist, wenn das Ziel, welches Buddhaschaft ist,
erlangt wurde, das Resultat dieses Weges, das natürlich spontane,
unvoreingenommene und nicht-konzepthafte Mitgefühl. Daher betrachten wir
Buddhas als ausgestattet mit einer Bewusstheit, welche auf die Bedürfnisse der
Wesen reagiert, und deshalb als offen und erreichbar für unsere Gebete und
Anrufungen. Aus diesem Grund visualisieren wir, während wir uns selbst in erster
Linie als Gottheit visualisieren, auch noch Gottheiten vor uns im Raum. Wir
ergänzen die Visualisation von uns selbst als Gottheit mit Visualisationen, z.B.
stellen wir uns vor, wie die konkrete Weisheitsgottheit immer und immer wieder
mit uns verschmilzt; ein Mittel, durch welches wir ihren Segen erhalten.
Manchmal visualisieren wir die Gottheit im Raum vor uns, getrennt von uns, und
denken, dass Lichtstrahlen aus dem Herzen der Gottheit austreten, und uns
erfüllen – den Segen der Gottheit gewährend. Und manchmal visualisieren wir,
dass Lichtstrahlen, welche den Segen der Gottheit vor uns verkörpern, auf alle
Wesen treffen – ihre Hindernisse beseitigen, ihre Langlebigkeit und Weisheit
u.s.w. erhöhen.
All diese Visualisationen sind Methoden durch die wir das Mitgefühl aller
Buddhas erwecken, und sie dadurch veranlassen, ihren Segen an uns und andere
zu senden. Alle Yidam und Gottheiten, die zur Meditation verwendet werden,
haben die selbe zugrundeliegende Natur, und sind völlig rein. Nichtsdestotrotz
haben sie verschiedene Erscheinungsformen, welche die verschiedenen
Aktivitäten, die sie verkörpern, und mit denen sie sich beschäftigen, spiegeln.
Diese verschiedenen Aktivitäten wurden hauptsächlich durch die individuellen
Gebete festgelegt, welche sie geäußert haben zur Zeit ihres uranfänglichen
Erzeugens von Bodhicitta. Z.B. im Falle des Medizinbuddha gibt es eine
spezifische Reihe von Gebeten, wie auch im Falle des Bodhisattva
Avalokiteshvara, oder der Bodhisattva Arya Tara.
Hauptsächlich aus diesem Grund manifestieren sich die Gottheiten in ihren
verschiedensten Erscheinungen – manchmal erscheinen sie männlich, in diesem
Fall verkörpern sie hauptsächlich Upaya, die Methode; manchmal erscheinen sie
weiblich, wodurch sie dann hauptsächlich Prajna, Weisheit, verkörpern; manchmal
erscheinen sie friedlich, dann wieder zornvoll u.s.w.
Was nun den Medizinbuddha anbelangt, war zu jener Zeit, als er ursprünglich
Bodhicitta erzeugte – mit jener Tat, mit der er den Weg beschritt, die in seinem
Erlangen der Buddhaschaft gipfelte – sein Beweggrund jener, allgemein alle
Leiden der Wesen zu beseitigen, aber speziell die körperlichen und geistigen
Leiden der Wesen, die durch ein Ungleichgewicht der Elemente, was uns als
mentale oder physische Krankheit bekannt ist, zu beseitigen.
Dies war seine Hauptmotivation, oder sein primärer Wunsch, über die drei
Perioden von zahllosen Äonen hinaus, während denen er Verdienst und Weisheit
32
angesammelt hat, was schlussendlich im Erlangen seiner Buddhaschaft als
Medizinbuddha kulminierte. Deshalb besitzt er, als der Medizinbuddha,
außerordentliche Fähigkeit und engagiert sich in außergewöhnlicher Aktivität, um
Krankheit zu beruhigen. Egal, ob man zu dieser Aktivität durch das Visualisieren
von einem selbst als den Medizinbuddha Zutritt erhält, oder durch das Erwecken
des Mitgefühls und der Aktivität des Medizinbuddha, und dem daraus
resultierenden Erhalten seiner Aktivität von außen her; in jedem Fall ist die
Praxis des Medizinbuddha äußerst effektiv im Beseitigen von Krankheit.
Heute wird Rinpoche die Übertragung durch Lesen, den Lung, für die Praxis des
Medizinbuddha geben. Die Ermächtigung für die Praxis wird er am Sonntag
geben.
In Bezug auf die Ermächtigung sollte man verstehen, dass die Medizinbuddha-
Praxis nicht nur eine Vajrayana-Praxis ist. Wie die Praxis von Mahamudra ist sie
eine Kombination von Vajrayana [Tantra] und Sutra. So können wir z. B. sagen,
dass Mahamudra hauptsächlich im Vajrayana gelehrt wird, aber es ist auch in
bestimmten Sutren zu finden, wie beispielsweise dem Samadhiraja Sutra u.s.w.
In gleicher Weise ist die Praxis des Medizinbuddha eine Kombination dessen,
was Buddha in den Sutren über Medizinbuddha gelehrt hat und dem, was er in
verschiedenen Tantren über Medizinbuddha gelehrt hat. Weil es mit dem
Vajrayana verbunden ist, ist es aber höchst angebracht, die Ermächtigung zu
erhalten, um die Praxis zu verbessern; aber da sie auch mit den Sutren
verbunden ist, ist es auch zulässig die Praxis ohne Ermächtigung auszuführen.
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Während ihr heute die Übertragung durch Lesen empfangt, gibt es keine
bestimmte Visualisation, die ihr durchzuführen habt. Haltet die Motivation von
Bodhicitta aufrecht, während ihr die Übertragung bekommt, und denkt einfach
daran, dass ihr durch das Hören des Klanges des Wörter, die Er euch vorliest,
die Übertragung erhaltet, oder auch den Segen der Linie dieser Praxis.
[Rinpoche gibt die Übertragung durch Lesen.]
Um euch eine Unterstützung für eure Visualisation des Medizinbuddha zu geben,
für eure Praxis, werde ich euch allen ein kleines Bildnis des Medizinbuddha
geben.
[Rinpoche verteilt die Karten.]
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Die Medizinbuddha-Sadhana
Wir beginnen nun damit, den Text selbst zu besprechen; die Liturgie der
Praxis, damit ihr verstehen könnt, wie sie auszuführen ist. Wie ihr vielleicht
bemerkt habt, stellt das Liniengebet den ersten Teil der Medizinbuddha-Praxis
dar, welches aus dem Bittgebet an den Haupt-Medizinbuddha, den sieben
begleitenden Medizinbuddhas, den sechzehn Bodhisattvas, und schließlich den
Haltern und Verbreitern der Lehren des Medizinbuddha, besteht. Der Zweck
des Rezitierens dieses Gebets zu beginn der Praxis ist es, schon vom Anfang der
Praxis an – durch die Kraft eurer Hingabe an und eures Vertrauens in die
Gottheit, sowie zur Linie dieser Lehre – den Segen des Medizinbuddha anzurufen
und zu erhalten.
Die erste Strophe des Gebets ist an den Haupt-Medizinbuddha gerichtet, und
stützt sich auf Buddha Shakyamunis Darstellung der anfänglichen Motivation des
Medizinbuddha für seinen Weg, und die Wunschgebete, die er mit diesem
einhergehend, getätigt hat; wie es in den Sutren des Medizinbuddha
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aufgezeichnet ist. [Anm. d. Hg.: Der Medizinbuddha, wenn man ihn als individuellen Buddha versteht,
der zuvor einmal ein fühlendes Wesen war, datiert vor Buddha Shakyamuni. Daher basiert unser Wissen
über ihn, zumindest anfangs, auf den Lehren, welche spontan aus der übersensiblen Wahrnehmung des
Buddha Shakyamuni heraus entstanden sind.]
Die Bedeutung von diesem Absatz ist, dass der Medizinbuddha – aufgrund der
Qualität und speziellen Natur seiner uranfänglichen Motivation, und der sich
daraus ergebenden Wunschgebete – sehr schnell eine immense Menge an
Verdienst angesammelt hat, was wiederum zur Folge hatte, dass er schon auf
dem Weg, und schlussendlich zur Zeit der Erfüllung, oder Buddhaschaft, zur
Verkörperung eines gewaltigen Schatzes von Qualitäten – einhergehend mit dem
Erwachen – wurde. Daher besitzt er, aufgrund seiner anfänglich mitfühlenden
Motivation und der Qualität seines Erwachens, unvorstellbaren Segen, durch
dessen Heilkraft er – in Übereinstimmung mit seinem Wunsch und seiner
Motivation – zum Befrieden der Leiden der Wesen wirkt. Durch das Singen des
Beginns des Gebetes erwähnt ihr ihn bei seinem Namen, verweist ihr auf ihn als
das Licht von Vaidurya.
Die zweite Strophe ist ebenfalls an den Medizin Buddha gerichtet, und setzt die
Darstellung in der ersten Strophe fort. In der ersten habt ihr im Wesentlichen
die Tatsache gepriesen, dass er außergewöhnliches Verdienst und Qualitäten, als
Resultat seiner außerordentlichen Motivation und seiner Wünsche, verkörpert.
Nachdem er anfangs Bodhicitta erzeugt hat, äußerte der Medizinbuddha zwölf
spezielle Wünsche. Im Anschluss an diese wird der Nutzen, den das Sich-
Erinnern an den Namen des Medizinbuddha mit sich bringt, in der zweiten
Strophe genauer benannt.
Sich an den Namen erinnern bedeutet, durch ein von Vertrauen und Hingabe an
den Medizinbuddha geprägtes Verhalten, an den Namen des Medizinbuddha zu
denken.
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Die Strophe besagt, dass sogar jemand, der als Resultat von sehr starker Gier
dazu bestimmt ist als Preta, oder Hungergeist, wiedergeboren zu werden, wenn
so eine Person den Namen des Medizinbuddha hört, wird sie als Mensch geboren,
und wird Freude an Großzügigkeit entwickeln. In dieser Weise bete ihr zum
Medizinbuddha – indem ihr auf die Kraft oder den Segen seines Namens Bezug
nehmt. Die nächste Strophe spricht über einen weiteren Nutzen durch die
Erinnerung an und das Hören des Namens des Medizinbuddha.
Wenn jene Wesen, die durch das Verletzen der guten Sitten und durch ihr
Verhalten, mit dem sie anderen schaden, im Bereich der Hölle geboren
werden,
Deinen Namen hören, werden sie in höheren Welten wiedergeboren.
An den König der Medizin richte ich meine Bitte.
Die nächste Strophe beschreibt einen dritten Nutzen, der sich aus dem Hören
des, oder der Erinnerung an, den Namen des Medizinbuddha ergibt.
Jene, die von Natur aus eifersüchtig, konkurrenzbetont und anmaßend sind, und
sich daher immer wieder in Situationen wiederfinden, in denen sie versuchen
Zwietracht zu säen; wer, wenn er sieht, dass andere freundlich und harmonisch
miteinander umgehen, automatisch versucht Uneinigkeit zu schaffen; wer
Spaltungen hervorruft, wo Harmonie herrscht, und Zwietracht sät – soweit
gehend, dass dies zu einem Schaden des eigenen Lebens oder des Lebens
37
anderer führt; sogar jemand mit dieser eifersüchtigen, konkurrenzbetonten und
arroganten Natur wird durch das Hören des Namens des Medizinbuddha
außerstande sein, Unheil zu verursachen.
„Außerstande sein, Unheil zu verursachen“ bedeutet, dass sich ihre Denkweise
und ihre innere Einstellung ändern wird. Sie werden aufhören damit, eifersüchtig
zu sein, anmaßend zu sein, und werden sich selbst nach und nach widerwillig, und
daher unfähig, anderen absichtlich diese Art von Schaden zuzufügen,
wiederfinden.
Es gibt zwei Sutren, die sich hauptsächlich mit dem Medizinbuddha befassen.
Eines ist das Sutra des Medizinbuddha, welches sich mit dem Haupt-
Medizinbuddha, seinen zwölf Wünschen, und dem Nutzen, den das Erinnern
Seines Namens bringt, befasst. Das zweite ist das Sutra der Acht
Medizinbuddhas, oder das Sutra der Acht Medizinbuddha-Brüder.
Die Medizinbuddhas, die in diesem Sutra genannt werden, ist der zuvor erwähnte
Haupt-Medizinbuddha, sowie die sieben anderen, die sein Gefolge bilden. Die
nächste Strophe des Gebets hat mit den anderen sieben Medizinbuddhas zu tun.
Jeder von ihnen hat seine eigenen Bestrebungen. Mancher hat acht Wünsche
getätigt, andere vier. Und das Erinnern ihrer Namen bringt ähnlichen Nutzen,
wie das Sich-Erinnern an den Namen des Haupt-Medizinbuddha.
Diese sieben Buddhas heißen: Thsen Lek oder Hervorragender Name; Serzang
Drimenangwa oder Erscheinung makellos schönen Goldes; Nyangenme Chokpal
oder Glorreicher Höchster frei von Trübsal; Chödrakyang, Überwältigende
Dharma-Melodie; Ngönkhyen Gyalpo, König des direkten Wissens; Drayang
Gyalpo, König des Gesangs; und Shakya Gyalpo, König des Shakya-Volkes.
Die nächste Strophe ist ein Bittgebet an die anderen Gottheiten im Mandala des
Medizinbuddha. Diese sind nicht im einzelnen aufgelistet, aber jede Gruppe wird
kurz erwähnt, und ein paar der Namen jeder Gruppe werden genannt.
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Die erste Gruppe von Gottheiten nach den acht Medizinbuddhas sind die
sechzehn Bodhisattvas.
Es werden hier folgende drei namentlich genannt: Manjushri, Kyabdröl und
Vajrapani. Die nächste Gruppe sind die Schützer der Welt oder der Richtungen,
von denen zwei erwähnt werden: Brahma und Indra. Die nächsten sind die vier
großen Könige der vier Himmelsrichtungen, welche auch Schützer sind, aber
nicht mit ihren jeweiligen Namen genannt werden. Zuletzt sind da noch die zwölf
Führer oder Generäle der Yakshas, welche auch „nur“ als Gruppe erwähnt
werden.
Die letzte Zeile dieser Strophe zeigt an, dass dies ein Bittgebet an das ganze
Mandala des Medizinbuddha ist. Bis hierhin habt ihr euch an den Haupt-
Medizinbuddha [Anm. d. Ü.: oder im Weiteren auch Hauptaspekt genannt] und sein Gefolge
gewendet, und indem ihr dies tut, habt ihr zum Körper des Medizinbuddha und
seinem Geist, oder den Emanationen des Medizinbuddha gebetet.
Es verbleibt also noch ein Bittgebet an die Rede des Medizinbuddha; da ihr zu
den Buddhas und Bodhisattvas des Mandalas gebetet habt, wendet ihr euch als
nächstes an den Dharma.
Zuerst werden die beiden Sutren, die Buddha Shakyamuni über den
Medizinbuddha gelehrt hat, erwähnt: die Sutren der Wunschgebete der Sieben
Tathagata, welches sich auf die sieben Medizinbuddhas des Gefolges beziehen,
und die Sutren des Medizinbuddha, den Hauptaspekt.
In der selben Strophe werden die Shastras erwähnt , welche ebenfalls einen
Teil der schriftlichen Quellen zur Medizinbuddha-Tradition darstellen [Anm. d. Hg.:
Shastras sind Kommentare zu den Originallehren von Buddha Shakyamuni.].
Auf sie wird Bezug genommen durch das Erwähnen der Abhandlung des großen
Abtes Ahantarakshita, welche eine der ältesten und ursprünglichsten Quellen
zur Medizinbuddha-Praxis darstellt.
Und dann singt ihr „Ich rufe den heiligen Dharma in Form der Sammlung der
Texte an.“ Der Grund dafür ist, dass der Dharma natürlich allgemein in Form des
geschriebenen Wortes existiert. Aber im Falle dieses Mandalas hat es eine
spezielle Bedeutung.
Die Selbst-Erzeugung – die Form des Medizinbuddha mit der ihr euren eigenen
Körper identifiziert – ist die des Medizinbuddha ohne sein Gefolge. Aber die
Visualisation im Raum vor euch besteht aus dem Medizinbuddha, der vom
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gesamten Mandala umgeben ist. Der erste Kreis des Mandalas, der ihn
unmittelbar umgibt, besteht aus den anderen sieben Medizinbuddhas, und die
Texte des Dharma stellen das achte Mitglied des Gefolges dar.
Während ihr dieses Gebet sprecht, visualisiert ihr den Medizinbuddha im Raum
vor euch als in der Mitte eines geöffneten, achtblättrigen Lotus sitzend, und
umgeben ist er von den anderen sieben Medizinbuddhas, die auf den sieben
Blättern sitzen. Nur jenes direkt vor ihm ist nicht mit einem Medizinbuddha
besetzt. Auf diesem Blütenblatt visualisiert ihr die Dharma-Texte, die Sutren
u.s.w., welche seine Praxis repräsentieren.
Als erstes werden jene erwähnt, die diese Tradition des Medizinbuddha von
Indien nach Tibet gebracht haben. Mit „Bodhisattva“ ist der Abt Shantarakshita
gemeint, der diese Lehre an viele Schüler, wie auch den tibetischen Dharma-
König Trisong Deutsen – der als nächster erwähnt wird -, weitergegeben hat.
Danach wenden wir uns an alle Übersetzer Tibets und die Pandita von Indien, die
es dieser Tradition (durch ihre Übersetzung, durch ihre Lehrtätigkeit und das
Erklären der Praxis) ermöglicht haben, dass sie sich in Tibet verbreiten konnte.
Als nächstes beten wir zu all den anderen Erben dieser Tradition: Bodhisattvas,
welche die Form von Dharma-Königen, Ministern u.s.w. angenommen haben. Und
schließlich richten wir uns an alle Gurus der Linie dieser Praxis, und speziell an
unsere eigenen Wurzelguru.
Die letzte Strophe des Bittgebets widmet mit Nachdruck die Bitte dem Ziel,
dass man zu erlangen wünscht.
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Mögen zum Zeitpunkt des Todes alle Ängste vor einer Wiedergeburt in
niederen Bereichen beseitigt sein.
Gewähre Deinen Segen, damit wir in Sukhavati wiedergeboren werden.
Die Strophe lautet „Durch den Segen dieses Gebets“, was bedeutet: durch den
Segen, der entsteht, wenn wir mit Hingabe an den Medizinbuddha, sein Gefolge
von Buddhas, Bodhisattvas, Schützern und all die Lehrer der Linie denken –
„werden kurzzeitig die verschiedenen Krankheiten, Gefahren und Ängste
befriedet, und zum Zeitpunkt des Todes, wenn alle Angst vor einer
Wiedergeburt in niederen Bereichen beseitigt worden ist, gewähre deinen
Segen, damit wir in Sukhavati, dem reinen Land der großen Freude und
Glückseligkeit, wiedergeboren werden.“
Hiermit drückt ihr euren Wunsch aus, sowohl kurzfristig als auch auf lange Sicht
vor Leiden beschützt werden zu wollen. Kurzfristig bittet ihr darum, in diesem
Leben von Krankheit und verschiedenen anderen Gefahren verschont zu bleiben.
Auf lange Sicht gesehen bittet ihr darum, nicht in niederen Daseinsbereichen
oder Zuständen wiedergeboren zu werden, und dass, wenn die Gefahr und Angst
davor, in niederen Welten wiedergeboren zu werden, transzendiert ist, ihr eine
Wiedergeburt in Sukhavati – dem reinen Land von Amitabha – erlangen möget.
Dies vervollständigt das Liniengebet.
Nach dem Liniegebet kommen die Zufluchtnahme und das Erzeugen von
Bodhicitta, welches beide notwendige vorbereitende Maßnahmen sind, und immer
am Beginn jeder Vajrayana-Praxis rezitiert werden. Jedes hat sein spezifische
Funktion.
Die Funktion der Zufluchtnahme ist es, vorbeugend dafür zu sorgen, dass eure
Praxis nicht vom rechten Weg abkommt. Die Funktion des Erzeugens von
Bodhicitta ist es, eure Praxis davor zu schützen, zu einem minderwertigen Weg
zu verkommen. Im Falle dieser Praxis nimmt jeder der beiden Aspekte –
Zufluchtnahme und Bodhicitta – zwei Zeilen der vierzeiligen Strophe ein.
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Das Anerkennen der drei Juwelen als uranfängliche Zufluchtsobjekte zeigt an,
dass man sich selbst von der Möglichkeit, auf den falschen Weg zu gelangen,
befreit.
Die Erstgenannten sind die Gurus, die Wurzel des Segens. Der Segen bezieht
sich auf die Kraft des Dharma – auf das, was im Dharma tatsächlich wirksam ist,
was tatsächlich ein Ergebnis erzielt. Wir brauchen für unsere Praxis ganz
offensichtlich diese Effektivität – diese Kraft, oder diesen Segen, des
Dharma -, die in uns einströmt. Die ursprüngliche Quelle dieses Segens ist
natürlich Buddha, der den Dharma in dieser besonderen, historischen Periode
zuerst gelehrt hat. Unglücklicherweise haben wir in diesem Leben nicht die
Gelegenheit, Buddha zu treffen, oder seine Rede direkt zu hören. Aber wir
haben die Möglichkeit seine Lehren zu praktizieren, und so das selbe Ergebnis zu
erzielen, welches wir auch durch das Treffen des Buddha erzielt hätten, weil die
Essenz seiner Lehren – und somit der Segen, oder die Effektivität, seiner
Lehren – durch die Linie weitergegeben wurde; angefangen bei Buddha selbst bis
hin zu unserem persönlichen Lehrer oder Wurzellama.
Deshalb stellen im Vajrayana die Wurzel- und Liniengurus das erste
Zufluchtsobjekt als Quelle zum Segen des Dharma dar.
Das zweite Zufluchtsobjekt im Vajrayana, die zweite Wurzel, sind die Yidam
oder Gottheiten, welche die Quelle der Errungenschaften oder Siddhis
darstellen. Obwohl der Guru die Quelle für den Segen und die Effektivität des
Dharma repräsentiert, kann einem der Guru nicht einfach das Resultat von
Errungenschaft oder der Dharma-Praxis, aushändigen. Die Quelle oder Wurzel
für diese Errungenschaften ist eure Praxis. Und eure Praxis wird durch den
Yidam oder die Gottheit, welche die Basis für die Praxis darstellt, verkörpert.
Dies bedeutet, dass ihr das Ergebnis der Dharma-Praxis durch die
Beschäftigung mit den Techniken der Visualisation des Körpers der Gottheit,
sowie durch eure Hingabe während der Aufbau- und Vollendungsstufe der Praxis
(der jeweiligen Gottheit), erlangt. In diesem speziellen Beispiel ist der Yidam
der Medizinbuddha. Durch das Sich-Identifizieren mit dem Körper des
Medizinbuddha erlangt ihr das Resultat, die Errungenschaften oder Siddhis,
welche mit dem Medizinbuddha assoziiert werden, welche die Beruhigung von
Krankheit und anderen Leiden einschließen. [Anm. d. Hg.: Die Praxis jeder Yidamgottheit wird
mit dem Erlangen der relativen und letztendlichen Siddhis enden. Der letztendliche Siddhi ist die stabile
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Verwirklichung der strahlenden Klarheit oder der klaren, hellen Natur des Geistes und aller Wirklichkeit,
welche uns als vollkommene und perfekte Erleuchtung oder Buddhaschaft, bekannt ist. Die relativen Siddhis
sind Qualitäten wie liebevolle Güte, Mitgefühl, Intelligenz, die Weisheit der Einsicht, spirituelle Kraft,
Schutz vor und Beseitigung von Hindernissen, gute Gesundheit, Langlebigkeit, Reichtum, Magnetismus etc.
Eine Gottheiten-Praxis bringt zuerst die relativen Siddhis. Wenn wir zu Chenrezig beten, wird neben der
einfachen Entwicklung von Konzentration, zuerst eine Zunahme an liebevoller Güte und Mitgefühl in unserer
Erfahrung entstehen. Wenn wir auf Manjushri-Sarasvati meditieren, werden wir nach und nach eine größere
Scharfsinnigkeit, einen stärkeren Intellekt und Anlagen für Musik und Sprache erfahren. Wenn wir
Mahakala praktizieren, werden wir Schutz und die Beseitigung von Hindernissen erfahren; wenn wir auf die
Weiße Tara meditieren, werden wir größere Einsicht und Langlebigkeit entwickeln; wenn wir Grüne Tara
praktizieren, werden wir Befreiung von Angst, schnelle Beseitigung von Hindernissen, Freude, Mitgefühl,
und ein Gefühl von Erhabenheit erfahren. Wenn wir auf Vajrayogini meditieren, werden wir beginnen,
Mahamudra-Siddhi und eine Zunahme an Wärme und Magnetismus zu entwickeln. Wenn man die Aufbau- und
Vollendungsphase jeder Gottheit mit ausreichender Hingabe und Wunsch praktiziert, wird man
schlussendlich vollständige Verwirklichung erlangen, und zu diesem Zeitpunkt werden alle Siddhis aller
Yidam spontan gegenwärtig sein.]
Der Grund, weshalb man sich auf diese Gottheiten als Yidam bezieht – was
wörtlich geistige Verpflichtung bedeutet – ist der, dass man, um den Dharma
praktizieren zu können, eine klare Richtung und einen starken Fokus in der
Technik und der Methode der Praxis braucht. Der Grundgedanke zum Yidam ist
der, dass eine bestimmte Praxis – und im Falle des Vajrayana eine bestimmte
Gottheit – von euch als Praxis angenommen wird, zu der ihr persönlich eine
Verpflichtung eingeht, um euch eine Richtung in eurer Praxis vorzugeben. Ein
Yidam ist die Gottheit, über die ihr denkt „Dies möchte ich praktizieren. Ich
möchte zu dem damit verbundenen Resultat gelangen.“
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Das stellt die Zufluchtnahme dar, wodurch ihr sicher stellt, dass eure Praxis
davor bewahrt wird, vom rechten Weg abzukommen.
Als nächstes folgt das Erzeugen von Bodhicitta, welches euch davor schützt,
dass eure Praxis zu einem minderwertigen Weg verkommt.
Wenn ihr das verstanden habt – dass alle Wesen einfach nur wünschen glücklich
zu sein, wie wir selber dies wünschen, und dass keiner von uns glücklich sein kann,
bevor wir das Erwachen erlangt haben-, dann wird ganz natürlich Bodhicitta in
euch entstehen, welches die Absicht darstellt, jedes einzelne Wesen in den
Zustand völliger und perfekter Erwachtheit zu bringen. Bodhicitta beinhaltet
natürlich auch den Wunsch, den Wesen in jeder nur erdenklichen Weise auf
ihrem Weg zum Vervollkommnen dieses letztendlichen Ziels hilfreich zur Seite
zu stehen. Es [Anm. d. Ü.: Bodhicitta] ist hinsichtlich der Hilfeleistung in keinster
Weise begrenzt.
44
Wenn Bodhicitta wirklich erzeugt wurde, dann wird sich eure Absicht der Praxis
in folgendem Gedanken widerspiegeln: „Ich praktiziere, um allen Wesen zur
Erleuchtung zur verhelfen; Ich praktiziere nicht bloß, weil ich Angst vor meinem
eigenen Leiden habe, oder weil ich wünsche, ein paar wenige andere vor Leiden zu
beschützen, oder weil ich wünsche, alle anderen vor ein paar wenigen Arten von
Leiden zu beschützen.“
In dieser Weise wird eure Motivation Medizinbuddha zu praktizieren zu
Bodhicitta, zu der inneren Einstellung: „Um alle Wesen in den Zustand der
Buddhaschaft zu versetzen, muss ich zuerst den Zustand des Medizinbuddha
erlangen, um dadurch fähig zu sein, effektiv zu werden, weil ich in meinem
gegenwärtigen Zustand noch nicht wirksam schützen oder anderen von Nutzen
sein kann.“
Auf die Zufluchtnahme und das Erzeugen von Bodhicitta folgen das Segnen oder
die Weihe des Platzes und der Materialien der Praxis.
Die Aussage hier ist, dass wir zu jedem Zeitpunkt eine unreine Auffassung von
und eine unreine Haltung gegenüber uns selbst, gegenüber anderen und der
gesamten Umgebung haben. [Anm. d. Hg.: Es ist wichtig daran zu denken, dass diese unreinen
Auffassungen und Einstellungen nicht stabil sind, sondern sich jeden Augenblick verändern. So mögen wir in
einem Moment eine hohe Meinung von uns selbst haben und uns selbst attraktiv finde, intelligent und
bezaubernd, und uns im darauffolgenden Augenblick depressiv fühlen, und uns selbst als lästig und eintönig
empfinden. Diese Auffassungen und Einstellungen durchleben Myriaden von Veränderungen, aber sie sind
alle in der Hinsicht unrein, dass wir immer nur Projektionen von uns selbst, von anderen und der Umgebung
Je mehr wir in diese unreinen
sehen, und die Dinge nicht so wahrnehmen, wie sie sind.]
Auffassungen oder Haltungen investieren – in den Umgang mit den unreinen
Dingen -, umso schlechter wird unsere Situation werden, und umso mehr
Anhaftung und Ablehnung werden wir erzeugen. Das Gegenmittel dafür ist ganz
einfach das Verändern unserer inneren Haltung, sowie das Betrachten der Dinge
als unrein. Anfangs bedarf es dafür natürlich einiger bewusster Bemühung. Aber
dadurch, dass ihr Dinge als rein anseht, werdet ihr die Dinge allmählich als rein
erfahren, wodurch die gewohnheitsmäßige Tendenz, sie als unrein zu erfahren,
gereinigt wird.
An dieser Stelle der Liturgie steht geschrieben: „Aus der Weite der
uranfänglichen Reinheit heraus entstehen Opferungswolken, die Himmel und
Erde erfüllen.“
45
Ihr stellt euch vor, dass der Platz, an dem ihr praktiziert, ein völlig reiner
Bereich ist, angefüllt mit allen nur erdenklichen Arten von erfreulichen
Opferungsgaben. Dieser Bereich und die Opfergaben sind, obwohl ihr sie euch
vorstellt, nicht frei erfunden. Sie existieren seit den uranfänglichsten Zeiten,
weshalb im Text auch gesagt wird „aus der Weite der uranfänglichen Reinheit.“
So sind die Dinge tatsächlich von Anfang an; so sind sie in Wirklichkeit schon
immer gewesen. Weder erzeugt ihr sie durch eure Vorstellung, noch betrügt ihr
euch durch diese Vorstellung selbst. Es ist viel mehr so, dass unser
gegenwärtiger Modus der Auffassung einem Albtraum gleicht, aus dem ihr
aufzuwachen wünscht; und wenn ihr daraus erwacht seid, werdet ihr die Dinge
sehen, wie sie sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Vorstellung von den
Dingen, wie sie sind, in Wahrheit dem entspricht, wie sie tatsächlich sind.
Die Opferungsgaben in diesen reinen Bereichen beinhalten Dinge wie das
Opferungsmandala, die sieben Zeichen der Weltenherrscher, sowie verschiedene
andere Opfergaben, die in der Liturgie genannt werden, zusammen mit Göttern
und Göttinnen, welche diese verkörpern, u.s.w.
All diese Opferungen sind unerschöpflich; sie sind unbegrenzt in ihrer Anzahl,
vollkommen in ihrer Qualität, verschwinden nicht einfach, und sie gehen nie aus.
Dieser Teil dient der Weihe der Opferungsgaben und des Praxisplatzes. Und die
innere Haltung, mit der dies getan wird, ist die, dass ihr damit beginnt, eure zu
anderen Zeiten unreine Auffassung eurer Umgebung zu reinigen – euren Körper,
euren Geist, und all die Materialien und Hilfsmittel in eurer Umgebung.
Auf die Weihe der Opferungsgaben folgt die Meditation über die Vier
Unermesslichkeiten.
Die Vier Unermesslichkeiten sind vier Einstellungen, welche unbegrenzt zu
kultivieren sind, weshalb sie als unermesslich, oder unbegrenzt, bekannt sind.
„Unbegrenzt“ bezieht sich auf keine Grenze bezüglich „wie viel“, und keine
Grenze bezüglich „für wen“.
Die erste Unermesslichkeit, laut allgemein üblicher Aufzählung, betrifft die
Liebe. Unermessliche Liebe bedeutet, dass es keine Begrenzung gibt bezüglich
wie viel Liebe und wie viel Mitgefühl ihr erzeugt, und speziell, dass es keine
Begrenzung dafür gibt, für wen ihr sie erzeugt.
46
Wie auch immer, wenn ihr beginnt sie zu praktizieren, müsst ihr damit anfangen,
Unvoreingenommenheit zu kultivieren. Bei uns allen sind Liebe, Mitgefühl und
Freude bis zu einem gewissen Grad ausgebildet. Aber um diese aufrichtig und
unermesslich weiterzuentwickeln, müssen wir Gleichmut kultivieren, weshalb dies
das erste ist, worum wir uns bemühen müssen. Wenn ich sage, dass wir alle Liebe
bis zu einem gewissen Grad ausgebildet haben, meine ich damit, dass wir alle
einigen Wesen wünschen, glücklich zu sein und die Ursache für Glück zu besitzen.
Bei Mitgefühl ist es ähnlich: wir alle wünschen, dass einige Wesen frei von Leiden
und den Ursachen für Leiden sein sollen. Das Problem dabei ist, dass wir im
Allgemeinen diese Dinge nur bestimmten Wesen wünschen, und uns nicht
besonders darum sorgen, was mit dem Rest der Wesen passiert. Auch wenn
unsere Liebe und unser Mitgefühl wirklich Liebe und Mitgefühl sind, sind sie
dennoch nur bruchstückhaft; und weil sie einseitig sind, sind sie unrein und
unvollständig. Wenn ihr Gleichmut kultiviert, werden sie unbegrenzt – was
bedeutet, dass sie vollkommen werden. Daher ist die erste Stufe bei der Arbeit
an den vier Unermesslichkeiten die, Gleichmut gegenüber den Wesen zu
erzeugen, was eine Verfeinerung der inneren Haltung bedeutet, die selbe Menge
an Liebe und Mitgefühl für alle Wesen !
Darauf basierend könnt ihr dann die Haltung von Liebe stärken – den Wunsch,
dass die Wesen glücklich sein und die Ursache für Glück besitzen
mögen -, und durch dieses Stärken wird sich die Haltung allen Wesen gegenüber
einstellen. Wenn ihr nicht beginnt an Gleichmut zu arbeiten, werdet ihr durch ein
Stärken eurer Liebe für einige gleichzeitig Aggression gegenüber anderen
erzeugen. Deshalb müsst ihr zuerst Gleichmut vervollkommnen, und dann – auf
dieser Basis aufbauend – die anderen drei (Liebe, Mitgefühl und Freude)
verfeinern.
Im Text werden sie jedoch in der üblichen Reihenfolge genannt, in der
Unvoreingenommenheit oder Gleichmut zuletzt erwähnt wird.
In ihrer essentiellen Natur wünscht Liebe, dass andere glücklich sein mögen, und
Mitgefühl, dass andere Wesen nicht leiden mögen. Diese beiden inneren
Einstellungen sind natürlich hervorragend. Aber wenn sie ohne den Wunsch
gegenwärtig sind - wenn eure Liebe ohne den Wunsch für Glück für alle Wesen
vorhanden ist, und euer Mitgefühl den Wunsch entbehrt, das Leiden aller Wesen
zu beseitigen -, dann werden sie zu einer neuen Ursache für größeres Leiden und
Traurigkeit für euch selbst. Ihr werdet zwar aufgrund eurer Einstellung
sensibler sein für das Leiden anderer, aber ihr werdet euch unfähig vorfinden,
zu helfen. Und so werden dann beide leiden – die anderen Wesen und ihr selber
auch. Wenn jedoch die Einstellung von Liebe und Mitgefühl das Verständnis
davon beinhaltet, wie man Glück und Freisein von Leiden tatsächlich erlangen
kann, dann werden diese Haltungen nicht zu Ursachen für Depression.
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Daher erweitern wir die Haltung von Liebe von „mögen alle Wesen glücklich sein“
zu „mögen alle Wesen glücklich sein und die Ursachen für Glück besitzen“, und
die Haltung von Mitgefühl von „mögen alle Wesen frei von Leiden sein“ erweitern
wir zu „mögen alle Wesen frei von Leiden und den Ursachen für Leiden sein“.
Da ihr nicht vertrauensvoll erwarten könnt fähig zu sein, allen Wesen an Ort und
Stelle glücklich zu machen, könnt ihr allmählich dafür sorgen, dass die fühlenden
Wesen die Ursachen für Glück vervollkommnen und ansammeln, und die Ursachen
für Leiden loswerden. Und weil ihr versteht, dass ihr – langfristig gesehen –
fähig sein werdet, die Wesen glücklich zu machen und frei von Leiden, werden
diese Haltungen von Liebe und Mitgefühl nicht nur stabil, sondern auch
tatsächlich erfreulich. So gesehen sind die Auswirkungen von Liebe und
Mitgefühl nicht länger Traurigkeit und Depression, sondern unermessliche
Freude, welche die dritte Unermesslichkeit darstellt. Daher schult und
verfeinert ihr die Vier Unermesslichkeiten als Vorbereitung zur Meditation auf
den Medizinbuddha.
48
Aber ihr müsst bedenken, dass der Nutzen dieser Praxis nicht mit einer
direkten Auswirkung einer Funktion einer Maschine – wie z.B. die eines
Laserstrahls – vergleichbar ist. Es gibt immer ein Ergebnis, das der Praxis folgt,
aber die Art, in der sich das Resultat manifestiert, ist nicht absolut eindeutig.
Was also eure Einstellung das Ergebnis eurer Praxis angeht, müsst ihr eine
langfristige Sicht entwickeln. In dieser Weise könnt ihr euch bei eurer Praxis
auf die Vier Unermesslichkeiten konzentrieren.
Dies vervollständigt die vorbereitenden Übungen zur Medizinbuddha-Praxis.
Ich werde an diesem Nachmittag hier aufhören, und wir werden unser Treffen
mit der Widmung des Verdienstes dieser Belehrung zur Befreiung aller Wesen
beenden.
[Widmung des Verdienstes]
49
Die Medizinbuddha-Sadhana
Gestern haben wir das Liniengebet dieser Praxis, die Zufluchtnahme und
Bodhicitta, die Weihe des Praxisplatzes und der Hilfsmaterialien, und die
Meditation über die Vier Unermesslichkeiten besprochen. Heute werden wir
damit beginnen, die tatsächliche Visualisation von einem selbst als den
Medizinbuddha, was zur Folge hat, dass der Segen des Medizinbuddha in einen
eindringt, und die gleichzeitige Visualisation des Medizinbuddha-Mandalas vor
uns, welches als Objekt für die Wunschgebete und durch das Darbringen von
Opferungsgaben als ein Feld zum Ansammeln von Verdienst dient, zu studieren.
Die Visualisation wird damit begonnen, eure Auffassung der gesamten Welt,
sowie eures eigenen Körpers und eures Geistes zu reinigen.
Dies wird anfänglich durch das einmalige Rezitieren des Mantras der reinen
Natur, oder des Mantras der Reinheit von Dharmata, durchgeführt:
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Der Begriff dharma hat zwei Grundbedeutungen. Eine Bedeutung ist die von
Sadharma, oder dem authentischen Dharma, den Lehren des Buddhismus, und die
andere Bedeutung ist Ding; Dinge im allgemeinen, alles, was man sich vorstellen
kann. Hier bezieht es sich auf Dinge.
Das Mantra fährt fort mit den Worten sobhawa shuddha, und dann a hum. Durch
die Art und Weise wie Sanskrit seine Wörter verbindet, wird aus dem zweiten
shuddha und a hum vereint shuddho ham. Noch einmal: sobhawa shuddho
bedeutet „rein in seiner Natur“ oder „ihrer Natur“; a hum kann selbst oder die
Verkörperung von etwas bedeuten.
Hier muß man die Bedeutung verstehen, dass nicht nur alle Dinge in ihrer Natur
rein sind, sondern auch, dass sie selbst die Verkörperung dieser Reinheit
darstellen. Dieses Mantra ist also eine essentielle Darstellung, wie der Weg zum
Ergebnis führen kann. Weil die Dinge in ihrer Natur rein sind, weil diese Reinheit
in der Natur der Dinge gegenwärtig ist, deshalb kann sie sich als Erfahrung und
als Ergebnis manifestieren – dadurch, dass man die innewohnende Reinheit als
Weg nimmt. Z.B. kann man, weil das Sesamöl bereits im Sesamsame vorhanden
ist, durch das Pressen der Samen das Öl extrahieren. Wenn also im Same kein Öl
vorhanden wäre, könnte man kein Öl daraus gewinnen, egal wie stark man die
Samen auch pressen würde.
Weil die versteckte Natur der Dinge ihre Reinheit ist, könnt ihr sie - durch das
Betrachten der Dinge als rein – direkt als rein erfahren; ihr könnt direkt ihre
Reinheit erfahren. Das sobhawa-Mantra wird hier dafür benutzt, um dies
aufzuzeigen, und auch, um den Samadhi einzuführen oder zu beginnen, welcher in
der Visualisation von euch selbst als den Medizinbuddha gipfelt.
Der Rezitation des sobhawa-Mantras folgen die tibetischen Wörter tong pa nyi
du gjur, was bedeutet, dass alles leer wird, oder zu Leerheit wird.
Alles wird zu Leerheit.
Dies beschreibt den Beginn der Visualisation. An diesem Punkt stellt ihr euch
vor, dass alles verschwindet, dass alles zu Leerheit wird – nicht die Dinge wie sie
sind, sondern wie sie erscheinen!
Es ist jedoch wichtig sich daran zu erinnern, dass ihr hier nicht vorgebt dass die
Dinge anders sind als sie sind.
Ihr verwendet die Vorstellung der Auflösung der Dinge in die Leerheit aus dem
Wissen heraus, dass die Dinge von anfangslosen Zeiten an in ihrer Natur leer
sind. [Anm. d. Hg.: Buddhismus „beansprucht“ keinen kosmologischen Beginn, daher bedeutet im
Buddhismus „von Beginn an“ seit anfangslosen Zeiten.] Das Auflösen der gewöhnlichen,
unreinen Erscheinungen in die Leerheit ist der erste Teil eines zweistufigen
Prozesses, der dazu dient, unseren gewöhnlichen Überlagerungen von Unreinheit
und Erfahrungen entgegenzuwirken. [Anm. d. Hg.: Diese Überlagerung von Unreinheit und
Erfahrungen ist das gleiche, worauf sich Nagarjuna in „In Praise of the Dharmadhatu“ bezieht: „Die
Phänomene, die dem Geist-Bewusstsein, dem Chef von allem, erscheinen, sind in Begriffe gefasst und
überlagern sich dadurch. Wenn diese Aktivität fallengelassen wird, erkennt man das Fehlen einer Selbst-
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Existenz der Phänomene. Dies erkennend meditiert man auf Dharmadhatu.“ Das sobhawa-Mantra und die
folgende Sadhana, wie auch alle anderen Sadhanas und Praktiken mit Vollendungsphase sind Methoden, um
den Geist zu trainieren, diese Aktivität der Überlagerung aufzugeben.]
Der zweite Teil ist das Auftauchen aus oder in dieser Weite der Leerheit der
reinen Erscheinungen, welche der Bereich und der Palast des Medizinbuddha
sind.
Als erster Schritt stellt man sich vor, dass sich alle unreinen Erscheinungen in
die Leerheit hinein auflösen, und der zweite Schritt ist der, dass aus dieser
Leerheit heraus der Bereich und der Palast des Medizinbuddha entstehen.
Nachdem ihr euch vorgestellt habt, dass der Platz, an dem ihr praktiziert, zum
Bereich und Palast geworden sind, beschränkt ihr diese Betrachtung nicht auf
diese Welt oder diesen Planeten alleine.
Wie im Text gesagt wird, geht es hier um Milliarden von Welten dieses größeren
Welten-Systems, oder der gesamten Galaxie.
Es gibt zwei Wege, diese Praxis auszuüben. Der einfachste Weg ist, sich selbst
als Medizinbuddha zu visualisieren. Der aufwendigere Weg, der in der Liturgie
aufgezeigt wird, ist der, auch noch den Medizinbuddha, umgeben von seinem
Gefolge, als vor euch im Raum gegenwärtig zu visualisieren. Für Anfänger ist es
leichter, die Selbst-Visualisation alleine durchzuführen; aber andererseits gibt
einem die Visualisation vor uns im Raum noch zusätzlich die Gelegenheit,
Verdienst anzusammeln. In beiden Fällen gibt es – inmitten des Bereichs des
Medizinbuddha, welchen ihr als aus der Weite der Leerheit entstanden,
visualisiert habt – einen Palast. Dieser Palast ist quadratisch und ziemlich
symmetrisch aufgebaut. In der Mitte jeder der vier Seitenwände gibt es ein
großes Tor, welches einen Eingang zum Palast darstellt.
Wenn ihr die Praxis mit Selbst- und Raum-Visualisation durchführt, müsst ihr
zwei Paläste visualisieren: einen im Zentrum dessen, wo ihr als Selbst-
Visualisation sitzt; und einen etwas höher gelegenen im Raum vor euch, welcher
als Residenz für die Visualisation des Medizinbuddha im Raum vor euch dient.
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Im Zentrum des Palastes der Selbst-Visualisation steht ein Thron aus Gold und
Juwelen, und anderen kostbaren Substanzen, welcher von acht Schneelöwen
gehalten wird. Die Aussage des Löwenthrons ist hauptsächlich die von völliger
Furchtlosigkeit – welche die Freiheit der Gottheit von Angst und Gefahr
jeglicher Art symbolisiert.
Auf dem Thron befindet sich eine vollständig geöffnete Lotusblüte, in deren
Zentrum sich wiederum eine flach liegende Mondscheibe befindet, auf welcher
ihr euch selbst – in der Form des Medizinbuddha – sitzend visualisiert.
Im Zentrum des Palastes der Visualisation im Raum vor euch visualisiert ihr einen
16-blättrigen Lotus, in dessen Zentrum wiederum ein 8-blättriger Lotus zu
visualisieren ist. In der Mitte des 8-blättrigen Lotus visualisiert ihr einen
anderen Löwenthron, Lotus und eine Mondscheibe – wie auch in der Selbst-
Visualisation. Im Raum vor euch gibt es 8- und 16-blättrige Lotusse, weil dort
noch zusätzlich Buddhas und Bodhisattvas plaziert sind.
Als nächstes visualisiert ihr auf den Mondscheiben beider Visualisationen eine
blaue Silbe HUM. [Anm. d. Hg.: Diese Silben werden in tibetischer Schrift visualisiert.]
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Geist-Kontinuum aller Wesen – ohne Ausnahme irgendeines Leidens oder Elends
oder Ursache für Leiden.
Danach werden die Lichtstrahlen wieder in ihre jeweiligen HUMs
zurückabsorbiert.
In diesem Moment werden die Silben sofort und zur gleichen Zeit in den
Medizinbuddha transformiert.
Seine rechte Hand hält, in der Mudra der höchsten Großzügigkeit, die
Aruraplanze.
In seiner linken Hand hält er, in der Mudra des meditativen Gleichgewichts,
eine Bettelschale.
Seine rechte Hand ist ausgestreckt, die Handfläche nach außen zeigend, über
seinem rechten Knie in der Geste genannt „höchste Großzügigkeit“. In ihr hält er
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eine Arura-, oder Myrobalanfrucht. Diese Pflanze steht für die besten
Arzneimittel. Die Position seiner rechten Hand und die Arura, welche er darin
hält, stehen für die Ausrottung von Leid, speziell von Leiden an Krankheit, unter
Verwendung der Mittel der relativen Wahrheit. Krankheit kann gelindert werden
durch das Ändern der Funktionsweise der voneinander abhängigen Ursachen und
Bedingungen, indem man die relativen Mittel innerhalb des Bereichs der relativen
Wahrheit verwendet, wie z.B. medizinische Behandlung u.s.w. Das Bereitstellen
dieser Methoden wird durch die Geste der rechten Hand des Medizinbuddha
repräsentiert.
Seine linke Hand ruht in seinem Schoß, Handfläche nach oben, in der Geste der
meditativen Stabilität oder des meditativen Gleichgewichts, wodurch die
Ausrottung von Krankheit und Leid dargestellt wird – in der Tat die Wurzeln von
Samsara ; durch die Realisation der absoluten Wahrheit. Sowohl vom Standpunkt
der relativen wie auch der absoluten Wahrheit aus betrachtet ist die
grundlegende Ursache von Krankheit und Leid ein Mangel an Zufriedenheit und
die süchtigmachende Qualität von Samsara. Deshalb, um das Bedürfnis nach
Zufriedenheit anzuzeigen, hält er in seiner linken Hand eine Bettelschale.
Dass der Geist des Medizinbuddha makellos und rein ist, wird durch seine Form
reflektiert, durch seine hervorragende körperliche Vollendung.
Er ist geschmückt mit den sogenannten Merkmalen und Zeichen, den primären
und sekundären Anzeichen der Erleuchtung eines Buddha.
In allen Aspekten seiner physischen Form – der Kronenausstülpung oder
Ushnisha, den Zeichen der Räder auf seinen Fußsohlen, u.s.w. – ist der
Medizinbuddha ident mit Buddha Shakyamuni, mit dem einzigen Unterschied,
dass Buddha Shakyamunis Haut von goldener Farbe ist, während der
Medizinbuddha blau erscheint.
Da der Medizinbuddha in einem standhaften Samadhi der Durchtränkung in die
Wirklichkeit der Natur aller Dinge versunken ist, und weil dieser Samadhi
absolut stabil ist, sitzt er – mit gekreuzten Beinen – in der Vajra-Haltung. Ihr
visualisiert euch selbst wie auch die Visualisierung im Raum vor euch in dieser
Haltung. Alles, was bisher beschrieben wurde – der Palast, der Thron, und der
Medizinbuddha -, betrifft sowohl euch selbst wie auch die Visualisation im Raum
vor euch. Nur dass im Fall der Visualisation im Raum vor euch der Löwenthron im
Zentrum eines 8-blättrigen Lotus steht, welcher sich wiederum in der Mitte
eines 16-blättrigen Lotus befindet.
Auf den sieben der acht Blätter des Lotus, der den Medizinbuddha der
Visualisation im Raum vor euch umgibt – auf den sieben Blättern, aber nicht auf
55
jenem direkt vor dem Medizinbuddha – sitzen die sieben anderen
Medizinbuddhas, also Buddha Shakyamuni und die sechs anderen. Wie auch der
Hauptaspekt sind sie alle mit den 32 Merkmalen und 80 Zeichen der körperlichen
Perfektion geschmückt, welche den Körper eines Buddha zieren.
Auf dem achten Blatt, direkt vor dem Hauptaspekt befindet sich ein Band von
Dharma-Schriften. Der Grund dafür ist, dass es schlussendlich der Dharma ist,
welcher uns aus Samsara und von Krankheit befreit.
Wenn wir über den Sadhana oder den authentischen Dharma, sprechen, beziehen
wir uns im Wesentlichen auf die dritte und vierte der Vier Edlen Wahrheiten :
Die Wahrheit von der Beendigung des Leidens, und die Wahrheit über den Weg,
der uns zur Beendigung des Leidens führt.
Die Wahrheit von der Beendigung des Leidens ist ein Ergebnis der Praxis, welche
der Verzicht (oder die Transzendenz) auf alles ist, was aufgegeben und
transzendiert werden muss. [Anm. d. Hg.: Was dadurch die Beendigung des Leidens mit sich
bringt.] Die Wahrheit über den Weg, ist die, dass es der Dharma ist, den wir
praktizieren, der zur Transzendierung führt. Der Dharma in seiner Essenz ist
die Erfahrung und Verwirklichung der Bedeutung des Dharma, welcher im Geiste
jener, die ihn praktizieren und seine Ziele erreichen, gegenwärtig ist. [Anm. d. Hg.:
Die Essenz des Dharma wird verschiedenartigst ausgedrückt als die nicht-konzepthafte Weisheit oder
Leerheit, die nicht-konzepthafte Weisheit des klaren Lichts, strahlende Klarheit, uranfängliches
Bewusstsein, die leere, klare und ungehinderte Natur des Geistes, etc.]
Etwas weiter gefasst bezieht sich der Dharma auch auf die Tradition dieses
Weitergebens der Bedeutung [Anm. d. Ü.: von der Erfahrung und Verwirklichung der Natur des
Geistes], und daher visualisieren wir diese Weitergabe – bei Buddha angefangen
bis zum gegenwärtigen Tag – in Form der Bücher auf dem Blütenblatt direkt vor
dem Medizinbuddha des Mandalas vor uns im Raum.
Die sieben Medizinbuddhas und die Dharma-Schriften umgebend sitzen, auf dem
16-blättrigen Lotus, sechzehn Bodhisattvas. Dies sind die sechzehn
Bodhisattvas, welche die Hauptempfänger der Lehren der Medizinbuddha Sutren
waren, die Buddha gab. Sie alle manifestieren sich in der Sambhogakaya-Form,
kunstvolle Juwelen u.s.w. tragend.
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Hinter dem Kreis dieses Lotus, aber immer noch innerhalb der Palastmauern der
Visualisation im Raum vor uns, befinden sich 22 andere Hauptgottheiten, jede
mit ihrem jeweiligen Gefolge.
Zur rechten des Medizinbuddha (rechts hinter den Hauptgottheiten), einen
Halbkreis bildend, befinden sich die zehn Beschützer der Richtungen – auch
bekannt als die zehn Beschützer der Welt. Es sind dies Gottheiten wie Brahma,
Indra u.s.w.
Ebenfalls einen Halbkreis bildend befinden sich zur linken Seite [Anm. d. Ü.:
innerhalb] des Palastes die zwölf Yaksha-Führer oder Generäle. Jede dieser
Figuren ist von einem eigenen riesigen Gefolge umgeben. Schließlich visualisiert
ihr die vier Tore oder Zugänge des Palastes, vor denen die vier Könige stehen.
Sie werden hier visualisiert, weil sie allgemein die Schützer des Buddhadharma
symbolisieren. Wann immer Buddha gelehrt hat, und speziell wenn er Wunder
vollbrachte, strahlte er einen großartigen, magischen Palast wie diesen hier aus,
und, um ihre Funktion als Schützer seiner Lehren zu unterstreichen, wurden
diese vier Könige als Torwächter vor den vier Eingängen postiert.
Wenn ihr es könnt, dann visualisiert alle diese Gottheiten während ihr meditiert.
Aber wenn ihr es nicht schafft, lasst euch nicht entmutigen. Habt nicht das
Gefühl, dass die Praxis dadurch irgendwie uneffizienter oder hinfälliger
geworden wäre, nur weil ihr nicht jeden einzelnen von ihnen visualisieren könnt.
Es reicht aus, wenn ihr eine klare Visualisation von euch selbst als den
Medizinbuddha und des Medizinbuddha im Raum vor euch erzeugen könnt.
Wenn ihr euch dann zusätzlich auch noch die sieben weiteren Medizinbuddhas
und die Dharma-Schriften klar vorstellen könnt, ist es schon gut. Wenn ihr
darüber hinaus auch noch die sechzehn Bodhisattvas visualisieren könnt, so ist es
auch gut. Aber ihr solltet die Ausmaße eurer Fähigkeit des Visualisierens
abschätzen können. Die Praxis wird in jedem Fall effektiv sein und allgemein den
Segen des Dharma zur Folge haben, und im speziellen auch den Segen des
Medizinbuddha, der in euch einströmen wird. Sie [Anm. d. Ü.: die Praxis] wird ihre
Funktion erfüllen und Wirkung zeigen, egal wie es euch bei der Visualisation
ergeht.
Wichtiger als die Frage, wie viele Gottheiten ihr visualisiert, ist das Verständnis
dessen, was ihr tut. Und am wichtigsten ist es, zu verstehen, dass ihr durch das
Visualisieren von euch selbst als den Medizinbuddha nicht vortäuscht etwas zu
sein, das ihr nicht seid, und dass ihr durch das Visualisieren des Medizinbuddha
und dessen Gefolge im Raum vor euch nicht nur so tut, als ob sie an einem Ort
wären, wo sie nicht sind. Definitionsgemäß sind Buddhas allwissend. Wann immer
jemand an sie denkt, sie sich vergegenwärtigt, oder sie anruft, sind sie sich
dessen bewusst und antworten mit ihrem Mitgefühl und Segen. Auch die
letztendliche Analyse bestätigt, dass die Situation ident ist mit ihrem
tatsächlichen Anwesendsein; wo immer an sie gedacht wird. Daher ist es immer
57
angebracht, einen Buddha, der im Geist vorhanden ist, als tatsächlich im Raum
vor einem anwesend zu betrachten. Wenn ihr denkt, dass der Medizinbuddha
zusammen mit seinem Gefolge vor euch gegenwärtig ist, dann sind sie auch
wirklich und wahrhaftig da.
Euch selbst als Medizinbuddha zu visualisieren ist auch angebracht, weil unsere
grundlegende Natur – das, was wir wirklich sind – Buddhanatur ist. Die
Buddhanatur ist in Wirklichkeit das Potential, um das Erwachen zu erreichen.
Irgendwann in der Zukunft werdet ihr das selbe Erwachen oder Buddhaschaft
erlangen wie der Medizinbuddha selbst. Durch das Visualisieren als
Medizinbuddha setzt ihr die Erscheinung dessen, was ihr eigentlich schon jetzt
seid, und das was ihr offenkundig sein werdet durch das Erwachen, voraus. Ihr
müsst diese Wahrheit anerkennen, die Aspekte von Körper, Rede und Geist des
Medizinbuddha voraussetzen; es ist völlig angebracht.
Um alle verbleibenden Zweifel, die ihr haben mögt, auszuräumen, ladet ihr als
nächstes die tatsächlichen Weisheitsgottheiten ein, und lasst sie mit der
Visualisation verschmelzen.
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euch vorstellt, denkt ihr, dass aus diesen Keimsilben Lichtstrahlen in den
entsprechenden Farben – aber vor allem blaue Lichtstrahlen aus den HUM-Silben
in den Herz-Zentren – ausstrahlen. Dieses Aussenden von Licht lädt die
Gottheiten des Mandalas aus ihrem jeweiligen Buddhafeld ein. Jeder der acht
Medizinbuddhas (der Hauptaspekt und sie sieben Medizinbuddhas des Gefolges)
hat seinen eigenen Bereich, aber alle liegen sie in der östlichen Richtung. [Anm. d.
Hg.: Anders als bei Amitabha, dessen reines Land Sukhavati oder Dewachen , als in westlicher Richtung
gelegen gelehrt wird, befinden sich, laut Lehre, die Buddhafelder der Medizinbuddhas in östlicher Richtung.
Es ist aber wichtig zu verstehen, was unter diesen Richtungen in der Vajrayana-Praxis verstanden wird. Man
stellt sich vor, dass alle Gottheiten in Richtung Osten schauen. Wenn man sich selbst als Medizinbuddha,
oder als Chenrezig, oder als Vajrayogini visualisiert, blickt man – egal in welcher Richtung man den
entsprechenden Buddhabereich der Gottheit finden würde – Richtung Osten. Das gleiche gilt auch für die
Gottheiten, die man sich im Raum vor einem vorstellt – auch sie blicken alle Richtung Osten. Wenn man als
von seinem „richtigen Platz“ [jenem Platz, an dem man meditiert – Anm. d. Ü.] aus in Richtung Süden oder
Norden blickt, dann gilt dennoch, was die Visualisation anbelangt, dass man [in der Vorstellung – Anm. d. Ü.]
Richtung Osten schaut. Man stellt sich nicht vor, dass die Gottheiten irgendwo weit weg links oder rechts
über der eigenen Schulter in ihrem Buddhabereich wohnen. Wie Kalu Rinpoche einst sagte: „Für einen Yogi
oder eine Yogini sind alle Richtungen Osten.“]
Die acht Medizinbuddhas und die Gottheiten ihres Gefolges werden aus ihren
verschiedenen reinen Ländern eingeladen und verschmelzen mit euch und der
Visualisation vor euch. Während der Praxis stellt ihr euch nicht vor, dass sie
sofort mit euch verschmelzen, sondern dass sie sich erst einmal zeigen, und am
Himmel vor euch erscheinen – zwischen den beiden Palästen der Visualisationen.
HUNG
An die Versammlung der acht Medizinbuddhas und alle Gottheiten ohne
Ausnahme richte ich meine Bitte.
Ihr, die ihr an diesen Platz eingeladen seid, möget ihr uns wohlgesonnen
sein, und euren großen Segen herabströmen lassen.
Gewährt jenen mit gutem Karma und Vertrauen im Herzen die höchste
Einweihung.
Vertreibt falsche Führer und räumt Hindernisse für ein langes Leben aus.
Zuerst ladet ihr die acht Medizinbuddhas zusammen mit ihrem jeweiligen
Gefolge ein, indem ihr sagt „Bitte kommt an diesen Ort und lasst euren großen
Segen auf mich, den Praktizierenden, und auf alle anderen herabströmen.“
Danach bittet ihr sie „Gewährt mir, dem Glücklichen, dem Hingebungsvollen, die
höchste Einweihung“, und „räumt bitte Hindernisse aus, wie z.B. Situationen, die
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mein Leben und meine Langlebigkeit bedrohen, wie auch alle anderen
Hindernisse“.
Das darauffolgende Mantra besiegelt und bekräftigt diesen Akt der Einladung.
Das Mantra bedeutet übersetzt: „Großer König der Medizin, gemeinsam mit
Deinem Gefolge. Vajra samaya jaja.“ [Anm. d. Hg.: Sanskrit ist, wie Latein, eine tote Sprache.
Der Übersetzer/Herausgeber liest das Mantra in der Weise, wie Gelehrte annehmen, dass Sanskrit
ursprünglich betont wurde. Die Mantras, wie sie in diesem Text erscheinen, sind die englische Version der
tibetischen Version des original Sanskrit-Mantras. Daher wird Benza samaya dza dza als Vajra samaya jaja
wiedergegeben.]
Vajra samaya heißt „unveränderliches Versprechen“ oder „unzerstörbarer
Samaya“. Damit erinnert ihr die Buddhas an ihre Versprechen, die Wesen zu
befreien.
Vom ursprünglichen Erzeugen des Bodhicitta bis zum Moment, in dem sie
vollkommene Buddhascaft erlangten, war die Motivation für ihren gesamten Weg
der Wunsch, die Wesen zu befreien. Damit sind sie eine unveränderliche
Verpflichtung eingegangen – vajra-gleichen oder unzerstörbaren Samaya -, die
Wesen zu befreien. Wenn ihr also Vajra samaya jaja sagt, dann sagt ihr
eigentlich zu den Buddhas: „Ihr müsst hierher kommen und mich segnen, weil ihr
versprochen habt dies zu tun.“ Zu diesem Zeitpunkt könnt ihr getrost denken,
dass alle Weisheitsgottheiten des Mandalas auch tatsächlich gekommen sind,
und im Himmel vor euch anwesend sind.
Danach folgt vajra samaya tiktra len. Vajra samaya bedeutet unveränderliche
Verpflichtung, und tiktra bedeutet dauerhaft verbleiben. Mit diesem Mantra
sagt ihr also: „Durch die Kraft eures unveränderlichen Versprechens, zum
Wohlergehen und zur Befreiung der Wesen verschmelzt bitte mit mir, und
verbleibt dauerhaft und beständig in mir.“
Hier stellt ihr euch dann vor, dass all die eingeladenen Gottheiten – an ihre
Verpflichtung erinnert und aus dem daraus entstandenen Mitgefühl – sowohl mit
euch wie auch mit den Gottheiten der Visualisation im Raum vor euch
verschmelzen. Und nun denkt ihr, dass Körper, Rede und Geist eures Körpers –
als Medizinbuddha visualisiert – und Körper, Rede und Geist des Medizinbuddha
untrennbar von einander geworden sind. [Anm. d. Hg.: In diesem Zusammenhang ist es
hilfreich, mit den beiden Begriffen Samayasattva und Jnanasattva vertraut zu sein, welche annähernd
übersetzt werden können mit „Wesen, das verpflichtet ist“ und „Wesen, mit uranfänglichem Bewusstsein“.
Samayasattva ist die eigene, persönliche Visualisation, die man durchführt, um seine eigene Verpflichtung
seinem Lama und der Praxis seines Yidam gegenüber aufrecht zu halten.
Ein Jnanasattva ist eine „tatsächlich“ gedachte Gottheit, die eine Manifestation des klaren Lichts der
Natur des Geistes, oder die strahlende Klarheit des Geistes und der Wirklichkeit, darstellt, welche man
sich - zum Zweck der Visualisation – als in seinem eigenen Buddhabereich angesiedelt vorstellt. Wenn
dieser Jnanasattva schließlich mit dem Samayasattva verschmilzt, werden die beiden als eins und
untrennbar von einander angesehen. Im Ati-Yana werden Samayasattva und Jnanasattva als von Beginn an
gleichzeitig vorhanden betrachtet. In „The Heart of the Buddha“ [Anm. d. Ü.: Das Herz Buddhas]
beschreibt Chögyam Trungpa diesen Prozess von einem psychologischen Standpunkt aus, und wie die
Beziehung zur Praxis von Vajrayogini: „Die Visualisation von einem selbst als Vajrayogini wird samayasattva
genannt: die `heilige Verpflichtung meiner selbst`. Samayasattva ist im Grunde die Bezeichnung für die
Verpflichtung, die man mit Körper, Rede und Geist eingeht. Es drückt das eigene Versprechen dem Lehrer
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und den Lehren gegenüber aus, wie auch das eigene Vertrauen in den zugrundeliegenden Zustand des
Geistes.
Nachdem man Samayasattva des Wesens bedacht hat, lädt man das ein, was als Jnanasattva bekannt ist.
Jnanasattva ist ein Zustand von Wachsamkeit oder Offenheit, wohingegen Samaya eine Erfahrung von
Verpflichtung ist, in der man fest in der eigenen Erfahrung verwurzelt ist. Jnana bedeutet wörtlich
„Weisheit“ oder, noch genauer „weise sein“. Man lädt diesen Zustand von Weisheit ein, diese Ebene von
Wachsamkeit – in die eigene mangelhafte Visualisation -, damit die Visualisation um das Gefühl von
Offenheit und Humor bereichert wird.“]
Für diesen Morgen hören wir hier auf, aber wenn ihr noch Fragen habt, dann seid
ihr herzlich eingeladen, sie jetzt zu stellen.
Frage: Hat der Medizinbuddha eine Gefährtin, und wenn ja, wie heißt sie?
Rinpoche: In diesem Fall, wo er in Form des höchsten Nirmanakaya visualisiert
wird, hat er keine. Aber es könnte Fälle geben, in denen er in seiner
Sambhogakaya-Form visualisiert wird, und wo er dann eine Gefährtin hat, um die
Einheit von Upaya und Prajna zu verdeutlichen – es ist also möglich, aber ich kann
mich an kein Beispiel erinnern, und daher kann ich auch keinen Namen nennen.
Frage: Rinpoche hat über die Visaulisation im Raum vor uns gesprochen als ein
Feld zum Ansammeln von Verdienst. Warum hat die Visualisation vor uns etwas
mit dem Ansammeln von Verdienst zu tun?
Rinpoche: Wie es schon der Text besagt, wird bei dieser Praxis Verdienst
angesammelt, indem man betet und verschiedene Opferungsgaben darbringt –
das Mandalaopfer und die Gebete u.s.w. -, hauptsächlich in Bezug auf die
Visualisation vor uns.
Ihr sammelt Verdienst an, indem ihr jenem, zu dem ihr absolutes Vertrauen habt
– womit der jeweilige Buddha gemeint ist – Opferungsgaben darbringt. Es ist
leichter für euch Verdienst anzusammeln, indem ihr der Visualisation vor euch
Opferungen darbringt, weil ihr diese als getrennt von euch selbst wahrnehmt,
und daher vielleicht als etwas Höheres als euch selbst.
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Frage: Wenn wir am Ende der Praxis das Mantra sagen, konzentrieren wir
unsere gesamte Aufmerksamkeit auf uns selbst und das Mantra in unserem
Herzen, oder wenden wir unsere Aufmerksamkeit abwechselnd uns selbst und
dem Buddha vor uns im Raum zu?
Rinpoche: Ihr konzentriert euch auf beide Visaualisationen. Ihr visualisiert die
Keimsilbe und die Mantra-Kette im Herzen von euch selbst und der Visualisation
vor euch, und in beiden Fällen erkennt ihr es an als die Verkörperung der
Weisheit oder als den Geist der Gottheit. Danach stellt ihr euch vor, wie
Lichtstrahlen aus der Keimsilbe und der Mantra-Kette im Herzen der Selbst-
Visualisation ausstrahlt. Diese Lichtstrahlen treffen auf und treten in die
Herzen der Gottheiten der Visualisation vor uns im Raum, erwecken ihr
Mitgefühl, wodurch Lichtstrahlen aus den Herzen der Gottheiten austreten, und
so Krankheiten und Leiden aller Wesen vertreiben.
Frage: Ich schaffe es nicht, mich selbst als den Medizinbuddha zu visualisieren,
und gleichzeitig die Visualisation vor mir aufrechtzuerhalten. Soll ich sie
abwechselnd visualisieren? Soll ich mir mehr Zeit für die Visualisation vor mir
nehmen, und dann zu der Visualisation von mir als Medizinbuddha zurückkehren,
und dort eine Weile verbleiben?
Rinpoche: Ja, das ist gut!
Frage: Schnell oder langsam – oder wie?
Rinpoche: Das Beste ist, so häufig hin und her zu wechseln, wie es als angenehm
empfunden wird.
Frage: Rinpoche, hat diese bestimmte Sadhana eine spezielle Bedeutung für
Sie? Ist sie von spezieller Bedeutung für die Thrangu-Linie?
Rinpoche: Sie hat weder für mich noch für mein Kloster eine bestimmte
Bedeutung, außer, dass es sich dabei um eine von drei Medizinbuddha-Praktiken
handelt, die normalerweise in der Kagyü-Tradition ausgeführt wird. Es gibt eine
sehr lange, eine mittellange und diese hier, welche die kurze Version ist. Wir
praktizieren diese, weil sie die kürzeste ist.
Frage: Welches tibetische Wort wird mit „rein“ übersetzt? Und hat dieses
tibetische Wort auch noch weitere Bedeutungen?
Übersetzer: Takpa.
Frage: Wird es immer mit „rein“ übersetzt?
Übersetzer: Von mir, ja. Viele Menschen handhaben viele verschiedene Dinge
unterschiedlich; ich kann also nicht garantieren, dass andere es auch „rein“
übersetzen.
Frage: Vielleicht könnte Rinpoche uns etwas über die Bedeutung dieses Wortes
sagen.
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Rinpoche: Ihr könnt an Synonyme für „rein“ denken, wie „frei sein von
Unreinheit“, welches – etwas weiter ausgeholt – soviel wie „frei von Mängel“ oder
„frei von Unvollkommenheit sein“ bedeutet. Es weist auf das hin, was makellos,
vollkommen, lupenrein u.s.w. ist.
Frage: Rinpoche, hat das Licht, das aus den östlichen Buddhaländern ausstrahlt
eine bestimmte Bedeutung?
Rinpoche: In den Sutren des Medizinbuddha beschrieb Buddha die Bereiche –
sowohl den Hauptbereich des Hauptaspekts, wie auch jene der Buddhas, die ihn
begleiten -, als alle im Osten angesiedelt.
Frage: Wenn wir uns vorstellen, dass Licht ins Universum ausstrahlt, beinhaltet
dies dann alles? Auch Berge, Bäume, Stühle und Gebäude?
Übersetzer: Wann? Während der Erzeugung der Gottheit, oder während des
Rezitierens des Mantras?
Frage: Während der Mantra-Rezitation.
Rinpoche: Ok. Bevor wir die Gottheit erzeugen, reinigt ihr zunächst eure
Vorstellung des gesamten Universums, indem ihr euch vorstellt, dass sich alles in
die Leerheit auflöst. Theoretisch endet ab diesem Punkt alle Unreinheit. Aber
während ihr das Hauptmantra wiederholt, könnt ihr diese Reinigung erneuern,
indem ihr noch einmal an alle unreinen Erscheinungen denkt, und diese mit den
Lichtstrahlen, die aus dem Herzen der Gottheit ausströmen, reinigt.
63
Die Medizinbuddha-Sadhana
Heute Morgen haben wir die Visualisation von uns selbst als Medizinbuddha,
die Visualisation des Medizinbuddha im Raum vor uns, und schließlich die
Auflösung der gegenwärtigen Weisheitsgottheiten in die Selbst-Visualisation
und die Visaulisation vor uns – als ein Heilmittel gegen die gewohnheitsmäßige
Wahrnehmung der Dinge als unrein oder gewöhnlich – besprochen.
Nachdem wir die Weisheitsgottheiten in uns selbst und die Visualisation vor uns
aufgelöst haben – als Heilmittel gegen die eigenen Verdunkelungen, die eigenen
Vergehen, und die eigene Begriffsbildung -, erhalten wir die Ermächtigung.
dargestellt.
Der erste Teil dieses Mantras – OM HUM TRAM HRI AH – steht für die
gleichzeitige Erteilung der Ermächtigung durch die fünf Buddhas.
OM steht für Vairocana; HUM für Akshobya; TRAM für Ratnasambhava; HRI
für Amitabha, und AH für Amogasiddhi.
64
[Anm. d. Hg.: Wenn Vairocana in sitzender, ruhender Körperhaltung dargestellt wird, ist er weiß, und seine
Hände sind in der Mudra der Belehrung [Anm. d. Ü.: diese Mudra heißt Dharmachakra]; Akshobya ist blau,
seine linke Hand in der Mudra der Meditation, und seine rechte Hand berührt die Erde [Anm. d. Ü.: diese
Mudra heißt Bhumisparsa, was übersetzt bedeutet: Mudra des Zeugnisses. Diese Geste `des Berührens der
Erde`oder `des Anrufens der Erde als Zeugin` erinnert an den Sieg Buddha Shakyamunis über den Dämon
Mara]; Ratnasambhava ist von gelber Farbe, seine linke Hand in der Mudra der Meditation und seine rechte
Hand in der Mudra der Großzügigkeit [Anm. d. Ü.: Varada]; Amitabha ist rot, mit beiden Händen in der
Mudra der Meditation [Anm. d. Ü.: auch Dhyana Mudra, Samashi- oder Yoga Mudra genannt]; Amogasiddhi
ist von grüner Farbe, seine linke Hand in der Mudra der Meditation, und seine rechte Hand in der Mudra
der Furchtlosigkeit oder des Beschützens [Anm. d. Ü.: auch Abhaya Mudra genannt].]
Während ihr euch vorstellt, wie dieser Ambrosia euren gesamten Körper
auffüllt, denkt ihr, dass dadurch alle Vergehen, Verdunkelungen und
Verunreinigungen jeder Art – von Körper, Rede und Geist – gereinigt werden.
Abhikentza bedeutet Ermächtigung.
Der nächste Teil der Praxis ist das Ansammeln von Verdienst durch Darbringen
von Opferungsgaben.
Wie schon an früherer Stelle erwähnt, bringt die Selbst-Visualisation der
Visualisation im Raum Opferungsgaben dar. Lichtstrahlen gehen vom Herzen des
Medizinbuddha der Selbst-Visualisation aus. An den Enden dieser Lichtstrahlen
befinden sich Opferunggöttinnen, die verschiedenen Opferungssubstanzen
halten, welche sie allen Gottheiten der Visualisation im Raum schenken.
HUNG
Blumen, Räucherwerk, Licht, parfümiertes Wasser,
Nahrung, Musik u.s.w.,
Formen, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Empfindungen, und Dharmas
bringe ich den Gottheiten als Opferungen dar.
Mögen wir die zwei Ansammlungen vollenden.
65
Sinne wahrgenommen werden, geopfert. Dies sind die schönen Formen,
angenehmen Klänge, Gerüche, Geschmäcke und sinnlichen Empfindungen.
An diesem Punkt würden bei den meisten Vajrayana-Praktiken auf die äußeren
Opferungen die inneren, geheimen und letztendlichen Opferungen folgen. Die
inneren Opferungsgaben sind im allgemeinen ein paar Torma. Torma werden in
diesem Zusammenhang mit den inneren Opferungen in Verbindung gebracht, weil
eine Darbringung von ihnen ein Weg ist, um euren Samadhi zu verstärken, eure
meditative Versenkung, welche ein inwendiges Phänomen ist.
Die geheime Opferung ist die Darbringung der Einheit von Glückseligkeit und
Leerheit, welche geopfert wird, um das Erkennen dieser Einheit im
Praktizierenden hervorzurufen oder zu festigen.
In gleicher Weise wird die letztendliche Opferung, das Opfern des Erkennens
der letztendlichen Natur selbst, dargebracht, um diese Erkenntnis im
Praktizierenden zu festigen.
Diese Opferungen werden hier nicht durchgeführt, weil diese Praxis, der
Vajrayana-Tradition angehörend, dem Stil der Sutras folgend, ausgerichtet ist.
Deshalb werden die Opferungen die folgen, gewöhnlich so dargebracht, wie sie in
den Sutras selbst dargestellt sind.
66
Die nächsten zwei Gruppen von Opferungsgaben sind die acht wichtigsten
glückverheißenden Substanzen und die acht ausgezeichneten glückverheißenden
Zeichen.
HUNG
Die acht wichtigsten glückverheißenden Substanzen,
wie die hervorragenden weißen Senfsamen, u.s.w.
bringe ich den Gottheiten dar.
Mögen die zwei Ansammlungen vollendet werden.
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Die nächste Gruppe von Opferungsgaben sind die acht glüchverheißenden
Zeichen.
HUNG
Die acht ausgezeichneten glückverheißenden Symbole,
wie die unvergleichliche Vase von Erhabener Erlesenheit und alle anderen,
bringe ich der Gottheit dar.
Mögen die fühlenden Wesen die zwei Ansammlungen vollenden.
Die nächste Opferung besteht aus dem Darbringen der sieben kostbaren
Symbole, welche sieben Besitztümer darstellen, die einzigartig für einen
bestimmten Typ von Herrscher, Chakravartin genannt, sind. [Anm. d. Hg.: Diese sieben
„Zeichen der Herrschaft“ oder sieben „Besitztümer“ mögen einem, in dualistischer Vorstellung Gefangenem,
als solche – als Zeichen oder Besitztümer – erscheinen, der alles als „ich und mein“, „sie und ihr“, „er und
sein“ etc betrachtet, aber sie sind leichter verständlich, wenn man sich mehr an die wörtliche Bedeutung
der hier verwendeten tibetischen Wörter „död yön“ hält. Död bedeutet erstrebenswert, und yön heißt
Qualität, Fertigkeit oder Eigenschaft. Wenn man diese sieben „Was auch immer“ als sieben Qualitäten
oder Eigenschaften des Geistes eines Chakravartin versteht – egal ob ein Chakravartin als männlich oder
weiblich gedacht wird -, ist es leichter zu verstehen, dass diese Zeichen oder Besitztümer, wenn man sie als
äußere Phänomene ansieht, natürlich und mühelos und ohne weiteren Zwang in seinem oder ihrem Mandala
erscheinen. Ohne dieses Verständnis könnte die Idee von einer kostbaren Königin, als nichts anderes als ein
Aspekt eines androzentrischen [Anm. d. Ü.: androzentrisch bedeutet „aus der Sicht der Männer“]
68
Universums, entstehen. Dieses Missverständnis wird dadurch weiter untergraben, dass man sie als Aspekt
des Weges versteht, wie Rinpoche erklärt.]
HUNG
Die besonders erstrebenswerten Qualitäten,
die sieben kostbaren Symbole,
die hervorragendsten herrschaftlichen Zeichen, wie das
Juwel von Erhabener Erlesenheit u.s.w.,
bringe ich den Gottheiten dar.
Möge ich die zwei Ansammlungen vollenden.
HUNG
Den mächtigsten aller Berge, Berg Meru,
mit den vier ihn umgebenden Kontinenten und
den entsprechenden Subkontinenten,
bringe ich den Gottheiten dar.
Mögen die zwei Ansammlungen vollkommen vollendet werden.
69
Wir machen dies nicht zum Nutzen der Buddhas und Bodhisattvas, welche deren
vordergründigen Empfänger sind. Buddhas und Bodhisattvas sind nicht etwa
zufriedener durch das Darbringen von Opferungsgaben, noch verärgert durch
deren Fehlen. Der einzig wahre Grund für das Darbringen von Opferungen ist
der, dass die Person, die dies tut, dadurch Verdienst ansammelt. Wir machen
dies zu unserem eigenen Nutzen, und das was daran wichtig ist, ist, wie uns
dieser Nutzen beeinflusst. [Anm. d. Hg.: Und, etwas weiter gefasst, ist es zum Nutzen aller
Lebewesen. Aus Sicht der Vajrayana-Praxis, welche in dem Wunsch wurzelt, Buddhaschaft zu erlangen um
alle fühlenden Wesen zu befreien, entspricht das Mandala von Körper, Rede und Geist des Yogi oder der
Yogini der Gesamtheit der belebten und unbelebten Existenz, und was auch immer eines davon günstig
beeinflusst, beeinflusst auch alles andere günstig. Speziell Opferungsgaben werden als Gegenmittel für
Begehren und Anhaftung, und das Haften an einem Selbst, das allen Verdunkelungen zugrunde liegt.
Wenn man damit fortfährt, diese Opferungen erleuchteten Objekten der Zuflucht darzubringen, beginnt
sich ein Verständnis und dann die direkte Erfahrung von Leerheit, oder einem Fehlen von innewohnender
Existenz all dessen, woran man gehangen hat, zu entwickeln; und das eigenen Begehren und die Anhaftung
und das Haften an einem Selbst beginnen sich aufzulösen, und ermöglichen so, dass sich die Weisheit des
unterscheidenden Bewusstseins erhebt; die erkennbare, sich selbst befreiende, kaleidoskopische
Sichtweise dessen, was bloße, gegenseitig voneinander abhängige Erscheinungen der klaren, lichten Natur
des Geistes sind, wie auch dem offensichtlichen Segen, der allen Wesen nutzt. Man bringt keine
Opferungsgaben dar, um ein besserer Mensch zu werden; vom Ursprung her ist man bereits ein guter
Mensch. Man bringt Opferungsgaben dar, um die Wahrheit der Wirklichkeit oder die Wahrheit der Dinge
zu entdecken, und um auf profunde Effektivität zugreifen zu können, um anderen helfen zu können, die sich
auf der Reise befinden.]
Opfergaben sind nicht auf das begrenzt, was ihr tatsächlich an physischen
Opferungssubstanzen zusammentragen könnt. Opferungen können aus
tatsächlich angesammelten, geistig erzeugten oder durch die Kraft der Wünsche
produzierten Opferungen bestehen.
Tatsächlich angesammelte Opferungsgaben sind physisch anwesend und unter
eurer Macht, dargebracht zu werden.
Geistig erzeugte Opferungsgaben sind solche, die ihr euch vorstellt, die ihr nicht
wirklich als körperlich gegenwärtig vor euch habt, die ihr euch aber deutlich
genug vorstellen könnt, um in eurem Geist dargebracht werden zu können.
Die durch die Kraft der Wünsche darzubringenden Opferungsgaben sind Dinge,
die so gewaltig und grenzenlos sind, dass ihr sie nicht einmal in eurem Geist
fassen oder euch vorstellen könnt, aber ihr könnt euch wenigstens wünschen, sie
den Buddhas und Bodhisattvas als Opferungen darzubringen.
Es heißt, dass alle drei Arten von Opferungsgaben es ermöglichen, Verdienst
anzusammeln. Wir verwenden das Darbringen des gesamten Universums als
Mandala, weil seine unermessliche Weite großen Verdienst hervorbringt.
Speziell erwähnt werden der zentrale Berg, Berg Meru, zusammen mit den
Kontinenten, die ihn umgeben. Dieser, zusammen mit allem, was dazu gehört,
bildet das Mandala, welches als Hauptgabe unter den Opferungsgaben angesehen
wird.
Im Detail besteht die Opfergabe aus dem Berg Meru, welcher auf seiner Spitze
den zweiten der begehrenden Götter-Bereiche beherbergt, genannt „der
70
Himmel“ oder „Götter-Bereich der 33“. Den Berg Meru umgeben sieben
konzentrische Ringe [Anm. d. Hg.: Diese werden für gewöhnlich als „konzentrische Quadrate“
dargestellt.] von goldenen Bergen, zwischen denen sich Seen befinden.
In diesen sieben goldenen Bergen und auf deren Seen leben die Götter des
ersten Bereichs der begehrenden Götter, und die vier großen Könige – die selben
vier Könige, die die Hüter im Mandala des Medizinbuddha darstellen. Wenn ihr
also Berg Meru darbringt, denkt ihr auch, dass ihr all den Reichtum dieses
Götter-Bereichs opfert. Außerhalb dieser sieben goldenen Berge befinden sich
die vier Hauptkontinente mit ihren acht Subkontinenten, welche den Wohnort
der Menschen darstellen – all diese Reichtümer, Besitztümer, die Pracht und
Schönheit dessen opfert ihr auch. Kurz gesagt opfert ihr die Welt, in der Tat
das ganze Universum, und alles, was es enthält, all den Gottheiten, und ihr äußert
den Wunsch, dass ihr durch diese Opferungen die zwei Ansammlungen vollendet,
und dass ihr und die ganze Welt frei von Krankheit sein möget.
Die nächste Opferung ist das Darbringen der Waschungen – das Waschen der
Körper der Gottheiten.
Die wird getan, um eine glückverheißende Basis zu schaffen, um die eigenen
Vergehen, Verdunkelungen und Verunreinigungen – die betrübenden
Verdunkelungen und die Verdunkelungen der Wahrnehmung – zu beseitigen.
HUNG
Obwohl die Gottheit makellos ist,
wasche ich den Körper des Sugata
mit wohlriechend duftendem Wasser.
Dies erzeugt eine glückverheißende Verbindung, um alle
Fehlverhalten und Verdunkelungen zu reinigen.
Hier stellt ihr euch vor, wie aus dem Herzen des Medizinbuddha, der ihr seid,
Lichtstrahlen ausströmen. Am Ende jedes Lichtstrahls befinden sich
Opferungsgöttinnen, die kostbare, mit Ambrosia gefüllte, Vasen halten. Mit dem
Ambrosia aus diesen Vasen waschen sie die Körper des Hauptaspekts, der sieben
71
anderen Medizinbuddhas, der sechzehn Bodhisattvas, sowie all der anderen
Gottheiten des Mandalas.
Im Text heißt es: „Mit wohlriechend duftendem Wasser wasche ich den Körper
des Sugata; obwohl die Gottheit ohne Makel ist, erzeugt dies die
glückverheißende Basis, um alle Vergehen und Verdunkelungen zu reinigen.“
Diese Opferung der Waschung endet mit dem Mantra Om Sarwa Tathagata
Abikekate Samaya Shriye Hung. Sarwa bedeutet alle. Tathagata heißt
Tathagatas oder Buddhas. Und Abikekate bezieht sich auf diesen Prozess; auf
das, was in anderen Zusammenhängen Ermächtigung heißt, aber hier bedeutet es
Waschung. Durch diese Opferung nehmen der Ruhm und die Würde der
Gottheiten zu; deshalb steht hier das Wort Shriye, was glänzend, würdevoll oder
ruhmreich heißt.
Die nächste Opferung, die mit dem Waschen einhergeht, ist das Trocknen der
Körper der Gottheiten, welches durch visualisierte Opferungsgöttinnen
ausgeführt wird, die wohlriechende Handtücher aus feiner, weißer Baumwolle
halten.
HUNG
Mit einem wohlriechenden, weichen, weißen Tuch
trockne ich den Körper des Siegreichen.
Obwohl sein Körper makellos ist,
erzeugt dies eine glückverheißende Verbindung
für Befreiung von Leiden.
Ihr erklärt mit diesen beiden Strophen, dass ihr die Gottheiten nicht wascht
und abtrocknet, weil sie schmutzig sind, oder Mängel hätten, die es abzuwaschen
gilt u.s.w.; ihr trocknet die Körper der Gottheiten nach der Waschung, weil das
Trocknen die Verbindung herstellt zum Beseitigen des Leidens aller fühlenden
Wesen. Deshalb äußert ihr den Wunsch, dass die Leiden aller Wesen - speziell
die Leiden von körperlicher Krankheit und geistigem Leid – beseitigt werden
mögen. Kaya bishodhani heißt Reinigung des Körpers.
Als nächstes folgt die Opferung von Kleidern oder der Roben an die Gottheiten
des Mandalas.
HUNG
Obwohl Dein Körper nie Kälte verspürt,
kleide ich den Körper des Siegreichen
mit diesen wunderschönen safranfarbenen Gewändern.
72
Dies stellt die Verbindung für das Gedeihen von Lebenskraft her.
Nachdem sie gewaschen und abgetrocknet wurden, müssen wir ihnen als nächstes
angemessene Gewänder darbringen. Die Gewänder, sie in der ersten Zeile dieser
Strophe erwähnt werden, sind jene, die dem Medizinbuddha und den sieben
Buddhas seines Gefolges – von denen alle, seit sie sich in der höchsten
Nirmanakaya-Form manifestierten, nur schöne safranfarben rote und gelbe
Roben tragen, welche von Buddhas getragen werden – dargebracht werden.
Während die visualisierten Göttinnen die Roben darbringen, rezitiert ihr: „Mit
diesen kleide ich den Körper des Siegreichen.“ Wie bei den vorherigen
Opferungen bringt ihr dies nicht dar, weil der Medizinbuddha Gefahr läuft, zu
erfrieren, sondern um einen glückverheißenden Grundstein zu legen, um euch
selbst und anderen Nutzen zu bringen. Deshalb sagt ihr „Obwohl Dein Körper
niemals Kälte verspürt, schafft dies eine Basis für das Gedeihen von
Lebenskraft und körperlicher Pracht.“ Als Ergebnis dieser Opferung werden –
durch die Kraft eures Wunsches – Lebenskraft und körperliche Pracht
entstehen.
Obwohl im Text nicht extra erwähnt, sind die den Bodhisattvas dargebrachten
Gewänder ihren Erscheinungen [ihrer Sambhogakaya-Form] entsprechend:
elegante Seide, mit Schmuckstücken, gefertigt aus Gold und Juwelen, u.s.w.
Den Bodhisattvas werden die feinen Gewänder und Juwelen nicht dargebracht,
weil sie daran haften, sondern weil dieses Darbringen euch eine glückverheißende
Ausgangslage für die Zunahme von Lebenskraft schafft.
Das Wort vastra im Mantra bedeutet Roben, Gewänder oder Stoffe. Jeder
dieser Abschnitte – Waschung, Trocknen und das Opfern von Gewändern – hat
seine eigene besondere Bedeutung. Die grundlegende Bedeutung von allen dreien
wird in Verbindung mit der zweiten Bedeutung angezeigt, wo es heißt “Ich bringe
diese Opferungsgaben dar, um eine glückverheißende Basis zum Beseitigen von
Leiden zu schaffen.“
Der Grund, weshalb diese Opferungen dargebracht werden, ist der, dass ihr das
Leiden der Wesen beseitigen wollt, was hauptsächlich durch die
glückverheißende gegenseitige Interdependenz, mit der die zweite Opferung im
Zusammenhang steht, erlangt wird. Aber um das Leiden der Wesen beseitigen zu
können, müssen zuerst die Ursachen für Leiden, also die Fehlverhalten und
Verdunkelungen, beseitigt werden. Deshalb geht dem Trocknen die Waschung
voraus, die symbolische Funktion, durch die die Fehlverhalten und
Verdunkelungen aller Lebewesen gereinigt werden.
Schlussendlich wurde, nachdem das Leiden beseitigt wurde, Platz geschaffen für
einen Zustand geistigen und körperlichen Wohlbefindens – körperliche
73
Lebenskraft, Pracht und Gesundheit mit eingeschlossen -, sowie für einen
Zustand von Weisheit und Friede im Geist, was möglich wurde durch das Opfern
von Gewändern und Roben im dritten Teil.
HUNG
Dein Körper ist wie ein Lapislazulifarbener Berg.
Du vertreibst das Leiden der fühlenden Wesen durch Krankheit.
Du bist umgeben von einem Gefolge von acht Bodhisattvas.
Halter der Medizin, kostbare Gottheit,
dich preise ich und vor dir verbeuge ich mich.
Die erste Zeile preist die Erscheinung seines Körpers oder seiner Form: „Die
Farbe Deines Körpers ist wie ein Berg aus Lapis oder Vaidurya“, womit gesagt
wird, dass die Erscheinung seines Körpers wie eine makellose Masse eines blauen
Edelsteins, eines Lapis oder Vaidurya, ist, und wie Lichtstrahlen glänzt.
Die zweite Zeile preist seine Aktivität, indem gesagt wird „Du vertreibst das
Leiden durch Krankheit aller fühlenden Wesen.“
Leiden an Krankheit bezieht sich hier ausdrücklich auf das wörtliche Leiden
durch körperliche Krankheiten, aber auch auf die letztendlichen Auswirkung von
74
Krankheit, und das Leiden an Krankheit in Samsara selbst, welches der
Medizinbuddha auch vertreibt.
Nachdem ihr seine Erscheinung und Aktivität gepriesen habt, feiert ihr sein
Gefolge. Das Gefolge, auf das ihr euch hier im Text bezieht, ist aber nicht jenes
des Mandalas; hier bezieht ihr euch auf die acht großen Bodhisattvas, welche als
Beispiel für die Mahayana-Sangha dienen. Diese sind nicht die selben wie die
sechzehn Bodhisattvas des Mandalas; in Wirklichkeit sind nicht alle dieser acht
Hauptbodhisattvas unter jenen sechzehn, auch wenn manche davon dazuzählen.
Wenn wir allgemein über die Sangha sprechen, gibt es da die gewöhnliche Sangha
des kleinen Fahrzeugs und die erhabenere Sangha des Mahayana, welche aus
Bodhisattvas besteht. Diese werden durch die sogenannten acht nahen
Nachkommen des Buddha beispielhaft erläutert; die acht großen Bodhisattvas
wie z.B. Manjushri, Avalokiteshvara, Vajrapani, u.s.w. [Anm. d. Hg.: die anderen fünf sind
Kshitigarbha, Sarvanivaranavishkambhi, Akashagarbha, Maitreya und Samantabhadra.]
In der letzten Zeile sagt ihr „Ich ehre und preise jene Gottheit, welche die
kostbare Medizin hält“, welches eine andere Ausdrucksweise ist, um auf den
Medizinbuddha selbst Bezug zu nehmen.
Die zweite Strophe des Lobpreises ist das Preisen der drei Juwelen,
veranschaulicht durch die Buddhas, den Dharma und die Sangha, wie man sie im
Mandala vorfindet.
Die letzte Strophe stellt einen Lobpreis an die übrigen Gottheiten des Mandalas
und an alle anderen, die mit dem Mandala in Verbindung stehen, dar.
75
Brahma, Indra, die großen Könige, die Schützer der zehn Richtungen;
die zwölf Yaksha-Führer und all ihre Helfer;
Vidyadharas und Rishis der Medizin, göttliche und menschliche;
die Gottheiten der Ambrosiahaften Medizin
preise ich und verneige mich vor ihnen.
Zuerst werden Brahma und Indra erwähnt, welche zwei der zehn Schützer der
zehn Richtungen sind; und danach die vier großen Könige; die zwölf Yaksha-
Führer oder Generäle zusammen mit ihren jeweiligen Gefolgen; und
schlussendlich alle Halter des Wissens der Medizin und jene, die die Medizin
gemeistert haben, welche hier als Vidyadharas und Rishis der Medizin genannt
werden, und die sowohl im göttlichen und menschlichen Bereich angesiedelt sind.
Kurz gesagt lobt und preist ihr alle jene Gottheiten dieses Mandalas der
Ambrosiahaften Medizin.
Alle Phasen der Praxis, durch die wir heute gegangen sind – die Visualisation der
Körper der Gottheiten, die Auflösung der Weisheitsgottheiten in diese, die
Darstellung der Opferungsgaben und die Lobpreisungen der Gottheiten -, sind
Aspekte der Praxis der Erzeugungsphase.
Allgemein hat die Erzeugungsstufe einer Praxis drei Charakteristika: klare
Erscheinung oder Klarheit der Erscheinung, stabiler Stolz und die Erinnerung an
die Reinheit.
Mit klarer Erscheinung ist gemeint, dass ihr einfach eine klare und ausgeprägte
Visualisation dessen, was ihr visualisiert, habt. Egal ob ihr nur den
Medizinbuddha visualisiert, also euch selbst in Form des Medizinbuddhas und
den Medizinbuddha im Raum vor euch, oder zusätzlich noch die sieben anderen
Medizinbuddhas, die die Visualisation vor euch umgeben, oder zusätzlich die
Visualisation der sechzehn Bodhisattvas, oder zusätzlich dazu noch die
Visualisation des gesamten Mandalas mit den zehn Schützern und zwölf Führern
u.s.w., in jedem Fall bedeutet klare Erscheinung, dass die Erscheinung der
Gottheiten – die Farbe, die Form, die Verzierung und Gewänder und Roben, die
Zepter und die anderen Dinge, die sie in Händen halten – so zu visualisieren, dass
es eurem Geist möglich ist, stabil und ruhig zu verweilen, während
nichtsdestotrotz ein klares und lebhaftes Bild erzeugt wird.
Das zweite Merkmal der Erzeugungsstufe ist stabiler Stolz. Allgemein gilt
natürlich, dass Stolz etwas ist, wovon wir uns befreien wollen – er ist ein Klesha.
Aber hier wird mit dem Wort „Stolz“ etwas bezeichnet, das in den Vajrayana-
Praktiken absolut notwendig ist. Stolz bedeutet, frei von der falschen
Vorstellung zu sein, durch das Visualisieren von euch selbst als Medizinbuddha
oder durch die Visualisation des Medizinbuddha vor euch, vorzutäuschen, dass
die Dinge anders sind als sie sind. Als stabiler Stolz wird hier das Erkennen
genannt, dass ihr, obwohl ihr bewusst auf den Medizinbuddha meditiert, in
76
Wirklichkeit genau dieser seid. Es ist das Anerkennen, das ihr tatsächlich der
Medizinbuddha seid. Im Fall des Visualisation vor euch ist es das Anerkennen
oder Begreifen, dass die Visualisation vor euch die tatsächliche Gegenwart des
Medizinbuddha vor euch ist. Somit bezeichnet stabiler Stolz die Haltung von
Zuversicht, Vertrauen und Glaube. Es ist wichtig zu verstehen und zu erkennen,
dass die „Idee“ der Selbst-Visualisation und der Visualisation vor euch nicht bloß
erfundene Bilder sind; dass ihr nicht vorgebt, dass Dinge anders sind, als sie
sind. Wenn ihr den Gottheiten die – zugegebenermaßen mental erzeugten –
Opferungsgaben darbringt, solltet ihr daran denken, das diese Opferungen
tatsächlich stattfinden. Durch das Darbringen dieser Opferungsgaben sammelt
ihr tatsächlich Verdienst an. Je nach Ausmaß eures Vertrauens in die Gültigkeit
und Richtigkeit dieser Praxis werdet ihr entsprechende Freude an ihr, Vertrauen
in sie und Nutzen durch sie erfahren.
Das dritte Merkmal der Erzeugungsstufe ist die Erinnerung an die Reinheit. Dies
hat mehrere Bedeutungen. Am offensichtlichsten bedeutet es die Erinnerung
daran, dass die Formen der Gottheiten wunderschön und großartig sind, dass die
Gottheiten keine unerfreuliche Erscheinung sind, dass sie nicht in einer
seltsamen oder unpassenden Form erscheinen; dass sie in jeder Hinsicht
wunderschön und angenehm sind. Aber darüber hinaus ist es auch die Erinnerung
daran, dass die Natur der Form der Gottheit die Verkörperung der Weisheit der
Gottheit darstellt.
Die Körper der Gottheiten sind nicht aus Fleisch und Blut – plumpe Körper wie
die unseren -, noch sind sie leblose, feste Objekte aus Erde und Stein oder Holz
gemacht gedacht. Sie sind die reine Verkörperung der Weisheit, was bedeutet,
dass sie der Ausdruck von Leerheit in Form einer klaren, lebendigen Erscheinung
sind. Praktisch gesprochen solltet ihr sie in eurer Visualisation also als eine
lebendige Erscheinung sehen – in lebhaften Farben, mit Ornamenten, Zepter
u.s.w. -, welche trotz allem ohne jegliche grobe Wirklichkeit existieren. Ihre
Erscheinung ist leuchtend und lebendig, aber nicht-substantiell; wie die eines
Regenbogens. Die grundlegende Aussage dieses dritten Punktes ist die, dass die
Gottheiten die Verkörperung in Form von Weisheit sind, und ihre Form daher in
keinster Weise samsarisch ist – sie ist nicht durch samsarische Ursachen und
Bedingungen entstanden.
Für diesen Nachmittag hören wir hier auf und schließen mit der Widmung des
Verdienstes. Wenn ihr die Widmung des Verdienstes durchführt denkt bitte
daran, dass ihr den Verdienst dieser Sitzung dem Erwachen aller Wesen widmet,
und speziell – kurzfristig gesehen – dem Freisein dieser Welt von allen Formen
von Krankheit.
77
Die Medizinbuddha-Sadhana
Ich möchte damit beginnen euch allen einen guten Morgen zu wünschen. Wie ihr
sicherlich bereits bemerkt habt, fange ich Belehrungen mit der Kurzform des
Liniengebets an, welches mit den Worten „Ich bete zum großen Vajradhara“
beginnt. [Anm. d. Ü.: ich habe die deutsche Übersetzung davon im Anhang beigefügt.] Wir
verwenden dieses Gebet, weil es das am häufigsten praktizierte der Kagyü-
Tradition und der Kagyü-Praktizierenden ist. Es wurde von Pengar Jampal
Zangpo, einem früheren Schüler des VI. Gyalwang Karmapa, Thongwa Dönden,
und späteren Wurzellama des VII. Gyalwang Karmapas, Chödrak Gyamtso,
verfasst. Nachdem Pengar Jampal Zangpo vom VI. Gyalwang Karmapa
Anweisungen erhalten hatte, ging er zum „Himmel-See“, in Nordtibet, um zu
praktizieren. In der Mitte dieses Sees gab es ein Insel, Semodo genannt, und
auf dieser Insel gab es einen Berg mit einer Höhle. In dieser Höhle – in
äußerster Abgeschiedenheit – praktizierte er achtzehn Jahre lang. Sie liegt
deshalb in vollkommener Abgeschiedenheit, weil es sehr schwierig ist, zu dieser
Insel zu gelangen – außer zur Winterzeit. So praktizierte er achtzehn Jahre in
völliger Isolation und entwickelte die außerordentliche Verwirklichung von
Mahamudra. Dieses Liniengebet, welches er nach der Zeit dieses Retreats
verfasste, wird als ein Gebet angesehen, welches die Essenz und den Segen
seiner Realisation enthält, und deshalb verwenden wir es. Wenn ihr es also singt,
dann tut dies bitte mit Vertrauen und Hingabe.
[Rinpoche und die Studenten rezitieren das Liniengebet.]
Bevor wir die Rezitation des Mantras besprechen, möchte ich gerne noch etwas
zu den gestern erwähnten Opferungsgaben sagen.
Während unserer Diskussion über die acht glückverheißenden Substanzen habe
ich die Muschelschale und das Durva-Gras erwähnt, aber ich möchte gerne den
Ursprung für das Glück, das die Substanzen verheißen, anhand jeder einzelnen
Substanz im Detail besprechen.
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Unverzüglich nach seiner Erleuchtung realisierte Buddha, dass er, obwohl er
selbst die Natur der Dinge, Dharmata – welches tiefgreifend, ruhig und jenseits
aller Darstellung ist -, vollkommen und restlos erkannt hatte, an seinem Versuch,
sie anderen zu beschreiben, scheitern würde, weil sie unfähig sein würden es zu
verstehen. So beschloss er in Samadhi zu verbleiben, ganz alleine im Wald.
Nachdem er für 49 Tage in Samadhi verweilt hatte, erschien Gott Indra, eine
Ausstrahlung eines Bodhisattvas, vor ihm, und brachte ihm eine weiße
Muschelschale, deren Spirale rechtsdrehend verlief, als Opferungsgabe dar, um
Buddha zu ermutigen zu lehren. Als Reaktion auf diese erste Opferungsgabe
beschloss Buddha, das Dharmachakra zu drehen, also den Dharma zu lehren.
Die dritte Substanz ist das Durva-Gras, welches Buddha vom Rasenschneider
und –verkäufer Tashi (Tashi bedeutet übrigens „glückverheißend“) kurz vor
seiner Erleuchtung dargebracht wurde, und aus dem er jenen Matten-ähnlichen
Sitz formte, auf dem sitzend er dann Erleuchtung erlangte.
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Die vierte glückverheißende Substanz ist Zinnober.
Der Ursprung für das Glück, das Zinnober mit sich bringt, ist folgender: als
Buddha auf dem Weg zu Erleuchtung war, oder kurz vor der Erleuchtung stand,
erschien Mara, der verschiedene Arten von unangenehmen, magischen
Schaustellungen vorführte, um Buddha zu behindern; schlussendlich provozierte
er ihn auch noch, indem er sagte: „Du kannst die Erleuchtung nicht erlangen; du
kannst es nicht.“ Worauf Buddha antwortete „Doch, ich kann es, weil ich über
drei Perioden von unzähligen Äonen die zwei Ansammlungen vollendet habe.“ Dann
sagte Mara: „Gut. Aber wer ist dein Zeuge dafür? Wen kannst du vorweisen, der
dies bezeugen kann?“ – darauf reagierte Buddha, indem er seine rechte Hand
über sein rechtes Knie hinunter hielt und die Erde berührte. Aus dem Erdboden
erschien daraufhin die Göttin der Erde, brachte Buddha Zinnober dar, und
sagte: „Ich diene als Zeugin dafür, dass er über besagte drei Perioden von
zahllosen Äonen die zwei Ansammlungen vollendet hat.“
Die siebente Substanz wird Givam genannt, eine medizinische Substanz, welche
vom Elefanten stammt – möglicherweise aus der Gallenblase des Elefanten. Sie
ist deswegen glückverheißend, weil sie an ein Ereignis lange vor Buddhas
Erleuchtung erinnert, als Buddhas Cousin, Devadata – der immer versucht hatte
Buddha zu töten oder ihn irgendwie zu verletzen; der dies über mehrere Leben
lang versucht hatte, weil er so eifersüchtig auf Buddha war -, schließlich
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versuchte, Buddha zu ermorden, indem er einen tobenden Elefanten auf Buddha
losließ. Buddha ließ zehn Löwen aus seinen zehn Fingern hervorgehen, welche den
Elefanten zum Stillstand brachten. Der Elefant verneigte sich daraufhin vor
Buddha und opferte sich selbst [seinen ganzen Körper] dem Buddha. Da Givam,
was eine sehr wirksame Medizin ist, aus dem Körper eines Elefanten stammt,
erinnert es an das Ereignis, da Buddha die Aggression eines wütenden Elefantens
besiegt hatte.
Die achte glückverheißende Substanz sind weiße Senfsamen, die Buddha von
Vajrapani an einem der fünfzehn Tage, an denen Buddha Wunder vollbrachte,
dargebracht wurden. Während Buddha lebte, gab es eine Zeit, zu der es sechs
herausragende nicht-buddhistische, religiöse Lehrer in Indien gab. Einmal
versammelten sie sich und versuchten Buddha in Verruf zu bringen; sie
forderten ihn zu einem Wettstreit in Wundern auf. Buddha nahm diese
Herausforderung an, und der Wettbewerb fand zu Beginn dessen statt, was
heute der erste Monat des tibetischen und asiatischen Kalenders ist. [Anm. d. Hg.:
Dies ist deswegen eine interessante Geschichte, weil Buddha tatsächlich angenommen und dann dieses
Ereignis viele Male hinausgeschoben hatte, bevor er die Herausforderung schlussendlich doch angenommen
Buddhas
hat. Für weitere Beschreibungen dazu siehe Thich Nhat Hanh`s Old Path White Clouds.]
Vorführung der Wunder ereignete sich vom ersten bis fünfzehnten Tag des
ersten Mondmonats. Während der ersten acht Tage waren die sechs anderen
konkurrierenden religiösen Lehrer noch anwesend, aber am achten Tag
erschreckte sie Buddha in folgender Weise: von Buddhas Thron trat der
Bodhisattva Vajrapani, begleitet von fünf furchterregenden Rakshasas, heraus.
Als die sechs Tritika-Lehrer dies sahen, rannten sie so schnell sie konnten davon
und kamen nicht zurück.
Während der verbleibenden Woche vollführte Buddha alleine Wunder, ohne
seine Mitbewerber. Als Vajrapani aus Buddhas Thron hervorgetreten war,
brachte er Buddha weiße Senfsamen dar, welche seither an dieses Ereignis
erinnern.
Die zweite Gruppe von Opferungsgaben sind die acht glückverheißenden Zeichen.
[Anm. d. Hg.: Allgemein bezieht man sich auf diese als die acht glückverheißenden Symbole.] Die
Zeichen oder Formen dieser Gegenstände ähneln den Formen von bestimmten
Teilen von Buddhas Körper, und dienen deshalb als Symbole des Buddhadharma.
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Das erste davon, welches ich schon gestern erwähnt habe, ist der Schirm. Die
runde Form des Schirms ist wie die wunderschöne runde Form von Buddhas Kopf.
Das zweite Zeichen oder Symbol sind die glückverheißenden Fische. Die Form
der Fische steht für die Form der Augen des Medizinbuddha, wenn er seine
Augen in Meditationshaltung halb geschlossen hält.
Das dritte ist die glückverheißende Vase, die für Buddhas Hals steht. Einerseits
wegen der Form seines Halses, andererseits aber auch, weil aus der Kehle des
Buddha der heilige Dharma heraustrat, welcher ähnlich wie Ambrosia aus einer
kostbaren Vase alle Bedürfnisse der Wesen befriedigend, den Durst in Samsara
stillt, Leiden beseitigt, Freude bringt und unerschöpflich ist.
Das vierte Symbol ist die glückverheißende Muschelschale, die für die Rede des
Buddha steht. Die Muschel wird als Musikinstrument verwendet, sowie als Horn,
um Menschen in großer Entfernung zu rufen. Sie ist bekannt dafür, einen
überwältigenden und klaren Klang zu haben. In gleicher Weise ist auch Buddhas
Rede immer von angebrachter Lautstärke und Wohlklang. Wenn man nahe bei
Buddha sitzt, klingt seine Sprache nicht zu laut, aber wenn man sehr weit von
ihm entfernt sitzt, kann man ihn immer noch hören.
Das sechste ist der ruhmreiche Knoten [Anm. d. Hg.: er wird auch manchmal endloser Knoten
oder Knoten der Ewigkeit genannt], welcher Buddhas Herz oder Geist symbolisiert. Dies
bedeutet nicht, dass er das Zeichen des ruhmreichen Knotens wirklich auf seiner
Brust trägt. Es bedeutet, dass sein Geist oder sein Herz um alles weiß,
vollkommen und klar, ohne jegliche Begrenzung.
Das siebente Zeichen ist der Lotus, der für die Zunge des Buddha steht, welche
geschmeidig, weich und schlank ist. Mit ihr kann er deutlich sprechen. Alles was
er sagen will drückt er in perfekter Ausdrucksweise aus; seine Zunge und sein
Speichel verfeinern auch den Geschmack aller Speisen.
Das achte Symbol ist das glückverheißende Rad, welches tatsächlich auf Buddhas
Fußsohlen zu finden ist; als Bildnis eines goldenen Rades. Es steht für sein
Drehen des Dharmarades, das Mittel, wodurch die Wesen befreit werden. [Anm. d.
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Hg.: Der Ausgangspunkt für diese Beschreibung ist Buddha Shakyamuni, aber man sollte verstehen, dass
diese Attribute bei allen männlichen und weiblichen Buddhas auftreten.]
Weil diese acht Zeichen Bilder sind, die auf natürliche Weise auf dem Körper
eines Buddha zu Tage treten, oder bestimmten Qualitäten eines Buddha
gleichen, sind sie selbst zu Verkörperungen von Glück und von Göttinnen
geworden. Deswegen glaubt man auch, dass es Glück bringt sie zuhause
aufzubewahren, oder sie am Körper zu tragen. In dieser Sadhana opfern wir sie,
und durch das Darbringen können wir großen Verdienst ansammeln, wodurch
unheilvolle Umstände, welche den Praktizierenden und generell alle Wesen an der
Dharma-Praxis hindern, abgewehrt werden.
Die dritte Gruppe von Opferungsgaben in diesem Teil der Praxis sind die sieben
Zeichen der Herrschaft, welche wörtlich gesprochen Dinge sind [und Arten von
Tieren und Menschen], die man immer im Gefolge eines Chakravartin, eines
Monarchen, der die ganze Welt oder das gesamte Universum regiert, findet.
Wie ich gestern schon erwähnt habe, entsprechen sie ursprünglich den sieben
Gliedern des Weges zur Erleuchtung, welches die sieben Qualitäten sind, die alle
Buddhas und Bodhisattvas als mitwirkenden Umstand für ihr Erlangen der
Erleuchtung besitzen.
Das erste der sieben Zeichen der Herrschaft ist der kostbare Juwel, welcher
der Tugend von Vertrauen entspricht. Ein Bodhisattva muss im Überfluss
vorhandenes Vertrauen besitzen, welches als Nährboden dient, auf dem sich alle
guten Eigenschaften entwickeln können. Dies bedeutet, dass, wenn man
Vertrauen hat, alle anderen Qualitäten, wie meditatives Gleichgewicht, Eifer,
Einsicht in die Bedeutung des Dharma u.s.w., auf jeden Fall entstehen werden,
und auf deren Basis man fähig wird, alles, was transzendiert oder fallengelassen
werden muss, auszurotten.
Der zweite Zweig zur Erleuchtung ist Wissen oder Einsicht, Prajna. Von den
sieben Zeichen der Herrschaft entspricht dem Wissen das kostbare Rad,
welches den Chakravartin befähigt, gegen jede Art von Invasion oder Krieg
siegreich zu bestehen. In der selben Weise ist es Wissen oder Prajna, das einen
befähigt, die Kleshas und Verblendung zu besiegen. [Anm. d. Hg.: Es ist wichtig zu
verstehen, dass der Ausdruck Prajna einerseits den Gedanken von Wissen, Weisheit und ursprünglichem
Bewusstsein oder transzandentalem Bewusstsein – die höchste Form von Prajna – beinhaltet. Weltliches
Wissen – um Medizin, Literatur, Geschäftsmanagement, Ökonomie oder Anthropologie – ist eine Form von
Prajna. Wissen um die Lehren des Buddha oder anderer erleuchteter Wesen ist spirituelles Prajna. Beide,
weltliches und spirituelles Prajna, basieren auf dem Erwerb von Information, und obwohl sie einen
großartigen praktischen Nutzen haben, werden sie einen nicht durch sie selbst von den Ursachen für Leiden
befreien. Nur die höchste Form von Prajna, Jnana – ursprünglichstes Bewusstsein, welches von
Überlagerung von Wahrnehmer und Wahrgenommenem befreit ist -, wird einen von den Ursachen für Leiden
befreien.]
83
Das dritte Glied zur Erleuchtung ist Samadhi (meditative Versenkung), welcher
als notwendiger Boden für Wissen oder Prajna dient. Wenn Prajna in Samadhi
wurzelt, ist es stabil, ruhig, nachhaltig und angebracht oder richtig. Wenn es
nicht in Samadhi verankert ist, dann ist Prajna sozusagen auf dem Holzweg; es
wird fehlerhaft und läuft irre, und wird so eher zu einem Problem als zu einem
Nutzen.
Das dritte Zeichen der Herrschaft ist die Gefährtin des Herrschers. Die
Gefährtin dient dazu, den Herrscher auf dem richtigen Weg zu halten, und um
den Herrscher zu beruhigen und zu zähmen. Deshalb entspricht die Gefährtin
dem Samadhi.
Das vierte Glied zur Erleuchtung ist Freude, die aus der richtigen Gegenwart und
Anwendung von Samadhi und Prajna entsteht. Freude bezieht sich hier z.B. auf
die Freude, die beim Erlangen der ersten Bodhisattva-Ebene entsteht, welche
die absolut Freudvolle genannt wird. Von den sieben Zeichen der Herrschaft
entspricht Freude dem kostbaren Minister. In den meisten Aufzählungen erteilt
dieser Minister dem Herrscher weise Ratschläge und begünstigt dadurch
Freude. Manchmal wird er auch kostbarer Haushaltsvorstand genannt, welcher
die Person ist, die dem Herrscher angemessene Ratschläge erteilt.
Das fünfte Glied in der Kette zu Erleuchtung ist Eifer, und dieser entspricht
dem kostbaren, vortrefflichen Pferd. Genauso wie ein vortreffliches Pferd dem
Herrscher ermöglicht zu reisen, wohin er auch immer in schnellem Galopp zu
gelangen wünscht, in der selben Weise ermöglicht der Besitz von Eifer es dem
Bodhisattva, die Qualitäten von Samadhi und Prajna zu kultivieren, und durch das
Arbeiten an ihnen, die Kleshas auszurotten und alle positiven Eigenschaften zu
vermehren.
Das siebente und letzte Glied zur Erleuchtung ist Gleichmut. Ein Geisteszustand,
in dem ein Bodhisattva frei ist von Leiden durch Anhaftung an einige Dinge und
Ablehnung gegenüber anderen Dingen. Durch die Fähigkeit des Gleichmuts
überwindet ein Bodhisattva die Kriegsführung der Kleshas. Von den sieben
Zeichen der Herrschaft wird er durch den kostbaren General repräsentiert, weil
der kostbare General alle Angriffe und Aggressionen überwindet.
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Dies sind also die sieben Zeichen der Herrschaft, die als Symbole der sieben
Glieder oder Umstände zur Erleuchtung geopfert werden. Äußerlich opfert ihr
symbolisch die sieben Zeichen der Herrschaft, aber innerlich bringt ihr die
sieben Glieder der Erleuchtung dar. Das Darbringen der sieben Glieder der
Erleuchtung bedeutet die Kultivierung dieser Tugenden in einem selbst. Durch
dieses Kultivieren in einem selbst betritt man den wahren und authentischen
Pfad, der zu Erleuchtung führt, welches das Erfreulichste von allen Dingen für
alle Buddhas und Bodhisattvas ist.
Das Kultivieren dieser und anderer Tugenden ist das letztendliche oder wahre
Opfer an die Buddhas und Bodhisattvas, welches der Grund ist, warum sie hier
dargebracht werden.
Als nächstes kommen wir zur Visualisation, die die Rezitation des Mantras
begleitet. Im Text wird gesagt, dass man im Zentrum des Herzens von einem
selbst als Medizinbuddha und im Herzen der Visualisation des Medizinbuddha im
Raum vor einem die Keimsilbe HUM – umgeben von der Mantra-Kette –
visualisiert. Genau gesagt visualisiert ihr eine Mondscheibe – eine Scheibe aus
weißem Licht, das den Mond darstellt -, auf Höhe des Herzens liegend. Aufrecht
auf dieser Scheibe steht die visualisierte Keimsilbe der Gottheit, ein blaues
HUM, welches den Geist oder die Weisheit der Gottheit symbolisiert. Das HUM
umgebend visualisiert ihr die Kette des Mantras, aus dem Lichtstrahlen
austreten werden. [Anm. d. Hg.: Die Silbe HUM, die in der Mitte des Herzens der Gottheit – der
Selbst-Visualisation wie auch der Visualisation vor euch – steht, ist nach vorne hin ausgerichtet, in die
gleiche Richtung wie die Gottheit. Die Mantra-Kette, in tibetischer Schrift visualisiert, ist nach außen
gerichtet – was heißen soll, dass jemand, der außerhalb des Medizinbuddha stünde, es lesen könnte, aber
nicht aus der Perspektive des HUMs im Herzen; es beginnt mit TÄYATA, direkt vor der in der Mitte
stehenden Keimsilbe HUM, und ist als Kreis angeordnet, der die Keimsilbe umgibt.]
Das HUNG im Herzen – von einem selbst und in dem der Visualisation im
Raum vor mir – ist von der Mantra-Kette umgeben.
Nachdem ihr die Mondscheibe, die HUM-Silbe und die Mantra-Kette im Herzen
von euch selbst und der Visualisation vor euch visualisiert habt, denkt ihr, dass
aus der HUM-Silbe und der Mantra-Kette im Herzen der Selbst-Visualisation
Strahlen von vielfarbigem Licht in die Richtung der Visualisation im Raum vor
euch austreten. Diese Lichtstrahlen treffen auf das Herz der Visualisation vor
euch, lassen deren nicht-konzeptuelles Mitgefühl entstehen, und verursachen
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Strahlen von vielfarbigem Licht, welche aus der Mantra-Kette und der HUM-
Silbe in deren Herz austreten, welche weiterstrahlen zum östlichen reinen
Bereich des Medizinbuddha, genannt Licht des Vaidurya. An den Enden dieser
vielfarbigen Lichtstrahlen befinden sich Opferungsgöttinnen, die dem
Medizinbuddha, den sieben anderen Medizinbuddhas, den sechzehn Bodhisattvas
u.s.w., unzählige Opferungsgaben darbringen.
Diese Opferungen dienen dazu, ihr Mitgefühl zu wecken; sie an ihre
Versprechen, Gelübde und Wünsche, den Wesen zu nutzen, zu erinnern; und um
sie zu veranlassen, ihren Segen freizusetzen.
Der Segen ihres Körpers nimmt die Form von unzähligen Medizinbuddhas und
seines Gefolges an – riesige, winzige, und jede Größe dazwischen. Diese
unzähligen Formen des Hauptaspekts, der anderen Medizinbuddhas und der
Bodhisattvas regnen nieder und verschmelzen mit euch – mit der Form der
Selbst-Visualisation und mit der Visualisation vor euch im Raum-, euch den Segen
des Körpers des Medizinbuddhas und seines Gefolges gewährend.
Gleichzeitig strahlt der Segen ihrer Rede in Form der Mantra-Kette, welche in
diesem Fall vielfarbig ist, aus. Mantra-Ketten von verschiedener Farbe regnen
aus den reinen Bereichen des Medizinbuddhas nieder, und verschmelzen mit euch
– als Medizinbuddha – und der Visualisation vor euch im Raum, den Segen ihrer
Rede gewährend.
Der Segen ihres Geistes, welcher genau genommen keine Form hat, wird
schließlich zum Zweck der Visualisation in Form dessen, was der Medizinbuddha
in Händen hält dargestellt – die Arurapflanze und die Bettelschale, gefüllt mit
Ambrosia. Diese strahlen aus, regnen nieder und verschmelzen mit euch als
Medizinbuddha und mit der Visualisation vor euch, euch den Segen ihres Geistes
gewährend.
Wenn ihr klar visualisieren könnt, ist es am besten, wenn ihr all dies ganz
langsam und Schritt für Schritt tut. Während ihr fortfahrt das Mantra zu
sagen, denkt ihr daran, dass Lichtstrahlen aus der Selbstvisualisiation
hervortreten, zu der Visualisation im Raum vor euch, und dann von der
Visualisation vor euch zu den reinen Bereichen strahlen; der Prozessverlauf ist
stufenweise und langsam. Speziell wenn die Segen von Körper, Rede und Geist
nieder strömen und sich in euch hinein auflösen, könnt ihr die Visualisation der
Reihe nach machen: zuerst visualisiert, wie der Segen des Körpers niederströmt,
ohne dabei in Eile zu verfallen, und so deutlich wie möglich; und danach
visualisiert den Segen der Rede und dann den Segen des Geistes. Wenn ihr
glaubt, dass die Visualisation extrem unklar ist, könnt ihr, wenn ihr es so
wünscht, alles auf einmal durchführen. Aber wenn ihr es Schritt für Schritt und
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langsam macht, werdet ihr bemerken, dass ihr eine viel stärkere Wahrnehmung
des Segens, der wirklich in euch einfließt, bekommt. Wenn ihr euch Zeit nehmt
für die Visualisation werdet ihr echtes Vertrauen entwickeln, ein wirkliches
Gefühl dafür, wie der Segen in euch einfließt.
Wenn ihr den Segen des Medizinbuddha, und von Buddhas und Bodhisattvas
allgemein, erhaltet, werden dadurch zahlreiche unangenehme Dinge –
Hindernisse, Krankheiten, Störungen durch Dämonen – befriedet, und Mitgefühl,
Vertrauen, Hingabe, Einsicht u.s.w. werden gedeihen und zunehmen.
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trocken ist, sondern es ist ein flüssiges Licht, welches eine Qualität von
Ambrosia hat. Dieses leuchtende Ambrosia oder flüssige Licht reinigt und
beseitigt wirklich Krankheit und Schmerz – was auch immer es ist. Man kann dies
nicht nur für sich selbst tun, indem man den Medizinbuddha im geeigneten Teil
des eigenen Körpers visualisiert, sondern man kann es auch für andere tun, indem
man den Medizinbuddha im entsprechenden Teil ihrer Körper visualisiert. Die
Ausstrahlung der Lichtstrahlen aus Ambrosia, u.s.w. ist gleich.
Dies kann nicht nur bei körperlicher Krankheit angewendet werden, sondern
genauso bei geistigen Problemen. Wenn man eine bestimmte Art von Angst, oder
Stress, oder Depression, oder Furcht, oder irgendeine andere Art von
unangenehmer geistiger Erfahrung loswerden möchte, kann man den
Medizinbuddha visualisieren, wie er über dem Scheitel des Kopfes sitzt, und
dann denkt man – wie zuvor -, dass leuchtendes Ambrosia oder flüssiges Licht
von seinem Körper ausströmt, den eigenen Körper auffüllt, und dabei jedes
Problem reinigt – was auch immer es ist.
Man mag denken, dass sich das alles ein bisschen kindisch anhört, aber es
funktioniert in der Tat, und man wird dies herausfinden, wenn man es versucht.
Auf die Rezitation des Mantras folgt der Abschluss der Praxis.
Zuerst kommt das Geständnis der Mängel. Mit einer Haltung von Bedauern für
alles, das ihr falsch und unsachgemäß getan habt, sagt ihr einfach: „Ich bekenne
alle Vergehen und schädlichen Handlungen.“
Unmittelbar darauf widmet ihr den Verdienst oder die Heilkraft der Praxis der
Erleuchtung aller Wesen, indem ihr sagt. „Und widme alle verdienstvollen
Tugenden der Erleuchtung.“
Danach macht ihr einen glückverheißenden Wunsch, der eure Widmung auf etwas
bestimmtes fokussiert, indem ihr sagt: „Mögen alle Wesen durch die Widmung
dieses Verdienstes frei sein von Krankheit, schädlichen Geistern und Leiden.“
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Die Weltlichen kehren zu ihren Plätzen zurück. BENZA MU.
Die Jnana- und Samayasattvas verschmelzen mit mir,
und ich löse mich auf in die Weite aller Güte,
in die uranfängliche Reinheit. E MA HO.
Hier angekommen lasst ihr euren Geist in der Erfahrung von Leerheit ruhen.
Durch die Praxis dieser zwei Stufen gelangt ihr zur Realisation von Dharmata –
der Natur der Dinge. Visualisation und andere Praktiken der Erzeugungsstufe
dienen dem Schwächen der Kleshas, während die Vollendungsstufen-Praktiken,
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welche Shamata– und Vipashyana-Praxis beinhalten, dazu dienen sie [Anm. d. Ü.: die
Kleshas] auszurotten.
In der langen und mittellangen Form der Medizinbuddha-Praxis gibt es, weil sie
von der Methode her völlig nach den Sutren gehen, eine einleitende Meditation
über Leerheit, nach der man sich einen Palast als Wohnsitz für die Visualisation
vor einem vorstellt, und dann ladet man die Gottheiten ein, in diesem zu
verbleiben. Es gibt keine konkrete Entwicklung der Formen der Gottheiten, wie
in diesem Fall, noch gibt es eine Selbst-Visualisation, eben weil sie völlig mit den
Sutren konform gehen.
Die Praxis, die wir verwenden, beinhaltet die Vajrayana-Praxis der Selbst-
Visualisation und die präzisen Details der Visualisation. Deshalb wird sie als
effektiver und kraftvoller angesehen.
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durch Hingabe, Beständigkeit, Einsatz und vieler anderer verschiedener
Qualitäten braucht.
Wir im Westen haben herausgefunden, dass so eine Art universeller Herrscher
oder Führer normalerweise letzten Endes irrt. Könnt Ihr mir sagen, was diesen
Chakravartin unterscheidet, der so erfolgreich zu herrschen scheint, weil wir
hier diese Erfahrung nicht haben?
Rinpoche: Zu deiner ersten Frage: die Übereinstimmung der „sieben Zeichen der
Herrschaft“, welche die charakteristischen Besitztümer eines Chakravartin sind,
und die „sieben Glieder zur Erleuchtung“, welche notwendige Mittel auf dem Weg
für Bodhisattvas sind, ist eine maßgebende. In Fällen, in denen die symbolische
Bedeutung der Darbringung der „sieben Zeichen der Herrschaft“ nicht erklärt
wird, bedeutet dies einfach eine kürzere Darlegung der Bedeutung dieser
Opferungsgaben. Auf jeden Fall fungiert diese Übereinstimmung in allen
Verwendungen dieser Dinge als Opferungssubstanzen oder –Gegenstände.
Betreffend deiner zweiten Frage lässt sich folgendes sagen: ein Chakravartin
kommt nur zu bestimmten Zeiten der Geschichte, welche als die besten Zeiten
oder besten Zeitalter angesehen werden. Was einen Chakravartin von so einer
Art kosmischen Diktator unterscheidet, ist, dass ein Chakravartin in der
menschlichen Gesellschaft, zu diesem bestimmten Zeitpunkt, als Lösung für
Probleme auftaucht, und nicht als Beginn neuer Probleme. Ein Chakravartin
erscheint zu einer zeit, in der es Streitgespräche darüber gibt, wer die
Gesellschaft führen soll. Der Chakravartin selbst ist nicht besonders erpicht
oder bestrebt, dies zu tun, ist aber altruistisch, geeignet und von der großen
Menge der Gesellschaft anerkannt, wodurch er in seine Position der Autorität
gelangt. Natürlich ist es möglich, dass nach der Regentschaft eines
Chakravartin, wenn eine Dynastie eingeführt wurde, die Dinge wieder entarten
können, wie du das in deiner Frage angedeutet hast. Aber dann wären sie nicht
länger Chakravartins.
Frage: Sagt Ihr damit, das es auch eine weibliche, universelle Herrscherin, eine
Chakravartini, geben könnte?
Rinpoche: Ja, natürlich.
Frage: Rinpoche, immer und immer wieder sprecht Ihr davon, wie all diese
Praktiken in irgendeiner Weise den Hintergrund für eine wirkliche Praxis bilden,
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dass es Vertrauen und Hingabe bedarf, damit die Praxis auch tatsächlich hilft.
Es scheint, als ob alle Praktiken gewissermaßen darauf abzielen, dies zu
intensivieren. Ihr sagt „intensiver Wunsch“, und es gab Zeiten in meiner Praxis,
da es diesen auch gab, und ich eine Glut an Vertrauen verspürte. Zu anderen
Zeiten wünschte ich wirklich, Vertrauen zu verspüren, weil ich merkte, dass ich
es brauchte. Ihr sprecht über das Erzeugen von Bodhicitta und von Vertrauen.
Wie sieht der Prozess des Erzeugens aus? Ich kann zwar den Gedanken davon in
meinem Geist deponieren, aber wenn er ebenfalls von Zweifel und Zynismus
durchdrungen ist ...
Ich komme aus einer Art Kultur des Zweifelns und des Hinterfragens und der
Philosophie etc., daher ist es sehr schwer über diese Konzepte mit absolutem
Vertrauen zu sprechen. Wie sieht die Methode des Erzeugens von intensivem
Vertrauen aus?
Rinpoche: Der Ansatz ist, fundiertes Vertrauen zu entwickeln. Fundiertes
Vertrauen kommt durch Untersuchung. Durch das Nachforschen über die
Bedeutung des Dharma entdeckst du gültige Gründe dafür, warum es angebracht
ist Vertrauen in ihn zu haben. So wird auf natürliche Weise Vertrauen
entstehen.
Frage: Rinpoche, wie lautet die Übersetzung für das Mantra? Und wann hört die
Visualisation des Segens, der in Form von kleinen Medizinbuddhas und der
Bettelschale und dem Mantra niederströmt, auf?
Und wenn es aufhört, folgt nicht gleich die Auflösung, oder?
Worin ruhen wir zu diesem Zeitpunkt?
Übersetzer: Du meinst nach dem Niedersinken des Segens und vor der
Auflösung der Visualisation?
Frage: Richtig.
Rinpoche: Das Mantra, das du rezitierst, ist im Grunde genommen eine
Ausschmückung des Namens des Medizinbuddhas. Du rezitierst mehr oder
weniger den Namen des Medizinbuddhas auf Sanskrit. Wann du damit aufhörst
die Visualisation des Segens von Körper, Rede und Geist, wie er wieder und
wieder in dich aufgenommen wird, zu beenden, liegt an dir. Du kannst diese
Visualisation für die gesamte Dauer der Rezitation des Mantras
aufrechterhalten; in diesem Fall ist nicht viel zwischen dem und der Auflösung
des Mandalas. Oder du hörst von Zeit zu Zeit mit der Visualisation auf und ruhst
in Hingabe. Es ist nicht so, dass du absolut jeden Augenblick der Mantra-
Rezitation diese Dinge mit dir verschmelzen lassen musst. So lange Vertrauen
und Hingabe da sind, muss es nicht durchgehend so sein.
Frage: Ist das Mantra am besten für Tiere, die gerade sterben geeignet, und
was ist mit Tieren, die kürzlich verstorben sind, oder sehr schnell?
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Rinpoche: Es wird auch einem bereits verstorbenen Tier von Nutzen sein; aber
natürlich ist es wirksamer, wenn es verwendet wird kurz bevor das Tier stirbt.
Aber auch im Nachhinein wird es helfen.
Wir hören für diesen Morgen hier auf und schließen mit der Widmung des
Verdienstes.
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Aus dem Himmel-Dharma, welcher ein Schatz des Geistes, ein
Ornament der klaren Weite des Geistes ist, kommt ein Ritual von
Menla, genannt
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SHIN TU SER NA DRAK PÖ RAB CHING PE
Jene, die durch die Fesseln sehr starker Gier
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MEN GYI GYEL PO DE LA SOL WA DEB
An Dich, den König der Medizin, richte ich meine Bitte.
TSHEN LEK SER ZANG DRI ME NANG WA DANG
An Hervorragender Name, Erscheinung makellos schönen Goldes,
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DAM CHÖ LEK WAM TSHOK LA SOL WA DEB
und an die Sammlung der Texte des heiligen Dharma richte ich meine Bitte.
BO DHI SA TO THRI SONG DEU TSEN SOK
An den Bodhisattva Shantarakshita, Trisong Deutsen, und andere,
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DRO KÜN SANG GYE LA GÖ CHIR
Um alle Wesen zur Buddhaschaft zu führen,
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TONG PAY NGANG LE TONG SUM DI
Aus der Tiefe der Leerheit entstehen zahllose Welten,
RANG NYI DANG DÜN KYE KYI TSO WÖ SA BÖN HUNG THING
KHA LE
tiefblaue HUNGs erscheinen, die Keimsilben vor mir selbst und des Hauptaspekts, die im
Raum vor mir visualisiert wird;
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KHYE PAR DU DÜN KYE KYI DAB MA NAM LA
Auf den Lotusblättern der Visualisation vor mir
100
NE DIR CHEN DREN JIN CHEN WAB TU SOL
Ihr, die ihr an diesen Platz eingeladen seid, möget ihr uns wohlgesonnen sein, und euren
großen Segen herabströmen lassen.
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HUNG TRA SHI TSO WO DZE GYE DE
HUNG. Die acht wichtigsten glückverheißenden Substanzen,
102
DAK GI LHA LA CHÖ PA BUL
bringe ich den Gottheiten dar.
103
OM SARWA TATHAGATA ABIKEKATE
SAMAYA SHRIYE HUNG
104
HUNG KU DOK BE DUR YA YI RI WO DRA
HUNG. Dein Körper ist wie ein Lapislazulifarbener Berg.
105
DAK DÜN THUK KAY HUNG LA NGAK TRENG KOR WAR MIG LA
Das HUNG im Herzen – von einem selbst und in dem der Visualisation im Raum vor mir –
ist von der Mantra-Kette umgeben.
und danach:
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KA DAK KÜN ZANG LONG DU E MA HO
und ich löse mich auf in die Weite aller Güte; in die uranfängliche Reinheit. E MA HO.
Dieses Ornament, welches ein Schatz des Geistes ist, wurde vom Himmel-
Dharma zusammengestellt, und von Raga Asya angepasst.
Wenn es Widersprüche gibt, bekenne ich diese vor der Gottheit. Mögen durch
diese Tugend alle fühlenden Wesen, wenn sie einmal von Krankheit befreit sind,
schnell die Ebene von Menla erreichen. Auch wenn die Sutra-Rituale die Praxis
der Waschung beinhalten [welche hier nicht ausgeführt wird], weil dies eine
höhere Praxis ist, die am Ende des [höchsten] Yoga-Tantra zu finden ist, gibt es
keinen Widerspruch.
Wenn ihr diese als eure regelmäßige Praxis nehmt, sind die Nutzen folgende:
Wenn ihr ordiniert seid, wird eure Disziplin beibehalten werden; und sollte es
dazu kommen, dass dies einmal nicht der Fall ist, so verhindert ihr durch das
Reinigen der Verdunkelungen, in die niedrigeren Bereiche hinab zu fallen. Durch
das Reinigen des negativen Karmas verhindert ihr, als Höllenwesen,
Hungergeister oder als Tier wiedergeboren zu werden. Selbst wenn es
vorkommen sollte, werdet ihr unverzüglich befreit, und eine treffende
Wiedergeburt in einem höheren Bereich nehmen, und dadurch allmählich
Erleuchtung erlangen. Und in diesem Leben werdet ihr leicht Nahrung und
Kleidung beziehen können, und nicht durch Krankheit, negative Geister, Zauberei
oder Bestrafung durch Herrscher zu Schaden kommen. Ihr werdet geschützt
und geleitet sein durch Vajrapani, Brahma, die großen Könige der vier
Richtungen, und die zwölf großen Yaksha-Führer mit ihren jeweiligen 700.000
Gehilfen. Ihr werdet von allen Unheilen befreit sein: von den achtzehn Arten
eines vorzeitigen Todes, Leid durch Feinde, fleischfressende Bestien, u.s.w.
All eure Wünsche werden vollkommen in Erfüllung gehen.
In den zwei umfangreichen Sutren des Menla heißt es, dass die Nutzen
unvorstellbar sind.
In den großen klösterlichen Zentren, wie z.B. Jang Damring Pelkhor Chöde, und
deren philosophischen Universitäten – in denen die Gelehrten Mängel im Dharma
finden, und nur schwer zu befriedigen sind -, hat sich nur dieses Menla-Ritual
(zur Verlängerung des Lebens und zum Reinigen der Verdunkelungen) so weit
verbreitet.
Jenes Ritual, das vor dem Jowo in Lhasa, Tibets Bodhgaya, und dem Großartig
Erwachten in Samye durchgeführt werden sollte, ist dieses Ritual des
Medizinbuddhas.
107
Ihr solltet darauf vertrauen, dass von allen neuen und alten Überlieferungen,
den Sutren und Tantren, nichts mehr von Nutzen ist als Menla.
Es gibt viele umfangreiche und übersichtliche Versionen; die hier vorliegende
enthält nur wenige Worte, aber dennoch die vollkommene Bedeutung.
Da sie zum Anuttara-Yoga gehört, sind die Rituale der Reinigung nicht notwendig.
Weil die Opferungsgaben mental dargebracht werden, ist es in Ordnung, keine
Torma zu opfern.
Jedermann sollte sie praktizieren.
SHUBHAM DZAYENTU.
Übersetzt unter der Leitung von Thrangu Rinpoche und Khenpo Karthar Rinpoche
von Michele Martin, unter Mithilfe von Ngodrup Burkhar und Hinweisen auf
Übersetzungen durch Lama Yeshe Gyamtso und SarahHarding, Woodstock, N.Y.,
1984, 1999, Kathmandu, 1999.
Übersetzung ins Deutsche von Julia Martin, November 2002.
108
Kurze Menla Praxis
109
Kürzere Menla Praxis
CHOM DEN DAY DE SHIN SHEK PA DRA CHOM PA YANG DAK PAR
DZOK PAY
Dir, Bhagavan, Tathagata, Arhat, vollkommen und gänzlich
110
Bhagavat, der mit allen Wesen gleich mitfühlt,
und der alleine durch das Hören seines Namens die drei niederen
Bereiche
befriedet,
werden.
111
Anhang
Es wird gelehrt, dass Abkehr [von Samsara] der Fuß der Meditation ist.
Gewährt euren Segen, damit dieser Meditierende, der weder an Nahrung noch an
Besitz haftet, und der die Fesseln an dieses Leben zerschneidet, kein Begehren
nach Ehre und Reichtum haben möge.
Es wird gelehrt, dass die Essenz der Gedanken der Dharmakaya ist.
Sie sind nichts und dennoch entstehen sie.
Gewährt diesem Meditiereden, in dem sie als unaufhörliches Spiel entstehen,
euren Segen, damit ich die Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana erkennen
kann.
Möge ich in all meinen Leben nicht vom vollkommenen Lehrer getrennt sein, und
mich so am Glanz des Dharma erfreuen.
Möge ich die Tugenden der Pfade und Bhumis vervollkommnen und so schnell den
Zustand von Vajradhara erlangen.
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Dieses Gebet wurde von Pengar Jampal Zangpo verfaßt. Die letzte Strophe ist ein traditioneller
Vers des Wunsches.
Übersetzt vom Nalanda Übersetzungskomitee, leicht berichtigt vom KSOC-
Übersetzungsgremium.
Ins Deutsche übersetzt von Julia Martin, Nov. 2002.
113
DIE ZWÖLF URSPRÜNGLICHEN GELÜBDE DES
TATHAGATA MEDIZINGURU MIT LAPISLAZULI LICHT
115
hingerichtet zu werden, und durch zahlreiche andere Katastrophen und
Beleidigungen gequält werden, sodass sie durch Sorgen und Pein belastet werden,
und an Körper und Geist leiden, durch das Hören meines Namens, durch die
grandiose, übernatürliche Kraft meiner Verdienste und Tugend, alle frei werden
von Sorgen und Leiden.
116
Praxis des Medizinbuddha
117
OM NAMO BHAGAVATE BEKADZYE GURU BAIDURYA
TAPARADZA TATHAGATA ARHATE SAMYAKSAMBUDDHAYA
TADYATA OM BHEKADZE BHEKADZE MAHA BHEKADZE RADZA
SAMUDGATE SVAHA
Die Sieben Medizinbuddhas und ihre Praxis fanden erstmals den Weg
nach Tibet, als Acarya Bodhisattva Khen Chen, der Großabt aus Benga-
len, kurz vor Padmasambhavas Ankunft in Tibet von König Trisong Deut-
sen eingeladen wurde, die Dharma-Lehre nach Tibet zu bringen. Er war
der erste große Abt, der aus Indien nach Tibet kam. Er schlug dem da-
maligen König von Tibet vor, die Praxis der Medizinbuddhas im Land
einzuführen. König Trisong Deutsen hat öffentliche Gebete der Sieben
Medizinbuddhas veranstalten lassen. Damit wurde erstmals die Lehre
von den Sieben Medizinbuddhas im Land verbreitet. Dann kam die Lehre der
Sieben Medizinbuddhas auch in die Mongolei.
In Tibet wurden die Sieben Medizinbuddhas und ihre Gebete sehr bekannt. Viele
Tibeter laden dazu noch heute Gruppen von Mönchen nach Hause ein und lassen
die Gebete der Sieben Medizinbuddhas von ihnen für das Land, für die Lebenden
sowie für jene, die bereits gestorben sind, verrichten.
Das größte und bekannteste Gebet der Sieben Medizinbuddhas, ver-
fasst vom 5. Dalai Lama, besteht etwa aus 90 Folien.
Daneben gibt es zwei mittlere Formen des Gebetes. Eines ist von Pan-
chen Rinpoche, Lobsang Chögyen. Es umfasst ungefähr 10 Folien und
wird häufig rezitiert. Es lässt sich auch leicht auswendig lernen. Viele
Mönche können aus dem Gedächtnis rezitieren.
Dann gibt es noch etliche kürzere Versionen in der Länge von 1 bis 2
Folien. Eines davon wurde im 18. Jahrhundert von Longdol Lama ver-
fasst. Es besteht nur aus etwa 3 Folien und wird ebenfalls sehr häufig
gesprochen.
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Viele Leute rezitieren aber auch nur die Mantras, weil sie sehr kurz
sind, und weil man sie im Gehen, Sitzen, Liegen, sozusagen in jeder
Situation, also auch bei der Arbeit sprechen kann.
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Die Acht Medizinbuddhas
Sein Bereich ist, nach den Worten des historischen Buddha Sakyamuni, im
Osten. Das ist ein Bereich ohne jeglichen Mangel, mit allen Qualitäten eines
Buddha-Bereichs. Dort wohnt Buddha Tsän-Leg. Er hat seine eigene
Anhängerschaft und ist umgeben von unzähligen Bodhisattvas, denen er
Unterweisungen erteilt.
1. Mögen diese Lebewesen ständig frei sein von allen Krankheiten epidemischer
Art und nicht mehr von Wiedergängern bedroht werden. (Es gibt viele
Geschichten über Leichen, die wieder auferstanden sind und Menschen großen
Schaden zugefügt haben.)
3 . Für Menschen, die ständig von den Verdunklungen der Kleshas überschattet
sind, weil sie die fünf grenzenlosen Taten (Vater- oder Muttermord, Mord an
einem Arhat, einen Buddha so zu verletzen, dass aus seinem Körper Blut fließt,
und in der Sangha Zwietracht säen, z.B. durch Verleumdung) begangen haben, die
nicht mehr den Dharma üben oder in verschiedene unheilsame Tätigkeiten
verwickelt sind, wodurch sie in den drei unteren Daseinsbereichen viel Leiden
erleben müssen, für alle solchen Menschen, damit sie, wenn sie an diesen Buddha
denken, von ihren Leiden befreit werden. Schwierigkeiten, wie Altern,
Krankwerden, Sterben, aufs neue Geboren werden und Streit. Damit sie ohne
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Betrug alles erlangen, was sie an Nahrung, Kleidung und so weiter brauchen, und
sie die heilsamen geistigen Qualitäten entwickeln können.
2. Für Menschen, die durch das Klima leiden, wie an Kälte, großer Hitze, Durst
und Hunger und aufgrund dieser großen Leiden keine Zeit mehr für die Praxis
haben.
3. Für Frauen, die bei der Geburt ihrer Kinder zu sehr leiden und die
rasch den Zustand der Erleuchtung erreichen wollen.
4. Für Menschen die leiden, weil sie von ihren Geliebten getrennt werden, und
mit ihm oder ihr nicht mehr zusammensein können.
5. Für Menschen, die ständig in Dunkelheit leben und ohne die richtige Sicht sich
mit unheilsamen Taten beschädigen.
6. Für Menschen, die nur wenig Weisheit haben und körperlich wie
geistig zu wenig Kraft besitzen oder nicht mehr an die drei Juwelen
denken.
7. Für Menschen, die sich nur für das kleine Fahrzeug interessieren.
Dra heißt Ton oder Klang, Yang heißt Melodie. Er ist der König der Melodien.
Seine Körperfarbe ist ebenfalls gelb. Die rechte Hand hält er in der Geste des
höchsten Gebens, die linke in Meditationsstellung.
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Er hat, als er selbst noch ein Bodhisattva war, acht große Gelübde abgelegt und
sie mehrmals in Buddhas Anwesenheit wiederholt. Er wünschte, sich nach seiner
Erleuchtung einzusetzen:
1. Für Menschen, die durch Arbeit auf dem Feld, durch ein Geschäft, Handel
oder etwas anderes völlig von der Dharma-Praxis abgelenkt werden. Auf diese
Weise haben solche Menschen keine Möglichkeit, Bodhicitta zu erreichen. Sie
erleiden immer wieder dieselben Schwierigkeiten, wie Altern, Krankwerden,
Sterben, aufs neue Geborenwerden und Streit. Damit sie ohne Betrug alles
erlangen, was sie an Nahrung, Kleidung und so weiter brauchen, und sie die
heilsamen geistigen Qualitäten entwickeln können.
2. Für Menschen, die durch das Klima leiden, wie an Kälte, großer Hitze, Durst
und Hunger und aufgrund dieser großen Leiden keine Zeit mehr für die Praxis
haben.
3. Für Frauen, die bei der Geburt ihrer Kinder zu sehr leiden und die rasch den
Zustand der Erleuchtung erreichen wollen.
4. Für Menschen die leiden, weil sie von ihren Geliebten getrennt werden, und
mit ihm oder ihr nicht mehr zusammensein können.
5. Für Menschen, die ständig in Dunkelheit leben und ohne die richtige Sicht sich
mit unheilsamen Taten beschäftigen.
6. Für Menschen, die nur wenig Weisheit haben und körperlich wie geistig zu
wenig Kraft besitzen oder nicht mehr an die drei Juwelen denken.
7. Für Menschen, die sich nur für das kleine Fahrzeug interessieren.
Mögen alle diese Lebewesen an diesen Buddha denken können, seinen Namen
rezitieren und so von all ihren Leiden befreit werden.
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1. Für Menschen, die besonders viel Leben zerstören und als unmittelbare Folge
davon viele ganz schwere Krankheiten erleiden, ein
sehr kurzes Leben haben, von Wasser vergiftet, von Feuer und Wind
angegriffen werden.
4. Für Menschen, die es mit der Praxis des ethischen Handelns nicht
mehr so genau nehmen und als Folge davon verschiedene unheilsame Tätigkeiten
ausüben.
4-Der vierte Buddha heißt Asokottamasri. Auf tibetisch heißt er nya ngen me
tchog pal.
Nya ngen heißt leiden, me heißt los, also: der leidlose Buddha.
Sein Körper ist rosafarben, die Händen liegen in Meditationshaltung im Schoß.
Er wohnt ebenfalls im Osten, und es gibt eine große Anzahl Bodhisattvas, die von
ihm Belehrungen erhalten. Er hat vier große Gelübde abgelegt:
1. Für die Lebewesen, die geistig verwirrt sind, sich deshalb ständig
streiten und darunter leiden.
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Shazas geplagt werden. Yakshas sind körperlich besonders groß,
sehr reich und leben in verschiedenen Bereichen verstreut, z.B. als
Anhänger von Schutzgottheiten.
Einmal verwandelt Guru Rinpoche seine Gestalt und sieht plötzlich sehr
alt aus. Die Kannibalen meinen, er werde nun nicht mehr
sehr lange leben. Ein paar Tage später sieht er aber wieder jung aus.
Das bringt die Kannibalen zum Verzweifeln.
Als nächstes kommen die sogenannten Bhutas aus der Gruppe der
Jungpos. Das sind verschiedene Geistergruppen, Menschen, deren
Verdienst erschöpf ist. Sie sind sehr anfällig und fügen anderen
Leid zu.
Dann folgen die Shazas, (sanskr. Pishatsa). Durch die Plagen dieser
Wesen verlieren die Menschen ihren Körperglanz oder Lebensenergie.
Mögen solche Menschen in der Lage sein sich an diesen Buddha zu erinnern,
ständig seinen Namen rezitieren und dadurch von den beschriebenen Leiden
befreit sein.
1. Für Menschen, die in eine Familie hineingeboren sind und stark unter deren
verkehrten Anschauungen leiden, fern von den drei Juwelen leben, weder
Vertrauen haben noch die Möglichkeit, Bodhicitta in sich zu erzeugen.
2. Für Menschen, die in einem Land geboren sind, in dem sie keine Möglichkeit
haben, von Buddha oder den Namen Buddhas zu hören, und ständig unter
negativen Einflüssen stehen und degenerieren.
3. Für Menschen, die ein Heilmittel für ihre Krankheit suchen, es nicht
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finden und deswegen verschiedene unheilsamen Handlungen ausführen, um zu
bekommen, was sie suchen.
4. Für Menschen, die streiten, die mit verschiedensten Waffen, vom Stock
bis zu den schwersten Waffen kämpfen, die sich gegenseitig zu töten
versuchen. Damit sie statt zu töten, lernen einander zu helfen.
Mögen diese Wesen sich an den Namen des Buddhas erinnern und da-
durch von ihren Leiden befreit zu werden.
3. Für Menschen, die zur Bestrafung ihrer Fehler Arme, Beine oder
Augen verlieren, die geschlagen werden oder kurz vor ihrer Hinrichtung stehen.
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7-Der siebte Buddha heißt Cakiamouni Buddha.Tibetisch heißt er gyalwa
shakya thubpa
Sein Körper ist golden . Die rechte Hand befindet sich in der Erdanrufungs-
haltung, die linke liegt im Schoß. Mit seiner Hilfe werden alle innere Feinde
bezwungen.
4. Für die Menschen in der Zukunft, damit sie sich für das Grosse Fahrzeug
interessieren, denn dieses führt viel schneller zum Ziel der Buddhaschaft.
5. Für die Menschen, dass sie alle drei Gelübde, Pratmoksha (individuelle
Befreiung), Bodhisattva- und Mantra-Gelübde, ablegen und
niemals mehr in die unteren Bereiche zurückfallen.
7. Für die Lebewesen, damit sie gute geistige Führer haben und das richtige
Medikament erhalten.
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8. Für Frauen, die mit ihrem Zustand nicht mehr zufrieden sind, damit sie die
Möglichkeit einer männlichen Wiedergeburt bekommen.
9. Für Lebewesen, die in den Schnüren der Maras gefangen, auf den
falschen Weg geraten sind, damit sie wieder auf den richtigen Weg
zurückfinden.
10. Für Menschen, die wegen irgend eines kleinen Fehlers große Angst und
Furcht vor Bestrafung durch einen König oder Machthaber im Land haben.
11.. Für Menschen, die unter Hunger und Durst leiden und nicht zufrieden sind
mit dem, was sie im Leben bekommen können.
12. Für Menschen, die nicht genügend Kleider haben und deshalb von Insekten
oder großen Bienen gestochen werden, damit sie Kleider und auch Schmuck
bekommen.
Mögen den Wesen in der Zukunft, wenn sie sich an diesen Buddha
erinnern alle obengenannten Wünsche erfüllt werden. Das war die Beschreibung
der achte Medizinbuddhas.
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Es gibt verschiedene Mantras der Sieben Medizinbuddhas. In Vaisali,
wohin sich Buddha mit allen 8000 Bodhisattvas begeben hat, sind auf
Manjushri's Bitte die Sieben Medizinbuddhas erschienen und haben
gemeinsam folgendes Mantra gesprochen:
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alle definitiv guten Eigenschaften, die ein voll erwachter Buddha in sich
verwirklicht hat
BUDDHA TSCHETRA PARISHODANI
Buddha ist klar,tschetra heißt Bereich, auch in der Mehrzahl, die Bereiche, die
noch nicht rein sind. Also: Ich bitte die Sieben Medizinbuddhas, alle unreinen
Bereiche zu reinigen, sogar den Bereich der Menschen.
DHARMENI DHARMENI der bestimmte Dharma
MERU MERU
ist ein Begriff für Berg, für den Berg Meru
MERU SIKARE
Hier werden die Sieben Medizinbuddha oder der Buddha Lapislazuli von seiner
Größe, den Fähigkeiten, seinem umfangreichen Zustand und seiner Stabilität her
mit dem Berg Meru verglichen. SIKA ist die Spitze des Berges
SARVA AKALA MIRTYU
segne mich, dass ich keinen vorzeitigen Tod erleben muss. Der Tod kann kommen,
wenn die Lebensspanne aufgebraucht ist. Wenn ein Mensch, sobald sein
Verdienst und die Energien verbraucht sind, stirbt, ohne die Lebe